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Die Sprache der Bilder - enostopos

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<strong>Die</strong><br />

<strong>Sprache</strong><br />

<strong>der</strong><br />

Bil<strong>der</strong><br />

von<br />

Ludwig Dinzinger<br />


Impressum<br />

In die Innenseiten <strong>der</strong><br />

Umschlagdeckel können<br />

Abbildungen von Herold, 1551,<br />

abgedruckt werden. Bildtafeln mit<br />

Sammlungen von Abbildungen aus<br />

dem Horapollo - in: Volkmann L.,<br />

Bil<strong>der</strong>schrift <strong>der</strong> Renaissance,<br />

Leipzig, 1923, S. 78.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Sprache</strong> <strong>der</strong> Bil<strong>der</strong>


Inhalt<br />

Einleitung<br />

Säugetiere<br />

Vögel<br />

Insekten, Reptilien, Fische<br />

1. Das Rind<br />

2. Das Pferd<br />

3. Der Löwe<br />

4. Der Wal<br />

5. Der Leopard, <strong>der</strong> Panther<br />

6. Das Schaf<br />

7. Der Elefant<br />

8. <strong>Die</strong> Hyäne<br />

9. Der Wolf<br />

10. Der Hund<br />

11. Der Hirsch<br />

12. Der Bär<br />

13. <strong>Die</strong> Fle<strong>der</strong>maus<br />

14. Das Schwein<br />

15. Der Esel<br />

16. Der Hase<br />

17. <strong>Die</strong> Henne, <strong>der</strong> Hahn<br />

18. <strong>Die</strong> Taube<br />

19. Der Falke<br />

20. <strong>Die</strong> Schwalbe<br />

21. Der Würger<br />

22. Der Pelikan<br />

23. Der Geier<br />

24. <strong>Die</strong> Drossel<br />

25. Uhu, Eule, Kauz<br />

26. <strong>Die</strong> Krähe, <strong>der</strong> Rabe<br />

27. Der Storch<br />

28. Der Pfau<br />

29. Der Reiher<br />

30. Der Wiedehopf<br />

31. Das Rebhuhn<br />

32. Der Adler<br />

33. <strong>Die</strong> Fliege<br />

34. Heuschrecke, Grille, Zikade<br />

35. <strong>Die</strong> Ameise<br />

36. <strong>Die</strong> Biene<br />

37. Der Skorpion<br />

38. Der Frosch<br />

39. Der Salaman<strong>der</strong><br />

40. Der Wurm<br />

41. <strong>Die</strong> Schlange<br />

42. Der Waran<br />

43. Das Krokodil<br />

44. <strong>Die</strong> Schildkröte<br />

45. Der Krebs<br />

46. <strong>Die</strong> Muschel<br />

47. Der Fisch<br />

48. Der Aal<br />


Volkmann, L., Bil<strong>der</strong>schrift <strong>der</strong><br />

Renaissance, Leipzig, 1923, S. 39 -<br />

Valeriano, 1575<br />

"A Wir werden geboren. B Wir<br />

werden alt. C Wir leben. D Wir<br />

sterben. E <strong>Die</strong> Natur ist<br />

zwiespältig."<br />

Bild


Pflanzen<br />

Erden, Metalle, Geräte<br />

Weissagungen<br />

49. <strong>Die</strong> Lilie<br />

50. <strong>Die</strong> Platane<br />

51. <strong>Die</strong> Zwiebel<br />

52. Der Ölbaum<br />

53. Der Efeu<br />

54. Schilf, Gras<br />

55. Der Feigenbaum<br />

56. Der Lattich<br />

57. <strong>Die</strong> Stechpalme<br />

58. <strong>Die</strong> Esche<br />

59. Der Keuschbaum<br />

60. Das Eisenkraut<br />

61. <strong>Die</strong> Eiche, die Buche<br />

62. Der Farn<br />

63. Das Vogelkraut<br />

64. Der Sellerie<br />

65. Der Stein<br />

66. Der Lehm, <strong>der</strong> Ton<br />

67. Der Asbest<br />

68. Das Eisen<br />

69. <strong>Die</strong> Bronze<br />

70. Das Kupfer<br />

71. Das Silber<br />

72. Das Gold<br />

73. Das Schwert, <strong>der</strong> Bogen<br />

74. <strong>Die</strong> Waage<br />

75. <strong>Die</strong> Lampe<br />

76. Das Haus<br />

77. <strong>Die</strong> Farben<br />

78. <strong>Die</strong> Elemente<br />

79. Winde, Richtungen des Himmels<br />

80. <strong>Die</strong> Landschaft<br />

81. Der Traum des Pharao<br />

82. Der Traum des Nebukadnezzar<br />

83. <strong>Die</strong> Vision des Daniel<br />

84. <strong>Die</strong> Schau <strong>der</strong> Hildegard von<br />

Bingen<br />

85. <strong>Die</strong> fünf Reiter<br />

86. Das Gedicht des Nostradamus<br />

Bild <br />

aus Henkel/Schöne, Emblemata, S.<br />

59, Emblem Berg - Saavedra, 1659.<br />

"Nahe Jupiter und den Blitz"


Einleitung<br />

lehren,/<br />

die Fische des Meeres<br />

erzählen es dir."<br />

Ijob, 12, 7 - 8.<br />

"Nun fand er überall<br />

Bekanntes wie<strong>der</strong>, nur<br />

wun<strong>der</strong>lich gemischt, gepaart,<br />

und also ordneten sich selbst<br />

in ihm oft seltsame Dinge. Er<br />

merkte bald auf die<br />

Verbindungen in allem, auf<br />

Begegnungen,<br />

Zusammentreffungen. Nun sah<br />

er bald nichts mehr allein. - In<br />

große, bunte Bil<strong>der</strong> drängten<br />

sich die Wahrnehmungen<br />

seiner Sinne: er hörte, sah,<br />

tastete und dachte zugleich. Er<br />

freute sich, Fremdlinge<br />

zusammen zu bringen. Bald<br />

waren ihm die Sterne<br />

Menschen, bald die Menschen<br />

Sterne, die Steine Tiere, die<br />

Wolken Pflanzen, er spielte mit<br />

den Kräften und<br />

Erscheinungen, er wußte, wo<br />

er dieses und jenes finden und<br />

erscheinen lassen konnte, und<br />

er griff selbst in den Saiten<br />

nach Tönen und Gängen<br />

umher."<br />

Novalis, <strong>Die</strong> Lehrlinge zu Sais<br />

Eine "<strong>Sprache</strong> <strong>der</strong> Bil<strong>der</strong>" eröffnet<br />

Möglichkeiten <strong>der</strong> Vielfalt, schenkt<br />

Dimensionen an Freiheit. Neben<br />

poetischen Metaphern kann das<br />

Gleichnis <strong>der</strong> Bibel stehen,<br />

Schöpfungen von Malern und<br />

Bildhauern können sich zu<br />

Fotografie, Fabel und Allegorie<br />

fügen. Naturkunde und Wissenschaft<br />

<strong>der</strong> Embleme können sich<br />

austauschen, und die antiken Werke,<br />

die die ägyptischen Hieroglyphen zu<br />

deuten suchten, ergänzen.<br />

"Das Geheimnis <strong>der</strong> Welt<br />

eröffnet sich überall dort, wo<br />

es uns gelingt, das Universum<br />

transparent zu sehen."<br />

Teilhard de Chardin<br />

In eine "<strong>Sprache</strong> <strong>der</strong> Bil<strong>der</strong>" können<br />

alle Formen eingehen, die die<br />

Metaphorik <strong>der</strong> westlichen Kultur<br />

prägen: sie münden für unsere<br />

Gegenwart in die "Pansophie" <strong>der</strong><br />

rudolfinischen Epoche, in die Mystik<br />

des Jakob Böhme, in die<br />

aufbrechende Bil<strong>der</strong>welt des<br />

Barock. Und danach geht die<br />

Bewegung viel weiter, und auch die<br />

mo<strong>der</strong>ne Kunst lebt gewiss nicht nur<br />

in distanzierten Zitaten davon.<br />

Es sind pralle Bil<strong>der</strong> voll prächtiger<br />

Vitalität. Sie schenken Ahnungen<br />

von Weite und Stufe, Eindrücke von<br />

Licht und von Klarheit.<br />

In ihnen "webt" das Geheimnis <strong>der</strong><br />

Erscheinungen <strong>der</strong> Welt.<br />

"Frag nur die Tiere, sie lehren<br />

es dich,/<br />

die Vögel des Himmels, sie<br />

künden es dir.<br />

Rede zur Erde, sie wird dich<br />

80 Bil<strong>der</strong> o<strong>der</strong> Metaphern dieses<br />

Buches "bekleiden" ebenso viele<br />

Begriffe: zuerst kommen jeweils 16<br />

Symbole aus dem Reich <strong>der</strong><br />

Säugetiere, <strong>der</strong> Vögel, <strong>der</strong> Reptilien,<br />

<strong>der</strong> Pflanzen, <strong>der</strong> Erden und Metalle<br />

u. a. m.. In ihnen soll eine<br />

polyvalente Vorstellung <strong>der</strong><br />

möglichen Bedeutungen und <strong>der</strong><br />

bildlichen und kommunikativen<br />

Weiterungen entworfen werden.<br />

Das in dieser Weise entwickelte<br />

"Verstehen" soll helfen, sechs<br />

Weissagungen zu folgen: Träumen<br />

des Pharao, des Nebukadnezzar,<br />

Visionen des Daniel, <strong>der</strong> Schau <strong>der</strong><br />

Hildegard von Bingen, des<br />

Johannes, einem Gedicht des Michel<br />

Nostradamus.<br />

"Poesie ist die Muttersprache<br />

des menschlichen<br />

Geschlechts . Sieben Tage im<br />

Stillschweigen des Nachsinns<br />

o<strong>der</strong> Erstaunens saßen sie; - -<br />

und thaten ihren Mund auf - zu<br />

geflügelten Sprüchen. Sinne<br />

und Leidenschaften verstehen<br />

nichts als Bil<strong>der</strong>. In Bil<strong>der</strong>n<br />

besteht <strong>der</strong> ganze Schatz<br />

menschlicher Erkenntniß und<br />

Glückseeligkeit."<br />

Johann Georg Hamann, Aesthetica<br />

in nuce


Bil<strong>der</strong><br />

links<br />

Henkel, A., Schöne, A.: Emblemata,<br />

Stuttgart, 1967. S. 369, Tiere<br />

allgemein<br />

rechts<br />

Der Garten Eden, mittelalterliche<br />

Tafelmalerei, viele Tiere, Pflanzen,<br />

Adam und Eva


Stier erliegen – er ist zum Tod<br />

verurteilt.<br />

Das Rind<br />

Und gebrochen geht <strong>der</strong> Stier in den<br />

Sternenhimmel ein: das<br />

Tierkreiszeichen Taurus zeigt das<br />

halbe Tier in seinem vor<strong>der</strong>en Teil,<br />

<strong>der</strong> geknickt ist: die hintere Hälfte<br />

mit den Zeugungsorganen ist am<br />

Himmel nicht vorhanden.<br />

"Das goldene Kalb<br />

Doppelflöten, Hörner, Geigen<br />

Spielen auf zum Götzenreigen,<br />

Und es tanzen Jakobs Töchter<br />

Um das goldne Kalb herum -<br />

- Brumm - Brumm - Brumm<br />

Paukenschläge und Gelächter.<br />

Hochgeschürzt bis zu den<br />

Lenden<br />

Und sich fassend an den<br />

Händen,<br />

Jungfraun edelster<br />

Geschlechter<br />

Kreisen wie ein Wirbelwind<br />

Um das Rind -<br />

Paukenschläge und Gelächter.<br />

Aron selbst wird fortgezogen<br />

Von des Tanzes<br />

Wahnsinnswogen,<br />

Und er selbst, <strong>der</strong><br />

Glaubenswächter,<br />

Tanzt im Hohenpriesterrock,<br />

Wie ein Bock -<br />

Paukenschläge und<br />

Gelächter."<br />

Heinrich Heine<br />

Der Stier war in Ägypten dem<br />

Sonnengott geweiht. In Memphis<br />

suchten die Priester einen durch<br />

körperliche und seelische<br />

Eigenschaften ausgezeichneten<br />

Stier: fand er sich, wurde er als<br />

Epiphanie des Gottes umjubelt. Man<br />

ließ ihn durch die Fel<strong>der</strong> schweifen;<br />

von daher auch sein Name "hpj" -<br />

"<strong>der</strong> Eilende". Sein Umherstreifen<br />

sollte reiche Frucht bringen.<br />

Der Tanz <strong>der</strong> Israeliten um das<br />

goldene Kalb war geradezu die<br />

Beschwörung des alten<br />

Wohlergehens (2 Mose, 32).<br />

Abends ging die Sonne in den Leib<br />

<strong>der</strong> Himmelskuh (Hathor) ein - am<br />

nächsten Tag wurde sie wie<strong>der</strong> aus<br />

ihr geboren. So stand <strong>der</strong> natürliche<br />

Kreislauf im bildlichen<br />

Zusammenhang des Rindes.<br />

In <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Kultur des Westens<br />

wird die Kuh zum Symbol des<br />

Mütterlichen. Als Vertreterin <strong>der</strong><br />

ersten Nahrung kann das Spiel mit<br />

einer Kuh zur tiefenpsychologischen<br />

Signatur früher Erfahrungen<br />

werden, weist auf Urvertrauen und<br />

frühe Weisen seelischer Stabilität.<br />

Selbst die Tötung des Stieres kann<br />

zur Chiffre des Lebens werden. Im<br />

Kult des Mithras, eines in <strong>der</strong> Antike<br />

weit verbreiteten iranischen<br />

Mysterienkultes, stand im Zentrum<br />

des Rituals die Enthüllung des<br />

sakramentalen Bildes, auf dem<br />

Mithras das Tier tötet: damit aus<br />

seinem Leib und Samen die Tierund<br />

Pflanzenwelt neu erstehen kann.<br />

In Assoziation dazu stehen die<br />

Stierkämpfe Iberiens. Der<br />

gewaffneten Kraft und dem präzisen<br />

Geschick des Menschen wird <strong>der</strong><br />

"Ein Mensch, durch Unglück<br />

gemäßigt<br />

Wenn sie einen Menschen<br />

zeigen wollen, <strong>der</strong> durch<br />

zurückliegendes Unglück<br />

gemäßigt wurde, zeichnen sie<br />

einen mit wilden Feigen<br />

bekränzten Stier. Denn wenn<br />

<strong>der</strong> Stier in Rage gerät, geht er<br />

unter die wilden Feigen und<br />

beruhigt sich."<br />

Horapollo II, 77<br />

Das Tierkreiszeichen Stier hat in <strong>der</strong><br />

Astrologie die Bedeutung <strong>der</strong><br />

"Erhöhung des Mondes". Das<br />

bedeutet: in diesem<br />

Tierkreisabschnitt sind die Kräfte<br />

des Wachsens und Gedeihens<br />

"erhöht". <strong>Die</strong> Sonne durchläuft<br />

dieses Zeichen im April: in die<br />

Knospen schießt Saft, und sie<br />

grünen, die Obstbäume stehen in<br />

Pracht, und eine riesige Blumenfülle<br />

sprießt.<br />

Analogien des Mondes sind: das<br />

Feuchte, das Weibliche, <strong>der</strong><br />

Intellekt, die Mathematik, die Musik,<br />

das Volk, die Nacht. Alles diese<br />

Aspekte stehen in enger Verbindung<br />

zur Natur, zu den Sinnen, zur Ratio.<br />

"Wird dir <strong>der</strong> Wildstier dienen<br />

wollen,/ bleibt er an deiner<br />

Krippe zur Nacht?<br />

Hältst du am Seil ihn in <strong>der</strong><br />

Furche,/ pflügt er die Täler<br />

hinter dir her?<br />

Traust du ihm, weil er so stark<br />

ist?/ Überläßt du ihm deine


Arbeit?"<br />

Ijob 39, 9 - 11<br />

Bil<strong>der</strong><br />

links<br />

Glyphe Säugetiere<br />

Hieroglyphe "Apis-Stier", "hp",<br />

aus: Betro, M. C., Heilige Zeichen,<br />

Wiesbaden, 2003, S. 90<br />

Kuh aus dem Sceno-Test<br />

rechts<br />

Hathor, die Himmelskuh. Lurker,<br />

Lexikon <strong>der</strong> Götter und Symbole <strong>der</strong><br />

alten Ägypter, S. 123.<br />

Mithras tötet den Stier<br />

Pablo Picasso, Stier, 2. Fassung,<br />

Druckgraphik, Staatsgalerie<br />

Stuttgart<br />

HS (Henkel/Schöne), S. 528: Ochse,<br />

Rollenhagen, 1613 - so geduldig<br />

arbeitet <strong>der</strong> Ochse sich vorwärts.<br />

"Schritt für Schritt"


Schlachtgeschrei."<br />

Ijob 39 19 - 25<br />

Das Pferd<br />

Es ist ein „Schärfe“ im Bild des<br />

Pferdes angesprochen, des Denkens,<br />

des Urteils. <strong>Die</strong>ses entspricht<br />

astrologisch dem Symbol des Mars:<br />

nach <strong>der</strong> Lehre <strong>der</strong> Entsprechungen<br />

gehören die stechenden Insekten,<br />

ebenso dornenbewehrte Äste, auch<br />

alle Nesselpflanzen zum Gestirn<br />

dieses antiken Gottes des Krieges.<br />

<strong>Die</strong>se Dimension geht nahtlos über<br />

in die kriegerische Welt <strong>der</strong><br />

mittelalterlichen Ritter.<br />

"Wenn sie Wespen bezeichnen<br />

wollen, zeichnen sie ein totes<br />

Pferd. Denn aus toten Pferden<br />

entstehen viele Wespen."<br />

"Gabst du dem Ross die<br />

Heldenstärke, / kleidest du mit<br />

einer Mähne seinen Hals?<br />

Lässt du es wie Heuschrecken<br />

springen? / Furchtbar ist sein<br />

stolzes Wiehern.<br />

Es scharrt im Tal und freut<br />

sich, / zieht mit Macht dem<br />

Kampf entgegen.<br />

Es spottet <strong>der</strong> Furcht und<br />

kennt keine Angst / und kehrt<br />

nicht um vor dem Schwert.<br />

Über ihm klirrt <strong>der</strong> Köcher, /<br />

Speer und Sichelschwert<br />

blitzen.<br />

Mit Donnerbeben wirbelt es<br />

den Staub auf, / steht nicht still<br />

beim Klang des Horns.<br />

Sooft das Horn hallt, wiehert<br />

es "hui" / und wittert den<br />

Kampf schon von weitem, /<br />

<strong>der</strong> Anführer Lärm und das<br />

Über Jahrtausende zogen Pferde die<br />

Streitwägen <strong>der</strong> Fürsten; verheerend<br />

brachen die gepanzerten Gespanne<br />

in die Reihen <strong>der</strong> Soldaten. Spät erst<br />

ritten die Privilegierten <strong>der</strong><br />

ständischen Gesellschaft auf<br />

Pferden; im Mittelalter hießen sie<br />

"Ritter".<br />

Den Griechen und Römern galt das<br />

Pferd als schlimmes und<br />

unheilkündendes Vorzeichen. Vergil<br />

lässt den aus Troja vertriebenen<br />

König Anchises, <strong>der</strong> auf seiner<br />

Irrfahrt eine Insel erkundet und<br />

plötzlich weidende Pferde erblickt,<br />

ausrufen:<br />

"Krieg bringst du, o gastliches<br />

Land uns/ Kriegsdienst<br />

waffnet das Roß, Krieg droht<br />

die weidende Herde!"<br />

In verwandte Bedeutung weisen die<br />

vier Reiter <strong>der</strong> Geheimen<br />

Offenbarung: dort wird ein weißes<br />

Pferd verbunden mit "Sieg", ein<br />

rotes mit "Friedlosigkeit, Schlacht<br />

und Schwert", ein schwarzes mit<br />

"Teuerung", und ein fahles Pferd mit<br />

"Schwert, Hunger und Tod" (Offb, 6,<br />

1 - 8). Auch ein fünftes Pferd und<br />

ein fünfter Reiter (19, 11) wird in<br />

Begriffen, die an das<br />

Kriegshandwerk anklingen,<br />

charakterisiert; bei ihm kommt<br />

jedoch "das scharfe Schwert aus<br />

seinem Mund". Sein Name ist "Das<br />

Wort Gottes".<br />

Horapollo, II, 44<br />

Nach antiker Meinung entstanden<br />

manche Insekten und Würmer aus<br />

verwesenden Tieren. Aus <strong>der</strong><br />

Kombination von „Pferd und<br />

Wespe“ kann man deuten: aus<br />

„herumliegenden Leichnamen“<br />

entstehen Gifte, reißende Stacheln,<br />

Wunden als Erben des Konfliktes.<br />

Aus unbearbeiteten Überresten von<br />

Trauma und Streit ergeben sich<br />

"fliegende", "verwundende",<br />

"brennende" Stachelwesen einer<br />

nächsten Generation.<br />

In <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Welt hat das Pferd<br />

einen ganz an<strong>der</strong>en Sinn gewonnen.<br />

Was bedeutet es wohl, wenn das<br />

Tier heute ein Gegenstand <strong>der</strong><br />

heftigen Zuneigung weiblicher<br />

Teenager ist? Sie schätzen wohl<br />

jenes hoch, was in <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen<br />

