Ein ortsgeschichtlicher Rundgang durch Bönstadt
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Gesellschaft für Geschichte,<br />
Denkmalpflege und Landschaftsschutz e.V.<br />
1. Vorsitzender Thomas Lummitsch<br />
Schöne Aussicht 12a, 61194 Niddatal, Telefon 06034-5424<br />
www.geschichtsverein-niddatal.de<br />
Spaziergang <strong>durch</strong> die Geschichte <strong>Bönstadt</strong>s<br />
<strong>Bönstadt</strong> wird urkundlich erst 1184 erwähnt, muss aber schon seit dem 7. Jahrhundert als<br />
fränkisches Dorf bestanden haben. Hierbei ist seine Namensgebung sicher kein Zufall,<br />
liegt<br />
es doch als Glied einer förmlichen Kette von “Stadt“-Orten zwischen Ranstadt über<br />
Ilbenstadt bis Wöllstadt und Ockstadt. Seit dem Mittelalter schützte eine fast quadratische<br />
Wall-Grabenanlage mit Dornhecken verstärkt für den Schutz des Ortes. Die Ortseingänge<br />
waren mit ummauerten Torbefestigungen versehen und befanden sich an der Kreuzung<br />
von Assenheimer Straße mit den Schießrain und dem Viehweg sowie dem alten<br />
Ortsausgang am „Hermannseck“. An dessen entgegengesetztem Ende wird der Standort<br />
eines Warthturmes<br />
vermutet<br />
Die größte Hofanlage stellt das Anwesen Ross in der Hofgasse dar. Hier befand sich der<br />
örtliche Sitz des Landesherrschaft, die seit 1419 von den Isenburgern ausgeübt wurde.<br />
Durch<br />
Erbteilungen zwischen 1628 und 1725 bildete sich die Linie Isenburg-Wächtersbach<br />
heraus, die bis 1802 <strong>Bönstadt</strong> regierte. Der zuständige isenburger Amtmann residierte in<br />
einem Amtshaus in Assenheim, das sich im Umfeld des früheren Burgbezirkes befand.<br />
Neben den<br />
Abgaben die auf den jeweiligen Hofstellen lagen hatte die Gemeinde noch zusätzliche<br />
Lasten<br />
Zu tragen. In einer Aufstellung des isenburger Amtmanns Wißkemann von 1713 hatte die<br />
Gemeinde Holztransporte, Baufahrten und andere Vorspanndienste zu leisten,<br />
Botengänge und verschiedene Handarbeiten zu verrichten. Ferner mussten Setzlinge für<br />
das ständige Nachpflanzen der Wallhecke besorgt und eingepflanzt werden, auch hatte<br />
jeder Haushalt<br />
jährlich für das Betreiben eines Schornsteines ein sogenanntes Rauchhuhn zu stellen.<br />
Dies wurde aber in eine Geldzahlung umgewandelt, da die Hausfrauen sicher nicht ihre<br />
jüngsten Hennen für diesen Zweck opferten.<br />
Andererseits erlebte auch <strong>Bönstadt</strong> unter der Regierungszeit der Grafen Ferdinand<br />
Maximilian und Maximilian I. im 18.Jahrhundert eine ausgesprochen fortschrittliche Schul-<br />
und Verwaltungsreform.<br />
In diesem Zusammenhang ist auch die landesherrliche Verordnung über Eheverträge von<br />
1708 zusehen. Hierbei wird die Regelung des Besitzstandes beim Tod eines Ehepartners<br />
bewirkt, bei möglichen Erbauseinandersetzungen eingebrachter Vermögensteile, aber<br />
auch bei Scheidungen . Zwischen 1754 und 1822 sind für <strong>Bönstadt</strong> 96 solcher<br />
Eheverträge archiviert.<br />
Am Standort der heutigen Kirche von 1965 ist schon 1362 eine Margarethen-Kapelle<br />
nachgewiesen, die vom Kloster Ilbenstadt betreut wurde.1295 versah ein Kaplan<br />
