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Was lässt Pflanzen blühen? – - Max-Wissen

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Ausgabe 28Frühjahr2012BIOMAXNeugierig auf <strong>Wissen</strong>schaftWoher weiß eine Pflanze, ob es gerade Frühling,Sommer oder Herbst ist und wann sie<strong>blühen</strong> muss? Vor bald 150 Jahren berichteteJulius Sachs, dass, wenn er ein Blatt einer imDunkeln stehenden Ackerwinde beleuchtete,die Pflanze prompt ihre Blüte öffnete. Darausfolgerte er, dass es einen systemischen Signalwegvom Blatt zur Blütenknospe gebenmüsse. Doch weitere Hinweise darauf, was<strong>Pflanzen</strong> zum Blühen bringt, blieben aus <strong>–</strong>beiden <strong>Pflanzen</strong> begann zu <strong>blühen</strong>, ehe dieTageslänge eine kritische Anzahl von Stundenunterschritten hatte. Folglich blühtenalle Sojabohnenpflanzen <strong>–</strong> egal, wann sieausgesät worden waren <strong>–</strong> erst dann, wenndie Tage kurz genug waren, im September.Der „Maryland Mammoth“-Tabak blühte <strong>–</strong>egal wie hoch er gewachsen war <strong>–</strong> nicht vorDezember, also dann, wenn die Tage nochkürzer sind.<strong>Was</strong> <strong>lässt</strong> <strong>Pflanzen</strong> <strong>blühen</strong>? <strong>–</strong>auf der Suche nach dem geheimnisvollen Florigenbis zur Entdeckung des Photoperiodismus1920: In einem Tabakfeld in der Nähe von<strong>Was</strong>hington D.C. in den USA entdecktenzwei Forscher des U.S.-Department of Agriculture,Wightman W. Garner und HarryA. Allard, eine Tabakmutante. Während dieanderen Tabakpflanzen mit fortschreitenderJahreszeit blühten, wurde diese Mutante,Maryland Mammoth genannt, einfach nurgrößer und größer. Die beiden Forscherbrachten <strong>Pflanzen</strong> ins Gewächshaus, wo sievor Frost geschützt waren und im Dezemberendlich blühten.Auf die Tageslänge kommt es anGarner und Allard machten auch Versuche mitder Sojabohnensorte Biloxi mit dem Ziel, denZeitraum der Sojabohnenernte auszudehnen.Aber unabhängig vom Saattermin blühtenalle <strong>Pflanzen</strong> zur selben Zeit, im September.Die Forscher begannen nun, diese beiden<strong>Pflanzen</strong>sorten <strong>–</strong> den „Maryland Mammoth“-Tabak und die „Biloxi“-Sojabohne <strong>–</strong> unterverschiedenen kontrollierten Bedingungen zukultivieren. Sie drehten an der Temperatur,der Feuchtigkeit, der Nährstoffzufuhr und denLichtbedingungen. Und sie fanden schließlichheraus, dass der kritische Faktor bei beiden<strong>Pflanzen</strong> die Tageslänge ist: Keine derDie beiden US-Forscher bezeichneten diesesPhänomen als Photoperiodismus. Die Photoperiode,also die tägliche Belichtungszeit,entscheidet darüber, ob bestimmte Morphosen(Gestaltänderungen) oder biologischeAktivitäten stattfinden können oder nicht.Garner und Allard versuchten, ihre Entdeckungan zahlreichen anderen <strong>Pflanzen</strong>artenzu bestätigen. Hierbei gelang es ihnen, unzähligeFragen zu beantworten, mit denensich insbesondere <strong>Pflanzen</strong>züchter schon langebeschäftigt hatten: Warum beispielsweisewächst Spinat nicht in den Tropen? Antwort:Weil Spinat, um zu <strong>blühen</strong>, wenigstens14 Tage lang mindestens 14 Stunden Lichtpro Tag benötigt <strong>–</strong> und das ist in den Tropennie der Fall. Die Forscher fanden heraus,dass sich die <strong>Pflanzen</strong> in drei Haupttypen untergliedernlassen (Abb. B): in Kurztag- undLangtagpflanzen sowie in tagneutrale <strong>Pflanzen</strong>.Kurztagpflanzen <strong>blühen</strong> im zeitigenFrühjahr oder Herbst, wenn die Lichtphaserelativ zur Dunkelphase kurz ist.Langtagpflanzen <strong>blühen</strong>dagegen hauptsächlich imSommer; sie kommenerst bei Überschreiteneiner kritischen Tageslängezum Blühen. k3 Buschwindröschen gehören zu densogenannten Frühblühern.Seite1


