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Hanau vom 12. bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts - HRZ Uni ...

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Karte 34 B<br />

<strong>Hanau</strong> <strong>vom</strong> <strong>12.</strong> <strong>bis</strong> <strong>zur</strong> <strong>Mitte</strong> <strong>des</strong> <strong>17.</strong> <strong>Jahrhunderts</strong><br />

Von Heinrich BOTT und Karl DIELMANN<br />

Lfg. 12,3, 1978-M. 1:5000<br />

Kartenentwurf: Heinrich BOTT und Karl DIELMANN<br />

Vorbemerkung: Die Autoren haben den Druck der Karte nicht mehr erlebt. Heinrich Bott ist 1973 verstorben, Karl Dielmann am 15. 7.1977, als<br />

gerade die Reinzeichnung der Druckvorlagen beendet war. Für die Hilfe bei der Korrektur der Druckvorlagen und <strong>des</strong> Straßen- und<br />

Gebäudeverzeichnisses sei den Herren Dr. Eckhard Meise, Pfarrer Heinz Kurz und Hans Kroegel, alle <strong>Hanau</strong>, herzlich gedankt. Die von<br />

Heinrich Bott und Karl Dielmann vorgelegten Kartenentwürfe und der Begleittext blieben <strong>bis</strong> auf wenige unbedeutende Hinzufügungen bzw.<br />

stilistische Glättungen unverändert. Als Kartengrundlage mußte ein Katasterplan <strong>des</strong> Jahres 1912 verwendet werden, da ein älterer genau<br />

vermessener Plan nicht vorhanden war. Da jedoch für die übrigen im Atlas berücksichtigten Städte wesentlich ältere Katasterpläne <strong>zur</strong><br />

Verfügung standen, wurden, um eine gewisse Vergleichbarkeit zu gewährleisten, die außerhalb der Stadtbefestigung liegenden Teile der<br />

Gemarkung nach Plänen und Abbildungen der ersten Hälfte <strong>des</strong> 19. Jhs. umgezeichnet.<br />

Ausgangspunkt für die urbane Entwicklung der Stadt<br />

<strong>Hanau</strong> war eine hochmittelalterliche Herrenburg. In Abhängigkeit<br />

von ihr entstanden, wie um diese Zeit auch andernorts<br />

häufig zu belegen, zunächst eine Vorburg und eine Burgmannensiedlung.<br />

In einer weiteren Wachstumsphase schloß sich<br />

eine bürgerliche Niederlassung an, der dank der Initiative <strong>des</strong><br />

Burgherrn Stadt- und Marktrechte verliehen wurden. Dem<br />

mittelalterlichen, später als Altstadt bezeichneten Gemeinwesen<br />

wurde um die Wende <strong>vom</strong> 16. zum <strong>17.</strong> Jh. eine<br />

