Container-Schauspiel: Dramaturgie hausgemacht
Container-Schauspiel: Dramaturgie hausgemacht
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DIE AUGSBURGER ZEITUNG<br />
DAZ - Unabhängige Internetzeitung für Politik und Kultur<br />
Dienstag, 1.3.2011 Nr. 60 Jahrgang 3 www.daz-augsburg.de<br />
<strong>Container</strong>-<strong>Schauspiel</strong>: <strong>Dramaturgie</strong> <strong>hausgemacht</strong><br />
Im Oktober 2010 sollte er als Ersatz für die Komödie zur<br />
Verfügung stehen: der <strong>Schauspiel</strong>container beim Großen Haus.<br />
Inzwischen spricht man von Mai 2012 - im günstigsten Fall. Als<br />
“Tragikomödie mit grotesken Zügen” bezeichnet<br />
<strong>Schauspiel</strong>direktor Markus Trabusch die schlingernde<br />
Beschaffungsmaßnahme. Dabei trägt die Theaterleitung weit<br />
mehr Verantwortung, als deren jüngste Schuldzuweisungen an<br />
die Politik vermuten lassen.<br />
Von Bruno Stubenrauch<br />
Das Theater Augsburg ist ein<br />
selbständig agierender<br />
städtischer Eigenbetrieb. Das<br />
operative Geschäft liegt in<br />
Händen der zweiköpfigen<br />
Werkleitung, bestehend aus<br />
Intendantin Juliane Votteler<br />
und dem Kaufmännischen<br />
Direktor Steffen Rohr. In der<br />
Betriebssatzung des Theaters<br />
sind die weit reichenden<br />
Kompetenzen der Werkleitung<br />
klar abgesteckt: Sie ist für die<br />
Erfüllung des künstlerischen<br />
Nicht beauftragt: Züblin-Planung<br />
Auftrags und die<br />
2009 als Mietmodell (Grafik: DAZ)<br />
wirtschaftliche Führung des<br />
Theaters verantwortlich, fällt<br />
die Entscheidungen über eigene Angelegenheiten und führt die<br />
laufenden Geschäfte. Der Stadtrat tritt nur bei größeren<br />
Investitionen auf den Plan. So muss er beispielsweise<br />
Beschaffungsmaßnahmen des Theaters beschließen, die eine<br />
Summe von 200.000 Euro übersteigen.<br />
Städtische Fachdienststellen kommen nur am Rande ins Spiel,<br />
nämlich dann, wenn sie von der Werkleitung explizit “mit der<br />
Bearbeitung einschlägiger Geschäftsvorfälle” betraut werden.<br />
Auch der Kulturreferent hat laut Betriebssatzung lediglich eine<br />
Nebenrolle: Er nimmt an den Sitzungen des Werkausschusses<br />
“mit beratender Stimme” teil und hat ansonsten nur das Recht,<br />
informiert zu werden. Im Gegenzug hat die Werkleitung eine<br />
umfassende und rechtzeitige Berichtspflicht.<br />
Intendanz auf Einkaufstour<br />
In Sachen <strong>Container</strong> knüpfte die Theaterleitung bereits im<br />
Herbst 2009 erste Bande zur Münchner Niederlassung der Firma<br />
Züblin, wogegen - angesichts der umfassenden Zuständigkeiten<br />
der Werkleitung - nichts einzuwenden ist. Vater des Kontaktes:<br />
Jürgen Höfer, von September 2009 bis Juni 2010 Technischer<br />
Direktor des Stadttheaters Augsburg. Unter seiner Ägide als<br />
Künstlerischer Direktor bei Dieter Dorn am Bayerischen<br />
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Staatsschauspiel hatte Züblin eine Probebühne für das<br />
Residenztheater München in <strong>Container</strong>bauweise errichtet, als<br />
Mietmodell. Höfer, damals für das Staatsschauspiel<br />
federführend, beabsichtigte Gleiches nun für das Theater in<br />
Augsburg. Höfer war es auch, der Ende 2009 die im<br />
Werkausschuss sitzenden Stadträte durch die Anlage an der<br />
Schwere-Reiter-Straße in München führte und sie auf eine<br />
Stahlbaulösung “Marke Züblin” einstimmte.<br />
Durch diese gedankliche<br />
Fixierung fielen allerdings<br />
alternative technische<br />
Lösungen vom Start weg<br />
durchs Raster. Lösungen, wie<br />
sie in Berlin mit der<br />
Temporären Kunsthalle, in<br />
Düsseldorf mit der temporären<br />
Spielstätte der Rheinoper und Vom Start weg durchs Raster<br />
