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Seismologie und Seismik - Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

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Seismische WellenGr<strong>und</strong>typen von RaumwellenEs gibt zwei Gr<strong>und</strong>typen von Wellen, die sich in einem unendlichausgedehnten, homogenen elastischen Medium geradlinig <strong>und</strong> unabhängigvoneinander ausbreiten (S. D. Poisson, 1830):Kompressionswelle (P-Welle, longitudinal polarisiert)Quelle: L. Braile, Purdue University


Seismische WellenGr<strong>und</strong>typen von RaumwellenScherwelle (S-Welle, transversal polarisiert)Quelle: L. Braile, Purdue University


Seismische WellenBezeichnungen der WellentypenAusbreitungsgeschwindigkeit v p der Kompressionswelle ist immer höher alsdie v s der Scherwelle.Kompressionswelle setzt an an jedem Ort vor der Scherwelle ein.Kompressionswelle wird als Primärwelle (P-Welle) bezeichnet, Scherwelleals Sek<strong>und</strong>ärwelle (S-Welle).Faustregel für die GeschwindigkeitenFestgestein: v s ≈ 0.5 v p − 0.6 v pLockergesteine: v s ≈ 0.4 v p


Seismische WellenWellenausbreitung <strong>und</strong> elastische Eigenschaftenv p <strong>und</strong> v s hängen ab von der Dichte <strong>und</strong> dem Elastizitätsmodul desjeweiligen Deformationstyps:√ √√Mv p =ρ= λ + 2µ K + 4 3=µ√ µ<strong>und</strong> v s =ρρρmitM = linearer Elastizitätsmodul bei Deformationohne seitliche KontraktionK = volumetrischer Kompressionsmodulµ = Schermodul


Seismische WellenDas BrechungsgesetzDurch die verschiedenen Wellentypen entstehen mehr refraktierte(gebrochene) <strong>und</strong> reflektierte Wellen als in der Optik. Fällt eine P-Welleoder eine S-Welle auf eine Grenzfläche, enstehen i. A. jeweils einerefraktierte P- <strong>und</strong> S-Welle <strong>und</strong> jeweils eine reflektierte P- <strong>und</strong> S-Welle.Das Brechungsgesetz gilt hier für jedes Paar von Wellen, d. h. derStrahlparameterp = sin αvist für alle beteiligten Wellen identisch. Die Bestimmung der Intensitätender reflektierten <strong>und</strong> refraktierten Wellen ist allerdings kompliziert.


<strong>Seismik</strong>HauptanwendungsgebieteProspektion <strong>und</strong> Exploration von Rohstofflagerstätten, großeBedeutung für die Suche nach Erdöllagerstätten.Erk<strong>und</strong>ung des geologischen Strukturbaus, z. B. für den TunnelbauTiefe <strong>und</strong> Relief des Übergangs von Locker- zu Festgestein füringenieurgeologische Anwendungen (z. B. Baugr<strong>und</strong>untersuchungen,Hanginstabilitäten)Lage des Gr<strong>und</strong>wasserspiegels sowie Grenzflächen zwischen Aquiferen<strong>und</strong> gr<strong>und</strong>wasserstauenden HorizontenKartierung von Deponien


<strong>Seismik</strong>Erzeugung seismischer WellenDie seismologische Erk<strong>und</strong>ung nutzt die Wellen natürlicher Erdbeben,während bei <strong>Seismik</strong> die Wellen selbst erzeugt werden, meist mittels:HammerschlagFallgewichteSprengungenVibrationsmaschinen (“Vibroseis“)Luftpulser (in der Seeseismik)EindringtiefeDie verschiedenen Arten der Anregung unterscheiden sich in derverfügbaren Energie <strong>und</strong> damit in der Eindringtiefe. Die größtenEindringtiefen werden durch natürliche Erdbeben erreicht, jedoch ist hierdie zur Verfügung stehende Datenmenge begrenzt.


<strong>Seismik</strong>SprengungenQuelle: Lehrveranstaltungs-Unterlagen R. Scholger


<strong>Seismik</strong>Vibrationsmaschinen ( ”Vibroseis“)Quelle: Wikipedia


<strong>Seismik</strong>Luftpulser (in der Seeseismik)Quelle: Wikipedia


<strong>Seismik</strong>Aufnahme der SignaleZur Signalaufnahme werden Seismometer oder Geophone benutzt.Geophon besteht aus Permanentmagnet <strong>und</strong> Spule, wovon eines starr mitdem Gehäuse verb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> eines beweglich aufgehängt ist (ähnlichMikrophon). Das Ausgangssignal (induzierte Spannung) istproportional zur Geschwindigkeit der Relativbewegung.Auswertegerät nimmt die Signale von meist 6–48 Geophonen (Kanäle)<strong>und</strong> evtl. von der seismischen Quelle auf.


