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Wie Westdeutsche über Ostdeutsche denken - Bundesstiftung zur ...

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n Arschlöcher leben gerecht verteiltin Ost und West. Als ich zweiJahre alt war, fiel die Mauer. Da sindwir aus Görlitz nach Kiel gezogen.Sieben Jahre Norddeutschland. InKiel hatte ich nie Probleme mit Vorurteilen.Dafür aber hier in Dresdennach unserer Rückkehr: Weil ichplötzlich der üble Wessi war, mussteich mir derbe Sprüche anhören.In der fünften Klasse wurde ich wegenmeines norddeutschen Dialektsausgegrenzt. Die haben mich systematischgemobbt und mir auf demSchulhof geeiste Schneebälle hinterhergeworfen. Gelegt hat sich alldas erst, nachdem meine Mutter denVater eines Mitschülers zu Hausebesucht hatte. Dabei klärte sie auf,dass ich in Görlitz und nicht in Kielgeboren bin. Das löste schlagartigalle Probleme. Heute treffe ich vorallem Leute, denen egal ist, woherich komme. Die Vorurteile lösen sichauf, Jugendliche pflegen immer wenigerdavon, je weiter sich ihre Geburtsdatenvon der DDR entfernen.Und die Ewiggestrigen, die gibt eseben in West und Ost.Protokoll: Martin MachoweczAls Markus, 19, nach Dresden zog, wurde er gemobbt, beworfen undals übler Wessi beschimpft – dabei ist er gar keinerKameraden beim Bund sind nicht gleich verbündete Kameraden.Das stellte Ron, 21, in Niedersachsen festn „Ach, die Ossis schon wieder“,sagte ein Unteroffizier oft zu uns ostdeutschenKameraden. Er bemühtesich sehr, dabei scherzhaft zu klingen.Während meiner Zeit bei der Bundeswehrin Wesendorf hatte ich fastausschließlich mit den ostdeutschenJungs zu tun. Die Wessis waren mir <strong>zur</strong>eserviert und verklemmt. Ich selbsthabe dann auch gar nicht erst Interessegezeigt, mit denen in Kontakt zu treten.Ich trenne irgendwie automatischim Kopf zwischen West- und <strong>Ostdeutsche</strong>n.Da habe ich mich vielleicht zusehr von meinen Eltern beeinflussenlassen. Die schimpfen oft <strong>über</strong> Wessis,weil diese alles, was in der DDR war,als schlecht abtun würden. Eigentlichsollte ich dar<strong>über</strong> stehen und offenersein gegen<strong>über</strong> Wessis. Aber das kostetviel ÜberwindungProtokoll: Anne HähnigDie Skepsis der <strong>Ostdeutsche</strong>n gegen<strong>über</strong> <strong>Westdeutsche</strong>n war gleich nach der <strong>Wie</strong>dervereinigung noch garnicht vorhanden. Die Bürger waren erst einmal froh, wieder in den Westen fahren zu können. Allerdings istdie Stimmung sehr schnell umgeschlagen. Ungefähr eine Million Menschen haben im Osten ihre ursprünglicheberufliche Position verloren. Das führte dann zu einem Misstrauen gegen<strong>über</strong> Wessis, das auch an die Kinderweitergegeben wurde. Es gibt immer noch Unterschiede in den Gehältern. Diese Gesamtunzufriedenheit der<strong>Ostdeutsche</strong>n befindet sich gerade sogar auf dem Höhepunkt.Rainer Eckert, Direktor des Zeitgeschichtlichen Forums in Leipzign Von wegen Westdeutschland:In Calw wohnen so viele Ossis, dasswir die Stadt scherzhaft auch zuSachsen zählen. Da komme ich eigentlichher. Meine Mutter wollteschon länger eine eigene Physiotherapie-Praxisaufmachen, vor einemJahr sind wir schließlich in denWesten gezogen. Angekommen binich ohne Vorurteile, mittlerweilehabe ich welche. Die <strong>Westdeutsche</strong>nsind faul. Mir fehlt einfach die Einsatzbereitschaft,die ich aus Ostdeutschlandkenne. Schulausflügeorganisieren hier fast nur Lehrer,die Jugendlichen haben darauf keineLust. Auch der Unterricht ist längstnicht so gut wie in Ostdeutschland.In Baden-Württemberg haben es dieSchüler viel zu leicht: In machen Fächernschreiben wir keine oder vielzu wenige Tests. Ein bisschen Mitarbeit,ein bisschen Zuhören – schonbekommt man gute Noten. Zurückkehrenmöchte ich trotzdem nicht.Ich habe hier einfach die besserenZukunftschancen.Protokoll: Nora JakobVor dem Umzug nach Baden-Württemberg hatte Patricia, 16, keine Vorurteile.Mittlerweile hält sie die <strong>Westdeutsche</strong>n für faul – und will dennoch nicht <strong>zur</strong>ückWir haben in den PISA-Tests nie Ost-West-Unterschiede in Bildungsfragen feststellenkönnen. Sachsen, Bayern und Baden-Württemberghatten zum Beispiel ähnlich gute Ergebnisse.Unterschiedlich ist aber die Arbeitseinstellungin Ost und West. Schon in der DDRwurde gesellschaftliches Engagement gefördertund gestärkt, deshalb sind ostdeutscheJugendliche meist auch heute noch engagierterund verantwortungsbewusster.Peter Lautzas,Vorsitzender des Verbandsder Geschichtslehrer in Deutschland

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