Die Sprache der Bilder - enostopos
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verständlich machen, wieso die<br />
Taube in <strong>der</strong> christlichen Religion<br />
einen Aspekt <strong>der</strong> Gottheit<br />
„signifizieren“ konnte: den Geist<br />
Gottes, den „heiligen Geist“.<br />
"Wie sie einen Menschen<br />
kennzeichnen <strong>der</strong> von Natur<br />
aus selbst keinen Zorn hat<br />
aber von an<strong>der</strong>en bewegt wird<br />
Wenn sie einen Menschen<br />
ohne Zorn<br />
Aber von an<strong>der</strong>en dazu<br />
getrieben<br />
Zeigen wollen zeichnen und<br />
bilden sie<br />
Eine Taube schön ausgeführt<br />
in vollem Umriss<br />
Den Schwanz hat sie hoch<br />
nach oben gestreckt<br />
Denn sie hat in hinteren<br />
Partien<br />
Galle und Zorn wie viele zu<br />
sehen meinen<br />
So zeigen sie menschliche Wut<br />
die von außen kommt."<br />
anzudeuten - die Möglichkeit, sich<br />
zu wehren, selbst wenn man<br />
wesenhaft "Taube" ist.<br />
<strong>Die</strong> Taube galt als Tier <strong>der</strong><br />
Liebesgöttin Venus. Tauben ziehen<br />
den Wagen des Cupido, des Sohnes<br />
<strong>der</strong> Venus.<br />
<strong>Die</strong> Taube besaß nach antiker<br />
Ansicht das Wissen, sich und ihre<br />
Jungen mit Lorbeerblättern zu<br />
heilen. "Horapollo" übersetzt dabei<br />
das Symbol des Lorbeerblattes,<br />
deutet es als Attribut <strong>der</strong><br />
Weissagekunst, und spricht davon,<br />
die Taube könne sich auch durch ein<br />
Orakel heilen (Horapollo II, 46).<br />
Der Physiologus bringt eine völlig<br />
eigenständige Erzählung über die<br />
"rote Taube": sie allein wäre im<br />
Stande, alle Tauben in den Schlag<br />
zurückzuführen. Und sie sei ein<br />
Sinnbild Christi: er leite alle<br />
an<strong>der</strong>sfarbigen Tauben -<br />
"starenfarbige, schwarze,<br />
goldfarbige, völlig weiße,<br />
feuerfarbene Zuchttauben". <strong>Die</strong>se<br />
Tauben aber sind - die Propheten.<br />
Horapollo II, 48; n. 113<br />
Jemand, <strong>der</strong> keine Galle hatte,<br />
konnte nach den alten medizinischen<br />
Vorstellungen nicht zornig werden.<br />
Er wurde nicht "cholerisch": das<br />
Wort kommt vom griechischen<br />
"cholä", "Galle". Ohne Galle kann<br />
jemand kein "Choleriker" werden:<br />
das sind Reste <strong>der</strong> Säftelehre <strong>der</strong><br />
Antike („Humoralpathologie“) in<br />
unserer Umgangssprache. <strong>Die</strong><br />
Taube war demnach ein absolut<br />
friedliches Wesen: selbst die<br />
politische <strong>Sprache</strong> unterscheidet in<br />
diesem Sinn heute "Tauben" und<br />
"Falken".<br />
Michel Nostradamus wendet diese<br />
Metapher noch einmal: er erläutert<br />
eine Eigenschaft einer Person, die<br />
vollkommen friedlich ist, und doch<br />
„wütende“ Auswirkungen zeitigen<br />
kann: wenn<br />
Umgebungsbedingungen Reize<br />
senden – die dann „von Außen<br />
kommen“, damit außerhalb <strong>der</strong><br />
Verantwortung dieses Charakters<br />
liegen. <strong>Die</strong>ses scheint ihm <strong>der</strong><br />
gefächerte Schwanz <strong>der</strong> Taube zu<br />
Bil<strong>der</strong><br />
links<br />
Glyphe Vögel<br />
HS, S. 861, Ringeltaube, Alciatus<br />
1531. "Kin<strong>der</strong>liebe". <strong>Die</strong><br />
Ringeltaube polstert ihr Nest mit<br />
den eigenen Fe<strong>der</strong>n.-<br />
Rechts<br />
Foto, Mosaik <strong>der</strong> Apsis von San<br />
Clemente in Rom, Kreuz mit Tauben,<br />
Schwalben, Hirschen, Ibissen,<br />
Gänsen, Pfauen, Schlangen, Blüten.<br />
Z. B. Champeaux/Sterckx, S. 74.