Als die biochemischen Ansätze nicht weiterführten,kam die Molekulargenetik insSpiel. Die unscheinbare AckerschmalwandArabidopsis thaliana hatte sich zu einemweit verbreiteten Modellorganismus in der<strong>Pflanzen</strong>forschung entwickelt. Ihr Genomwurde inzwischen vollständig entschlüsselt;es enthält etwa 25.000 Gene, welche dieBasis für das pflanzliche Leben darstellen.Arabidopsis ist eine Langtagpflanze, die imFrühling als Folge der länger werdenden Tageblüht. Die Forscher untersuchten MutankTagneutrale <strong>Pflanzen</strong> <strong>blühen</strong> unabhängigvon der Tageslänge. Für die <strong>Pflanzen</strong> wirktdie Tageslänge als ein Maß der Jahreszeit.Die Bedeutung des Photoperiodismus liegtauf der Hand: Er steuert m Normalfall dieEntwicklung so, dass beim Eintreten ungünstigerWitterungsperioden (Kälte- oderTrockenperioden) das Blühen und Fruchtenabgeschlossen und Samen als Dauerstadiengebildet sind. <strong>Pflanzen</strong> können die Tageslängeauf 10 bis 15 Minuten genau erfassen.1945 nahmen Forscher das Wirkungsspektrumder photoperiodischen Reaktion aufund wiesen auf die Bedeutung von Rotlichthin. Wie später gezeigt wurde, steht derPhotoperiodismus unter der Kontrolle desPhytochrom-Systems, einer weit verbreitetenKlasse von Photorezeptor-Proteinen.Sie messen das Verhältnis von hellrotem zudunkelrotem Licht und steuern eine breitesSpektrum von Antworten auf Lichtreize, unteranderem auch die Keimung und Blütenbildung.Die Photorezeptor-Proteine sitzen inden Blättern der Pflanze.Unbekannter BlühfaktorDass die Lichtwahrnehmung dort erfolgt,hatte 1936 auch schon Michael Chailakhyananhand seiner Versuche mit der KurztagpflanzeChrysanthemum indicum zeigenkönnen. Er entlaubte den oberen Teil derTage90705030103 5 71 Die kritische Tageslänge beim Photoperiodismus ist artspezifisch. Ihre Größe besagt nichts über dasVorliegen einer Kurztags- oder Langtagsreaktion. Entscheidend ist, ob es sich um einen Tageslängenminimalwertoder -maximalwert handelt. Minimalwerte von Langtagpflanzen (LT) und <strong>Max</strong>imalwertevon Kurztagpflanzen (KT) können sich überlappen, wie hier bei der Kurztagpflanze Chrysanthemum undder Langtagpflanze Hyoscyamus niger; im Überlappungsbereich werden die entsprechenden Morphosen,z.B. das Blühen, bei beiden ausgelöst.Pflanze und setzte die Blätter des unterenTeils einer blüteninduzierenden Kurztagperiodeaus. Die Pflanze blühte. Hielt er aberden oberen, entlaubten Teil der Pflanze imKurztag und den unteren, beblätterten Teilim Langtag, so blühte die Pflanze nicht.Chailakhyan interpretierte diese Ergebnisseso, dass die Blätter offenbar eine Substanzbilden, die zur Sprossspitze wandert unddort die Blütenbildung auslöst. Er nanntediesen Blühfaktor „Florigen“. Dieser kannKTLT9 11 13 15 17 19 21Tageslänge (Stunden)sogar durch Pfropfung innerhalb verwandterArten von einer Kurztag- auf eine Langtagpflanzeund zwischen verschiedenen Artenübertragen werden. Allerdings gelangt Florigennur von einem <strong>Pflanzen</strong>gewebe zumanderen, wenn zwischen beiden eine Brückeaus lebendem Gewebe besteht. Werden primäreund sekundäre Rinde entfernt, hört derFlorigen-Transport auf. Offenbar wandert dieSubstanz also über das Phloem-System zurKnospe.CO mRNACO proteinFT mRNACO mRNACO proteinFT mRNASeite 2bb7 Einfluss der circadianenRhythmik auf den Photoperiodismus:Das CONSTANS-Gen wird etwa 12 Stundennach Tagesanbruch zumersten Mal abgelesen. Anlangen Tagen (oben) entstehtdaher bereits spätam Tag die entsprechendemRNA, während das ankurzen Tagen (unten) nur inder Nacht geschieht. Cryptochromund PhytochromA stabilisieren das neuhergestellte CONSTANS-Protein im Tageslicht. Sindsie jedoch wegen der einsetzendenDunkelheit nichtmehr aktiv, so wird dasProtein abgebaut. Daherist bei kurzer Tageslängedas CONSTANS-Protein in<strong>Pflanzen</strong>zellen nicht zu finden,obwohl seine Boten-RNA gebildet wird. Bei demCONSTANS-Protein handeltes sich um einen Transkriptionsfaktor,der das Ablesendes FT-Gens und damit dieHerstellung der entsprechendenBoten-RNA (FTmRNA) reguliert.Ein neuer AnsATzFlorigen schien universell in allen <strong>Pflanzen</strong>der vermittelnde Blühfaktor zu sein <strong>–</strong> aberden Forschern gelang es nicht, ihn genauerzu charakterisieren. Wie ein Phantom entzogsich das Florigen jedem Zugriff. „Nach keineranderen Substanz in der Botanik wurde solange ergebnislos gefahndet“ sagt DetlefWeigel, Direktor am <strong>Max</strong>-Planck-Institut fürEntwicklungsbiologie in Tübingen. Viele <strong>Wissen</strong>schaftlerbegannen deshalb zu glauben,dass Florigen eine komplizierte Mischungaus verschiedenartigen Molekülen seinmüsste.