Kultur "Wert" besitzt: Feuer,<br />

Durchsetzung, Schärfe. Das sich<br />

bäumende Pferd begleitet das<br />

Röhren <strong>der</strong> Motoren, <strong>der</strong>en Kraft in<br />

"Pferdestärken" gemessen wird.<br />

Heute kann jede und je<strong>der</strong> bestehen,<br />

kann „Adel“ erringen, wenn auch<br />

meist nur in <strong>der</strong> Phantasie und im<br />

Tagtraum. Um die „Idee des<br />

Pferdes“ zu realisieren, bedarf es<br />

hoher Konzentration, langer Übung:<br />

Aspekte des Geistes, die die<br />

Kampfkunst trainiert.<br />

Konzentrierte und zugespitzte<br />

sportliche Höchstleistung ist die


Dressur, als Versammlung des<br />

Flüchtigen, als Zusammenführung<br />

des Wi<strong>der</strong>streitenden, als Bändigung<br />

des Unbändigen.<br />

Foto aus <strong>der</strong> Spanischen Reitschule<br />

Bil<strong>der</strong><br />

links<br />

Glyphe Säugetiere<br />

Hieroglyphe "Pferd", "susim" -<br />

Betro 93. Es war im alten Orient<br />

unter <strong>der</strong> Würde, ein Pferd zu reiten<br />

- man ließ sich in repräsentativen<br />

Wägen ziehen; erst in<br />

hellenistischer Zeit saßen Könige zu<br />

Pferd.<br />

rechts<br />

HS, S. 506: Gutes Bild vom<br />

Bukephalos, dem Pferd Alexan<strong>der</strong>s -<br />

gepanzertes Pferd, in: La Perriere,<br />

1539.<br />

Sebastian Brant, Das Narrenschiff,<br />

Stuttgart, 1964, S. 374.<br />

Speichelleckerei und Liebedienerei -<br />

"den falben Hengst streicheln" -<br />

wird kaum vergolten.<br />

"Jetzt kannst den falben<br />

Hengst du streichen,<br />

Doch Milde wirst du nicht<br />

erreichen:<br />

Das große Tier wird dir nicht<br />

weichen."<br />

"In dieser Nacht hatte ich eine<br />

Vision: Ich sah einen Mann auf<br />

einem rotbraunen Pferd. Er<br />

stand zwischen den<br />

Myrtenbäumen in <strong>der</strong> Tiefe,<br />

und hinter ihm waren<br />

rotbraune, blutrote und weiße<br />

Pferde. Ich fragte: Herr, was<br />

bedeuten diese Pferde? Und<br />

<strong>der</strong> Engel, <strong>der</strong> mit mir redete,<br />

sprach: Ich will dich sehen<br />

lassen, was sie bedeuten. Da<br />

ergriff <strong>der</strong> Mann, <strong>der</strong> zwischen<br />

den Myrtenbäumen stand, das


Wort und sagte: Der Herr hat<br />

diese Pferde gesandt, damit<br />

sie die Erde durchziehen. Und<br />

sie antworteten dem Engel des<br />

Herrn, <strong>der</strong> zwischen den<br />

Myrtenbäumen stand: Wir<br />

haben die Erde durchzogen -<br />

die ganze Erde ruht und liegt<br />

still."<br />

Sacharja 1, 8 - 11<br />

"Stärke<br />

Um Stärke zu zeigen, zeichnen<br />

sie Teile des Löwen, denn in<br />

ihnen lebt die ganze Kraft des<br />

Löwenkörpers."<br />

Horapollo I, 18.<br />

"Der Kaiser war enttäuscht.<br />

Der Löwe gehorchte ihm nicht,<br />

son<strong>der</strong>n seinem Opfer. "Du<br />

Elen<strong>der</strong>, dich <strong>der</strong>art fangen zu<br />

lassen", murmelte er vor sich<br />

hin. Der Löwe war nämlich,<br />

ohne zu wissen, wie ihm das<br />

geschah, überwältigt worden.<br />

Der Kaiser hätte den<br />

machtvollen Schwächling<br />

totpeitschen lassen mögen.<br />

Erbarmen zu haben, welche<br />

Alltäglichkeit! Der Löwe war<br />

ganz schlapp. <strong>Die</strong> Sanfte hatte<br />

eine entsetzliche Angst, im<br />

Löwen könne das Tier wie<strong>der</strong><br />

erwachen. Der Löwe bebte<br />

unter höheren Einflüssen. Das<br />

Mädchen fürchtete, ihre Macht<br />

möchte zu zart sein. Aber die<br />

Zartheit übte die stärkste<br />

Macht aus. <strong>Die</strong> Löwenseele<br />

war gebändigt."<br />

R. Walser, Der Löwe und die<br />

Christin<br />

Der Löwe<br />

Der Löwe galt als "König <strong>der</strong><br />

Tiere". Der Tierkreisabschnitt Löwe,<br />

dem dieses Tier entspricht, ist <strong>der</strong><br />

Himmelsort, an dem auch<br />

Zeus/Jupiter Wohnung haben soll.<br />

Wenn die Sonne in diesem Zeichen<br />

steht, im Juli und August, ist ihre<br />

Kraft am höchsten. Sie brennt mit<br />

feuriger Kraft vom Himmel: "im<br />

Löwen glüht die Sonne", so spricht<br />

Seneca.<br />

<strong>Die</strong> Sonne, körperlich gefasst, ist<br />

ein Analogon des Herzens,<br />

übertragen des "beherzten Mutes".<br />

Alles sehr Bedeutende, die höchsten<br />

Würden wurden mit diesem Bild<br />

signifiziert. Der Löwe ist Bestandteil<br />

<strong>der</strong> Heraldik des Herrschers, und<br />

Teile des Löwenkörpers wurden zu<br />

Würdeformen in <strong>der</strong> bildenden<br />

Kunst .<br />

Der Physiologus (1) schreibt<br />

ausführlich zum Löwen. Sein erstes<br />

Charakteristikum sei, eigene Spuren<br />

mit dem Schwanz zu verwischen; er<br />

übe so List. Und das zweite: wenn er<br />

in seiner Höhle schlafe, habe er die<br />

Augen offen; das bedeute<br />

Konzentration und höchste<br />

Wachsamkeit. Und weiter:<br />

"Wenn die Löwin das Junge<br />

gebiert, so gebiert sie es tot<br />

und wacht bei <strong>der</strong> Leiche, bis<br />

<strong>der</strong> Vater kommt am dritten<br />

Tag, ihm ins Gesicht bläst und<br />

es so weckt. So hat auch unser<br />

Gott, <strong>der</strong> Allherrscher, <strong>der</strong><br />

Vater aller, am dritten Tag<br />

seinen erstgeborenen Sohn,<br />

<strong>der</strong> vor aller Schöpfung war,<br />

unseren Herrn Jesus Christus<br />

auferweckt."<br />

Danach spricht <strong>der</strong> Physiologus von<br />

<strong>der</strong> verschlingenden Seite des<br />

Löwen. Wenn er hungrig sei,<br />

markiere er mit seinem Schwanz<br />

einen Kreis, dann lege er sich an<br />

den Anfang dieses Kreises. <strong>Die</strong><br />

umrissenen Tiere suchten nun einen<br />

Ausweg, sie liefen <strong>der</strong> Spur entlang;<br />

voller Angst drängten sie sich<br />

zusammen, kämen dem Löwen<br />

immer näher - "da erhebt er sich,<br />

schlägt sie und frisst sie auf."<br />

Petrus mahnt in seinem ersten Brief<br />

die Gemeinde: "Seid nüchtern und<br />

wachsam! Euer Wi<strong>der</strong>sacher, <strong>der</strong><br />

Teufel, geht wie ein brüllen<strong>der</strong> Löwe<br />

umher und sucht, wen er<br />

verschlingen kann" (5, 8). In<br />

späteren Darstellungen wird <strong>der</strong><br />

Rache des Löwen oft als das Tor <strong>der</strong><br />

Hölledargestellt. Der sozialkritische<br />

Aspekt dieser Bil<strong>der</strong> ist beträchtlich:<br />

die größten Gefährdungen des<br />

Menschen entstehen aus<br />

militärischer Gewalt und<br />

fürchterlicher Gier <strong>der</strong> "Fürsten <strong>der</strong><br />

Welt" (Joh 12, 31).<br />

Der Löwe ist ein Bild des<br />

Schreckens: <strong>der</strong> Mensch, <strong>der</strong> ihn<br />

auftauchen sieht, erstarrt<br />

(Horapollo 20).<br />

"Wie sie Mut, Zorn und Raserei<br />

kennzeichnen<br />

Wenn sie Mut Zorn Raserei<br />

Zeigen wollen malen sie den<br />

Löwen<br />

Er hat einen großen Kopf und<br />

ein großes Herz<br />

Und die Pupille seiner Augen


fliegt im Feuer<br />

Sein Körper ist vollendet seine<br />

Mähne<br />

Sträubt sich wie die Strahlen<br />

<strong>der</strong> Sonne<br />

Verleihen ihm den Ausdruck<br />

riesiger Stärke<br />

Um zu zeigen daß er allem<br />

über ist<br />

Und tief im Süden findet man<br />

den Begriff<br />

Seine Analogie mit <strong>der</strong> Sonne<br />

besser zu verstehen."<br />

Horapollo I, 17; (in <strong>der</strong> Bearbeitung<br />

des Michel Nostradamus) n. 17<br />

Der afrikanische Löwe fürchtet<br />

nichts als die<br />

flammende Fackel, seine<br />

grausige Grobheit weicht.<br />

Sein wildes Herz kommt zur<br />

Ruhe vor lichtem Glanz<br />

himmlischer Weisheit,<br />

fürchterlicher Strafe."<br />

Löwe als Satan, romanische Plastik,<br />

aus Champeaux - Sterckx, Abb. 101.<br />

In romanischer Ikonographie<br />

bedeutet "Löwe" - "Körper", polar<br />

dazu "Adler" - "Seele".<br />

Bil<strong>der</strong><br />

links<br />

Glyphe Säugetiere<br />

Hieroglyphe "Löwe" - "rw", Betro<br />

98<br />

Hieroglyphe "Vor<strong>der</strong>teil, Herz" -<br />

"hzty". Herz als Sitz <strong>der</strong> Gefühle,<br />

<strong>der</strong> Gedanken und des Willens.<br />

rechts<br />

Skulptur Löwe, früheste Plastik <strong>der</strong><br />

Kulturgeschichte, 40 000 v. Chr.,<br />

Württembergisches Landesmuseum<br />

Stuttgart<br />

Löwe, Druckgrafik, HS, 381,<br />

Emblem Löwe, Junius, 1511, nach<br />

Horapollo II, 75.<br />

"Philosophie bändigt Wildheit


"Da ist das Meer, so groß und<br />

weit,<br />

darin ein Gewimmel ohne Zahl:<br />

kleine und große Tiere.<br />

Dort ziehen die Schiffe dahin,<br />

auch <strong>der</strong> Leviatan, den du<br />

geformt hast, um mit ihm zu<br />

spielen."<br />

Ps 104, 25 - 26<br />

"Da! Da! Da! ... Da bläst er!<br />

Da! ... Da-a-a blä-ä-ä-st er!"<br />

"Wo?"<br />

"Leewärts dwars ab, ungefähr<br />

zwei Meilen! Eine ganze<br />

Schar!"<br />

Im Nu war alles auf den<br />

Beinen.<br />

Herman Melville, Moby Dick<br />

"... Für innre Schäden kommt<br />

nichts auf <strong>der</strong> Welt dem<br />

Walratöle gleich."<br />

William Shakespeare, König<br />

Heinrich IV.<br />

Der Wal<br />

Der Wal ist ein Säugetier. Das<br />

größte Tier <strong>der</strong> Erde, <strong>der</strong> Blauwal,<br />

kann bereits bei <strong>der</strong> Geburt zwei<br />

Tonnen wiegen; das ausgewachsene<br />

Tier wird bis zu dreißig Meter lang,<br />

bis zu 130 Tonnen schwer.<br />

Wenn <strong>der</strong> Pottwal zweitausend<br />

Meter in die Tiefe <strong>der</strong> Ozeane<br />

taucht, hält er ungeheuerlichen<br />

Drucken stand. Von ihm kommt das<br />

so lange rätselhafte und so kostbare<br />

Ambra, ein Rohstoff zur Herstellung<br />

feiner Düfte. Man findet dieses<br />

grauweiße Stoffwechselprodukt aus<br />

dem Darm des Tieres in<br />

zentnerschweren Stücken im Meer<br />

o<strong>der</strong> an Küsten. Der alten Medizin<br />

galt dieser Stoff als starkes<br />

Heilmittel, er war teurer als Gold!<br />

Ambra, in kleinen Dosen genossen,<br />

soll "erwärmende, stärkende,<br />

erquickende Kraft" gezeigt haben.<br />

Es wirkte nach <strong>der</strong> Mitteilung <strong>der</strong><br />

alten Ärzte auf Haupt, Herz und<br />

Bauch: es war damit ein Heilmittel,<br />

das "aufs Ganze ging". Ambra<br />

"macht munter und fröhlich, mehrt<br />

den Samen, wi<strong>der</strong>steht dem Gift,<br />

erhält gesund, schenkt ein langes<br />

Leben, reiniget die Brust, bewahret<br />

das Gedächtnis, ist gut lahmen<br />

Glie<strong>der</strong>n, erfrischt die<br />

Lebensgeister, weckt die<br />

Ohnmächtigen" (Zedler).<br />

In <strong>der</strong> Zeit des Barock wurde <strong>der</strong><br />

Wal Sinnbild eines Menschen, <strong>der</strong><br />

sich selbst ins Unglück bringt. Oft<br />

stranden Wale an flachen Ufern.<br />

<strong>Die</strong>ses Verhalten ist bis jetzt<br />

ungeklärt - will das "Säugetier ohne<br />

Hinterbeine" (Georges Cuvier)<br />

zurück an Land?<br />

Zudem war <strong>der</strong> Wal ein Sinnbild<br />

eines Menschen, <strong>der</strong> ob eitler Dinge<br />

sein wahres Wohl versäumt. <strong>Die</strong>ses<br />

entstand aus <strong>der</strong> Legende, man<br />

könne den Wal, <strong>der</strong> ein Schiff<br />

bedrohe, ablenken, indem man ihm<br />

eine Tonne vorwerfe - dann spiele er<br />

lieber mit ihr, statt das Schiff zu<br />

verfolgen.<br />

Der Prophet Jona flieht "weit weg<br />

vom Herrn" (Jona 1, 3), nachdem<br />

ihn dieser aufgefor<strong>der</strong>t hat, <strong>der</strong><br />

Stadt Ninive seinen Zorn<br />

anzukündigen. Jona legt sich in den<br />

untersten Raum eines Schiffes... -<br />

um zu schlafen! Schließlich, als ihn<br />

die Seeleute verantwortlich für den<br />

Orkan ermitteln, fragen sie nach<br />

dem Grund <strong>der</strong> Flucht: "Warum hast<br />

du das getan?" Der Prophet gibt<br />

keine Antwort. Und sie werfen ihn in<br />

die See, und er gerät in den Bauch<br />

des "großen Fisches", drei Tage<br />

lang. Wie<strong>der</strong> ausgespien, beginnt er<br />

das ihm Aufgetragene.<br />

<strong>Die</strong> Theologen diskutierten viele<br />

Jahrhun<strong>der</strong>te, welcher Fisch Jona<br />

verschlungen haben könnte. Denn<br />

im hebräischen Urtext steht "großer<br />

Fisch", erst die lateinische<br />

Septuaginta spricht vom "Wal".<br />

Viele plädierten damals für den<br />

Seehund, denn man machte sich<br />

sagenhafte Vorstellungen von seiner<br />

Größe. Denn bald schon war klar<br />

geworden, dass <strong>der</strong> Schlund eines<br />

Wales zu klein war, einen Menschen<br />

durchzulassen - war er doch kaum<br />

größer als eine starke Faust. Das<br />

schlagkräftigste Argument für den<br />

Wal wurde schließlich, dass Jesus<br />

selbst von einem "Wal" gesprochen<br />

hat (Matth 12, 40).


Oft wurde die Bedeutung "Wal" mit<br />

dem "Leviatan" gleichgesetzt.<br />

Wichtiger Meilenstein dieser<br />

Tradition war Thomas Hobbes<br />

(1588 - 1679), in seinem Buch<br />

"Leviathan": darin stellt er die<br />

Auffassung eines Staates vor, <strong>der</strong> die<br />

Welt ohne Rücksicht auf das<br />

Individuum in absoluter und<br />

erbarmungsloser Weise strukturiert<br />

und ordnet.<br />

Nach <strong>der</strong> Lehre des Talmud (I, 16)<br />

wird, wenn <strong>der</strong> Erzengel Michael<br />

mit Gottes Hilfe den Leviatan, den<br />

"Tod", gefangen hat, aus ihm den<br />

Gerechten eine Speise bereitet.<br />

Bil<strong>der</strong><br />

links<br />

Glyphe Säugetiere<br />

Der Fang des Leviathan, aus<br />

Schmidt/Schmidt S. 62.<br />

rechts<br />

Alte Darstellung von Walen: HS, S.<br />

680. Schiffer retten sich, indem sie<br />

dem Wal ihre Ladung vorwerfen.<br />

Camerarius, 1604.<br />

Bild aus dem Film "Moby Dick":<br />

Kapitän Ahab jagt den weißen Wal.


"Wie sie einen Menschen<br />

kennzeichnen, <strong>der</strong> seine<br />

Schlechtigkeit verbirgt<br />

Einen Menschen <strong>der</strong> in<br />

Schlupfwinkeln versteckt<br />

Geheim hält seine verborgene<br />

Schlechtigkeit<br />

Signifizieren sie um es ans<br />

Licht zu bringen<br />

Mit dem Bild eines Leoparden<br />

<strong>der</strong> mit Schärfe<br />

An<strong>der</strong>e Tier anspringt und<br />

verfolgt<br />

Er verheimlicht seine<br />

Gewandtheit<br />

Verbirgt seine Ver<strong>der</strong>blichkeit<br />

Weit bekannt sei´s dass er<br />

spurlos jagt<br />

Weil er Wahrheit verachtet<br />

Angreift aus Trieb und<br />

Leidenschaft."<br />

Horapollo II, 90; (in <strong>der</strong><br />

Bearbeitung des Michel<br />

Nostradamus) n. 154<br />

Leopard,<br />

Panther<br />

Im Gegensatz zum Löwen gehört <strong>der</strong><br />

Leopard zum nächtlichen Licht, dem<br />

Mond. <strong>Die</strong> Alten glaubten, <strong>der</strong><br />

Leopard besitze einen Fleck, <strong>der</strong> mit<br />

dem Mond wachse und abnehme.<br />

Osiris wurde mit einem<br />

Leopardenfell dargestellt. <strong>Die</strong><br />

gleiche Bekleidung erhielten nach<br />

dem Talmud Adam und Eva nach<br />

dem Sündenfall. Und<br />

bezeichnen<strong>der</strong>weise trägt auch <strong>der</strong><br />

Gott des Weines und des Rausches,<br />

Dionysos, diese Hülle.<br />

Horapollo greift die "sündige"<br />

Dimension im Bild <strong>der</strong> nächtlich<br />

lauernden Großkatze auf.<br />

Das apokalyptische Tier aus dem<br />

Meer (Offb 13, 2) gleicht "einem<br />

Panther, seine Füße waren wie die<br />

Tatzen eines Bären und sein Maul<br />

wie das Maul eines Löwen". Umso<br />

erstaunlicher ist, dass <strong>der</strong> Leopard,<br />

als Panther, im „Physiologus<br />

positive Bedeutung erlangt.<br />

"Vom Panther<br />

Er ist von allen Tieren das<br />

freundlichste, ein Feind nur<br />

<strong>der</strong> Schlange. Ganz bunt ist er<br />

wie <strong>der</strong> Rock Josephs und<br />

hübsch, friedfertig und ganz<br />

sanft. Wenn er gefressen hat<br />

und satt ist, ruht er in seiner<br />

Höhle, und am dritten Tag<br />

erhebt er sich vom Schlaf und<br />

brüllt sehr laut. Alle Tiere nah<br />

und fern hören seine Stimme.<br />

Von seiner Stimme geht ein<br />

Wohlgeruch aus, und die Tiere<br />

folgen dem Wohlgeruch <strong>der</strong><br />

Pantherstimme und kommen<br />

ihm ganz nahe.<br />

So hat auch unser Herr Jesus<br />

Christus, <strong>der</strong> am dritten Tage<br />

von den Toten auferstanden<br />

ist, gerufen: "Heute ist <strong>der</strong><br />

Welt Heil wi<strong>der</strong>fahren, <strong>der</strong><br />

sichtbaren und unsichtbaren",<br />

und er ist uns zu einem<br />

vollkommenen Wohlgeruch<br />

geworden, denen in <strong>der</strong> Nähe<br />

und den Fernen, und zum<br />

Frieden, wie <strong>der</strong> Apostel sagt.<br />

Ganz bunt ist die geistliche<br />

Weisheit Gottes, wie in den<br />

Psalmen gesagt wird: "<strong>Die</strong><br />

Braut steht zu deiner Rechten<br />

in eitel köstlichem Gold."<br />

Aber ein Feind ist er <strong>der</strong><br />

abgefallenen Schlange im<br />

Wasser. Ganz bunt ist<br />

Christus, <strong>der</strong> selbst ist<br />

Jungfräulichkeit, Reinheit,<br />

Erbarmen, Glaube, Tugend,<br />

Eintracht, Frieden, Großmut.<br />

Schön spricht <strong>der</strong> Physiologus<br />

über den Panther."<br />

Physiologus, 16<br />

Resignation sieht Rainer Maria<br />

Rilke bei einem Panther im Zoo.


