13.07.2015 Aufrufe

Kapuzinerkirche und Gruft in Brünn

Kapuzinerkirche und Gruft in Brünn

Kapuzinerkirche und Gruft in Brünn

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Die Kapuz<strong>in</strong>ergruft <strong>in</strong> <strong>Brünn</strong>Das Kapuz<strong>in</strong>erkloster <strong>in</strong> <strong>Brünn</strong>Am Kapuz<strong>in</strong>erplatz, unweit des Bahnhofes <strong>in</strong> <strong>Brünn</strong>, steht die kle<strong>in</strong>e <strong>Kapuz<strong>in</strong>erkirche</strong>,erbaut <strong>in</strong> den Jahren 1646—51. Die Orig<strong>in</strong>alkirche aus dem Jahre 1604 war außerhalbder Stadtschanzen.Im Schwedenkriege wurde diese Kirche zerstört <strong>und</strong> die Kapuz<strong>in</strong>er mußten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>emPrivathause am Großen Platze wohnen <strong>und</strong> <strong>in</strong> der alten St. Nikolauskirche (erbaut imJahre 1222) zelebrieren, die im Jahre 1869 abgetragen wurde.Die jetzige <strong>Kapuz<strong>in</strong>erkirche</strong> ist, wie alle <strong>Kapuz<strong>in</strong>erkirche</strong>n, sehr e<strong>in</strong>fach, aber gerade dadurchsehr beliebt. Sie wurde auf Kosten des Grafen Paul Christoph Lichtenste<strong>in</strong>-Kastelkorn <strong>und</strong> das Kloster von Graf Franz de Magnis, erbaut. Anläßlich der 700jährigenWiederkehr des Todestages des hl. Franziskus wurden beide renoviert (1226 bis 1926).Das Hauptaltarbild „Die Auff<strong>in</strong>dung des hl. Kreuzes" ist das kostbare Orig<strong>in</strong>alölbild desberühmten holländischen Künstlers Sandart aus dem Jahre 1655 (e<strong>in</strong> Geschenk desFürsten Lobkowitz). Auf dem Altare bef<strong>in</strong>den sich kostbare Schre<strong>in</strong>e mit Reliquien derheiligen Apostel.Die übrigen Altarbilder s<strong>in</strong>d Ölgemälde von Josef Rotter. Auf dem letzten Seitenaltarerechts bef<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Glassarge das Skelett der hl. Märtyrer<strong>in</strong> Klement<strong>in</strong>e,darunter der Orig<strong>in</strong>alste<strong>in</strong>, der am Grabe der Heiligen <strong>in</strong> den Katakomben gef<strong>und</strong>enwurde. Oberhalb des Sarges bef<strong>in</strong>den sich Reliquienkästchen, e<strong>in</strong> Geschenk aus demJahre 1754 von Barnabas Orelli, der damals auch <strong>in</strong> der Kapuz<strong>in</strong>ergruft begraben wurde.Im Jahre 1925 wurden von der Firma Josef Riha <strong>in</strong> <strong>Brünn</strong> fünf neugemalte Fenster e<strong>in</strong>gesetzt.Im Jahre 1930 wurde e<strong>in</strong>e neue wertvolle Orgel (von der Firma Brüder Rieger <strong>in</strong>Jägerndorf) angeschafft.Vor der Kirche stehen schöne Statuen des Meisters Nessmann aus dem Jahre 1763(renov. 1924), u. zw.: St. Fidelis (gest. 1622), St. Josef von Leonissa (gest. 1617), St.Franziskus (gest. 1226), St. Antonius (gest.1231), St. Felix (gest. 1587).Die <strong>Kapuz<strong>in</strong>erkirche</strong> - Innenansicht


Baron Dolesansky von Polen (gest. 1753 im Alter von 99 Jahren).Maria Anna Grimm, geb. Knur<strong>in</strong> <strong>in</strong> Fulnek (gest. 1757).Bruder Anton Gsirhakl aus Iglau, Tuchweber, Mitglied des III. Ordens.Frei<strong>in</strong> Waldorf, geb. Frei<strong>in</strong> von Z<strong>in</strong>sendorf (gest. 15. 12. 1758).Kathar<strong>in</strong>a Zaber, Witwe, Mitglied des III. Ord. <strong>und</strong> Stifter<strong>in</strong> der Kapelle der MariazellerMuttergottes (gest. 13. 5. 1761).Karl Anton Brussg<strong>in</strong>o, Kaufmann (gest. 15. 6. 1763).Frei<strong>in</strong> Maria Anna von Poku (gest. 25. 11. 1764).


