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Nutzung von ERP-Systemen in Produktionsnahen ... - WI 2013

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lichen <strong>Nutzung</strong> entsprechen und die Berechnungsgrundlage für alle Kennzahlen diegleiche ist.Die generelle Forschungsfrage, die dem Beitrag zu Grunde liegt, ist, wie kann die<strong>Nutzung</strong> <strong>von</strong> SAP <strong>ERP</strong> durch Fachanwender quantitativ bewertet und e<strong>in</strong>geordnetwerden, um daraus Orientierungshilfen für Software- und Organisationsgestaltungabzuleiten? Konkret wird <strong>in</strong> diesem Beitrag die Frage beantwortet, welche produktionsnahenFunktionalitäten, die <strong>in</strong> SAP <strong>ERP</strong> enthalten s<strong>in</strong>d, wie <strong>in</strong>tensiv <strong>von</strong> denFachanwendern verwendet werden.In Kapitel 1.1 und 1.2 wird e<strong>in</strong> Überblick über den aktuellen Stand der <strong>ERP</strong>-Diskussion sowie vergleichbare wissenschaftliche Ansätze zur Analyse <strong>von</strong> Produktionsunternehmengegeben. Danach wird <strong>in</strong> Abschnitt 1.3 die systemtechnische Analysemethodeder SAP-<strong>Nutzung</strong>sanalyse e<strong>in</strong>geführt und das verwendete Werkzeug ‚RBEPlus‘ vorgestellt, das die Datensätze aus 53 Industrieunternehmen gewonnen undaufbereitet hat. Die Forschungsfragen werden <strong>in</strong> Abschnitt 1.4 formuliert. Der untersuchteDatenbestand der Anwenderunternehmen wird <strong>in</strong> Abschnitt 2.1 vorgestellt,anhand <strong>von</strong> 6 Komplexitätskriterien charakterisiert und die enthaltenen Industrieunternehmenidentifiziert. Um die Datenbasis weiter zu erschließen, werden <strong>in</strong> Abschnitt2.2 Beleg-, Anwender- und Stammdatenschwerpunkte <strong>in</strong> Teilprozessen derProduktion und der Disposition ermittelt. In Abschnitt 2.3 werden Fragen geklärt, wiesich externe Integration und <strong>in</strong>dividuelle Erweiterungen <strong>in</strong> <strong>Systemen</strong> der Industrie<strong>von</strong> anderen <strong>Systemen</strong> unterscheiden sowie welche Teilprozesse typischerweise geme<strong>in</strong>samoder gegensätzlich e<strong>in</strong>gesetzt werden. Das Kap. 3 fasst die Erkenntnisbeiträgezusammen und liefert Ansatzpunkte für Forschung und Anwenderunternehmenaufgrund der untersuchten Kriterien. Kapitel 4 liefert e<strong>in</strong> Fazit.1.1 Moderne <strong>ERP</strong>-SystemeViele Unternehmen haben weltweit Enterprise-Resource-Plann<strong>in</strong>g-Systeme wie SAP<strong>ERP</strong> e<strong>in</strong>geführt, um wettbewerbsfähig zu bleiben und ihren sich ständig änderndenGeschäftsstrategien besser und schneller folgen zu können [4-5]. <strong>ERP</strong>-Systeme s<strong>in</strong>d<strong>in</strong>tegrierte Informationssysteme, die Geschäftsprozesse für viele Anwender auf e<strong>in</strong>ere<strong>in</strong>zigen <strong>in</strong>tegrierten Datenbasis zur Verfügung stellen [6]. <strong>ERP</strong>-Systeme bieten dafüre<strong>in</strong> breites Spektrum an Funktionalität und Geschäftsprozessen. Gleichzeitig könnensie für die spezifischen Bedürfnisse des jeweiligen Anwenderunternehmens konfiguriertwerden [1], [7]. Daher gehören <strong>ERP</strong>-Systeme zum Typus der adaptierbarenStandardanwendungssoftware [8], die an neue Anforderungen des Marktes, den organisatorischenWandel im e<strong>in</strong>zelnen Unternehmen und die veränderlichen Aufgabenzuordnungender Fachanwender angepasst werden kann [9-10].Oft spricht man hier auch <strong>von</strong> <strong>in</strong>tegrierten <strong>Systemen</strong>, d. h. die e<strong>in</strong>zelnen Teilbereicheder Software müssen semantisch korrekt mite<strong>in</strong>ander zusammenarbeiten [11].Moderne <strong>ERP</strong>-Systeme zeichnen sich dadurch aus, dass die Integration gar über dieUnternehmensgrenzen h<strong>in</strong>aus erweitert wird. Dies kann beispielsweise durch e<strong>in</strong>eelektronische Anb<strong>in</strong>dung <strong>von</strong> Lieferanten, Kunden oder Regulierungsbehörden stattf<strong>in</strong>den.Geht die Anb<strong>in</strong>dung über die re<strong>in</strong>e Auftragsübermittlung h<strong>in</strong>aus und umfasst182


zusätzlich e<strong>in</strong>en Planungsaspekt, spricht man <strong>in</strong> diesem Zusammenhang auch <strong>von</strong>Supply Cha<strong>in</strong> Management (SCM) [12].Besonders <strong>in</strong> Industrieunternehmen s<strong>in</strong>d diese Aspekte sehr wichtig. So könnenZulieferbetriebe ihre Kunden oder große OEMs ihre Lieferanten anb<strong>in</strong>den, um für denEndkunden möglichst direkt verb<strong>in</strong>dliche Lieferterm<strong>in</strong>zusagen machen zu können. Injedem Fall profitieren sie aber auch selbst da<strong>von</strong>, jederzeit alle Kundenaufträge, Bestellungen,Fertigungsaufträge, Ressourcen oder Kontosalden abrufen zu können. DieIntegration der e<strong>in</strong>zelnen Module sorgt dafür, dass jeder Geschäftsvorfall <strong>in</strong> allenBereichen zu den notwendigen Buchungen führt. So