renaissancezeitliche Gründungsstadt, die Neustadt <strong>Hanau</strong>,<br />

angegliedert. Auch in diesem Falle war bei dem Stadtgründungsvorgang<br />

der Lan<strong>des</strong>herr die letzte entscheidende<br />

Potenz, so daß <strong>Hanau</strong> sowohl hinsichtlich der Altstadt als<br />

auch in Bezug auf die Neustadt als typisches Beispiel einer<br />

dynastischen Stadtgründung gelten kann. Siedlungsgeographische<br />

Beobachtungen und urkundliche Überlieferungen<br />

ermöglichen es auch für die mittelalterlichen Teile der Siedlung,<br />

die einzelnen Ausbauphasen zeitlich einigermaßen<br />

sicher einzuordnen.<br />

Als Erbauer der Burg <strong>Hanau</strong> gilt der Edelfreie Dammo de<br />

Hagenowe, der unter diesem Namen erstmals im Jahre 1143 in<br />

einer Mainzer Urkunde als Zeuge auftritt. Von der genealogischen<br />

Erforschung wird er seit langem als personengleich<br />

mit einem Dammo de Buchen betrachtet, wobei man die<br />

wechselnde Namensführung damit erklärt, daß Dammo<br />

Besitzer zweier Burgen war und er sich, dem Zeitbrauch<br />

folgend, bald nach der einen, bald nach der anderen nannte.<br />

Demnach wäre die Burg Buchen, von der heute nur noch<br />

zwei Schutthügel im Wiesengelände südöstlich von Wachenbuchen,<br />

Main-Kinzig-Kreis, künden, die Stammburg <strong>des</strong><br />

Geschlechtes gewesen, das unter dem Namen <strong>Hanau</strong>-Buchen<br />

längst zu einem festumrissenen Begriff geworden ist.<br />

Als Ansatzpunkt für seine Burg <strong>Hanau</strong> wählte Dammo<br />

eine von zwei Armen der Kinzig gebildete Flußinsel und<br />

folgte damit dem Vorbild zahlreicher anderer Burgenbauer<br />

seiner Zeit. Von den beiden Flußarmen existiert zwar heute<br />

nur noch der nördliche, weit nach Norden ausholende unter<br />

dem Namen der Krummen Kinzig, gleichwohl muß aber der<br />

südliche, inzwischen zugeschüttete Flußarm die eigentliche<br />

Kinzig gewesen sein, die den ausgedehnten, den Flußlauf auf<br />

beiden Seiten begleitenden Talauenwald als »Nasse Grenze« in<br />

die nördliche Region der Hagenowe (<strong>des</strong> <strong>Hanau</strong>wal<strong>des</strong>) und<br />

in die heute als Bulau bezeichnete südliche Region<br />

trennte. Beide Wälder waren mit allen darauf ruhenden<br />

Rechten vormals zweifellos Reichsgut, bevor - wohl 1059 -<br />

Grund und Boden im Tausch gegen Zehntrechte in Thüringen<br />

an den Erz<strong>bis</strong>chof von Mainz kamen und von diesem vor 1160<br />

an das Mainzer Stift St. Maria ad gradus (Mariengredenstift)<br />

abgetreten wurden. Während aber das Reich den sog.<br />

Wildbann im Bereich der Bulau mitverschenkt hatte, war<br />

dieses Recht im <strong>Hanau</strong>wald offenbar von der Schenkung<br />

ausgenommen, und darauf dürfte es <strong>zur</strong>ückzuführen sein,<br />

daß uns später Wildbann und Burg <strong>Hanau</strong> als Reichslehen<br />

begegnen. Die Burg erhielt ihren Namen nach dem Wald, zu<br />

<strong>des</strong>sen Schutz sie errichtet wurde, und wie so oft wurde der<br />

Name der Burg <strong>vom</strong> Burgherrn angenommen. Die Erwähnung<br />

<strong>des</strong> bereits genannten Dammo de Hagenowe im Jahre<br />

1143 bedeutete demnach, daß die Burg im <strong>Hanau</strong>wald damals<br />

bereits vorhanden war, wir es also mit einer Gründung aus<br />

der Zeit Konrads III. zu tun haben.<br />

Nach dem Beispiel der Kernburgen zahlreicher weiterer<br />

gleichzeitiger Burgsitze in der südlichen Wetterau (etwa<br />

Büdingen, Niederdorfeiden, Staden) wird man sich zunächst<br />

eine relativ kleine Wehranlage, bestehend aus Wehrmauer mit<br />

vorgelagertem Graben, aus zugbrückengeschütztem Tor, aus<br />

Palas und Bergfrit zu denken haben.<br />

Da eine mittelalterliche Burg, um funktionsfähig zu sein,<br />

einer Besatzung bedurfte, dürfte auch im Falle <strong>Hanau</strong>s die<br />

Angliederung einer Vorburg der Errichtung der Kernburg<br />

auf dem Fuße gefolgt sein. Hierunter ist zunächst der Bereich<br />

<strong>bis</strong> zum äußeren Burggraben zu verstehen, wo neben Wirtschaftsgebäuden<br />

und Stallungen die ersten Burgmannensitze<br />

entstanden sein mögen. Als castellani bezeichnet, sind Burgmannen<br />

bereits für das Jahr 1237 bezeugt. Drei Jahre vorher


KARTE 34B: HANAU VOM <strong>12.</strong> BIS ZUR MITTE DES <strong>17.</strong>JAHRHUNDERTS 243<br />

hatte eine Erbteilung, die dann aber doch nicht realisiert<br />

wurde, den Namen der Burg <strong>Hanau</strong> als castrum in Hagenowen<br />

ins volle Licht der Geschichte gerückt.<br />

Mittlerweile waren die Herren von <strong>Hanau</strong>-Buchen offenbar<br />

ausgestorben, und ihre Stelle hatten die Edelherren von<br />

<strong>Hanau</strong>-Dorfelden, genannt nach ihrer im Niddertal bei dem<br />

heutigen Niederdorfeiden gelegenen Stammburg, übernommen,<br />

ohne daß die Modalitäten <strong>des</strong> Besitzwechsels einstweilen<br />

exakt zu belegen sind. Diese Herren von <strong>Hanau</strong>-Dorfelden<br />

waren es dann, die, 1429 in den erblichen Reichsgrafenstand<br />

erhoben und 1458 in die Linien <strong>Hanau</strong>-Münzenberg und<br />

<strong>Hanau</strong>-Lichtenberg aufgespalten, die Lan<strong>des</strong>herrschaft <strong>bis</strong><br />

