15.07.2015 Aufrufe

Veras Zwänge

Ich wollte warten, bis Vera von sich hören ließ, aber nach einer Wo­che machte ich mir so krause Gedan­ken, dass ich es nicht mehr aushielt. Vera machte einen verwirrten Eindruck. „Was hast du mir angetan? Marc, wie kannst du mir so etwas antun?“ sagte sie im­mer wieder und „Ist das alles nicht mehr so? Habe ich alles falsch verstan­den?“ Ich versuchte, sie zu beruhigen und ging zu ihr. Sie weinte immer nur, zeigte mir alle Stationen unserer Liebe auf und bat mich jedes mal eindringlich, das doch nicht zu vergessen. Das jemand wie ich ihr jetzt so weh tun könne, sei ihr völlig unverständlich. Sie habe Freudensprünge von mir erwartet, und ihr wichtigster und liebster Mensch auf der Welt habe sie zurückgewiesen. Die ganze Woche habe sie geweint und gegrübelt. „Marc, ich dachte, ich sei eine gestandene Frau, aber es macht mich verrückt, ich halte das nicht aus, ich bin völlig fertig. Wie konntest du, ausgerechnet du, mir, deiner Liebsten, nur so et­was tun?“ fragte sie. Im Moment konnten nichts mehr als meine Brust, an der Veras Kopf lag, und meine Hand, die Haar streichelte, erklären, wie sehr ich sie doch liebte. Deine Verweigerung stand im Widerspruch zur Liebe und zu allem, was du dir vorgenommen und gesagt hat­test. Eine Diskussion darüber war nicht möglich. Ich durfte alles Erdenkliche erzählen, aber von dir kam nur immer das strikte „Nein“. „Du hast schon Recht. Ich bin eine Lügnerin, nicht wahr?“ sagte Vera und konnte schon wieder schmunzeln, „Es ist so widersprüchlich, ich sehe es ja ein, aber meine Gewohnheiten haben mich offensichtlich absolut im Griff, ich kann mich nicht dagegen wehren, als ob sie sich bei mir eingebrannt hätten, scheinen sie mein Denken und Handeln zu dominieren.

Ich wollte warten, bis Vera von sich hören ließ, aber nach einer Wo­che machte ich mir so krause Gedan­ken, dass ich es nicht mehr aushielt. Vera machte einen verwirrten Eindruck. „Was hast du mir angetan? Marc, wie kannst du mir so etwas antun?“ sagte sie im­mer wieder und „Ist das alles nicht mehr so? Habe ich alles falsch verstan­den?“ Ich versuchte, sie zu beruhigen und ging zu ihr. Sie weinte immer nur, zeigte mir alle Stationen unserer Liebe auf und bat mich jedes mal eindringlich, das doch nicht zu vergessen. Das jemand wie ich ihr jetzt so weh tun könne, sei ihr völlig unverständlich. Sie habe Freudensprünge von mir erwartet, und ihr wichtigster und liebster Mensch auf der Welt habe sie zurückgewiesen. Die ganze Woche habe sie geweint und gegrübelt. „Marc, ich dachte, ich sei eine gestandene Frau, aber es macht mich verrückt, ich halte das nicht aus, ich bin völlig fertig. Wie konntest du, ausgerechnet du, mir, deiner Liebsten, nur so et­was tun?“ fragte sie. Im Moment konnten nichts mehr als meine Brust, an der Veras Kopf lag, und meine Hand, die Haar streichelte, erklären, wie sehr ich sie doch liebte. Deine Verweigerung stand im Widerspruch zur Liebe und zu allem, was du dir vorgenommen und gesagt hat­test. Eine Diskussion darüber war nicht möglich. Ich durfte alles Erdenkliche erzählen, aber von dir kam nur immer das strikte „Nein“. „Du hast schon Recht. Ich bin eine Lügnerin, nicht wahr?“ sagte Vera und konnte schon wieder schmunzeln, „Es ist so widersprüchlich, ich sehe es ja ein, aber meine Gewohnheiten haben mich offensichtlich absolut im Griff, ich kann mich nicht dagegen wehren, als ob sie sich bei mir eingebrannt hätten, scheinen sie mein Denken und Handeln zu dominieren.