wird beispielsweise bei derRückmeldung e<strong>in</strong>es Fertigungsauftrages der Wert der E<strong>in</strong>satzprodukte sowie die Kostensätzeder Mitarbeiter und Masch<strong>in</strong>en ermittelt, Bestandszu- und -abgänge gebucht,entsprechende Kostenstellen be- und entlastet und der Kapazitätsverbrauch registriert.Aufgrund der zunehmenden Leistungsfähigkeit der Hardware konnte sich auch dieSoftware <strong>in</strong> den letzten Jahren ständig weiterentwickeln und immer neue Funktionenbereitstellen. So hat sich die SAP Bus<strong>in</strong>ess Suite zur umfassendsten Standardanwendungssoftwarefür mittlere bis sehr große Unternehmen entwickelt und wird heute <strong>von</strong>über 100.000 Kunden, darunter viele Großunternehmen und Dax-Konzerne, e<strong>in</strong>gesetzt[13]. Durch den breiten E<strong>in</strong>satz <strong>von</strong> <strong>ERP</strong>-<strong>Systemen</strong> <strong>in</strong> der Unternehmenspraxisf<strong>in</strong>den sich eben dort aktuelle empirische Daten.1.2 <strong>Nutzung</strong> <strong>von</strong> <strong>ERP</strong>-<strong>Systemen</strong>Entscheidet sich e<strong>in</strong> Unternehmen für die Software, bedeutet dies aber noch langenicht, dass alle implementierten Funktionalitäten auch tatsächlich e<strong>in</strong>gesetzt werden[14]. Ähnlich wie man z. B. bei e<strong>in</strong>er Microsoft Office Installation zuerst wählenmuss, welche Bestandteile (Excel, Word, Outlook, etc.) <strong>in</strong>stalliert werden sollen, kannsich das Unternehmen auch für verschiedene Module (Vertrieb, E<strong>in</strong>kauf, F<strong>in</strong>anzwesenetc.) entscheiden. Genauso wie dann beispielsweise bei Outlook auch zuerst derEmail-Account konfiguriert werden muss (Servere<strong>in</strong>stellungen, zu synchronisierendeElemente wie Email, Kalender, Notizen etc.), muss auch e<strong>in</strong>e Standardsoftware anden vorgesehenen Stellen geeignet parametrisiert werden, was bei SAP auch als ‚Customiz<strong>in</strong>g‘bezeichnet wird.Beachtet man nun, dass E<strong>in</strong>führungen der Bus<strong>in</strong>ess Suite oftmals viele Monate,teilweise sogar Jahre dauern, wird schnell klar, dass die <strong>Nutzung</strong> e<strong>in</strong>er Funktion teilserhebliche Barrieren besitzen kann. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die <strong>Nutzung</strong>zwar zum e<strong>in</strong>en <strong>von</strong> den Bedürfnissen der Unternehmen, aber zum anderen auchda<strong>von</strong> abhängt, ob der erwartete Nutzen den E<strong>in</strong>führungsaufwand aufwiegt.E<strong>in</strong>e Analyse der <strong>Nutzung</strong> und des Anwenderverhaltens bzgl. se<strong>in</strong>er Tätigkeiten <strong>in</strong>Geschäftsprozessen oder se<strong>in</strong>e Differenzierung nach Schwerpunkten wird als hilfreich,aber sehr schwierig e<strong>in</strong>geschätzt [15]. Auch <strong>in</strong> <strong>in</strong>ternationalen Veröffentlichungenmit Bezug zur <strong>Nutzung</strong>sphase <strong>von</strong> <strong>ERP</strong>-<strong>Systemen</strong> basiert die Begründung ganzerModelle lediglich auf Befragungen e<strong>in</strong>zelner Anwender [2], [16] oder gar auf denAuswertungen <strong>von</strong> Kundenpräsentationen auf SAP-Veranstaltungen [17].Bisherige Studien untersuchen die <strong>Nutzung</strong> nur rudimentär: So führten JONES undYOUNG beispielsweise e<strong>in</strong>e Briefbefragung durch, bei der sie <strong>von</strong> allen Fortune 1000183


Unternehmen <strong>in</strong> 50 Fällen e<strong>in</strong>e gültige Antwort erhielten. Erhoben wurden 26 Multiple-Choice-Fragen,darunter die Anzahl der Anwender (5.000) oder die Anzahl der e<strong>in</strong>gesetzten Module. Problematischist, dass auch der Detaillierungsgrad der Fragen sehr ger<strong>in</strong>g ist. So beschränktsich die Ermittlung des Funktionsumfangs auf die Modulebene [2]. Zusätzlich ist derWahrheitsgehalt der Aussagen genauso wenig überprüfbar wie die Frage, wer denFragebogen tatsächlich ausgefüllt hat.Diesen der verhaltensorientierten Forschung zuzurechnenden Verfahren steht e<strong>in</strong>e -hier verwendete - wesentlich untrüglichere Datenbasis gegenüber <strong>in</strong> Form der Aktivitätsdaten,die Anwender <strong>in</strong> ihrer Unternehmenssoftware h<strong>in</strong>terlassen haben. Diese bisjetzt brachliegende Erkenntnisquelle zu erreichen und aufzubereiten ist allerd<strong>in</strong>gs mitgewissen Hürden verbunden. Für e<strong>in</strong>e Analyse müssen diese Detaildaten identifiziert und <strong>in</strong> anonymisierterForm aufbereitet werden, um den Datenschutz- und Firmenanforderungen gerechtzu werden. Es dürfen (zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> Deutschland) ke<strong>in</strong>e Rückschlüsse auf e<strong>in</strong>ene<strong>in</strong>zelnen Anwender und das e<strong>in</strong>zelne Unternehmen mehr möglich se<strong>in</strong>. Darüber h<strong>in</strong>aus müssen die Rohdaten zu s<strong>in</strong>nvollen <strong>Nutzung</strong>s<strong>in</strong>dikatoren zusammengefasstund strukturiert werden, um