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Spielberg Erinnerungen - Vermächtnis des deutschen Brünn

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<strong>Spielberg</strong> <strong>Erinnerungen</strong>Von A. AltrichterAls ich das erstemal in das geheimnisvolle Dunkel der Kasematten stieg, war ich nochjung. Es war mir, als ginge es in die Unterwelt und ich sollte das Gruseln lernen. Aberweder die Streckleiter mit der angebundenen Puppe noch die Daumenschrauben, wederdie verrosteten Handschellen und Fußketten noch die Halseisen, weder die Eisenstiefelund Beinschienen noch die spanische Jungfrau, auch nicht die anderen Folterwerkzeugeließen das Gruseln über den Rücken laufen, wohl aber kroch die unterirdischeSchimmeluft kalt über ihn. Dem jugendlichen Gemüte prägte sich besonders die eiserneBirne ein, die, mit Pfeffer gefüllt, dem armen Häftling in den Mund gesteckt wurde. Mirwar, als spürte ich das scharfe Gewürz an Zunge und Gaumen.Von dem zweiten Besuche auf dem <strong>Spielberg</strong>e unter der Kaserne blieb mir ein Führer imGedächtnis, der in singendem Tone radebrechte. Er zeigte auf ein dunkles, vergittertesLoch und sprach: „Hier unten wurden Ratten gezüchtet, die fraßen den Leuten, dieangeschmiedet waren, die Zehen ab." Als wir wieder ans Tageslicht kamen, lachten jeneBesucher, die nicht gleich losplatzten, über den Rattenzüchtiger so laut, daß diespielenden Kinder erstaunt aufschauten. In<strong>des</strong>sen rollte ihr Ball in einen Busch und wirmußten lange mit ihnen suchen, bis wir den rotbraunen Ausreißer in einemKaninchenloch entdeckten.An einem heißen Sommertage führte ich eine Gymnasialklasse hinauf. Wir stiegen in diedunkle, in den Fels gehauene Zelle, in die sich einst Josef II. einschließen ließ, und lasendas kaiserliche Schreiben, mit dem sie für immer gesperrt wurde. Wir begaben uns in dieKerkerkammer, in der einst Silvio Pellico, der italienische Freiheitsdichter, geschmachtethatte, und lasen aus seinem Erlebnisbuche „Le mie prigioni". Dann sprachen wir vonJean Drouet, dem Postmeister von Ste Menehould, der einst Ludwig XVI., denfranzösischen König auf der Flucht in Varennes angehalten hatte. Im Revolutionskriegein österreichische Gefangenschaft geraten, saß der Jakobiner zwei Jahre hinter denFestungsmauem <strong>des</strong> <strong>Spielberg</strong>s. Hier konstruierte er sich im geheimen Flügel und sprangin stiller Nacht aus dem Fenster. Der fliegende Postmeister blieb aber auf einemvorspringenden Dache liegen und schrie um Hilfe, bis ihn die Wache hinabholte. ImDezember 1795 wurde er mit anderen Gefangenen gegen die Herzogin Angouleme, dieTochter <strong>des</strong> hingerichteten Königs und der Marie Antoinette, der Tochter MariaTheresias, ausgetauscht. In der Bourbonenrestauration aus Frankreich verbannt, fandder „Königsmörder" ein Asyl in Deutschland. Was er in Paris von seinem Fluchtplan aufdem Wasserwege erzählte, klingt für jeden, der die Schwarza kennt, mehr alsromantisch.Ein andermal besuchte ich die alte Feste mit Bauern, die gelegentlich einer agrarischenTagung sich den <strong>Spielberg</strong> ansahen, der in der Robotzeit ein Zwinguri gewesen ist. DieRobot hatte viele ihrer Stan<strong>des</strong>genossen einst in das Staatsgefängnis gebracht. Derdreißigjährige Krieg, in dem die Schweden ohne Erfolg die Festung berannten, hatte dieBauern an ihren müden Beinen an die Scholle gebunden, auf daß sie nicht der schwerenFron entliefen, die er auf ihre krummgeschundenen Buckel gebürdet hatte. Sie verlorenihre