zum Erlöschen <strong>des</strong> Geschlechtes im Mannesstamme im Jahre<br />

1736 mit Umsicht und Tatkraft ausübten.<br />

Wann das erste bürgerliche Anwesen errichtet wurde, läßt<br />

sich anhand der archivalischen Überlieferung mit Sicherheit<br />

nicht ausmachen. Da aber in der am 2. Februar 1303 in Speyer<br />

ausgestellten Urkunde, mit der König Albrecht I. <strong>Hanau</strong><br />

Stadt- und Marktrechte verlieh, bereits von einem oppido et<br />

oppidanis suis in Hanowe die Rede ist, muß <strong>Hanau</strong> zu diesem<br />

Zeitpunkt schon ein recht bedeutender Flecken gewesen sein.<br />

Einen Anhaltspunkt, wo man dieses oppidum zu lokalisieren<br />

hat, liefert das Studium <strong>des</strong> Stadtgrundrisses, insbesondere<br />

<strong>des</strong> Verlaufs der Stadtmauer, für deren Existenz der erste<br />

urkundliche Nachweis aus dem Jahre 1338 vorliegt.<br />

Wie nicht anders zu erwarten, schloß sich die Stadtmauer an<br />

die Festungswerke der Burg an. Auf der Ostflanke verlief sie<br />

zunächst nach Süden, knickte aber bereits nach etwa 120 m in<br />

einem stumpfen Winkel nach Südosten ab, um diesen<br />

Verlauf <strong>bis</strong> zu einem starken Rundturm beizubehalten, <strong>des</strong>sen<br />

Reste an der heutigen Nordstraße erhalten sind. Hier bildete<br />

sie fast einen rechten Winkel. Der so gewonnenen Richtung<br />

folgte sie <strong>bis</strong> kurz über die jetzige Marktstraße hinaus. Bei<br />

nordwestlicher Generalrichtung erreichte sie dann in<br />

mehrfach gebrochenem Verlauf die Metzgergasse. Jenseits<br />

der Metzgergasse verlief sie fast geradlinig <strong>bis</strong> zum Fronhof<br />

und suchte von dort aus in einem auf Ostkurs<br />

einschwenkenden Bogen den Anschluß an die Burg. Zwei<br />

Tortürme, an den Schnittpunkten mit Metzgergasse und<br />

Marktgasse, waren in den Mauerzug eingefügt. Mit der<br />

Hälfte ihres Grundrisses über die äußere Mauerflucht vortretend,<br />

um die anschließenden Mauerpartien bestreichen zu<br />

können, gaben sie ebenso wie eine Reihe meist runder, nach<br />

innen offener Flankierungstürme dem Städtchen zusätzlichen<br />

Schutz.<br />

An diesem Mauerverlauf verdienen zwei Einzelheiten<br />

besondere Beachtung: Einmal der vorstehend als stumpfer<br />

Winkel bezeichnete Knick im östlichen Mauerverlauf, der -so<br />

will es zunächst scheinen - durch nichts begründet ist. Sieht<br />

man ihn jedoch im Zusammenhang mit einem ähnlich<br />

merkwürdigen Detail im Verlauf der westlichen Stadtmauer, so<br />

bietet sich folgende Erklärung an: Ein kurzes Mauerstück, das<br />

unmittelbar nördlich der späteren Johanneskirche zwar nicht<br />

sehr stark, aber doch deutlich sichtbar nach Westen<br />

abknickt, soll offensichtlich den von Süden herangeführten<br />

Mauerzug mit der nördlichen Fortsetzung verbinden (man ist<br />

versucht, geradezu von einem »Korrekturstück« zu spre-<br />

chen); aus dieser Beobachtung läßt sich zumin<strong>des</strong>t die Vermutung<br />