Der Panther<br />

Im Jardin des Plantes, Paris<br />

Sein Blick ist vom<br />

Vorübergehn <strong>der</strong> Stäbe<br />

so müd geworden, dass er<br />

nichts mehr hält.<br />

Ihm ist, als ob es tausend<br />

Stäbe gäbe<br />

und hinter tausend Stäben<br />

keine Welt.<br />

Der weiche Gang geschmeidig<br />

starker Schritte,<br />

<strong>der</strong> sich im allerkleinsten<br />

Kreise dreht,<br />

ist wie ein Tanz von Kraft um<br />

eine Mitte,<br />

in <strong>der</strong> betäubt ein großer Wille<br />

steht.<br />

Nur manchmal schiebt <strong>der</strong><br />

Vorhang <strong>der</strong> Pupille<br />

sich lautlos auf -. Dann geht<br />

ein Blick hinein,<br />

geht durch <strong>der</strong> Glie<strong>der</strong><br />

angespannte Stille -<br />

und hört im Herzen auf zu<br />

sein.<br />

Bil<strong>der</strong><br />

links<br />

Glyphe Säugetiere<br />

Foto Leopard<br />

rechts<br />

Ganze Seite - Franz Marc: Der<br />

Panther


daß ich ihn nicht<br />

vom Regen unterscheide.<br />

Will es ein Ziel,<br />

so ist nichts anzufangen,<br />

Kopfstoßend starr<br />

durchstemmt es sein<br />

Verlangen,<br />

Dann blökt es<br />

seiner Mutter zu, <strong>der</strong> bangen.<br />

Lamm Gottes, das<br />

<strong>der</strong> Menschen Heil beginnt,<br />

Lamm Gottes, das uns zählt<br />

und kennt und findt,<br />

Lamm Gottes, sieh, erbarm<br />

dich dessen, was wir sind.<br />

Gib uns den Frieden,<br />

nicht den Krieg bescher,<br />

Lamm, schrecklich<br />

in des rechten Zornes Wehr,<br />

O du, einziges Lamm,<br />

Gott und Gottvaters Einziger."<br />

Paul Verlaine (in <strong>der</strong> Übersetzung<br />

von Rainer Maria Rilke)<br />

Das Schaf<br />

7). <strong>Die</strong>ses Bild führt Johannes <strong>der</strong><br />

Täufer weiter: "Seht das Lamm<br />

Gottes, das die Sünden <strong>der</strong> Welt<br />

hinwegnimmt" (Joh 1, 29). <strong>Die</strong><br />

Geheime Offenbarung spricht<br />

schließlich vom Sieg, von <strong>der</strong><br />

"Hochzeit des Lammes" (Offb, 19,<br />

17).<br />

Wie kein an<strong>der</strong>es Tier steht das<br />

Lamm für Güte. <strong>Die</strong><br />

freundschaftliche Versammlung <strong>der</strong><br />

Menschen, die "guten Willens" sind,<br />

geschieht im Zeichen dieses Bildes.<br />

Wi<strong>der</strong>christliche und zerstörerische<br />

Kräfte werden im Ausbau dieses<br />

Bildes zu Raubtieren - Löwen,<br />

Wölfen, Monstern und Bestien - die<br />

in "die Herde" brechen. Wer diesen<br />

Raub begünstigt, übel Regierende,<br />

sind "schlechte Hirten"; es sind<br />

"Mietlinge", die fliehen, wenn das<br />

Böse anklopft.<br />

Welche Qualitäten "besitzt" dieses<br />

Tier, um so menschlich profunde<br />

Bedeutungen zu gewinnen? Welche<br />

Gefühle lösen diese Wesen aus? <strong>Die</strong><br />

neugeborenen Lämmer in <strong>der</strong><br />

frischen Frühlingsluft auf den<br />

Weiden - sie ruhen wollig-rund im<br />

hohen Gras - dann treiben große<br />

Herden durch die Wachol<strong>der</strong>. Im<br />

Winter verarbeiteten Frauen und<br />

Kin<strong>der</strong> die Wolle, die im Frühjahr<br />

geschoren war, sie reinigen sie,<br />

zupfen sie, spinnen, weben.<br />

Wie kaum ein zweites Tier eröffnet<br />

das Lamm Ahnungen von <strong>der</strong><br />

utopischen Horizonten eines<br />

Reiches Gottes.<br />

"Agnus dei<br />

Es sucht das Lamm<br />

die Bitterkeit <strong>der</strong> Heide,<br />

Zieht Salz dem Zucker vor<br />

auf seiner Weide,<br />

Sein Schritt wird laut im Staub,<br />

Das Symbol Schaf hat die<br />

Dimensionen Lamm und Wid<strong>der</strong>.<br />

Der Wid<strong>der</strong> steht bei Horapollo für<br />

"Narretei und Unmäßigkeit" (II,<br />

85); <strong>der</strong> Schafbock gehört jedoch<br />

nicht zu den Tierkreiszeichen - <strong>der</strong><br />

"Wid<strong>der</strong>" dort ist ein Rammbock, ein<br />

Kriegsgerät <strong>der</strong> Antike.<br />

Völlig an<strong>der</strong>e Bedeutung gewinnt<br />

das Lamm als zentrales christliches<br />

Symbol; es ist das älteste und<br />

verbreitetste Zeichen für Christus.<br />

Schon <strong>der</strong> Prophet Jesaja schaut ein<br />

"Lamm, das zur Schlachtbank<br />

geführt wird..., denn <strong>der</strong> Herr warf<br />

unser aller Sünden auf ihn" (Jes 53,<br />

"Dann wohnt <strong>der</strong> Wolf beim<br />

Lamm, <strong>der</strong> Panther liegt beim<br />

Böcklein. Kalb und Löwe<br />

weiden zusammen, ein kleiner<br />

Knabe kann sie hüten. Kuh<br />

und Bärin freunden sich an,<br />

ihre Jungen liegen<br />

beieinan<strong>der</strong>. Der Löwe frißt<br />

Stroh wie das Rind. Der<br />

Säugling spielt vor dem<br />

Schlupfloch <strong>der</strong> Natter, das<br />

Kind streckt seine Hand in die<br />

Höhle <strong>der</strong> Schlange."<br />

Jesaja 11, 6 - 8


Das Lamm steht für einen Zustand<br />

<strong>der</strong> Welt, in dem alles versöhnt ist.<br />

Es wird "Skulptur" einer erneuerten<br />

Welt, einer unglaublichen höheren<br />

Realität. <strong>Die</strong>ses Zeichen begleitet<br />

"einen neuen Himmel und eine neue<br />

Erde".<br />

Mosaik Rom, San Clemente, Apsis<br />

Brant, Narrenschiff, S. 178. Narren,<br />

gefangen von <strong>der</strong> Dirne "Wolllust".<br />

"Einen Tempel sah ich nicht in<br />

dieser Stadt. Denn <strong>der</strong> Herr, ihr<br />

Gott, <strong>der</strong> Herrscher über die<br />

ganze Schöpfung, ist ihr<br />

Tempel, er und das Lamm. <strong>Die</strong><br />

Stadt braucht we<strong>der</strong> Sonne<br />

noch Mond, die ihr leuchten.<br />

Denn die Herrlichkeit Gottes<br />

erleuchtet sie, und ihre<br />

Leuchte ist das Lamm."<br />

Bild einer Krippe, umgeben von<br />

Schafen<br />

Offb 21, 22 - 23<br />

Bil<strong>der</strong><br />

links<br />

Glyphe Säugetiere<br />

Schreibweise des Gottes Chnum, ein<br />

Wid<strong>der</strong>, Betro S. 84.<br />

rechts<br />

Mosaik Ravenna, Christuslamm auf<br />

Sternengrund


erreicht die Zitzen, um zu trinken.<br />

Während <strong>der</strong> Geburt schützt sie <strong>der</strong><br />

Bulle vor <strong>der</strong> Schlange; wenn er<br />

eine sieht, zertrampelt er sie sofort.<br />

Der Physiologus vergleicht die<br />

Geschlechtlichkeit des Elefanten mit<br />

dem ursprünglichen Zustand <strong>der</strong><br />

ersten Menschen. Als Eva den Apfel<br />

nahm, "geistliche Mandragora-<br />

Früchte" aß, erkannte sie Adam,<br />

und sie gebar Kain "auf den<br />

verruchten Wassern".<br />

Eine weitere Geschichte des<br />

Physiologus führt noch mehr über<br />

die Gegnerschaft zwischen dem<br />

Rüsseltier und <strong>der</strong> Schlange aus.<br />

Wenn die Riesenschlange sich an<br />

<strong>der</strong> Schlaga<strong>der</strong> des Elefanten<br />

festsauge, lasse er sich stracks<br />

umfallen, um mit seinem Gewicht<br />

die Schlange zu zerquetschen, und<br />

beide stürben gemeinsam.<br />

"<strong>Die</strong> Eigenart des Elefanten ist<br />

diese. Wenn du seine Haare<br />

o<strong>der</strong> Knochen in einem Haus<br />

verbrennst, wird we<strong>der</strong> ein<br />

böser Geist noch eine<br />

Schlange noch irgend etwas<br />

Böses hineingehen."<br />

Physiologus, 43<br />

<strong>Die</strong> antike Naturkunde betont, <strong>der</strong><br />

Elefant fliehe vor dem Anblick eines<br />

Wid<strong>der</strong>s. Das Gewahrwerden des<br />

männlichen Schafes wäre ihm so<br />

"antipathisch", daß er die Flucht<br />

ergreife. - Das Sinnbild <strong>der</strong><br />

"närrischer Unmäßigkeit" trifft hier<br />

auf ein Symbol <strong>der</strong> "Keuschheit";<br />

o<strong>der</strong> das Analogon des Opfers des<br />

Selbst trifft, wie noch zu zeigen sein<br />

wird, ein Bild <strong>der</strong> in sich<br />

verschränkten Ichhaftigkeit. -<br />

Zur Konnotation "Egoismus" ging<br />

man vom Rüssel des Elefanten aus.<br />

Man deutete ihn "physiognomisch".<br />

Der Elefant<br />

Der Elefant hat nach dem<br />

Physiologus keinen<br />

Geschlechtstrieb. Wenn er Junge<br />

zeugen will, zieht er sich in den<br />

Osten zurück, in die Nähe des<br />

Paradieses. Dort findet er die<br />

Mandragora-Wurzel, ein<br />

Aphrodisiakum, das sein Geschlecht<br />

aufregt. Er frisst sie und vereinigt<br />

sich einmal mit <strong>der</strong> Kuh.<br />

<strong>Die</strong>se gebiert bis zur Brust im<br />

Wasser stehend; sofort steigt das<br />

Kind an ihren Schenkeln hoch,<br />

Der Rüssel ist ein sehr komplexes<br />

Greif- und Tastorgan. Es besteht aus<br />

über 30 000 Muskeln. <strong>Die</strong><br />

Koordination feinster Bewegung<br />

bedarf eines außerordentlichen<br />

Nervensystems - allein das Gehirn<br />

des riesigen Tieres wiegt fünf<br />

Kilogramm. Lange müssen die<br />

jungen Elefanten die koordinativen<br />

Schemata üben, ihn zu nutzen. <strong>Die</strong><br />

hohe Vielfalt an Bewegungs- und<br />

Sinnesmodalitäten entspricht einer<br />

hohen Anzahl neuronaler und<br />

kognitiver Repräsentationen, darin<br />

einer möglichen intellektuelle<br />

Potenz, <strong>der</strong> sich das sprichwörtliche<br />

"Elefantengedächtnis" nähert.<br />

Hinzu kommt auch, dass Elefanten<br />

über ein ausgeprägtes System von


Kommunikationen verfügen.<br />

rechts<br />

"Wie sie einen starken<br />

Menschen kennzeichnen <strong>der</strong><br />

nach ihm nützlichen Sachen<br />

forscht<br />

Wenn sie einen starken<br />

Menschen kennzeichnen<br />

Der nach ihm vorteilhaften<br />

Sachen sucht<br />

Zeichnen sie einen Elefanten<br />

<strong>Die</strong>ser ergänzt seinen Vorrat<br />

beständig<br />

Leicht steuert er<br />

Seinen Bedarf nach Gefühl<br />

Und führt es aus sei es noch<br />

so schwierig<br />

Auf alles achtsam was er sich<br />

einverleiben kann."<br />

Elefant und Mandragora-Wurzel,<br />

aus Bie<strong>der</strong>mann<br />

(Druckgraphik Elefant: HS, S. 413,<br />

aus Zincgreff, 1591.<br />

"Ich lasse mich nicht stechen<br />

Der Mücken los Geschmeiß<br />

den Elefant anfallen<br />

verletzen ihn doch nicht<br />

er fragt nicht nach ihn´<br />

allen...")<br />

Horapollo II, 84; n. 148<br />

Der antiken Naturkunde galt <strong>der</strong><br />

Elefant als gutmütig und leicht<br />

zähmbar; alle Tiere dieser Qualität<br />

gehörten astrologisch zu Jupiter.<br />

<strong>Die</strong>ses Zeichen steht - analog zu den<br />

Qualitäten des Göttervaters -<br />

astrologisch in Verknüpfung mit<br />

Charakterzügen von"Ehrenhaften,<br />

Hochherzigen, Ausgezeichneten,<br />

Klugen, solchen, die sich selbst sehr<br />

lieben, Religiösen".<br />

Elefant mit Obelisk, aus Volkmann,<br />

L., Bil<strong>der</strong>schrift <strong>der</strong> Renaissance, S.<br />

14; weiteres Bild Elefant und Lamm,<br />

Valeriano, 1575, ebd. S. 37.<br />

Elefant vor S. Maria sopra Minerva,<br />

von Bernini.<br />

Elefant und Lamm, HS, S. 414.<br />

Bil<strong>der</strong><br />

links<br />

Glyphe Säugetiere<br />

Hieroglyphe Elefant "zbw", Betro<br />

99.<br />

Foto Elefant


überragende Kraft zu. Der mit ihm<br />

bekleidete Krieger sollte unverletzt<br />

durch die Schlachtreihe <strong>der</strong> Feinde<br />

dringen - gefeit gegen alle Hiebe.<br />

Das Fell <strong>der</strong> Hyäne soll, wenn es<br />

zusammen mit einem Leopardenfell<br />

aufgehängt wurde, die Haare des<br />

Letzteren zum Ausfallen bringen<br />

(Horapollo II, 72 und II, 70). So<br />

kann die Darstellung zweier Felle<br />

zur Hieroglyphe des Sieges eines<br />

schwachen Menschen über einen<br />

starken werden.<br />

"Von <strong>der</strong> Hyäne<br />

Das Gesetz sagt: "Iß nicht die<br />

Hyäne und nichts, was ihr<br />

gleicht." Der Physiologus sagt<br />

von <strong>der</strong> Hyäne, dass sie<br />

mannweiblich ist. Bald ist sie<br />

männlich, bald weiblich. Ein<br />

ganz unreines Tier ist sie, weil<br />

sie ihre Natur verän<strong>der</strong>t.<br />

Deswegen sagt auch Jeremia:<br />

"Nicht ist die Höhle <strong>der</strong> Hyäne<br />

mir zum Erbteil geworden."<br />

Gleiche nun auch du nicht <strong>der</strong><br />

Hyäne dadurch, daß du bald<br />

die männliche, bald die<br />

weibliche Natur liebhast. <strong>Die</strong>se<br />

Leute hat schon <strong>der</strong> göttliche<br />

Apostel verworfen und gesagt:<br />

"Männer haben mit Männern<br />

Schande getrieben."<br />

Schön spricht <strong>der</strong> Physiologus<br />

über die Hyäne."<br />

Physiologus 24<br />

<strong>Die</strong> Hyäne<br />

<strong>Die</strong> symbolischen Vorstellungen<br />

über die Hyäne sind sehr alt; sie<br />

wurden bereits in <strong>der</strong><br />

"Naturgeschichte <strong>der</strong> Tiere" von<br />

Aristoteles (384 - 322 v. Chr.)<br />

bestritten.<br />

Man schrieb dem Fell <strong>der</strong> Hyäne<br />

<strong>Die</strong> heute noch gängigen Metaphern<br />

über die Hyäne - "feige,<br />

hinterhältig" - hängen wohl auch<br />

mit dem eigenartigen Bewegungsstil<br />

des Tieres zusammen. Der<br />

vermeintliche Aasfresser scheint<br />

plump zu laufen, seine hinteren<br />

Extremitäten wirken wie<br />

eingeklemmt und mitgeschleift.<br />

Während <strong>der</strong> frühe Physiologus und<br />

<strong>der</strong> Urtext des Horapollo (II, 69)<br />

vor allem die instabile<br />

Zweigeschlechtlichkeit <strong>der</strong> Hyäne<br />

herausstellen, bereitet die<br />

Bearbeitung <strong>der</strong> Renaissance mit<br />

mehreren seelischen Qualitäten auf<br />

die neueren Attributionen vor. Das<br />

Tiere wäre "wechselhaft und nie<br />

dauerhaft gleich, stark und schwach<br />

auf einmal, kühn und furchtsam, mal<br />

männlich, mal weiblich" - und so<br />

das Sinnbild "eines haltlosen<br />

Menschen".<br />

Astronomisch weist das Wandelbare,<br />

Wechselhafte immer auf<br />

Zusammenhänge <strong>der</strong> nie<strong>der</strong>en<br />

Sphären, des Mondes und des<br />

Merkur, im geozentrischen Weltbild.<br />

<strong>Die</strong> Hyäne wurden dem Mond<br />

zugeordnet; sein fortwährendes<br />

Verän<strong>der</strong>n seiner Gestalt war die<br />

Grundlage <strong>der</strong> Metapher.<br />

Eine an<strong>der</strong>e Entsprechung des<br />

Mondes war das Chamäleon.<br />

Das Unentschiedene,<br />

"Hermaphroditische" <strong>der</strong> nie<strong>der</strong>en<br />

Himmelskreise - an die sich auch die<br />

Symbolik des Hundes schließt -<br />

scheint leitendes Moment des<br />

Symbols. Man muss für ein weiteres<br />

Verständnis wohl ergänzen, man<br />

glaubte, die Seele nehme im Laufe<br />

des Lebens höhere Qualitäten an,


"steige durch die Sphären auf".<br />

So drückte polar zur nie<strong>der</strong>sten<br />

gerade die oberste Sphäre des<br />

Saturn Stabilität, Festigkeit und<br />

Unentwegtheit aus: sie galt dem<br />

Himmel, seiner Klarheit und <strong>der</strong><br />

„Kristallinität“ am nächsten. <strong>Die</strong><br />

"natürlichen" unteren Sphären<br />

überstiegen das Elementarische<br />

kaum. Ebendarum stand "Hyäne"<br />

auch für Unterlegenheit.<br />

<strong>Die</strong> Mo<strong>der</strong>ne hat eine an<strong>der</strong>e Sicht<br />

dieses Tieres. <strong>Die</strong> Hyäne ist kein<br />

Aasfresser, auch wenn sie sogar<br />

Skelette verwertet; sie hat das<br />

stärkste Gebiss aller Tiere, und kann<br />

mit ihm sogar Elefantenknochen<br />

zermalmen. Ihr soziales Verhalten<br />

ist gut ausgeprägt, sie bildet<br />

Gruppen und sogar Gemeinschaften<br />

dieser Gruppen, "Clans", und führt<br />

Kriege zwischen diesen sozialen<br />

Korporationen, fast wie <strong>der</strong><br />

Mensch: dabei fallen die<br />

Beißhemmungen weg, und es gibt<br />

wegen des fürchterlichen Gebisses<br />

viele Tote.<br />

Hyäne, arabisch, in: Salmen, B.,<br />

Der Almanach <strong>der</strong> blauer Reiter,<br />

1998, S. 149<br />

rechts<br />

Foto Hyäne<br />

Emblem Hyäne/Hund - aus<br />

Horapollo<br />

Von beson<strong>der</strong>em Interesse für die<br />

Antike war auch das "weissagende"<br />

Verhalten <strong>der</strong> Hyäne im Kampf.<br />

Schaute sie nach rechts, war sie<br />

ihrem Gegner überlegen; schaute<br />

sie nach links, zeigte bereits diese<br />

Wendung vor aller<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzung ihre<br />

Unterlegenheit an. Nach rechts<br />

laufe sie zum Triumph, nach links<br />

aber stürze sie in die eigene<br />

Vernichtung (Horapollo II, 70).<br />

Bil<strong>der</strong><br />

links<br />

Glyphe Säugetiere


euch umher in Schaffellen,<br />

inwendig aber sind sie<br />

reissende Wölfe."<br />

"Vor Gier nach fremden<br />

Schätzen glüht er als ein<br />

gewalttätiger Räuber: Wölfen<br />

ähnlich wirst du ihn heißen.<br />

Wild und unruhig übt er seine<br />

Zunge in Zänkereien: du magst<br />

ihn mit einem Hund<br />

vergleichen. Als heimlicher<br />

Fallensteller freut er sich,<br />

geraubt zu haben: den<br />

Füchsen kann man ihn<br />

gleichstellen. Er knirscht ohne<br />

Herrschaft über seinen Zorn:<br />

man mag glauben, er trägt den<br />

Charakter eines Löwen in sich.<br />

Ängstlich und furchtsam<br />

schau<strong>der</strong>t er vor Dingen, die<br />

man nicht zu fürchten braucht:<br />

als den Hirschen ähnlich soll<br />

er gelten. Träge und dumm<br />

döst er dahin: er führt das<br />

Leben eines Esels.<br />

Leichtsinnig und unbeständig<br />

wechselt er beständig seine<br />

Beschäftigungen: er<br />

unterscheidet sich nicht von<br />

den Vögeln. Er versinkt in<br />

scheußlichen und unsauberen<br />

Begierden: er läßt sich<br />

festhalten von <strong>der</strong> Lust eines<br />

schmutzigen Schweins. Wer<br />

die Rechtschaffenheit verlässt,<br />

geht nicht in göttlichen Stand<br />

über, son<strong>der</strong>n hört auf ein<br />

Mensch zu sein und<br />

verwandelt sich in ein Tier."<br />

Boethius (~ 480 - 524 n. Chr.), Trost<br />

<strong>der</strong> Philosophie, IV, 3<br />

"Wolf und Fuchs vor dem<br />

Gericht des Affen<br />

Der Wolf beschuldigte den<br />

Fuchs, er habe ihm etwas<br />

gestohlen, <strong>der</strong> Fuchs bestritt<br />

dieses beredt und eifrig.<br />

Da riefen sie einen Affen als<br />

Richter an, und brachten ihm<br />

den Streitfall vor. Schließlich<br />

sprach <strong>der</strong> Affe Recht:<br />

"Dir, Wolf, wurde das, was du<br />

hier for<strong>der</strong>st, gar nicht<br />

gestohlen - und du Fuchs,<br />

leugnest geschickt, was du<br />

gewiss weggenommen hast.<br />

- Aesop sagt: Wer sich mit<br />

ehrenrührigem Betrug auch<br />

nur einmal befleckt, dem<br />

glaubt man nicht mehr, selbst<br />

wenn er hun<strong>der</strong>t Mal die<br />

Wahrheit spricht."<br />

Phaedrus (~15 v. Chr. - ~50 n. Chr.)<br />

Der Wolf<br />

"Hütet euch vor den falschen<br />

Propheten. Sie gehen unter<br />

Matthäus 7, 15<br />

Gott teilt Ezechiel mit, Israels<br />

Fürsten seien "brüllende Löwen".<br />

Und seine "Beamten" seien "Wölfe,<br />

die auf Beute aus sind". Beide<br />

"vergießen Blut und richten<br />

Menschenleben zu Grunde, um<br />

Gewinn zu machen" (22, 24 - 27).<br />

Der Wolf ist ein Signum des<br />

vernichtenden Krieges. Das Tier<br />

gedieh vor allem in Kriegszeiten,<br />

wenn ganze Landstriche verödeten.<br />

Dann kam seine Zeit: als guter<br />

Läufer, <strong>der</strong> schnell riesige Reviere<br />

einnimmt, brach er aus seinen<br />

Rückzugsgebieten hervor und<br />

vermehrte sich auf "verbrannter<br />

Erde" gewaltig.<br />

Unsere Urgroßeltern glaubten noch,<br />

<strong>der</strong> Wolf könne sein eigenes<br />

Körpergewicht drei mal<br />

verschlingen. Neben <strong>der</strong><br />

Unersättlichkeit - abgebildet auch in<br />

sieben verschlungenen Geißlein,<br />

ersetzt durch Wackersteine - ist ein<br />

weiterer wesentlicher Zug die<br />

Charakterisierung als "listig"; sie<br />

ist heute vielfach auf den Fuchs<br />

übergegangen. Im Märchen lockt<br />

<strong>der</strong> Wolf verführend vom Weg ab, er<br />

verstellt die Stimme, "frisst Kreide",<br />

bestreut sich die Pfote mit Mehl.<br />

"Eine Eigenart des Wolfes ist,<br />

wenn er einen Menschen trifft,<br />

sich lahm zu stellen, obwohl er<br />

keinen Schaden an seinem<br />

Fuß hat. Sein Herz aber ist voll<br />

List und Raub.<br />

Der heilige Basilius sagt: so<br />

sind die listigen und<br />

tückischen Menschen. Treffen<br />

sie auf gute Leute, stellen sie<br />

sich, als ob sie ganz<br />

unschuldig lebten und nichts<br />

Schlechtes an sich hätten,<br />

aber ihr Herz strotzt vor<br />

Bitterkeit und List."


