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Die Kirche in Wickstadt - Geschichtsverein Niddatal

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Herzlich willkommen <strong>in</strong> unserer <strong>Kirche</strong>, nehmen Sie sich etwas Zeit, um mit<br />

Hilfe dieses Führers die Geschichte und die Besonderheiten der <strong>Kirche</strong> als<br />

historisches Baudenkmal zu erkennen. Zur Betrachtung des Raumes soll<br />

aber auch das Erleben kommen. Erst wenn der <strong>Kirche</strong>nraum <strong>in</strong> der Liturgie,<br />

<strong>in</strong> der Musik, <strong>in</strong> der Bes<strong>in</strong>nung und im Gebet se<strong>in</strong>e Funktion erfüllt,<br />

beg<strong>in</strong>nen auch die Ste<strong>in</strong>e wirklich zu reden.<br />

E<strong>in</strong> Ausflug <strong>in</strong> die Geschichte von Assenheim:<br />

<strong>Die</strong> vielfältige Geschichte der Stadt Assenheim hier im Zusammenhang mit<br />

der <strong>Kirche</strong> darzustellen, kann nur lückenhaft und überschläglich erfolgen.<br />

Als im Jahr 1193 der Reichsm<strong>in</strong>isteriale Kuno I. von Münzenberg von der<br />

Reichsabtei Fulda hier Güter erwarb, hat die Ansiedlung sicher schon längere<br />

Zeit bestanden. Von Bedeutung für Assenheim ist die Zugehörigkeit<br />

zur Grafschaft „Malstatt“, e<strong>in</strong>em Gerichtsbezirk im Zentrum der Wetterau,<br />

sie unterstand, bis zu deren Aussterben, 1170/71, den Grafen Nür<strong>in</strong>gs.<br />

In den Jahren 1170-1180 ist <strong>in</strong> Assenheim wohl e<strong>in</strong>e Burg als Verwaltungssitz<br />

entstanden. Auch <strong>in</strong> den folgenden Jahren und Jahrhunderten wird Assenheim<br />

häufig urkundlich erwähnt 1 . Bereits 1268 wird Assenheim als befestigter<br />

und mit Burgmannen besetzter Ort, 1275/77 als Stadt belegt.<br />

Nachdem die Münzenberger mit Ulrich II. 1255 ausstarben, traten zunächst<br />

mehrere Familien das Erbe an. Von denen haben die We<strong>in</strong>sberger 1270, die<br />

Pappenheimer 1286 ihren Anteil an der Burg abgetreten, übrig blieben die<br />

Falkenste<strong>in</strong>er und die Hanauer, <strong>in</strong> deren Zeit die o.a. Stadterwähnung fällt<br />

Der Falkenste<strong>in</strong>er Anteil fiel nach deren Aussterben 1418 zuerst an die<br />

verwitwete Gräf<strong>in</strong> Anna von Sayn und an <strong>Die</strong>ter von Isenburg-Büd<strong>in</strong>gen,<br />

1433 war er noch deren geme<strong>in</strong>schaftlicher Besitz.<br />

Es folgten die Isenburger und anstelle von Sayn 1461 die Solmser, zuerst<br />

Solms-Lich, später ab 1722 Solms-Rödelheim und Assenheim sowie Isenburg-Wächtersbach.<br />

<strong>Die</strong> Solmser bauten zum Ende des 16. Jh., seitlich der<br />

ehemaligen Münzenberger Burg, e<strong>in</strong> neues Schloss. Der hanausche Teil an<br />

Assenheim kam 1736 an Hessen-Kassel und fiel dann 1810 an Hessen-<br />

Darmstadt, dem 1815 auch noch der Hauptanteil zufiel 2 .<br />

Zum Landgericht Assenheim zählten außer der Stadt selbst: Nieder-<br />

Wöllstadt, Bauernheim, Fauerbach, (FB-Fauerbach) Buchenbrücken und<br />

Nieder-Rosbach.<br />

1 E<strong>in</strong>en guten Überblick über die umfangreiche Geschichte gibt, Lummitsch, Rudolf, <strong>in</strong><br />

Geschichte der Stadt Assenheim, zur 700 Jahr-Feier, <strong>Niddatal</strong>, 1977, S. 17 ff.<br />

2 Sante, G. W., Historische Stätten Deutschland, Hessen Bd. VI, Seite 16 ff. Denkmaltopographie<br />

BRD, Hessen, Wetterau II/2, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Wiesbaden,<br />

1999, Seite 820 ff<br />

<strong>Die</strong> <strong>Kirche</strong> <strong>in</strong> Assenheim:<br />

So wie die Geschichte durch die geme<strong>in</strong>schaftliche Herrschaft geprägt ist,<br />

so hat auch die <strong>Kirche</strong>ngeschichte ihre Merkwürdigkeiten erlebt, die aber<br />

auch von e<strong>in</strong>em frühen Bürgerwillen berichten.<br />

Bereits seit dem 14. Jh. hatte das Kloster Ilbenstadt das Kollaturrecht 3 <strong>in</strong><br />

Assenheim. Da das Kloster bei E<strong>in</strong>führung der Reformation nach 1525<br />

katholisch geblieben war, musste dies bereits zu Konflikten führen. Nach<br />

dem Augsburger Religionsfrieden von Augsburg 1555 galt der Grundsatz<br />

„cuius regio, eius religio“, das heißt, <strong>in</strong> wessen Land e<strong>in</strong>er lebte, dessen<br />

Religion hatte er. Der Landesherr bestimmte also alle<strong>in</strong> über diese Fragen 4 .<br />

Nun gehörte Assenheim damals aber 3 Herrschaften geme<strong>in</strong>sam, Isenburg<br />

Hanau und Solms, im nachfolgenden die sich entwickelnden Konflikte:<br />

• Ilbenstadt verh<strong>in</strong>derte die Anstellung e<strong>in</strong>es von Assenheim gewollten lutherischen<br />

Predigers. Es schlug anstelle des alten Pfarrers, e<strong>in</strong>en jungen<br />

Mönch vor, „der e<strong>in</strong> guter Prediger sei“.<br />

• 1551 hatte Assenheim dann auf eigene Faust e<strong>in</strong>en Lutheraner e<strong>in</strong>gesetzt.<br />