Johannes hier seine seelsorgerischen Dienste und ab 1463 sind örtliche Pfarrer für<br />
<strong>Bönstadt</strong> belegt.<br />
1555 wurde <strong>durch</strong> Graf Reinhard von Isenburg die Reformation eingeführt und 1595 ist<br />
eine grundlegende Renovierung des Vorgängerbaues der heutigen Kirche überliefert.<br />
Kirchengemeinde und auch die politische Gemeinde <strong>Bönstadt</strong> haben im laufe von<br />
Jahrhunderten nachweislich viel in diese schmucke Kirche investiert. Inwieweit der<br />
Kirchenabriss von 1965 zwingend war oder auch nicht, sollte an dieser Stelle nicht weiter<br />
vertieft werden. Doch man kann es dem seinerzeit auch für <strong>Bönstadt</strong> zuständigen Pfarrer<br />
Galter nicht hoch genug anrechnen, dass er einen rechteckigen Betonklotz als<br />
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Kirchenneubeau zu verhindern wusste. Damals verdrängte bei uns ein oberflächlicher<br />
Fortschrittsglaube vielfach den respektvollen Umgang mit gewachsener Kultur.<br />
Die Geschichte des ehemaligen Pfarrhauses ist ausgesprochen betrüblich zu nennen,<br />
obschon es sich bislang über Jahrhunderte hin vor dem Abriss retten konnte. Auch eines<br />
der ältesten Häuser <strong>Bönstadt</strong>s ist es schon vor der Reformation als Altaristenhaus<br />
genannt. Ab 1555 blieb aber die Baupflicht des nunmehr evangelischen Pfarrhauses<br />
dennoch beim Kloster Ilbenstadt,<br />
das wenig Bereitschaft für das Wohlergehen der “Ketzer“ aufbrachte. Die Pfarrer des 17.<br />
und 18. Jahrhunderts beklagten Löcher in den Fußböden Luft<strong>durch</strong>zug und Lücken an der<br />
Giebelfront. In regelmäßigen Abständen von etwa 50 Jahren kam es daher nach dem<br />
Auflaufen ständiger Klagen zu größeren Renovierungsarbeiten. Als nach 1802 schließlich<br />
die politische Gemeinde <strong>Bönstadt</strong> die Baupflicht hierfür inne hatte besserte sich die<br />
Situation. Schließlich war man 1914 zu einem Neubau bereit, doch der I.Weltkrieg<br />
verhinderte dies und das vorreformatorische Altaristenhaus steht noch immer. In seiner<br />
Nähe befindet sich ein weiteres Wohnaus, das den verheerenden Ortsbrand von 1776 heil<br />
überstanden hat.<br />
Diese Brandkatastrophe konnte auch nicht <strong>durch</strong> eines damals moderne Löschausrüstung<br />
der Bönstädter Feuerwehr verhindert werden, die 1745 eine sehr moderne<br />
Spritzenausrüstung mit einer fahrbaren Pumpe besaß. Als zuständige<br />
Bedienungsmannschaft sind von 1745 die Familiennamen Schreitz (Schreyd),Feuerstein,<br />
Wagner, Meiß, Fischer,Hahn und Hofmann überliefert.<br />
Seit 1830 war man in <strong>Bönstadt</strong> um ein geordnetes Angebot au Schulräumen bemüht .<br />
Soist das Schulgebäude von 1890 ein solides Gebäude, das ursprünglich auch die<br />
Gemeindeverwaltung beherbergte.<br />
Der Hessische „Schulalmanach“ von 1910 beschreibt die Schulsituation für den Ort<br />
<strong>Bönstadt</strong> insgesamt sehr positiv. Die erste der beiden Lehrerstellen <strong>Bönstadt</strong>s unterlag<br />
dem Präsentationsrecht des Hauses Isenburg-Wächtersbach, d.h. das gräfliche Haus<br />
hatte bis 1918 das Recht über die Stellenbesetzung mit zu bestimmen. Diese erste<br />