<strong>Seismik</strong>Aufbau eines Geophons


<strong>Seismik</strong>Aufbau für HammerschlagseismikQuelle: Burger et al., Introduction to Applied Geophysics


<strong>Seismik</strong>Picking – Bestimmung der ErsteinsätzeIm Allgemeinen wird nur der Zeitpunkt des Ersteinsatzes der Wellenverschiedener Typen an den Geophonen ausgewertet.Quelle: Burger et al., Introduction to Applied Geophysics


<strong>Seismik</strong>Picking – Bestimmung der ErsteinsätzeMeist entwederZeitpunkt, wo sich das Signal erstmals aus dem Rauschen hervorhebt,odererstes Maximum minus eine Viertel-Wellenlänge.Oftmals durch Software unterstützt


<strong>Seismik</strong>Methoden der <strong>Seismik</strong>Die wichtigsten Methoden der <strong>Seismik</strong> sindReflexionsseismik: Messung der an Grenzfächen reflektieren WellenRefraktionsseismik: Messung der im Grenzfall der Totalreflexionauftretenden sogenannten KopfwelleSeismische Tomographie: Erfassung <strong>und</strong> Inversion des Signals vonmöglichst vielen Quellen <strong>und</strong> Aufnehmern. Haupsächlich auf großerSkala auf Basis natürlicher Erdbeben angewendet.Reflexions- <strong>und</strong> Refraktionsseismik dienen dazu, Grenzflächen imUntergr<strong>und</strong>, an denen sich die seismischen Geschwindigkeiten ändern, zudetektieren.Normalerweise werden nur die Ersteinsätze der P-Wellen verwendet.


ReflexionsseismikGr<strong>und</strong>prinzip


ReflexionsseismikReflexion an oberster, horizontaler SchichtgrenzeLaufzeit der reflektierten Welle zu einem Geophon im Abstand x von derQuelle:√4d1 2t =+ x 2mitd 1 = Mächtigkeit der obersten Schichtv 1 = seismische Geschwindigkeit (P-Welle) der obersten SchichtDiese Gleichung beschreibt eine Hyperbel:v 1t 2(2d 1 /v 1 ) 2 − x 2(2d 1 ) 2 = 1


ReflexionsseismikReflexionshyperbel250200t [ms]1501005000 100 200 300 400 500x [m]1. ReflexionDirekte Welle


ReflexionsseismikAuswertung der Reflexionshyperbelv 1 kann aus der Laufzeitkurve der direkten Welle bestimmt werden.Danach kann d 1 aus v 1 <strong>und</strong> der Reflexionshyperbel bestimmt werden.Wie groß sind v 1 <strong>und</strong> d 1 im Beispiel auf der vorherigen Seite?v 1 kann auch ohne die direkte Welle bestimmt werden, <strong>und</strong> zwaraus der asymptotischen Steigung der Reflexionshyperbel für x → ∞(erfordert sehr große Auslagen, die meist nicht realisierbar sind), oderaus der Krümmung der Reflexionshyperbel.


ReflexionsseismikNormal Moveout KorrekturDer Effekt, dass t mit x wächst, heißt Normal Moveout (NMO).Die Korrektur auf x = 0 heißt NMO Korrektur oder Common Midpoint(CMP) Methode. Sie wird verwendet, wenn die Laufzeitkurvenverschiedener Schuss- <strong>und</strong> Geophonpositionen zur Verbesserung derSignalqualität überlagert werden sollen.


ReflexionsseismikNormal Moveout KorrekturQuelle: Wikipedia


ReflexionsseismikReflexionsseismik im Mehrschichtfall250200t [ms]1501005000 100 200 300 400 500x [m]2. Reflexion1. ReflexionDirekte Welle


ReflexionsseismikReflexionsseismik im MehrschichtfallDie Laufzeitkurven der Reflexion an weiteren Schichtgrenzen sind nurnäherungsweise Hyperbeln.Die Geschwindigkeiten v 2 , v 3 , . . . können gr<strong>und</strong>sätzlich auch aus den(näherungsweisen) Reflexionshyperbeln bestimmt werden (aberkomplizierter als bei der ersten Schichtgrenze).Die Ungenauigkeit wird von Schicht zu Schicht größer, sodass meistzusätzliche Informationen über die Geschwindigkeiten nötig sind.In welcher Tiefe liegt die zweite Schichtgrenze im Beispiel auf dervorherigen Seite, wenn v 2 = 3 km sbeträgt?Reflexionsseismik bei geneigten oder gekrümmten SchichtgrenzenIst deutlich komplizierter. Transfer von Laufzeiten in Tiefen(Tiefenmigration) z. B. durch Konstruktion von Kugelwellen.