ableiten, daß die nördlich gelegenen Mauerpartien<br />

ihrem Verlauf nach einer älteren Begrenzung gefolgt sind.<br />

Diese Vermutung verdichtet sich <strong>zur</strong> Gewißheit, wenn man<br />

<strong>zur</strong> Beurteilung der siedlungsgeographischen Situation die<br />

topographischen Verhältnisse mit heranzieht. Dann ergibt<br />

sich nämlich, daß die nördliche Altstadtpartie, d. h. etwa der<br />

nördlich der Johanneskirchgasse und Steingasse gelegene<br />

Teil, auf der gleichen, zu allen Zeiten hochwasserfreien<br />

Sanddüne errichtet wurde wie die Burg <strong>Hanau</strong>, während sich<br />

in der südlich anschließenden Zone, so mit Sicherheit an der<br />

Südseite <strong>des</strong> Altstädter Marktes, Wasserlöcher und Tümpel<br />

befanden, die erst verfüllt werden mußten, bevor hier eine<br />

planmäßige Bebauung erfolgen konnte. Wir sind also geneigt,<br />

das oppidum Hanowe im nördlichen Altstadtbereich zu<br />

lokalisieren und entstehungsgeschichtlich diesen Teil dem 13.<br />

Jh. zuzuweisen. Wie freilich eine etwaige Befestigung dieses<br />

oppidum beschaffen gewesen sein könnte, darüber lassen sich<br />

nur Vermutungen anstellen. In den südlichen Partien der<br />

Altstadt dürfte es vor der Stadtrechtsverleihung kaum zu<br />

einer nennenswerten Bebauung gekommen sein; der Ausbau<br />

dieses Bereiches ist mit Sicherheit dem 14. Jh. zuzuweisen.<br />

Angesichts der geringen räumlichen Ausdehnung der Altstadt<br />

<strong>Hanau</strong> in den Grenzen der zu Beginn <strong>des</strong> 14. Jhs.<br />

erbauten Stadtmauer überrascht es nicht, daß es bereits nach<br />

100 Jahren innerhalb <strong>des</strong> umwehrten Areals an Bauplätzen<br />

gebrach. Erstmals im Jahre 1429 ist ein hus in der Vorstadt bij<br />

der zingel urkundlich erwähnt. Die hier mitgenannte zingel-im<br />

Burgenbau <strong>des</strong> 16. Jhs. die Bezeichnung für eine befestigte<br />

Vorburg - dürfte in unserem Falle sinngemäß, d. h. als eine<br />

befestigte Vorstadt, zu interpretieren sein, wie es ja auch<br />

unverständlich gewesen wäre, wenn man die neue, <strong>zur</strong><br />

wichtigen Kinzigbrücke hinführende Vorstadt ohne fortifikatorischen<br />

Schutz gelassen hätte. Ein zinnenbewehrter Torturm<br />

am Ende dieser ersten - später als Spitalgasse und heute<br />

als Hospitalstraße bezeichneten Vorstadt soll die Jahreszahl<br />

1498 getragen haben. Die erwähnten urkundlichen Markierungen<br />

reichen als Nachweis dafür aus, daß die Hospitalvorstadt<br />

im 15. Jh. entstanden ist.<br />

Eine nicht unbeträchtliche Vergrößerung <strong>des</strong> umwehrten<br />

Areals erfuhr die Stadt <strong>Hanau</strong> durch neue Befestigungsanlagen,<br />

die im wesentlichen nach den Plänen <strong>des</strong> als Festungsbaumeister<br />

rühmlichst bekannten Grafen Reinhard von<br />

Solms, seit 1528 <strong>Hanau</strong>er Vormund, von diesem Jahr an<br />

geschaffen wurden. An Anregungen, die durch die Weiterentwicklung<br />

der Angriffswaffen veralteten mittelalterlichen<br />

Wehranlagen durch neue zu ersetzen, hatte es nicht gefehlt,<br />

nachdem Reinhard von Solms schon seine Stadt Lieh mit<br />

modernen Befestigungswerken versehen hatte und im<br />

benachbarten Büdingen unter Graf Ludwig II. von Ysenburg<br />

schon vorher neue, noch heute ungemein eindrucksvolle<br />

Wehranlagen mit imposanten Türmen und Toren entstanden<br />

waren. Im Gegensatz zu Büdingen beschränkte man sich aber in<br />

<strong>Hanau</strong> zunächst darauf, den Schutz der südlichen, am<br />

stärksten gefährdeten Stadtseite zu verstärken.<br />

Das neue Befestigungssystem bestand aus einem breiten<br />

Wassergraben, <strong>des</strong>sen Aushub stadtseitig hinter dem Graben


244<br />

HEINRICH BOTT / KARL DIELMANN<br />

als ein der älteren Stadtmauer und der Hospitalvorstadt<br />

schildförmig vorgelagerter Wall aufgeschüttet wurde. An den<br />

Enden sowie an drei flachen Knickpunkten <strong>des</strong> Walles wurden<br />

in den Graben vortretende »Rondelle« als Geschützstellungen<br />

angelegt, von denen aus eine wirkungsvolle Flankierung nach<br />

beiden Seiten erfolgen konnte. Im Osten wurde der Wall ein<br />

Stück in nördlicher Richtung weitergeführt, bevor eine<br />

Querverbindung den Anschluß an den Stadtgraben<br />

herstellte. Im Westen vermittelte ein kurzer Verbindungswall<br />

den Anschluß an das spätgotische Hospitaltor. Nördlich <strong>des</strong><br />