Menschenrechte und als sie versuchten, sich zu wehren, wurden viele zurZwangsarbeit in die alte, verfallende Zwingburg gebracht. Viele holten sich in ihr denTo<strong>des</strong>keim, viele starben. Der <strong>Spielberg</strong> war ein KZ für Bauern im 17. und 18.Jahrhundert.Als ich das letztemal durch die alten Burgräume ging, schritt ich auf blankblitzendemParkett, das die wurmstichigen Bohlen ersetzt hatte, sah von granitenen Zinnen, diemorsches Ziegelwerk abgelöst hatten, weithin in die Bläue der Pollauer Berge und nachden Schatten der Karpathen, blickte vom „Adlerhorst" in die fruchtbareGemüselandschaft. Am Rande <strong>des</strong> Gesichtsfel<strong>des</strong> arbeitete ein Kran an der Einebnung<strong>des</strong> Bodens für die Reichsautobahn. In derBurg selbst waren die rostzerfressenen Fensterstäbe durch schönes, kunstgeschmiedetesSchmuckwerk ersetzt. Hübsche Pforten, Stiegen, Friese und Säulen waren bloßgelegt.Kunstbeschläge zierten stilgerecht Tore und Türen. Gemälde schmückten die Wände. Die


alte Burgkapelle, aus der ehedem Gebete zum Himmel flehten und in der HäftlingslippenSeufzer und Fluch verschluckten, war eine Weihehalle geworden. Mir war, als weilte ichin einem Sanatorium. Vor den Fenstern grünte, blühte und duftete es.Am Abend <strong>des</strong> 15. April 1945 kam ich von der Schöllschitzer Straße. Prächtig blühten dieKirschbäume. Am Himmel kreisten Flieger, schraubten sich umeinander und schossenbissig. In der Stadt heulten die Sirenen, von Austerlitz her grollte Geschützdonner. Emstschaute der <strong>Spielberg</strong> im Abenddämmem auf Altbrünn herab, wo ein schweresFlakgeschütz sein Rohr emporschob. An der Schwarzabrücke stand an der Panzersperreals Posten ein Hitler-Junge mit geschultertem Gewehr.Seither flitzen in stillen Nächten Bilder eines <strong>Spielberg</strong>films vor meinen geschlossenenAugen: die Burg <strong>des</strong> Markgrafen gegenüber dem Dom, die Zitadelle der Festung,beschossen und bestürmt, General Torstenson fluchend auf das „Rattennest", NapoleonI. die Schanzen sprengend, Kerker, KZ und Kaserne, der <strong>Spielberg</strong> wiedererstanden undbombenumheult, zum Schluß angestrahlt vom Scheinwerfer der Heimatliebe.Der <strong>Spielberg</strong> zu <strong>Brünn</strong>Eine historische Skizze von Ing. Walter OplusstilZu 3 FSieben Jahre ist es her, da durch Europa ausgemergelte, verhärmte Elendsgestaltenwestwärts zogen. Ohne jede Habe, bettelarm, in zerfetzte Lumpen gehüllt, aus derHeimat ihrer Väter vertrieben. Was keiner zu denken gewagt hätte, es wurde zurschaurigen Wirklichkeit: Auch uns <strong>deutschen</strong> <strong>Brünn</strong>ern blieb dieses Los nicht erspart.Das Schicksal hat es so gewollt! Heute leben wir verstreut, von der Nordsee bis zu denKarawanken, in zerbombten Städten und entlegenen Weilern in einer fremden Welt. Unddennoch blieb uns <strong>Brünn</strong>ern ein gemeinsames Band, das gemeinsame Erleben unsererVaterstadt und damit das liebe, vertraute Bild, das alle neuen Eindrücke nichtauszulöschen vermochten. Denn allzu tief hat es sich in unser Herz geprägt. In kargenStunden stiller Besinnlichkeit taucht es auf: Der majestätische Dom mit seinen beidenTürmen, die so wohlvertrauten Häuser unserer Kindheit, die Türme und Kuppeln unsererStadt. Und mitten darin als Krönung der alte <strong>Spielberg</strong> mit seiner Feste. Der <strong>Spielberg</strong>,der nicht wegzudenken ist aus dem Antlitz unserer Vaterstadt, der Generationen vor unsheranwachsen sah, der durch Jahrhunderte