Als die biochemischen Ansätze nicht weiterführten,kam die Molekulargenetik insSpiel. Die unscheinbare AckerschmalwandArabidopsis thaliana hatte sich zu einemweit verbreiteten Modellorganismus in der<strong>Pflanzen</strong>forschung entwickelt. Ihr Genomwurde inzwischen vollständig entschlüsselt;es enthält etwa 25.000 Gene, welche dieBasis für das pflanzliche Leben darstellen.Arabidopsis ist eine Langtagpflanze, die imFrühling als Folge der länger werdenden Tageblüht. Die Forscher untersuchten MutankTagneutrale <strong>Pflanzen</strong> <strong>blühen</strong> unabhängigvon der Tageslänge. Für die <strong>Pflanzen</strong> wirktdie Tageslänge als ein Maß der Jahreszeit.Die Bedeutung des Photoperiodismus liegtauf der Hand: Er steuert m Normalfall dieEntwicklung so, dass beim Eintreten ungünstigerWitterungsperioden (Kälte- oderTrockenperioden) das Blühen und Fruchtenabgeschlossen und Samen als Dauerstadiengebildet sind. <strong>Pflanzen</strong> können die Tageslängeauf 10 bis 15 Minuten genau erfassen.1945 nahmen Forscher das Wirkungsspektrumder photoperiodischen Reaktion aufund wiesen auf die Bedeutung von Rotlichthin. Wie später gezeigt wurde, steht derPhotoperiodismus unter der Kontrolle desPhytochrom-Systems, einer weit verbreitetenKlasse von Photorezeptor-Proteinen.Sie messen das Verhältnis von hellrotem zudunkelrotem Licht und steuern eine breitesSpektrum von Antworten auf Lichtreize, unteranderem auch die Keimung und Blütenbildung.Die Photorezeptor-Proteine sitzen inden Blättern der Pflanze.Unbekannter BlühfaktorDass die Lichtwahrnehmung dort erfolgt,hatte 1936 auch schon Michael Chailakhyananhand seiner Versuche mit der KurztagpflanzeChrysanthemum indicum zeigenkönnen. Er entlaubte den oberen Teil derTage90705030103 5 71 Die kritische Tageslänge beim Photoperiodismus ist artspezifisch. Ihre Größe besagt nichts über dasVorliegen einer Kurztags- oder Langtagsreaktion. Entscheidend ist, ob es sich um einen Tageslängenminimalwertoder -maximalwert handelt. Minimalwerte von Langtagpflanzen (LT) und <strong>Max</strong>imalwertevon Kurztagpflanzen (KT) können sich überlappen, wie hier bei der Kurztagpflanze Chrysanthemum undder Langtagpflanze Hyoscyamus niger; im Überlappungsbereich werden die entsprechenden Morphosen,z.B. das Blühen, bei beiden ausgelöst.Pflanze und setzte die Blätter des unterenTeils einer blüteninduzierenden Kurztagperiodeaus. Die Pflanze blühte. Hielt er aberden oberen, entlaubten Teil der Pflanze imKurztag und den unteren, beblätterten Teilim Langtag, so blühte die Pflanze nicht.Chailakhyan interpretierte diese Ergebnisseso, dass die Blätter offenbar eine Substanzbilden, die zur Sprossspitze wandert unddort die Blütenbildung auslöst. Er nanntediesen Blühfaktor „Florigen“. Dieser kannKTLT9 11 13 15 17 19 21Tageslänge (Stunden)sogar durch Pfropfung innerhalb verwandterArten von einer Kurztag- auf eine Langtagpflanzeund zwischen verschiedenen Artenübertragen werden. Allerdings gelangt Florigennur von einem <strong>Pflanzen</strong>gewebe zumanderen, wenn zwischen beiden eine Brückeaus lebendem Gewebe besteht. Werden primäreund sekundäre Rinde entfernt, hört derFlorigen-Transport auf. Offenbar wandert dieSubstanz also über das Phloem-System zurKnospe.CO mRNACO proteinFT mRNACO mRNACO proteinFT mRNASeite 2bb7 Einfluss der circadianenRhythmik auf den Photoperiodismus:Das CONSTANS-Gen wird etwa 12 Stundennach Tagesanbruch zumersten Mal abgelesen. Anlangen Tagen (oben) entstehtdaher bereits spätam Tag die entsprechendemRNA, während das ankurzen Tagen (unten) nur inder Nacht geschieht. Cryptochromund PhytochromA stabilisieren das neuhergestellte CONSTANS-Protein im Tageslicht. Sindsie jedoch wegen der einsetzendenDunkelheit nichtmehr aktiv, so wird dasProtein abgebaut. Daherist bei kurzer Tageslängedas CONSTANS-Protein in<strong>Pflanzen</strong>zellen nicht zu finden,obwohl seine Boten-RNA gebildet wird. Bei demCONSTANS-Protein handeltes sich um einen Transkriptionsfaktor,der das Ablesendes FT-Gens und damit dieHerstellung der entsprechendenBoten-RNA (FTmRNA) reguliert.Ein neuer AnsATzFlorigen schien universell in allen <strong>Pflanzen</strong>der vermittelnde Blühfaktor zu sein <strong>–</strong> aberden Forschern gelang es nicht, ihn genauerzu charakterisieren. Wie ein Phantom entzogsich das Florigen jedem Zugriff. „Nach keineranderen Substanz in der Botanik wurde solange ergebnislos gefahndet“ sagt DetlefWeigel, Direktor am <strong>Max</strong>-Planck-Institut fürEntwicklungsbiologie in Tübingen. Viele <strong>Wissen</strong>schaftlerbegannen deshalb zu glauben,dass Florigen eine komplizierte Mischungaus verschiedenartigen Molekülen seinmüsste.