Frau Viktoria Orelli (gest. 7. 5. 1769).Frau Johanna Brussg<strong>in</strong>o (gest. 12. 6. 1773).Frau Josefa Holzer (gest. 11. 10. 1776).Anton Junker, Kapitän der Harrarer Kompanie (6. 3. 1777).Pater Method aus dem Orden der Piaristen, welcher <strong>in</strong> diesem Konvente starb(gest. 11. 6. 1777)Josef Halamek, Sekretär der Bezirkshauptmannschaft (gest. 1782).Anton Kostelecky, <strong>Brünn</strong>er Bürger, <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Gatt<strong>in</strong> Maria Magdalena (gest. 1787).Ignaz Heischer von Ränfenfeld, Hauptmann (gest. 1779).In der letzten Halle ruhen die noch erhaltenen Leichen der Mitglieder desKapuz<strong>in</strong>erordens, zusammen 24, ohne Särge.Von der Gründung des Klosters bis zum Jahre 1784 wurden hier im ganzen 153Kapuz<strong>in</strong>er begraben. Kaiser Josef II. hat dann die weitere Benützung der <strong>Gruft</strong>strengstens verboten.Starb e<strong>in</strong> Kapuz<strong>in</strong>er, so wurde er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em für alle geme<strong>in</strong>sam verwendeten Sarge <strong>in</strong> derKirche aufgebahrt. Nach der E<strong>in</strong>segnung wurde der Tote mit dem Sarge auf e<strong>in</strong>er durchWeghebung e<strong>in</strong>es großen Ste<strong>in</strong>es freigelegten Stiege <strong>in</strong> die <strong>Gruft</strong> h<strong>in</strong>untergetragen; dortwurde der Sarg niedergestellt, das Bodenbrett herausgezogen <strong>und</strong> der Tote lag auf derErde. Unter den Kopf wurden 2 Ziegel gelegt. Der Sarg wurde dann wieder weggetragen<strong>und</strong> bis zum nächsten Begräbnis aufbewahrt.Zu bemerken ist, daß die Hallen ganz trocken <strong>und</strong> auch die Leichen im Laufe der Zeite<strong>in</strong>getrocknet <strong>und</strong> so bis zum heutigen Tage gut erhalten s<strong>in</strong>d. Die Leichen derobengenannten vornehmen Verstorbenen liegen <strong>in</strong> hölzernen, bunt gefärbten Särgen.Die Toten ruhen nun zwar schon Jahrh<strong>und</strong>erte h<strong>in</strong>durch ganz ruhig hier <strong>und</strong> dennochverkünden sie den Besuchern laut die Vergänglichkeit der Welt.Die Kapuz<strong>in</strong>ergruft gehört gewiß zu den denkwürdigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt<strong>Brünn</strong> <strong>und</strong> wurde jährlich von vielen Fremden besucht. (BHB 1952)Die <strong>Brünn</strong>er <strong>Kapuz<strong>in</strong>erkirche</strong>Gegen Anfang des 16. Jahrh<strong>und</strong>erts wurde der Kapuz<strong>in</strong>erorden <strong>in</strong> Italien gegründet. Erstnach dem 30jährigen Krieg (1618—1648) haben die bärtigen Mönche <strong>in</strong> ihren rauhenbraunen Kutten, den Strick um die Lenden <strong>und</strong> den Sandalen an den Füßen <strong>in</strong> unsererStadt ihren E<strong>in</strong>zug gehalten.Zweimal stand während des obengenannten Krieges <strong>Brünn</strong> <strong>in</strong>mitten des Zeitgeschehens.Als der Friede zu Münster <strong>und</strong> Osnabrück (1648) geschlossen worden war, da ertöntenauch von den Türmen der noch erhaltenen Kirchen der Stadt die Friedensglocken; derChronist erzählt, wie mit e<strong>in</strong>em Dankgottesdienst <strong>in</strong> der St. Jakobskirche „der Hohe Adel,die Geistlichkeit, die Bürger <strong>und</strong> das geme<strong>in</strong>e Volk" den Frieden begrüßten. Schwerwaren die W<strong>und</strong>en, welche namentlich die letzte mehrmonatliche Belagerung durch dieSchweden (1645) der Stadt geschlagen hatte.Die vor den Mauern der Stadt gelegenen Vorstädte waren schon vor der Belagerung zumTeil abgetragen worden, um dem Fe<strong>in</strong>de ke<strong>in</strong>en Rückhalt zu geben. Die Kirchen <strong>in</strong>Obrowitz <strong>und</strong> Altbrünn hatten schwere Schäden, <strong>in</strong>nerhalb der Mauern der Stadt hatteSt. Thomas am meisten gelitten, lag doch diese Kirche unmittelbar an der Thomasbastei,an der sich schwere Kämpfe abgespielt hatten, die Türme des Petersdomes warenabgeschossen worden. Diese Kirche, wie auch jene zu St. Thomas <strong>und</strong> die Jesuitenkirchemußten erst e<strong>in</strong>er durchgreifenden Renovierung unterzogen werden, ehe sie wieder fürden Gottesdienst geeignet waren.Es war also nach Beendigung des Krieges e<strong>in</strong> Bedürfnis nach kirchlichem Räumenvorhanden. Diesem entsprachen die Kapuz<strong>in</strong>er, die mit dem Baue e<strong>in</strong>er Kirche, derheutigen <strong>Kapuz<strong>in</strong>erkirche</strong>, begannen. Schlicht <strong>und</strong> e<strong>in</strong>fach ist die Kirche als Bauwerk.Lediglich der Giebel zeigt e<strong>in</strong> Bild, die Kreuzauff<strong>in</strong>dung. Die Heiligenfiguren, auf e<strong>in</strong>erEmpore vor der Kirche, entstanden später. Die <strong>Kapuz<strong>in</strong>erkirche</strong>n der Welt gleichen alle


e<strong>in</strong>ander wie e<strong>in</strong> Ei dem andern. Wer sich das Äußere der <strong>Brünn</strong>er <strong>Kapuz<strong>in</strong>erkirche</strong>e<strong>in</strong>geprägt hat, wird sofort jede Kirche des Kapuz<strong>in</strong>erordens bei e<strong>in</strong>er Wanderung durche<strong>in</strong>e fremde Stadt erkennen. Auf me<strong>in</strong>en weiten Reisen im Auslande habe ich absichtlichdie <strong>Kapuz<strong>in</strong>erkirche</strong>n aufgesucht; sie bieten baulich <strong>und</strong> auch im Innern zwar nicht vielwas dem Kunstfre<strong>und</strong> von Interesse ist, aber die Grüfte unterhalb der Kirchen geben e<strong>in</strong>kulturgeschichtliches Bild e<strong>in</strong>er vergangenen Zeit. E<strong>in</strong>zelne dieser unterirdischenTotenstätten haben Weltberühmtheit erlangt: die Kapuz<strong>in</strong>ergruft <strong>in</strong> Wien als Ruhestätteder Habsburger <strong>und</strong> die <strong>Gruft</strong> der capucc<strong>in</strong>i <strong>in</strong> Palermo. Ich b<strong>in</strong> durch diese Totenstadt <strong>in</strong>Palermo geschritten, durch Gänge, <strong>in</strong> deren Nischen die mumifi-zierten Körper stehen,bekleidet mit dem Gewande, das ihrem Stande entsprach. Neben dem nobili <strong>in</strong> se<strong>in</strong>erprächtigen Gewandung, den Degen an der Seite, steht e<strong>in</strong> Bischof mit dem Bischofsstab,dem Zeichen se<strong>in</strong>er Würde <strong>und</strong> weiter e<strong>in</strong> schlichter Ordensgeistlicher im