8 <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong> / <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong> ICO - INFORMATION CHRISTLICHER ORIENTÄgyptens Christen <strong>in</strong> UnsicherheitFast genau zwei Jahre nach derRevolution bleibt die Entwicklungfür die rund 8 Millionen Christendes Landes unübersichtlich.der Rechtschaffenheit etc. und Strukturen,die die religiöse Tradition und ihre Wertefördern und pflegen.Etwas mehr als e<strong>in</strong>e Million Kopten lebenim Ausland. Diese Migration hat sichbislang nicht auf e<strong>in</strong>e wirtschaftliche Verbesserungder <strong>in</strong> Ägypten lebenden Koptenausgewirkt. Die Migration <strong>in</strong> den Westenist meist permanent und nicht wie jene<strong>in</strong> die Golfstaaten, die am raschen Geldverdienenorientiert und befristet ist.Wirtschaftlich gesehen teilen die Kopten,wie die muslimischen Gruppen, dieselbenVor- und Nachteile ihrer jeweiligen E<strong>in</strong>kommensklasseoder Berufsgruppe. DieLebensmöglichkeiten wie Zugang zu ArvonWolfgang BÖHMProjektreferent der Dreikönigsaktionder katholischen JungscharÖsterreichsÄGYPTEN – Spektakuläre Übergriffe angeblichradikaler Muslime auf Christen, wie dasnoch vor zwei Jahren am Silvesterabend <strong>in</strong>Alexandrien passiert ist, s<strong>in</strong>d seit dem ausgeblieben.Trotzdem s<strong>in</strong>d es nicht nur Gerüchte,die von der Verfolgung e<strong>in</strong>zelner Christenund der Beh<strong>in</strong>derung der christlichenLebenspraxis <strong>in</strong> Ägypten sprechen.Andererseits, so wird aus vielen Geme<strong>in</strong>denberichtet, s<strong>in</strong>d die Verhältnisse <strong>in</strong> diesemsehr vielschichtigen Land fühlbar sicherergeworden. Ob das die Ruhe vor dem Sturmist oder tatsächlich e<strong>in</strong>e neue Sicherheit, dieauch die Muslimbrüderschaft nach 30jährigerUnterdrückung spürt, bleibt ungewiss.Oft wird vergessen, dass viele der führendenPersonen der Muslimbrüderschaft jahrelangvom Mubarak-Regime e<strong>in</strong>gesperrt waren.Auf die Frage nach den Zukunftsperspektivender Kopten <strong>in</strong> Ägypten, die e<strong>in</strong>eAnläßlich der Wallfahrt zur Deir el-Adra Kirchewerden die koptischen K<strong>in</strong>der getauft,die im abgelaufenen Jahr geboren wurden.Im Christenviertel El Mokatam <strong>in</strong> Kairo.M<strong>in</strong>derheit von etwa 10%der Bevölkerung darstellen,verweist e<strong>in</strong> führender Mitarbeiterder koptisch-katholischenDiözese von Al M<strong>in</strong>iaauf e<strong>in</strong>ige historischeund soziale Phänomene.Die soziale und religiöseIdentität der Kopten gründetauf e<strong>in</strong>em langen geschichtlichenProzess, dessenWurzeln <strong>in</strong> die Zeit derPharaonen reichen. Dienoch immer verwendete Liturgiespracheist e<strong>in</strong>e Weiterentwicklungder Spracheder Pharaonen. Die Koptenfühlen sich gegenüber denspäter zugewanderten arabischenStammesgruppen als Erben der altenÄgypter der Pharaonenzeit.Auch wenn sie sich als eigene Gruppee<strong>in</strong>schätzen, so gibt es h<strong>in</strong>sichtlich der allgeme<strong>in</strong>enLebensbed<strong>in</strong>gungen ke<strong>in</strong>en Unterschiedzur großen Mehrheit der Ägypter.Soziale und ökonomischeSelbsthilfesystemeAndererseits verfügen die Kopten übere<strong>in</strong>ige soziale und wirtschaftliche Solidarsysteme,die den <strong>in</strong>neren Zusammenhalt stärken.Die Vere<strong>in</strong>e reichen von direkter Hilfeauf Gegenseitigkeit, zu Berufsgilden, Soforthilfekomitees,Vere<strong>in</strong>e zur AufrechterhaltungFotos (3): Wolfgang BöhmHöhlenkirche am Fuße des Mokatam-Bergs <strong>in</strong> Kairo. Beider Messe am Donnerstagabend nehmen durchschnittlich4.000 Personen teil, an Festtagen über 10.000.