© MPI für <strong>Pflanzen</strong>züchtungsforschungkweder Protein noch mRNA sich bei Pfropfungsexperimentenin hinreichender Mengein den Sprossverbindungen nachweisen ließen,kam es nicht als Blühfaktor in Frage.Allerdings schaltet CONSTANS im Zellkernbestimmte andere Gene ein <strong>–</strong> unter anderemauch das FLOWERING LOCUS T (FT)-Gen.Das FT-Gen wird in den Blättern aktiviertund löst im weiteren Verlauf die Blütenbildungaus: „Wir haben das FT-Gen in denspäten 1990er Jahren entdeckt, konnten unsaber über etliche Jahre nicht vorstellen, wiedieses kleine Protein die Aktivität der Genesteuert, die für die Bildung von Blüten nötigsind“, sagt Detlef Weigel.Der Tübinger <strong>Max</strong>-Planck-Forscher und seineMitarbeiter entdeckten, dass FT an einweiteres Protein mit dem Kürzel FD bindet(Kasten Seite 3). FD seinerseits steuert direktdie Aktivität von Genen, die dazu führen,dass sich Gruppen von Stammzellen <strong>–</strong> jeneZellen, deren Entwicklungsprogramm nochnicht festgelegt ist <strong>–</strong> an den Sprossspitzen zuBlüten entwickeln. Im Gegensatz zu FT wirddas FD-Protein jedoch nicht in den Blättern,sondern nur an den Spitzen der Sprossehergestellt. „Als wir sahen, dass FT das FD-Protein braucht, das an den Sprossspitzender Pflanze gebildet wird, wurde uns aufeinmal alles klar“, erklärt Weigel: „Nur wennFT und FD in derselben Zelle zusammenarbeiten,sind sie aktiv.“ Das FT-Protein wies4 Seite7 Das FT-Protein wurde mit einem grün fluoreszierendenProtein (GFP) markiert und im Gefäßsystemeines jungen Arabidopsis-Keimlingsunter dem Mikroskop beobachtet. So konnte experimentellnachgewiesen werden, dass das FT-Protein aus den Blättern bis in die Sprossspitzender Ackerschmalwand wandert.somit alle Eigenschaften des Florigens auf.Sollten die Forscher nach mehr als 70 Jahrenendlich den „Heiligen Gral der <strong>Pflanzen</strong>biologie“entdeckt haben?Da das FT-Gen in den Blättern aktiv ist,das FT-Protein aber an den weit entferntenSprossspitzen FD aktivieren muss, schlossendie Forscher, dass das kleine FT-Protein zuden Orten wandern muss, an denen dieBlüten entstehen. Offen blieb, ob es vonden Blättern direkt zu den Sprossspitzenwandert oder ob das Signal möglicherweisein einer Art Staffellauf über Zwischenstufenweitergeleitet wird. 2005 publizierteein Team schwedischer und französischer<strong>Wissen</strong>schaftler im Fachmagazin S c i e n c eeine Arbeit, nach der die Boten-RNA desFT-Proteins vom Blatt bis in den Wuchskegeltransportiert wird. Erst dort sollte das FT-Protein gebildet werden. Das war jedoch einIrrtum, wie sich zwei Jahre später herausstellte.Denn 2007 gelang es George Coupland undseinen Mitarbeitern, das grün fluoreszierendeProtein (GFP) an das FT-Protein zukoppeln. GFP stammt aus der Qualle Aequoreavictoria und ist aus dem Instrumentenkastender Zellbiologen heute nicht mehrwegzudenken <strong>–</strong> für seine Entdeckung undEntwicklung gab es 2008 deshalb auch denNobelpreis für Chemie. Coupland und Co.konnten den Weg des GFP-FT-Komplexes inArabidopsis aus dem Phloemgewebe zumWachstumskegel unter dem Mikroskop verfolgen(Abb. D) und damit den Nachweisliefern, dass das Signal zur