thema1. EinleitungDie ohnehin bereits außerordentlich emotionalisierte Debatteum das notwendige Ausmaß der Schutzstandards für geistigeEigentumsrechte in der Informationsgesellschaft hat mit derjüngsten Kampagne der Free Software Foundation (FSF) gegendas „Digital Rights Management“ (DRM) einen neuen Höhepunkterreicht. Defective by Design, 1 also mangelhaft undungerecht schon im Ansatz, seien die unter dem Schlagwortbedienen, so der Tenor. Deshalb wird das Akronym DRM vonseinen Gegnern nicht ohne eine gehörige Portion Zynismusgerne auch mit Digital Restriction Management erklärt. UnterBeschuss geraten dabei in letzter Zeit nicht mehr nur diealt gedienten Feindbilder der Open-Source- und Open-Content-Bewegung, wie Hollywoods Filmriesen undComputergigant Microsoft, sondern auch bislang meistals „sympathisch“ eingestufte Innovatoren, insbesondereApple. Apples derzeit wohl bekannteste Produkte,der iPod und die dazugehörigen iTunes, seien geradezuein Musterbeispiel für die Tücken und die Nutzerfeindlichkeitdes DRM. 2Die Replik der Film-, Musik- und Unterhaltungsindustrienfällt allerdings mindestens genauso dezidiertaus. DRM sei nicht mehr als Selbsthilfe, lediglich einVersuch, den immer gefährlicheren Angriffen der Produktpiratenetwas entgegenzusetzen. Bei Verlusten inMilliardenhöhe, die jährlich durch Urheberrechtsverletzungenanfallen würden, könne es wohl als mehr alsgerechtfertigt betrachtet werden, sich über technischeSchutzmaßnahmen Gedanken zu machen – und dieseauch umzusetzen. Schützenhilfe erhalten sie dabei ausder Politik. So meinte die deutsche BundesjustizministerinBrigitte Zypries jüngst, dass die Privatkopie keinRecht der Nutzer im eigentlichen Sinn sei, sondern langeZeit eben keine andere Möglichkeit bestanden habe, alsdas individuelle Kopieren, das technisch ohnehin nichtzu verhindern gewesen wäre, zu erlauben und dafürpauschale Vergütungen auf Vervielfältigungsgeräte undLeerträger einzufordern. Mit dem technologischen Fortschrittwürden derartige kollektive Zahlungen aber eigentlich obsolet,da die durch das DRM realisierbare individuelle Lizenzierungeine gezielte Verrechnung erlaube. Ein vollständiges Verbot derPrivatkopie sei aufgrund sozialer Realitäten zum momentanenZeitpunkt allerdings nicht zu vermitteln. 3 „sozialen Realitäten“ und den Verlockungen des technischMachbaren, das durchaus im Stande wäre, völlig neue Rahmenbedingungenzu kreieren, suchen sowohl Gegner als auchBefürworter des DRM nach Alternativen zum Status quo. Umetwas Licht in das Dunkel der tiefen und längst unüberbrückbarscheinenden Abgründe zu bringen, die sich dabei zwischen denVorstellungen der jeweiligen Meinungsführer auftun, erscheinteine eingehendere Auseinandersetzung mit den gleichzeitig gelobtenund kritisierten, jedenfalls aber einzigartigen Charakteristikades DRM ein notwendiger erster Schritt zum besserenVerständnis einer unauffälligen Revolution mit potentiell weitreichenden Implikationen. satzzur faustischen Tradition nicht im Streben nach verborgenemWissen, sondern vielmehr in den großen Anstrengungen zumVerbergen des selbigen. Die Grundkonzeption von DRM-Architekturensoll es nämlich vor allem ermöglichen, unerwünschteDigital RightsManagement –TechnologischeSelbsthilfe oderdas Ende derNutzerrechte?Catrin Pekari·································– deshalb aber nicht unbedingt widerrechtliche – fremde Benutzervon eigenem, durch Urheberrechte geschützten geistigenEigentum fern zu halten. Ermöglicht wird das durch technischeSchutzmaßnahmen (Technological Protection Measures, TPM),die dafür ausgelegt sind, nicht ausdrücklich autorisierte Zugriffeauf das geschützte Material zu unterbinden und auch autorisierteNutzungen möglichst genau nachverfolgbar und damitletztendlich auch verrechenbar zu machen. Wie das im Einzelnenfunktioniert, mag technologisch Versierteren zur Erklärungvorbehalten bleiben. Was es im