die Fragestellungen zu beantworten.1.3 SAP-<strong>Nutzung</strong>sanalyse mit RBE PlusFür die Aufgabe, Modelle aus produktiven R/3-<strong>Systemen</strong> abzuleiten, wurde der BegriffReverse Bus<strong>in</strong>ess Eng<strong>in</strong>eer<strong>in</strong>g (RBE) <strong>von</strong> Hufgard und Wenzel-Däfler geprägt[3]. Bestimmung des entsprechenden Analysewerkzeugs „RBE Plus“ ist es, basierendauf den Gestaltungs- und <strong>Nutzung</strong>sdaten der SAP-Unternehmenssoftware herauszuf<strong>in</strong>den,welche Prozesse, Funktionen, Customiz<strong>in</strong>g-E<strong>in</strong>stellungen, Stammdaten oderTransaktionen tatsächlich wie oft, <strong>von</strong> welchen Anwendern und wie <strong>in</strong>tensiv genutztwerden. Auf diesem Weg wird e<strong>in</strong>e objektive Faktenbasis geschaffen, die e<strong>in</strong>e Bewertungder System- und Prozessgestaltung und der wirklichen <strong>Nutzung</strong> durch den Fachanwenderermöglicht [14].Die <strong>Nutzung</strong>sanalytik dient zur Identifizierung der verwendeten und brachliegendenGestaltungsmöglichkeiten e<strong>in</strong>es SAP-Kundensystems mittels Kennzahlen undReferenzstrukturen. Weiterh<strong>in</strong> können die RBE-Analysen <strong>in</strong>haltlich zeigen, welcherSAP-Lösungsumfang konfiguriert (ausgewählt, angepasst) und wo Funktionalitätendazu ergänzt wurden. So lässt sich die Soll-Konzeption <strong>von</strong> Organisationsstrukturen,Geschäftsprozessen und ihren Varianten rekonstruieren und mit der Ist-<strong>Nutzung</strong> ausden aktiv genutzten Stamm- und Bewegungsdaten vergleichen.Mit RBE Plus werden ke<strong>in</strong>e Umsatzzahlen, Bestandswerte oder weitere kritischeF<strong>in</strong>anzdaten analysiert, sondern die Konfiguration, Prozesskennzahlen und anderestrukturelle <strong>Nutzung</strong>s<strong>in</strong>dikatoren. Trotzdem gibt es auch für solche <strong>Nutzung</strong>s<strong>in</strong>formationenmassive E<strong>in</strong>schränkungen und Löschverpflichtungen bzgl. der Ursprungsdaten.184


1.4 Forschungsfrage und –methodeDie funktionale <strong>Nutzung</strong> <strong>von</strong> <strong>ERP</strong> Software ist e<strong>in</strong> sehr aussagekräftiger Indikator fürdie IT-Durchdr<strong>in</strong>gung <strong>in</strong> Unternehmen. Allerd<strong>in</strong>gs dürfen nicht nur die <strong>in</strong>stalliertenModule gezählt, sondern es müssen auch die Aktivitäten der Anwender <strong>in</strong> der Prozessabwicklungbewertet werden. Die generelle Forschungsfrage, die dem Beitrag zuGrunde liegt, ist deswegen, wie kann die <strong>Nutzung</strong> <strong>von</strong> SAP <strong>ERP</strong> durch Fachanwenderquantitativ bewertet und e<strong>in</strong>geordnet werden, um daraus Orientierungshilfen fürSoftware- und Organisationsgestaltung abzuleiten? Da die <strong>Nutzung</strong> e<strong>in</strong>es Teilprozessesdurch 4 oder auch durch 400 Mitarbeiter erfolgen kann, muss dabei die Fragebeantwortet werden, wo die Schwerpunkte der Anwendertätigkeiten liegen, da diesefür die Unternehmen e<strong>in</strong> entscheidender Kostenfaktor s<strong>in</strong>d. Neben der Arbeitszeitstellt sich auch die Frage nach dem Qualifizierungsbedarf.Der betriebswirtschaftliche Untersuchungsbereich s<strong>in</strong>d die produktionsnahenFunktionalitäten, die <strong>in</strong> SAP <strong>ERP</strong> enthalten s<strong>in</strong>d. Die Frage stellt sich daher, welcheproduktionsnahen Fähigkeiten e<strong>in</strong>er <strong>ERP</strong>-Software werden wie <strong>in</strong>tensiv e<strong>in</strong>gesetzt?Indirekt kann damit auch die Frage beantwortet werden, ob sich für die untersuchtenUnternehmen der Schritt zu <strong>ERP</strong> - statt zu e<strong>in</strong>er Branchensoftware - gelohnt hat. Jemehr Funktionen im E<strong>in</strong>satz s<strong>in</strong>d, desto lohnenswerter war die Investition <strong>in</strong> Standard-<strong>ERP</strong>und e<strong>in</strong>e Branchensoftware hätte demnach ke<strong>in</strong>en Zusatznutzen aufgewiesen.Um diese Erkenntnis abzusichern, sollten auch Fragen nach Erweiterungen undSchnittstellen gestellt werden.Um die Forschungsfragen zu beantworten, werden zunächst die analysierten produzierendenUnternehmen vorgestellt und anhand <strong>von</strong> sechs Kennzahlen charakterisiert(2.1). Die deskriptiven Ergebnisse (2.2) zur Häufigkeit der Verwendung <strong>von</strong>Teilprozessen, zu den erzeugten Belegvolum<strong>in</strong>a <strong>in</strong> der Produktion, zu den Anwenderschwerpunktenund zu der Verwendung <strong>von</strong> Stammdaten liefern Fakten, um die Forschungsfragenzu beantworten. Die zusätzlichen Analysen (2.3) zu externer Kommunikationund Zusatzentwicklungen zeigen e<strong>in</strong>e weitere Perspektive und dienen derAbsicherung der Ergebnisse. Gleiches gilt für die Korrelationsanalyse bzgl. der Zusammenhänge<strong>in</strong> der Verwendung. Die Autoren versuchen auch jeweils e<strong>in</strong>e adäquatestatistische Darstellungsmethode e<strong>in</strong>zusetzen. Die Erklärungen hierfür s<strong>in</strong>d