Freud und Leid mit seinen <strong>Brünn</strong>ern teilte!Inmitten <strong>des</strong> Weichbil<strong>des</strong> der Stadt erhebt er sich zu 283 m Höhe. Schon im Jahre 884soll die Burg bestanden haben. Erstmals erscheint sein Name in einer Urkunde für das„Spital der Johanniter unterm Spilberg", im Jahre 1279 auf. Die Burg war Sitz derFürsten <strong>Brünn</strong>s und der Markgrafen Mährens, Schutz und Hort der Lan<strong>des</strong>hauptstadt. Bis1310 hieß der <strong>Spielberg</strong> „Castrum brunense" (<strong>Brünn</strong>er Burg), von da ab „CastrumSpylmberg"; eine prägnante Definition für die Herkunft resp. Ableitung <strong>des</strong> Namens gibtes nicht. Nach alten Überlieferungen soll der Name von den auf der Burg abgehaltenenFesten und Turnieren stammen, nach einer anderen Version von den Pflngstspielen unterKönig Johann.Von den heidnischen Nomaden wurde der <strong>Spielberg</strong> in der Bronzeperiode als Begräbniskultstättebenutzt. Hiervon zeugen die Ausgrabungen. Gelegentlich der Absprengung derFelsblöcke beim Ausbau der Elisabethstraße wurden dort 1864 kesselartig ausgelegteGräber 3.80 m tief, vorgefunden und brachten Urnen aus Ton, Asche und Knochenresteans Tageslicht.Die Burg und Festung unterlag den Bedürfnissen und Anforderungen der Zeit und ihremGeschehen. Glänzende Empfänge, imposante Feste, farbenprächtige Turnieren wechseltenmit Belagerungen, Bedrängnissen und Blockaden. Unter anderem arrangierten dieStadtväter das sogenannte Vogelschießen, bei welchem mit Pfeil und Bogen Vögelabgeschossen wurden und der beste Schütze mit Tuch beschenkt wurde. Ursprünglichgehörte der <strong>Spielberg</strong> nicht zur eigentlichen Stadt, deren Festungsmauern diesegesondert abschlossen.1645 erlebte der <strong>Spielberg</strong> schwere Zeiten. Durch 16 Wochen wurde die Festung vonden Schweden belagert und berannt. Oberst Raduit de Souches leitete die heldenmütigeVerteidigung. Zur Verstärkung der schwachen Besatzung wurden täglich 300 <strong>Brünn</strong>er


Bürger und ein Teil der Studentencompagnie hinzukommandiert. Während derBelagerung wurden 1300 Schweden in den in Felsen gehauenen Kasematten gefangengehalten. Schließlich mußten sie unverrichteter Dinge wieder abziehen. Kaiser Ferdinandverfügte, daß die <strong>Brünn</strong>er in Anerkennung ihrer bewundernswürdigen Tapferkeit in ihremStadtwappen den kaiserlichen Namen „F. III" führen durften. Außerdem erhielten sie dasPrivilegium, sich in den Erbländern frei niederlassen zu dürfen.<strong>Brünn</strong> hatte in der Regel, außer bei Fein<strong>des</strong>gefahr, keine Garnison. Nur dieFestung hatte einen Kommandanten, der später die mährischen Garnisonenbefehligte.Ab 1673 wurden die Kasematten <strong>des</strong> <strong>Spielberg</strong>es für gemeine Verbrecher, Landstreicher,Rebellen, Geldfälscher, Alchimisten, Räuber, Giftmischer und Mörder sowie sonstigeMaleficanten als Kerker benützt. Die Strafabbüßung dort wurde sehr gefürchtet. Denn indie einzelnen Verließe kam weder Licht noch Sonne oder Luft. Dazu kam die quälendeFeuchtigkeit. Mit dem Überschreiten der Schwelle mußte so ein Delinquent der Welt einschauriges Lebewohl sagen. Im besonderen waren es die Untergeschosse der Kasematten,wo die verschiedenen Foltern benützt wurden. Da gab es Daumenschrauben, dieSchnürung, die Folterleiter, die Schraubstiefel, die Aufzugmaschine, das Marterloch undin Felsen gehauene Nischen, wo der Maleficant angeschmiedet wurde. Es waren diegrausamsten Torturen <strong>des</strong> Mittelalters!


