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Artikel als PDF - Thies Stahl Seminare

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&Seminarwww.ksmagazin.de22. Jahrgang • € 9,00 • 19183 • ISSN 1862-3131 4KommunikationGewaltfreie Kommunikation • NLP • Business Coaching • Mediation • Pädagogik • GesundheitAb jetzt mit MediationWie beide Parteien gewinnen könnenSie habenda was!<strong>Thies</strong> <strong>Stahl</strong>über KonflikteAuf nachMoskau!Inneres Teamauf ReiseFrage derHaltungBei Widerstand:Humor!JunfermannV e r l a g August 2013


TITEL „Sie haben da was!“„Sie haben da was!“Von <strong>Thies</strong> <strong>Stahl</strong>Tiefer gelegte, ausgelagerte und konstruktiv vertagte Konflikte in der Mediation.Klienten, die mit „Wir haben einen Konflikt“ zu mir indie Mediation kommen, sage ich vielleicht: „Schön,dass Sie Ihr Anliegen mit mir bearbeiten wollen“ oder „... mitIhrem Thema zu mir gekommen sind“. Das Wort Konfliktvermeide ich – bis ich überprüft habe, ob ich die Verwendungder Nominalisierung Konflikt in unserem verbalen Austauschzulassen will. Dafür habe ich eine Vorgehensweise undKriterien entwickelt, um die es hier gehen soll. 1Ich habe oft nachgeforscht, wie Menschen, wenn sie sagen,„ich h a b e den Konflikt mit ihm ...“ oder „m e i n Konfliktmit ihr ist ...“ dieses reifizierte (verdinglichte) Etwas,genannt Konflikt, in ihrem Geist repräsentieren und metaphorischsymbolisieren. Oft tun sie es mit intensiv gefühltenBildern. Zum Beispiel von großen, nicht von der Stelle zubewegenden Felsbrocken oder Mühlrädern, die manchm<strong>als</strong>ogar an die Beine der Konfliktpartner gekettet sind. VonHolzstangen, die mit einer Kette jeweils unverrückbar amH<strong>als</strong> der Partner befestigt sind und beide auf einen unüber-windbaren Abstand halten. Oder von Fladen nebliger odermanchmal zähflüssiger Konsistenz, welche die Betreffendenätzend umwabern oder an ihnen kleben. Auch von Tintenfisch-Wolkenhabe ich gehört, welche die Umgebung undden Geist der Partner verdunkeln, oder von großen Bomben,die sich nicht entschärfen lassen und den Körper unter Daueranspannunghalten, weil man nicht von ihnen wegkommtund nicht weiß, wann sie explodieren. Virtuelle oder echte„Kainsmale“ auf der Haut und andere körperliche Symptomekamen auch vor. Eine verdinglichende Symbolisierung wiedie berühmte Nudel aus dem „Sie haben da was“-Sketch vonLoriot, die dem Betreffenden unbemerkt am Mund hängt,wäre auch denkbar – war aber nicht dabei.Diese kleine Feldforschung hat mir gezeigt, wie stark dieseBilder die Physiologie der Medianden beeinflussen und siein ihren Denk- und Wahlmöglichkeiten einschränken, dabeide unbewusst aus ihren eigenen, völlig unterschiedlichenmetaphorischen Welten heraus kommunizieren. Ich habe1 Auf www.<strong>Thies</strong><strong>Stahl</strong>.de unter „Literatur“ finden sich meine <strong>Artikel</strong> „Die Kleine Schule des Wünschens – effektiver Umgang mit Du-Zieldefinitionen“ und „Das Negotiation Model. Ein Beitrag des NLP zur Mediation“ <strong>als</strong> Download. Sie sind zwar für das Verständnisdieses <strong>Artikel</strong>s nicht unbedingt notwendig, machen aber die Freude des Autors an den NLP-Vorgehensweisen in der Mediationund im Paar-Coaching besser nachvollziehbar.18 Kommunikation & Seminar 4/2013