Physiologus, 60<br />

Glyphe Säugetiere<br />

Wie alle an<strong>der</strong>en reißenden und<br />

knochenbrechenden Tiere gehört <strong>der</strong><br />

Wolf zu den martialischen<br />

Gestirnen, zu Mars und Sonne.<br />

Martialische Tiere sind nach antiker<br />

Lehre mit Feuerbränden zu<br />

bändigen; dieses war bereits beim<br />

Symbol des Löwen zu sehen.<br />

<strong>Die</strong> Analogie legt nahe, diese Tiere<br />

fürchten nicht nur das Feuer,<br />

son<strong>der</strong>n auch jenen, <strong>der</strong> es gelernt<br />

hat, es zu zähmen. Der, <strong>der</strong> die<br />

brennende und lo<strong>der</strong>nde Wesensart<br />

beherrschen gelernt hat, ist dem<br />

Raubtier überlegen. <strong>Die</strong>se<br />

Korrespondenz betrifft wohl auch<br />

geistige "Leuchten" - sie sind dem<br />

Wölfischen zuwi<strong>der</strong>.<br />

Druckgrafik Wolf - in Uther, Fabeln,<br />

S. 10<br />

rechts<br />

Franz Marc, Wölfe, ganze Seite<br />

<strong>Die</strong> Wölfe vermeiden nach alter<br />

Meinung panisch, von einem Stein<br />

getroffen zu werden. Wenn sie sehen,<br />

daß ein Mensch ein solches<br />

Wurfgeschoss aufhebt, fliehen sie.<br />

Dabei sollen sie aber weniger die<br />

Gewalt des Aufpralles, und den<br />

Schmerz <strong>der</strong> Verletzung fürchten,<br />

son<strong>der</strong>n viel mehr die in diesen<br />

Wunden wachsenden Würmer<br />

(Horapollo II, 74).<br />

Langwierig verlaufenden<br />

Geschwüre gehören zu Begleitungen<br />

des Mondes. Astrologisch ist Mars<br />

im Krebs, dem Himmelsort des<br />

Mondes, "im Fall". <strong>Die</strong> Symbolik<br />

verdeutlicht, dass es im Sieg über<br />

Wölfe nicht auf brachiale Gewalt<br />

und Vergeltung mit Gleichem<br />

ankommt. Umstände des Nächtigen,<br />

des Naiven, des Musikalischen u. a.<br />

m. schaffen Bedingungen, in denen<br />

die Selbstverletzungen, die die<br />

Aggression mit sich bringt, zu<br />

todbringenden Wunden ausarten<br />

kann.<br />

Bil<strong>der</strong><br />

links


Der Hund<br />

"Ein Gewimmel von Schakalen<br />

um mich her; in mattem Golde<br />

erglänzende, verlöschende<br />

Augen; schlanke Leiber, wie<br />

unter einer Peitsche<br />

gesetzmäßig und flink bewegt.<br />

Einer kam von rückwärts,<br />

drängte sich, unter meinem<br />

Arm durch, eng an mich, als<br />

brauche er meine Wärme...<br />

"Herr, du sollst den Streit<br />

beenden, <strong>der</strong> die Welt<br />

entzweit... Frieden müssen wir<br />

haben von den Arabern;<br />

atembare Luft; gereinigt von<br />

ihnen den Ausblick rund am<br />

Horizont; kein Klagegeschrei<br />

eines Hammels, den <strong>der</strong><br />

Araber absticht; ruhig soll das<br />

Getier krepieren; ungestört<br />

soll es von uns leergetrunken<br />

und bis auf die Knochen<br />

gereinigt werden. Reinheit,<br />

nichts als Reinheit wollen wir...<br />

Wie erträgst nur du es in<br />

dieser Welt, du edles Herz und<br />

süßes Eingeweide? Schmutz<br />

ist ihr Weiß, Schmutz ist ihr<br />

Schwarz; ein Grauen ist ihr<br />

Bart, speien muss man beim<br />

Anblick ihrer Augenwinkel;<br />

und heben sie den Arm, tut<br />

sich in <strong>der</strong> Achselhöhle die<br />

Hölle auf. Darum, o Herr,<br />

darum, o teuerer Herr, mit Hilfe<br />

deiner allesvermögenden<br />

Hände, mit Hilfe deiner<br />

allesvermögenden Hände<br />

schneide ihnen... die Hälse<br />

durch."<br />

F. Kafka, Schakale und Araber<br />

Im alten Ägypten genossen die<br />

Hunde hohes Ansehen. <strong>Die</strong><br />

beginnende Nilschwelle, angezeigt<br />

durch den wie<strong>der</strong> sichtbaren<br />

"Hundsstern", Sirius, wurde mit<br />

einem Fest gefeiert, an dem die<br />

Hunde mit ihren Herren speisen<br />

durften. <strong>Die</strong>ser Stern kündigte<br />

zugleich die 50 heißesten,<br />

trockensten Tage des Jahres, die Zeit<br />

Seths, an. Von daher hatte <strong>der</strong><br />

Höllenhund ursprünglich 50 Köpfe.<br />

Göttliche Schakale zogen die<br />

Sonnenbarke durch das nächtige<br />

Jenseits: Toten- und Kriegsgötter.<br />

Der hundsgestaltige Gott Anubis<br />

gehörte zu den wohlwollenden<br />

Mächten, die über die Toten<br />

wachten. <strong>Die</strong> Kunst <strong>der</strong><br />

Einbalsamierung war Aufgabe<br />

seiner Priester, gab Anubis den<br />

Beinamen: "den Geheimnissen<br />

vorstehend". Bei dieser vertrat ein<br />

Priester mit <strong>der</strong> Maske eines<br />

Schakals den Gott.<br />

Horapollo (II, 39) bringt eine<br />

Beobachtung: wenn ein Hund sich<br />

im Tempel befinde, blicke und<br />

horche er ständig nach den<br />

Götterbil<strong>der</strong>n, als vernähme er, was<br />

dort, im verhüllten Allerheiligsten,<br />

gesprochen werde. <strong>Die</strong> Bearbeitung<br />

<strong>der</strong> Renaissance überhöhte diese<br />

Zusammenhänge zu "spiritueller<br />

Weisheit" (n. 38).<br />

"Wie sie den heiligen<br />

Schreiber kennzeichnen<br />

Wenn sie den heiligen<br />

Schreiber<br />

Den Seher o<strong>der</strong> Propheten<br />

Einen Richter Niesen rechtes<br />

Lachen<br />

Auch den Fürsten und das<br />

gute Riechen darstellen wollen<br />

Zeichnen sie den Hund <strong>der</strong><br />

keine Ruhe sich gönnt<br />

Denn ein Schreiber <strong>der</strong> perfekt<br />

werden will<br />

Muss viel denken<br />

Muss jeden anbellen und zu


jedem zärtlich sein<br />

Niemanden schön tun und<br />

trotzdem allen nützlich sein<br />

Nicht zu mild und nicht zu<br />

menschlich sein<br />

son<strong>der</strong>n immer unterwegs wie<br />

ein Hund <strong>der</strong> niemandem ins<br />

Gesicht schaut"<br />

links<br />

Glyphe Säugetiere<br />

Hier versammeln sich im Bild des<br />

Hundes manche merkurialische<br />

Züge: Indifferenz, "quecksilbrige"<br />

Ruhelosigkeit, "viel Denken",<br />

eilendes Schreiben.<br />

In <strong>der</strong> griechischen Mythologie gab<br />

es den dreiköpfigen Höllenhund<br />

Kerberos, einen Sohn des<br />

schrecklichsten aller Ungeheuer, des<br />

Typhon. Er hatte drei Köpfe, aus<br />

denen Schlangen hervorwuchsen,<br />

und bellte "mit bronzener Stimme".<br />

Seine Aufgabe war, die Schemen <strong>der</strong><br />

Verstorbenen zu bewachen,<br />

niemanden aus <strong>der</strong> Unterwelt<br />

entkommen zu lassen.<br />

Im mittelalterlichen Deutschland<br />

gab es eine Strafe: "den Hund<br />

tragen". Der Kaiser ließ sie auch an<br />

hohen Würdenträgern vollziehen,<br />

um zu zeigen, sie hätten "schlimmer<br />

als Hunde" gehandelt. Dabei<br />

mussten die Übeltäter Hunde, die<br />

ihnen auf den Rücken geschnallt<br />

wurden , öffentlich herumtragen, oft<br />

weite Strecken.<br />

<strong>Die</strong> Bibel beobachtet, <strong>der</strong> Hund<br />

kehre zu seinem Erbrochenen zurück<br />

(Spr 25, 11). Am Schluss <strong>der</strong><br />

Offenbarung wird über das neue<br />

Jerusalem versichert, "Hunde und<br />

Zauberer, Unzüchtige und Mör<strong>der</strong>,<br />

Götzendiener und Lügner" kämen<br />

nicht hinein (22, 15).<br />

<strong>Die</strong> westliche Welt sieht im Hund<br />

gerne den "treuesten Freund" des<br />

Menschen. Eine eigenartige<br />

Sympathie, <strong>der</strong> nachzusinnen<br />

Erkenntnis bedeuten kann.<br />

"szb" - "Schakal", Betro 78. Der<br />

Schakal gehörte in <strong>der</strong> ägyptischen<br />

Mythologie zum Westen; Schakale<br />

zogen die Sonnenbarke durch die<br />

nächtige Unterwelt.<br />

rechts<br />

Hund mit Stola, aus Boas, S. 77;<br />

bedeutet nach Horapollo eine<br />

Amtsperson o<strong>der</strong> einen Richter.<br />

HS, S. 559, Hund, Zincgreff, 1614,<br />

2.<br />

"Ein Hund wacker/ stark / groß<br />

von Mut<br />

Vor dem Wolf hält die Herd´<br />

in Hut<br />

Gleiche Tugend einem Fürsten<br />

ziemt<br />

Der sich des Volks<br />

mit Ernst annimmt."<br />

Ägyptische Plastik, Gott mit<br />

Hundekopf, s. Betro 77; o<strong>der</strong> Lurker,<br />

M., Lexikon Götter..., S. 44.<br />

Bil<strong>der</strong>


Der Hirsch<br />

Häufig finden sich Darstellungen<br />

von Hirsche in den frühen<br />

Baptisterien.<br />

Wie <strong>der</strong> Hirsch lechzt nach<br />

frischem Wasser,<br />

so lechzt meine Seele, Gott,<br />

nach dir."<br />

Psalm 42, 2<br />

"Vom Fuchs<br />

Der Physiologus sagt vom<br />

Fuchs, er sei ein listiges Tier.<br />

Wenn er hungrig ist und keine<br />

Beute zum Fressen findet,<br />

sucht er heißen und sandigen<br />

Boden. Dort wirft er sich auf<br />

den Rücken, hält den Atem an<br />

und röchelt. <strong>Die</strong> Vögel glauben<br />

nun, er sei tot und setzen sich<br />

auf ihn, um von ihm zu<br />

fressen. Da springt er auf,<br />

packt sie und verschlingt sie.<br />

Deutung: Auch <strong>der</strong> Teufel<br />

handelt so hinterlistig. Wer<br />

von seinem Fleisch zehren<br />

will, muss sterben. Sein<br />

Fleisch aber ist: Lust, Hurerei,<br />

Geiz und Mord. Daher wird<br />

auch Herodes dem Fuchs<br />

verglichen. Und <strong>der</strong><br />

Schriftgelehrte bekommt vom<br />

Heiland zu hören: "<strong>Die</strong> Füchse<br />

haben ihre Höhlen und die<br />

Vögel ihre Nester." Und im<br />

Lied Salomos steht: "Fangt<br />

uns die Füchse, die kleinen<br />

Füchse! Sie verwüsten die<br />

Weinberge, unsre blühenden<br />

Reben." Und bei David in den<br />

Psalmen: "Sie werden den<br />

Füchsen zu Teil werden."<br />

Physiologus 15<br />

"Der Physiologus sagt vom<br />

Hirschen, daß er <strong>der</strong> Schlange<br />

feind ist. Wenn die Schlange<br />

vor dem Hirsch in die Spalten<br />

<strong>der</strong> Erde flüchtet, kommt <strong>der</strong><br />

Hirsch und füllt seinen Mund<br />

mit Quellwasser und speit es<br />

in die Erdritzen und schwemmt<br />

die Schlange heraus, zertritt<br />

sie und bringt sie um...<br />

Der Herr kam und verfolgte die<br />

geistliche Schlange mit den<br />

himmlischen Wassern. Es<br />

hatte sich verborgen in den<br />

innersten Tiefen <strong>der</strong> Erde <strong>der</strong><br />

Teufel. Und <strong>der</strong> Herr goss aus<br />

seiner Seite Blut und Wasser.<br />

Er machte zunichte alle unter<br />

uns verborgene teuflische<br />

Gewalt durch das Bad <strong>der</strong><br />

Wie<strong>der</strong>geburt."<br />

Physiologus, 30.<br />

Im frühen Christentum war <strong>der</strong><br />

Hirsch Sinnbild <strong>der</strong> erlösten Seele.<br />

Astrologisch gehört <strong>der</strong> Hirsch zu<br />

Jupiter. Jupiter ist <strong>der</strong> Signifikator<br />

<strong>der</strong> Herrschaft, <strong>der</strong> Religion, des<br />

Guten, <strong>der</strong> Weite, des Glückes,<br />

zugleich auch <strong>der</strong> Verstiegenheit,<br />

des Egoismus, <strong>der</strong> Dummheit.<br />

Im Horapollo (II, 91) wird ein<br />

Hirsch zur Metapher des Menschen,<br />

<strong>der</strong> durch Schmeichelei getäuscht<br />

ist. <strong>Die</strong> Ägypter sollen dafür einen<br />

Hirsch und einen Flötenspieler<br />

gezeichnet haben:<br />

"Denn <strong>der</strong> Hirsch, wenn er<br />

süße Klänge von Musik hört,<br />

wird gefangen, wie schwach<br />

vor Vergnügen."<br />

Beson<strong>der</strong>e Qualität scheint das<br />

Horn des Tieres, das "Geweih". zu<br />

haben. Albert <strong>der</strong> Große berichtet,<br />

man finde nur das rechte Horn des<br />

Tieres; das linke verscharre er, weil<br />

er dem Menschen die hohe Heilkraft<br />

nicht gönne. In <strong>der</strong> chinesischen<br />

Medizin wird heute noch<br />

gemahlenes Hirschhorn verwendet.<br />

Es gibt vorgeschichtliche


Darstellungen von Menschen, die<br />

ein Hirschgeweih tragen: dieses<br />

können Schamanen o<strong>der</strong> Anführer<br />

sein. Ein Gott des alten Gallien,<br />

Cernunnos, hat auf dem Kopf ein<br />

Hirschgeweih. In <strong>der</strong> rechten Hand<br />

kann er einen Ring tragen, in <strong>der</strong><br />

linken eine Schlange - er ist<br />

umgeben von allerlei Tieren.<br />

Auch <strong>der</strong> germanische Gott Odin,<br />

Wotan, wird gehörnt dargestellt.<br />

Eines seiner Attribute ist Draupnir,<br />

<strong>der</strong> Reichtum mehrende Ring.<br />

Es gibt Übergänge dieser Bildwelt<br />

in den Physiologus (30). Darin wird<br />

beschrieben, wie <strong>der</strong> Hirsch sein<br />

Leben verlängert.<br />

sicherlich Sinnbild einer<br />

Sehnsucht... nach was?<br />

Bil<strong>der</strong><br />

links/rechts<br />

Glyphe Säugetiere<br />

Cernunnos, Darstellung in<br />

Kopenhagen, aus Gottschalk,<br />

Mythologie<br />

"Der Hirsch lebt fünfzig Jahre,<br />

und danach läuft er wie ein<br />

guter Läufer durch die<br />

Waldgründe und die<br />

Schluchten <strong>der</strong> Gebirge und<br />

schnuppert nach den Löchern<br />

<strong>der</strong> Schlangen, und wo eine<br />

Schlange ist, die sich dreimal<br />

gehäutet hat, erkennt er sie<br />

durch seine gute Nase, und<br />

sofort läßt er dreimal seinen<br />

lauten, wilden Ruf erschallen<br />

und legt seine Schnauze an<br />

die Öffnung des<br />

Schlangenloches und haucht<br />

seinen Atem hinein, und wie<br />

tief die Schlange liegt, sie wird<br />

in die Kehle des Hirsches<br />

hinauf gezogen, und so<br />

verschluckt er sie. Mit <strong>der</strong><br />

Schlange im Magen läuft er zu<br />

<strong>der</strong> Wasserquelle. Denn wenn<br />

er drei Stunden nach dem<br />

Verschlucken <strong>der</strong> Schlange<br />

nicht Wasser trinken kann,<br />

muss er sterben. Wenn er aber<br />

trinken kann, wird er weitere<br />

fünfzig Jahre leben."<br />

rechts/links<br />

HS, S. 470, Camerarius, 1545.<br />

Grafik.<br />

Dort auch: "Einzige Rettung" - <strong>der</strong><br />

von Schlangen bedeckte Hirsch<br />

sucht die Quelle lebendigen<br />

Wassers.<br />

Röhren<strong>der</strong> Hirsch am Wasser,<br />

Volkskunst.<br />

Foto: Hirsch.<br />

Der Hirsch – im Stuttgarter<br />

Schlossgarten; das „Hirschbad“ als<br />

Stuttgarter Symbol.<br />

Der Hirsch ist das edelste Wild des<br />

Waldes. Kühe und Hirsche leben die<br />

längste Zeit des Jahres getrennt, in<br />

Rudeln von 10 - 20 Tieren. Im<br />

Herbst zieht <strong>der</strong> männliche Hirsch<br />

zu seiner Herde, und meldet röhrend<br />

seinen Anspruch. <strong>Die</strong>ses Bild hängt<br />

in unendlicher Zahl in vielen<br />

Wohnungen in Deutschland –<br />

„Hiischhöendle“


Ingeborg Bachmann<br />

Der Bär<br />

"Anrufung des großen Bären<br />

Großer Bär, komm herab,<br />

zottige Nacht,<br />

Wolkenpelztier mit den alten<br />

Augen,<br />

Sternenaugen,<br />

durch das Dickicht brechen<br />

schimmernd<br />

deine Pfoten mit den Krallen,<br />

Sternenkrallen,<br />

wachsam halten wir die<br />

Herden,<br />

doch gebannt von dir, und<br />

misstrauen<br />

deinen müden Flanken und<br />

den scharfen<br />

halbentblößten Zähnen,<br />

alter Bär.<br />

Ein Zapfen: eure Welt.<br />

Ihr: die Schuppen dran.<br />

Ich treib sie, roll sie<br />

von den Tannen im Anfang<br />

zu den Tannen am Ende,<br />

schnaub sie an, prüf sie im<br />

Maul<br />

und pack zu mit den Tatzen.<br />

Fürchtet euch o<strong>der</strong> fürchtet<br />

euch nicht!<br />

Zahlt in den Klingelbeutel und<br />

gebt<br />

dem blinden Mann ein gutes<br />

Wort,<br />

daß er den Bären an <strong>der</strong> Leine<br />

hält.<br />

Und würzt die Lämmer gut.<br />

s´ könnt sein, daß dieser Bär<br />

sich losreißt, nicht mehr droht<br />

uns alle Zapfen jagt, die von<br />

den Tannen<br />

gefallen sind, den großen,<br />

geflügelten,<br />

die aus dem Paradiese<br />

stürzten."<br />

<strong>Die</strong> metaphorischen Beziehungen<br />

zwischen Mensch und Bär sind eng.<br />

Das Grimmsche Märchen vom<br />

Bärenhäuter gibt Aufschluss: ein<br />

Mann verfällt <strong>der</strong> Wildheit, er<br />

rasiert sich nicht, seine Nägel<br />

wachsen, seine Haare decken den<br />

ganzen Leib, sein Kleid besteht aus<br />

speckigem Le<strong>der</strong>.<br />

Das Wi<strong>der</strong>borstige und Gepanzerte<br />

steht für erste Schritte auf dem Weg<br />

zum Humanen. Vor <strong>der</strong> sozialen<br />

Kooperation kommt grimmig<br />

Brummiges.<br />

<strong>Die</strong> Hieroglyphen des Horapollo (II,<br />

83) lenken den Blick auf die Welt<br />

des Krüppels (n. 147); sie folgen<br />

Ovid.<br />

"Wie sie einen bei <strong>der</strong> Geburt<br />

Missgebildeten kennzeichnen<br />

Wenn Sie einen Menschen <strong>der</strong><br />

verkrüppelt geboren ist<br />

Wenig später aber Schönheit<br />

erlangt<br />

Zeigen wollen zeichnen sie<br />

recht lebendig<br />

Eine trächtige Bärin<br />

Sie gebiert ein schieres Stück<br />

Blut und Fleisch<br />

Um es umzuformen netzt sie<br />

es mit Speichel<br />

Daut es an macht es lebendig<br />

und formt es<br />

Und gibt ihm mit ihrer Zunge<br />

vollendete Gestalt."<br />

Der Bärenmutter wird eine<br />

schöpferische Kraft zugeschrieben,<br />

die ein "missgebildetes Wesen"<br />

nachträglich heilt. Erst durch


Zuneigung und Zungenfertigkeit<br />

wird <strong>der</strong> Bär „gebildet“ - die<br />

Analogie zum Werden des Menschen<br />

liegt nahe, und gibt <strong>der</strong> Metapher<br />

unvermutete Tiefe, beschreibt den zu<br />

überbrückenden Abgrund zwischen<br />

„polymorph pervers“ und<br />

„genital“.<br />

Eine Anspielung auf diesen<br />

Wandlungsprozess könnte <strong>der</strong> Grund<br />

sein, warum heute jedes Kind einen<br />

Bären besitzt. Der Bär verbildlicht<br />

die Aufgabe <strong>der</strong> Metamorphose des<br />

Animalischen, die Sublimation des<br />

Triebhaften. Doch das Tier steht<br />

auch für ein Scheitern auf diesem<br />

Wege.<br />

Sprichwörtlich ist die Analogie<br />

Russlands und Berlins mit dem<br />

Bären. <strong>Die</strong>ses kann bedingt sein<br />

durch die nördliche Lage <strong>der</strong><br />

Sternbil<strong>der</strong> des "Großen" und des<br />

"Kleinen Bären".<br />

Im Griechischen bedeuten "Bär"<br />

und "Norden" das Gleiche: "arktos".<br />

Das Sternbild Großer Bär ist<br />

eigentlich eine Bärin, und viel<br />

größer, wie sie heute üblich in den<br />

Lichtern des "Großen Wagens"<br />

vorgestellt wird. Es soll die an den<br />

Himmel versetzte Nymphe Kallisto<br />

("die Schönste") zeigen. Zeus rettete<br />

sie vor <strong>der</strong> Rache seiner Gemahlin<br />

Hera, indem er sie an den Himmel<br />

versetzte. <strong>Die</strong> Sternenfigur nahebei,<br />

<strong>der</strong> "Bärenhüter", ist <strong>der</strong> aus <strong>der</strong><br />

Verbindung von Zeus und Kallisto<br />

entstandene Stammvater <strong>der</strong><br />

Arkadier, Arkas.<br />

Von beson<strong>der</strong>er Bedeutung im Bild<br />

des Bären ist sein Fell. Der Pelz<br />

trägt das fast auf ihn allein<br />

zugeschnittene Adjektiv "zottig": es<br />

umschreibt einen reichen,<br />

wuchernden und verfilzten Wuchs<br />

seines Körperhaares. Wenn<br />

Germanen auf <strong>der</strong> "Bärenhaut"<br />

lagen, spricht das weniger für<br />

„haute cuisine“ und abgespreizte<br />

kleine Finger, als mehr für<br />

raubauzige Großspurigkeit und<br />

Besoffenheit zum Nie<strong>der</strong>sinken.<br />

Zumindest glaubt man manchmal in<br />

sich Reminiszenzen solcher<br />

Kollektivitäten zu irrlichtern zu<br />

fühlen. O<strong>der</strong> sind das Stereotype<br />

über deutsche Geschichte?<br />

Bil<strong>der</strong><br />

Links<br />

Glyphe Säugetiere<br />

Sternbild Großer Bär und<br />

Bärenhüter, mit Umrissen<br />

Rechts<br />

Foto Bär<br />

"Ein grollen<strong>der</strong> Löwe, ein<br />

gieriger Bär - ein frevelhafter<br />

Herrscher über ein schwaches<br />

Volk."<br />

Sprichwörter 28, 15<br />

Druckgrafik Bär: HS, S. 447, Bruck,<br />

1615; Bär, mit Bärenführer:<br />

"Den Starken zwingt stärkere<br />

Kraft."


Handeln und wi<strong>der</strong>natürlicher<br />

Leistung..."<br />

Manilius, Astronomica 5, 693 f,<br />

<strong>Die</strong><br />

Fle<strong>der</strong>maus<br />

<strong>Die</strong> antiken Metaphern zur<br />

Fle<strong>der</strong>maus entwerfen<br />

überraschende Bedeutungen.<br />

Vormals scheint man den heute so<br />

verbreiteten "Abscheu" vor dem<br />

nächtlichen Tier nicht gekannt zu<br />

haben. Vielleicht haben an dieser<br />

Stelle die ebenso abstrusen wie<br />

bildkräftigen Filme über den Grafen<br />

Dracula das Bewusstsein geprägt.<br />

An<strong>der</strong>erseits kennt die Mo<strong>der</strong>ne<br />

auch einen positiven Helden -<br />

"Batman", den "Fle<strong>der</strong>mausmann" -<br />

<strong>der</strong> geradezu übermenschlich die<br />

Welt vor verschiedensten<br />

abgründigen Bösewichten rettet.<br />

"Wenn nach Umrundung des<br />

Pols mit den ersten Sternen<br />

die Bärin<br />

zu ihrer Fährte die<br />

ununterbrochenen Schritte<br />

zurückträgt,<br />

niemals von Wasser benetzt,<br />

doch immer geschmeidig<br />

durchs Kreisen,<br />

zeigen die wilden Tiere dem<br />

dann geborenen Menschen<br />

kein feindlich<br />

klaffendes Maul; <strong>der</strong> Umgang<br />

mit ihnen macht Tierarten<br />

friedlich,<br />

Jener kann mit <strong>der</strong> Hand den<br />

riesigen Löwen dressieren,<br />

Wölfe streicheln, mit<br />

eingefangenen Panthern gar<br />

spielen,<br />

flieht auch die kräftigen<br />

Bärinnen nicht, die<br />

Verwandten des Sternbilds,<br />

bringt sie zu menschlichem<br />

"Wie sie eine stillende und<br />

nährende Mutter signifizieren<br />

Wenn sie eine Frau zeigen<br />

wollen<br />

<strong>Die</strong> zärtlich ihr Kind stillt<br />

Und bildet mit ihrer Milch eine<br />

Seele<br />

<strong>Die</strong> mit <strong>der</strong> Geburt entstanden<br />

ist<br />

Und nun sorgsam aufgezogen<br />

wird<br />

Malen sie freihändig die<br />

Fle<strong>der</strong>maus<br />

Sie steht über allen die fliegen<br />

weil sie milde Milch gibt<br />

Herabsteigend erfährt sie<br />

durch Gewisse Tod und Mord."<br />

Horapollo II, 53; n. 118


<strong>Die</strong> Fle<strong>der</strong>maus ist das "höchste"<br />

geflügelte Tier: diese alte<br />

Attribution muss man sich<br />

vergegenwärtigen, wenn man<br />

inneren Gehalten <strong>der</strong> Metapher<br />

nahe kommen will. <strong>Die</strong> Tiere <strong>der</strong><br />

Luft, die Vögel, legen Eier, und sie<br />

füttern ihre Jungen - die oft<br />

überraschend schnell aus dem Nest<br />

flüchten - sofort mit <strong>der</strong> alltäglichen<br />

Nahrung <strong>der</strong> Erwachsenen.<br />

Vogelküken können zuweilen auch<br />

ohne mütterlichen Schutz überleben.<br />

Im Bild <strong>der</strong> Fle<strong>der</strong>maus dagegen<br />

werden ganz an<strong>der</strong>e Züge betont:<br />

man bezeichnet sie als "zärtlich,<br />

sorgsam, Seele bildend, milde,<br />

stillend": als Säugetier soll sie<br />

einzigartig unter den Flugwesen,<br />

und über diesen stehen.<br />

<strong>Die</strong> Fle<strong>der</strong>maus hat um und um<br />

"Haut" - sie hat keine starren<br />

Fe<strong>der</strong>n, fe<strong>der</strong>leicht und<br />

stromlinienförmig, um in die Luft zu<br />

tragen. An <strong>der</strong> Fle<strong>der</strong>maus ist alles<br />

feine Membran.<br />

<strong>Die</strong>ses drückt sich auch in ihrem<br />

Orientierungsvermögen aus. Sie<br />

fliegt weniger nach Gesicht<br />

("Welt"), als nach Gehör ("Wort").<br />

Sie stößt Schreie im<br />

Ultraschallbereich aus, und ist im<br />

Stande, <strong>der</strong>en Echo zu vernehmen,<br />

und sich so "durch die Welt" zu<br />

finden. In China hält man die<br />

Fle<strong>der</strong>maus für positiv, ganz in<br />

diesem Sinne, bestärkt auch durch<br />

den Gleichklang ihres Namens mit<br />

„Glück“.<br />

Der alten Literatur - Plinius,<br />

Dioskurides, Aelianus u. dgl. - war<br />

die Fle<strong>der</strong>maus ein gefährliches<br />

Tier. Und so schützten bei ihnen die<br />

Störche ihre Jungen vor den<br />

Fle<strong>der</strong>mäusen, indem sie<br />

Platanenblätter in ihre Nester<br />

flochten. <strong>Die</strong> Platane sollte nämlich<br />

diesen Tieren höchlich zuwi<strong>der</strong>,<br />

sollte ihnen „antipathisch“ sein.<br />

Der Renaissance war dann die<br />

Ungefährlichkeit <strong>der</strong> Fle<strong>der</strong>mäuse<br />

bekannt, und so widmete man diese<br />

Symbolik auf die Eule um.<br />

"<strong>Die</strong> Störche sorgen vielfach<br />

für ihre Jungen; aber sie<br />

fürchten die heimlichen<br />

Überfälle bei Nacht. Wenn die<br />

Eule kommt, um die Jungen zu<br />

holen, erschrickt sie vor <strong>der</strong><br />

Platane - denn die Platane ist<br />

unfruchtbar, und passt so<br />

nicht zum Nachtvogel Eule.<br />

Denn die Nacht selbst ist<br />

fruchtbar, denn in ihr werden<br />

die Kin<strong>der</strong> erzeugt."<br />

Bil<strong>der</strong><br />

links<br />

Glyphe Säugetiere<br />

Foto Fle<strong>der</strong>maus<br />

Bild Fle<strong>der</strong>maus<br />

rechts<br />

HS, S. 902, Fle<strong>der</strong>maus, Bruck,<br />

1615. Ruhm aus getreuer<br />

Pflichterfüllung.<br />

"Licht aus Finsternissen".<br />

HS, S. 247 - <strong>der</strong> Storch legt zum<br />

Schutz vor Eulen die Platanenblätter<br />

in sein Nest!<br />

An<strong>der</strong>e Bil<strong>der</strong> - Ausschnitt aus<br />

Dürers "Melencolia" - die<br />

Fle<strong>der</strong>maus als saturnines Tier.


Symbolistisches Bild, Gruseln durch<br />

Fel<strong>der</strong>mäuse<br />

Batman, Popart<br />

Überaus schädlich ist sein<br />

Wirken<br />

<strong>Die</strong>ser Mensch ist gefährlich<br />

und böse<br />

Wie Schweinefleisch im Bauch<br />

Und seine Innereien noch<br />

mehr."<br />

Horapollo II, 37; (in <strong>der</strong><br />

Bearbeitung des Michel<br />

Nostradamus) n. 102<br />

Das Schwein<br />

In <strong>der</strong> ägyptischen Mythologie galt<br />

das Schwein als Gefolgstier des<br />

Seth, des Wi<strong>der</strong>sachers. Im Bild des<br />

Ebers hatte dieser Horus<br />

angegriffen, sein Auge verletzt.<br />

"Gebt das Heilige nicht den<br />

Hunden, und werft eure Perlen<br />

nicht den Schweinen vor, denn<br />

sie könnten sie mit ihren<br />

Füßen zertreten und sich<br />

umwenden und euch<br />

zerreißen."<br />

Matthäus 7, 6<br />

"Was sie mit einem Schwein<br />

kennzeichnen<br />

Wenn sie einen ver<strong>der</strong>blichen<br />

Menschen<br />

Bedeuten wollen mit ihren<br />

Symbolen<br />

Malen sie das rasende<br />

Schwein<br />

Lebendig und naturgetreu<br />

Auch die Hieroglyphen des<br />

Horapollo geben dem Schwein<br />

Bedeutungen ähnlicher Valenz: das<br />

Bild bedeute einen "ver<strong>der</strong>blichen<br />

Menschen". In die zitierte<br />

Bearbeitung <strong>der</strong> Renaissance sind<br />

deutlich jüdische Elemente<br />

eingegangen, in <strong>der</strong> Betonung <strong>der</strong><br />

"Unreinheit" des Tieres. Michel<br />

Nostradamus Urgroßvater war<br />

vierzig Jahre vor <strong>der</strong> Geburt des<br />

Sehers zum Christentum<br />

übergetreten, und offensichtlich hielt<br />

man sich in <strong>der</strong> Familie auch<br />

danach noch an Vorschriften <strong>der</strong><br />

Thora, die den Verzehr von<br />

Schweinefleisch untersagt (3 Mose<br />

11, 7).<br />

"Schwein haben", unsere<br />

Redewendung für beson<strong>der</strong>es Glück,<br />

weist zurück auf keltische Sitten.<br />

Comics, über wildschweinjagende<br />

und wildschweinvertilgende Gallier,<br />

greifen den gleichen Zusammenhang<br />

auf. <strong>Die</strong> Kelten betonten die Stärke<br />

und Kraft, die wirbelnde Dynamik<br />

des Tieres. Cerridwen, die keltische<br />

Muttergöttin, trug<br />

Ehrenbezeichnungen wie "alte<br />

Bache" o<strong>der</strong> "Saugöttin".<br />

Schweinebraten galt diesem Stamm


als das Synonym <strong>der</strong><br />

Gastfreundschaft. Der Tapferste <strong>der</strong><br />

Runde erhielt das beste Stück, und<br />

war die Vergabe strittig, entschied<br />

ein Zweikampf über Leben und Tod,<br />

wer das sogenannte "Heldenteil"<br />

erhalten sollte. Der Sieger "hatte<br />

Schwein".<br />

In <strong>der</strong> astrologischen Tradition des<br />

Hellenismus gehörte die Muttersau<br />

zu den Entsprechungen des Mondes.<br />

<strong>Die</strong>se Einordnung war veranlasst<br />

durch die Fruchtbarkeit des Tiere,<br />

die Saftigkeit des Fleisches, die<br />

laute Vorliebe für schlammige<br />

Pfützen und Suhlen.<br />

Für den Israeliten bedeutete das<br />

Hüten von Schweinen Erniedrigung.<br />

Schwerlich konnte ein "verlorener<br />

Sohn" noch tiefer sinken, als wenn<br />

er sich das Schweinefutter erträumte<br />

(Lk 15, 15). Damit kontrastiert das<br />

Fest <strong>der</strong> Rückkehr zum Vater<br />

maximal.<br />

Für das griechisch-römische Gebiet<br />

<strong>der</strong> Dekapolis ist im neuen<br />

Testament eine große<br />

Schweineherde erwähnt. <strong>Die</strong><br />

Dämonen zweier Besessener bitten,<br />

in die Säue gehen zu dürfen - Jesus<br />

schickt sie dorthin, und schon<br />

stürzen sie in diesen einen Abhang<br />

hinunter in den See (Mt 8, 30).<br />

Nach solchen Horizonten wird das<br />

Schwein zum Symbol <strong>der</strong> Todsünde<br />

<strong>der</strong> Unkeuschheit, <strong>der</strong> Unmäßigkeit.<br />

"Wie sie einen König<br />

kennzeichnen, <strong>der</strong> seinen<br />

Spötter flieht<br />

und flieht."<br />

Horapollo, n. 150<br />

Wollte man die Symboliken von<br />

Elefant und Schwein zusammen<br />

bringen, könnte man übersetzen:<br />

das eigenliebige und auf seine<br />

Vorteile bedachte Rüsseltier kann<br />

unsauber lärmige „Wahrheiten“<br />

seiner Kritiker nicht verknusen, und<br />

entzieht sich dem nach seiner<br />

Auffassung „viehischem Gegrunze“<br />

eiligst und naserümpfend.<br />

Bil<strong>der</strong><br />

links<br />

Glyphe Säugetiere<br />

Seth - "sth"; Hieroglyphe des Gottes<br />

mit Menschenkörper und Tierkopf.<br />

Der Kopf ist <strong>der</strong> Kopf des<br />

sogenannten Sethtieres. Betro 75.<br />

rechts<br />

Seth - Variante des Namens. Betro<br />

75. Das Sethtier war das Erdferkel,<br />

<strong>der</strong> alten Biologie zu den Schweinen<br />

gerechnet; heute eine Gattung, mit<br />

nur einer Art („Röhrenzähner“).<br />

Einen König <strong>der</strong> einen Spötter<br />

O<strong>der</strong> einen Mann voll Hohn<br />

flieht<br />

Weil er seine närrischen<br />

Träumereien hasst<br />

Kennzeichnen sie mit diesem<br />

phantasievollen Erfindung<br />

Sie malen einen Elefanten und<br />

ein quiekendes Schwein<br />

Denn <strong>der</strong> Elefant wenn es<br />

unversehens hört<br />

Das Grunzen eines Schweines<br />

und seine Quiekerei<br />

Rennt er auf einen Schlag los<br />

Emblem: HS, S. 549, Schwein,<br />

Camerarius, 1545, 50.<br />

"Schwein und Rose passen<br />

nicht zusammen."


