KONZERTEnicht halt vor mehr oder mindermodernem R&B. Titel wie ,,God NoMore“, ,,Twist The Knife“ und ,,Dr.Feelgood“ bieten der quirligen Neu-Berlinerin die Möglichkeit, ihresonst eher unterkühlte Stimme tief,schmutzig, ja fast schwarz klingenzu lassen. Ansonsten – und das istauch gut so – vermeidet Leslie Cliostimmliche Eskapaden und das unsäglicheGestöhne, Gekiekse undakrobatische Oktaven-rauf-undrunterder meisten zeitgenössischenR&B- und Soul-Sängerinnen.Und auch auf Balladenparkett bewegtsich die Blondine perfekt, etwaauf dem von Cello und Piano umschmeicheltenTitel ,,Sister Sun &Brother Moon“, den sie mit einer Intensitätund Reife intoniert, die vongroßer und langer Lebenserfahrungzeugen, jedenfalls mehr alsman gemeinhin von einer Mittzwanzigerinerwartet.Sie selbst erzählt in Interviews,dass es in ihrem Leben jede MengeHochs und Tiefs gab und dass ihr dieMusik nicht in die Wiege gelegt wurde.Allerdings lief im Hause Clio vielMusik, vor allem Swing und klassischerSoul. Stevie Wonder, SamCooke, Marvin Gaye und The Marvellettes,aber auch Destiny’s Childund Lauryn Hill weckten in Leslieden Wunsch, Sängerin zu werden,Ultimo verlost CDs des Leslie Clio-Albums ,,Gladys“! Mail bis 10.10.an schnorrer@ultimo-bielefeld.de,Betreff: ,,Leslie schnorren“!Sister FeelgoodSOUL-ENTDECKUNG MIT RETRO-TOUCH: LESLIE CLIOSie gilt als die deutsche Soul-Hoffnung – die gebürtigeHamburgerin Leslie Clio.Kritiker finden Parallelen zu Duffy,Adele, Amy Winehouse und JossStone, sie selbst beschreibt ihrenStil als modernen Soul-Pop mitleichtem Retro-Touch.Tatsächlich klingt das Gros derSongs ihres gelungenen Debütalbums,,Gladys“ (Universal), das die27-jährige in Berlin mit NikolaiPotthoff (Bassist von Tomte) geschriebenund aufgenommen hat,weitaus weniger rückwärts gewandtund durchweg rauer undkantiger instrumentiert als derBlue-Eyed-Soul ihrer britischenKolleginnen. Ausnahmen sind ,,Islands“,,,Told Me So“ und vor allemdas wundervolle ,,I Couldn’t CareLess“, ein charmant beschwingter,wunderbar leichter Popsong mitdünner Soul-Patina und glamourösemSixties-Chic. Feel-good-musicpar excellence, ein Song, der in seinerUnbeschwertheit einfach ansteckendwirkt.Der Rest des Albums mischt aktuellenPop mit Soul und macht auchauch wenn sie als Teenager erst Gedichteschrieb und erst spätermerkte, dass man die Poesie auchsingen kann. Nach dem Abitur bereistesie zunächst für zwei Jahredie Welt, absolvierte nach der Rückkehrin Hamburg eine professionelleGesangsausbildung und zog dannnach Berlin, sang gelegentlich inClubs, jobbte als Kellnerin. Vielleichtstünde sie heute immer nochhinterm Tresen, hätte nicht eineFreundin Nikolai Potthoff ein Tapemit Leslies ersten eigenen Liederngegeben.Der Indierock-Gitarrist/Bassist/Songschreiber und Produzent (MuffPotter) war so begeistert von ihremTalent, dass er ihr einen Song vorspielte.Leslie schrieb einen Textdazu und gemeinsam entstand derTitel, der zu Leslie Clios erstem Hitavancieren sollte: ,,Told Me So“.Seitdem reitet Leslie Clio auf einerWelle der Begeisterung. Nachdemdie bekennende Vegetarierin zuvor,,nur“ im Vorprogramm von Bosse,Keane und Marlon Roudette aufgetretenwar, geriet Teil eins ihrer erstenHeadliner-Tour gleich zumTriumph. Fast überall waren dieKonzerte ausverkauft und das Publikumrestlos begeistert von ihremmädchenhaften Charme, ihrer unverstelltenStimme, den frischen,spritzigen Songs und ihrer gutgelauntenBand. Und auch jetzt beider Fortsetzung der Tour nach diversenFestivalauftritten, etwa beiRock am Ring, ist mit vollen Häusernzu rechnen, trotz durchweggrößerer Hallen. Volkard SteinbachBIELEFELD,RINGLOKSCHUPPEN 20.10.20 ULTIMO
BÜCHERGESUNDHEITImogens BrustMit »Krebs« wollte derRadioonkologe Martin Bleif einStandardwerk zum ThemaschreibenWie funktioniert Zellteilung? Handeltes sich bei Krebs in seinenverschiedenen Erscheinungsformenwirklich um eine Krankheit)?Hilft grüner Tee wirklich gegenTumore? Was verursacht Krebs:Umweltgifte, Strahlung oder einegenetische Disposition?Eine ganze Palette an Fragen undAntworten versucht der in Tübingenund Göppingen praktizierende RadioonkologeMartin Bleif in seinemBuch zu beantworten. Das tut er gutgeordnet, verständlich geschriebenund mit all der Ausführlichkeit, dieOnkologen in der Praxis nur seltenaufbringen.Leider hat das dickleibige Buchzwei Handicaps, ein strukturellesund ein produktionstechnisches.Dass er die Brustkrebserkrankungseiner jung verstorbenen Frau Imogenals dramaturgischen Leitfadenbenutzt, führt zu Beginn jedes Kapitelszu einer Betroffenheit erzeugendenDialogsituation, in der seine2010 verstorbene Frau angeblichFragen