Er musste aber noch e<strong>in</strong>mal der Gewalt aus Ilbenstadt weichen.<br />

• Um 1553 kam e<strong>in</strong> Lutheraner (e<strong>in</strong> lutherisch gewordener Mönch) <strong>in</strong>s Amt.<br />

• Als nach dessen Tod wieder e<strong>in</strong> Lutheraner präsentiert wurde, den Solms<br />

bestätigt, verweigerten Hanau und Isenburg diese Bestätigung.<br />

• Hanau und Isenburg übertrugen e<strong>in</strong>em reformierten Pfarrer das Amt und<br />

erzwangen 1601 mit Waffengewalt dessen E<strong>in</strong>führung.<br />

• Es folgte e<strong>in</strong> Kompromiss, jede Herrschaft bestellte e<strong>in</strong>en eigenen Pfarrer,<br />

der Gottesdienst wechselt wöchentlich, „Simultaleum“.<br />

• 1629 wurde sogar vorübergehen wieder das kath. Bekenntnis e<strong>in</strong>geführt.<br />

• 1631 kam es wieder zum alten „Simultaleum“.<br />

• 1641 setzte Hessen-Darmstadt es aber außer Kraft, verbündet mit Solms<br />

wurde nur noch das lutherische Bekenntnis zugelassen.<br />

• Hanau versuchte zwar noch se<strong>in</strong>e Rechte zu wahren, aber mit dem Übergang<br />

an Hanau-Lichtenberg gab es den „Kampf“ auf.<br />

• 1657 konnte Isenburg die reformierte Woche wieder stillschweigend oder<br />

ggf. nur geduldet e<strong>in</strong>führen.<br />

• 1716 kam es aber erst zu e<strong>in</strong>em richtigen Vergleich, während bisher e<strong>in</strong><br />

reformierter Pfarrer aus Bönstadt kam, durfte er nun am Ort residieren. 5<br />

• <strong>Die</strong> kirchliche Union <strong>in</strong> Hessen-Darmstadt beendet 1817-22 diese besondere<br />

Situation. 6<br />

3 hier das Besetzungsrecht für den Ortspfarrer.<br />

4 <strong>Die</strong> reformierten <strong>Kirche</strong>n, außer Kurpfalz, erhielten diesem Recht allerd<strong>in</strong>gs erst<br />

<strong>in</strong> der Schlussakte des westfälischen Frieden, 1648.<br />

5 ke<strong>in</strong> Assenheimer nahm aber an dessen Gottesdienst teil, es war auch bei höchster<br />

Strafe von Solms und Hanau verboten.


Das <strong>Kirche</strong>ngebäude <strong>in</strong> Assenheim:<br />

<strong>Die</strong> heutige <strong>Kirche</strong>, die schon e<strong>in</strong>en mittelalterlichen Vorgängerbau hatte,<br />

wurde 1782-85 nach dem Entwurf des Nauheimer Baumeisters Joh. Philipp<br />

Wörnshöfer erbaut. Sie stellt e<strong>in</strong>e sehr gute Lösung e<strong>in</strong>es quer gelagerten<br />

Saalbaus und Predigtraumes dar. <strong>Die</strong> evangelische <strong>Kirche</strong> hat lange um<br />

e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>heitlichen Baustil für ihre <strong>Kirche</strong>n gerungen, so wurde nach der<br />

Reformation zuerst der e<strong>in</strong>fache aber überkommende Saalbau, für kle<strong>in</strong>e<br />

Dorfkirchen, oft auch e<strong>in</strong>fache Fachwerkkirchen, übernommen 7 .<br />

In den reformierten Geme<strong>in</strong>den wurde der von den Niederlanden kommende<br />

Querraum häufig aufgenommen, e<strong>in</strong>geleitet bei uns wohl von der<br />

Schlosskirche <strong>in</strong> Weilburg, des Julius Ludwig Rothweil <strong>in</strong> 1707-13 8 . Es<br />

folgen Wölfersheim 1717-31 u.a.. <strong>Die</strong>ser Querbau blieb im lutherischen<br />

<strong>Kirche</strong>nbau dagegen die Ausnahme 9 . Erst das „Eisenacher Regulativ“ von<br />

1861 bestimmte dann e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>heitlichen Stil, nämlich den der Gotik (Neogotik).<br />

10<br />

<strong>Die</strong> Assenheimer <strong>Kirche</strong> hat an der östlichen E<strong>in</strong>gangsfront e<strong>in</strong>en vorgezogenen<br />

Risalit mit Frontispiz 11 . <strong>Die</strong>ser zeigt schon klassizistische E<strong>in</strong>flüsse,<br />

er liegt genau <strong>in</strong> der Zentralachse und enthält auch das Treppenhaus. Auf<br />

der gegenüber liegenden westlichen Seite, korrespondierend mit dem E<strong>in</strong>gangsrisalit,<br />

erhebt sich der Glockenturm. Im Untergeschoss des Turmes<br />

e<strong>in</strong>e Sakristei, e<strong>in</strong> Haubendachreiter 12 mit Knauf und Turmkreuz schließt<br />

ihn nach oben ab. Der Bruchste<strong>in</strong>bau ist durch Ecklisenen gegliedert, die<br />

Fenster s<strong>in</strong>d überwiegend flach stichbogig im Stil der Zeit.<br />

Beim Bau der <strong>Kirche</strong> wurden ganz offensichtlich Werkste<strong>in</strong>e vom Turm der<br />

1778 abgebrochenen (alten Münzenberger) Burg zweitverwendet.<br />

Im Inneren sehen wir die für diese <strong>Kirche</strong>n typische Anordnung zentral und<br />

vertikal <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Ebene gestaffelt Altar, Kanzel mit Schalldeckel und die<br />

Orgel von 1786 (Joh. Georg Dreuth aus Griedel) vor der Turmseite.<br />

Umlaufende Emporen und die Herrschaftsloge, über der östlichen E<strong>in</strong>gangsseite,<br />

vervollständigen die quer gelagerte Predigtkirche. 13<br />

6 <strong>Die</strong>hl, W., Hassia sacra IV, Darmstadt, 1930. Seite 213 ff.<br />