Hospitaltores dürfte ein einfacher, in Nordost-Richtung<br />

angelegter Wall die Verbindung mit der Burgbefestigung<br />

hergestellt haben.<br />

Wenn man einer Darstellung der Stadt <strong>Hanau</strong> aus südlicher<br />

Richtung in dem 1595 erschienenen Städtebüchlein von<br />

Abraham Säur Bildtreue unterstellen darf, dann waren Wall<br />

und Rondelle auf der Grabenseite ursprünglich nur in Höhe<br />

einer Sockelzone mit Steinen befestigt, während die höher<br />

aufgeschütteten Teile - insoweit in Übereinstimmung mit<br />

Lieh, aber im Gegensatz zu Büdingen - solcher Außensicherung<br />

entbehrten.<br />

Der Zugang <strong>zur</strong> alten Stadt sollte offenbar zunächst über<br />

das leicht nach Westen vorgeschobene, vor dem Südtor der<br />

älteren Stadtbefestigung gelegene mittlere Rondell geleitet<br />

werden; so jedenfalls dürfte es zu erklären sein, daß dieses<br />

Rondell nicht nur die benachbarten an Breite übertraf, sondern<br />

auch auf der Innenseite von zwei Rundtürmen begleitet war.<br />

Entgegen dieser ursprünglichen Planung wurde aber dann<br />

doch - vermutlich aus fortifikatorischen Gründen - das östlich<br />

anschließende Rondell zum Brückenrondell ausgebaut.<br />

Auch die durch Ansiedlung von Niederländern und Wallonen<br />

gegründete Neustadt <strong>Hanau</strong>, als deren Geburtstag man den 1.<br />