zu ihrer Erkrankung stellt,Radioonkologe Martin BleifJeder Krebs beginnt mit einer Zelledie sie sich als studierte Medizineringewiss teilweise selbst beantwortenkonnte. Bleif selbst will mit diesemBetroffenheitstonfall klarmachen,dass er nach vielen Jahren als Arztauch die Seite der Patienten kennengelernthat und Krebs somit nichtnur als systemische Erkrankung, sondernals eine das Leben der Betroffenenvon Anfang an radikal veränderndeErfahrung zu verstehen gelernthat. Das ist persönlich bewegend,sagt aber nichts über die Qualitätseiner Auskünfte aus. Auch derstilistische Bruch zwischen den persönlichenPassagen, die das Sterbenvon Imogen Bleif schildern, und denteilweise recht locker formuliertenwissenschaftlichen Auskünften,irritiert; um das Mindeste zu sagen.Schwerer wiegt hingegen die unglaublicheAnzahl von Syntax- undTippfehlern auf den meisten Seiten.Neben der erschwerten Lesbarkeitwirft eine solche Schlamperei auchkein gutes Licht auf die wissenschaftlicheSeriosität des Buches, das anscheinenvon niemandem gegengelesenwurde. Erich SauerMartin Bleif: Krebs. Die unsterblicheKrankheit. Klett-Cotta, Stuttgart 2013,528 S., mit zahlr. Abb., Register, Quellenverzeichnis.24,95MATHEMATIKZahlen bitteZwei Führer zum kalkulierendenVergnügenDen Umgang mit Zahlen und Formelnhaben die meisten schonkurz nach der Schulzeit aufgegeben,ein normaler Alltag lässt sichohne Wurzelziehen bewältigen undmit den Wundern des Zinseszinseskommt nur in Berührung, wer aufder falschen Tilgung zum Kreditsitzt. Trotzdem kann man mit Mathematikviel nützlichen Spaß haben, findetHolger Dambeck, Wissenschaftsredakteurbei Spiegel online. InNullenmachenEinsengroßversammelter schnurrige Rechentricks aus grauerVorzeit ohne Computer oder Abakus,und höchst praktische Vorschlägezum gerechten 10teln einer Pizzaoder alle 89 Wege, eine Krawatte zubinden. Beides sind Vorwände, umuns sozusagen meuchlings in eineMathematik zu locken, in der Zahlenund Rechnen kaum noch eine Rollespielen, sondern das abstrakteDenken Gefallen an sich selbstfindet.Andersherum geht Rudolf Taschnervor in Die Zahl die aus derKälte kam. Praktische Verwendbarkeitkommt nur am Rande vor, dasTrickreiche verblüfft nicht beim vorjonglierendenKopfrechnen.Vielmehrerzählt erhistorischeEpisoden,dieauf verschlungenenWegenzuZahlenführen.Wieetwa die altenÄgypter Astronomiebetrieben,und warum derNil-Kalender geheimwar, mitdem die Mächtigendie Hochwasserzeitenberechnenkonnten.Meist hateine Story Kontaktstellenzu vielenverschiedenen,nicht nurmathematischenThemen, und selbst es wennes scheinbar nur um eine Zahl geht,lauert eine Seite weiter schon dieGrundlagenkrise.Ist Mathematik ein sinnfreies Spielin formalen Welten? Ist Pi unendlich,weil es eben unendlich viele Nachkommastellenwirklich gibt? Odernur, weil es zu jeder gefundenennoch immer eine weitere gibt? SolcheFragen interessieren Taschneram Ende mehr als die Rechnung hinterder RSA-Verschlüsselung fürEmails.WingHolger Dambeck: Nullen machen Einsengroß. Mathe-Tricks für alle Lebenslagen.Köln, Kiepenheuer & Witsch2013. 282 S., 8,99 / Rudolf Taschner:Die Zahl die aus der Kälte kam. WennMathematik zum Abenteuer wird.München, Hanser 2013, 243 S., 19,90OWISSENMacht Männernicht schlauerOliver Kuhn hat unnützesWissen für und über Männergesammeltliver Kuhn, Autor der Bücher Alles,was ein Mann wissen muss(nicht zu verwechseln mit demBuch, das hier gerade besprochenwird) und Der perfekte Verführer.Wie Sie garantiert jede Frau erobern,schreibt gerne für Männer.Das ist schön. Aber warum soll das indem Buch zusammengetragene Wissenvor allem für Männer wichtigsein?Beginnt das Buch deshalb gleichmit Details zur der Durchblutungvon Penissen? Gefolgt von der Information,dass Sperma bis zu achtTage im Körper einer Frau überlebenkann?Es gibt Penis-Feste, handfestePorno-Fakten, und das Kapitel „UnterSchwulen“ erklärt dem Leser:„Die Selbstmordrate bei Transsexuellennach einer Operation liegt bei18 Prozent.“ Also nach einer Geschlechtsumwandlung.Da wirdgleich ganz klar: Dieses Buch ist fürMänner. Sex als Thema, alles wasmit den dazugehörigen Körperausscheidungenzu tun hat und das ewigeThema „Mann und Frau“ ziehensich durch das ganze Buch. Spermahat eine antidepressive Wirkung aufFrauen, höhö, dann können dieTherapeuten ja eigentlich einpacken.Das ist mitunter so aufdringlich,dass man sich als männlicher Leserbei der Lektüre fragt, ob man mit einerGeschlechtsumwandlung nichtbesser bedient wäre. Sacha BrohmOliver Kuhn: Alles, was ein Mann imKopf haben muss. Unnützes Wissenfür alle Lebenslagen. Knaur, München2013, 303 S., 9,99ULTIMO 21