7 Der erste bedeutende <strong>Kirche</strong>nbau nach der Reformation bei uns, war das <strong>Kirche</strong>nschiff<br />

<strong>in</strong> Hungen. 1596-1608 und die <strong>Kirche</strong> <strong>in</strong> Romrod, 1676-80.<br />

8 Dehio, G., Hb. der Deutschen Kunstdenkmäler, Hessen, Mü. 1982, S. 30 + 886<br />

9 Laubach-Ruppertsburg von 1750-57.<br />

10 Der Brockhaus, Kunst, Leipzig, Mannheim, 2001, S. 582<br />

11 vorstehender gliedernder Bauteil, mit Giebelfeld<br />

12 sogenannte welsche Haube.<br />

13 Dehio, a. a.O.<br />

Herr, ich habe lieb, die Stätte de<strong>in</strong>es Hauses<br />

und den Ort, da de<strong>in</strong>e Ehre wohnet.<br />

Psalm 26.8<br />

<strong>Die</strong> <strong>Kirche</strong> <strong>in</strong> Assenheim<br />

Reihe: Sehenswerte <strong>Kirche</strong>n <strong>in</strong> der Stadt <strong>Niddatal</strong>.<br />

Herausgeber: Gesellschaft für Geschichte,<br />

Denkmalpflege und Landschaftsschutz, <strong>Niddatal</strong> e. V.<br />

Text: He<strong>in</strong>z P. Probst, Grünberg-Queckborn.


Herzlich willkommen <strong>in</strong> unserer <strong>Kirche</strong>, nehmen Sie sich etwas Zeit, um mit<br />

Hilfe dieses Führers die Geschichte und die Besonderheiten der <strong>Kirche</strong> als<br />

historisches Baudenkmal zu erkennen. Zur Betrachtung des Raumes soll<br />

aber auch das Erleben kommen. Erst wenn der <strong>Kirche</strong>nraum <strong>in</strong> der Liturgie,<br />

<strong>in</strong> der Musik, <strong>in</strong> der Bes<strong>in</strong>nung und im Gebet se<strong>in</strong>e Funktion erfüllt,<br />

beg<strong>in</strong>nen auch die Ste<strong>in</strong>e wirklich zu reden.<br />

Kaichen, e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Ausflug <strong>in</strong> die Geschichte:<br />

Das Dorf Kaichen am südöstlichen Rand der Wetterau hat e<strong>in</strong>e so reiche<br />

Geschichte, die hier im Zusammenhang mit der <strong>Kirche</strong> nur auszugsweise<br />

dargestellt werden kann.<br />

Es war die bedeutsame Gerichtsstätte der gleichnamigen „Grafschaft“. <strong>Die</strong><br />

seit 1293 überlieferte Grafschaft Kaichen, „Comicia <strong>in</strong> Kouchene“, hatte<br />

Jahrhunderte lang e<strong>in</strong>e herausragende rechtliche Sonderstellung. <strong>Die</strong> Bewohner,<br />

die auch nur e<strong>in</strong>e „Mansus“ 1 hatten, nannten sich „Lehenherrn“.<br />

Sie hatten quasi reichsunmittelbaren Status.<br />

<strong>Die</strong>se Lehenherren hatten zu den Gerichtsverhandlungen <strong>in</strong> Kaichen unter<br />

der L<strong>in</strong>de zu ersche<strong>in</strong>en 2 . Dort wurden jeden Mittwoch nach Pf<strong>in</strong>gsten aus<br />

Rittergenossen, Pröpsten und den Grundbesitzern 7 „Ehrbare“ zu Wahlmännern<br />

bestimmt, die wieder e<strong>in</strong>en aus dem Niederadel zum „obersten<br />

Grefen“ wählten. Jedes Dorf des Gerichtes hatte außerdem e<strong>in</strong>en Ortsgrefen<br />

3 .<br />

E<strong>in</strong> Weistum 4 vom Anfang des 15. Jh. gibt Auskunft, welche Orte damals<br />

zur Grafschaft gehörten: Kaichen, Heldenbergen, Büdesheim, Rendel,<br />

Kle<strong>in</strong>- und Groß Karben, Okarben, Hülshofen, Kloppenheim, Ilbenstadt,<br />

Altenstadt, Oberau, Rommelshausen. <strong>Die</strong> Burgen Höchst, Assenheim, Dorfelden<br />

und Naumburg werden als Teil der Grafschaft aufgeführt. Dazu noch<br />

4 Orte, die später wüst gefallen s<strong>in</strong>d.<br />

<strong>Die</strong> Grafschaft stand unter dem Schutz der Reichsburg Friedberg. Wer von<br />

den Burgmannen beim Gerichtstag anwesend war, hatte nur dann Stimmrecht<br />

und Sitz, wenn es um Leben und Tod e<strong>in</strong> Burgmannen g<strong>in</strong>g. Kaiser<br />

1 Z<strong>in</strong>sgut, Hube, Hof, nach Abt R. Kolb von Arnsburg, ca. 30 Morgen; Gärtner,<br />

Otto, Kloster Arnsburg <strong>in</strong> der Wetterau, Königsste<strong>in</strong>, o. J..<br />

2 Der ste<strong>in</strong>erne Gerichtsstuhl oder Gerichtstisch steht noch heute, als geschütztes<br />

Kulturdenkmal, und er<strong>in</strong>nert an diese Zeiten.<br />

3 Verwalter, vergleichbar mit dem späteren Bürgermeister<br />

4 Aussage über Gewohnheitsrechte im Mittelalter.<br />

Friedrich II. übertrug aber 1467 die Befugnis zur Wahl des Obergrefen den<br />

5 Burgmannen.<br />

<strong>Die</strong> Burgmannen waren schon recht früh bestrebt, aus der Schutzherrschaft<br />

mehr, <strong>in</strong>sbesondere die Rechte als Landesherrn abzuleiten. Erst im 16. Jh.<br />

ist ihnen dieses weit gehend gelungen. Im Jahr 1534 mussten die ehemals<br />

freien „Gerichtsgenossen“ e<strong>in</strong>e Huldigung auf die Burg Friedberg ausbr<strong>in</strong>gen,<br />

damit war die Landesherrlichkeit anerkannt.<br />

Im Jahr 1806, nach dem Reichsdeputationshauptschluss und nach den Bestimmungen<br />

der Rhe<strong>in</strong>bundakte, kam das ehemalige Freigericht an Hessen,<br />

an das neu entstandene Großherzogtum Hessen-Darmstadt. Seit dem<br />

31.12.1971 ist Kaichen Stadtteil von <strong>Niddatal</strong> 5 .<br />

<strong>Die</strong> <strong>Kirche</strong> <strong>in</strong> Kaichen:<br />

Mitten <strong>in</strong> der früher fast quadratischen Dorfanlage steht die <strong>Kirche</strong> im ummauerten<br />