in München mit dem “MINI gefallen: konstruktive Alternativen<br />
opera space” als<br />
wie der "MINI opera space" in<br />
Holzkonstruktionen für<br />
München<br />
vergleichsweise kleines Geld<br />
realisiert wurden. Zum<br />
Vergleich: Das rund 300 Zuschauer fassende temporäre<br />
Opernhaus in München wurde für 2,1 Mio. Euro netto realisiert,<br />
die Kosten für den 260 Zuschauer fassenden Augsburger<br />
“<strong>Container</strong>” wurden vom Stadtrat auf 4,2 Mio. Euro brutto<br />
gedeckelt.<br />
Die Ware war schon zurückgelegt<br />
Die Verhandlungen zwischen Theater und Züblin waren Ende<br />
November 2009 so weit fortgeschritten, dass man von einem<br />
unterschriftsreifen Vertrag nur wenige Wochen entfernt war. So<br />
lagen bereits das Raumprogramm, Fachplanungen für die<br />
technische Gebäudeausrüstung und eine qualifizierte<br />
Kostenschätzung der Kalkulationsabteilung der Münchner Firma<br />
vor. Bei avisiertem Vertragsabschluss Ende 2009 hätte der<br />
<strong>Container</strong> laut Züblin in zehn Monaten, also bis zum Beginn der<br />
Spielzeit im Oktober 2010 stehen können.<br />
Der <strong>Container</strong> im Wandel: Von der geradlinigen und schlanken<br />
Züblin-Kiste aus dem Grundsatzbeschluss …<br />
Dass parallel dazu die vom Kulturreferat initiierte, seit Mitte<br />
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2008 laufende Grundlagenermittlung zum Theaterstandort<br />
Augsburg am 11. Dezember 2009 exakt diesen<br />
<strong>Container</strong>entwurf als beste Lösung auswies, scheint Formsache<br />
gewesen zu sein. Im Zug dieser Grundlagenermittlung hatte das<br />
auf Theaterbau spezialisierte Hamburger Architekturbüro PFP<br />
sechs Alternativen für die zweite Theaterspielstätte zu<br />
vergleichen, darunter Objekte wie die Kälberhalle, das Gaswerk<br />
und das Offiziers-Casino auf dem Sheridangelände. Ergebnis:<br />
Der <strong>Container</strong> war die kostengünstigste Lösung und in der<br />
Bewertungsmatrix makelloser Sieger. Selbst den<br />
Züblin-Fertigstellungstermin Oktober 2010 hatte PFP in einen<br />
ehrgeizigen Bauzeitplan gegossen, um nachzuweisen, dass der<br />
<strong>Container</strong> terminlich die gesamte Konkurrenz schlägt. Er könne<br />
sich des Eindrucks nicht erwehren, “dass es sich um ein<br />
Gefälligkeitsgutachten handelt”, kommentierte Unternehmer<br />
Ignaz Walter - mit seiner Augustapassage im Rennen um die<br />
Gunst des Theaters unterlegen - das Ergebnis.<br />
Einkaufsbummel gestoppt<br />
Aus dem schnellen<br />
Vertragsschluss mit Züblin<br />
zum Jahreswechsel 2009/10<br />
wurde allerdings nichts.<br />
Hinweise aus dem - vom<br />
Theater nicht eingeschalteten<br />
- Baureferat hatten inzwischen<br />
klargestellt, dass der<br />
<strong>Container</strong> ausgeschrieben Sieg zu makellos? Nur grüne Punkte<br />
werden muss. Mit einer<br />
für den <strong>Container</strong><br />
Direktvergabe an Züblin “in<br />
(Bewertungsmatrix aus dem<br />
dieser Form” stehe man “mit<br />
PFP-Gutachten)<br />
einem Bein im Gefängnis”,<br />
wird Baureferent Gerd Merkle<br />
zitiert. Am 20. Januar 2010 wurde deshalb das Theater vom<br />
Stadtrat mit einem Investitionszuschuss von 162.000 Euro<br />
ausgestattet und ermächtigt, in Bauherrenfunktion das<br />
Architekturbüro PFP und drei weitere Fachbüros mit der<br />
Entwurfsplanung und Funktionalausschreibung für den<br />
<strong>Container</strong> zu beauftragen.<br />
Wie unrealistisch das von PFP in Zeitbalken gegossene<br />
Termin-Wunschkonzert der Theaterleitung war, zeigte sich<br />
wenig später. Die ersten sechs Wochen ließ das Theater selbst<br />
ungenutzt verstreichen: Der Auftrag an die Hamburger<br />
Theaterspezialisten wurde erst im März 2010 erteilt. Bei der<br />