dann verschiedene Dinge ausprobiert, um meine Klientenvon den sich eben auch körperlich manifestierenden Folgeerscheinungendieses reifizierenden Denkens zu befreien,z. B. ihre Metaphoriken zu erweitern und zu verändern. Dadurchkönnen sie sich oft neue Ressourcen erschließen, sodassin der Mediation neue Ideen entstehen – z. B. wenn einPartner in seiner inneren Vorstellung eine unüberwindbareMauer zwischen sich und dem anderen nicht mehr mit demKopf zertrümmern will, sondern stattdessen um sie herumgeht oder sie untertunnelt.„Echter“ Konflikt – oder nicht?Die andere Möglichkeit besteht darin, dass der Mediator mitseinen Medianden zusammen einen Sprachgebrauch für diesesWort entwickelt und ihnen dabei eine verdinglichendeSymbolisierung anbietet, die sich günstig auf den Prozessauswirkt und für den Mediator utilisierbar wird. Und nurdann ist die Nominalisierung „Konflikt“ zuzulassen.Günstig heißt hier: Wenn die Repräsentation des Konfliktserstens von beiden Medianden geteilt wird. Und wenn zweitensder Gebrauch des Wortes Konflikt zusammen mit derfür diesen Begriff angebotenen verdinglichenden Vorstellungeine Situation hervorbringt, mit welcher der Mediatortechnisch umzugehen weiß, weil sie die Voraussetzungenfür die Anwendung eines bestimmten Vorgehens enthält. Sosetzt z. B. das Negotiation Model von John Grinder 2, 3 voraus,dass es eine von den Medianden geteilte Vorstellungüber deren Konflikt gibt, die <strong>als</strong> Grundlage für die klare Benennungder antagonistischen Positionen dienen kann, welchediesen Konflikt ausmachen.Das hier vorgeschlagene Vorgehen nutzt dafür einen visuellenRaumanker <strong>als</strong> projektiven Rahmen für eine geteilteVorstellung von „unser Konflikt“. Mit ihm können die Mediandeneine in ihrer Grundstruktur geteilte verdinglichendeRepräsentation ihres Konfliktes entwickeln, die gleichzeitig<strong>als</strong> förderlicher Kontext für die Erarbeitung einer konfliktfreienBenennung des Konfliktes dient. Eine solche ist auchVoraussetzung für die Anwendung des Negotiation Model.Dieses Vorgehen ermöglicht mehrere positive Ausgänge:➯ Es dient <strong>als</strong> Testvorbereitung, ob das Negotiation Model<strong>als</strong> weiteres Vorgehen mit den Medianden infrage kommt,und ist bei positivem Resultat gleichzeitig der gelungeneEinstieg in dieses Format. Das ist dann der Fall, wennden Medianden eine konfliktfreie Benennung des Konfliktesgelingt.➯ Finden die Medianden keine solche Benennung für ihrenKonflikt, dann macht der Mediator ihnen klar, dass siesich geirrt hatten, <strong>als</strong> sie glaubten, siehätten einen Konflikt. Sie habendann „nur“ einige bisher unerfüllteWünsche oder Forderungenaneinander. Dies quittierendie Medianden in der Regel mitbewusster Verwirrung und einerunbewussten Verbesserung ihrerPhysiologien, was wiederum ihreFlexibilität erhöht. In diesemFall hat der Mediator auchgrößtmögliche Klarheit in Bezugauf das weitere Vorgehen:Er bietet seinen Medianden dievon mir entwickelte „Schuledes Wünschens“ an, anstatt zuversuchen, einen nebulös bezeichnetenKonflikt zu mediieren.Denn das kann sich wegen der kalibriertenSchleifen der Medianden <strong>als</strong> eine langwierige und zunehmendschwieriger werdende Unternehmung erweisen.Mit der Schule des Wünschens hat der Mediator dieMöglichkeit, den Medianden bei der Transformation ihrerkalibrierten Schleifen zu helfen, sodass sie auf jedenFall zu der Veränderung gelangen, für die sie in die Mediationssitzung gekommen waren.➯ Qualifiziert sich das Anliegen der Medianden mit einergelungenen konfliktfreien Benennung <strong>als</strong> ein „echter“Konflikt, muss der Mediator diesen nicht sofort (mit demNegotiation Model) bearbeiten, sondern kann ihn gewissermaßenauslagern und vertagen, um den Partnern zunächstmit der Schule des Wünschens zu helfen, einigeihrer kalibrierten Problem-Schleifen zu transformierenund damit den Zugang zu ihren Ressourcen zu erweitern.Startpunkt für das Vorgehen ist, wenn die Medianden denBegriff Konflikt anders <strong>als</strong> in der idealen Form „unser Konfliktbesteht in den Positionen abc versus xyz“ benutzen.Wird der Begriff Konflikt nicht in dieser Weise wohlgeformtverwendet, geschieht das in aller Regel in kalibriertenSchleifen, die mit starken Inkongruenzen und Problem-Physiologien der Medianden verbunden sind – <strong>als</strong>o in einerWeise, die diese schwächt. Das ist z. B. der Fall, wenn einerzum anderen sagt: „Du hast einen Konflikt mit mir, aber ichhabe keinen mit dir!“ Wird das Wort Konflikt so unangemessenverwendet, kommt mir oft die oben zitierte Loriot-Nudel in den Sinn: „Sie haben da was!“ – eine Verdingli-2 a.a.O.3 <strong>Stahl</strong>, <strong>Thies</strong> (2006): Konflikt-Coaching. DVD, bestellbar bei www.bookmark-nlp.de4/2013 Kommunikation & Seminar 19


