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Das Gesellschaftsbild der LohnarbeiterInnen - VSA Verlag

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20Klaus Dörre/Anja Happ/Ingo Matuschekquantitativ wie qualitativ an Bedeutung. Während sich im Arbeiterbereichein eher defensives Arbeitnehmerbewusstsein artikulierte, das auch für nationalistisch-autoritäreAnrufungen offen war (Schumann et al. 1982: 531),konnten sich neue oppositionelle Bewegungen, die sich primär an Reproduktionskonfliktenentzündeten, auf gewerkschaftlich allenfalls schwachrepräsentierte Jugendliche, Frauen und Angehörige sozialberuflicher Mittelschichtenstützen.Dies vor Augen, hatte sich in wichtigen Strömungen <strong>der</strong> zeitgenössischenSoziologie eine Abkehr vom Arbeitsparadigma vollzogen. Gerade weil diefortgeschrittenen Kapitalismen ihre Regulierungskapazität erfolgreich aufdie Einhegung des Kapital-Arbeit-Gegensatzes konzentrierten, seien mit <strong>der</strong>»Kolonialisierung <strong>der</strong> Lebenswelt« (Habermas 1987: 489-547) Konfliktlinienjenseits <strong>der</strong> industriellen Klassenspaltung entstanden. Die »förmlicheErwerbsarbeit« habe »die subjektive Qualität« verloren, »organisierendesZentrum <strong>der</strong> Lebenstätigkeit, <strong>der</strong> sozialen Fremd- und Selbsteinschätzungund <strong>der</strong> moralischen Orientierungen zu sein«, diagnostizierte etwa ClausOffe. Und weil die strukturierende Kraft <strong>der</strong> Erwerbsarbeit abnehme, könne<strong>der</strong> Kapital-Arbeit-Konflikt nicht länger das Zentrum <strong>der</strong> Herrschaftsbeziehungenentwickelter Gesellschaften bilden (Offe 1984: 7, 37).Die antiproduktivistisch-kulturalistische Wende vor allem <strong>der</strong> westdeutschenSoziologie berührte den Kernbestand industriesoziologischen Wissens.Die – auch politischen – Implikationen dieser Wende hatte André Gorz mitbeson<strong>der</strong>er Klarheit und Schärfe formuliert. Nach seiner Auffassung musstedas Projekt einer Befreiung in <strong>der</strong> Arbeit endgültig ad acta gelegt und zugunsteneines Projekts <strong>der</strong> Befreiung von Erwerbsarbeit aufgegeben werden.Gorz, <strong>der</strong> in den späten 1960er Jahren noch die wissenschaftlich-programmatischeGrundlage für antikapitalistische Gewerkschaftspolitiken gelieferthatte, begründete diese Sichtweise mit dem durch Spezialisierung undorganisatorische Restrukturierung verursachten Auseinan<strong>der</strong>fallen von Arbeits-und Produktionsprozessen. An<strong>der</strong>s als die Arbeitsprozesse würden dieProduktionsprozesse immer undurchschaubarer; dadurch büßten die Arbeitendenihre Primärmacht weitgehend ein. Die Fabrik sei »keine ökonomischeEinheit mehr«: »Mit an<strong>der</strong>en, zumeist einige hun<strong>der</strong>t Kilometer entferntenProduktionsstätten integriert, hängt sie in bezug auf Versorgung, Absatz,Fertigungsprogramm usw. von einer Zentraldirektion ab, die dutzende Produktionseinheitenverschiedener Wirtschaftszweige koordiniert und leitet.Mit an<strong>der</strong>en Worten: Die Produktionsstätten sind nicht länger Entscheidungszentrenund Grundlagen ökonomischer Macht. Der gesellschaftlicheProduktionsprozess ist opak geworden, und das prägt den Arbeitsprozess je<strong>der</strong>Werkstatt, da die endgültige Bestimmung <strong>der</strong> Produkte, bisweilen sogar

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