kurz gehaltenund beschränken sich auf die Förderung des <strong>in</strong>haltlichen Verständnisses. Kapitel3 dient der <strong>in</strong>haltlichen Diskussion und Interpretation der Erkenntnisse.2 Analyseergebnisse2.1 Analysierte AnwenderunternehmenDie <strong>in</strong> Tabelle 1 vorliegenden 53 Datensätze s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e Teilmenge <strong>von</strong> 77 RBE Plus-Analysen der Jahre 2011/12. Es handelt sich jeweils um e<strong>in</strong>en Satz <strong>von</strong> ca. 4.000Messwerten und Kennzahlen <strong>von</strong> Anwenderunternehmen aus Europa - mit SchwerpunktDeutschland - und den USA. Um die produzierenden Unternehmen <strong>in</strong>nerhalbdes vorliegenden Datenbestands zu identifizieren, wurde ermittelt, <strong>in</strong> welchen <strong>Systemen</strong>mit Auftragse<strong>in</strong>planung, Fertigungsaufträgen, Serienaufträgen, Prozessaufträgen185


oder Kanban gearbeitet wurde. Die Identifikation der Prozessnutzung erfolgte aufgrundder genutzten Stamm-, Bewegungs- und Customiz<strong>in</strong>gdaten [14]. Diese Unternehmenwerden <strong>von</strong> nun an als Industrieunternehmen behandelt. Wie <strong>in</strong> Tabelle 1 zuerkennen, bleiben <strong>von</strong> den 77 Analysen schließlich 53 Industrieunternehmen übrig,die <strong>von</strong> nun an für die weiteren Untersuchungen verwendet werden.Tabelle 1. Charakterisierung der untersuchten SystemeKennzahl N Mittelwert M<strong>in</strong>imum MaximumDialoganwenderTransaktionenStandardabweichung53 3.620 140 26.000 5.924SAP-Module 53 18,6 11 30 5,0Erweiterungen 53 2.956 100 19.000 3.643Schnittstellen 53 948 5 3.700 1.053Organisationen 53 2.878 40 21.500 5.611Länder 53 10,0 1 80 15,8Zur Charakterisierung der Systeme <strong>in</strong> Tabelle 1 wurden sechs Komplexitäts<strong>in</strong>dikatorenausgewählt, die neben der Anzahl aktiver Anwender aus den genutzten SAP-Modulen, den vorgenommenen Erweiterungen, den implementierten Schnittstellen,der Anzahl aktiver Organisationse<strong>in</strong>heiten und der Anzahl der Länder, <strong>in</strong> denen bilanziertwerden muss, bestehen [14][19].Während <strong>in</strong> allen 77 <strong>Systemen</strong> durchschnittlich 3.289 Dialoganwender aktiv waren,weisen Industrieunternehmen mit 3.620 Anwendern e<strong>in</strong>en überdurchschnittlichhohen Wert auf. Dies bedeutet, dass die <strong>Nutzung</strong>skennzahlen zusammen durch über<strong>in</strong>sgesamt 250.000 Anwender generiert wurden, wo<strong>von</strong> dann 191.000 Anwender <strong>in</strong>der Industrie tätig s<strong>in</strong>d. Damit bestätigt sich <strong>in</strong>direkt auch die hohe Bedeutung, diedieser Wirtschaftszweig sowohl <strong>in</strong> der Realwirtschaft, als auch <strong>in</strong> der Wirtschafts<strong>in</strong>formatikbesitzt.Aus Gründen der e<strong>in</strong>gegangenen Verpflichtungen gegenüber den untersuchten Unternehmens<strong>in</strong>d die Daten zweifach anonymisiert. Die Benutzerdaten gibt es nur alsaggregierte Kennzahlen und alle beschreibenden Daten zum Unternehmen s<strong>in</strong>d elim<strong>in</strong>iert,so dass ke<strong>in</strong> Rückschluss auf e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnes Unternehmen mehr möglich ist. E<strong>in</strong>eDifferenzierung nach Branchen oder Ländern ist aufgrund der Anonymisierung nichtmöglich. Weiterh<strong>in</strong> werden E<strong>in</strong>zeldaten wie das M<strong>in</strong>imum und Maximum nur gerundetoder als Intervall angegeben. Alle sonstigen statistischen Werte – wie der Mittelwertund die Standardabweichung - s<strong>in</strong>d nicht verändert.186


flusst, was die hohe Standardabweichung belegt. Dieser Effekt lässt sich durch diegroße Heterogenität der Unternehmensgrößen erklären. Es wird daher bewusst nur e<strong>in</strong>kle<strong>in</strong>er Auszug gezeigt und im Folgenden wenn möglich mit relativen Werten gearbeitet,die den Effekt der Unternehmensgrößen weitgehend bere<strong>in</strong>igen.Tabelle 2. Belegvolumen pro Monat <strong>in</strong> ProduktionMittelwertNM<strong>in</strong>imumMaximumStandardabweichungAuftragse<strong>in</strong>planung 5.125 46 3 67.112 11.176Fertigungsaufträge 13.368 36 7 124.724 24.656Serienaufträge 37.167 11 0 317.133 93.539Prozessaufträge 16.447 21 106 80.751 27.111Kanban 56.612 8 3 338.206 115.750Anwenderschwerpunkte. Um diese relativen Zahlen bilden zu können, wird alsReferenz die Gesamtanzahl der Anwender mit Transaktionsnutzung verwendet, diebereits <strong>in</strong> Kapitel 2.1 zur Bestimmung der Systemgröße genutzt wurde. Dar<strong>in</strong> enthaltens<strong>in</strong>d sowohl User, die Belege gebucht haben, als auch diejenigen, die nur Lesezugriffeausgeführt haben.Betrachtet werden nun Anwender, die Daten erfasst und Belege gebucht oder geänderthaben und somit <strong>in</strong> den entsprechenden Tabellen des SAP-Systems dokumentierts<strong>in</strong>d. Nach der Transformation <strong>in</strong> relative Werte ergibt sich das Ergebnis wie <strong>in</strong>Tabelle 3 zu sehen.Tabelle 3. Anwenderschwerpunkte Produktion (Teil 1)TeilprozesseMittelwertNM<strong>in</strong>imumMaximumStandardabweichungKanban 6,5% 8 0,4% 18,7% 6,2%Prozessaufträge 6,2% 21 0,2% 18,3% 4,8%Primärbedarfe 5,9% 42 0,2% 25,2% 4,9%Auftragsrückmeldung 4,6% 31 0,1% 24,8% 6,4%Fertigungsaufträge 4,1% 35 0,1% 13,4% 3,5%Bedarfsplanung 4,0% 47 0,1% 15,3% 3,8%Auftragse<strong>in</strong>planung 3,6% 43 0,2% 36,0% 5,6%Planaufträge 2,5% 50 0,1% 11,0% 2,4%Serienaufträge 1,8% 10 0,1% 7,4% 2,2%Leitteileplanung 1,5% 12 0,1% 5,5% 1,5%188