Juni 1597, den Tag der Unterzeichnung der <strong>Hanau</strong>er<br />

Kapitulation durch den Grafen Philipp Ludwig II. von<br />

<strong>Hanau</strong>-Münzenberg, ansehen darf, war in ihrer Ausdehnung<br />

durch ihre das Stadtareal umfassenden Wehranlagen festgelegt.<br />

Während aber die Festungswerke, die um 1530 <strong>zur</strong><br />

Verstärkung der Altstadtbefestigungen geschaffen worden<br />

waren, dem damaligen Stand der Festungsbaukunst entsprachen,<br />

verdienen die fortifikatorischen Anlagen der Neustadt<br />

dieses Prädikat nicht. Hier beschränkte man sich offensichtlich<br />

von Anfang an, wie der sog. Gründungsplan aus dem Jahre<br />

1597 beweist, auf ein einfaches, im Zick-Zack-Kurs<br />

geführtes Wall-Graben-System, das der Ingenieur Niclas<br />

Gillot auf der Grundlage eines regelmäßigen Achteckes entwickelt<br />

hatte. Da die Neustadt <strong>Hanau</strong>, geplant als eine große<br />

Handelsstadt, 50 daß man in der ganzen Christenheit davon<br />

sprechen werde, und daher die Nähe <strong>des</strong> schiffbaren Maines<br />

suchend, im südlichen Vorfeld der Altstadt (im Gartengelände<br />

der Altstädter) errichtet wurde, bezog Gillot Burg und<br />

Altstadt gleichsam als Zitadelle in seine Grundrißplanung<br />

ein. Von dem Achteck seiner Grundkonzeption wurden<br />

daher nur fünf, von einfachen Zangen (Tenaillen) gebildete<br />

Ecken gebaut. Geldmangel und vor allem der Einspruch <strong>des</strong><br />

benachbarten Kurmainz waren die entscheidenden Faktoren<br />

für die »einfache« Ausführung der Neustadtbefestigung.<br />

Der Respekt vor dem starken Nachbarn Kurmainz mag<br />

auch ausschlaggebend dafür gewesen sein, daß die Neustadt<br />

ausgenommen blieb, als noch vor Ausbruch <strong>des</strong> Großen<br />

Krieges grundlegende Verbesserungen an den Festungswerken<br />

um Burg und Altstadt vorgenommen wurden. Sie bestanden vor<br />

allem in der Schaffung von großen, mit Auffahrtsrampen<br />

versehenen Bastionen im Osten, Norden und Westen,<br />

deren Aufgabe als Geschützstellungen uns der Merian-<br />

Kupferstich von 1632 bildhaft vor Augen führt.<br />

Dem Mangel der Neustadt-Befestigung haben erst die<br />

Schweden, nachdem sie <strong>Hanau</strong> am 1. November 1631 im<br />

Handstreich besetzt hatten, durch eine Reihe zusätzlicher<br />

Maßnahmen abzuhelfen versucht. So wurden u. a. vor den in<br />

den einspringenden Tenaillenwinkeln angeordneten Stadttoren<br />

Verstärkungen angelegt: vor dem Kanaltor ebenso wie um<br />

die neue Vorstadt (zwischen Altstadtgraben und Kinzigbrücke)<br />

sog. Hornwerke; vor Mühltor, Nürnberger Tor,<br />

Hühnerloch und Steinheimer Tor sog. Ravelins. Auch die<br />

Mühle im Osten der Grafenburg erhielt damals (1634) eine<br />

Umwehrung.<br />

Mit diesen Maßnahmen waren die Grenzen der historischen<br />

Stadt festgelegt. Sie blieben im wesentlichen <strong>bis</strong> tief in<br />

das 19. Jh. hinein erhalten. Obwohl durch die auf Geheiß<br />

Napoleons erfolgte Demolisation der Festungsanlagen entscheidende<br />

Voraussetzungen <strong>zur</strong> Ausweitung <strong>des</strong> Stadtgebietes<br />

geschaffen wurden, ist <strong>Hanau</strong> über die Grenzen der <strong>bis</strong><br />

1834 getrennt verwalteten Städte Alt- und Neu-<strong>Hanau</strong><br />

zunächst nicht hinausgewachsen. Zu einer Ausweitung <strong>des</strong><br />

Stadtgebietes ist es erst nach dem Deutsch-Französischen<br />

Krieg von 1870/71 unter preußischer Verwaltung gekommen.<br />

LEGENDE ZUR KARTE /<br />

Burg<br />

II Vorburg (Burgfreiheit)<br />

1 Dorfeldischer Lehenhof (Fronhof)<br />

2 Fronhofgasse<br />

3 Der Vorhof (Im Schloßhof)<br />

4 um 1400 Spechtischer Lehenhof (18. Jh. Marstall, 20. Jh.<br />

Stadthalle)<br />

5 Erbsengasse<br />

6 Burggasse (Schloßgasse, Schloßstraße)<br />

/// Altstadt<br />

7 Johanneskirche<br />

8 Johanneskirchplatz<br />

9 Johanneskirchgasse<br />

10 Steingasse<br />

11 Heumarkt<br />

12 Wolfsgasse<br />

13 Kleine Sandgasse<br />

14 Marienkirche


15 Rathsgasse (Marienkirchgasse)<br />

16 Altstädter Rathaus<br />

17 Löwengäßchen (Kleine Fahrgasse)<br />

18 Markt (Altstädter Markt)<br />

19 Tiefe Gasse, Tiefegasse<br />

20 Schlendergasse, Schlenkergasse<br />

21 Metzgergasse<br />

22 Marktgasse (Marktstraße)<br />

23 Johannesgasse<br />

24 Kleine Gasse, Kleinegasse (Rappengasse)<br />

25 Dechaneigasse (Große Dechaneigasse)<br />

26 Neue Gasse, Neugasse<br />

27 Enge Gasse, Engegasse<br />

28 Predigergasse<br />

29 Paradiesgasse (Kleine Dechaneigasse)<br />

30 Badergasse<br />

31 um 1500 Pulvererker QudenpfÖrtchen)<br />

32 Diebsturm (Hexenturm)<br />

33 Kinzdorfer Tor, Kinztor<br />

34 Metzgertor, Katzenturm (Kinzigturm)<br />

35 Wasserturm<br />

IV Vorstadt<br />

KARTE 34B: HANAU VOM <strong>12.</strong> BIS ZUR MITTE DES ^.JAHRHUNDERTS 245<br />