Alltagsleben bewirkt, ist anhandeines Beispiels hingegen rasch verdeutlicht: Nehmen wir an,eine Konsumentin kauft sich eine Musik-CD. Diese kann sienach dem Kauf alleine oder mit Freunden beliebig oft anhören,1) Vgl allgemein zur FSF die Homepage derOrganisation unter http://www.fsf.org undzur Anti-DRM-Kampagne http://www.defectivebydesign.org(15.1.2007).2) Im Kreuzfeuer der Kritik steht dabei wenigerder iPod selbst, als vielmehr seine engeVerknüpfung mit dem Music-Player iTunes, dernicht nur die Synchronisation von PC und iPodsowie das Abspielen und Organisieren von Musikstückenam PC ermöglicht, sondern mittelseines angeschlossen Onlinestores auch derenErwerb. Diese Musikstücke unterliegen jedocheinem recht strikten Digital Rights Management,das dem Käufer nur eingeschränkteNutzungsmöglichkeiten offen lässt. So ist esinsbesondere nicht möglich, sie auf anderenPlayern als dem iPod abzuspielen. Diese Inkompatibilitätbrachte Apple bereits Klagen inden USA und Frankreich ein.3) Vgl Zypries, Urheberrecht und Innovation:Basket Two and Beyond, in Klump/Kubicek/Roßnagel/Schulz (Hrsg), Medien, Ordnungund Innovation (2006) 251.<strong>juridikum</strong> 2007 / 1 Seite 45
themasie kann sie für private Zwecke kopieren, und sie kann sie nachBelieben verschenken, weiterverkaufen oder auch verborgen.Natürlich gibt es auch Dinge, die sie damit nicht tun darf, weilsie den Rechten des Urhebers beziehungsweise des Rechtinhaberszuwider laufen würden. Sie darf zum Beispiel die aufder CD gespeicherte Musik nicht ohne weiteres öffentlich zurAufführung bringen, und eine Vermietung zu kommerziellenZwecken ist ihr ebenso untersagt wie der Verkauf von Kopien.Schon bei herkömmlichen (hier: nicht per se digitalisierten)Produkten ist es also ein recht schmaler Grat, der die völliglegale private Nutzung von der viel zitierten „Produktpiraterie“trennt. Wirklich kompliziert wird die Angelegenheit aber mitsteigendem Digitalisierungsgrad, denn wenn die gleichen Musikstückenicht als Album im CD-Format, sondern einzeln alsDateien im Netz gekauft werden, ist vieles meist ganz anders– und das ist nur indirekt der Rechtslage zuzuschreiben, vorrangigzeichnet dafür der immer gezieltere Einsatz technischerSchutzmaßnahmen verantwortlich. Zumindest theoretisch würdendie der Nutzerin im Rahmen ihrer privaten Nutzung eingeräumtenRechte eigentlich auch hier gelten. So heißt es zurVervielfältigung zum eigenen und privaten Gebrauch etwa in §42 des österreichischen Urheberrechtsgesetzes (UrhG): 4„(1) Jedermann darf von einem Werk einzelne Vervielfältigungsstückeauf Papier oder einem ähnlichen Träger zumeigenen Gebrauch herstellen.(2) Jedermann darf von einem Werk einzelne Vervielfältigungstückeauf anderen als den in Abs. 1 genannten Trägernzum eigenen Gebrauch zu Zwecken der Forschung herstellen,soweit dies zur Verfolgung nicht kommerzieller Zwecke gerechtfertigtist.“Abs 2 schließt also die Vervielfältigung auf digitalen Mediennicht von vornherein aus, sondern schränkt sie nur nochmalsexplizit auf nicht-kommerzielle Zwecke ein; zudem muss siegerechtfertigt sein. Soweit, so gut – nehmen wir an, unsere Nutzerinkönnte diese Bedingungen erfüllen. Dennoch würden ihrdurch das DRM einige recht unüberwindliche Steine in denWeg gelegt, denn das UrhG bestimmt in § 90c außerdem:„(1) Der Inhaber eines auf dieses Gesetz gegründeten Ausschließungsrechts,der sich wirksamer technischer Maßnahmenbedient, um eine Verletzung dieses Rechts zu verhindernoder einzuschränken, kann auf Unterlassung und Beseitigungdes dem Gesetz widerstreitenden Zustandes klagen,1. wenn diese Maßnahmen durch eine Person umgangenwerden, der bekannt ist oder den Umständen nach bekannt seinmuss, dass sie dieses Ziel verfolgt,2. wenn Umgehungsmittel hergestellt, eingeführt, verbreitet,verkauft, vermietet und zu kommerziellen Zwecken besessenwerden,3. wenn für den Verkauf oder die Vermietung von Umgehungsmittelngeworben wird oder4. wenn Umgehungsdienstleistungen erbracht werden.