Kirchhof. Wenn wir die <strong>Kirche</strong> von außen ansehen, erkennen wir<br />

sofort, dass diese zu zwei ganz unterschiedlichen Bauphasen entstanden ist.<br />

Der älteste Teil der baulichen Anlage ist das Unterteil des Turmes. Es ist<br />

e<strong>in</strong> so genannter Westturm, wie er <strong>in</strong> Hessen recht häufig vorkommt. Häufiger<br />

war allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> der Gotik der Ostturm. Er stammt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Kern<br />

noch aus dieser spätgotischer Zeit, wahrsche<strong>in</strong>lich dem 15. oder 16. Jh.. Der<br />

barocke mehrfach gestaffelte Turmhelm, e<strong>in</strong> Haubenhelm mit so genannter<br />

Welscher Haube, dürfte zu dem Zeitpunkt entstanden se<strong>in</strong>, als das <strong>Kirche</strong>nschiff<br />

neu gebaut wurde 6 .<br />

<strong>Die</strong> <strong>Kirche</strong> ist nach alter Tradition fast genau nach Osten ausgerichtet. Es<br />

kann angenommen werden, dass auch der Vorgängerbau des heutigen <strong>Kirche</strong>nschiffes<br />

diese Ausrichtung hatte. <strong>Die</strong>se Bautradition wurde bereits im<br />

6. Jh. begründet, zuerst bei den Ostkirchen. In karol<strong>in</strong>gischer Zeit war diese<br />

Ausrichtung neben den damals aufgekommenen Zentralbauten allgeme<strong>in</strong><br />

üblich. Auch die Chorfenster nach Osten hatten e<strong>in</strong>e mythologische Bedeutung:<br />

Im Osten g<strong>in</strong>g die Sonne auf, von dort kam das Licht, da g<strong>in</strong>g der<br />

Himmel auf 7 .<br />

5 Sante, G. W., Historische Stätten Deutschland, Hessen Bd. VI, Seite 16 ff. Denkmaltopographie<br />

BRD, Hessen, Wetterau II/2, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege,<br />

Wiesbaden, 1999, Seite 866 ff<br />

6 Denkmaltopographie a. a. O.<br />

7 Ich b<strong>in</strong> das Licht der Welt (Johannes 8, 12).


Das heutige <strong>Kirche</strong>nschiff ist 1737 erbaut worden, also <strong>in</strong> der Zeit des Barock.<br />

E<strong>in</strong>ige Merkmale dieser Stilrichtung s<strong>in</strong>d am Baukörper selbst zu<br />

f<strong>in</strong>den, besonders die runden Fenster der Westseite. 8<br />

Auch die rundbogigen Fenster, ohne betonte Laibung, s<strong>in</strong>d Stilmerkmale<br />

dieser Zeit, wie sie <strong>in</strong> Hessen erst nach dem Dreißigjährigen Krieg aufkamen.<br />

Im Inneren der <strong>Kirche</strong> erkennen wir den Altar im Osten, e<strong>in</strong>e Anordnung,<br />

wie sie im hiesigen Raum traditionell durchaus üblich ist,. Darüber f<strong>in</strong>den<br />

wir auf e<strong>in</strong>er eigenen Empore die gute Orgel von 1854.<br />

Am Übergang vom <strong>Kirche</strong>nschiff zum Chor bef<strong>in</strong>det sich auf der rechten<br />

Seite die Kanzel mit schönem Schalldeckel darüber.<br />

Auf der West- und der Nordseite bef<strong>in</strong>den sich Emporen auch noch aus der<br />

Entstehungszeit des <strong>Kirche</strong>nraumes. An den Emporenbrüstungen zeigen<br />

Ölgemälde: Jesus Christus, die Apostel, Moses, David und die 4 Evangelisten.<br />

Auf dem Kirchhof s<strong>in</strong>d noch Grabmäler des 18. Jh. erhalten. E<strong>in</strong> Taufbecken<br />

ist aus dem fast unverwüstlichen Lungste<strong>in</strong>. Es stammt noch aus der<br />

Romanik um 1200.<br />

Der Freigerichtsstuhl <strong>in</strong> Kaichen unter der L<strong>in</strong>de, davor e<strong>in</strong>e so genannte<br />

Pl<strong>in</strong>the. 9<br />

8 Oculi genannt.<br />

9 Fußplatte von der Basis e<strong>in</strong>er Säule.<br />

Herr, ich habe lieb, die Stätte de<strong>in</strong>es Hauses<br />

und den Ort, da de<strong>in</strong>e Ehre wohnet.<br />

Psalm 26.8<br />

<strong>Die</strong> <strong>Kirche</strong> <strong>in</strong> Kaichen<br />

Reihe: Sehenswerte <strong>Kirche</strong>n <strong>in</strong> der Stadt <strong>Niddatal</strong>.<br />

Herausgeber: Gesellschaft für Geschichte,<br />

Denkmalpflege und Landschaftsschutz, <strong>Niddatal</strong> e. V.<br />

Text: He<strong>in</strong>z P. Probst, Grünberg-Queckborn.