HS, 1107, Rollenhagen, Jahr?<br />

"Entwe<strong>der</strong> Tod o<strong>der</strong><br />

ehrenvolles Leben!"<br />

Asterix und Obelix auf<br />

Wildschweinjagd<br />

Brant, Narrenschiff, Stuttgart, 1964,<br />

S. 260. Das Schwein als Sinnbild<br />

des "Grobians" - dieses Wort prägt<br />

Brant hier:<br />

"Ein Narr <strong>der</strong> fest die Sauglock<br />

´ schüttelt,<br />

An guten Sitten, roh und<br />

unvermittelt,<br />

Mit Schimpf und wüstem<br />

Worte rüttelt."<br />

<strong>der</strong> Städte getrieben. Auch gab<br />

es den frommen Brauch, das<br />

typhonische Tier von einem<br />

Felsen hinabzustürzen - eben<br />

eine Todesart, welcher <strong>der</strong> in<br />

einen Esel verwandelte Lucius<br />

in Apulejus Roman kaum<br />

entgeht: <strong>Die</strong> Räuber bedrohen<br />

ihn mit `katakremnezesthai´. Er<br />

wird übrigens für sein<br />

Eselsgeschrei verprügelt, ganz<br />

wie Sancho Pansa, und<br />

bekommt überhaupt, solange<br />

er Esel ist, unausgesetzt<br />

Prügel: zählt man die Fälle,<br />

sind es vierzehn."<br />

Thomas Mann, Meerfahrt mit Don<br />

Quijote<br />

Der Esel<br />

Jesus ist nicht auf einem Pferd in<br />

Jerusalem eingeritten, son<strong>der</strong>n auf<br />

einem Esel (Joh 12, 14).<br />

"Der Esel spielt in <strong>der</strong><br />

griechisch-orientalischen<br />

religiösen Vorstellungswelt<br />

eine beson<strong>der</strong>e Rolle. Er ist<br />

das Tier des Typhon-Set, des<br />

bösen Osirisbru<strong>der</strong>s, des<br />

`Roten´, und <strong>der</strong> mythische<br />

Haß auf ihn reicht so weit ins<br />

Mittelalter, daß die<br />

rabbinischen<br />

Bibelkommentare Esau, den<br />

roten Bru<strong>der</strong> Jakobs, einen<br />

`wilden Esel´ nennen. Der<br />

Prügelbegriff war eng und<br />

heilig mit diesem Wesen<br />

verbunden. <strong>Die</strong> Redensart `den<br />

Esel schlagen´ hat kultische<br />

Färbung. Ganze Eselsherden<br />

wurden zeremoniellerweise<br />

unter Prügeln um die Mauern<br />

"Fürchte dich nicht, Tochter<br />

Zion! Siehe, dein König<br />

kommt; er sitzt auf dem Fohlen<br />

einer Eselin."<br />

Jesaja 40, 9<br />

In <strong>der</strong> heidnischen Antike war die<br />

Dummheit und Bockbeinigkeit des<br />

Esels sprichwörtlich. <strong>Die</strong> römischen<br />

Priester unterstellten den frühen<br />

Christen einen Eselskult. Noch die<br />

heilige Brigitta weiß darum, daß<br />

Christus o<strong>der</strong> das christliche Volk<br />

"Esel" genannt wurden.<br />

<strong>Die</strong>ses Symbol musste in einer<br />

christlichen Bedeutungswelt<br />

wesentlich erweitert werden. In die<br />

neue Richtung wies <strong>der</strong> Esel eines<br />

Magiers, <strong>der</strong> himmlischen<br />

Anwesenheiten offener war als<br />

Bileam selbst (4 Mose 22).


Fortsetzungen scheinen sich auch in<br />

<strong>der</strong> Präsenz von "Ochs und Esel" an<br />

<strong>der</strong> Krippe auszudrücken - sie<br />

begann schon in frühester Zeit des<br />

Christentums. Origenes (185 - ~254<br />

n. Chr.) deutete als Erster die<br />

Bibelstelle aus Jesaja (1, 2 - 3): und<br />

öffnete den Weg zu "Geduld" und<br />

"Demut" des Tieres.<br />

Bei den Ägyptern war <strong>der</strong> Esel<br />

Sinnbild <strong>der</strong> wi<strong>der</strong>göttlichen<br />

Mächte. 77 Esel stellen sich <strong>der</strong><br />

Sonne entgegen, um ihrem<br />

morgendlichen Aufgang zu wehren.<br />

Der Esel war ein Tier Seths, des<br />

Wi<strong>der</strong>sachers des Osiris. Osiris<br />

steht für den Nil, Seth aber ist <strong>der</strong><br />

Gott <strong>der</strong> Wüste, <strong>der</strong> Metalle, des<br />

Meeres, <strong>der</strong> nichtägyptischen<br />

Völker. Mit <strong>der</strong> wachsenden<br />

Verfemung des Seth wird sein Tier<br />

zum Sündenbock; bei Osirisfesten<br />

können Esel mit Lanzen<br />

nie<strong>der</strong>gestochen werden. Eselsbil<strong>der</strong><br />

wurden auch auf Opferbroten<br />

angebracht.<br />

Um die "chtonische" Macht dieses<br />

Tieres unschädlich zu machen,<br />

wurde die Hieroglyphe "Esel" mit<br />

einem Messer im Rücken abgebildet.<br />

In <strong>der</strong> Hieroglyphenschrift geht dem<br />

Bild des Esels oft das Zeichen des<br />

Phallus voraus: die Ägypter gaben<br />

dem Stier sexuelle Potenz, dem Esel<br />

aber die negative Bedeutung von<br />

"sexueller Ausschweifung". <strong>Die</strong>se<br />

Konnotation hielt sich auch in <strong>der</strong><br />

griechischen und römischen Welt.<br />

Solchen Metaphern ausweichend<br />

berichtet <strong>der</strong> Physiologus (9)<br />

Erstaunliches. Der Wildesel sei ein<br />

"freies" Tier (Hiob, 39, 5) - er beiße<br />

seinen männlichen Nachkommen die<br />

Hoden ab. <strong>Die</strong> frühe christliche<br />

Schrift - wohl schon um 150 nach<br />

Christus entstanden - sieht im Esel<br />

ein Symbol <strong>der</strong> "Enthaltung und<br />

Selbstbeherrschung", verurteilt aber<br />

das Verschnitten-werden. Im neuen<br />

Zustand <strong>der</strong> Welt seien "geistliche<br />

Kin<strong>der</strong>" zu zeugen, <strong>Die</strong> Apostel<br />

übten "Askese, in dem sie nach<br />

himmlischem Samen strebten."<br />

Nach <strong>der</strong> Gestirnkunde gehört <strong>der</strong><br />

Esel zu Saturn, dem friedlichen Gott<br />

<strong>der</strong> Saaten. Zu diesem Gestirn<br />

gehört auch Israel<br />

<strong>Die</strong> Bedeutungen <strong>der</strong> saturninen<br />

Mühe, Tiefe und Gründlichkeit<br />

scheint das Märchen <strong>der</strong> Brü<strong>der</strong><br />

Grimm aufzugreifen:<br />

"Der Zweite Sohn war zu<br />

einem Müller gegangen, als er<br />

ausgelernt hatte, gab ihm<br />

dieser den Esel Bricklebrit<br />

zum Geschenk, so oft man zu<br />

ihm sagte `Bricklebrit!´ so fing<br />

er an Ducaten auszuspeien<br />

hinten und vorn... das<br />

Goldeselein."<br />

Was sind die etymologischen<br />

Hintergründe von "Bricklebrit"?<br />

Bil<strong>der</strong><br />

links<br />

Glyphe Säugetiere<br />

Hieroglyphe "Esel" - "z"; Betro 94.<br />

rechts<br />

Foto Esel<br />

"Hört, ihr Himmel! Erde, horch<br />

auf!/<br />

Denn <strong>der</strong> Herr spricht:<br />

Ich habe Söhne großgezogen<br />

und emporgebracht,/<br />

doch sie sind von mir<br />

abgefallen.<br />

Der Ochse kennt seinen<br />

Besitzer/<br />

und <strong>der</strong> Esel die Krippe seines<br />

Herrn;<br />

Israel aber hat keine


Erkenntnis,/<br />

mein Volk hat keine Einsicht."<br />

Jesaja, 1, 2 - 3<br />

Ochs und Esel, Relief aus<br />

Schmidt/Schmidt, S. ?<br />

Druckgraphik: HS, S. 512: Esel<br />

trägt Bild <strong>der</strong> Isis, und glaubt, die<br />

Verehrung gelte ihm; Alciatus, 1531,<br />

7.<br />

Illustration aus Sebastian Brandt,<br />

das Narrenschiff, Stuttgart, 1964, S.<br />

287:<br />

"Viel Narren sind gedrückt<br />

zum Bücken,<br />

Und Tore sind´s,<br />

in vielen Stücken:<br />

Der Esel sitzt ihnen<br />

auf dem Rücken."<br />

dann noch schneller hoppelte,<br />

war Alice mit einem Satz auf<br />

den Beinen, denn ihr wurde<br />

klar, dass sie noch niemals ein<br />

Kaninchen mit Westentasche<br />

und Taschenuhr gesehen<br />

hatte. Außer sich vor Neugier<br />

jagte sie ihm quer über die<br />

Wiese nach und konnte<br />

glücklicherweise gerade noch<br />

sehen, wie es unter <strong>der</strong> Hecke<br />

in einem großen Erdloch<br />

verschwand.<br />

Blitzschnell sprang ihm Alice<br />

hinterdrein, ohne einen<br />

Gedanken daran zu<br />

verschwenden, wie sie jemals<br />

wie<strong>der</strong> herausfinden sollte."<br />

Lewis Caroll, Alice im Wun<strong>der</strong>land<br />

Der Hase<br />

"Dann überlegte sie weiter -<br />

ein wenig zerstreut, denn die<br />

Hitze machte sie schläfrig - ob<br />

es ihr trotz <strong>der</strong> damit<br />

verbundenen Anstrengung<br />

wohl Spaß machen würde,<br />

aufzustehen, Gänseblumen zu<br />

pflücken und sich einen Kranz<br />

daraus zu winden, als plötzlich<br />

ein weißes Kaninchen mit rosa<br />

Augen dicht an ihr<br />

vorbeihoppelte.<br />

Das war eigentlich noch kein<br />

aufregendes Ereignis. Auch<br />

daß das Kaninchen zu sich<br />

sagte: `Ach du meine Güte! ich<br />

komm´ ja zu spät!´,<br />

verwun<strong>der</strong>te Alice nicht<br />

übermäßig... Doch als das<br />

Kaninchen tatsächlich eine<br />

Uhr aus <strong>der</strong> Westentasche zog,<br />

einen Blick darauf warf und<br />

Ob Lewis Caroll wusste, daß die<br />

ägyptische Hieroglyphe "Hase",<br />

"wn", "öffnen" bedeutet? Und in<br />

dieser Bedeutung über Jahrtausende<br />

richtig überliefert war? Mit keinem<br />

an<strong>der</strong>en Tier, keiner an<strong>der</strong>en<br />

Metapher, hätte er den langen<br />

Traum von Alice sinnvoller "eröffnen"<br />

können.<br />

"Wie sie etwas Offenes<br />

kennzeichnen<br />

Wenn sie zeigen wollen<br />

Wie eine Sache offen steht<br />

o<strong>der</strong> eine weite Öffnung<br />

Malen sie den Hasen <strong>der</strong><br />

gewöhnlich<br />

Seiner Natur gemäß die Augen<br />

offen hält."<br />

Horapollo I, 26; n. 27


<strong>Die</strong> mo<strong>der</strong>ne Ägyptologie hat<br />

ermittelt, daß "wn" auch noch<br />

an<strong>der</strong>e Bedeutungen hat, etwa<br />

"rennen" und "existieren". Der<br />

Mythos des Sonnengottes Ra führt<br />

weiter: dieser konnte am Morgen,<br />

in seinem Aspekt <strong>der</strong> Dämmerung,<br />

<strong>der</strong> Eröffnung, des Neuanfanges, die<br />

Gestalt des Hasen annehmen.<br />

Man könnte so kühn sein, zu<br />

behaupten, <strong>der</strong> "Osterhase" wäre<br />

eine Erinnerung an die Ideogramme<br />

<strong>der</strong> Ägypter: das Jahr beginnt, es<br />

wird im Symbol eines Hasen<br />

"eröffnet". <strong>Die</strong> Tagundnachtgleiche<br />

im März hat bis heute den Aspekt<br />

<strong>der</strong> Eröffnung des Jahres. Das<br />

Osterfest findet jeweils eine Woche<br />

nach dem ersten Vollmond im<br />

Frühling statt, wenn die Sonne im<br />

Wid<strong>der</strong> steht.<br />

Bezeichnen<strong>der</strong>weise werden die<br />

ersten Hinweise auf das Symbol des<br />

Osterhasen um etwa 1630 gegeben -<br />

im Ausgang jener Zeit <strong>der</strong><br />

Renaissance, in <strong>der</strong> die Schrift des<br />

Horapollo große Beachtung fand.<br />

Der Physiologus findet im Hasen<br />

Eigenarten des Gläubigen; dabei ist<br />

zu erwähnen, daß heutigentags in<br />

<strong>der</strong> angesprochenen Stelle mit<br />

Klippdachs (Ps 104, 18) übersetzt<br />

wird.<br />

Leben <strong>der</strong> Menschen in Besitz<br />

zu nehmen. Wenn er sieht, daß<br />

<strong>der</strong> Mensch bergab läuft und<br />

die irdischen und alltäglichen<br />

Dinge dieses Lebens im<br />

Herzen hat, dann kommt er<br />

ihm eifriger nach... Wenn er<br />

aber sieht, daß er im Willen<br />

Gottes läuft und den<br />

wahrhaften Felsen, unseren<br />

Herrn Jesus Christus, sucht<br />

und auf die Gipfel <strong>der</strong> Tugend<br />

steigt, wendet sich <strong>der</strong><br />

Hund..."<br />

Physiologus, 56.<br />

Nach indianischer Vorstellung ist<br />

<strong>der</strong> Schöpfer <strong>der</strong> Welt ein Hase;<br />

Manebozho, <strong>der</strong> "Große Hase" o<strong>der</strong><br />

das "Große Licht": er stürzte vom<br />

Mond zur Erde und wurde Ahnherr<br />

<strong>der</strong> Indianer.<br />

Bil<strong>der</strong><br />

links<br />

Glyphe Säugetiere<br />

"Vom Hasen<br />

Von ihnen hat David gesagt:<br />

`Ein Fels ist die Zuflucht dem<br />

Hasen.´ Der Physiologus sagt<br />

vom Hasen, daß er, wenn er<br />

gejagt wird, in die Felsen flieht<br />

und den Berg hinauf und sich<br />

so rettet. Wenn er aber den<br />

Berg hinabläuft, kann er nicht<br />

rennen, deswegen, weil seine<br />

Vor<strong>der</strong>läufe nur wie Stummel<br />

sind. Dann fasst ihn schnell<br />

<strong>der</strong> Hund, und deswegen<br />

sucht er den Weg bergauf.<br />

Der heilige Basilius hat<br />

gesagt: Suche auch du,<br />

Mensch, den Felsen, wenn du<br />

verfolgt wirst vom bösen<br />

Hunde, dem Dämon, <strong>der</strong> Tag<br />

und Nacht versucht, das<br />

Hieroglyphe "Hase", "öffnen" -<br />

"wn", Betro 101.<br />

rechts<br />

"Der Hase", das Bild Albrecht<br />

Dürers<br />

Joseph Beuys, Der Freiheitshase,<br />

Staatsgalerie Stuttgart - ein<br />

"Friedenshase", hergestellt aus<br />

einer umgeschmolzenen Krone<br />

Iwans des Schrecklichen.


Der Hase aus dem Struwelpeter,<br />

eine bezeichnende Umkehrung des<br />

Hasenwesens in einer<br />

militaristischen Epoche.<br />


Schlangeneier , und sie legte<br />

sie mit großer Freude und<br />

Sorgfalt ins Nest, um sie<br />

auszubrüten. Sie malte sich<br />

aus, welche Freude sie an<br />

ihren Küken haben würde; sie<br />

stellte sich vor, wie sie ihnen<br />

Futter aufscharren würde, wie<br />

sie auf ihr Rufen herbei eilen<br />

würden; sie wollte ihnen das<br />

Picken lehren - schon sah sie<br />

sie groß, stark, schön und<br />

gehorsam vor sich.<br />

Da kam eine Schwalbe vorbei,<br />

bemerkte ihre Träumerei und<br />

mahnte: `Du Törin, du willst<br />

eine Brut erziehen, welche dir<br />

die Mühe mit dem Tod lohnt!´<br />

- Erziehst du einen Raben, wird<br />

er dir zum Dank aufs Auge<br />

hacken. -"<br />

Aisopos (~ 600 v. Chr.)<br />

<strong>Die</strong> Henne, <strong>der</strong><br />

Hahn<br />

Hähne folgten <strong>der</strong> griechischen<br />

Vegetationsgöttin Persephone, wenn<br />

sie nach ihrem winterlichen<br />

Aufenthalt in <strong>der</strong> Unterwelt zu ihrer<br />

Mutter Demeter zurückkehrte. Der<br />

Hahn, das wehrhafte und beherzte<br />

Tier, galt dem Römer Oppianus als<br />

<strong>der</strong> "streitbarste Vogel". Dem<br />

antiken Reisenden galt <strong>der</strong><br />

Hahnenschrei am Morgen als<br />

glückverheißend und ermutigend.<br />

Der gellende Ruf sollte gar den<br />

König <strong>der</strong> Tiere, den Löwen,<br />

vertreiben können.<br />

"<strong>Die</strong> Henne und die Schwalbe<br />

Eine Henne fand<br />

Aelian erörtert ausführlich, warum<br />

sich ein Hahn immer bücke, wenn er<br />

durch eine Türe trete: dieser Vogel<br />

halte sich wegen seines blutvoll<br />

roten und prahlerischen Kammes für<br />

immens groß, und so komme er zu<br />

<strong>der</strong> Geste, sich unter vermeintlichen<br />

Hin<strong>der</strong>nissen zu ducken.


Ganz an<strong>der</strong>s <strong>der</strong> weibliche Aspekt<br />

des Geflügels. Sprichwörtlich ist,<br />

dass jemand zur "Glucke" werden<br />

kann. <strong>Die</strong> Stimme <strong>der</strong> Henne wird<br />

tief und sorgend-zärtlich, wenn sie<br />

brütet. Heimlich sitzt sie auf ihren<br />

Eiern, duldet keine Störung,<br />

verteidigt die geschlüpften Küken<br />

(Mt 23, 37). <strong>Die</strong> Eier, die sie legt,<br />

sind metaphorische Bil<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Fruchtbarkeit.<br />

Hahn und Henne sind im<br />

"Physiologus" und bei "Horapollo"<br />

nicht erwähnt. Ist das vielleicht ein<br />

Hinweis auf jene Hypothese, sie<br />

wären erst ab 500 v. Chr. allmählich<br />

im Mittelmeerraum verbreitet<br />

worden? Ursprüngliche Heimat des<br />

Geflügels war Indien - die Perser<br />

sollen es zuerst nach Griechenland<br />

gebracht haben.<br />

Noch um die Zeitenwende bestimmte<br />

man die Tageszeit nach dem<br />

Hahnenschrei (Matth 26, 34). Und<br />

das Mittelalter glaubte, Gott habe in<br />

diesem Tier den armen Landleute<br />

eine Art Uhr geschenkt.<br />

Frankreichs, wohl aus keltischen<br />

Wurzeln: das Attribut des<br />

vormaligen Nationalgottes Sucellos<br />

war <strong>der</strong> Hahn. Unklar ist, ob und<br />

welcher Zusammenhang zwischen<br />

dem lateinischen "gallus", "Hahn",<br />

und dem römischen Begriff<br />

"Gallien" besteht.<br />

"Wer verlieh dem Ibis<br />

Weisheit,/<br />

o<strong>der</strong> wer gab Einsicht dem<br />

Hahn?"<br />

Ijob 38, 36<br />

Über die Herkunft des Krähens gab<br />

es zu dieser Zeit interessante<br />

Vorstellungen: man glaubte, dieses<br />

hänge mit den nächtlichen<br />

Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Luft zusammen,<br />

dafür sei <strong>der</strong> Vogel viel<br />

empfindlicher als <strong>der</strong> Mensch.<br />

Solche "Metamorphose" des luftigen<br />

Elementes werde am deutlichsten,<br />

wenn die Sonne um Mitternacht<br />

direkt "unter dem Erdboden" wäre.<br />

Da setze das Rufen ein, und werde<br />

stärker und immer häufiger.<br />

Es wun<strong>der</strong>t nicht, dass <strong>der</strong> Hahn so<br />

zum Begleiter Phöbus Apollons auf<br />

dem Sonnenwagen wurde. Er war<br />

sein Attribut.<br />

Der Barockzeit war <strong>der</strong> Hahn ein<br />

Sinnbild <strong>der</strong> "Andacht, Dankbarkeit,<br />

Kühnheit, Freundlichkeit,<br />

Wirtlichkeit, Wachsamkeit,<br />

Tapferkeit". In <strong>der</strong> Heraldik steht<br />

<strong>der</strong> Hahn für soldatischen Mut,<br />

kriegerischen Ruhm, auch für<br />

religiösen Eifer. <strong>Die</strong> militärische<br />

Seite des Bildes würdigte die Antike<br />

als Symboltier des Mars.<br />

Der Hahn ist auch Personifikation<br />

Bil<strong>der</strong><br />

links<br />

Glyphe Vögel<br />

romanische Plastik - Hahn - bspw.<br />

Schmidt/Schmidt<br />

rechts<br />

Uhr mit Hahn, Württ.<br />

Landesmuseum Stuttgart<br />

HS, S. 851, Henne, Isselburg, 1640.<br />

"Nährt und schützt."