Planung und Ausschreibung kam es zu weiteren<br />
Verzögerungen: In enger Abstimmung zwischen dem Theater<br />
als Bauherr und seinem willfährigen Dienstleister PFP als Planer<br />
wurde der <strong>Container</strong> zusehends unförmig. Seine<br />
Grundrissfläche begann um 40 Prozent zu wachsen - ähnlich<br />
wie später auch der Preis. Vor allem die Bereiche “hinter den<br />
Kulissen” blähten sich auf, während die Publikumsinteressen im<br />
Wortsinn ins “Hintertreffen” gerieten: Waren Eingang und Foyer<br />
ursprünglich sinnvoll an der Kasernstraße platziert, so streckte<br />
der <strong>Container</strong> in Version Zwei jetzt nur noch sein Hinterteil in<br />
Form der Probebühne dorthin. Der Zugang wanderte rund um<br />
den Block und soll jetzt umständlich über einen<br />
Häuserdurchgang vom Ottmarsgäßchen aus erfolgen. Rampe<br />
inbegriffen, denn die Nullebene des <strong>Container</strong>s wurde um über<br />
einen Meter angehoben. Der direkte Weg über den Hof wurde<br />
durch weitere steile Rampen verbaut.<br />
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Dass es in dieser Phase massiver Umplanungen nicht - wie beim<br />
Curt-Frenzel-Stadion - zum Aufschrei des Oberbürgermeisters<br />
“Wir haben keinen Rampencontainer bestellt” kam, zeigt<br />
deutlich die Lücken im Informationsfluss von der Werkleitung in<br />
Richtung Politik.<br />
… zum mäandernden Moloch mit Hintereingang<br />
(Grafiken: DAZ - zum Vergrößern anklicken)<br />
Pannenausschreibung setzt Züblin-Konkurrenz matt<br />
Trotz aller Umplanungen hielt das Gespann Theater/PFP<br />
offensichtlich weiter an den technischen Spezifikationen der<br />
ersten Züblin-Lösung fest und fixierte im Leistungsverzeichnis<br />
einen Stahlbau. Eine Funktionalausschreibung sollte eigentlich<br />
anders aussehen, wie später die Regierung von Schwaben<br />
monierte. Ausschreibungen dieser Art legen gewöhnlich nur die<br />
Funktion fest und ermöglichen einen Wettbewerb verschiedener<br />
Bauweisen. Mit der Festlegung auf Stahl blieben die Holzbauer<br />
erneut außen vor.<br />
Als gravierendste Fehlentscheidung von Theater und PFP<br />
entpuppte sich allerdings das Festhalten an der<br />
10-Monats-Vorgabe der ersten <strong>Container</strong>variante. Schlimmer<br />
noch: Während die Firma Züblin seinerzeit die zehn Monate als<br />
reine Bauzeit angesetzt hatte, zweigte PFP vier Monate davon<br />
für Planung und Ausschreibung ab; den Firmen blieben für<br />
Angebotsbearbeitung und Bau nur noch 5,5 Monate übrig. Als<br />
besonders fatal erwies sich die Festlegung einer nur<br />
einmonatigen Kalkulationszeit für die acht Bewerber, die als<br />
Generalunternehmer ihrerseits auf Angebote von<br />
Nachunternehmern angewiesen waren. Und zu allem Übel lag<br />
nun, nach den <strong>hausgemacht</strong>en Verzögerungen, die<br />
Angebotsfrist mit dem Abgabetermin 3. September 2010 genau<br />
in der Haupturlaubszeit, statt wie geplant im Mai.<br />
Das Eingreifen der Bauverwaltung nach dem Hilferuf einiger<br />
Bieter kam zu spät. Zwar wurde der Termin um vier Wochen<br />
verlängert, die Bekanntgabe erfolgte aber erst eine Woche vor<br />
Ablauf der ursprünglichen Frist. Die meisten Firmen hatten da<br />
längst aufgegeben. Auch Architekt Eberhard Wunderle, der<br />
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zusammen mit einem Stahlbauer ein Angebot vorlegen wollte,<br />
musste abwinken: “Wir haben uns trotz Urlaubszeit der Firmen<br />
und Kalkulationsabteilungen redlich bemüht, einen Preis zu<br />
finden - dies war jedoch trotz Terminverlängerung nicht<br />
möglich”.<br />
… und Züblin ein weiteres Mal ganz vorn<br />
Bezeichnenderweise hatte sich<br />
die Firma Züblin, die letztlich<br />
als einzige angeboten hat,<br />
