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Buddhistische Steinschriften in China

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HEIDELBERGER AKADEMIEDER WISSENSCHAFTENFORSCHUNGSSTELLEBUDDHISTISCHE STEINSCHRIFTEN IN CHINALEITER DER FORSCHUNGSSTELLEProf. Dr. Lothar Ledderose<strong>Buddhistische</strong><strong>Ste<strong>in</strong>schriften</strong> <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>aMITARBEITERDr. Claudia WenzelDr. Sueyl<strong>in</strong>g TsaiKonrad Berner, Dipl.-<strong>in</strong>g. (Fh)Wolfgang Meier, Dipl.-soz.BESUCHERADRESSEForschungsstelle<strong>Buddhistische</strong> <strong>Ste<strong>in</strong>schriften</strong> In Ch<strong>in</strong>aHauptstrasse 113D-69117 HeidelbergPOSTANSCHRIFTKunsthistorisches Institut | Abteilung Ostasien<strong>Buddhistische</strong> <strong>Ste<strong>in</strong>schriften</strong>Sem<strong>in</strong>arstrasse 4D-69117 HeidelbergTelefon 0 62 21 | 54 39 67Telefax 0 62 21 | 54 33 84claudia.wenzel@urz.uni-heidelberg.desueyl<strong>in</strong>g.tsai@urz.uni-heidelberg.deHEIDELBERGER AKADEMIEDER WISSENSCHAFTENAkademie der Wissenschaften des Landes Baden-Württemberg


INSCHRIFTEN AUF DEM GEWACHSENEN FELS<strong>Buddhistische</strong> <strong>Ste<strong>in</strong>schriften</strong> <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>aIn der Mitte des 6. Jahrhunderts n.Chr. begannen ch<strong>in</strong>esischeBuddhisten damit, ihre heiligen Texte <strong>in</strong> Ste<strong>in</strong> zumeißeln. Teils arbeiteten sie unter freiem Himmel aufdem gewachsenen Fels, teils <strong>in</strong>tegrierten sie ausgewählteSchriftstellen <strong>in</strong> das Bildprogramm von Kulthöhlen.Diese ste<strong>in</strong>ernen Sutren dienten der Bekanntmachungund Verbreitung der buddhistischen Lehre im Volk.Nach der Buddhistenverfolgung der Jahre 574 – 577 gewannzunehmend der Gedanke der Bewahrung an Bedeutung.E<strong>in</strong>flussreiche Förderer des Buddhismus stifteten Geld,um immer umfangreichere Textpassagen <strong>in</strong> Ste<strong>in</strong> meißelnzu lassen und sie so für die Ewigkeit zu erhalten.Schließlich machten sich Mönche im Wolkenheimklosternahe Pek<strong>in</strong>g daran, den gesamten buddhistischen Kanon aufPlatten e<strong>in</strong>zumeißeln, damit er den von ihnen erwartetenWeltuntergang überdauern möge.Aufgabe des Forschungsprojekts ist die Dokumentation,Interpretation und Präsentation dieser <strong>Ste<strong>in</strong>schriften</strong>.INSCHRIFTEN AUF DEM GEWACHSENEN FELSIn der ersten Phase des 2005 begonnen Projekts steht dieErfassung der <strong>Ste<strong>in</strong>schriften</strong> unter freiem Himmel <strong>in</strong> derProv<strong>in</strong>z Shandong im Vordergrund. Dort wählten gelehrteMönche kurze, signifikante Passagen aus den buddhistischenSutren aus und schrieben sie <strong>in</strong> kunstvoller Kalligraphiedirekt auf steile Felsfl ächen nahe ihrer Klöster.Abb. 1 Der Name des „Großen Buddha des Berges und der Felsen klippen“wurde beim Berg Hongd<strong>in</strong>gshan direkt auf den gewachsenen Felsengeschrieben und dann e<strong>in</strong>gemeißelt. Dabei wurden die Konturen derP<strong>in</strong>selstriche sorgfältig herausgearbeitet.Versierte Ste<strong>in</strong>metzen meißelten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em zweiten Schrittdie bis zu drei Meter hohen Schriftzeichen <strong>in</strong> den Fels.Diese Zeichen haben sich bis heute erhalten (Abb. 1).Die heiligen Texte verkörperten Meditationsobjekte, aufdie sich die Mönche während ihrer spirituellen Übungenkonzentrierten. Die bewußte Verb<strong>in</strong>dung zwischen Schriftund Ste<strong>in</strong> verleiht den Bergen den Charakter e<strong>in</strong>er heiligenLandschaft (Abb. 2).1