ReflexionsseismikIntensität der reflektierten WellenDie Intensität der reflektierten Welle hängt ab vom Kontrast in derakustischen ImpedanzZ = ρv.Reflexionskoeffizient R = Amplitudenverhältnis von reflektierter zueinfallender WelleGr<strong>und</strong>sätzlich wächst R mit wachsendem Kontrast in Z.Bei senkrechtem Einfall einer P-Welle werden keine S-Wellen erzeugt,<strong>und</strong> es giltR = Z 2 − Z 1Z 2 + Z 1= ρ 2v 2 − ρ 1 v 1ρ 2 v 2 + ρ 1 v 1.Beim Passieren mehrerer Schichtgrenzen geht viel Energie verloren.Reflexionsseismik benötigt relativ starke seismische Quellen.


RefraktionsseismikReflexion <strong>und</strong> Brechung einer Kugelwelle an einer ebenen Grenzfläche


RefraktionsseismikKritische BrechungFällt eine Welle unter dem kritischen Winkel α c mitsin α c = v 1v 2auf eine Grenzfläche von einem Medium mit der seismischenGeschwindigkeit v 1 zu einem Medium mit v 2 > v 1 , läuft die refraktierteWelle mit der Geschwindigkeit v 2 an der Grenzfläche entlang.


RefraktionsseismikDie seismische KopfwelleKritisch refraktierte Welle = seismische Kopfwelle = Mintrop-Welle (nachL. Mintrop, 1880–1956).Strahlt permanent Wellen unter dem Winkel α c zurück in das andereMediumLäuft mit v 2 > v 1 an der Grenzfläche entlang”Überholt“ die direkte Welle (v 1) irgendwann


RefraktionsseismikGr<strong>und</strong>prinzip


RefraktionsseismikAuftretende WellenQuelle: Burger et al., Introduction to Applied Geophysics


RefraktionsseismikLaufzeit der Kopfwelle an einer horizontalen SchichtgrenzeDie unter dem kritischen Winkel α c reflektierte Welle benötigt die Zeitt =2dv 1 cos α c(d = Schichtmächtigkeit) <strong>und</strong> erreicht die Oberfläche beix = 2d tan α c .Kopfwelle erreicht nach der Zeitt =2dv 1 cos α c+ x − 2d tan α cv 2= 2 d cos α cv 1+ x v 2einen Aufnehmer am Ort x.


RefraktionsseismikLaufzeitdiagramm bei einer horizontalen Schichtgrenzedirekte WelleLaufzeit trefraktierte WelleStrecke xWie sieht die reflektierte Welle für dieses Diagramm aus?


RefraktionsseismikLaufzeitdiagrammZur Ermittlung des Laufzeitdiagramms werden ein Schusspunkt <strong>und</strong>mehrere Geophone verwendet, welche auf einer Geraden liegen sollten.Direkte <strong>und</strong> refraktierte Wellen sind Geraden, reflektierte Wellen(näherungsweise) Hyperbeln.Oftmals wird nur der Ersteinsatz ausgewertet, d. h. die frühere derbeiden Wellen.


RefraktionsseismikAuswertung bei horizontaler Grenzfläche1 Steigung der Laufzeitkurve der direkten Welle S d = 1 v 12 Steigung der Laufzeitkurve der refraktierten Welle S r = 1 v 23 Intercept-Zeit = Extrapolierter Schnitt der Laufzeitkurve derKopfwelle mit der Zeitachset 0= 2 d cos α cv 1√1= 2 dv 2 1− 1v 2 2sodassd = t 0 v 12 cos α c=t 02√1v 2 1− 1v 2 2


RefraktionsseismikBeispiel120100Laufzeit [ms]8060402000 100 200 300 400 500Abstand [m]


RefraktionsseismikBestimmung einer geeigneten AuslageSchnittpunkt der Laufzeitkurven der direkten <strong>und</strong> der refraktierten Welle:xv 1= 2 d cos α cv 1+ x v 2x = 2 d cos α c v 2v 2 − v 1√v2 + v 1= 2 dv 2 − v 1Profil sollte deutlich länger als x sein (2-5 mal so lang), damit dieLaufzeitkurven beider Wellen erkennbar sind.Sinnvolle Profillänge zur Bestimmung des Gr<strong>und</strong>wasserspiegels in ca. 12 mTiefe in einem Aquifer aus Sand <strong>und</strong> Kies?


