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15 - Fédération des enrôlés de force

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8Gespräch mit Paul Dostert, Direktor <strong><strong>de</strong>s</strong> „Centre <strong>de</strong> documentation et <strong>de</strong> recherche sur la Résistance“Für Synergien zur Erhaltung <strong><strong>de</strong>s</strong> An<strong>de</strong>nkensHistoriker schlägt einheitliches Dokumentationszentrum und verstärkte Zusammenarbeit <strong>de</strong>r Akteure vorVON RAPHAEL ZWANKDie Einführung <strong>de</strong>r Wehrpflicht inLuxemburg war für die Besatzerlaut Paul Dostert, Direktor <strong><strong>de</strong>s</strong>„Centre <strong>de</strong> documentation et <strong>de</strong>recherche sur la Résistance“,keine leichte Entscheidung. Dochunter <strong>de</strong>m Druck <strong>de</strong>r Verlustebeim Russlandfeldzug wur<strong>de</strong>n alleBe<strong>de</strong>nken beiseitegeschoben – miteinem Generalstreik als Folge.Über die daraufhin beschlosseneUmsiedlung ist laut Paul Dostertnoch viel Forschungsarbeit nötig.An das Schicksal <strong>de</strong>r Betroffenenerinnern soll eine Ge<strong>de</strong>nkstätte inLeubus. Doch auch in Luxemburgsollte das An<strong>de</strong>nken laut Paul Dostertverstärkt in <strong>de</strong>n Vor<strong>de</strong>rgrundrücken.Aus heiterem Himmel kam dieZwangsrekrutierung En<strong>de</strong> August1942 nicht: „Als im Mai 1941 dieReichsarbeitsdienst-Pflicht verfügtwur<strong>de</strong>, dachten bereits vieleLuxemburger, dass dies eine Vorstufesei.“ Dass das Ziel <strong>de</strong>r Besatzerdarin bestand, Luxemburgnach <strong>de</strong>m „Endsieg“ nicht nur <strong>de</strong>facto, son<strong>de</strong>rn auch völkerrechtlich<strong>de</strong>m Dritten Reich einzuverleiben,sei praktisch je<strong>de</strong>m klargewesen.Weil Luxemburg aber nicht aufgehörthatte, als Land zu existieren,zögerten die Deutschen, dieLuxemburger zum Wehrdienst zuverpflichten. Erst die schwerenVerluste beim Russlandfeldzugwen<strong>de</strong>ten das Blatt. Die Nazis versuchtenzunächst Anfang 1942,Freiwillige anzuwerben. Es mel<strong>de</strong>tensich relativ viele: „In meinerDatei befin<strong>de</strong>n sich rund 2 000Namen“, so Paul Dostert. Ob essich immer um freiwillige Luxemburgerhan<strong>de</strong>lte, müsse aber imEinzelfall untersucht wer<strong>de</strong>n. Zudieser Zeit lebten <strong>15</strong> 000 bis20 000 Deutsche in Luxemburg. Esgab aber auch Polizisten, die betrunkenenjungen Männern, diepatriotische Lie<strong>de</strong>r gesungen hatten,auf <strong>de</strong>m Revier einen Zettelzur Unterschrift vorlegten. O<strong>de</strong>reinen Arzt, <strong>de</strong>r Abtreibungen vorgenommenhatte, und zwischen<strong>de</strong>m KZ o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Wehrdienstwählen konnte.Die Freiwilligen reichten angesichts<strong>de</strong>r Verluste an <strong>de</strong>r Frontnicht. Bei einer Unterredung <strong>de</strong>rGauleiter Luxemburgs, Lothringensund <strong><strong>de</strong>s</strong> Elsass mit Hitlerwur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong>halb die Zwangsrekrutierungbeschlossen. Da nur Deutschein <strong>de</strong>r Wehrmacht dienenkonnten, wur<strong>de</strong> verfügt, dass alleLuxemburger mit <strong>de</strong>m Eintritt indie Wehrmacht die <strong>de</strong>utsche Nationalitätannehmen. „Dies war einklarer Verstoß gegen das Völkerrechtund gegen die Haager Landkriegsordnung“,betont Paul Dostert.Im Auswärtigen Amt in Berlinhabe es durchaus Juristen und Diplomatengegeben, die sich dagegengewehrt