INSCHRIFTEN IN KULTHÖHLENEntlang e<strong>in</strong>es Pilgerweges wurde auf mächtige, verstreutliegende Felsbrocken e<strong>in</strong> fortlaufender Text e<strong>in</strong>gemeißelt.Es soll damit die Gegenwärtigkeit der Buddhas, Bodhisattvasund Weisen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er paradiesischen Landschaft beschworenwerden. Dieser Ort galt den Gläubigen als das wahre Buddhaland(Abb. 3).Granitfl ächen auf Bergabhängen wurden zu gigantischenStelen umgestaltet. In mehreren hundert großformatigenZeichen konnte auf ihnen e<strong>in</strong> vollständiges Kapitel e<strong>in</strong>esSutra e<strong>in</strong>geschrieben werden (Abb. 4).INSCHRIFTEN IN KULTHÖHLENNoch längere Sutrenpassagen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>formatigenSchriftzeichen auf die Innenwände von Kulthöhlen gemeißelt.Diese Schriftwerke s<strong>in</strong>d zwischen die Skulpturenund Bildgruppen der Heilsgestalten e<strong>in</strong>gefügt und werdensomit Teil der religiösen Aussage über den Dharma (diebuddhistische Lehre). E<strong>in</strong>e derartige Verschränkung vonbildlicher und nichtbildlicher Vergegenwärtigung religiöserLehr<strong>in</strong>halte ist <strong>in</strong> der Weltkunst selten und von besonderemerkenntnistheoretischem Interesse.Abb. 2 Der Leiter der Forschungsstelle, Balzan-Preisträger Prof. LotharLedderose, bespricht sich mit Prof. Günter Hell von der Technischen HochschuleKarlsruhe im „Tal des Ste<strong>in</strong>ernen Sutra“ am Berg Taishan über dasweitere Vorgehen bei der Vermessung der bis zu 50 cm großen Zeichen,die e<strong>in</strong>e Fläche von etwa 1800 Quadratmetern bedecken.Abb. 3 E<strong>in</strong> unbehauener Granitbrocken trägt den Abschnitt e<strong>in</strong>es fortlaufendenSutrentextes. Er beschreibt jenen Ort, an den „die Geme<strong>in</strong>schaftder Großen Mönche und die Menge der Großen Bodhisattvas aus denverschiedensten Buddhaländern aller Weltrichtungen gekommen s<strong>in</strong>d,um sich zu versammeln“; damit wird er zum Hauptanziehungspunkt desbergansteigenden Pilgerpfades am Berg Gangshan.Abb. 4 Die ansteigende Granitfläche des Berges Tieshan wurde <strong>in</strong> Forme<strong>in</strong>er monumentalen Rundkopfstele gestaltet. Der Stelentext besteht ausknapp 900 Zeichen und lehrt die „37 Arten der Übung, die zur Erleuchtungführen“.2 3


DER STEINERNE KANON IM WOLKENHEIMKLOSTERDER STEINERNE KANON IM WOLKENHEIMKLOSTERDas größte Meißelprojekt der Weltgeschichte begann zuAnfang des 7. Jahrhunderts im Wolkenheimkloster. Zunächstwurden auch hier Texte auf Ste<strong>in</strong>platten <strong>in</strong> die Wände e<strong>in</strong>erHöhle e<strong>in</strong>gelassen, der sogenannten ‚Donnerklanghöhle‘,welche im Jahr 616 durch e<strong>in</strong> Reliquiendepositum geweihtwurde (Abb. 5). Bald danach meißelten die Mönche dieheiligen Schriften nur noch auf vorgefertigte Ste<strong>in</strong>platten.Diese bargen sie <strong>in</strong> Höhlen, welche sie mit ste<strong>in</strong>ernen Türenauf immer verschlossen (Abb. 6). Inschriften außerhalb derHöhlen berichten von der Furcht der Mönche vor dembevorstehenden Weltuntergang.Im künftigen Weltzeitalter, so hofften sie, würden ihre Ste<strong>in</strong>ewie aus e<strong>in</strong>er Zeitkapsel wieder ans Licht kommen undkünftigen Generationen von der Lehre des Buddha künden.METHODENDokumentationDie primäre Aufgabe der Forschungsstelle ist die systematischeund vollständige Dokumentation der <strong>Ste<strong>in</strong>schriften</strong>.Die exakte georeferenzierte Vermessung erlaubt es, die Inschriftenals Objekte im Raum zu verstehen und die Relationenzwischen den Inschriftengruppen zu erkennen (Abb. 7).Auf diese Weise wird erstmals das Netz von Monumentendeutlich, mit dem die ch<strong>in</strong>esischen Buddhisten die Landschaft<strong>in</strong> jener Epoche überzogen und prägten.Abb. 5 Die Innenwände der Donnerklanghöhle s<strong>in</strong>d ganz mit Ste<strong>in</strong>plattenausgekleidet, auf denen heilige Texte bewahrt werden.Abb. 6 Die Felsenkammer beim Wolkenheimkloster wurde bis zur Deckemit Ste<strong>in</strong>platten gefüllt und dann verschlossen. Die ste<strong>in</strong>erne E<strong>in</strong>gangstürhat weder Schloß noch Riegel, denn sie sollte niemals wieder geöffnetwerden.Abb. 7 Vermessung der gemeißelten Kommentartexte im „Tal des Ste<strong>in</strong>ernenSutra“ am Berg Taishan.Die fotographische Dokumentation umfasst die bemeißeltenSte<strong>in</strong>e sowie Abreibungen der Inschriften mit Tuscheund Papier. Bisweilen zeigen ältere Abreibungen e<strong>in</strong>enbesseren Erhaltungszustand, weil die Verwitterung der Ste<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zwischen vorangeschritten ist.Auch werden, wenn vorhanden, bis zu 200 Jahre alteUmschriften der traditionellen epigraphischen ch<strong>in</strong>esischenLiteratur ausgewertet. Das Idealziel ist die lückenloseRekonstruktion des ursprünglichen Textes. Übersetzungenmit ausführlichem wissenschaftlichem Apparat gehörenebenfalls zur Dokumentation (Abb. 8.1, 8.2, 8.3).4 5