Herzlich willkommen <strong>in</strong> unserer <strong>Kirche</strong>, nehmen Sie sich etwas Zeit, um mit<br />

Hilfe dieses Führers die Geschichte und die Besonderheiten der <strong>Kirche</strong> als<br />

historisches Baudenkmal zu erkennen. Zur Betrachtung des Raumes soll<br />

aber auch das Erleben kommen. Erst wenn der <strong>Kirche</strong>nraum <strong>in</strong> der Liturgie,<br />

<strong>in</strong> der Musik, <strong>in</strong> der Bes<strong>in</strong>nung und im Gebet se<strong>in</strong>e Funktion erfüllt,<br />

beg<strong>in</strong>nen auch die Ste<strong>in</strong>e wirklich zu reden.<br />

<strong>Die</strong> Wallfahrtskirche <strong>in</strong> dem untergegangenen Dorf Sternbach:<br />

<strong>Die</strong> <strong>Kirche</strong> Sternbach wird urkundlich bereits <strong>in</strong> der so genannten Beatus-<br />

Urkunde, 778 erstmalig erwähnt. Der iro-schottische Abt Beatus schenkte<br />

damals dem Kloster Honau bei Straßburg 9 Eigenkirchen, darunter auch die<br />

<strong>Kirche</strong>n <strong>in</strong> Sternbach 1 und die <strong>in</strong> dem nicht weit entfernt liegenden Bauernheim.<br />

Sternbach wird als Siedlung 1231 erstmals urkundlich erwähnt. Es<br />

gehörte zum Münzenberger Herrschaftsbereich. Durch Schenkungen, die<br />

meisten im 13. Jh., kam der überwiegende Teil an das 1174 gegründete<br />

Kloster Arnsburg. 2 So hören wir, dass He<strong>in</strong>rich von <strong>Wickstadt</strong>, genannt<br />

Goldsteyn, und se<strong>in</strong>e Ehefrau Kunigunde 1231 dem Kloster ihre Güter <strong>in</strong><br />

<strong>Wickstadt</strong> und Sternbach schenkten. Bereits diese Schenkung mag bedeutend<br />

gewesen se<strong>in</strong>. Am 8. Oktober übergeben die Pfarrangehörigen dann<br />

ihre Geme<strong>in</strong>dewiesen und bereits 1232 hören wir, dass Ritter Friedrich von<br />

Reichelsheim e<strong>in</strong>en Mansus 3 <strong>in</strong> Sternbach mit He<strong>in</strong>rich von <strong>Wickstadt</strong><br />

tauscht, der durch die o. a. Schenkung auch an das Kloster kommt. Wieder<br />

e<strong>in</strong> Jahr später verkaufen He<strong>in</strong>rich und Gerlach von Isenburg <strong>in</strong> Sternbach<br />

und <strong>Wickstadt</strong> 1/3 ihrer Gerichtsbarkeit und 20 Morgen Wiesen an das<br />

Kloster. Im Jahr 1249 bekundet der Burggraf von Friedberg, dass He<strong>in</strong>rich<br />

und Friedrich von <strong>Wickstadt</strong> sich mit dem Kloster wegen der „Jurisdiktion“<br />

4 gee<strong>in</strong>igt haben. Aus dem Jahr 1292 ist von <strong>Wickstadt</strong> e<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>deordnung<br />

überliefert, die von Arnsburg diktiert wurde.Sie zeigt, dass Arnsburg<br />

damals die Gerichtsbarkeit auch ausübte, obwohl dies für e<strong>in</strong> Kloster<br />

e<strong>in</strong>e „heikle“ Angelegenheit war. <strong>Die</strong> Schenkungen und Landerwerbungen<br />

g<strong>in</strong>gen weiter. 1274 von Werner von Bellersheim e<strong>in</strong> halbe Mansus, 1292<br />

verkauft das Kloster Ilbenstadt se<strong>in</strong>e gesamten Güter <strong>in</strong> Sternbach an Arns-<br />

1„Sterrenbach“, „Stewenbach“, der Name noch immer nicht e<strong>in</strong>deutig erklärt, von<br />

ahd. starr oder ahd. sterno, sterro für Stern; evtl. auch von e<strong>in</strong>em Personennamen<br />

„Sterro“, siehe Andriessen, Klaus, Siedlungsnamen <strong>in</strong> Hessen, Verbreitung<br />

und Entfaltung bis 1200, Dissertation Marburg, 1990.<br />

2 Sante, G. Hb. Historische Stätten, Hessen Bd. VI, Stuttgart, 1976, S, 428.<br />

3 Z<strong>in</strong>sgut, Hube, Hof, nach Abt R. Kolb ca. 30 Morgen; Gärtner, Otto, Kloster<br />

Arnsburg <strong>in</strong> der Wetterau, Königsste<strong>in</strong>, o. J..<br />

4 Gerichtsbezirk.<br />

burg. 5 In <strong>Wickstadt</strong> gab es zu diesem Zeitpunkt ke<strong>in</strong>e freien Bauern mehr,<br />

aber hier <strong>in</strong> Sternbach hatten sich noch e<strong>in</strong>ige erhalten können. Nachdem<br />

die Nachfolger der Münzenberger, die Falkenste<strong>in</strong>er, 1418 ausstarben, wurden<br />

sie u.a. von den Grafen zu Solms beerbt. Im Laufe der Zeit kam es dann<br />

zu mehren Streitigkeiten, wie wir sie auch vom Kloster Arnsburg kennen.<br />

Es g<strong>in</strong>g im Wesentlichen um die Rechte als Landesherrn. In diesen Streitereien<br />

und Machtkämpfen g<strong>in</strong>g das Dorf Sternbach wohl unter. <strong>Die</strong> letzte<br />

Nachricht ist von 1545. Damit ist die im Volksmund überlieferte Geschichte<br />

vom Untergang im Dreißigjährigen Krieg wiederlegt. Seit 1448 hören<br />

wir, dass das Kloster auch das Patronat über die Pfarrei und <strong>Kirche</strong> hatte.<br />

Zu dieser Oberpfarrei gehörten zeitweise: <strong>Wickstadt</strong>, Ossenheim, Bauernheim,<br />

Nauheim, Friedberg, Weckesheim, Leidhecken, Florstadt und Staden.<br />

Mit der Aufhebung des Klosters und dem Reichsdeputationshauptschluss<br />

von 1803 kam der Besitz 6 an das Haus Solms, Sternbach und <strong>Wickstadt</strong> an<br />

Solms-Rödelheim-Assenheim.<br />

<strong>Die</strong> Sternbacher <strong>Kirche</strong> liegt heute abseits jeder menschlichen Siedlung im<br />