36 Baumgarten (Waisengarten)<br />

37 Lutherische Schule (Realschule, <strong>Mitte</strong>lschule, Hilfs<br />

schule, Frauen-Berufsschule)<br />

38 Schulgasse<br />

39 Bangertsgasse, Alte Schulgasse (Bangertstraße)<br />

40 Rabengasse, Reubergasse (Rebengasse, Rebenstraße)<br />

41 Gasse gen Frankfurt (Alte Vorstadtgasse, Hospitalgasse,<br />

Hospitalstraße)<br />

42 Brückengasse (Brückenstraße)<br />

43 Spital (Altstädter Hospital) mit Kirche<br />

44 Spitaleck<br />

45 Hospitaltor<br />

46 Bastion Esel<br />

47 Lustgarten (Bangertgarten, Bangert)<br />

48 Kleines Rondell mit Eisgrube und Pulverturm<br />

49 Kommißbäckerei und Judenschirn<br />

50 Zeughaus<br />

51 Bastei (später Galerie mit Garten)<br />

52 Großes Rondell mit Pulverturm<br />

53 Schirngasse (Schirnstraße)<br />

54 Altstädter Brücke<br />

55 Hauptwache nebst Gefängnis<br />

56 Äußerstes Kinzdorfer Tor (Neues Tor oder<br />

Schützentor)<br />

57 Schützenhaus mit Schießgraben<br />

58 Judengasse (Nordstraße)<br />

59 Bastion Judeneck mit Pulverturm<br />

60 Judengasse (Hintergasse, Nordstraße)<br />

61 Königseck (Kriegs-Holzhof)<br />

62 Herrschaftlicher Holzhof<br />

63 Rothehaus Eck mit Rothehaustor<br />

64 Mühlschanze<br />

65 Herrnmühle<br />

66 Hohes Werk<br />

67 Schwaneneck<br />

68 Wachthaus-Bastion, Schloßeck, Das Laboratorium<br />

69 Gasse in der Vorstadt<br />

70 Kinzigbrücke<br />

V Neustadt<br />

1 Rothmännchesgasse (Sternstraße)<br />

2 Sterngasse (Sternstraße)<br />

3 Auf dem Graben<br />

4 Soldaten-Justiz (Galgen)<br />

5 Herrschaftlicher Bleichgarten (Neuer Garten)<br />

6 Mühlgasse<br />

7 Lange Gasse, Langgasse (Langstraße)<br />

8 Krämergasse (Krämerstraße)<br />

9 Rathaus (Neustädter Rathaus)<br />

10 Marktplatz, Markt in der Neustadt (Neustädter Markt)<br />

11 Salzgasse (Salzstraße)<br />

12 Am Kanal (Kanalplatz, Kanaltorplatz)<br />

13 Hafen, Kanal<br />

14 Römergasse (Römerstraße)<br />

15 Nürnberger Gasse (Nürnberger Straße)<br />

16 Neue Gasse, Neugasse (Altstraße)<br />

17 Alte Gasse (Altstraße)<br />

18 Wallonisch-Niederländische Kirche<br />

19 Kirchgasse (Kirchstraße)<br />

20 Ballplatz<br />

21 Hahnengasse (Hahnenstraße)<br />

22 Französische Allee<br />

23 Schützengasse (Schützenstraße)<br />

24 Rebengasse (Gärtnergasse, Gärtnerstraße)<br />

25 Gärtnergasse (Gärtnerstraße)<br />

26 Lothringer Gasse<br />

27 Schiffergasse (Fischergasse, Fischerstraße)<br />

28 Herrngasse (Herrnstraße)<br />

29 Liliengasse (Lilienstraße)<br />

30 Glockengasse (Glockenstraße)<br />

31 Kornmarkt (Heumarkt)<br />

32 Frankfurter Gasse (Frankfurter Straße)<br />

33 Steinheimer Gasse (Steinheimer Straße)<br />

34 Wolfsgasse (Steinheimer Gasse, Steinheimer Straße)<br />

35 Lindengasse (Lindenstraße)<br />

36 Hamergasse (Hammergasse, Hammerstraße)<br />

37 Schäfergasse (Schäferstraße)<br />

38 Paradiesgasse (Paradiesstraße)<br />

39 Schweinemarkt, Dippemarkt (Philipp-Ludwig-Anlage)<br />

40 Kleine Gasse (Kleine Straße)<br />

41 Kölnische Gasse (Kölnische Straße)<br />

42 Fahrgasse (Fahrstraße)<br />

43 Schnurgasse (Schnurstraße)<br />

44 Rosengasse (Rosenstraße)<br />

45 Sandgasse (Sandstraße)<br />

46 Hirschgasse (Hirschstraße)<br />

47 Webergasse (Weberstraße)<br />

48 Spitalgasse (Leimengasse, Leimenstraße)


246<br />

49 Leimengasse (Leimenstraße)<br />

50 Mühltor<br />

51 Mühleck<br />

52 Nürnberger Tor<br />

53 Nürnberger Eck<br />

54 Hühnerloch<br />

LITERATUR<br />

H EINRICH BOTT / KARL DIELMANN<br />

Borr, G.: Die Städte in der Wetterau und im Kinzigtal (<strong>Hanau</strong>er Gbll.<br />