“Während sich die Ziffern 2-4 des § 90c (1) UrhG auf dieErmöglichung von Umgehungen durch Dritte beziehen undzwar nicht unproblematisch, im vorliegenden Kontext aber nureingeschränkt relevant sind, betrifft die Ziffer 1 die Nutzerinunmittelbar. Selbst wenn sie sich lediglich eine Sicherungskopievon ihren durch technische Maßnahmen geschütztenMusikstücken anlegen will, ist ihr nämlich bekannt, dass siezu diesem Zweck die technischen Schutzmaßnahmen umgehenmuss, und sie könnte sich daher mit einer gesetzeskonformenKlage des Rechteinhabers konfrontiert sehen. Eine nach § 42UhrG eigentlich erlaubte Vervielfältigung zum eigenen Gebrauchist also nur dann auch wirklich erlaubt, wenn dem keinetechnischen Schutzmaßnahmen entgegenstehen.Diese prima facie vielleicht widersprüchlich anmutendeKonzeption einer digitalen Zweiklassengesellschaft urheberrechtlichgeschützter Werke mit einer Trennung in „nur“ rechtlichgeschützte Werke einerseits und solche, die zusätzlich technisch– und damit auch gleichzeitig besser rechtlich – geschütztsind andererseits, hat jedoch durchaus eine interne Logik. Umdieser Logik folgen zu können, muss man allerdings bereit sein,der ihr impliziten Annahme zuzustimmen, dass es so etwas wieNutzerrechte eigentlich nicht gibt beziehungsweise diese sichin dem erschöpfen, was der Rechteinhaber bereit ist, dem Nutzergegen Bezahlung zuzugestehen. Die betroffenen Industriensehen sich zu dieser Zustimmung schon allein aufgrund desökonomischen Wertes eines solcher Art verstandenen Schutzrechtessicherlich in der Lage, und dass die Politik dieser Weltsichtauch nicht ganz abgeneigt ist, demonstriert die eingangszitierte Aussage der deutschen Justizministerin mit einigerDeutlichkeit. Für unsere Nutzerin allerdings bedeutet das, dassihre bisherigen Vervielfältigungen zum eigenen und privatenzugestandenen Rechtes im engeren Sinn verstanden werdenkönnen, sondern lediglich als eine vom Gesetzgeber bis aufweiteres tolerierte Lücke im mit dem Fortschritt der Technologieweiter zu perfektionierenden Schutz geistigen Eigentums.Dem Recht wird hier also einerseits mittels Technologie zueiner Durchsetzbarkeit verholfen, die es vorher nicht kannte; 5umgekehrt benötigt auch die Technologie das Recht, um dieLegitimität ihrer Anwendung und der dabei verfolgten Zielesicherzustellen. Diese seltsame Symbiose hat für den Schutzgeistigen Eigentums vielfältige und weit reichende Implikationen,die neben der Einschränkung privater Nutzungen unddem damit zusammenhängenden Menschenrecht auf Teilhabeam kulturellen Leben etwa auch die Frage nach den Rechtender Urheber in Relation zu jenen der Verwertungsindustrie, denkünftigen Status der Public Domain sowie die Problematik vonKompatibilität, Interoperabilität und Datensicherheit umfasst.Daraus ergibt sich ein in der Tat weites Feld, dessen Themenkreiseim Folgenden nur kurz angerissen werden können.3. Implikationen für den Schutz geistigerEigentumsrechteDer Gedanke, dass jemand unser Eigentum, etwa ein Haus,ein Grundstück oder ein Auto gelegentlich ohne unser explizi-4) BGBl. Nr 111/1936 i.d.F. BGBl I Nr. 32/2003.Mit der Novelle 2003 wurden vor allem dieVorgaben der Richtlinie 2001/29/EG des EuropäischenParlaments und des Rates vom 22.Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspektedes Urheberrechts und der verwandtenSchutzrechte in der Informationsgesellschaft(InformationsgesellschaftsRL) umgesetzt. Diesewiederum verwirklicht die von der EU auchschon im Rahmen der WIPO (World IntellectualProperty Organization)-Verhandlungen zumWCT (WIPO Copyright Treaty, 1996) und WPPT(WIPO Performances and Phonograms Treaty,1996) vertretenen Positionen.5) Vgl zur Regelungsmacht von Recht undTechnologie insbesondere Lessig, Code andOther Laws of Cyberspace (1999).Seite 46 <strong>juridikum</strong> 2007 / 1