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Lachen. Lona, das bin ich. So möchte ich sein, kann aber nicht so leben, kann<br />

mein Leben nicht so einrichten, dass sich die Lona in mir verwirklichen lässt.“<br />

erzählte Vera. Irgendwelche Sätze über Politisches oder Kulturelles folgten.<br />

Unsere Einkaufsunterhaltung zog sich hin. Dass wir auch Eingekauftes im<br />

Wagen hatten, das eines Kühlschranks bedurfte, schien keine Rolle zu spielen.<br />

„Wollen sie nicht mal auf einen Kaffee vorbei kommen? Da haben wir's warm<br />

und können bequem sitzen.“ fragte Vera plötzlich. Was mich zögern ließ, weiß<br />

ich nicht genau, aber was hatte ich mit dieser völlig fremden Frau zu tun?<br />

Bevor ich antwortete, schaltete sich Vera schon ein: „Ich versuche mir<br />

vorzustellen, was ihnen im Moment wohl alles durch den Kopf geht.“ „Nichts,<br />

nein nichts, überhaupt nichts, selbstverständlich komme ich. Ich freue mich<br />

darauf, zum Kaffee zu ihnen kommen zu dürfen.“ reagierte ich hastig, und<br />

Vera ließ es schmunzeln.<br />

Weihnachtseinkäufe<br />

„Es ist zum aus der Haut fahren.“ beklagte ich mich direkt nach der Begrüßung<br />

zum Kaffeebesuch, „Das Alter ergreift jeden Tag in anderen Bereichen stärker<br />

Besitz von mir. Zweimal habe ich ihren Namen auf dem Paketpostzettel gelesen,<br />

zweimal habe ich ihn auf ihrem Klingelschild gesehen, und trotzdem<br />

musste ich mich jetzt nochmal vergewissern, dass ich auch nichts Falsches erinnert<br />

hatte.“ Ich sei ihr nicht wichtig genug, sonst hätte ich ihren Namen<br />

schon behalten, scherzte Vera. „Aber ich weiß ihren Namen auch nicht mehr.<br />

Sollen wir uns als Nachbarn nicht lieber einfach mit Vornamen anreden. Mir gefällt<br />

es viel besser, wenn sie mich Vera anstatt Frau Pössel nennen. Und Vornamen<br />

vergisst man schließlich auch nicht so leicht.“ schlug Vera vor. „Ich finde<br />

es auch schöner, zu hören, dass ich für sie, nein dich ja jetzt, der Marc bin.“<br />

antwortete ich. Wir unterhielten uns weiter übers Älterwerden. „Marc, dieser<br />

körperliche Abbau ist sicher entsetzlich, lästig und quälend, aber es erscheint<br />

mir, dass ich den schon akzeptieren könnte, nur Alzheimer, sonstige Demenz<br />

und Schlaganfall mit schlimmen Folgen davor habe ich entsetzliche Angst.<br />

Wenn dieses Wesen, zu dem man auch Vera sagt, nichts mehr mit meiner heutigen<br />

Identität gemein hat, dann bin ich das nicht mehr und will es auch nicht<br />

sein.“ erklärte Vera. „Beschäftigt dich das häufig? Denkst du oft daran?“ erkundigte<br />

ich mich. „Es ist so entsetzlich, so grässlich, du kannst es nicht verdrängen.“<br />

reagierte Vera. „Aber dass du morgen auf dem Weg zum Einkaufen von<br />

einem Auto überfahren, getötet oder entsetzlich zugerichtet werden könntest,<br />

das verdrängst du.“ meinte ich dazu, „Wenn du vor allem Angst hättest, was<br />

geschehen könnte, lebtest du in der Psychiatrie. Ängste haben immer etwas Irrationales.<br />

Denk mal an die Flugangst. Dabei ist das Flugzeug der sicherste Ort<br />

im Verkehr. Angst kann ja berechtigt und wichtig sein und vor Gefahren schützen<br />

helfen, wenn es konkrete Hinweise gibt. Empfindest du dich denn manchmal<br />

ein wenig senil? Sonst handelt es sich um deine Spinnerei.“ Vera lachte.<br />

„Na, das mit den Paketen bekomme ich ja immerhin noch geregelt. Da kann es<br />

so ganz schlimm doch noch nicht sein, oder?“ scherzte sie. Wir sprachen über<br />

Weihnachten, wie wir's mit den Geschenken hielten und den ganzen Kitsch und<br />

die widerlichen Romantizismen der Vorweinachtzeit. „Ich kann das nicht<br />

ertragen. Maximal zwei Stunden, dann muss ich unbedingt nach Hause.“<br />

erklärte Vera zur Belastung während der Weihnachtseinkäufe. „Stimmt, du

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