hätten. Durchsetzenkonnten sie sich allerdings nicht.Durch die Wehrpflicht wur<strong>de</strong> –beabsichtigt o<strong>de</strong>r nicht – auch dieResistenz geschwächt, die zueinem großen Teil aus jungenMenschen bestand. Größere Vereinigungenwie die „LëtzebuergerVollekslegioun“ (LVL), <strong>de</strong>renChef Aloyse Raths zwangsrekrutiertwur<strong>de</strong>, funktionierten weiter,während kleinere Vereinigungenschwer getroffen wur<strong>de</strong>n.Paul DostertHeftige ReaktionIm Vergleich zu <strong>de</strong>n Reaktionenauf <strong>de</strong>n obligatorischen Beitrittzum Reichsarbeitsdienst – ab Mai1941 verließen manche Luxemburgerdas Land und viele Mädchenheirateten, um <strong>de</strong>m RAD zu entgehen– war die Reaktion <strong>de</strong>r Luxemburgerauf die Zwangsrekrutierungweitaus heftiger. Gerüchteüber die bevorstehen<strong>de</strong> Einführung<strong>de</strong>r Maßnahme hatte es seitlangem gegeben, doch eine Einigungüber <strong>de</strong>n Generalstreikwur<strong>de</strong> laut Aloyse Raths erst eineWoche vor <strong>de</strong>r Verkündung <strong>de</strong>rWehrpflicht gefun<strong>de</strong>n.Dabei stellte sich das Problem,wie die Bevölkerung zu informierenwar. Zuerst sollten keine Zügefahren, doch da die Bekanntmachungvon Gustav Simon an einemSonntag erfolgte, fuhren <strong>de</strong>ren nurwenige, und montags begann einean<strong>de</strong>re Schicht, sodass diese Lokführernicht informiert wer<strong>de</strong>nkonnten. In Brüssel gedruckteFlugblätter wur<strong>de</strong>n mit Koffernnach Luxemburg gebracht, konntenaber zum größten Teil nichtverteilt wer<strong>de</strong>n und enthielten zu<strong>de</strong>meinen unglaublichen Fehler,<strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>m Korrekturlesen passiertwar: Das wichtigste Wort,„Generalstreik“, war durch „Maj.“ersetzt wor<strong>de</strong>n – eine Anmerkung,die eigentlich nur ausdrücken sollte,dass das Wort fett gedrucktwer<strong>de</strong>n sollte.So blieb es bei vereinzeltenStreikaktionen, die sehr mutig,aber vor allem symbolisch waren:„Wirtschaftlich richtete <strong>de</strong>r Streikkeinen Scha<strong>de</strong>n an, doch die Deutschenreagierten mit Panik“, soPaul Dostert. Das Standrechtwur<strong>de</strong> in Luxemburg eingeführt.Das Standgericht bestand aus Gestapo-ChefFritz Hartmann undzwei weiteren Polizisten, die wieer Juristen waren, sich aber in <strong>de</strong>nDienst <strong><strong>de</strong>s</strong> Unrechts stellten. Siesprachen 20 To<strong><strong>de</strong>s</strong>urteile aus,überstellten 125 Personen an dieGestapo (die eine Einlieferung insKZ beschloss) und sprachen 20zumeist min<strong>de</strong>rjährige Personenfrei. Viele Schüler wur<strong>de</strong>n in Umerziehungslagerninterniert.Umsiedlungen waren bis dahinnicht vorgekommen – mit Ausnahmevon 20 Geistlichen, darunter<strong>de</strong>r spätere Bischof Léon Lommel,die sich für eine unabhängigeKirche eingesetzt hatten. Bei <strong>de</strong>rUmsiedlung ganzer Familien, dieals Folge <strong><strong>de</strong>s</strong> Generalstreiks einsetzte,spielte die Rasseni<strong>de</strong>ologie<strong>de</strong>r Nazis eine Rolle: Die Luxemburgerwur<strong>de</strong>n nicht etwa nach(FOTO: MICHEL BRUMAT)Frankreich <strong>de</strong>portiert, son<strong>de</strong>rnnach Westen, die meisten nachSchlesien.Dort wird das An<strong>de</strong>nken an jeneZeit zum Teil aufrechterhalten:„Das Grab eines Luxemburgersauf <strong>de</strong>m Friedhof von Leubus wirdvon <strong>de</strong>n Polen sehr gepflegt undLuxemburger, die es besuchen, legenBlumen darauf nie<strong>de</strong>r.