Lehrerstelle, die seinerzeit der ortsansässige Lehrer Kröll innehatte, war mit dem<br />
Organistendienst mit einem Salär von 200 Mark jährlich verbunden. Außerdem war diese<br />
Stelle noch mit der Nutzung von 4,4 ha Schulland verbunden, für das ein Mehrerlös von<br />
220 Mark angegeben wird.<br />
Die Zahl von 120 Schulkindern unter den 687 <strong>Ein</strong>wohnern von 1910 mutet uns bei zwei<br />
Lehrkräften hoch an. Doch Disziplinprobleme und Verwaltungsaufwand unserer Tage<br />
waren im damaligen Schulleben unbekannt.<br />
Seit Ende des 17.Jahrhunderts besaß <strong>Bönstadt</strong> eine jüdische Gemeinde, auf die der<br />
jüdische Friedhof am Ortsausgang in Richtung Erbstadt hinweist.<br />
Diese kleine jüdische Landgemeinde spiegelt die Entwicklung des hesssichen<br />
Landjudentums wider. Von den 535 Bönstädtern des Jahres 1830 waren 37 jüdischen<br />
Glaubens, 42 bekannte sich zum Katholizismus und 489 waren Protestanten. Bei der<br />
Volkszählung von 1905 waren unter den 626 Bönstädtern 28 Juden. 1918 sinkt die<br />
Mitgliederstärke der jüdischen Gemeinde <strong>Bönstadt</strong>s auf 21 Personen und schrumpft<br />
unmittelbar vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten auf nur noch 9 Menschen.<br />
Genau wie in Assenheim und dem übrigen Deutschland verminderte sich der jüdische<br />
Bevölkerungsanteil <strong>durch</strong> starken Geburtenrückgang und Binnenwanderung in die<br />
städtischen Ballungsgebiete. So waren in vielen Gegenden Deutschlands um 1920<br />
zahlreich alte jüdische Landgemeinden erloschen. Die verbliebenen Landgemeinden<br />
wurden <strong>durch</strong> den Holocaust restlos vernichtet.<br />
Die Bevölkerung Gemeinde <strong>Bönstadt</strong> <strong>durch</strong>lebte im 19. und 20. Jahrhundert ebenfalls<br />
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eine regionaltypische Entwicklung. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wächst die<br />
Bevölkerung rasch an. 1834 sind es 578 <strong>Ein</strong>wohner und 1858: 740. Dieser Höchststand<br />
sinkt bis 1871 auf 596 Personen ab und bewegt sich bis1905 etwa um die Zahl 600 . Erst<br />
im Jahre 1939 wird mit 746 die Bevölkerungszahl von 1858 wieder erreicht.<br />
So haben die Aufhebung der Leibeigenschaftsformen und medizinische Fortschritte ein<br />
Bevölkerungswachstum in Deutschland bewirkt. Die wirtschaftlichen Veränderungen und<br />
der Niedergang vieler unrentabler Kleinbauernstellen bewirkten eine Binnenwanderung in<br />
die industriellen Zentren, aber auch die Auswanderung nach Nordamerika.<br />
Neben diesen Wanderungsverlusten kam es in <strong>Bönstadt</strong>, genau wie in der übrigen Region<br />
in<br />
der Mitte des 20 Jahrhunderts zu ausgesprochenen Wanderungsgewinnen <strong>durch</strong> Flucht<br />
und Vertreibung vieler Deutscher zwischen 1945 und 1946. So stieg <strong>Bönstadt</strong>s<br />
Bevölkerung 1945 auf 1.150 Menschen an, gegenüber 746 vor Ausbruch des<br />
II.Weltkrieges. Laut den amtlichen Statistiken waren von den 1164 Bönstädtern des<br />
Jahres 1950 381 Flüchtlinge, was einem Anteil von 32,68% entspricht. Diese prägen<br />
nunmehr seit 60 Jahren das Leben des Dorfes mit.<br />
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