nicht über den knappen<br />
Termin beschwert. Begünstigt<br />
durch die Vorgeschichte<br />
konnte man dort auf die<br />
ursprüngliche Kalkulation aus<br />
2009 zurückgreifen, auch weil<br />
die Ausschreibung auf das<br />
Für die Konkurrenz nicht eigene Produkt-Portfolio<br />
kalkulierbar: der ausgeschriebene zugeschnitten war. “Züblin hat<br />
<strong>Container</strong><br />
geboten, weil man das Projekt<br />
kannte”, so Jürgen Höfers<br />
Einschätzung gegenüber der DAZ. Ein Mitbewerber begründete<br />
dagegen seine Absage mit “Kalkulationsschwierigkeiten<br />
aufgrund der vorgegebenen sehr spezifischen Planung”.<br />
Ob Züblin angesichts seines Wettbewerbsvorteils gepokert oder<br />
einfach realistisch angeboten hat, kann dahingestellt bleiben.<br />
Sicher ist aber, dass das Züblin-Angebot mit 5,9 Mio. den<br />
Kostendeckel von 4,2 Mio. und mit seinen - schon 2009<br />
avisierten - zehn Monaten Bauzeit die extrem kurze Vorgabe<br />
der Ausschreibung von 13 Wochen um Längen sprengte. Dies<br />
hat das bislang im Theatersinn gut funktionierende<br />
Architekturbüro bereits früh erkannt und gewarnt, während die<br />
Theaterleitung schon Abstimmungsgespräche mit Züblin führte<br />
und noch im Februar 2011 auf die Vergabe und damit auf eine<br />
Eröffnung des <strong>Container</strong>s im November 2011 hoffte. “Gefühlt<br />
hatten wir den Schlüssel schon in der Hand”, äußerte sich<br />
Steffen Rohr Mitte Februar vor der Presse.<br />
Theater gibt die Opferrolle<br />
In den davor liegenden Monaten hatte es die Theaterleitung<br />
geschickt verstanden, Theaterfreunde und das eigene Ensemble<br />
zu mobilisieren und Druck in den politischen Gremien<br />
aufzubauen. Den Stadtrat hatte man medial wirksam als<br />
Schadensverursacher in künstlerischer und wirtschaftlicher<br />
Hinsicht ausgemacht, sollte der Vergabebeschluss misslingen.<br />
Eine in Teilen erfolgreiche Strategie: In “Spitzengesprächen”<br />
gelang es der solchermaßen mit dem Rücken an die Wand<br />
gestellten Stadtregierung, durch die Akquise einer Großspende<br />
der Stadtsparkasse im Dezember 2010 wenigstens das<br />
Kostenproblem des dicker gewordenen <strong>Container</strong>s zu lösen.<br />
Auf das Stadttheater in der Opferrolle fiel nicht nur die<br />
Stadtregierung herein, sondern auch die Opposition. So<br />
analysierten die Grünen in der vergangenen Woche zwar<br />
messerscharf, dass es “an keiner Stelle durch den Stadtrat oder<br />
seine Ausschüsse eine Verzögerung oder gar Ablehnung des<br />
<strong>Container</strong>projekts” gegeben habe und der “Dauerzustand des<br />
Unzuverlässigen”, den das Theater beklage, “keineswegs vom<br />
Stadtrat herbeigeführt” worden sei. Trotzdem sucht die Grüne<br />
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Fraktion bis dato die Verantwortlichen nicht im Theater,<br />
sondern im Kulturreferat.<br />
Zur Lösung der vergaberechtlichen Probleme reichte es für die<br />
in Sack und Asche gehende - und in Sachen <strong>Container</strong><br />
mittlerweile zu allem bereite - Stadtregierung allerdings nicht:<br />
Mental unbelastet stoppte die Regierung von Schwaben das<br />
Projekt - letztlich nur, weil die Baufirma eine realistische<br />
Bauzeit in ihr Angebot eingesetzt hatte. Eine conditio sine qua<br />
non, die der Theaterleitung seit Ende 2009 bekannt war und<br />
deren Nichtbeachtung - im Zusammenspiel mit räumlichen<br />
Begehrlichkeiten und frühen technischen Festlegungen - dazu<br />
führte, dass aus einer guten, schnellen und günstigen Lösung<br />
eine schlechte wurde: die zweitteuerste und langsamste.<br />
Artikel vom 01.03.2011 - 00:30 Uhr | bs<br />
Rubrik: Finanzen Kulturpolitik Lokalpolitik Theater Wirtschaft<br />
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