RefraktionsseismikLaufzeitkurve bei geneigter SchichtgrenzeβdSchnittpunkte der ankommenden Strahlen mit der blauen Hilfslinie:x b= x cos β − x sin β tan α cBenötigte Zeit von blauer Hilfslinie zur Oberfläche:t − t b = x sin βv 1 cos α c


RefraktionsseismikLaufzeitkurve bei geneigter SchichtgrenzeKopfwelle erreicht nach der Zeitt b= 2 d cos α cv 1+ x bv 2einen Aufnehmer den Ort x b auf der blauen Hilfslinie, sodasst = 2 d cos α cv 1= 2 d cos α cv 1++ x cos β − x sin β tan α c+ x sin βv 2 v 1 cos α( ccos β+ sin β cos α )cxv 1v 2


RefraktionsseismikLaufzeitkurve bei geneigter SchichtgrenzeSteigung:S r= cos βv 2+ sin β cos α cv 1Bei einer in Schussrichtung einfallenden Schichtgrenze (downdip) istdie Kopfwelle scheinbar langsamer <strong>und</strong> umgekehrt.Intercept-Zeit:t 0 = 2 d cos α cv 1Wie bei horizontaler Schichtgrenze, wenn die Tiefe d senkrecht zurSchichtgrenze gemessen wird.


RefraktionsseismikSchuss <strong>und</strong> GegenschussBei geneigter Grenzfläche genügt die Laufzeitkurve nicht, um v 2 , d <strong>und</strong> βzu bestimmen.Hier wird meist die Methode ”Schuss <strong>und</strong> Gegenschuss“ angewandt, beider zusätzlich die Laufzeitkurve in Gegenrichtung bestimmt wird (miteinem zweiten Schusspunkt am Ende des Profils).


RefraktionsseismikSchuss <strong>und</strong> GegenschussAuswertung bei Schuss <strong>und</strong> Gegenschuss:1 Steigung der Laufzeitkurve der direkten Welle S d = 1 v 1(wie beihorizontaler Grenzfläche).2 Mittelwert der Beträge der Steigungen der Laufzeitkurven der beidenKopfwellen:S r = cos βv 23 Tiefenlage der Schichtgrenze ähnlich wie bei horizontaler Grenzfläche:d = t 0 v 12 cos α c=t 02√1v 2 1− 1v 2 2wobei die Intercept-Zeiten für Schuss <strong>und</strong> Gegenschuss die Tiefenlage(senkrecht zur Schichtgrenze gemessen) unter dem jeweiligenSchusspunkt liefern.


RefraktionsseismikSchuss <strong>und</strong> GegenschussIterative Handhabung von β:1 Beginne mit der Annahme einer horizontalen Schichtgrenze(cos β = 1).2 Bestimme β nachmitsin β = δd lδd = Differenz der Tiefen unter den Schusspunktenl = Auslage (Profillänge)3 Wenn cos β deutlich kleiner als 1 ist, wiederhole (1) <strong>und</strong> (2), so oft,bis sich cos β nicht mehr stark ändert.4 Bei Bedarf können die Tiefen senkrecht zur Oberfläche alsdcos βberechnet werden.


RefraktionsseismikBeispiel120100Laufzeit [ms]8060402000 100 200 300 400 500Abstand [m]


RefraktionsseismikMehrschichtfallEs kommen weitere refraktierte Wellen hinzu.Auswertung ist aufwändiger, aber es kommen keine prinzipiellenProbleme hinzu.Wichtigste Einschränkung: Nur Schichtgrenzen, an denen dieseismische Geschwindigkeit nach unten steigt, können detektiertwerden (gilt natürlich auch im Zweischichtfall).


Refraktionsseismik vs. ReflexionsseismikVorteile der ReflexionsseismikHohe räumliche AuflösungAuflösung komplexer geologischer Strukturen (nicht-planarerSchichtgrenzen) möglichAuch Detektion von Schichten mit geringerer Wellengeschwindigkeit(Geschwindigkeitsinversion) möglichVorteile der RefraktionsseismikRelativ einfache AuswertungKommt mit moderaten seismischen Energien aus

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