TITEL„Sie haben da was!“Im Wechsel ihrer Blicke auf ihre eigene, in meiner Hand visualisiertePosition und dann wieder auf den für das Gechung.Denn ein Konflikt ist entweder ein Prozess, den jemandintrapsychisch „hat“, oder ein Prozess, den zwei Menschen<strong>als</strong> Interaktionsphänomen zusammen „haben“. FritzSimons bekannter Buchtitel „Meine Psychose, mein Fahrradund ich“ könnte gut <strong>als</strong> witzige Merkhilfe für unangemesseneVerdinglichungen dienen.Schmunzelnd denke ich dann daran, welche der vielen möglichenverdinglichenden Repräsentationen die Sprechendenwohl gerade benutzen – und dass wir zusammen gleich eineentwickeln werden, die sie weiterbringt.„Alles, was Ihnen am Herzen liegt“Den oben schon angedeuteten visuellen Anker <strong>als</strong> Projek -tionsrahmen für eine geteilte Symbolisierung etabliere ichfolgendermaßen: Beide Medianden stehen sich gegenüber,ich halte meine Hände in Brusthöhe der beiden mit denHandflächen nach oben geöffnet nebeneinander, zunächstsich berührend, ganz so, <strong>als</strong> hielte oder trüge ich etwas zuSchützendes, Zerbrechliches in meinen Händen. Ich bittedann beide Medianden, sich anzuschauen und dann aufmeine Hände zu schauen. Dabei sage ich: „Angenommen,das hier wäre Ihr Konflikt ... (dabei bewege ich meineHände so, <strong>als</strong> hielten sie etwas, das so groß ist wie derRaum direkt über meinen Händen) ... und das hier wäreIhre (ich blicke nach rechts und hebe meine rechte Handleicht dem rechts von mir stehenden Partner entgegen, undzwar so, <strong>als</strong> trüge jede Hand nun jeweils einen Teil des Ganzen)Position abc, und das hier (die gleiche Abfolge nachlinks) wäre Ihre Position xyz ... (Dabei hebe und senke ichdie jeweilige Hand, verbunden mit einem aufforderndenBlick zum jeweiligen Partner, und warte, bis dieser zwei,drei Mal abwechselnd halluzinierend auf „seine Position“in meiner Hand, seinem Partner wieder ins Gesicht und erneuthalluzinierend auf meine – leere – Hand geschaut hat.Ich achte beim Etablieren dieses Raumankers darauf, dassmeine Gesten von beiden Partnern jeweils mit internen Visualisierungenquittiert werden. Die sind daran zu erken-nen, dass der Betreffende beim Blick auf meine Hand für einenkurzen Trance-Moment den Blick halluzinierend defokussiertund dabei leicht ideomotorisch nickt.Ich kann diese Trancen der Medianden auf verschiedeneWeise vertiefen, z. B. indem ich sage: „Hier, in Ihren beidenPositionen (dabei wieder abwechselnd eine der Hände etwasanhebend und abwechselnd auf die Hand und den Mediandenblickend) ist alles enthalten, was Ihnen am Herzen liegt“.Auch Reframings bieten sich für diese Trance an, wie: „Undwährend Sie abwechselnd auf Ihren Konflikt und dann wiederIhrem Partner in die Augen schauen, möchte ich, dass Sierealisieren, wie einzigartig dieser Konflikt ist ... und was füreine intensive Zusammenarbeit erforderlich war, um ihn zuerzeugen ... zu pflegen ... groß werden zu lassen ... vielleichtkönnen Sie sich noch mal ansehen und sagen: ‚Was für einschöner Konflikt!‘“ Ein auf diese Weise induzierter „Elternstolz“der Konfliktpartner ist physiologisch eine gute Grundlagefür sehr flexible und vieldimensionale Konfliktlösungen.Ich lasse dann meine Hände, jedes Mal, wenn sich die Konfliktpartneranschauen und zunehmend neugieriger aufeinanderwerden oder sich auch kurz anlächeln, in unmerklichenSchritten tiefer sinken. Dadurch bekommen sie sichgegenseitig, im wörtlichen Sinne, wieder mehr <strong>als</strong> ganzePerson in den, auch wörtlich, immer unverstellter werdendenBlick. Es ist, <strong>als</strong> wenn die Partner sich nach längererZeit des Tunnelblickes auf ihre Konfliktpositionen erstmaligwieder komplett <strong>als</strong> Menschen sehen können – eine weitereGrundvoraussetzung für kreative, ganzheitliche Konfliktlösungen:Die bei beiden Partnern im Laufe der Konfliktentwicklungentstandene Dissoziation kann jetzt aufgehobenwerden. Sie bestand darin, dass sich beide nichtmehr so begegnen konnten wie vor dem Konflikt – mit vollemZugang zu all ihren Ressourcen.Den anderen sehen – auch im Konflikt„Angenommen, das hier wäre Ihr Konflikt ...“. Der Autor (Bildmitte) beim Etablieren des Raumankers.20 Kommunikation & Seminar 4/2013

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