Wald, westlich dem Hofgut <strong>Wickstadt</strong>.<br />

Um die <strong>Kirche</strong> s<strong>in</strong>d die Reste e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>friedigung zu erkennen. Ob es sich<br />

hierbei um e<strong>in</strong>en Wehrkirchhof gehandelt hat, dafür f<strong>in</strong>den sich ke<strong>in</strong>e Anhaltspunkte.<br />

Auch Reste der <strong>in</strong> der Beatus-Urkunde erwähnten <strong>Kirche</strong> s<strong>in</strong>d<br />

nicht mehr sichtbar. Es wird aber angenommen, dass diese <strong>Kirche</strong> an gleicher<br />

Stelle gestanden hat. <strong>Die</strong> heutige <strong>Kirche</strong> weist jedoch noch Reste aus<br />

romanischer Zeit auf: <strong>Die</strong> vermauerte Rundbogenpforte und kle<strong>in</strong>e Fenster<br />

<strong>in</strong> der Südwand des <strong>Kirche</strong>nschiffes, wohl um 1200. Das flach gedeckte,<br />

rechteckige Langhaus ist damit als ältester Teil der <strong>Kirche</strong> zu erkennen. In<br />

gotischer Zeit wurden entscheidende An- und Umbauten vorgenommen.<br />

Der Choranbau stammt nach e<strong>in</strong>er Inschrift von 1455, wurde also unter dem<br />

29. Abt, Jo(h)annes de <strong>Wickstadt</strong> erbaut. <strong>Die</strong>ser Chor hat e<strong>in</strong>en 5/8 Schluss<br />

und <strong>in</strong>nen e<strong>in</strong> Kreuzrippengewölbe mit verzierten Schluss-Ste<strong>in</strong>en. Im Chor<br />

sehen wir noch die verschiedenen spätgotischen Maßwerkfenster, e<strong>in</strong> weiteres<br />

gutes Maßwerkfenster mit so genannten Fischblasen f<strong>in</strong>den wir auf der<br />

Nordseite des Langhauses. Weiter Umbauten s<strong>in</strong>d aus dem 18. Jh. bekannt,<br />

so die Vorhalle des Langhauses 7 , sie er<strong>in</strong>nert etwas an den Schweizer Chaletstil.<br />

Auch der offene Dachreiter über dem Chor stammt aus dieser Zeit.<br />

5 Lummitsch, Rudolf, Geschichte der Stadt Assenheim, Seite 204 ff und Seite 220 ff,<br />

<strong>Niddatal</strong>, 1977.<br />

6 Insgesamt für das Kloster Arnsburg etwa 700 Morgen, Gärtner, a. a. O. S. 11.<br />

7 Dehio, G. Hb. der Deutschen Kunstdenkmäler, Hessen, München, 1982, S. 916;<br />

Denkmaltopographie BRD, Hessen, Wetterau II/2, Wiesbaden, 1999, S. 844.


Im Inneren der <strong>Kirche</strong> fallen am Übergang vom Langhaus zum erhöht liegenden<br />

Chor der Triumphbogen <strong>in</strong>s Auge und der Hochaltar aus dem Anfang<br />

des 18. Jh.. Der Altar wird bekrönt von e<strong>in</strong>em Alabasterrelief. Es stellt<br />

St. Gangolf dar, diesem Heiligen ist die Kapelle <strong>in</strong> Sternbach geweiht. In<br />

der Mitte sehen wir e<strong>in</strong> prächtig geschmiedetes Gitter von 1718, dah<strong>in</strong>ter<br />

das ursprüngliche Gnadenbild der Wallfahrt, e<strong>in</strong>e stehende Mutter Gottes<br />

aus dem 15. Jh.. Sie wurde aber noch im Barock und noch e<strong>in</strong>mal im 19. Jh.<br />

überarbeitet. Im Jahr 1845 wird noch e<strong>in</strong> „Sanctuarium“ 8 erwähnt, es zeigt<br />

das Haupt Christi, e<strong>in</strong>e so genannte „Vera-Ikon“ 9 . Auch e<strong>in</strong>e gute Sakramentsnische<br />

aus der Bauzeit des Chores ist noch erwähnenswert.<br />

Der Erhalt der Wallfahrtskirche Sternbach dürfte e<strong>in</strong>er bis heute geübten<br />

Wallfahrt am Himmelsfahrtstag zur der „wundertätigen Mutter Gottes von<br />

Sternbach“ zu verdanken se<strong>in</strong>. 10<br />

In der Vorhalle bef<strong>in</strong>den sich noch 2 Ste<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>es Stationsweges von <strong>Wickstadt</strong><br />

nach Sternbach von 1725. Im Giebelfeld sieht man e<strong>in</strong> Wandgemälde,<br />

es zeigt die Verkündigung an Maria (Lukas 1,31).<br />

Vor der <strong>Kirche</strong> f<strong>in</strong>den wir e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Kapelle, mit guter Stuckdecke (Auferstehung<br />

Christi) aus der 1. Hälfte des 18. Jh.. Das Vesperbild aus L<strong>in</strong>denholz,<br />

kunsthistorisch e<strong>in</strong>e eigenwillige Arbeit, ist wohl noch aus dem 17.<br />

Jh., 11 Christus und die Gottesmutter <strong>in</strong> etwas sonderbarer Haltung, Maria<br />

neigt stark ihren Kopf und<br />

drückt ihn fest an den ihres<br />

toten Sohnes, der nicht wie bei<br />

anderen Vesperbildern üblich,<br />

ganz auf ihren Knien ruht, sondern<br />

halb auf dem Boden zu<br />

ihren Füßen kniet. Auch diese<br />

Skulptur wird heute <strong>in</strong> die<br />

Wallfahrt mit e<strong>in</strong>bezogen, wie<br />

die Motivtafeln zeigen.<br />

Abbildung: Inneres der <strong>Kirche</strong> nach Osten<br />

8 Heiligtumsbehälter.<br />

9 Lat./griech. Wahre Bild Gottes, oft gebraucht für Acheiropoieta ,d. s. Bilder angeblich<br />

nicht mit Händen gemacht, Wagner, Georg, W., J., <strong>Die</strong> Wüstungen im<br />

Großherzogtum Hessen, Darmstadt, 1854, Seite 320. Brockhaus, Kunst, Mannheim,<br />

2001, Seite 15.<br />

10 Sante, a. a. O.<br />

11 Dehio, a. a, O,<br />

Hier ist nichts anderes als das Haus Gottes<br />

und das Tor des Himmels.<br />

1. Moses (Genesis) 28,17 ff<br />

<strong>Die</strong> Wallfahrtskirche <strong>in</strong> Sternbach<br />

Reihe: Sehenswerte <strong>Kirche</strong>n <strong>in</strong> der Stadt <strong>Niddatal</strong>.<br />

Herausgeber: Gesellschaft für Geschichte,<br />

Denkmalpflege und Landschaftsschutz, <strong>Niddatal</strong> e. V.<br />

Text: He<strong>in</strong>z P. Probst, Grünberg-Queckborn.