ICO - INFORMATION CHRISTLICHER ORIENT <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong> / <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong> 9beitsplätzen, Bildung und Gesundheitsversorgungetc. s<strong>in</strong>d wirtschaftlich bestimmt.Die oben erwähnten Solidaritätsmechanismen<strong>in</strong>nerhalb der städtischenKoptengeme<strong>in</strong>den führen dazu, dass oft dieLebenssituation der Familien etwas besserist als die ihrer muslimischen Nachbarn, dieder gleichen Berufsgruppe angehören.IRAKGefahr der RadikalisierungDie Erfahrungen der vergangenen Monatehaben gezeigt, dass religiös extremistischeGruppen, die das derzeitige Regime Ägyptensdom<strong>in</strong>ieren, ke<strong>in</strong>e Bedrohung für denökonomischen Status der Kopten darstellen.Andererseits wird erwartet, dass durch dieUnsicherheit die koptischen Geme<strong>in</strong>den engerzusammenrücken. Rund um die Städteentstehen „ethnisch“ homogene Bevölkerungsgürtel,und <strong>in</strong> die jeweiligen Viertelziehen mehr und mehr Menschen der gleichenGruppe zu. Solche Siedlungsgebiete derKopten f<strong>in</strong>den sich bereits <strong>in</strong> Esbeth ElNakhl, El Mokatam und rund um El Sadr Hospitalund El Omrania von Kairo und Gizeh. Inden Städten und Dörfern Oberägyptens istdie Situation ähnlich, wenngleich die Dichteder Bevölkerung ger<strong>in</strong>ger ist.Die Zunahme wirtschaftlich oder religiöshomogener Siedlungsgebiete ist ke<strong>in</strong>egrundsätzliche Bedrohung der Gesamtgesellschaft.Es besteht aber die Gefahr, dass<strong>in</strong> diesen dicht besiedelten Gebieten besondersbei e<strong>in</strong>hergehender Verarmung e<strong>in</strong>e Radikalisierungstattf<strong>in</strong>det, die zu begrenztensozialen Explosionen führen kann.Das neue politische Regime hat aus Gründender Machtsicherung den Aktionsspielraumvon privaten Organisationen vorerstbegrenzt. Von dieser Maßnahme wurdenauch die koptischen Solidaritätsmechanismengetroffen. Es ist aber anzunehmen, dass diePolitiker bald erkennen werden, dass die Beh<strong>in</strong>derungdieser Selbsthilfesysteme ke<strong>in</strong>enVorteil darstellt. Im Gegenteil, es liegt <strong>in</strong> ihremInteresse, den Aufbau von sozioökonomischenSchutz- und Solidarsystemen nichtzu beh<strong>in</strong>dern. Dadurch werden mögliche sozialeKonflikte langfristig verh<strong>in</strong>dert.Egypt’s Christians <strong>in</strong>uncerta<strong>in</strong>tyTwo years after the revolution, the fate ofthe roughly 8 million Christians <strong>in</strong> Egyptrema<strong>in</strong>s unclear. The author refers to thesocial and economic self-help systems ofthe Copts. Their operat<strong>in</strong>g range is howeverlimited (due to measures of the regime).Moreover, he reports on the <strong>in</strong>crease of“ethnically” homogeneous neighbourhoods,imply<strong>in</strong>g the risk of a radicalisation.Erzbischof Louis Sako weiht den Mönch Jens Petzold zum Priester.Erste Priesterweihe <strong>in</strong> SüleymaniyeAm 23. November 2012 wurdeJens Petzold <strong>in</strong> der Kirche vonSüleymaniye vom chaldäischenErzbischof von Kirkuk, LouisSako, zum Priester geweiht.Süleymaniye/Kirkuk – Jens Petzoldkommt von der Geme<strong>in</strong>schaft des KlostersMar Musa <strong>in</strong> Syrien. Nach e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>ladungvon Erzbischof Louis Sako war er2011 erstmals <strong>in</strong> Süleymaniye zu Besuch(ICO berichtete <strong>in</strong> <strong>Nr</strong>. 45). Im <strong>Februar</strong> 2012hat er sich <strong>in</strong> der dortigen Marienkirche(Maryam el-Adhra) niedergelassen.Der neue Priester – Abuna Yohanna –sagte <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Dankesrede: Nun b<strong>in</strong> ichhier <strong>in</strong> Süleymaniye, um dem Ruf zu folgen,der mich vor zwanzig Jahren aus der Schweizweg geholt hat. Er ist dieses Mal e<strong>in</strong>deutigerund spürbarer geworden <strong>in</strong> me<strong>in</strong>en Überlegungen,<strong>in</strong>nerhalb me<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>schaftund im H<strong>in</strong>blick auf die lokale Kirche vonKirkuk und Süleymaniye.Syrisch-katholische Kathedrale e<strong>in</strong>geweihtAm 15. Dezember 2012 hatder Präfekt der Ostkirchenkongregation,Kard<strong>in</strong>al LeonardoSandri, die restaurierte syrischkatholischeKathedrale vonBagdad feierlich e<strong>in</strong>geweiht.Bagdad – Das Gotteshaus war bei demTerroranschlag vom 31. Oktober 2010, beidem über 50 Personen starben (darunterzwei Priester; ICO berichtete <strong>in</strong> <strong>Nr</strong>. 40),schwer beschädigt worden. Es wurde balddanach wieder benützt, aber erst <strong>in</strong> denletzten Monaten gründlich restauriert.First ord<strong>in</strong>ation of a priest <strong>in</strong>SüleymaniyeOn 23rd November 2012, Jens Petzold wasorda<strong>in</strong>ed a priest <strong>in</strong> the church of Süleymaniye<strong>in</strong> northern Iraq by the CaldeanArchbishop of Kirkuk, Louis Sako. The newpriest comes from the community of MarMusa Monastery <strong>in</strong> Syria. He settled <strong>in</strong> theChurch <strong>in</strong> Süleymaniye <strong>in</strong> <strong>Februar</strong>y 2012.Kirkuk/Erbil – Im Anschluss an die Weihe <strong>in</strong>Bagdad reiste Kard<strong>in</strong>al Sandri nach Kirkuk,wo er am 16. Dezember <strong>in</strong> der chald. Kathedraledie Messe feierte. Davor hatte Sandridie große sunnitische Moschee der Stadt besuchtund dort Vertreter des Islams getroffen.Am 17. Dezember kam der Kard<strong>in</strong>al <strong>in</strong> daschaldäische Priestersem<strong>in</strong>ar von Ankawa/Erbil. Hier forderte er e<strong>in</strong>e noch <strong>in</strong>tensivereZusammenarbeit der verschiedenen katholischenRiten. Genau an diesem Ort war dieForderung aktuell, weil vor e<strong>in</strong>igen Jahrenaus unverständlichen Gründen nicht-chaldäischenSem<strong>in</strong>aristen der Aufenthalt imSem<strong>in</strong>ar untersagt worden war.