Hahn, Gemälde von Otto Dix<br />

Der Hühnerhof, ein Genrebild und<br />

Abbild <strong>der</strong> trauten Familie<br />

gegen seinen Wohltäter<br />

Signifizieren wollen malen sie<br />

die Taube<br />

Wenn das Männchen Stärke<br />

erlangt<br />

Vertreibt es seinen Vater und<br />

kommt über seine Mutter<br />

<strong>Die</strong>ses Tier ist gesund sauber<br />

und fleckenlos rein<br />

Wenn die Pest irgendwo<br />

auftritt<br />

Werden alle krank nur die<br />

Taube und <strong>der</strong> sie nutzt als<br />

Fleisch und Nahrung<br />

Wird von dem Übel nicht<br />

erreicht<br />

Deswegen gab man dem König<br />

oft nichts an<strong>der</strong>es zum Essen<br />

Als Tauben über lange Zeit zu<br />

seiner Mahlzeit<br />

Genauso den <strong>Die</strong>nern <strong>der</strong><br />

Götter<br />

Man sagt außerdem dieses<br />

Tier habe keine Galle."<br />

Horapollo I, 57; n. 56<br />

<strong>Die</strong> Taube<br />

Der Taube wird nach biblischem<br />

Wort die Eigenschaft zugeschrieben,<br />

"ohne Falsch" zu sein (Matth 10,<br />

16). Der "Physiologus" erläutert,<br />

selbst wenn ihr Herr die Jungen aus<br />

dem Nest genommen habe, so denke<br />

sie nicht böse; sie bemühe sich ein<br />

neues Nest zu bauen, und neue<br />

Junge zu hecken. Und er rät dem<br />

wahren Christen, dem, <strong>der</strong> ihm<br />

etwas raube, um "<strong>der</strong> Liebe Christi<br />

willen auch den Rest zu lassen"<br />

(35).<br />

"Wie sie einen Undankbaren<br />

gegenüber Wohltätern<br />

zeichnen<br />

Wenn sie den Undankbaren<br />

Noch viel weiter geht "Horapollo".<br />

Das Buch entwirft eine ungeahnte<br />

Bedeutungstiefe: die Taube sei ein<br />

"reines" Tier, sie bleibe gesund, und<br />

könne sogar den, <strong>der</strong> sie verzehre<br />

unter schlimmsten Bedingungen<br />

gesund erhalten. Sie steigt auf zur<br />

vorzüglichen Nahrung <strong>der</strong> Könige.<br />

Das zugesprochene Wesen kann


verständlich machen, wieso die<br />

Taube in <strong>der</strong> christlichen Religion<br />

einen Aspekt <strong>der</strong> Gottheit<br />

„signifizieren“ konnte: den Geist<br />

Gottes, den „heiligen Geist“.<br />

"Wie sie einen Menschen<br />

kennzeichnen <strong>der</strong> von Natur<br />

aus selbst keinen Zorn hat<br />

aber von an<strong>der</strong>en bewegt wird<br />

Wenn sie einen Menschen<br />

ohne Zorn<br />

Aber von an<strong>der</strong>en dazu<br />

getrieben<br />

Zeigen wollen zeichnen und<br />

bilden sie<br />

Eine Taube schön ausgeführt<br />

in vollem Umriss<br />

Den Schwanz hat sie hoch<br />

nach oben gestreckt<br />

Denn sie hat in hinteren<br />

Partien<br />

Galle und Zorn wie viele zu<br />

sehen meinen<br />

So zeigen sie menschliche Wut<br />

die von außen kommt."<br />

anzudeuten - die Möglichkeit, sich<br />

zu wehren, selbst wenn man<br />

wesenhaft "Taube" ist.<br />

<strong>Die</strong> Taube galt als Tier <strong>der</strong><br />

Liebesgöttin Venus. Tauben ziehen<br />

den Wagen des Cupido, des Sohnes<br />

<strong>der</strong> Venus.<br />

<strong>Die</strong> Taube besaß nach antiker<br />

Ansicht das Wissen, sich und ihre<br />

Jungen mit Lorbeerblättern zu<br />

heilen. "Horapollo" übersetzt dabei<br />

das Symbol des Lorbeerblattes,<br />

deutet es als Attribut <strong>der</strong><br />

Weissagekunst, und spricht davon,<br />

die Taube könne sich auch durch ein<br />

Orakel heilen (Horapollo II, 46).<br />

Der Physiologus bringt eine völlig<br />

eigenständige Erzählung über die<br />

"rote Taube": sie allein wäre im<br />

Stande, alle Tauben in den Schlag<br />

zurückzuführen. Und sie sei ein<br />

Sinnbild Christi: er leite alle<br />

an<strong>der</strong>sfarbigen Tauben -<br />

"starenfarbige, schwarze,<br />

goldfarbige, völlig weiße,<br />

feuerfarbene Zuchttauben". <strong>Die</strong>se<br />

Tauben aber sind - die Propheten.<br />

Horapollo II, 48; n. 113<br />

Jemand, <strong>der</strong> keine Galle hatte,<br />

konnte nach den alten medizinischen<br />

Vorstellungen nicht zornig werden.<br />

Er wurde nicht "cholerisch": das<br />

Wort kommt vom griechischen<br />

"cholä", "Galle". Ohne Galle kann<br />

jemand kein "Choleriker" werden:<br />

das sind Reste <strong>der</strong> Säftelehre <strong>der</strong><br />

Antike („Humoralpathologie“) in<br />

unserer Umgangssprache. <strong>Die</strong><br />

Taube war demnach ein absolut<br />

friedliches Wesen: selbst die<br />

politische <strong>Sprache</strong> unterscheidet in<br />

diesem Sinn heute "Tauben" und<br />

"Falken".<br />

Michel Nostradamus wendet diese<br />

Metapher noch einmal: er erläutert<br />

eine Eigenschaft einer Person, die<br />

vollkommen friedlich ist, und doch<br />

„wütende“ Auswirkungen zeitigen<br />

kann: wenn<br />

Umgebungsbedingungen Reize<br />

senden – die dann „von Außen<br />

kommen“, damit außerhalb <strong>der</strong><br />

Verantwortung dieses Charakters<br />

liegen. <strong>Die</strong>ses scheint ihm <strong>der</strong><br />

gefächerte Schwanz <strong>der</strong> Taube zu<br />

Bil<strong>der</strong><br />

links<br />

Glyphe Vögel<br />

HS, S. 861, Ringeltaube, Alciatus<br />

1531. "Kin<strong>der</strong>liebe". <strong>Die</strong><br />

Ringeltaube polstert ihr Nest mit<br />

den eigenen Fe<strong>der</strong>n.-<br />

Rechts<br />

Foto, Mosaik <strong>der</strong> Apsis von San<br />

Clemente in Rom, Kreuz mit Tauben,<br />

Schwalben, Hirschen, Ibissen,<br />

Gänsen, Pfauen, Schlangen, Blüten.<br />

Z. B. Champeaux/Sterckx, S. 74.


Farbig.<br />

Rene Magritte, Taube fliegt in<br />

Wolken auf.<br />

P. Picasso, <strong>Die</strong> Friedentaube.<br />

„Kevin alleine in New York“ – und<br />

die Symbolik <strong>der</strong> Taube und <strong>der</strong><br />

Taubenfrau im Central-Park.<br />

etwas Erhabenes, o<strong>der</strong><br />

Niedriges, Überlegenheit, Sieg,<br />

Mars o<strong>der</strong> Venus, zeichnen sie<br />

ein Falken. Einen Gott, weil er<br />

fruchtbar und langlebig ist.<br />

Auch, weil er eine Analogie <strong>der</strong><br />

Sonne ist, und besser als alle<br />

an<strong>der</strong>en Vögel sieht, wegen<br />

<strong>der</strong> Strahlen seiner Augen...<br />

Erhabenes, weil die an<strong>der</strong>en<br />

Vögel nur in einer Kurve<br />

aufwärts fliegen können, sie<br />

kommen nicht in gera<strong>der</strong> Linie<br />

aufwärts. Nur <strong>der</strong> Falke fliegt<br />

geradewegs nach oben.<br />

Niedrigkeit, weil die an<strong>der</strong>en<br />

Vögel nicht direkt abwärts<br />

fliegen, son<strong>der</strong>n immer in einer<br />

Kurve. Der Falke aber ist<br />

kerzengerade abwärts<br />

geboren. Überlegenheit, weil er<br />

allen an<strong>der</strong>en Vögeln über ist.<br />

Blut, weil man sagt, dieser<br />

Vogel trinke kein Wasser,<br />

son<strong>der</strong>n Blut. Schließlich Sieg,<br />

weil dieser Vogel alle zu<br />

besiegen scheint."<br />

Horapollo I, 6<br />

Der Falke<br />

Auch Plutarch überliefert in "Isis<br />

und Osiris" <strong>der</strong> Falke sei ein<br />

Symbol Gottes. Zu seiner Zeit diente<br />

das Bild des Falken schon mehrere<br />

Jahrtausende als Zeichen für<br />

"Gottheit".<br />

"Was ein Falke bedeutet<br />

Wenn sie Gott symbolisieren,<br />

Bei den Ägyptern war <strong>der</strong> Falke <strong>der</strong><br />

Vogel des Horus, des Sohnes des<br />

Osiris; dieser Gott beschützte mit<br />

seinen Fittichen die Erde. (Horus<br />

wie<strong>der</strong>um soll <strong>der</strong> sagenhafte<br />

Verfasser <strong>der</strong> hier oft zitierten<br />

"Hieroglyphen" sein; in<br />

hellenistischer Zeit erhielt er auch<br />

den Beinamen Apollo, weil seine<br />

Bedeutungen denen des<br />

griechischen Gott entsprachen -<br />

"Horapollo".)


Im ägyptischen Reich war das<br />

Horusauge eines <strong>der</strong> bedeutsamsten<br />

und wirkmächtigsten Symbole. Nach<br />

dem Mythos riss <strong>der</strong> rivalisierende<br />

Gott Seth Horus das rechte Auge<br />

aus; aber <strong>der</strong> Mondgott Toth,<br />

Schutzgott <strong>der</strong> Wissenschaften und<br />

<strong>der</strong> Schreibkunst, setzte es akribisch<br />

wie<strong>der</strong> zusammen, und heilte es.<br />

In <strong>der</strong> magischen Anwendung dieses<br />

Mythos brachte man überall, wo ein<br />

Zustand <strong>der</strong> Schwäche und <strong>der</strong><br />

Störung <strong>der</strong> natürlichen Ordnung<br />

eingetreten war, dieses Symbol an.<br />

Es diente vor allem zu Amuletten: es<br />

sollte als Symbol des Glückes in<br />

magischer Weise schützen,<br />

universelle Harmonie herbeirufen,<br />

den ewigen Kreislauf des Werdens<br />

unterstützen. So bedeutete es auch<br />

das zyklische Zu- und Abnehmen des<br />

Mondes, ja die Wachstumskräfte und<br />

den Mond selbst.<br />

Auf die Pharaonen bezogen<br />

bedeutete das die uneingeschränkte<br />

Dauer und die ewige Erneuerung<br />

ihres Königtums. <strong>Die</strong> Himmelfahrt<br />

eines Pharao wurde oft als Flug<br />

eines Falken dargestellt; damit<br />

ergaben sich metaphorische<br />

Weiterungen zwischen dem Bild des<br />

Raubvogels und dem Ba-Vogel,<br />

einem Vogel, <strong>der</strong> die Seele des<br />

Menschen darstellen sollte.<br />

Daran knüpft wie<strong>der</strong>um Horapollo,<br />

und überliefert richtig die<br />

entsprechenden Worte <strong>der</strong><br />

altägyptischen <strong>Sprache</strong>. Da die<br />

Aussprache bis heute nicht bekannt<br />

ist - das Ägyptische war wie das<br />

Jüdische eine reine<br />

Konsonantenschrift, und die Reste<br />

im Koptischen haben sich im Laufe<br />

<strong>der</strong> Jahrtausende stark gewandelt -<br />

könnte an dieser Stelle sogar ein<br />

Hinweis auf die alte, zumindest<br />

frühere, lautliche Formung <strong>der</strong><br />

Wörter gegeben sein.<br />

"<strong>Die</strong> Seele<br />

den Ägyptern baieth. Teilt man<br />

dieses Wort, bedeutet es<br />

`Seele´ und `Herz´, den bai<br />

heißt Seele und eth heißt Herz.<br />

Nach den Ägyptern enthält das<br />

Herz die Seele. Das<br />

kombinierte Wort bedeutet<br />

also so viel wie `Seele-im-Herz<br />

´. Darum trinkt <strong>der</strong> Falke, weil<br />

er den selben Charakter wie<br />

die Seele hat, niemals Wasser,<br />

son<strong>der</strong>n Blut, das wie<strong>der</strong>um<br />

die Seele nährt."<br />

Horapollo I, 7.<br />

<strong>Die</strong> Vorstellung "Ba" hat wenig mit<br />

dem christlichen Seelenbegriff zu<br />

tun. Gemeint sind physische und<br />

psychische Lebenskräfte, recht<br />

ähnlich dem Seelenbegriff <strong>der</strong><br />

mo<strong>der</strong>nen Naturwissenschaft.<br />

Der "Physiologus" erwähnt<br />

bezeichnen<strong>der</strong>weise den Falken<br />

nicht. Auch in <strong>der</strong> Bibel sind<br />

Metaphern dieses Vogels vermieden:<br />

wohl wegen seiner überstarken<br />

Bezüge ins Niltal, und seiner engen<br />

Verbindung zur Ideologie des<br />

Pharao. Damit gibt es keinen<br />

Übergang dieses Symboles in die<br />

westliche Bil<strong>der</strong>welt.<br />

Bil<strong>der</strong><br />

links<br />

Glyphe Vögel<br />

Pharao, mit Falkenhaube,<br />

ägyptische Plastik.<br />

Warum <strong>der</strong> Falke ein Symbol<br />

<strong>der</strong> Seele ist, geht aus <strong>der</strong><br />

Deutung seines Namens<br />

hervor. Denn Falke heißt bei<br />

rechts<br />

Hieroglyphe liegen<strong>der</strong> o<strong>der</strong>


mumifizierter Falke, "hmw",<br />

Bedeutung: "göttliches Bild, Idol" -<br />

Betro, 90<br />

Hieroglyphe "Falke", "bik", Betro<br />

72.<br />

Hieroglyphe "Horus", "hrw", Betro<br />

72. Horus bedeutet vermutlich "<strong>der</strong><br />

Ferne".<br />

Das Horusauge, "wdzt", "das heile<br />

Auge", Betro, 55.<br />

Hieroglyphe "Herz", Betro, 122.<br />

Das Herz als Zentrum des Lebens<br />

von leib, Seele und Geist: "Das Herz<br />

spricht in den Blutgefäßen aller<br />

Glie<strong>der</strong>", Papyrus Ebers, 16. Jhdt. v.<br />

Chr.:<br />

"das Herz holt sich von den<br />

Sinnen jedes Urteil, und die<br />

Zunge spricht aus, was das<br />

Herz gedacht hat."<br />

Herzreliquiar<br />

"Es ist die Schwalbe ein<br />

braves Vögelchen und sehr<br />

schnell. Sie verbringt die eine<br />

Hälfte des Jahres in <strong>der</strong> Wüste<br />

und die an<strong>der</strong>e Hälfte in <strong>der</strong><br />

Ebene nahe den Menschen,<br />

und sie zeugt Kin<strong>der</strong> in <strong>der</strong><br />

Wüste und in <strong>der</strong> Ebene und<br />

macht ihr Nest in den Häusern<br />

<strong>der</strong> Menschen. Und wenn sie<br />

Junge hat, fliegen beide Eltern<br />

und holen Nahrung und füttern<br />

sie. Oft wird eines <strong>der</strong> Jungen<br />

blind, dann fliegt das<br />

Weibchen sofort in die Wüste<br />

und holt ein Kraut und legt es<br />

auf die Augen des kranken<br />

Kindes. Das wird sofort geheilt<br />

und kann wie<strong>der</strong> sehen."<br />

Votivgabe Herz<br />

Physiologus, 33.<br />

Künstliches Herz;<br />

Herztransplantation<br />

Biblische Zitate zum Herzen und<br />

zum Blut<br />

<strong>Die</strong> Schwalbe<br />

Das ägyptische Totenbuch wünscht<br />

dem Toten, in eine Schwalbe<br />

verwandelt zu werden, damit er<br />

"schreite als Sieger im vollen Licht<br />

des Tages". Nach Plutarch<br />

umflatterte Isis als Schwalbe den<br />

Sarg des Osiris. Von daher kommt<br />

vielleicht die Meinung <strong>der</strong> Antike,<br />

<strong>der</strong> Gesang <strong>der</strong> Schwalbe sei<br />

traurig und betrübt.


Pythagoras sprach dagegen, die<br />

Schwalbe im Haus zu dulden. Doch<br />

bereits zu seiner Zeit war man sich<br />

nicht einig, ob er es hygienisch o<strong>der</strong><br />

symbolisch meinte. Denn damals<br />

wurde dieses Tier ein Symbol des<br />

Undankes, weil es das Haus<br />

beschmutzte.<br />

<strong>Die</strong> Schwalbe galt den Römern als<br />

Vogel <strong>der</strong> Venus, wie "alle Tiere, die<br />

ihre Jungen sehr lieben, und alle<br />

üppigen, mutwilligen und<br />

verliebten".<br />

Wie viele an<strong>der</strong>e Tiere verstand sich<br />

die Schwalbe auch auf die<br />

Heilkunst, wie <strong>der</strong> "Physiologus"<br />

berichtet. Es ist aber nicht sicher, ob<br />

das Schellkraut, auf das <strong>der</strong> Vogel<br />

aufmerksam gemacht haben soll,<br />

und das dann in die Augenheilkunde<br />

<strong>der</strong> Menschen Eingang fand, auch<br />

in <strong>der</strong> Antike dafür verwendet<br />

wurde.<br />

Über die Pflanze gibt es auch noch<br />

die Meinung, es wäre <strong>der</strong> Sellerie<br />

o<strong>der</strong> Eppich gewesen, eine schon<br />

Dioskurides bekannte Heilpflanze.<br />

Sie war von großer Bedeutung im<br />

Totenkult <strong>der</strong> Griechen, denn sie<br />

streuten seine Blätter üppig in die<br />

ausgehobenen Gräber.<br />

Der frühchristliche "Physiologus"<br />

deutet das von <strong>der</strong> Schwalbe geholte<br />

Kraut als "Reue"; es wird <strong>der</strong><br />

Krankheit „Gottlosigkeit“<br />

aufgelegt. Und noch zwei weitere<br />

Bedeutung schreibt <strong>der</strong><br />

"Physiologus" <strong>der</strong> Schwalbe zu.<br />

Erstens: sie erscheine im Frühjahr,<br />

und rufe täglich die Schläfer zur<br />

Arbeit - diese Mahnung zur rechten<br />

Zeit wird belegt mit dem Bibelwort:<br />

"Wache auf, <strong>der</strong> du schläfst, und<br />

stehe auf von den Toten, so wird<br />

dich Christus erleuchten" (Eph 5,<br />

14). Und zweitens: die Schwalbe<br />

zeuge nur einmal - "ein Gott, ein<br />

Glaube, eine Taufe, ein Vater aller"<br />

(Eph 4, 5).<br />

Lange hielt sich eine Vorstellung<br />

über die gemeinschaftliche Hilfe <strong>der</strong><br />

Schwalben beim Flüggewerden <strong>der</strong><br />

Jungen. Wenn es soweit sei,<br />

informierten die Eltern alle ihre<br />

Verwandten. <strong>Die</strong>se kämen, setzten<br />

sich um das Nest, und ermutigten<br />

die Jungen, ihren ersten Ausflug zu<br />

wagen. Sie mahnten, sicherten Hilfe<br />

zu, appellierten an den großen, so<br />

wichtigen Entschluss - und halfen so<br />

<strong>der</strong> Brut in vereinten Kräften, den<br />

Sprung in ihr eigentliches Element<br />

zu tun.<br />

"Was bedeuten Schwalben?<br />

Wenn sie anzeigen wollen, daß<br />

Eltern ihren ungeteilten<br />

Wohlstand ihren Kin<strong>der</strong>n<br />

hinterlassen, zeichnen sie eine<br />

Schwalbe. Denn, selbst noch<br />

kurz vor ihrem Tod wälzt sich<br />

die Schwalbe im Dreck, um ein<br />

Nest für ihre Jungen zu<br />

bauen."<br />

Horapollo, II, 31.<br />

Schwalben verwenden zum Nestbau<br />

Kot und Schmutz, den sie von den<br />

Straßen und dem Rand <strong>der</strong> Pfützen<br />

herbeitragen. <strong>Die</strong>ser unedle<br />

Gegenstand trifft auch die<br />

metaphorische Ebene, die nach <strong>der</strong><br />

alten Bildsprache Besitz und<br />

Reichtum versinnbildlichen soll.<br />

In <strong>der</strong> Barockzeit gab man <strong>der</strong><br />

Schwalbe schwankende Bedeutung:<br />

Gewissenhaftigkeit auf <strong>der</strong> einen<br />

Seite, Mittelmäßigkeit auf <strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>en. <strong>Die</strong> erste Eigenschaft<br />

wurde ihr zugeschrieben, weil sie<br />

ihr Nest so sauber hielt, und die<br />

zweite, weil sie so kurze, kaum<br />

sichtbare Füße hatte.<br />

Bil<strong>der</strong><br />

links<br />

Glyphe Vögel<br />

Hieroglyphe "Schwalbe", ein<br />

Lautzeichen, "wr" - Betro, 120


echts<br />

Foto Schwalbe<br />

Abbildung Sellerie, Eppich<br />

In <strong>der</strong> folgenden Stelle aus Tobit 2,<br />

9 - 10 wurde früher statt Sperling<br />

auch Schwalbe übersetzt.<br />

"Als ich ihn begraben hatte,<br />

und in <strong>der</strong> Nacht nach Hause<br />

kam, legte ich mich an <strong>der</strong><br />

Hofmauer zum Schlafen<br />

nie<strong>der</strong>, weil ich unrein<br />

geworden war. Mein Gesicht<br />

ließ ich unbedeckt, ohne auf<br />

die Sperlinge zu achten, die in<br />

<strong>der</strong> Mauer nisteten. Da ließen<br />

die Sperlinge ihren warmen<br />

Kot in meine Augen fallen, und<br />

es bildeten sich weiße Flecken<br />

in meinen Augen. Ich ging zu<br />

den Ärzten, doch sie konnten<br />

mir nicht helfen."<br />

An<strong>der</strong>e Embleme zur Schwalbe, z. B.<br />

bei Alciatus u. dgl. m.<br />

<strong>der</strong>en Gipffel sie sitzen, und<br />

aller Vögel Geschrey<br />

nachmachen, um selbige zu<br />

betrügen und herbei zu<br />

locken. Sie pflegen die Vögel,<br />

so sie fangen, am Kopffe nach<br />

dem Gehirne anzufressen...<br />

<strong>Die</strong> kleinere Art... macht nicht<br />

nur das Geschrey son<strong>der</strong>n<br />

auch die Gesänge aller<br />

an<strong>der</strong>en Vögel<br />

Verwun<strong>der</strong>ungswürdig nach,<br />

daß sie alle Augenblicke die<br />

Vögel betrügen: Denn diese<br />

begehren vor denen<br />

Neuntödtern nicht zu fliehen,<br />

als welche sie vor keine so<br />

fürchterlichen Feinde<br />

ansehen, daß sie vor ihnen<br />

ausreißen sollten. Denn sie<br />

haben keine Habichts-Gestalt,<br />

eilen auch denen<br />

auffliegenden Vögeln nicht so<br />

schnell nach wie ein Habicht,<br />

son<strong>der</strong>n nur wie Vögel, die<br />

schertzen und die an<strong>der</strong>n in<br />

die Luft jagen wollen. Es<br />

geschiehet dahero öffters, daß<br />

<strong>der</strong>jenige Vogel, den <strong>der</strong><br />

Neuntödter verfolget, zumal<br />

wenn er höher als <strong>der</strong><br />

Neuntödter in <strong>der</strong> Lufft ist,<br />

selbst auf diesen herunter<br />

stösset, und ihn zu jagen<br />

vermeynet, da denn dieser<br />

auch ein wenig fliehet, und<br />

sich anstellet, als ob er sich<br />

fürchte, ehe man sich es aber<br />

versiehet, hat er den Vogel,<br />

<strong>der</strong> ihm leichtlich entgehen<br />

hätte können, bey dem<br />

Kragen, und fället mit ihm in<br />

die nächste Staude.“<br />

Zedler, Universallexikon, 1741.<br />

„Der Neuntödter o<strong>der</strong><br />

Dorndreher o<strong>der</strong> Dorntreter ist<br />

ein Raub-Vogel... sie fangen<br />

nicht mit denen Klauen, auch<br />

selten in <strong>der</strong> Lufft, wie die<br />

Habichte, son<strong>der</strong>n mit dem<br />

Schnabel mitten in denen<br />

Bäumen und Stauden, auf<br />

Der Würger<br />

Der Würger (lanius) lebt in vier<br />

Arten in Europa. Am bekanntesten<br />

ist <strong>der</strong> Neuntöter o<strong>der</strong> rotrückige<br />

Würger. - Bereits <strong>der</strong> Name


„Neuntöter“ verweist auf alte<br />

Naturkunde: man war <strong>der</strong> Ansicht,<br />

dieser Vogel fange erst zu fressen<br />

an, es sei denn, er habe „neunerlei“<br />

Beute gemacht. -<br />

Vormals wurde <strong>der</strong> Würger zu den<br />

Raubvögeln gerechnet, heute wird er<br />

als Unterart <strong>der</strong> Singvögel gezählt.<br />

Er ist ein Zugvogel, überwintert in<br />

Nordafrika, bevorzugt in Libyen.<br />

Trotzdem erinnert sein Verhalten in<br />

vielen Teilen an einen Greifvogel,<br />

beispielsweise durch Nahrung<br />

(größere Insekten, kleine<br />

Wirbeltiere, Eidechsen, Jungvögel,<br />

junge Mäuse), durch Ansitz- und<br />

Pirschjagdjagd, durch Rüttelflug<br />

wie <strong>der</strong> Falke. Es fällt in diesem<br />

Zusammenhang auch auf, dass <strong>der</strong><br />

Vogel den Kopf zum Schlafen nie<br />

unter sein Gefie<strong>der</strong> steckt.<br />

Der Würger tötet seine Beute nicht<br />

mit den Fängen, wie die an<strong>der</strong>en<br />

Raubvögel, son<strong>der</strong>n mit dem<br />

Schnabel. <strong>Die</strong>sen weiß er sehr<br />

geschickt zu gebrauchen, z. B.<br />

indem er bei stachelbewehrten<br />

Insekten den Giftstachel entfernt,<br />

o<strong>der</strong> indem er beim Fressen oft<br />

zuerst mit dem Gehirn beginnt.<br />

Selbst in <strong>der</strong> neueren Literatur wird<br />

sein Verhalten als „listig“<br />

beschrieben, wenn er sich seinen<br />

Opfern scheinbar desinteressiert<br />

nähert.<br />

Der Würger bevorzugt buschreiche<br />

Landschaft, er meidet den Wald.<br />

Gerne sucht er Dornensträucher<br />

auf: dort spießt er seine erbeutete<br />

Nahrung an Stacheln und Dornen<br />

auf, o<strong>der</strong> klemmt sie in Astgabeln.<br />

<strong>Die</strong> Opfer hat er zuvor oft in<br />

kleinere Teile zerlegt.<br />

So bringt ihn die später zu<br />

zitierende symbolische Mitteilung<br />

zwar zu den Raubvögeln, aber nicht<br />

zu jenen, die beherrschenden<br />

Charakter o<strong>der</strong> hohe metaphorische<br />

Bedeutung gewinnen: <strong>der</strong> Würger<br />

bleibt unter diesem Rang, und<br />

dementsprechend gestalten sich die<br />

Auswirkungen seiner (zeitweisen)<br />

„Herrschaft in <strong>der</strong> Natur“,<br />

natürlich in metaphorischem Sinne.<br />

Damit sind die möglichen<br />

symbolischen Dimensionen<br />

angesprochen: das Tier sieht aus<br />

wie ein Singvogel; jedoch ist sein<br />

Verhalten an<strong>der</strong>s, und so lebt er eine<br />

Konnotation von „Täuschung“:<br />

diese führt dazu, sein räuberisches<br />

Verhaltensrepertoire auszugestalten,<br />

in den beschriebenen<br />

Charakteristiken seines bis zum<br />

Zerteilen <strong>der</strong> Beute und ihrer<br />

stückweisen Aufbewahrung. Hinzu<br />

kommt die alte Beobachtung, er<br />

„drehe“ diese Stücke an den<br />

Dornen herum („Dorndreher“).<br />

In dem später zu besprechenden Text<br />

aus dem 16. Jahrhun<strong>der</strong>t wird <strong>der</strong><br />

Würger wohl als <strong>der</strong> kleinste<br />

Raubvogel verstanden; es wird<br />

angespielt auf eine Weise <strong>der</strong><br />

Irreführung in seinem Verhalten und<br />

auf seine letztlich doch geringe<br />

Macht. Und solche ambivalenten<br />

Bil<strong>der</strong> sind oftmals von<br />

weittragen<strong>der</strong>er Bedeutung als<br />

eineindeutige Symbole: das<br />

Verhaltensspektrum wirkt<br />

grauenvoller, weil es in solcher<br />

Ausführlichkeit und Zuspitzung<br />

nicht erwartet wird.<br />

Trotzdem er auch Insekten jagt,<br />

können in seinem Revier – er ist<br />

sehr standorttreu - „Ungeziefer und<br />

Läuse“ gedeihen, wie ein späterer<br />

Text zeigen wird. <strong>Die</strong>ses kann man<br />

sich durch die unbeachtliche Größe<br />

dieser Tiere und auch durch des<br />

Würgers Sammlung von Aas<br />

begünstigt vorstellen. Hier klingt<br />

eine Erinnerung an die<br />

„Unsauberkeit“ des Wiedehopfes<br />

an, die zu gewissen Weiterungen <strong>der</strong><br />

Meinung über ihn führte.<br />

Bil<strong>der</strong><br />

links<br />

Glyphe Vögel


echts<br />

Foto: Neuntöter<br />

Foto: Sammlung von Nahrung<br />

Allegorien und Emblemata zu<br />

diesem Tier sind bis dato nicht<br />

bekannt. Michel Nostradamus kann<br />

<strong>der</strong> erste sein, <strong>der</strong> in <strong>der</strong><br />