Herzlich willkommen <strong>in</strong> unserer <strong>Kirche</strong>, nehmen Sie sich etwas Zeit, um mit<br />

Hilfe dieses Führers die Geschichte und die Besonderheiten der <strong>Kirche</strong> als<br />

historisches Baudenkmal zu erkennen. Zur Betrachtung des Raumes soll<br />

aber auch das Erleben kommen. Erst wenn der <strong>Kirche</strong>nraum <strong>in</strong> der Liturgie,<br />

<strong>in</strong> der Musik, <strong>in</strong> der Bes<strong>in</strong>nung und im Gebet se<strong>in</strong>e Funktion erfüllt,<br />

beg<strong>in</strong>nen auch die Ste<strong>in</strong>e wirklich zu reden.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Kirche</strong> <strong>in</strong> <strong>Wickstadt</strong>.<br />

Das nord-östlich der Stadt Assenheim, direkt an der Nidda gelegene Hofgut<br />

<strong>Wickstadt</strong> (auch Wik<strong>in</strong>stad) stammt ursprünglich aus dem Münzenberger<br />

Lehen. Es wird im Jahre 1231 dem <strong>in</strong> 1174 gegründeten Kloster Arnsburg<br />

überlassen. 1 He<strong>in</strong>rich von <strong>Wickstadt</strong>, Goldsteyn genannt, und se<strong>in</strong>e Ehefrau<br />

Kunigunde schenken <strong>in</strong> diesem Jahr der Abtei Arnsburg ihre Güter <strong>in</strong><br />

<strong>Wickstadt</strong> und Sternbach. Es folgen bald darauf weitere Erwerbungen. Das<br />

Kloster Arnsburg hat <strong>Wickstadt</strong> von Anfang an als Klostergut betrieben.<br />

Nach und nach siedelten sich um das Hofgut wohl dessen Bedienstete an, so<br />

dass e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Dorf entstand. <strong>Die</strong>ses wird 1268 urkundlich erwähnt. Wir<br />

hören von mehreren Rechts- und Grenzstreitigkeiten mit Assenheim so am<br />

9. Mai 1598. 2<br />

Nach Auflösung des Klosters und dem Reichsdeputationshauptschluss<br />

1803, kam <strong>Wickstadt</strong> an die Grafen zu Solms der L<strong>in</strong>ie Rödelheim-<br />

Assenheim. <strong>Die</strong>se betrieben das Hofgut, seit Mitte des 19. Jh. die Domäne.<br />

1956 verliert <strong>Wickstadt</strong> den Status Domäne und wird Assenheim angegliedert.<br />

Durch die besondere Situation, zuerst als Klostergut, danach als Hofgut und<br />

Domäne, konnte sich e<strong>in</strong>e eigenständige Geme<strong>in</strong>de nur schwach entwickeln.<br />

Es blieb bei e<strong>in</strong>er Ansammlung von wenigen Höfen, Ges<strong>in</strong>dehäusern,<br />

e<strong>in</strong>em wehrhaften Speicherturm <strong>in</strong> Fachwerk, e<strong>in</strong>em Forsthaus,<br />

e<strong>in</strong>er <strong>Kirche</strong> mit Pfarrhaus und e<strong>in</strong>er wieder untergegangenen Mühle an der<br />

Nidda. 3<br />

1 Gärtner, Otto, Kloster Arnsburg <strong>in</strong> der Wetterau, Königsste<strong>in</strong>, o. J.,<br />

Zschietzschmann, Willy, Hrg. 800 Jahre Kloster Arnsburg, Lich, 1974.<br />

2 Lummitsch, Rudolf, Geschichte der Stadt Assenheim, Seite 204 ff und Seite 220 ff,<br />

<strong>Niddatal</strong>, 1977.<br />

3 Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Wetterau II, Seite 838 ff.<br />

Wiesbaden, 1999.<br />

<strong>Die</strong> Pfarrkirche <strong>in</strong> <strong>Wickstadt</strong> g<strong>in</strong>g wohl als Filiale aus der <strong>Kirche</strong> <strong>in</strong> Sternbach<br />

hervor, jener Gründung iro-schottischer Mönche von der wir bereits<br />

urkundlich aus dem Jahr 778 hören. Am 21. Juni. 778 nämlich übertrug der<br />

Abt Beatus 8 se<strong>in</strong>er Eigenkirchen an das Kloster Honau bei Straßburg, darunter<br />

die <strong>Kirche</strong> <strong>in</strong> Sternbach (Sterrenbach).<br />

<strong>Die</strong> heutige <strong>Kirche</strong> <strong>in</strong> <strong>Wickstadt</strong> wurde ab dem Jahr 1707 gebaut, aber erst<br />

1714 geweiht. Erbaut wurde sie im Wesentlichen unter Abt Robert II. aus<br />

Hilders <strong>in</strong> Franken (... Robertus abbas XLVIII. Monasterii Arnsburg. Patria<br />

Hilterensis ex Franconia). Er hatte bis zu se<strong>in</strong>er Wahl zum Abt 1701 als<br />

geistlicher Leiter das Klostergut <strong>in</strong> <strong>Wickstadt</strong> betreut, sodass davon ausgegangen<br />

werden kann, dass die heutige <strong>Kirche</strong> schon e<strong>in</strong>e Vorgänger<strong>in</strong> hatte.<br />