härenenGewande. H<strong>und</strong>erte <strong>und</strong> H<strong>und</strong>erte reihen sich ane<strong>in</strong>ander, Staatsmänner <strong>und</strong> Offiziere,Frauen, Bürger <strong>und</strong> Kaufleute, Jugendliche <strong>und</strong> auch sogar K<strong>in</strong>der. Und alle sprechenzum Besucher <strong>in</strong> e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>glicher Sprache:Was du bist, das war auch ich dere<strong>in</strong>st. Was ich b<strong>in</strong>, das wirst du se<strong>in</strong>!Auch unsere <strong>Kapuz<strong>in</strong>erkirche</strong> <strong>in</strong> <strong>Brünn</strong> birgt e<strong>in</strong>e <strong>Gruft</strong>. E<strong>in</strong>e Tafel an der Außenseite gibtdie Besuchszeiten an. Wir ziehen an der Glocke <strong>und</strong> ihr schriller Ton ruft den Pförtner zurStelle. E<strong>in</strong> Klosterbruder führt uns h<strong>in</strong>ab <strong>in</strong>s Reich der Toten. Abseits des Straßenlärms<strong>und</strong> des Hastens <strong>und</strong> Treibens der Stadt ist hier die Stille des Klosters. Vor Jahrzehntennoch wurde die Besichtigung mit Fackelbeleuchtung <strong>und</strong> im Kerzenlichte durchgeführt.Gespenstig huschten die Schatten durch die düsteren Räume. Heute wird beim Betretender <strong>Gruft</strong> das elektrische Licht e<strong>in</strong>geschaltet, dessen greller Sche<strong>in</strong> läßt die E<strong>in</strong>zelheitender Totenstätte auch im letzten W<strong>in</strong>kel deutlich hervortreten.Wir s<strong>in</strong>d nun <strong>in</strong> der e<strong>in</strong>fachen, schmucklosen <strong>Gruft</strong>kapelle. An der Wand hängt, <strong>in</strong> Ölgemalt, das Bild des Pandurenoberst Trenk zwischen zwei Wappenschildern. Auf demschmucklosen Altare steht e<strong>in</strong>e Muttergottes, e<strong>in</strong>e Holzschnitzerei, angeblich aus dem14. Jahrh<strong>und</strong>ert. In der Mitte der Kapelle ruht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Metallsarge die Leiche desKriegsmannes Trenk, se<strong>in</strong>erzeit Maria Theresias tapferster Offizier im Kriege gegenderen größten Fe<strong>in</strong>d, den „Alten Fritz". Durch e<strong>in</strong>en Glasdeckel kann man alleE<strong>in</strong>zelheiten genau betrachten. Der Leib ist grau, ledern, vertrocknet, mit e<strong>in</strong>em Tuchbekleidet, se<strong>in</strong>e Be<strong>in</strong>e stecken <strong>in</strong> mächtigen Stiefeln. Im Nachbarraume liegt <strong>Brünn</strong>s berühmtesterBarockbaumeister Mauriz Grimm, der über 50 Jahre h<strong>in</strong>durch ununterbrochenBauwerk auf Bauwerk schuf. Er baute die M<strong>in</strong>oritenkirche um <strong>und</strong> gab ihrdie Form, <strong>in</strong> der sie uns entgegentrat. Die Hl. Stiege im Nachbarraume ist gleichfalls se<strong>in</strong>Werk. Hervorzuheben ist aus der Reihe se<strong>in</strong>er Bauten der im Jahre 1733 begonnene Baudes Landtagsgebäudes auf dem Dom<strong>in</strong>ikanerplatze, des „Neuen Rathhauses".Neben dem großen Baumeister schlummert se<strong>in</strong>e Frau. In weiterer Folge reiht sich Sargan Sarg. Die Kapuz<strong>in</strong>er übten seit jeher das Amt der Totenbestattung aus. Noch <strong>in</strong>unseren