METHODENInterpretationViele Inschriften, <strong>in</strong>sbesondere die jüngst entdeckten, lassendie Geschichte des Buddhismus <strong>in</strong> neuem Licht ersche<strong>in</strong>en.Es ist von bedeutenden ch<strong>in</strong>esischen und <strong>in</strong>dischenMönchen die Rede, welche <strong>in</strong> den bisher bekannten historischenQuellen nicht auftauchen. Wissenschaftlich relevanteFragestellungen, zu deren Erhellung das Projekt beitragenwird, s<strong>in</strong>d die Praxis der Beicht- und Meditationsrituale, dieKategorisierung apokrypher und kanonischer Texte sowiegenerell die politische Instrumentalisierung und S<strong>in</strong>isierungdes Buddhismus <strong>in</strong> der fraglichen Periode.PräsentationIn Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der Fakultät Geo<strong>in</strong>formationswesender Hochschule für Technik <strong>in</strong> Karlsruhe(FH) werden virtuelle Geländemodelle und 3D-Visualisierungenerstellt.Die Bearbeitung und Auswertung der gesammelten TextundBilddaten geht e<strong>in</strong>her mit dem Aufbau e<strong>in</strong>er Datenbank,die auf die besonderen Anforderungen der ch<strong>in</strong>esischenTexte und Schriftzeichen zugeschnitten ist. Dabeiwerden die Standards etablierter buddhologischer unds<strong>in</strong>ologischer Datenbanken und modernste Digitalisierungstechnikengenutzt, die der Komplexität der Schriftsysteme<strong>in</strong> Ostasien Rechnung tragen.Die Forschungsergebnisse sollen auch für das wissenschaftlich<strong>in</strong>teressierte Laienpublikum <strong>in</strong> geeigneter Form aufgearbeitetund präsentiert werden.Abb. 8.1 Auf dem Hühnerschnabelfels am Berg Gangshan fi nden sichauf der Nord-, Ost- und Südseite buddhistische Inschriften. Sie stellendie älteste erhaltene Version der e<strong>in</strong>gemeißelten Texte dar.Abb. 8.2 Bei der Inschrift der Ostseite handelt es sich um die Rahmenhandlungdes „Sutra der Visualisierung des Buddha des UnermesslichenLebens“. König<strong>in</strong> Vaidehi bestrich ihren Körper mit nahrhafter Paste undfüllte ihr Geschmeide mit Getränken, um den e<strong>in</strong>gekerkerten König zuspeisen. Daraufh<strong>in</strong> schöpfte dieser neue Kraft und nahm Zufl ucht zuBuddha.6


INTERNATIONALE ZUSAMMENARBEITINTERNATIONALE ZUSAMMENARBEITSeit e<strong>in</strong>igen Jahren wenden sich ch<strong>in</strong>esische Wissenschaftlerwieder verstärkt religionshistorischen Phänomenen zu, daderen Bedeutung für das Selbstverständnis Ch<strong>in</strong>as als Kulturnationneu entdeckt wird. Diese Entwicklung begünstigtdie Arbeit des Forschungsprojekts <strong>in</strong> hohem Maße. Darüberh<strong>in</strong>aus bestehen enge Verb<strong>in</strong>dungen zu Wissenschaftlern <strong>in</strong>Japan, die die erstklassige buddhologische Tradition ihresLandes fortführen.Die Sammlung und Auswertung der Daten f<strong>in</strong>det <strong>in</strong> enger<strong>in</strong>ternationaler Zusammenarbeit statt. Projektbegleitendkommen renommierte ostasiatische Forscher und Nachwuchswissenschaftlernach Heidelberg, um mit zu forschen.Sie leisten damit e<strong>in</strong>en wichtigen Beitrag zum wissenschaftlichenAustausch zwischen Deutschland und Ch<strong>in</strong>a.Abb. 8.3 Mit Tusche und Papier wird e<strong>in</strong>e Abreibung der Ste<strong>in</strong><strong>in</strong>schriftangefertigt. So läßt sich der Text h<strong>in</strong>sichtlich Abweichungen von jüngerenTextversionen und Schreibvarianten e<strong>in</strong>zelner Schriftzeichen besserstudieren.8

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