Er war bei der Verwaltung von <strong>Wickstadt</strong> sehr erfolgreich. So wird uns<br />

berichtet, dass die Wahl e<strong>in</strong>stimmig ausfiel.<br />

Abt Robert starb aber bereits am 1. Februar 1708. 4 Ihm folgte Conradus<br />

Eiff. Er ließ wohl den noch nicht vollendeten <strong>Kirche</strong>nbau <strong>in</strong> <strong>Wickstadt</strong> ruhen,<br />

war auch lange Zeit sehr krank und starb am 19. März 1714.<br />

Am 22. März 1714 folgte Antonius Antoni im Amt als 50. Abt. Er war e<strong>in</strong><br />

zielstrebiger Bauherr. Unter se<strong>in</strong>er Amtszeit s<strong>in</strong>d die meisten heute noch<br />

erhaltenen Bauten Arnsburgs entstanden, so wird <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Zeit die <strong>Kirche</strong><br />

vollendet und geweiht.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Kirche</strong> ist e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>facher, barocker Saalbau mit etwas abgesetztem Chor,<br />

der dreiseitig schließt. Sie ist nach alten Traditionen genau West-Ost ausgerichtet:<br />

das Westportal mit der für Arnsburger Bauten dieser Zeit so typischem<br />

gesprengtem Segmentgiebel 5 als Sturz und der Jahreszahl 1707.<br />

Über dem bef<strong>in</strong>det Portal e<strong>in</strong>e konchenartige Wandnische für den Namenspatron<br />

St. Nikolaus. <strong>Die</strong> Fenster s<strong>in</strong>d rundbogig, ohne betonte Gewände,<br />

eigentlich untypisch für die Arnsburger Bauten dieser Zeit.<br />

Das relativ steile Dach, mit kle<strong>in</strong>en Gauben, ist auf der Westseite, an der<br />

E<strong>in</strong>gangsseite, mit Krüppelwalm versehen. Aus dem First erhebt sich im<br />

Westen, direkt h<strong>in</strong>ter dem Krüppelwalm, e<strong>in</strong> markanter, sechsseitiger Dachreiter,<br />

mit geschweifter Haube geht er über <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e welsche Haube, Doppelknauf<br />

und Turmkreuz schließen ihn ab.<br />

Im Inneren sehen wir vor dem Chor e<strong>in</strong>en Triumphbogen, 2 Seitenaltäre<br />

und e<strong>in</strong>en Hauptaltar aus der 1. Hälfte des 18. Jh.. <strong>Die</strong> reizvolle Rokoko-<br />

Orgel auf der Westempore ist von 1759, sie trägt das Wappen des Abtes<br />

Peter Schmitt (1746-72).<br />

4 Zschietzschmann, a. a. O. S. 64<br />

5 Westliches Portal am Abtei Gebäude <strong>in</strong> Arnsburg.


Das <strong>Kirche</strong>nschiff hat e<strong>in</strong>e flache Decke, die an den beiden Seiten e<strong>in</strong>e<br />

kräftigen Hohlkehle aufweist, und <strong>in</strong> der Mitte e<strong>in</strong> stuckiertes Feld. Der<br />

Chor hat e<strong>in</strong> tief gezogenes Gewölbe mit hohen Schildbögen, die Gewölbegrate<br />

s<strong>in</strong>d ohne Rippen.<br />

Zu den wertvollen Ausstattungsstücken gehört e<strong>in</strong>e<br />

kle<strong>in</strong>e, gotische, gekrönte Madonna mit K<strong>in</strong>d und<br />

Zepter, über e<strong>in</strong>er Mondsichel vom Anfang des 15.<br />

Jh.. 6 Sie vere<strong>in</strong>t mehrere Attribute der Gottesmutter<br />

<strong>in</strong> sich: im Wesentlichen die Himmelskönig<strong>in</strong>, jener<br />

<strong>in</strong> der Gotik des Abendlandes häufigen Darstellung.<br />

7 Weitere Ausstattungsstücke s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> Vortragekreuz<br />

aus Holz, 1. Hälfte 18. Jh.und verschiedene<br />

Gemälde auf Holz um 1600.<br />

E<strong>in</strong>e silber-vergoldete Monstranz von 1677, aus<br />

Augsburg von Paul Sollanier, e<strong>in</strong> silber-vergoldeter<br />

Kelch, ebenfalls e<strong>in</strong>e Augsburger Arbeit, wohl von<br />

Joh. Friedr. Bräuer und zwei Messgewänder vergleichbar<br />

mit dem Seligenstädter Ornat <strong>in</strong> Ma<strong>in</strong>z 8<br />

von 1745 bzw. Mitte 18. Jh.. Vor der <strong>Kirche</strong> sieht<br />

man 2 Fußfall-Stationen, bez. 1725 und Grabste<strong>in</strong>e<br />

des 18. Jh. Der ummauerte Kirchhof hat e<strong>in</strong> altes,<br />

rundbogiges, überdecktes Portal.<br />

Abbildung oben<br />

Madonna, frühes 15. Jh.<br />

(heute <strong>in</strong> der katholischen<br />

<strong>Kirche</strong> <strong>in</strong> Assenheim)<br />

Abbildung l<strong>in</strong>ks<br />

<strong>Kirche</strong> <strong>in</strong> <strong>Wickstadt</strong> Inneres<br />

6 Gärtner, a. a. O. Seite 79 Abbildung; Dehio, G. Hb. Der Deutschen Kunstdenkmäler,<br />

Hessen, Seite 915, München, 1982; Belser Stilgeschichte.<br />

7 Pantanassa = König<strong>in</strong> des Himmels, nach sogenannter goldener Legende, von<br />

Frankreich, Ill de France ausgehend, sich <strong>in</strong> ganz Europa verbreitete.<br />

8 Dommuseum.<br />

Hier ist nichts anderes als das Haus Gottes<br />

und das Tor des Himmels.<br />

1. Moses (Genesis) 28,17 ff<br />

<strong>Die</strong> <strong>Kirche</strong> <strong>in</strong> <strong>Wickstadt</strong><br />

Reihe: Sehenswerte <strong>Kirche</strong>n <strong>in</strong> der Stadt <strong>Niddatal</strong>.<br />

Herausgeber: Gesellschaft für Geschichte,<br />

Denkmalpflege und Landschaftsschutz, <strong>Niddatal</strong> e. V..<br />

Text: He<strong>in</strong>z P. Probst, Grünberg-Queckborn.

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