Renaissance diese Konnotationen<br />

herausgearbeitet hat.<br />

"Wie sie einen dummen<br />

Menschen signifizieren<br />

Zeigend einen simplen<br />

stumpfen und dummen<br />

Menschen zeichnen sie den<br />

Pelikan des Meeres<br />

Er könnte sein Nest möglichst<br />

hoch<br />

An einem verborgenen Ort<br />

sicher machen<br />

Macht aber eine Grube die<br />

allen leicht zugänglich ist<br />

Und legt seine Eier hinein <strong>der</strong><br />

Vogelfänger<br />

Richtet nun rundum trockenen<br />

Rin<strong>der</strong>mist<br />

Und zündet ihn an es raucht<br />

ein wenig<br />

Der Pelikan sieht die Flammen<br />

hochschlagen<br />

Und will mit seinen Flügeln<br />

das Feuer ersticken<br />

<strong>Die</strong> Lohe aber verbrennt seine<br />

Fe<strong>der</strong>n<br />

Und in dieser Torheit wird er<br />

gefangen."<br />

Horapollo I, 54 (53)<br />

Der Pelikan<br />

<strong>Die</strong> ägyptische Metapher vom<br />

Pelikan - mit <strong>der</strong> auch Artemidorus


übereinstimmt - scheint sehr alt.<br />

<strong>Die</strong>ses Symbol, wie später auch die<br />

bildhafte Deutung des Fisches,<br />

zeigen sich noch völlig unbeeinflusst<br />

von christlichen Auffassungen.<br />

<strong>Die</strong>ses könnte ein Hinweis sein, das<br />

Buch des "Horapollo" sei,<br />

zumindest in Teilen, doch älter als<br />

angenommen.<br />

Im Gegensatz dazu wird im<br />

westlichen Kulturkreis <strong>der</strong> Pelikan<br />

außerordentlich hochgeschätzt: die<br />

selbstlose Liebe, die man ihm<br />

zuschrieb, ließ ihn zum Symbol für<br />

Christus selbst werden. <strong>Die</strong>se<br />

Entwicklung steht aber im krassen<br />

Gegensatz zu den Auffassungen <strong>der</strong><br />

Ägypter.<br />

Der "Physiologus" (4) bringt<br />

ausführliche Parallelen des<br />

Pelikans mit Christus. Dabei nennt<br />

die neuere Übersetzung in dem<br />

folgenden Zitat (Ps 102, 7) die<br />

Dohle.<br />

"Es sagt David: `Ich bin gleich<br />

dem Pelikan in <strong>der</strong> Einöde.´<br />

<strong>Die</strong>ser Pelikan ist ein Vogel,<br />

die Schlange ist seinen<br />

Jungen sehr feind. Was macht<br />

nun <strong>der</strong> Pelikan? Er befestigt<br />

sein Nest in <strong>der</strong> Höhe und<br />

macht darum einen Zaun von<br />

allen Seiten wegen <strong>der</strong><br />

Schlange. Was tut nun die<br />

hinterlistige Schlange? Sie<br />

beobachtet nach allen Seiten,<br />

woher <strong>der</strong> Wind weht, und von<br />

da her bläst sie den Jungen ihr<br />

Gift zu, und sie sterben sofort.<br />

Da kommt <strong>der</strong> Pelikan und<br />

sieht, daß seine Kin<strong>der</strong> tot<br />

sind, und er sieht eine Wolke<br />

und fliegt in die Höhe. Mit<br />

seinen Flügeln schlägt er<br />

seine Seiten, und das Blut<br />

tropft heraus, und durch die<br />

Wolke hindurch tropft das Blut<br />

auf seine Kin<strong>der</strong>, und sie<br />

werden zum Leben erweckt."<br />

Der Physiologus erläutert weiter:<br />

Jesus sei <strong>der</strong> metaphorische<br />

Pelikan, seine Jungen die<br />

Menschen. Und die Wolke wäre <strong>der</strong><br />

heilige Geist.<br />

In einer an<strong>der</strong>en Erzählung des<br />

Physiologus schlagen die Jungen<br />

den Pelikaneltern ins Gesicht. <strong>Die</strong>se<br />

züchtigen die Kin<strong>der</strong> und töten sie.<br />

Bald aber reut sie das Geschehen:<br />

da reißt sich die Mutter die Brust<br />

auf, und das herausquellende Blut<br />

erweckt die Leichen zum Leben.<br />

Interessant ist nun, wie Michel<br />

Nostradamus (1503 - 1566) die<br />

nach dem Wie<strong>der</strong>bekanntwerden <strong>der</strong><br />

"Hieroglyphen" entstandene<br />

Unvereinbarkeit im Bild "Pelikan"<br />

auflöst. Er erweitert er den Text um<br />

eine Überschrift und neue sinnhafte<br />

Dimensionen:<br />

"<strong>Die</strong> Kontroverse <strong>der</strong> Ägypter<br />

über den Pelikan<br />

Weil er sich in so großes<br />

Unheil stürzt<br />

Wegen seiner Kin<strong>der</strong> war es<br />

Priestern<br />

Nicht erlaubt ihn zu halten<br />

o<strong>der</strong> essen<br />

Auch immer wenn es jemand<br />

erlauben wollte<br />

Aßen sie ihn nicht weil er sein<br />

Leben<br />

In den Tod gibt ohne List und<br />

ohne Berechnung<br />

Nur aus Liebe, aus<br />

Frömmigkeit<br />

Übt er in allem sein Werk <strong>der</strong><br />

Liebe."<br />

An diesem Beispiel wird deutlich,<br />

wie "Multiplikatoren" neue<br />

Metaphern bilden. <strong>Die</strong> Bedeutungen<br />

von Tieren stehen dann weniger im<br />

Zusammenhang einer<br />

"wissenschaftlichen" Betrachtung,<br />

son<strong>der</strong>n hinweisend auf<br />

Institutionen menschlicher Kultur,<br />

die man bestimmten Bil<strong>der</strong>n<br />

anheftet, und selbst kulturstiftende<br />

Identiät mitteilen können.<br />

Bil<strong>der</strong>


links<br />

Glyphe Vögel<br />

Foto Pelikan<br />

rechts<br />

Pelikan, aus Boschius,<br />

Symbolographia, 1701.<br />

"Tod ich werde dein Tod sein."<br />

Darstellung des Pelikans in <strong>der</strong><br />

barocken Kunst; Teil einer Stukkatur<br />

HS, S. 813, Pelikan, (... welche<br />

Quelle?) <strong>Die</strong> Kin<strong>der</strong>liebe des Tieres<br />

im Gegensatz zur menschlichen<br />

Kin<strong>der</strong>mör<strong>der</strong>in.<br />

Pelikanfüller - Werbung!<br />

"Im Sternenlicht schwebten<br />

die Geier, mit stumpfen Krallen<br />

und zerfetzten Flügeln, und<br />

müde ließen sie sich nie<strong>der</strong> auf<br />

dem Baum, den sie nicht<br />

besiegt hatten. Der Baum<br />

zitterte unter <strong>der</strong> schweren<br />

Last. Von <strong>der</strong> Mitternacht nur<br />

bis zum ersten Hahnenschrei<br />

saßen die Geier auf ihm und<br />

hielten, kummervoll stöhnend<br />

im Schlaf, mit ehernen Krallen<br />

seine blühenden Zweige<br />

umfaßt; denn sie träumten, <strong>der</strong><br />

Baum sei unsterblich. Aber in<br />

<strong>der</strong> Frühe flogen sie mit<br />

schweren Flügelschlägen auf,<br />

und in dem milden Licht <strong>der</strong><br />

Dämmerung erblickten sie aus<br />

<strong>der</strong> Höhe den Baum wie einen<br />

gespenstigen Spuk, schwarz<br />

und verdorrt: Er war nachts<br />

gestorben."<br />

B. Brecht, Der Geierbaum


Der Geier<br />

Der Geier war das Wappentier<br />

Oberägyptens, und wurde so auch<br />

Bestandteil pharaonischer Zeichen.<br />

In <strong>der</strong> ägyptischen Spätzeit war <strong>der</strong><br />

Geier Symbol des weiblichen<br />

Prinzips - er stand dem Skarabäus<br />

als Symbol des Männlichen<br />

gegenüber. Selbst noch im<br />

"Physiologus" weist das Bild<br />

"Geier" in den Bedeutungshorizont<br />

<strong>der</strong> Mutterschaft.<br />

"Der Physiologus hat vom<br />

Geier gesagt, daß er in den<br />

höchsten Orten und Gipfeln<br />

wohnt und schläft auf den<br />

hohen Felsen und auf den<br />

Zinnen <strong>der</strong> Berge. Wenn er nun<br />

schwanger ist, fliegt er nach<br />

Indien und holt den<br />

Gebärstein. Der Stein hat die<br />

Gestalt einer Nuß. Wenn man<br />

ihn schüttelt, springt darin ein<br />

zweiter Stein wie eine<br />

klappernde und klingende<br />

Schelle. Wenn das Weibchen<br />

Wehen hat, nimmt es den<br />

Stein, setzt sich darauf und<br />

gebiert ohne Qual.<br />

So nimm auch du, Mensch, <strong>der</strong><br />

du schwanger bist mit dem<br />

Heiligen Geist, den geistlichen<br />

Gebärstein, den die Bauleute<br />

verworfen haben, und gebäre<br />

auf ihm sitzend den Geist des<br />

Heiles."<br />

Physiologus, 19.<br />

Horapollo (I, 11) bringt zu diesem<br />

Tier die längste Darstellung<br />

überhaupt; sie war schon durch<br />

Basilius (~330 - 379 n. Chr.;<br />

Hexameron, VIII, 6) in die<br />

christliche Welt eingeführt worden.<br />

Ein Geier bedeute "Mutter, Sehen,<br />

Grenzen, Vorauswissen, das Jahr,<br />

die Himmel, Erbarmen, Athene,<br />

Hera." Alle diese Attribuierungen<br />

werden dann ausführlich durch<br />

„Naturbeobachtungen“ belegt, etwa<br />

„Vorauswissen“ durch die<br />

Beobachtung des Geierfluges an<br />

künftigen Schlachtfel<strong>der</strong>n: die Geier<br />

blickten dorthin, wo die meisten<br />

Leichen künftig zu liegen kämen.<br />

Und <strong>der</strong> Geier bedeute „Himmel“,<br />

weil diese von den Ägyptern als<br />

weiblich vorgestellt wurden, und<br />

unter ihnen beherrschte „Hera“ die<br />

unteren Sphären, „Athene“ die<br />

oberen.<br />

Geier segeln in enormen Höhen und<br />

ihren scharfen Augen entgeht nichts:<br />

und sie beobachten sehr genau die<br />

Reaktionen ihrer Artgenossen. So<br />

finden sich bei Kadavern schnell<br />

große Gruppen zusammen.<br />

Im Umgang mit Eiern hat <strong>der</strong> Geier<br />

ein riesiges Verhaltensrepertoire, bis<br />

hin zur Nutzung von Werkzeugen:<br />

kleine und mittlere Eier nimmt er in<br />

den Schnabel und lässt sie fallen,<br />

Straußeneier bewirft er mit Steinen<br />

aus dem Schnabel, in oftmaligen<br />

Versuchen. (Ähnlichen<br />

Werkzeuggebrauch gibt es auch bei<br />

an<strong>der</strong>en Vögeln, z. B. Spechten).<br />

Der Magen <strong>der</strong> Geier produziert<br />

Verdauungssäfte, die Faulgifte<br />

unschädlich machen.<br />

Romulus soll vor <strong>der</strong> Erbauung <strong>der</strong><br />

Stadt Rom 12 Geier kreisen gesehen<br />

haben, was ihn freudig ans Werk<br />

gehen ließ; Remus, <strong>der</strong> nur sechs<br />

gesehen hatte, folgte ihm etwas<br />

skeptisch, und übersprang spottend<br />

den ersten Mauerring - worauf ihn<br />

sein Zwillingsbru<strong>der</strong> tötete. Auch<br />

Herakles schaute bei allen seinen<br />

Taten zuerst nach den Geiern.<br />

Dem Barock war <strong>der</strong> Geier Sinnbild<br />

eines Schmarotzers, <strong>der</strong> im Schaden<br />

an<strong>der</strong>er seinen Vorteil findet.<br />

"Überall, wo ein Aas ist, da<br />

sammeln sich die Geier."<br />

Matthäus 24, 28


Bil<strong>der</strong><br />

links<br />

Glyphe Vögel<br />

Hieroglyphe Geier, mwt,<br />

"Gänsegeier", Betro, 103<br />

Hieroglyphe "Mutter", Sbordone, 26<br />

rechts<br />

Hieroglyphe Mut, Gänsegeier mit<br />

Geißel, Betro 80<br />

Geiergöttin Nechbet, Lurker, S. 74.<br />

"<strong>Die</strong> Nachtigall<br />

HS, S. 789, Geier; Montana, 1571.<br />

Foto Geier<br />

Karl May, Unter Geiern<br />

Foto aus dem alten Film „<strong>Die</strong><br />

Geierwalli“<br />

Das macht, es hat<br />

die Nachtigall<br />

<strong>Die</strong> ganze Nacht gesungen;<br />

Da sind von ihrem<br />

süßen Schall,<br />

Da sind in Hall und Wi<strong>der</strong>hall<br />

<strong>Die</strong> Rosen aufgesprungen.<br />

Sie war doch sonst ein<br />

wildes Kind;<br />

Nun geht sie tief in Sinnen,<br />

Trägt in <strong>der</strong> Hand<br />

den Sommerhut<br />

Und duldet still <strong>der</strong> Sonne Glut<br />

Und weiß nicht, was beginnen.<br />

Das macht, es hat<br />

die Nachtigall<br />

<strong>Die</strong> ganze Nacht gesungen;<br />

Da sind von ihrem<br />

süßen Schall,<br />

Da sind in Hall und Wi<strong>der</strong>hall<br />

<strong>Die</strong> Rosen aufgesprungen."<br />

Theodor Storm


<strong>Die</strong> Drossel<br />

Zu <strong>der</strong> Familie <strong>der</strong> Drosseln<br />

gehören die Amsel, die Singdrossel,<br />

die Nachtigall, das Rotkehlchen. Sie<br />

sind die auffallendsten Sänger in<br />

unseren Breiten.<br />

Zeus hatte Philomela, die Tochter<br />

<strong>der</strong> Unterweltsgöttin, in eine<br />

Nachtigall verwandelt. Und bei dem<br />

Heiligtum des begnadeten Sängers<br />

Orpheus, dessen Gesang die ganze<br />

Welt, die Tiere, sogar den<br />

Höllenhund verzaubert hatte,<br />

sangen die Nachtigallen beson<strong>der</strong>s<br />

schön.<br />

Alle guten Sänger unter den Vögeln<br />

gehören nach alter Meinung zu<br />

Hermes (Merkur). Offensichtlich<br />

hielt man diese Tiere für<br />

"musikalisch, mitteilungsfreudig,<br />

poetisch", und brachte das mit den<br />

Taten und Eigenschaften des<br />

Götterboten in Zusammenklang: er<br />

hatte die Leier erfunden, er war <strong>der</strong><br />

Führer <strong>der</strong> Musen, <strong>der</strong> Patron <strong>der</strong><br />

schönen Künste.<br />

"Philomele<br />

Dich hat Amor gewiß, o<br />

Sängerin, fütternd erzogen;<br />

Kindisch reichte <strong>der</strong> Gott dir<br />

mit dem Pfeile die Kost.<br />

So, durchdrungen von Gift die<br />

harmlos atmende Kehle,<br />

Trifft mit <strong>der</strong> Liebe Gewalt nun<br />

Philomele das Herz."<br />

Johann Wolfgang von Goethe<br />

So steht die Drossel für die<br />

poetische "Gewalt" <strong>der</strong> Liebe: ihr<br />

Lied scheint das gleiche "Gift" zu<br />

enthalten, mit dem Amor seine<br />

Pfeile tränkte. Puritanischeren<br />

Zeiten wurde die Drossel darum ein<br />

Symbol <strong>der</strong> Laszivität. Man meinte,<br />

wer sich so intensiv und fröhlich<br />

auslassen, wer sich so ungebunden<br />

und "zügellos" Spiel und Gesang<br />

hingeben könne, <strong>der</strong> müsse<br />

"sittenlos" sein.<br />

Aus <strong>der</strong> Zeit des Barock stammt ein<br />

Emblem <strong>der</strong> poetischen<br />

Maßlosigkeit: im Streit um Ruhm<br />

und Sieg im Wettkampf des Dichtens<br />

sängen sich manche <strong>der</strong><br />

Kontrahenten zu Tode.<br />

Sing- und Wachol<strong>der</strong>drosseln waren<br />

vormals beliebte Speisen, Theodor<br />

Fontanes Stechlin gibt Zeugnis. Der<br />

schmackhafte "Krammetsvogel", so<br />

benannt, weil das Tier sich<br />

hauptsächlich von Wachol<strong>der</strong>beeren<br />

("Krammet") nährte, galt als eine<br />

Delikatesse, die guten Häusern<br />

würdig war. Jährlich im Herbst<br />

wurden riesige Mengen gefangen,<br />

wenn sie auf ihrem Zug von Norden<br />

durch Mitteleuropa kamen.<br />

Auch mit einer beliebten<br />

Zerstreuung noch früherer Zeiten<br />

waren diese Singvögel verbunden:<br />

dem Vogelherd. <strong>Die</strong>ses waren ein<br />

großes Stück Land, im Vorfeld mit<br />

Hügeln und kahlen Ruhebäumen,<br />

von denen man in das eigentliche<br />

Areal hineinsehen konnte: dort gab<br />

es vielversprechende Fruchtbäume,<br />

meist Ebereschen, dann freie grüne<br />

Grasflächen, mit kleinen Bächlein.<br />

Auf <strong>der</strong> einen Seite umgab den Herd<br />

ein Waldrand mit Fichten, für die<br />

Finkenvögel; auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite<br />

waren Bäume, <strong>der</strong>en Samen die<br />

Vögel gerne fraßen. Auf <strong>der</strong> großen<br />

Wiese in <strong>der</strong> Mitte war Hirse<br />

ausgestreut. Dort befanden sich<br />

auch mehrere längliche Gruben, mit<br />

Netzen überspannt und mit grünen<br />

Zweiglein bestreut: wenn sich die<br />

Vögel dort nie<strong>der</strong> ließen, verfingen<br />

sie sich mit den Füßen o<strong>der</strong> Flügeln<br />

im Netz. Aus einer gut getarnten<br />

Hütte beobachtete dieses <strong>der</strong><br />

Vogelsteller ("Vogler"), kam mit<br />

kleinen Netzen, um die Vögel<br />

einzusammeln.<br />

So konnte dieses Tier auch zum<br />

Symbol <strong>der</strong>er werden, die, verführt<br />

durch Augenlust und nie<strong>der</strong>e Triebe,<br />

dem Natürlichen verfielen. Mozarts<br />

Papageno scheint ganz in diese<br />

Bedeutungen einzugehen


Bil<strong>der</strong><br />

links<br />

Glyphe Vögel<br />

Foto Singdrossel - Nachtigall<br />

rechts<br />

Nachtigall, An<strong>der</strong>sen-Märchen,<br />

Abbildung - Scherenschnitt<br />

HS, S. 871, Nachtigall, La Perriere,<br />

1553. <strong>Die</strong> Nachtigall singt sich im<br />

Wettstreit zu Tode.<br />

Mittelalterliches Tafelbild, mit<br />

Nachtigall o<strong>der</strong> Drossel?<br />

HS, 1110, Vogelsteller, mit Vögeln,<br />

Mannich, 1625.<br />

"So schnappt uns <strong>der</strong><br />

stygische Vogelfänger"<br />

Italienischer Vogelmarkt<br />

Bild aus dem „Vogelhändler“ von<br />

Zeller<br />

Mahlzeit mit „Krammetsvögeln“,<br />

Wachol<strong>der</strong>drosseln.<br />

"<strong>Die</strong> Eulen<br />

In schwarzen Bäumen<br />

verborgen<br />

Haben Eulen sich gereiht,<br />

Wie fremden Göttern geweiht<br />

Glüht ihr rotes Auge.<br />

Sie sinnen. Und reglos<br />

sie harren<br />

Auf die Stunde <strong>der</strong> Schwermut,<br />

Wo verstoßen die Sonne ruht,<br />

Und Dunkelheiten sich breiten.<br />

Dem Weisen zeigt ihr Gebaren,<br />

In <strong>der</strong> Welt<br />

muss man sich hüten<br />

Vor Tumult und Gefahren.<br />

Der Mensch, trunken<br />

vom Schatten, <strong>der</strong> vergeht,<br />

Trägt in sich die ewige Strafe,<br />

Er sei<br />

zu An<strong>der</strong>em gesunken."<br />

Charles Baudelaire, <strong>Die</strong> Blumen des<br />

Bösen


Uhu, Eule,<br />

Kauz<br />

<strong>Die</strong> Eule ist <strong>der</strong> einzige Vogel in den<br />

Hieroglyphen <strong>der</strong> Ägypter, <strong>der</strong> nicht<br />

im Profil dargestellt wurde. Ihr Kopf<br />

wendet sich dem Betrachter frontal<br />

zu - ein Motiv <strong>der</strong> Bedrohung.<br />

Eigenartigerweise war allen<br />

mumifizierten Eulen, die man in<br />

Gräbern gefunden hat, <strong>der</strong> Kopf<br />

abgeschnitten!<br />

Das ägyptische Verb "hsk" bedeutet:<br />

"einem Vogel den Hals<br />

abschneiden". <strong>Die</strong>ses Wort wird als<br />

Eule gezeichnet, und dazu das<br />

Zeichen für k, eine Art Messer,<br />

gefügt, das den Körper kreuzt. <strong>Die</strong><br />

Hieroglyphe "Eule" selbst bedeutet<br />

eigentlich nur den Laut "m".<br />

Sollte mit dem symbolischen Töten<br />

von Eulen das Unglück, <strong>der</strong> Tod<br />

überhaupt, von dem Leichnam<br />

fortgewiesen werden? Und haben<br />

sich solche bildhaften Traditionen<br />

bis in unsere Zeit gehalten? Denn<br />

immer noch dräuen unheilvolle und<br />

„tödliche“ Bedeutungen des Tieres.<br />

Das Bild "Eule" umgibt ein Nimbus,<br />

<strong>der</strong> schau<strong>der</strong>n macht.<br />

Der Uhu galt in <strong>der</strong> Vogelschau <strong>der</strong><br />

Alten als jenes Augurium, das<br />

größtes Unglück anzeigte. "Ein<br />

scheuseliger Vogel, <strong>der</strong> Bot´<br />

annahen<strong>der</strong> Trauer,/ ist er, <strong>der</strong><br />

Sterblichen Schreckensprophet,<br />

unrühriger Uhu." Bei Horapollo<br />

wird dieses auch durch Eule o<strong>der</strong><br />

Kauz gemeint (II, 25; n. 90).<br />

"Wie sie den Tod zeigen<br />

Wenn sie den Tod zeigen<br />

wollen<br />

Malen sie lebensnah den Kauz<br />

Wenn die Nacht kommt<br />

verlässt er sein Loch<br />

Und überfällt die kleinen<br />

nistenden Vögel<br />

Um seinen Jungen Nahrung zu<br />

schaffen<br />

Auch wenn uns Menschen <strong>der</strong><br />

Tod anfällt<br />

Geschieht dies meistens bei<br />

Nacht<br />

Um diese Zeit verlässt die<br />

Seele den Körper."<br />

Plinius hält Euleneier für geeignet<br />

zur Kur <strong>der</strong> Trunksüchtigen. Drei<br />

Tage in Wein eingelegt machen sie<br />

dem, <strong>der</strong> dieses Getränk genießt,<br />

den Wein auf Lebenszeit zuwi<strong>der</strong>.<br />

Auch Kin<strong>der</strong>n könne man so<br />

rechtzeitig den Abscheu vor <strong>der</strong><br />

Trunksucht beibringen.<br />

Athene, Lieblingstochter des Zeus,<br />

war mit dem "klügsten" Vogel, <strong>der</strong><br />

Eule verbunden. <strong>Die</strong>se Dimension<br />

begegnet auch heute noch oft:<br />

brillentragende Eulen bedeuten<br />

nächtliche Kopfarbeit, Gelehrtheit,<br />

vielleicht auch Weltfremdheit.<br />

<strong>Die</strong> Barockzeit aber scheint sich in<br />

ihren Bedeutungsprofilen des Bildes<br />

fast nur an den im 16. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

wie<strong>der</strong>entdeckten "Horapollo"<br />

gehalten zu haben. Für sie stand das<br />

Tier für Neid, Geiz, Feindseligkeit,<br />

sogar Unwissenheit.<br />

Hier, anscheinend ganz wie<strong>der</strong> in<br />

"ägyptischem" Sinne, wurde die<br />

Eule vollends zum Boten des Todes,<br />

ja zum Tod selbst, als Entsprechung<br />

des Antichrist. Hier klingt eine<br />

religiöse Dimension des Bildes an:<br />

in ihr entbehrt die Eule, äußerlich<br />

klug, weil in <strong>der</strong> Finsternis <strong>der</strong><br />

Nacht und im "Todesschatten"<br />

sehend, doch völlig <strong>der</strong> lichten und<br />

einfachen Wahrheit des Tages.<br />

<strong>Die</strong> letzte <strong>der</strong> drei Parzen, <strong>der</strong><br />

antiken Schicksalgöttinnen, hat<br />

einen Eulenkopf: sie beendet das<br />

Leben, indem sie den<br />

Schicksalsfaden abbeißt, während<br />

die erste ihn gibt, und die zweite ihn<br />

misst.


Bil<strong>der</strong><br />

links<br />

Glyphe Vögel<br />

Hieroglyphe Eule - Laut "m", Betro<br />

104<br />

rechts<br />

Hellenistische Münze, Pallas Athene<br />

mit ihrem Symbol, <strong>der</strong> Eule<br />

"Der Tod und die Raben<br />

Druckgrafik Uhu: HS, S.899, Uhu,<br />

Montanea, 1619.<br />

"So lebe ich<br />

Gut unterstützt löscht<br />

hier das Licht<br />

Der Uhu<br />

<strong>der</strong> alles Leuchten haßt<br />

Um nachher Öl zu saufen<br />

So glaubt<br />

auch bald <strong>der</strong> Antichrist<br />

Mit Tyrannenhilfe<br />

zu zernichten<br />

Christi Reich<br />

voll Klarheit und voll Leben<br />

Um danach dann<br />

den Sündelosen selbst zu<br />

verschlingen."<br />

<strong>Die</strong> gelehrte Eule, mit Brille, bringt<br />

an<strong>der</strong>en etwas bei, aus einem<br />

Kin<strong>der</strong>buch.<br />

Foto: Eule<br />

Er sitzt am Feldrand.<br />

Und <strong>der</strong> Tag ist heiß,<br />

Der blaue Himmel<br />

überfließt vom Licht.<br />

Er spricht, und wischt den<br />

Schweiß sich vom Gesicht:<br />

Der Wald ist schwarz.<br />

Hier ist es mir zu weiß.<br />

So gar kein Schatten!<br />

flucht er laut und leis.<br />

Doch eh er nun<br />

zum kühlen Tann aufbricht,<br />

Kommen die Raben –<br />

aus dem Flußdickicht,<br />

Vom Dorf, vom Moor,<br />

von weit her, und er weiß:<br />

Sie, die von je<br />

als Henkervögel galten,<br />

Sie sind ihm treu<br />

und sind ihm ganz ergeben,<br />

Und zähln sich heute<br />

noch stolz zu seinem Volke.<br />

Und wie sie still auf<br />

schwarzen Flügeln schweben,<br />

Hoch ihm zu Häupten,<br />

und sich reglos halten,<br />

Sitzt er im Schatten nun<br />

<strong>der</strong> Vogelwolke."