Tagen war täglich e<strong>in</strong> graubärtiger Kapuz<strong>in</strong>er auf dem Zentralfriedhofe, dernamentlich bei Armenbegräbnissen se<strong>in</strong>e Funktion ausübte oder e<strong>in</strong>sprang, wenn ke<strong>in</strong>Priester bei e<strong>in</strong>em Begräbnisse bestellt war. In alten Zeiten waren die Vornehmen derStadt bemüht, sich e<strong>in</strong>e letzte Ruhestätte bei den Kapuz<strong>in</strong>ern zu sichern. Noch beiLebzeiten machten sie dem Kloster Geschenke <strong>und</strong> bedachten dieses <strong>in</strong> ihremTestamente. Die Adligen der Umgebung <strong>Brünn</strong>s, Staatsmänner, Krieger, vornehmeBürger <strong>und</strong> vornehme Frauen warten hier auf ihre Auferstehung. Der Führer verweist aufe<strong>in</strong>en Sarg <strong>und</strong> erläutert, daß dieser die sterblichen Überreste der Komtesse Elisabethvon Z<strong>in</strong>sendorf birgt, die — als Sche<strong>in</strong>tote begraben — im Sarge neuerlich zum Lebenerwachte <strong>und</strong> e<strong>in</strong>es schrecklichen Todes gestorben se<strong>in</strong> muß.Im Jahre 1784 hat Kaiser Josef II. die <strong>Gruft</strong> besucht <strong>und</strong> an Ort <strong>und</strong> Stelle verboten,daß weitere Bestattungen hier stattf<strong>in</strong>den <strong>und</strong> angeordnet, daß sogar die Kapuz<strong>in</strong>erselbst auf dem Gottesacker zu begraben seien.Still <strong>und</strong> nachdenklich steigen wir mit dem Führer wieder h<strong>in</strong>auf <strong>in</strong> das helle Licht desTages. E<strong>in</strong> Stück Kulturgeschichte des 17. <strong>und</strong> 18 Jahrh<strong>und</strong>erts hat e<strong>in</strong>e beredte Sprachegeführt. Vergessen s<strong>in</strong>d die Namen derer die da unten ruhen. Schönheit, Macht, Ruhm,Besitz, alles ist vergangen, nichts ist geblieben als Staub <strong>und</strong> Moder. Der Gang durch die


<strong>Gruft</strong> hat uns tief bee<strong>in</strong>druckt. Die Vergänglichkeit alles Irdischen kommt e<strong>in</strong>em daunten zwischen Särgen <strong>und</strong> vertrockneten Menschenkörpern so recht zum Bewußtse<strong>in</strong>.In tiefer Ergriffenheit verabschieden wir uns von unserem Führer; er öffnet die Klosterpforte<strong>und</strong> schon stehen wir nach dem Verlassen der Kirche mitten im Lärm dem Hasten<strong>und</strong> Treiben der Großstadt. Habermann (BHB 1952)Die Feier der Ostergeheimnissse <strong>in</strong> der <strong>Brünn</strong>er <strong>Kapuz<strong>in</strong>erkirche</strong>Von Anna Anderle, HutthurmEs gibt Großstadtkirchen — auch <strong>in</strong> <strong>Brünn</strong> — an deren Tore unmittelbar der Lärm desStraßenlebens brandet. Es ist fast zu unvermittelt, wenn nur der dünne Türflügel dasGeräusch der hastenden Welt trennt von der zeitlosen Stille des Ewigen.Es gibt Großstadtkirchen — auch <strong>in</strong> <strong>Brünn</strong> — die e<strong>in</strong> wenig anders liegen. FünfzigSchritte von Straßen <strong>und</strong> Plätzen entfernt, <strong>in</strong> denen sich die hastende Menge staut,haben sie e<strong>in</strong>e Insel der Stille um sich gebreitet wie die <strong>Kapuz<strong>in</strong>erkirche</strong> <strong>in</strong> <strong>Brünn</strong>. Ne<strong>in</strong>,es s<strong>in</strong>d wirklich nicht alle, die von der Ferd<strong>in</strong>andsgasse oder dem Krautmarkt zumKapuz<strong>in</strong>erplatz abbogen, <strong>in</strong> die Kirche gegangen. Wer es aber vor hatte, dem war,glaube ich, jeder Schritt Entfernung von Neben-sächlichkeiten, Annäherung an das e<strong>in</strong>eWichtige. Bis man dann vor den paar Treppenstufen stand, die zur niedrigen Kirchentürh<strong>in</strong>aufführten Ich glaube, ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige <strong>Brünn</strong>er Kirche hatte e<strong>in</strong>e so niedrige Tür wie die<strong>Kapuz<strong>in</strong>erkirche</strong>. Ganz schlicht, ohne portalmäßigen Umbau liegt sie <strong>in</strong> der glattenKirchenwand mit dem großen Freskogemälde von der Auff<strong>in</strong>dung des Hl. Kreuzes. Siehat auch <strong>in</strong>nen nicht viel Besonderes, ist wie die meisten <strong>Kapuz<strong>in</strong>erkirche</strong>n <strong>in</strong> allenLanden mit schlichter, handwerklich gut ausgeführter Holzausstattung versehen. Ne<strong>in</strong>,wirklich nichts Besonderes. Daß sie uns persönlich lieb war, weil der e<strong>in</strong>e Seitenaltar imPresbyterium me<strong>in</strong>es Mannes Namenspatron trug, der andere me<strong>in</strong>e Patron<strong>in</strong>, dürfteauch bei anderen Ehepaaren vorgekommen se<strong>in</strong>.Es gab wohl viele <strong>Brünn</strong>er, die durchaus nicht ständig nur e<strong>in</strong>e Kirche besuchten, die fürbestimmte Gelegenheiten bestimmte Gotteshäuser bevorzugten So habe ich <strong>in</strong> lieberEr<strong>in</strong>nerung die Feier der Ostergeheimnisse <strong>in</strong> der <strong>Kapuz<strong>in</strong>erkirche</strong>. Besonderse<strong>in</strong>drucksvoll waren die Ölbergandacht <strong>und</strong> die Auferstehungsfeier.L<strong>in</strong>ks rückwärts am letzten Altar, wo dann das Hl. Grab bereitet war, standen dieProspekte mit den Darstellungen Jerusalems. Über Z<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Kuppeln g<strong>in</strong>g der Blick <strong>in</strong>die Gefilde Paläst<strong>in</strong>as, wo blaue Bergrücken den Horizont begrenzten. E<strong>in</strong>ige immergrüneTopfpflanzen, die so gut zur Szenerie paßten, konnten e<strong>in</strong>zig als Schmuck gelten.Draußen sank die Dämmerung der ersten Frühl<strong>in</strong>gstage nieder <strong>und</strong> der rote Sche<strong>in</strong> desEwigen Lichtes <strong>und</strong> e<strong>in</strong>iger Kerzen war so recht geeignet, sich <strong>in</strong> die Stadt desOstergeschehens h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zudenken. Am schmuck-losen Betschemel kniete <strong>in</strong> e<strong>in</strong>facherKutte e<strong>in</strong> Kapuz<strong>in</strong>er dicht um den Altar geschart standen die Leute. E<strong>in</strong>fache Worteklangen auf, die k<strong>in</strong>dhaft schlicht vom großen Geschehen dieses Abends, dieser Nachtkündeten, Der rote Sche<strong>in</strong> der Ewig-Licht-Lampe nahm uns <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Bann, führteunsere Augen <strong>in</strong> die Straßen <strong>und</strong> Häuser von Jerusalem. Und wir sahen vor uns, was sichda ereignete, <strong>und</strong> oft geschah es, daß wir noch immer schauten <strong>und</strong> schauten, auch alsder Kapuz<strong>in</strong>er schon längst nach e<strong>in</strong>er Kniebeugung <strong>in</strong> die Klostergänge geschritten war<strong>und</strong> die Leute sich e<strong>in</strong>zeln langsam lösten von dieser Stätte. Ich glaube nicht, daß e<strong>in</strong>erder Anwesenden am Heimweg sehr bewußt die lockenden Auslagen der Geschäfte derFerd<strong>in</strong>andsgasse sah.Karsamstag, um ½ 5 Uhr nachmittags, begann die Auferstehungsfeier. Gut e<strong>in</strong>e St<strong>und</strong>evorher waren alle Sitzplätze besetzt <strong>und</strong> nach 4 Uhr wurde es auch schwer, e<strong>in</strong>enStehplatz zu ergattern. Es möge mir verziehen se<strong>in</strong>, wenn ich manchmal e<strong>in</strong>en Auswegfand, <strong>in</strong>dem ich plötzlich am Chor auftauchte, um mitzus<strong>in</strong>gen. Der Chorleiter<strong>in</strong>, Frl.Schurrwetz, <strong>und</strong> den meisten Mitwirkenden bekannt, zuverlässig blattsicher, hatte dieSache ke<strong>in</strong>e weiteren Schwierigkeiten.Dumpf hörte man Chor <strong>und</strong> Gegenchor der Patres <strong>und</strong> Brüder, die h<strong>in</strong>ter dem Hochaltar


die Vesper beteten, ab <strong>und</strong> zu sah man schattenhaft e<strong>in</strong>e Bewegung durch dieGlasscheibe unterhalb des Tabernakels. Atemlos stand die Menge, als die Lichterentzündet waren, als die M<strong>in</strong>istranten mühsam dem Guardian mit se<strong>in</strong>en Assistenten denWeg zum Hl. Grab gebahnt hatten. Dann aber klang der Jubel auf: „Christus isterstanden!" <strong>und</strong> die ganze Kirche erscholl von dem begeisterten S<strong>in</strong>gen der Gläubigen:„Seht, auferstanden ist der Herr, das Grab umschließet ihn nicht mehr, halleluja!" Ichglaube, <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er Kirche <strong>Brünn</strong>s haben alle Anwesenden bei der Auferstehung sobegeistert mitgesungen wie da. „Ihm kann ke<strong>in</strong> Felsen widerstehn, er wird ihn siegreichimmer sehn". Es war Ehrensache, die Strophen auswendig zu kennen. Und dann wuchsder Jubel noch e<strong>in</strong>mal auf: „Te Deum laudamus". Wer lebte da nicht mit, als der Chorsang: „In te, Dom<strong>in</strong>e, speravi, non conf<strong>und</strong>ar <strong>in</strong> aeternum. — Auf dich, Herr, habe ichgehofft, ich werde <strong>in</strong> Ewigkeit nicht zuschanden werden".Als dann die Kirche sich langsam, langsam leerte, da lag e<strong>in</strong> Leuchten auf allenGesichtern, da sah man die Osterfreude <strong>in</strong> aller Augen. Da trafen sich die Verwandtenzum Abendgang, der das Fest e<strong>in</strong>leiten sollte, <strong>und</strong> manchmal gab es da auch das erste,sorgsam verhüllte Osterei.Es war für manchen erschütternd zu sehen, daß diese uns so selbstverständlicheOsterfreude hier vielfach unauff<strong>in</strong>dbar ist. Deshalb haben wir nach der Auferstehungprivatim doppelt froh gesungen: „Seht, auferstanden ist der Herr!"(BHB 1952)

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!