TeilprozesseMittelwertNM<strong>in</strong>imumMaximumStandardabweichungSekundärbedarfe 1,2% 36 0,0% 21,6% 3,6%Absatz- und Produktionsgrobplanung0,7% 14 0,0% 2,7% 0,8%Langfristplanung 0,3% 17 0,0% 1,8% 0,4%Prognose 0,2% 17 0,0% 1,2% 0,3%Stammdaten. Neben Belegen und Anwenderaktivitäten gibt es noch e<strong>in</strong>e weitereMöglichkeit festzustellen, welche Prozesse wie <strong>in</strong>tensiv im E<strong>in</strong>satz s<strong>in</strong>d: Stammdatengeben Auskunft darüber, welche Prozesse benutzbar s<strong>in</strong>d. Gibt es beispielsweiseStücklisten und Arbeitspläne, ist da<strong>von</strong> auszugehen, dass e<strong>in</strong>e Sekundärbedarfsermittlungdurchgeführt wird und Produktionsaufträge für die diskrete Fertigung angelegtwerden. Um die Effekte der unterschiedlichen Unternehmensgrößen erneut zu umgehen,wird analog zum Schema (1) wieder mit dem <strong>Nutzung</strong>s<strong>in</strong>dikator und der Häufigkeitdes E<strong>in</strong>satzes gearbeitet. Abbildung 2 zeigt <strong>in</strong> absteigender Reihenfolge, <strong>in</strong> wievielen Fällen <strong>in</strong>nerhalb des 3-monatigen Analysezeitraums neue Stammdaten angelegtwurden.Abb. 2. Häufigkeiten der Stammdatenanlage (N=53)2.3 AnalyseNachdem nun die grundsätzliche <strong>Nutzung</strong> der zur Verfügung stehenden Teilprozesse<strong>in</strong> den produzierenden Unternehmen geklärt wurde, stellt sich die Frage, ob die Kom-189


plexität dieser Systeme durch kunden<strong>in</strong>dividuelle Zusatzentwicklungen 1 oder externeKommunikation 2 mit Fremdsystemen per Schnittstellen signifikant erhöht und somitfehlende Standardfunktionalität zu e<strong>in</strong>em möglicherweise hohen Preis erkauft wurde.Kommunikation und Zusatzentwicklung. Mit diesen beiden Komplexitäts<strong>in</strong>dikatorenkann auch festgestellt werden, ob die <strong>in</strong>dustriespezifischen Funktionen ausreichen,oder <strong>von</strong> den Kunden viele Zusatzentwicklungen erstellt werden mussten. Esstellt sich nun die Frage, ob die Abweichungen <strong>von</strong> den übrigen <strong>Systemen</strong> signifikants<strong>in</strong>d.Abb. 3. Boxplot der externen Kommunikation und <strong>in</strong>dividuellen ZusatzentwicklungenIn Abbildung 3 werden die 53 Systeme <strong>von</strong> Industrieunternehmen mit den übrigen 24<strong>Systemen</strong> der Datenbasis verglichen. Die Ergebnisse legen nahe, dass Systeme <strong>in</strong> derIndustrie mit deutlich mehr externen Kommunikationsschnittstellen arbeiten, bei den<strong>in</strong>dividuellen Zusatzentwicklungen aber - bis auf wenige Ausreißer - kaum signifikanteUnterschiede aufweisen. Das generell leicht höhere Niveau lässt sich auch über die<strong>in</strong>sgesamt größeren Systeme und höheren Nutzerzahlen erklären. Es sche<strong>in</strong>t zum<strong>in</strong>destnicht der Fall zu se<strong>in</strong>, dass beim E<strong>in</strong>satz <strong>von</strong> Funktionen <strong>in</strong> der Produktion e<strong>in</strong>erhöhter Individualisierungsaufwand entsteht, zum<strong>in</strong>dest nicht höher als bei den übrigenModulen.Komplexität. Es lässt sich <strong>in</strong>sgesamt feststellen, dass Industrieunternehmen e<strong>in</strong>ehöhere Komplexität besitzen: Bei den Komplexitätskriterien aus Tabelle 1 kann anhandder sechs Kriterien (Anzahl Anwender, genutzte Module, vorgenommene Erweiterungen,implementierte Schnittstellen, Anzahl aktiver Organisationse<strong>in</strong>heiten und1 Unter dem Begriff ‚Zusatzentwicklungen‘ werden hier genutzte, vom Kunden entwickelteProgramme, modifizierte SAP-Programme, modifizierte Tabellen, aktive Bus<strong>in</strong>ess Add<strong>in</strong>ssowie Customer Exits subsumiert [14].2Als Maßzahl für die externe Kommunikation werden alle extern aufgerufenen Transaktionen(z. B. via RFC, ICM, CPI-C, ALE, Batch Input) sowie IDoc Sender- und Empfängersystemegezählt [14][19].190


