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Wie Westdeutsche über Ostdeutsche denken - Bundesstiftung zur ...

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n Ich wollte wissen, wie ich mich imWesten <strong>zur</strong>echtfinde. Deshalb bin ich inder zehnten Klasse von einem OstberlinerGymnasium auf ein anderes in denWesten der Stadt gewechselt. Die Leutedort <strong>denken</strong> anders und sie verhaltensich anders. Ossis sind politischer, siebeschäftigen sich mehr mit den ernstenund tiefgründigen Dingen des Lebens.Westberliner hinterfragen da nicht soviel. Ein Beispiel: Nach dem Terroranschlagvom 11. September 2001 habendie Schüler in Ost- und West-Berlin ganzunterschiedlich reagiert. Die Ossis sprachenauf dem Pausenhof <strong>über</strong> ihre Befürchtungen,es könne ein Krieg folgen.Die Wessis hingegen hissten erst einmaldie amerikanische Flagge im Foyer derSchule, um ihre Loyalität zu den USA zudemonstrieren. Aber das ist sicher auchhistorisch bedingt.Irgendwann fing ich selbst an, trägezu werden und gleichgültig gegen<strong>über</strong>der Politik – nach anderthalb Jahrenwechselte ich dann <strong>zur</strong>ück auf ein Gymnasiumim Osten der Stadt.Das alles klingt sicher vorwurfsvoll,aber so habe ich die Unterschiede ebenerlebt. Und auf beruflicher Ebene etwakomme ich mit Wessis besser klar: Siesind einfach professioneller und achtenmehr auf ihr Image – das gefällt mir. ImOsten kann einem das negativ ausgelegtwerden: Manche hier <strong>über</strong>setzen professionellmit karrieregeil.Protokoll: Anne Hähnig„Ossis sind politischer und tiefgründiger als Wessis“, sagt Jacob, 21.Er besuchte Gymnasien im Westen und im Osten der einst geteilten Stadt Berlin„Vorurteile hat nur, wer den anderen Teil Deutschlands nicht kennt“,sagt Ossi Florian, 20, der in NRW eine Ausbildung machtWir haben mal einen Eignungstest gemacht, bei dem <strong>Westdeutsche</strong>und <strong>Ostdeutsche</strong> angetreten sind. Die Wessis haben gewonnen,denn sie haben im Team gearbeitet: Sie haben zusammen gesessen,gemeinsam die Probleme analysiert und anschließend Aufgaben delegiert.Bei den <strong>Ostdeutsche</strong>n hat jeder für sich gearbeitet. In modernenBetrieben braucht man aber Leute, die im Team arbeiten können,das ist professionell.Uwe Hillmer, wissenschaftlicher Mitarbeiter imForschungsverbund SED-Staat an der Freien Universität Berlinn Meine Familie lebt <strong>über</strong> ganzDeutschland verstreut. Keiner vonihnen hat mich gewarnt, in denWesten zu gehen, keiner von ihnenglaubt an Klischees. Vorurteile hatman nur, solange etwas unbekanntist. Ich habe keine Schwierigkeiten,hier in Bergisch-Gladbach Freundezu finden. Für uns Jugendliche spieltdas Ost-West-Verhältnis zum Glückeh keine große Rolle mehr. Wir habendie Wende ja nicht bewusstmiterlebt. Im Vergleich <strong>denken</strong> Ossissicher häufiger <strong>über</strong> Klischees nach,weil sie sich seit der Wende viel mehrumstellen und sich dem Westen anpassenmussten. Vielleicht geht esihnen auch ein bisschen schlechter.Meinem Bauchgefühl nach habendie Wessis schon mehr Geld in derTasche. In dem Hotel, in dem ichmeine Ausbildung mache, gibt eseine Drei-Sterne-Gastronomie mitsaftigen Preisen. Die ist sehr gut besuchtund es macht wahnsinnig vielSpaß hier zu arbeiten. Ich bezweifle,dass so ein Restaurant im Ostenauch so gut laufen würde.Protokoll: Anne HähnigMatthias, 22, ging vom erzgebirgischen Thum nach Köln.Seit drei Jahren findet er in Westdeutschland keine echten Freunde.Der Grund: Alle wollen immer nur Party machenn Wer nicht so gern feiert, hates schwer, im Westen <strong>über</strong>hauptFreunde zu finden. Ich mache geradeeine Lehre <strong>zur</strong> Fachkraft für Veranstaltungstechnikund bin deshalbviel unterwegs. Da habe ich keineLust, nach Feierabend dann noch inKneipen oder Diskos rumzuhängen.Wenn ich Bekannte frage, ob wir etwaszusammen unternehmen, wollendie immer nur feiern und möglichstnoch viele andere Kumpels mitbringen.Da bleibt kein Platz für ein ruhiges,persönliches Gespräch. Ich habehier bisher keinen einzigen gutenFreund gefunden. Die <strong>Westdeutsche</strong>nsind mir einfach zu oberflächlich.Protokoll: Anne HähnigEin <strong>Westdeutsche</strong>r verdient im Durchschnitt 10 bis 15 Prozent mehr als ein Ossi. Zwar ist dasPreisniveau im Osten geringer, dennoch haben Wessis mehr Geld in der Tasche. In den alten Bundesländerngibt es einfach produktivere Unternehmen. Das wiederum hat nichts mit dem Fleiß derArbeiter zu tun, sondern mit den besseren Technologien.Udo Ludwig, Konjunkturforscher am Institut für Wirtschaftsforschung in Halle

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