„Brin ist nit hin" so riefen doch vor Jahrhunderten schon voll stolzerBerechtigung unsere Ahnen aus, als sie den Schwedensturm erfolgreich abgewehrthatten, genau so wollen wir dir heute zurufen!Der südwestliche Teil der Kasematten war der Leopoldinische, der nordöstlicheder Josephinische Trakt. Im Laufe der Jahrhunderte sah der <strong>Spielberg</strong> unzähligeHäftlinge, die bemerkenswertesten waren: Pandurenoberst Trenk, ein Hühne vonGestalt, ein Mann von großem Intellekt, der sieben Sprachen beherrschte. WegenAusschreitungen seiner wilden Panduren wurde er zu lebenslänglichem Kerkerverurteilt. Nur 3 Jahre, von 1746—1749, überdauerte er die Haft und verstarb.Sein Leichnam liegt noch heute mumifiziert in der Kapuzinergruft. Weiters1823—1830 Graf Silvio Pellico, der in seinem Werke „Le mie prigioni" (meineGefangenschaft) die schrecklichen Qualen schilderte, die er anläßlich seiner Hafterdulden mußte. 1830 wurde er begnadigt. Eine große Anzahl von Carbonari,Markgraf Pallavicini, waren gleichfalls Häftlinge dortselbst. Thomas Grasl aus derFamilie <strong>des</strong> Räuberhauptmanns Grasl, Wenzel Babinsky, ein Räuber aus demRiesengebirge und viele andere waren Insassen der schaurigen Verließe. Aberauch Unschuldige schmachteten dort, so der Revierförster Anton, der 18 Jahreunschuldig eingesperrt war.1766, 1777 und 1783 besuchte Kaiser Josef den <strong>Spielberg</strong> und ließ sich in einemMarterloch 1 Stunde lang einschließen, worauf er fortan jede weitere Benützungder Untergeschosse der Kasematten verbot.1809 besuchte Napoleon den <strong>Spielberg</strong> und ließ die bedeutendsten Fortifikationenund das Zeughaus sprengen.Das Jahr 1855 brachte durch eine Verfügung Kaiser Franz Josephs endlich dievöllige Auflassung der Kasematten als Staatsgefängnis. Seit dieser Zeit wurdeder <strong>Spielberg</strong> als Kaserne benützt.Die bauliche Anlage erfuhr im Wandel der Zeiten große Veränderungen. Einesteinerne Brücke führte über einen tiefen Wallgraben zum Hauptgebäude in denHof. Dieser Hof wurde durch einen, im Jahre 1835 erbauten Mitteltrakt in einengroßen und kleinen Hof geteilt. An der Westseite <strong>des</strong> zweiten Hofes wurde ein114 m tiefer Brunnen in Fels gehauen. Am Ende <strong>des</strong> Einganges in den 1. Hof warein gotischer Bogen und gotische Verzierungen sichtbar, die darauf hinwiesen,daß hier der älteste Teil der Anlage zu suchen ist. Ebenso ist die Halle links mitgotischem Gewölbe aus dieser Zeit erhalten.Inmitten der Kriegsjahre 1941—1943 wurde die ganze Anlage <strong>des</strong> <strong>Spielberg</strong>es ineiner Einmaligkeit umgestaltet, die ihresgleichen suchen konnte. Die morschenFenster und Türen wurden durch neue aus schwerer Eiche ersetzt, neue Decken,in Eiche getäfelt, eingezogen. Die alten, verfallenen Räumlichkeiten wurden zumittelalterlich stilechten Anlagen. Die Kapelle, die Treppenhäuser, Offiziers- undMannschaftskantinen waren einmalige Sehenswürdigkeiten. Das <strong>Brünn</strong>erdeutsche Handwerk überbot sich im Wetteifer und auch meine Firma lieferte dengrößten Teil der kunstvollen Schmiedearbeiten. Der <strong>Spielberg</strong> wurde zu einemkostbaren Juwel unserer Stadt. Die Schöpfer und Mitarbeiter wurden vertrieben,ihr Werk aber ist geblieben um kommenden Geschlechtern Zeugnis zu geben vondeutscher Arbeit und Tüchtigkeit!Unwillkürlich wird jeder von uns beim Lesen dieser Skizze zurückdenken an seineeigenen Spaziergänge, in den schönen Anlagen unseres alten <strong>Spielberg</strong>es, denwir immer aufsuchten, wenn wir Entspannung und Anregung finden wollten ausdem Getriebe der Großstadt. Die Fernsicht war von allen Plateaux gleich schön,ob man im Westen gegen das Königskloster und Altbrünn zugewendet stand,oder die Jakobskirche auf der anderen Seite, mit dem Stadtblick bewunderte, esentzückte genau so wie das Gesamtpanorama gen Süden! —Heute, in aller Welt verstreut, rufen wir unserem alten <strong>Spielberg</strong> zu: „Grüße uns


die tausende unserer teuren Toten, die dort blieben, so wie auch wir Dich auswundem Herzen grüßen! Wir halten Dir auch als Heimatvertriebene die Treue,denn du gehörst zu uns, wie wir zu dir gehören!"

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