Anzahl der Länder, <strong>in</strong> denen bilanziert wird) und e<strong>in</strong>er Two-Step-Clusteranalyse derDatenbestand <strong>in</strong> zwei Peergroups aufgeteilt werden. Während das Verhältnis <strong>von</strong>komplexen zu normalen <strong>Systemen</strong> <strong>in</strong> der Industrie bei 25:28 liegt, ist es bei den übrigenUnternehmen nur bei 6:18. Somit stammen 25 der 31 komplexen Unternehmenaus der Industrie.Tabelle 4. Korrelationen nach Pearson (Signifikant auf 0,05 zweiseitig)BedarfsplanungPlanaufträgeSekundärbedarfePrimärbedarfeLeitteileplanungAbsatz- undProduktionsgrobplanungProzessaufträgeLangfristplanungPrognoseKanbanSerienaufträgeFertigungsaufträgeAuftragse<strong>in</strong>planung-0,6Serienaufträge 0,56 0,28Prozessaufträge -0,6Kanban 0,56 0,34Prognose 0,35Auftragse<strong>in</strong>planungFertigungsaufträgeLangfristplanungAbsatz- undProduktionsgrobplanung0,28 0,290,29 0,370,34 0,37Primärbedarfe 0,3LeitteileplanungSekundärbedarfeBedarfsplanung0,37 0,35 0,3Planaufträge -0,3 0,860,37-0,30,86Korrelation der Teilprozesse. Die Fragestellung nach den Zusammenhängen bei der<strong>Nutzung</strong> der Teilprozesse beantwortet die Korrelation nach Pearson <strong>in</strong> Tabelle 4. Diestärkste negative Korrelation mit -0,6 haben ‚Fertigungs- und Prozessaufträge‘, dadiskrete Fertigung und kont<strong>in</strong>uierliche Prozessfertigung sich faktisch gegenseitigausschließen. Auf der positiven Seite korrelieren die ‚Bedarfsplanung‘ und ‚Planaufträge‘am stärksten mite<strong>in</strong>ander.Hervorzuheben s<strong>in</strong>d weiterh<strong>in</strong> Teilprozesse mit mehreren signifikanten Beziehungen.So schließt die ‚Leitteileplanung‘ zwar die ‚Planaufträge‘ oft aus, tritt aber häufigzusammen mit der ‚Absatz- und Produktionsgrobplanung‘ und ‚Kanban‘ auf. Die‚Serienfertigung‘ wiederum verlangt nach ‚Kanban‘ und der ‚Langfristplanung‘. Fer-191


tigungsaufträge und Prozessaufträge schließen sich zwar aus, haben aber ke<strong>in</strong>e weiterensignifikanten Zusammenhänge mit anderen Teilprozessen.3 Diskussion der Ergebnisse3.1 Theoretische ErkenntnisseIm Beitrag werden neue Kennzahlen zur Verbreitung und Anteil der aktiven Anwender<strong>in</strong> Teilprozessen der Produktion auf Basis e<strong>in</strong>er systembasierten Analysetechnikund -methodik e<strong>in</strong>geführt. In diesem Zusammenhang werden Ergebnisse <strong>in</strong> e<strong>in</strong>erDatenqualität bereitgestellt, die weit über die Qualität der bisher üblichen Ergebnisse<strong>von</strong> Befragungen h<strong>in</strong>ausgeht.In der deskriptiven Darstellung der <strong>Nutzung</strong>s<strong>in</strong>dikatoren werden mehrere Perspektivenauf den Produktionsbereich eröffnet und komb<strong>in</strong>iert: Teilprozesse, Anteil derAnwendertätigkeiten, Belegvolum<strong>in</strong>a und Stammdaten. Diese Komb<strong>in</strong>ation <strong>von</strong> <strong>Nutzung</strong>sdatenersche<strong>in</strong>t notwendig, um die <strong>ERP</strong>-<strong>Nutzung</strong> richtig quantitativ zu bewertenund e<strong>in</strong>zuordnen. Dies beweisen die gegensätzlichen Aussagen zu ‚Kanban‘: DerTeilprozess wird mit 16 % der Unternehmen zwar selten verwendet (Abbildung 1).Tabelle 3 zeigt aber demgegenüber, dass Kanban mit 6,5 % die meisten Anwenderaller Teilprozesse der Produktion erreicht, wenn es e<strong>in</strong>gesetzt wird. E<strong>in</strong> selten verwendeterTeilprozess wie Kanban, der aber e<strong>in</strong>en Anwenderschwerpunkt <strong>in</strong> den Industrieunternehmenbildet, erreicht mehr Anwender, als se<strong>in</strong> Verbreitungsgrad zunächstvermuten lässt.Die Konsequenz dieser beiden extrem unterschiedlichen Kennzahlenwerte ist, dasssie zusammen betrachtet werden müssen. Die richtige Bewertung und Quantifizierungder <strong>Nutzung</strong> ist demnach nur durch die Komb<strong>in</strong>ation mehrerer Kennzahlenperspektivenmöglich, die die hier vorgestellten <strong>Nutzung</strong>saspekte e<strong>in</strong>es Informationssystemse<strong>in</strong>beziehen. Damit ist der erste Teil der Forschungsfrage beantwortet.3.2 Praktische ErkenntnisseIm zweiten Teil der Forschungsfrage wurde die Umsetzbarkeit für Organisatoren imUnternehmen und Softwarehersteller adressiert. Aus den Erkenntnissen der hier ausgewerteten53 Produktionsunternehmen lassen sich e<strong>in</strong>ige wichtige Pr<strong>in</strong>zipien ableiten,die <strong>in</strong> Verbesserungsmaßnahmen <strong>in</strong> der Unternehmenspraxis umgesetzt werdenkönnen.Die Häufigkeit der Verwendung <strong>von</strong> Teilprozessen <strong>in</strong> der Produktion <strong>in</strong> Abbildung1 zeigt sowohl den Unternehmen, als auch dem Softwarehersteller SAP, dass im Bereichder Produktion zwei große Gruppen bezüglich der Verbreitung existieren. Dieerste Gruppe umfasst die klassischen Prozesse des MRP II Ablaufes, beg<strong>in</strong>nend mitder Prognose über die Bedarfsplanung bis h<strong>in</strong> zu Primärbedarfen, Sekundärbedarfenund Planaufträgen, die mit Verwendungshäufigkeiten <strong>von</strong> nahe 80% zur Standardnutzung<strong>in</strong> fast jedem Unternehmen gehören. Die zweite Gruppe bezieht sich auf Funktionen,die unterhalb e<strong>in</strong>es Verbreitungsgrades <strong>von</strong> 25 % liegen: Absatz- und Produkti-192


