Look inside the Book - Residenz Verlag
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Sichtlich genervt schreibt Scott nach einem Jahr in Great Neck: »Es<br />
war ein wundervoller Sommer und viele weltmüde New Yorker gewöhnten<br />
sich daran, das Wochenende auf dem Land bei den Fitzgeralds<br />
zu verbringen.« 220 Dabei kann er sich seine großzügige Gastfreundlichkeit<br />
längst nicht mehr leisten. Und so reisen die beiden samt Scottie,<br />
17 Gepäckstücken, der kompletten »Encyclopaedia Britannica« und<br />
einem Barvermögen von 7000 Dollar auf der »S. S. Minnewaska« nach<br />
Europa ab: »Uns war, als wären wir noch mal davongekommen – vor<br />
der Verschwendungssucht und dem Getöse und allen ausschweifenden<br />
Überspann<strong>the</strong>iten, die für fünf hektische Jahre den Rahmen unseres<br />
Lebens abgegeben hatten.« 221 Ring Lardner bringt es auf den Punkt:<br />
»Sie verließen die USA (…), weil New Yorker ihr Haus auf Long Island<br />
permanent mit einem Rasthaus verwechselten.« 222 Für ihn ist die Abreise<br />
der Fitzgeralds ein herber Verlust. New York ist nicht mehr dasselbe,<br />
und so schickt er ihnen bald ein Telegramm hinterher: »Wann<br />
kommt ihr zurück und warum? Bitte antwortet!« 223<br />
Die erste Station der Fitzgeralds ist die Anlaufstelle aller Exilamerikaner<br />
in Frankreich: Paris. Hier leben diejenigen, die den USA den<br />
Rücken gekehrt haben: Ernest Hemingway, Archibald MacLeish, John<br />
Dos Passos, Ezra Pound, T. S. Eliot und viele andere. Gertrude Stein,<br />
unbestrittene Autorität dieser Szene, wird sie Ernest Hemingway gegenüber<br />
als »verlorene Generation« bezeichnen: »Ihr seid eine verlorene<br />
Generation. Ihr habt keinen Respekt vor gar nichts. Ihr trinkt<br />
euch zu Tode.« 224 Die meisten sind ehemalige Kriegsteilnehmer, die<br />
nach dem Krieg Schwierigkeiten hatten, sich in der amerikanischen<br />
Gesellschaft wieder zurechtzufinden. Man hatte sie nach Europa geschickt,<br />
um Ideale zu verteidigen, die in den USA selbst nicht verwirklicht<br />
waren. Sie waren im Dreck gelegen und hatten sich verwunden<br />
lassen dafür, dass man ihnen bei ihrer Rückkehr einen Orden<br />
ansteckte und zur Tagesordnung überging. Jetzt sind sie auf der Suche<br />
nach einem neuen Sinn für ihr Leben. Sie empfinden die schnelle,<br />
oberflächliche Lebensweise, die in den USA überhandnimmt, als<br />
ebenso abstoßend wie den vehement verteidigten Puritanismus. Spätestens<br />
mit Einführung der Prohibition ist ihnen klar geworden, dass<br />
sie nicht in einem Staat leben wollen, der seinen Bürgern sogar das<br />
Trinken verbietet. Paris wird zum Sammelbecken all dieser Suchenden.<br />
Hier gibt es seit Jahren eine avantgardistische Künstlerszene, der auch<br />
viele Amerikaner angehören. Obwohl Hemingway keineswegs Ger-<br />
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