Ausbau in EtappenGewohnt wird in der ehemaligen Garagen -durchfahrt – der Rest der Tenne bleibtunberührt für Zukünftiges.Florian Aicher5 mEinerlei bäuerlicher Tage und Umtriebigkeit der Heuernte, staubigerFeldweg vor dem Haus und Sturzbäche der Schneeschmelze,Föhnhimmel und vom Schnürlregen verwebte Tage, Eisblumen amFenster und Mücken im schweißtreibenden Sommer – so vergingeine Kindheit zu Hause auf dem Bauernhof. Es folgte die Schulein der nächsten Stadt, dann das Studium in der Kapitale, schließlichArbeit in ausländischer Metropole – und immer wieder:Sommer auf dem Hof, Weihnachten bei den Eltern, besondereTage daheim. Als die Kräfte nachließen und anders Wirtschaftenrentabler sein sollte, gab man die Landwirtschaft auf. Das Hinterhausgeräumt, das Vorderhaus weiter bewohnt, blieb das Hausein Mittelpunkt, ist es geblieben über die Tage der Eltern hinaus,die beide in ihrem Haus gestorben sind.Mittel punkt aller konnte es werden, weil es Platz für das eigeneLeben eines jeden bot. Während die Alten unbehelligt ihr altesHaus bewohnten, bauten sich die Jungen ihr neues. Raum bot derehemalige Wirtschaftsteil; da entstand ein Lebensraum, der denKomfort städtischen Wohnens mit ländlicher Unge zwungenheitverband. Der Schnitt des Einbaus ist radikal und doch so selbstverständlich,weil er die alte Raumeinheit neu belebt – nicht nurden Maßen, sondern auch der Raumqualität nach. So wie früheWohnräume Le Corbusiers die Arbeitsräume von Pariser Handwerkerateliersvariieren, greifen hier die privaten Räume im Obergeschossund das Wohnen im Erdgeschoss durch einen galerieartigenRaum ineinander und lassen die alte Tenne aufleben.Das Innere ist wie ein feines Zauberkästchen als ein Ganzesdurchgebildet: Holzbau auf höchstem Niveau. Zu fein für einBauernhaus? Ein Kontrast, der nicht irritiert, denn der Baustoffspinnt wiederum fort, womit man hier die Innenräume gemachthat: Weißtanne. Dass diese – sägerau mit Riftschnitt – andersverbaut wird als einst, betont die Lebendigkeit des Gebräuchlichen.Dazu gehört hier immer der Bezug nach draußen, zum Land:So ergibt die Glaswand Sinn. So wird der ebenerdige Wohnraumin der ehemaligen Tenne – einst landwirtschaftlicher Durchfahrtsraum– mit seinem Steinboden zum Teil des Gartens. Die oberenRäume, zurückversetzt und feiner ausgebaut, haben daran Anteil.Der in die Wand gezogene Raum der Treppe markiert fein denUnterschied zum Privaten, ähnlich bergend ein Alkoven.Das Haus ist in zwei Richtungen offen: weit nach Süden, zurückhaltend,mit eingezogener Loggia nach Norden. Und wenn eswieder in die Stadt geht, wird ein einfaches Schiebetor vorge zogen,dann wird es Teil des Stadels mit seiner ungehobelten, senkrechtenSchalung. Es zeigt sich, da ist noch mehr; die Wohnungist nur eine feine Schatulle im großen Wirtschaftsteil, nocheinmal so viel Raumvolumen bietet der ehemalige Heustadel.Haus SüttenStandort Sütten, Hittisau⁄ APlanung Bernardo Bader, Dornbirn⁄ A, www.bernardobader.com,mit Roland Gnaiger, Linz⁄ AHolzbau Zimmerer Nenning, Hittisau⁄ AErbaut um 1860Konstruktionsart Blockbau (Wohnhaus), Pfosten-Riegel-Konstruktion (Stadel)Umbau 2011
Der blieb unangetastet, ist Refugium des Bauherrn, der dasScheunentor gelegentlich aufschiebt und in der Sonne eine Zigarregenießt – ein Unding im ordentlichen zeitgemäßen Wohnhaus.Dass solches Nebeneinander gelingt, liegt zu nicht unerheblichemTeil am mittlerweile schon sprichwörtlich erstklassigenHandwerk. Wenn der Zimmereibetrieb des Spielkameraden ausKinderzeit fast gegenüber liegt, wenn die am Werktisch vorgefertigtenWandteile nur über die Straße geschoben werden müssen,dann wird ein Raum von makelloser Holzverkleidung möglich;dann entfaltet der Kontrast von Perfektion und Verlebtem seineeigene Würze.Ein wachsendes Haus in vielerlei Hinsicht – weiter gebaut, nieganz zu Ende, mit Reserve für Späteres. Ein Bekenntnis zum Ortund Haus – offen für Zukünftiges, unverkrampft für Vergangenes,mitten im Wandel des Lebens.67 Altes Holz – neu gedachtzuschnitt 57.2015Florian Aichergeboren 1954, arbeitet als Architekt und Publizist und lebt im Allgäu