13.07.2015 Aufrufe

ganze Ausgabe im pdf-Format - Lehrerinnen

ganze Ausgabe im pdf-Format - Lehrerinnen

ganze Ausgabe im pdf-Format - Lehrerinnen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

2013/14-0119genügt, ohne dabei den Anspruch zuerheben, dass die Schülerinnen undSchüler diese Zeitform auch situativrichtig (kompetent!) anwenden können?Kann eine professionell agierendeGeschichts-Lehrerin sich damit zufriedengeben, das Thema «Faschismus»zu behandeln, ohne dass ihreKlasse dabei auch erkennen soll, welchegesellschaftlichen und ökonomischenRahmenbedingungen das Erstarkenradikaler politischer Kräftebegünstigen?Auch Beat W. Zemp räumt ein, dassKompetenzorientierung nicht etwasfundamental Neues darstelle, sonderndass es das teilweise auch vorherschon gegeben habe, betont abergleichzeitig, dass es «bisher nicht sokonsequent durchdacht» und «nichtin dieser Stringenz wie <strong>im</strong> Lehrplan21 vorhanden» gewesen sei.Banale Umsetzung einesVolksentscheids oder Vorboteder Abschaffung der Schule,wie wir sie heute kennen?Die s<strong>im</strong>pelste Antwort auf BinswangersFrage nach dem «Wofür all dasüberhaupt in dieser Form?» wäre wohlder Hinweis auf die Umsetzung derbildungspolitischen Vorgaben aus Artikel62, Absatz 4 der Bundesverfassung,gemäss welchem die Ziele derVolksschule in der Deutschschweizharmonisiert werden müssen. Undweil der Kompetenzbegriff eben derzeitin der Pädagogik (und anderswo)«en vogue» ist, fällt diese Umsetzungin der entsprechenden Prägung aus.Aber ist damit die Frage nach der Legit<strong>im</strong>itätdieses «formalen Korsettsvon Kompetenzen», wie Prof. WalterHerzog von der Universität Bern esformuliert, hinreichend beantwortet?Diese Frage würde zumindest ein Teiljener St<strong>im</strong>men, die der Kompetenzorientierungskeptisch bis ablehnendgegenüberstehen, mit einem klarenNein beantworten. In ihren Augen istdie Kompetenzorientierung vielmehrTeil einer <strong>ganze</strong>n Reihe einschneidenderReformen, die in ihrer Gesamtheitam Ende nicht weniger bewirken werdenals die «endgültige Verabschiedungdes Leistungsprinzips aus derSchule» sowie «die Abschaffung einesgegliederten Schulsystems». 8 Besondersdas Zusammengehen von Kompetenzorientierung,individueller Förderungund radikaler Inklusion wirdargwöhnisch betrachtet.Die Crux der nicht erfassbarenKompetenzenWie ist das gemeint? Kommen wir zunächstnoch einmal auf die Kompetenzenzurück. Binswanger merkt dazuan: «Der Lehrplan 21 soll […] mit seinenpräziseren Können-Formulierungenmehr Klarheit schaffen. Aus diesemGrund seien die <strong>im</strong> Lehrplan beschriebenenKompetenzen klar undmessbar formuliert. […] Nun zeichnensich wahre Kompetenzen aber geradedadurch aus, dass sie nicht exakt fassbarund nicht messbar sind. […] Wiesoll man etwa überprüfen, ob Schülerwichtige Veränderungen und Entwicklungenin Städten charakterisierenkönnen? Oder wie will man messen, obSchüler in verschiedenen Erfahrungsbereichen(etwa Generationen, Peers,Schule, Religion, Kunst) und Fachgebieten(etwa Geschichte, Biologie,Physik, Recht, Ökonomie) unterschiedlicheFragestellungen und Weltsichtenerkennen können? Dies sind nur zweiBeispiele von <strong>im</strong> Lehrplan 21 formuliertenKompetenzen, die deutlich machen,dass die Behauptung der Messbarkeitin diesem Zusammenhang absurdist. Hier wird eine Scheinpräzisionin Bezug auf Kompetenzen vorgegaukelt,die in Wirklichkeit weder überprüfbarnoch messbar sind.»Georg Lind erläutert und mahnt: «Diewenigen Andeutungen einer Definitionlassen erahnen, auf welche Konfusionsich die Reformen stützen, die‹Kompetenz› in ihrem Wappen führen.[…] Wenn wir sagen, Schule soll Kompetenzfördern, dann meinen wirdemnach auch, dass alle Formen undFacetten des Wissens gefördert […]werden sollen. Es kann nicht behauptetwerden, dass dies ein völlig neuerGedanke ist. Grosse Pädagogen (wieHerbart, Diesterweg, Pestalozzi, Montessori,Korczak, Piaget, Kohlberg) habendas schon <strong>im</strong>mer so gesehen. […]Mit PISA wurde das Wort ‹Kompetenz›in die breite Schulöffentlichkeit eingeführt.Dabei ist das Kunststück gelungen,diesen Begriff seiner Bedeutungfast ganz zu entkleiden. […] Paralleldazu hat die Schulöffentlichkeit dasWort ‹Kompetenz› rasant in den eigenenWortschatz aufgenommen, ohnedass auch nur <strong>im</strong> Geringsten erkennbarist, dass man die Bedeutung desBegriffes kennt, wie er in Philosophieund Psychologie bereits erarbeitetwurde. Man hofft wohl, von der Reputationdieses Wortes zu profitieren,ohne es richtig verstehen, anwendenund verantworten zu können. Es fälltvielen Nutzern dieses Begriffs daherauch nicht auf, welcher Selbstüberschätzungman erliegt, wenn manmeint, man könne die Kompetenzen(!) von Schülern quasi <strong>im</strong> Vorbeigehenbeurteilen und in so genannte ‹Kompetenz-Raster›einsortieren. Zudembelastet man den Begriff unnötig mitder Vermutung, eine Kompetenz seischulisch vermittelt und nicht angeborenoder von anderen vermittelt. Werwill das eindeutig feststellen? […] DieBenotung von Lernleistungen anhandvon Lernzielen ist schon schwer genug[…]. Aber die Benotung von Kompetenzenstellt ein Paradoxon dar, wennman Kompetenz auf die individuelleLernbiographie bezieht oder sie gar[…] in Bezug auf die individuellenLernziele definiert. Der Lehrer müsstedann bei allen Schülern ermitteln, wiegut diese ihre eigenen Lernziele erreichthaben. Sofern er dies nicht tut,

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!