“ Insgesamtwur<strong>de</strong>n rund 70 Luxemburgerin Schlesien begraben, darunterauch Kleinkin<strong>de</strong>r, die früh verstorbenwaren. Luxemburger habenauch Geld gespen<strong>de</strong>t für dieRenovierung <strong><strong>de</strong>s</strong> barocken Predigtstuhls<strong>de</strong>r Pfarrkirche vonLeubus. An <strong>de</strong>r Mauer <strong><strong>de</strong>s</strong> Klostersvon Leubus, in <strong>de</strong>m die Luxemburgeruntergebracht waren,ist eine Ge<strong>de</strong>nktafel befestigt.Auch gibt es Bestrebungen, eineGe<strong>de</strong>nkstätte in diesem Klostereinzurichten, wo die Besucherüber die Umsiedlung, aber auchüber das heutige Luxemburg, informiertwür<strong>de</strong>n. Über die Umsiedlungmüsste laut Paul Dostertnoch viel Forschungsarbeit geleistetwer<strong>de</strong>n – z. B. in Form einerMaster- o<strong>de</strong>r Doktorarbeit.Was die Aufrechterhaltung <strong>de</strong>rErinnerung in Luxemburg betrifft,wur<strong>de</strong> laut Paul Dostert viel Materialgesammelt, darunter auchviele Berichte von Zeitzeugen.Noch viel zu tun bleibe in punctoAufarbeitung, z.B. im Bereich <strong>de</strong>rGerichtsprozesse in <strong>de</strong>r Nachkriegszeit.Paul Dostert hält aucheine verstärkte Zusammenarbeitaller Akteure für erfor<strong>de</strong>rlich, umüber die einzelnen Opfergruppenhinaus das An<strong>de</strong>nken an alle Opfer<strong>de</strong>r Naziherrschaft zu erhalten. Esgebe bereits eine engere Zusammenarbeitzwischen <strong>de</strong>m „Comitédirecteur pour le souvenir <strong>de</strong> laRésistance“ und <strong>de</strong>m „Comité directeurpour le souvenir <strong>de</strong> l'enrôlementforcé“.Für drei nationale Ge<strong>de</strong>nktagePaul Dostert wür<strong>de</strong> eine Zusammenlegungseines Dokumentationszentrumsüber die Resistenz(in <strong>de</strong>r Villa Pauly) mit <strong>de</strong>m Dokumentationszentrumüber dieZwangsrekrutierung (im altenHollericher Bahnhof) nach seinerPensionierung für sinnvoll halten– wodurch es zu Synergien kommeund z. B. ein zusätzlicher Historikereingestellt wer<strong>de</strong>n könnte.Darüber hinaus wür<strong>de</strong> PaulDostert weitere Bemühungen <strong>de</strong>rRegierung begrüßen – nicht nurfinanzieller Art, wozu die seit Jahrenangekündigte Renovierung<strong><strong>de</strong>s</strong> Resistenzmuseums in Esch/Alzette gehöre, son<strong>de</strong>rn auch dieEinführung von zwei weiteren nationalenGe<strong>de</strong>nktagen über die„Journée <strong>de</strong> commémoration nationale“hinaus – einen für dieResistenzler und einen für dieZwangsrekrutierten. Wünschenwür<strong>de</strong> sich Paul Dostert auch eineverstärkte I<strong>de</strong>ntifikation <strong>de</strong>r Abgeordnetenkammermit <strong>de</strong>mThema und eine größere Präsenzin <strong>de</strong>n Schulen. „Immerhin ist <strong>de</strong>rZweite Weltkrieg <strong>de</strong>r kruzialePunkt, als Luxemburger sich einsetztenund ihr Leben riskiertenfür ein freies, unabhängiges Luxemburg.“„Die Luxemburger Jugend hat mit ihrer34-prozentigen Wehrmachtsentziehungo<strong>de</strong>r ,Desertionen‘ ihrem Lan<strong>de</strong>in einzigartiges Attest ausgestellt. In<strong>de</strong>r Militärgeschichte Europas ist einsolcher Prozentsatz noch nie erreichtwor<strong>de</strong>n.“(Christian Calmes, 1995)Junge Luxemburger wur<strong>de</strong>n ab <strong>de</strong>m Bahnhof Luxemburg in die Kasernen <strong><strong>de</strong>s</strong> Dritten Reiches verschleppt. (FOTO: AUS ANDRÉ HEIDERSCHEID, ZWANGSREKRUTIERT, BAND 2)

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