Georg Britting<br />

<strong>Die</strong> Krähe, <strong>der</strong><br />

Rabe<br />

Zwei Krähen können bei den<br />

Ägyptern für "Heirat, Hochzeit"<br />

o<strong>der</strong> "Partnerschaft" stehen, eine<br />

allein für "verwitwet sein"<br />

(Horapollo I, 8 und 9; II, 40).<br />

<strong>Die</strong>ses trifft sich mit <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen<br />

Beobachtung, dass Raben ihren<br />

einmal gewählten Partnern<br />

lebenslang treu bleiben.<br />

<strong>Die</strong>se Signata greift <strong>der</strong><br />

"Physiologus" (27) auf.<br />

"Von <strong>der</strong> Krähe<br />

Schön hat Jeremia über<br />

Jerusalem gesprochen: `Du<br />

sitzt wie eine Krähe, die ganz<br />

allein ist.´ Der Physiologus<br />

sagt von <strong>der</strong> Krähe, daß sie<br />

nur einmal heiratet. Wenn ihr<br />

Gatte stirbt, gesellt sie sich<br />

keinem an<strong>der</strong>en zu, auch nicht<br />

<strong>der</strong> Rabe einem an<strong>der</strong>en<br />

Weibchen. Deutung: Ich hatte<br />

euch nur einem Manne<br />

anvertraut, als eine reine<br />

Jungfrau, nämlich dem Herrn.<br />

Aber sie haben Ehebruch<br />

getrieben mit dem Holz und<br />

den Steinen. Wenn wir den<br />

Ehemann im Herzen haben,<br />

wird <strong>der</strong> ehebrecherische<br />

Teufel nicht eindringen."<br />

Horapollo erwähnt noch an<strong>der</strong>e<br />

Bedeutungen <strong>der</strong> Krähe. Eine tote<br />

Krähe bedeute ein "vollendetes und<br />

langes Leben", vierhun<strong>der</strong>t Jahre!<br />

"Wie sie einen Menschen<br />

signifizieren <strong>der</strong> keine Ruhe<br />

hat und jähzornig ist<br />

Wenn sie einen jähzornigen<br />

Menschen<br />

Zeigen wollen <strong>der</strong> selbst beim<br />

Essen ohne Ruhe ist<br />

Wütend seine Nahrung<br />

einnimmt<br />

Wie wenn er beiße im Groll<br />

Malen sie um das zu<br />

charakterisieren<br />

Eine Krähe die sich in die<br />

Lüfte schwingt<br />

Ihre Jungen beginnen zu<br />

fliegen<br />

Und sie gibt ihnen ihre Speise<br />

im Flug."<br />

Horapollo, II, 97; n. 161.<br />

Der ursprünglich weiße Rabe<br />

erzählt Apollo von <strong>der</strong> Untreue<br />

seiner Geliebten Koronis ("Krähe"),<br />

und <strong>der</strong> Zorn des Gottes färbt ihn<br />

"rabenschwarz". Als die<br />

Olympischen Götter mit den<br />

chaotischen Kräften <strong>der</strong> Urzeit, den<br />

Titanen und Giganten kämpfen,<br />

verwandelt sich Apollo selbst in<br />

einen Raben.<br />

Beson<strong>der</strong>s nördliche Traditionen<br />

geben dem Raben schwerwiegende<br />

Bedeutungen: Huginn und Muninn<br />

sind die beiden Raben Odins, die<br />

ihm über die Welt berichten.<br />

Walküren trinken in Gestalt von<br />

Raben das Blut gefallener Krieger -<br />

und ein Rabe ist <strong>der</strong> König <strong>der</strong><br />

nordischen Unterwelt. Wenn ein<br />

Rabe über dem Kämpfer kreist,<br />

bedeutet das nichts Gutes, und es ist<br />

ein Vorzeichen seines Falls, auch<br />

nach <strong>der</strong> Nibelungensage.<br />

In <strong>der</strong> Bibel ist erstaunlich oft von<br />

Gottes Fürsorge für die<br />

Krähenvögel zu lesen (Ijob 38, 41;<br />

Psalm 147, 9; Lukas, 12, 22 – 25).<br />

Selbst <strong>der</strong> Prophet Elia wird von<br />

ihnen mit Speise versorgt (1 Kön 17,<br />

1 – 6).<br />

Aspekte des Rabenverhaltens<br />

erinnern an Greifvögel: die<br />

Krähenvögel fressen kleine<br />

Säugetiere und auch an<strong>der</strong>e Vögel.<br />

Und Krähen haben ein auffallend<br />

großes Gehirnvolumen.


keinen im Olymp, dem du noch<br />

nichts gestohlen hast!"<br />

Bil<strong>der</strong><br />

HS, S. 883, Camerarius, 1606.<br />

Emblem "Eintracht in <strong>der</strong> Ehe."<br />

Barbrios (200/100 v. Chr.)<br />

links<br />

Glyphe Vögel<br />

Sebastian Brant, Illustration, Rabe,<br />

S. 113. "Cras", lat., bedeutet<br />

"morgen":<br />

"Wer singt cras,<br />

cras gleich wie ein Rab´,<br />

Der bleibt ein Narr<br />

bis hin zum Grab,<br />

Kriegt morgen noch<br />

eine größ´re Kapp´."<br />

rechts<br />

Krähe: Jahrbuch <strong>der</strong><br />

kunsthistorischen Sammlungen, 32,<br />

Wien 1915, darin: Giehlow, K., <strong>Die</strong><br />

Hieroglyphenkunde des<br />

Humanismus, S. 170 - Kopie nach<br />

verlorenen Zeichnungen Dürers -<br />

Dürer hat eine Pirckheimer-<br />

Übersetzung des Horapollo für<br />

Kaiser Maximilian illustriert.<br />

HS, S. 881, Rabe, Covarubbias,<br />

1610.<br />

"Und kehrte nicht zurück.<br />

Der Rabe, den Noah aus <strong>der</strong><br />

Arche entließ, auf daß er<br />

beruhigende Kunde bringe,<br />

vergißt sich draußen, weil er<br />

ein gieriger, gefräßiger und<br />

fleischlüsterner Kerl war."<br />

"Der kranke Rabe<br />

Der Rabe war sehr krank, und<br />

seine Mutter weinte.<br />

"Wein doch nicht!" sagte er,<br />

"bete lieber zu den Göttern,<br />

dass sie mir Gesundheit<br />

schenken!"<br />

"Mein Kind," antwortete sie,<br />

"das tät ich gern. Aber zu wem<br />

soll ich beten? Gibt es doch<br />

"Wie das Herz<br />

Wenn sie das Herz<br />

beschreiben o<strong>der</strong> zeigen<br />

wollen<br />

Machen sie voll Verstand einen<br />

Storch<br />

Als Tier ist dieser Merkur heilig<br />

Herr und Meister des ganzen<br />

Mutes und <strong>der</strong> Vernunft<br />

Der Storch hat ein Herz außer<br />

<strong>der</strong> Regel<br />

Sehr groß und unsymmetrisch<br />

Wie ein Organ das<br />

Überströmendes ballt<br />

Darüber sprachen die alten


Ägypter sehr viel."<br />

Horapollo II, 36; n. 35<br />

Der Storch<br />

Freundliche Bedeutungen werden<br />

auch heute noch dem Storch<br />

zugesprochen. Seine Kin<strong>der</strong>liebe<br />

war sprichwörtlich; er wurde zu<br />

jenem Tier, das die Kin<strong>der</strong> brachte.<br />

In Häusern, wo er nistete, sollte sich<br />

Wohlstand und Überfluss, und<br />

Friede und Harmonie einstellen.<br />

"Es ist <strong>der</strong> Storch ein<br />

hübscher Vogel. Von <strong>der</strong> Mitte<br />

nach vorn ist er weiß, von <strong>der</strong><br />

Mitte nach hinten ist er ganz<br />

dunkel. <strong>Die</strong>ser Storch verläßt<br />

nicht sein Nest, son<strong>der</strong>n es<br />

bewacht, so sagt man, bald<br />

das Männchen, bald das<br />

Weibchen, das Nest... und ihre<br />

Brut lassen sie nicht<br />

umkommen."<br />

Physiologus, 53.<br />

Aber die ursprünglichen Inhalte des<br />

Sinnbildes waren tiefer; man muss<br />

sich vergegenwärtigen, das Bild<br />

"Storch" habe die Signata des "Ibis"<br />

in unsere Kultur übersetzt. Bei den<br />

alten Ägyptern besaß <strong>der</strong> Ibis<br />

religiosa - mit weißem Körper,<br />

schwarzem Kopf und Hals, und<br />

schwarzen Schwungfe<strong>der</strong>spitzen -<br />

beson<strong>der</strong>e Bedeutung. Er galt als<br />

eine Inkarnation des Gottes Thot<br />

(griechisch: Hermes), des<br />

ibisköpfigen Herrn des Mondes.<br />

<strong>Die</strong>ser war <strong>der</strong> Gott <strong>der</strong><br />

Wissenschaft, <strong>der</strong> Schreibkunst, <strong>der</strong><br />

Zauberkünste, <strong>der</strong> Mondphasen.<br />

In den Nekropolen des späteren<br />

Reiches finden sich Hun<strong>der</strong>te von<br />

Ibismumien; und es gibt minuziöse<br />

Aufzeichnungen aus den Tempeln<br />

des Thot über den Kult und die<br />

Pflege <strong>der</strong> heiligen Ibisse. Das<br />

Zeichen Ibis bedeutet in <strong>der</strong><br />

ägyptischen Schrift auch "glänzen",<br />

und in seinen ältesten Bedeutungen<br />

steht dieses Tier so für die<br />

"Verklärtheit" <strong>der</strong> Toten.<br />

In <strong>der</strong> säkular-praktischen Weltsicht<br />

<strong>der</strong> Ägypter standen die materiellen.<br />

physischen und rationalen Kräfte an<br />

erster Stelle. So konnte ihnen die<br />

Metapher "Ibis" einen zentralen<br />

Sinn des Lebens ausdrücken: das<br />

Zentrum des Körpers, die Mitte des<br />

Leibes. Der Vogel hat "ein großes<br />

Herz"; das bedeutet: aus einer<br />

vitalen Mächtigkeit ist er "beherzt",<br />

mutig, selbstbewusst. Seine<br />

lebendige Fülle trägt seine<br />

"Kin<strong>der</strong>", und teilt sich freigebig<br />

seiner Umgebung mit.<br />

<strong>Die</strong>se Attributionen treffen sich mit<br />

den Zusammenhängen früher Mondund<br />

Muttergottheiten. Nach<br />

nordischen Vorstellungen holt <strong>der</strong><br />

Storch die Kin<strong>der</strong> aus dem Brunnen<br />

<strong>der</strong> Frau Holle; und wenn sie im<br />

Frühjahr ausfährt, um den Äckern<br />

Saat und Segen zu bringen, fliegen<br />

die Störche ihrem Wagen voraus.<br />

Hrabanus Maurus (780 - 856 n.<br />

Chr.) sah im Storch ein Sinnbild <strong>der</strong><br />

"wachen und guten <strong>Die</strong>ner Gottes".<br />

Der Storch könne giftige Schlangen<br />

und Frösche fressen, und ihm<br />

schade ihr Gift und ihr Wesen nicht.<br />

<strong>Die</strong>ses griff auch die<br />

Barockemblematik auf: und sie<br />

vereinigte das Bild des Herzens mit<br />

dem des Gewissens, das manches<br />

Negative ertrage und berge.<br />

Um in den Süden zu kommen,<br />

fliegen die Störche zwei Routen,<br />

eine über den Bosporus und Israel,<br />

die an<strong>der</strong>e über Gibraltar. Im<br />

mittleren Osten rechnet man im<br />

September mit dem Durchzug von<br />

einer halben Million weißer Störche.<br />

Für die oft über 7000 Kilometer zu<br />

ihren Winteraufenthalten benötigen<br />

sie drei bis vier Wochen. (<strong>Die</strong><br />

Entsprechung zu den merkurialen<br />

Zeichen – Zwillinge – erscheint<br />

daraus gerechtfertigt.)<br />

Nach vielen Jahren des Rückganges<br />

dieser Art - in Deutschland gab es<br />

1988 nur noch an die 500 Paare –<br />

mehren sich diese Tiere jetzt wie<strong>der</strong>.<br />

Grund dafür ist auch die<br />

Wie<strong>der</strong>anlage von Feuchtgebieten.


107<br />

Hieroglyphe "nfr" - "gut,<br />

vollkommen", Betro 123<br />

Bil<strong>der</strong><br />

Kalif Storch, Bild aus dem Märchen<br />

links<br />

Fotos vom Ibis<br />

Glyphe Vögel<br />

Name des Gottes Toth, "dhwti",<br />

bedeutet auch "hb" - "ibis": Betro<br />

76. Dort auch Variante des Namens<br />

des Gottes unten.<br />

Hieroglyphe Schopfibis: "zh" -<br />

"Geist, leuchtende Kraft" - Betro<br />

129.<br />

rechts<br />

"Vom Pfau<br />

HS, S. 827, Storch trägt seine Eltern<br />

auf dem Rücken. Alciatus, 1531.<br />

Gutes Bild.<br />

HS, S. 793, Ibis verscheucht die<br />

Schlange, Sambucus, 1566.<br />

HS, S. 831, Storch, von Schlange<br />

angegriffen, Schonhovius, 1618.<br />

"Krieg <strong>der</strong> Vernunft mit <strong>der</strong><br />

Leidenschaft".<br />

Ba-Vogel, <strong>der</strong> afrikanische Storch,<br />

<strong>der</strong> Jabiru: "ba" - "Seele", Betro,<br />

Der Pfau ist <strong>der</strong> hübscheste<br />

unter allen Vögeln des<br />

Himmels. <strong>Die</strong>ser Pfau ist von<br />

bunter Farbe und hat schöne<br />

Flügel. Er geht umher, sieht<br />

sich selbst mit Freude an und<br />

schüttelt sein Gefie<strong>der</strong>, spreizt<br />

sich und blickt hochmütig um<br />

sich. Wenn er aber auf seine<br />

Füße sieht, wird er ärgerlich<br />

aufkreischen, denn es<br />

entsprechen seine Füße nicht<br />

seinem sonstigen Aussehen.<br />

So auch du, Christenmensch,<br />

wenn du deine Aufgaben<br />

siehst und das Gute, das du<br />

hast, freue dich von Herzen<br />

und jauchze in deiner Seele.<br />

Wenn du aber deine Füße<br />

siehst, das sind deine Fehler,<br />

rufe klagend zu Gott und<br />

hasse die Ungerechtigkeit wie


<strong>der</strong> Pfau seine Füße, damit du<br />

vor dem Bräutigam gerecht<br />

erscheinst.<br />

Schön spricht <strong>der</strong> Physiologus<br />

über den Pfau."<br />

Physiologus, 51.<br />

Der Pfau<br />

Der Pfau stammt aus Indien. Dort<br />

gilt er als Symbol <strong>der</strong> Sonne, <strong>der</strong><br />

immerwährenden Jugend, <strong>der</strong><br />

Unsterblichkeit. Wohl erst mit dem<br />

Zug Alexan<strong>der</strong>s des Großen nach<br />

Indien (327 - 325 v. Chr.) wurde er<br />

im Mittelmeerraum bekannt.<br />

In Indien gehört <strong>der</strong> Pfau zu den<br />

heiligen Vögeln. Er ist ein Sinnbild<br />

des Gottes Krishna, genießt<br />

vollständigen Schutz.<br />

In China galt er als Feind <strong>der</strong><br />

Schlange. In dieser Linie wurde ihm<br />

die Fähigkeit zugestanden, Gift in<br />

Schönheit, plumpe in feine<br />

Substanzen zu verwandeln.<br />

Io, eine Priesterin <strong>der</strong> Hera, wurde<br />

von Zeus geliebt; um sie <strong>der</strong><br />

Eifersucht seiner Gattin zu<br />

entziehen, verwandelte sie Zeus in<br />

eine Kuh. Hera aber wusste darum,<br />

und verlangte die Kuh als Geschenk.<br />

Sie nahm Io in Empfang, und ließ<br />

sie von dem vieläugigen Argus<br />

bewachen. Hermes aber schläferte<br />

ihn ein und tötete ihn. Jetzt schickte<br />

Hera eine Bremse, die Io lange<br />

quälte, bis sie Ruhe in Ägypten<br />

fand; dem toten Argus aber nahm<br />

die Göttermutter die Augen und<br />

schenkte sie ihrem Vogel, dem Pfau.<br />

Io aber gebar Zeus einen Sohn, den<br />

Epaphos, d. i. <strong>der</strong> Horus - Io<br />

entspricht somit auch <strong>der</strong> Isis.<br />

Der Pfau symbolisierte die<br />

Schönheit <strong>der</strong> Göttermutter. Wie <strong>der</strong><br />

Adler ein Symbol des Zeus/Jupiter<br />

war, so gehört <strong>der</strong> Pfau zu<br />

Juno/Hera; ihr himmlischer Platz<br />

findet sich im Luftzeichen<br />

Wassermann, Löwe gegenüber.<br />

In Rom diente er zum<br />

repräsentativen Schmuck von<br />

Gärten und Palästen. Er wurde ein<br />

Symbol des Frühlings; Plinius<br />

bezeichnet die alljährliche<br />

Erneuerung seines Gefie<strong>der</strong>s als<br />

"Wie<strong>der</strong>geburt".<br />

Aus den Scheiterhaufen, auf dem die<br />

römischen Kaiser verbrannt<br />

wurden, wurde ein Adler zum<br />

Himmel gelassen; aus denen <strong>der</strong><br />

Kaiserin entkam ein Pfau.<br />

Alte Überlieferung war es auch, den<br />

Pfau den Tauben zuzugesellen: mit<br />

diesen verbindet ihn nach antiker<br />

Meinung eine herzliche<br />

Freundschaft. So erschien <strong>der</strong> Pfau<br />

bald an zentralen Orten des<br />

christlichen Kirchenraumes, sitzend<br />

auf Weinranken voller Trauben.<br />

Dem Fleisch des Pfau wurde große<br />

Dauerhaftigkeit zugeschrieben: man<br />

glaubte, es sei unverweslich.<br />

Augustinus erprobte dieses, und<br />

fand das Fleisch nach einem Jahr<br />

noch unverwest - was heute eher<br />

dem trockenen Klima Afrikas<br />

zugeschrieben wird. Doch so war<br />

ein Beitrag zum Symbol <strong>der</strong><br />

Unsterblichkeit und – im<br />

Zusammenhang <strong>der</strong> entwickelten<br />

Dimensionen an Bedeutung - <strong>der</strong><br />

Auferstehung gewonnen.<br />

<strong>Die</strong> unbefangene Bildsprache des<br />

frühen Christentums verliert sich im<br />

Mittelalter, und mehr noch in <strong>der</strong><br />

Mo<strong>der</strong>ne: man zielt nun auf den<br />

moralischen Aspekt, erkennt im Pfau<br />

ein Sinnbild ausbündiger Schönheit,<br />

übermütiger Klei<strong>der</strong>pracht, einen<br />

mahnenden Hinweis auf die<br />

Vergänglichkeit irdischer Freuden,<br />

schließlich ein Zerrbild von Eitelkeit<br />

und Hoffart.<br />

Obwohl sie aus tropischen Zonen<br />

stammen, sind Pfauen äußerst<br />

wi<strong>der</strong>standsfähig. Sie vertragen Eis<br />

und Schnee gut, und begnügen sich<br />

mit Hühnerfutter. Sie sind sehr<br />

wachsam, und warnen die an<strong>der</strong>e<br />

Tiere vor Räubern.<br />

Der Haltung in unseren Breiten<br />

steht oft die Rücksicht auf die<br />

Nachbarschaft entgegen: <strong>der</strong><br />

kreischende Ruf <strong>der</strong> Pfauen<br />

durchdringt Verkehrs- und<br />

Fluglärm, und lässt diesen<br />

erträglicher erscheinen.


Bil<strong>der</strong><br />

links<br />

Glyphe Vögel<br />

HS, S. 809, Pfau, "Erkenne Dich<br />

selbst" - schöne Fe<strong>der</strong>n, hässliche<br />

Füße. Isselburg, 1640.<br />

rechts<br />

Foto, ganze Seite: P. P. Rubens -<br />

Altarbild<br />

"Jetzt kommen die Kraniche!<br />

Und da kamen die grauen, wie<br />

in Dämmerung gekleideten<br />

Vögel, mit langen<br />

Fe<strong>der</strong>büschen und rotem<br />

Schmuck im Nacken. <strong>Die</strong> Vögel<br />

mit ihren langen Beinen, ihren<br />

schlanken Hälsen glitten<br />

herab, drehten sich halb<br />

fliegend, halb tanzend im<br />

Kreise herum... Es war, als<br />

spielten graue Schatten ein<br />

Spiel, dem das Auge kaum zu<br />

folgen vermochte, als hätten<br />

sie von den Nebeln gelernt, die<br />

über die einsamen Moore<br />

hinschwebten.. Alle einen<br />

Drang in sich, ungeheuer hoch<br />

hinaufzusteigen, bis über die<br />

Wolken hinauf, um zu sehen,


was sich darüber befinde. Eine<br />

solche Sehnsucht nach dem<br />

Unerreichbaren, nach dem<br />

hinter dem Leben Verborgenen<br />

fühlten die Tiere nur einmal im<br />

Jahr..."<br />

Selma Lagerlöf, <strong>Die</strong> wun<strong>der</strong>bare<br />

Reise des Nils Holgerson mit den<br />

Wildgänsen<br />

Der Reiher<br />

Der berühmte Phönix war zunächst<br />

eine Bachstelze, später ein Reiher.<br />

Alljährlich kehrten die Fischreiher<br />

(ardea cinerea) mit dem Regelmaß<br />

<strong>der</strong> Nilüberschwemmungen nach<br />

Ägypten zurück - so konnte <strong>der</strong><br />

Reiher auf einem Gestell<br />

"Überschwemmung" bedeuten.<br />

Verbunden mit <strong>der</strong> belebenden Kraft<br />

des Wassers wurde das Tier zum<br />

Sinnbild <strong>der</strong> Erneuerung des<br />

Lebens.<br />

Der Phönix stieg mit <strong>der</strong> Sonne im<br />

Morgengrauen aus dem Wasser auf.<br />

Sein ägyptischer Name „Benu“ kam<br />

aus dem Wortstamm "leuchten". Er<br />

war eine Erscheinungsform des<br />

Osiris, sozusagen sein Herz, seine<br />

Seele (Ba). Sie erstand in seinem<br />

Sohn Re, dem Sonnengott, vom Tod.<br />

Eine große Erneuerung des Kosmos<br />

fand in ägyptischer Mythologie nach<br />

500 (o<strong>der</strong> 1461) Jahren statt. <strong>Die</strong>ses<br />

ging in den "Physiologus" (7) ein:<br />

"Es gibt einen Vogel in Indien,<br />

<strong>der</strong> heißt Phönix, von Gestalt<br />

schöner als <strong>der</strong> Pfau... Und<br />

nach fünfhun<strong>der</strong>t Jahren fliegt<br />

er in die Wäl<strong>der</strong> des Libanon<br />

und füllt seine Flügel mit<br />

Gewürzen. Und er erscheint<br />

dem Priester in Heliopolis im<br />

Neumond Nisan o<strong>der</strong> Adar...<br />

Der Priester, dem er sich<br />

gezeigt hat, geht und füllt den<br />

Altar mit Rebenholz. Der Vogel<br />

kommt nach Heliopolis,<br />

beladen mit Gewürzen, und<br />

steigt auf den Altar, er selbst<br />

entzündet das Feuer und<br />

verbrennt sich. Am nächsten<br />

Morgen sucht <strong>der</strong> Priester den<br />

Altar ab und findet ein<br />

Würmchen in <strong>der</strong> Asche.<br />

Daran mußt du nicht zweifeln,<br />

denn so entstehen auch die<br />

Jungen <strong>der</strong> Bienen, die sich<br />

aus Würmern hervorbilden,<br />

und aus den ganz feuchten<br />

Eiern hast du Flügel, Knochen<br />

und Sehnen <strong>der</strong> Vögel<br />

hervorkommen sehen. Dann<br />

läßt <strong>der</strong> genannte Wurm Flügel<br />

wachsen, und schließlich ist<br />

er, wie er vorher war, und fliegt<br />

in die Höhe und beweist so die<br />

Auferstehung <strong>der</strong> Toten."<br />

In <strong>der</strong> Barockzeit wurde <strong>der</strong> Reiher<br />

zum Sinnbild <strong>der</strong> großmütigen<br />

Verachtung irdischer Dinge. <strong>Die</strong>ses<br />

bezieht sich auch auf die<br />

Kommunikation "Kranich": <strong>der</strong><br />

bedeutet einen "Menschen, <strong>der</strong> die<br />

höheren Dinge versteht", weil das<br />

Tier hoch fliegt, und Wolken und<br />

Nebel meidet (Horapollo II, 98).<br />

"Wie einen Menschen <strong>der</strong> sich<br />

aus Wut selbst verletzt<br />

Für die brennende Wut<br />

In <strong>der</strong> ein Mensch sich selbst<br />

vom Bösen entflammt verletzt<br />

Malen sie als sehr treffendes<br />

Schmähwort<br />

Zwei Reiher am Wasser auf <strong>der</strong><br />

Jagd wenn einer<br />

Einen Fisch packt und <strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>e den ihm lassen muss<br />

Neidet es ihm jener <strong>der</strong> am<br />

Ufer nahe bei steht<br />

Und er schlägt sich aus großer<br />

Enttäuschung er wird wild<br />

wenn er bloß ein an<strong>der</strong>es<br />

Vögelchen am Himmel fliegen<br />

sieht<br />

Man sagt auch ein Tier mit<br />

solchem Gefie<strong>der</strong><br />

Hat wahrlich neun Gallen im<br />

Körper."<br />

Horapollo, i. d. Bearbeitung des M.<br />

Nostradamus, eingefügt nach Teil I<br />

<strong>Die</strong>se Raserei, bedingt durch die so<br />

hoch vermehrte "Galligkeit" des<br />

Vogels, kann auch ein Licht auf die<br />

spezielle Dynamik dieser Metapher<br />

werfen: sie ist geradezu das<br />

Gegenbild zur friedfertigen Taube,<br />

die "keine Galle" hat.


Bildtradition - Ibis - Reiher - in<br />

Volkmann, L., Bil<strong>der</strong>schrift <strong>der</strong><br />

Renaissance, Leipzig 1923, S. 85 -<br />

Zeichnung nach Dürer.<br />

Foto: Tanz <strong>der</strong> Kraniche<br />

Foto: Detail Kranichkopf<br />

Bil<strong>der</strong><br />

links<br />

Glyphe Vögel<br />

Hieroglyphe "bnw" (ausgesprochen<br />

"boinu"), "Phönix", Betro 108<br />

rechts<br />

Betro, S. 131 - "hm" - "einen Fisch<br />

fangen"; Reiher packt einen Fisch.<br />

HS, S. 795, Phönix, Camerarius,<br />

1606.<br />

Brant, Narrenschiff, S. 231:<br />

"Viel Aberglauben<br />

man jetzt braut,<br />

Aus Sternen man<br />

die Zukunft schaut:<br />

Ein je<strong>der</strong> Narr<br />

fest darauf baut."

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