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TELLIPOST DEZEMBER 2013/JANUAR 2014 | 11JOSUA BIELERjosua.bieler@gmx.chBetrunkene Wachtmeister und bürokratisches ChaosZuversichtlich bin ich in die RS gestartet, bewertete dieersten sieben Wochen mit «das Positive überwiegt» undbeendete meine Reportage vom 12. September mit «Sokann es weitergehen, so macht es Spass.» Friede, Freude,Eierkuchen in der Armee also? Nein, in den letztenRS-Wochen konnte mich das Militär nicht mehr überzeugen.In meinem letzten Artikel möchte ich dies begründen.Die Organisation funktioniert nicht. Ich staunte vorzwei Wochen nicht schlecht, als ich bereits zum drittenMal auf der unbeliebten Wochenendwache eingeteiltwar. Erstaunt war ich deshalb, weil einige Soldatennoch nie auf der Wache waren. Das liess ich nicht aufmir sitzen und protestierte vorerst erfolgreich. Es wurdenochmals aufgenommen, wer wie oft auf der Wachewar. Als ich letzten Sonntag wieder in der Kaserne eintraf,stand aber der Josua Bieler schon wieder zuoberstauf der Liste. «Never give up» dachte ich mir und gingsofort wieder auf das KP (aufmerksame Leser meinerArtikel wissen: KP = Sekretariat). Dort teilte man miraber mit, dass keine 6.5er vorhanden seien. Das Ausfülleneines 6.5er – eigentlich ein normales Blatt – istder einzige Weg, sich an den Kadi zu wenden. Eine Kettevon organisatorischen Fehlern kosteten mich somitein wohl verdientes Wochenende. Und das Schlimmeist, dass diese Geschichte längst kein Einzelfall ist.Auch in der Planung hat das Militär noch viel Luft nachoben. Gerade in den letzten paar Wochen kam es öftersvor, dass wir einen ganzen Morgen überhaupt nichtsmachten. Es gab keinen Auftrag, also warteten wir,drückten auf unseren Handys herum oder schliefen. Istja schön und recht, wenn wir einen ganzen Morgenchillen können, aber nach einer Weile fragst du dich,wozu dich der Wachtmeister um 5.35 Uhr aus dem Bettgezerrt hat.Ein noch grösseres Problem sehe ich in der Führung.Unsere Wachtmeister, die eine Gruppe von ungefähracht Soldaten führen müssen, waren vor einem Jahrnoch Rekruten. Sie haben vor der RS wie wir eine Lehreoder eine Schule abgeschlossen und wurden bereitsvor Ende der RS Gruppenführer. So kommt es vor, dassein 19-jähriger Wachtmeister einem 24-jährigen Rekrutengegenübersteht. Beobachtet man das Verhalten derWachtmeister, merkt man schnell, dass sie weder erwachsenernoch disziplinierter sind. Im Ausgang ist esnicht etwa so, dass sich unsere Gruppenführer vernünftigerverhalten. Den schwersten Lapsus leistete sich einWachtmeister, der betrunken mit einem Autoreifeneinen Hang hinunterrollte und sich dabei verletzte. AlsSoldat fragt man sich: Wie soll ich die Befehle einesWachtmeisters ernst nehmen, der am Abend zuvor völligbetrunken vom Ausgang zurückkehrte?Ein letztes Wort noch zu unserem Kader. Sie fluchen alshätten sie den ganzen Anstand ihrer Kindheit vergessen.Dass es nicht so nett und lieb wie in der Kanti zu undher geht, war mir bewusst, aber ein solch primitivesVokabular habe ich im Militär nicht erwartet. Bei diesembemerkenswert breiten Fluch-Wortschatz stellt mansich die Frage, ob das Kader in der Offizierschule speziellauf Fluchwörter ausgebildet worden ist. Spätestensim zivilen Leben werden sie wieder merken, dass manmit solchem Verhalten im Leben nicht weit kommt.Als Fazit zu meinen 21 Wochen Militär muss ich alsozusammenfassen, dass das Negative überwiegt. Erstenssind die Kader keine Vorbilder. Es überrascht mich,dass man ausgerechnet im Militär, wo es um die Sicherheitder Schweiz geht, derart leichtsinnig Kader qualifiziert.Vorgesetzte in der Armee müssen erfahren, diszipliniert,vernünftig sein. Weiter muss die Organisationunbedingt besser werden. Es braucht einen besserenÜberblick über die Kompanie und eine sinnvollerePlanung des Tages und der Woche. Das Militär musswieder attraktiver werden. Denn eine solche RS würdeich meinem Sohn nicht empfehlen.Josua Bieler