onsgrobplanung, Langfristplanung, Serienaufträge, Leitteileplanung und Kanban. DaFertigungsaufträge und Prozessaufträge additiv betrachtet werden müssen, werden sieaus dieser Betrachtung herausgenommen, zumal sie notwendigerweise <strong>in</strong> fast jedemProduktionsunternehmen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ihrer Formen vorliegen müssen.Die Schlussfolgerung aus dieser Betrachtung ist, dass es sich bei der ersten Gruppeum die Kernfunktionalität e<strong>in</strong>er Produktions-<strong>ERP</strong>-Software handelt. Die zweiteGruppe besteht aus Randfunktionalitäten, die für besondere E<strong>in</strong>sätze <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnenBranchen verwendet wird.Die Zahlen zu den Anwenderschwerpunkten <strong>in</strong> Tabelle 2 zeigen generell, dass nure<strong>in</strong> recht ger<strong>in</strong>ger Anteil an Fachanwendern im Unternehmen <strong>in</strong> produktionsnahenProzessen tätig ist. Die Zahlen können sich allerd<strong>in</strong>gs prozentual, wie die Maximalwertezeigen, nach oben bewegen, wenn das SAP-<strong>ERP</strong>-System <strong>in</strong> e<strong>in</strong>emproduktionslastigen Unternehmensbereich e<strong>in</strong>gesetzt wird und dort weniger die Vertriebs-,E<strong>in</strong>kaufs- und sonstigen Bereiche den Schwerpunkt der <strong>Nutzung</strong> darstellen.Diese Differenzierung <strong>in</strong> Abhängigkeit <strong>von</strong> der Organisationsform muss Gegenstande<strong>in</strong>er weiteren Untersuchung se<strong>in</strong>.Die höchsten Anwenderschwerpunkte stellen mit dem dezentralen Kanban-Prozess, dem rückmeldungs- und steuerungs<strong>in</strong>tensiven Prozessauftrag und der direktenErfassung <strong>von</strong> Primäraufträgen Teilprozesse dar, die e<strong>in</strong>en hohen manuellen E<strong>in</strong>griffverlangen. Es ist da<strong>von</strong> auszugehen, dass die Werte durch E<strong>in</strong>satz <strong>von</strong> Automatisierungsmaßnahmenim E<strong>in</strong>zelfall stark bee<strong>in</strong>flusst werden können. E<strong>in</strong>e Untersuchung<strong>in</strong> diesem Bereich ist <strong>in</strong> weiteren Veröffentlichungen geplant.Betrachtet man die wenig genutzten Funktionalitäten, wird deutlich, dass es sichbei der Prognose, der Langfristplanung, der Absatz- und Produktionsgrobplanungnicht nur um relativ wenig verbreitete Produktionsprozesse handelt, sondern auch umabsolute Expertenthemen. Im Unternehmen s<strong>in</strong>d nur wenige Mitarbeiter an dieserStelle ausgebildet bzw. notwendig, um die entsprechenden Planungsprozesse durchzuführen.Die <strong>in</strong> der Analyse angestellten zusammenhängenden Betrachtungen mit den <strong>in</strong>dividuellenErweiterungen und der externen Kommunikation zeigen, dass Schnittstellenkommunikationsicherlich zum Tagesgeschäft e<strong>in</strong>es Produktionsunternehmensgehören muss. Die Anb<strong>in</strong>dung <strong>von</strong> Geschäftspartnern und Lieferanten ist für Produktionsunternehmene<strong>in</strong>deutig stärker ausgeprägt als für den Rest der <strong>ERP</strong>-Systeme. DieAnzahl der Zusatzentwicklungen ist zwar im Mittel höher, jedoch vor allem aufgrunde<strong>in</strong>iger Ausreißer, wie die Darstellung im Boxplot bestätigt. Dies kann e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>weisdarauf se<strong>in</strong>, dass Produktionsunternehmen, die generell mehr Module e<strong>in</strong>setzen, auchmehr Zusatzentwicklungen benötigen. Es kann aber auch darauf h<strong>in</strong>deuten, dass dieseZusatzentwicklungen spezielle Branchenfunktionalität ersetzen. Die genaue Ursachemuss <strong>in</strong> weiteren Untersuchungen geklärt werden, auch wenn die Abweichung nichtauf große Lücken bzgl. fehlender Branchenfunktionalität h<strong>in</strong>weist.Die Korrelationsanalyse der e<strong>in</strong>zelnen Teilprozesse kann Unternehmen Anhaltspunktegeben, die e<strong>in</strong>en bestimmten Prozess e<strong>in</strong>setzen, ohne die damit signifikantkorrelierenden Partnerprozesse zu verwenden. Die Überlegung h<strong>in</strong>ter dieser Aussageist, dass andere Unternehmen diese Teilprozesse ebenfalls verwenden und offenbar193


überwiegend zum Ergebnis kamen, dass die zusätzlichen Prozesse e<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>nvolle Ergänzungbilden, um mehr Nutzen zu generieren.4 Fazit, Limitationen und ForschungsausblickDie systembasierte <strong>Nutzung</strong>sanalyse zeigt ihre Stärke <strong>in</strong> der Komb<strong>in</strong>ation <strong>von</strong> <strong>Nutzung</strong>s<strong>in</strong>dikatoren,die es erlauben Perspektiven wie Teilprozesse, Belege, Anwender,Stammdaten und Zusatzentwicklungen heranzuziehen, um Fragestellungen systematischzu beantworten.Die Verfasser haben sich bisher darauf konzentriert den <strong>ERP</strong>-Datensatz aufzubauen,um eigene Fragestellungen zu beantworten. Es geht hierbei nicht primär um dieFrage, welche Prozesse <strong>in</strong> Industrieunternehmen ablaufen, sondern welche Prozesse<strong>in</strong> der <strong>ERP</strong> Software wie <strong>in</strong>tensiv genutzt werden. Der vorliegende Datenbestand haterste Ergebnisse im Rahmen der Forschungsfragestellung aufbereitet. Nahezu jederder dargestellten Aspekte kann weiter vertieft und mit zusätzlichen Fragestellungenverknüpft werden.Im Rahmen der Diskussion mit der Community sollen neue Fragestellungen identifiziertund möglichst beantwortet werden. So wäre e<strong>in</strong> Vergleich zwischen der