15), 1951 (= Rhein-Main. Forsch. 29, 1950).<br />

BOTT, H.: Die Altstadt <strong>Hanau</strong>. Baugeschichte, Häuserverzeichnis,<br />

Bilder. Ein Gedenkbuch <strong>zur</strong> 650-Jahrfeier der Altstadt <strong>Hanau</strong>,<br />

1953.<br />

DERS.: Beiträge <strong>zur</strong> Baugeschichte <strong>des</strong> Schlosses in <strong>Hanau</strong>, in:<br />

<strong>Hanau</strong>er Gbll. 17, 1960, S. 49-72.<br />

DERS.: Der <strong>Hanau</strong>er Stadtplan <strong>des</strong> Christoph Metzger. Ein Vergleich<br />

der Ausgaben von 1684 und 1735, ebd. S. 115-130.<br />

DERS.: Stadt und Festung <strong>Hanau</strong> nach dem Stockholmer Plan <strong>des</strong><br />

Joachim Rumpf <strong>vom</strong> 8. Januar 1632 und nach anderen Plänen und<br />

Ansichten <strong>des</strong> <strong>17.</strong> und 18. <strong>Jahrhunderts</strong>, ebd. 18, 1962, S. 183-222.<br />

DERS.: Stadt und Festung <strong>Hanau</strong> (II), ebd. 20, 1965, S. 61-125.<br />

DERS.: Gründung und Anfänge der Neustadt <strong>Hanau</strong> 1596-1620,<br />

2Bde. (<strong>Hanau</strong>er Gbll. 22 und23), 1970und 1971 (=VHKH30, l,<br />

1970 und 30, 2, 1971).<br />

55<br />

56<br />

57<br />

58<br />

5<br />

9<br />

Steinheimer Eck<br />

Steinheimer Tor<br />

Kanaleck<br />

Kanaltor<br />

Frankfurter Eck<br />

Frankfurter Tor<br />

DERS.: Stadt und Festung <strong>Hanau</strong> (III), in: <strong>Hanau</strong>er Gbll. 24, 1973, S.<br />

9-43.<br />

DIELMANN, K.: <strong>Mitte</strong>lalterliches Mauerwerk in den Fundamentgruben der<br />

<strong>Hanau</strong>er Karl-Rehbein-Schule. Ein Fundbericht, ebd. 17, 1960, S.<br />

41-48.<br />

DERS.: <strong>Hanau</strong> am Main mit Philippsruhe und Wilhelmsbad, 1963.<br />

SUCHIER, R.: Die alte Stadtmauer, in: Festschrift <strong>des</strong> <strong>Hanau</strong>er<br />

Geschichtsvereins zum 600jährigen Jubiläum der Erhebung Alt-<br />

<strong>Hanau</strong>s <strong>zur</strong> Stadt, 1903, S. 1-14.<br />

THYRIOT, J. P.: Die Straßen und Häuser der Stadt <strong>Hanau</strong>. Stadtbezirke,<br />

Numerierung, Straßen- und Häusernamen, ebd. S. 34-56.<br />

WINKLER, A., MITTELSDORF, J.: Die Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt<br />

<strong>Hanau</strong>, 1. Teil [nur dieser erschienen], Festschrift zum<br />

300jährigen Jubiläum der Gründung der Neustadt <strong>Hanau</strong>, 1897.<br />

ZIMMERMANN, E. J.: <strong>Hanau</strong> Stadt und Land. Kulturgeschichte und<br />

Chronik einer fränkisch-wetterauischen Stadt und ehemaligen<br />

Grafschaft, vermehrte Ausgabe 1919.<br />

HANAUER GESCHICHTSVEREIN (Hrsg.): 675 Jahre Altstadt <strong>Hanau</strong>, Festschrift<br />

zum Stadtjubiläum und Katalog <strong>zur</strong> Ausstellung im Historischen<br />

Museum der Stadt <strong>Hanau</strong> am Main, 1978.

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