Blüteninduktion<strong>–</strong> das FT-Protein <strong>–</strong> tatsächlich mobil ist.Daraus folgerten sie, dass das FT-Protein inden Blättern gebildet wird und danach durchdie gesamte Pflanze bis in den Wuchskegelder Sprossspitzen wandert, wo schließlichdie Blütenbildung induziert wird. Und die<strong>Wissen</strong>schaftler schoben einen weiterenBeweis nach: Sie pfropften Mutanten, diekein FT-Protein bilden konnten, auf ganznormale Arabidopsis-<strong>Pflanzen</strong> und beobachtetendann, wie das FT-Protein aus derunteren Pflanze durch die aufgepfropfte,FT-freie Pflanze durchwanderte und schließlichBlüten gebildet wurden. In Tübingenlieferte die Gruppe um Markus Schmid am<strong>Max</strong>-Planck-Institut für Entwicklungsbiologieweitere Indizien: Die Forscher verhindertenzunächst, dass das FT-Protein das Phloem-Gewebe ver<strong>lässt</strong> <strong>–</strong> und unterdrückten damitdas Blühen. Erst nachdem sie durch einenbiochemischen Trick das FT-Protein wiederfreigesetzt hatten, wurde die Blütenbildungausgelöst.Optionen für die <strong>Pflanzen</strong>zucht„Das Blühen einzuleiten, ist eine der wichtigstenEntscheidungen, die <strong>Pflanzen</strong> treffenmüssen. Es ist deshalb unerlässlich, dassdiese Entscheidung präzise auf die Jahreszeitabgestimmt wird“, betont Detlef Weigel.„<strong>Pflanzen</strong>, die durch Pollen von anderenMitgliedern ihrer Art bestäubt werden, wiebeispielsweise Kirschbäume, müssen sicherstellen,dass sie zur selben Zeit <strong>blühen</strong> wieihre Nachbarn. Es ist ein raffinierter Trick derNatur, dass zwei Komponenten zusammenkommen müssen, damit sich Blüten bildenkönnen. Eine bestimmt, zu welcher Jahreszeitdie Pflanze blüht, die andere, wo an derPflanze sich die Blüten bilden.“So komplex sich Florigen neuerdings auchdarstellt, so allgemein gültig ist wohl seineWirkung. Die Schlüsselmoleküle FT und FDkommen nämlich im gesamten <strong>Pflanzen</strong>reichvor, auch in bedeutenden Nutzpflanzen. Verstehtman das Zusammenspiel zwischenUmweltparametern sowie Blüten- und Samenentwicklungbesser, ließen sich möglicherweiseneue Reis-, Getreide- oder Gemüsesortenzüchten, die an Orten gedeihen können,an denen sie dies normalerweise nichttun würden. Vielleicht kann man irgendwannauch Spinat in den Tropen wachsen lassen.Schlagwörter: Photoperiodismus, Kurztag-/Langtagpflanzen,Florigen, Phytochrom-System, biologischeUhr, circadiane Rhythmik, Photorezeptor-Proteine,CONSTANS, FLOWERING LOCUS T, grün fluoreszierendesProteinLeseempfehlung: Richard Stout, How Plants MakeFlowers, Kindle eBook, 2011Link-Tipps: http://www.howplantswork.com/www.maxwissen.de<strong>–</strong> der Link zur Forschung fürSchüler und LehrerHier finden Sie Hintergrundinformationen unddidaktisches Material zu den jeweils zweimalim Jahr erscheinenden Ausgaben von BIOMAX,GEOMAX und TECHMAX. Weitere Exemplarekönnen Sie kostenlos bestellen bei:<strong>Max</strong>-Planck-Gesellschaft, Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Hofgartenstraße 8, 80539 München | e-mail: presse@gv.mpg.de | Text und Redaktion: Dr. Christina Beck | Gestaltung: www.haak-nakat.de

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