erwartetenbetriebswirtschaftlichen <strong>Nutzung</strong> <strong>von</strong> Prozessen mit der Systemnutzung möglich,um Abläufe außerhalb des SAP <strong>ERP</strong>-Systems zu identifizieren. Auch e<strong>in</strong>e Erweiterungder Kennzahlenbasis oder die Ableitung neuer Kennzahlen wird angestrebt.Dazu s<strong>in</strong>d Partner aus Forschung und Praxis e<strong>in</strong>geladen.Die Herausforderung der systembasierten <strong>Nutzung</strong>sanalytik liegt <strong>in</strong> der möglichstweitgehenden Förderung und Absicherung des Erkenntnisgew<strong>in</strong>ns. Auf Basis des hiererstmals vorgestellten und kont<strong>in</strong>uierlich wachsenden Datenbestandes auf Grundlage<strong>von</strong> systembasierten <strong>Nutzung</strong>sanalysen wird es weitere Veröffentlichungen geben.Dabei dürfen die berechtigten Wünsche nach Vertraulichkeit und Datenschutz derAnwenderunternehmen nicht außer Acht gelassen werden.Literatur1. W<strong>in</strong>kelmann, A.: Dynamic Reconfiguration of <strong>ERP</strong> Systems - Design of Information Systemsand Information Models. Post-Doctoral Thesis, Münster (2010)2. Jones, M.C., Young, R.: <strong>ERP</strong> Usage <strong>in</strong> Practice: An Empirical Investigation. InformationResources Management Journal, Jan-Mar2006, Vol. 19 Issue 1, pp.23-42 (2006)3. Hufgard, A., Wenzel-Däfler, H.: Reverse Bus<strong>in</strong>ess Eng<strong>in</strong>eer<strong>in</strong>g – Modelle aus produktivenR/3-<strong>Systemen</strong> ableiten. In: Electronic Bus<strong>in</strong>ess Eng<strong>in</strong>eer<strong>in</strong>g. 4. Internationale TagungWirtschafts<strong>in</strong>formatik., pp. 425-441, Physica, Heidelberg (1999)4. Robey, D., Ross, J., Boudreau, M.: Learn<strong>in</strong>g to Implement Enterprise Systems: An ExploratoryStudy of the Dialectics of Change. Journal of Management Information Systems,19(1), 17-46 (2002)5. Strathman, J.K., Roth, A.V.: Enterprise resource plann<strong>in</strong>g (<strong>ERP</strong>) competence constructs:two stage multi-item scale development and validation. Decision Sciences, Vol. 33, 601-628 (2002)194


6. Wei, H.L., Wang, E.T.G., Ju, P.H.: Understand<strong>in</strong>g misalignment and cascad<strong>in</strong>g change of<strong>ERP</strong> implementation: a stage view of process analysis. European Journal of InformationSystems, Vol. 14, 324-334 (2005)7. Klaus, H., Rosemann M., Gable, G.G.: What is <strong>ERP</strong>? Ìnformation Systems Frontier, 2(2),141-162 (2000)8. Hufgard, A.: Adaption. In: Mertens et. al. (eds.): Lexikon der Wirtschafts<strong>in</strong>formatik. 4.Aufl., pp. 5-6, Spr<strong>in</strong>ger, Berl<strong>in</strong> (2001)9. Davenport, T.: The Future of Enterprise System-Enabled Organizations. Information SystemsFrontiers, 2(1), 163-180 (2000)10. Shanks, G., Seddon, P., Willcocks, L.: <strong>ERP</strong>; The Quiet Revolution. In: Shanks, G., Seddon,P., Willcocks, L. (eds.): Second-Wave Enterprise Resource Plann<strong>in</strong>g Systems: Implement<strong>in</strong>gFor Effectiveness, Cambridge: Cambridge University Press (2003)11. Mertens, P.: Integrierte Informationsverarbeitung. In: Mertens et. al. (eds.): Lexikon derWirtschafts<strong>in</strong>formatik. 4. Aufl., pp.244-245 Spr<strong>in</strong>ger, Berl<strong>in</strong> (2001)12. Schütte, R.: Supply Cha<strong>in</strong> Management. In: Mertens et. al. (eds.): Lexikon der Wirtschafts<strong>in</strong>formatik.4. Aufl., pp. 447-449 Spr<strong>in</strong>ger, Berl<strong>in</strong> (2001)13. SAP: <strong>ERP</strong> Videos und Kundenberichte Geschäftsprozesse, http://www.sap.com/germany/customer-testimonials/bus<strong>in</strong>ess-process/enterprise-resource-plann<strong>in</strong>g.epx14. Hufgard, A.: ROI <strong>von</strong> SAP-Lösungen verbessern. <strong>Nutzung</strong> erkennen, strukturieren, <strong>in</strong>tensiverenund transformieren. Galileo Press, Bonn (2010)15. Meier, M., Stößle<strong>in</strong>, M., Mertens, P.: Personalisierung <strong>von</strong> Management- und Stakeholder-Informations-<strong>Systemen</strong>. In: Buhl, H.-U., et.al. (eds.): Information Age Economy. 5. InternationaleTagung Wirtschafts<strong>in</strong>formatik 2001. pp. 244-246, Physica, Heidelberg, (2001)16. Gattiker, T., Goodhue, D.: What happens after <strong>ERP</strong> implementation: Understand<strong>in</strong>g theimpact of <strong>in</strong>terdependence and differentiation on plant-level outcomes, MIS Quarterly, 29(3), 559-585 (2005)17. Seddon, P., Calvert, C., Yang S.: A Multi- project Model of Key Factors Affect<strong>in</strong>g OrganizationalBenefits from Enterprise Systems. MIS Quarterly, 34(2), 305–A11 (2010)18. Mertens, P., Hufgard, A. et al.: Dispositionsparameter <strong>in</strong> der Produktionsplanung mit SAP.E<strong>in</strong>stellh<strong>in</strong>weise, Wirkungen, Nebenwirkungen. 5. Aufl., Vieweg+Teubner, Wiesbaden(2009)19. Thome, R., Herberhold, C. et al.: 100 IT-Kennzahlen. 1. Aufl., cometis publish<strong>in</strong>g GmbH& Co. KG, Wiesbaden (2011)195

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