Kommissar Kurt Wallander: „Worin liegt das Geheimnis von Henning ...
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Fachhochschule Villingen-Schwenningen<br />
Hochschule für Polizei<br />
<strong>Kommissar</strong> <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong>: <strong>„Worin</strong> <strong>liegt</strong> <strong>das</strong> <strong>Geheimnis</strong><br />
<strong>von</strong> <strong>Henning</strong> Mankells literarischem Erfolg?“<br />
Iris Lörch<br />
24. Studienjahrgang<br />
Diplomarbeit<br />
Fachbereich IV – Gesellschaftswissenschaften<br />
Erstbetreuer: Studienrätin Ingrid Losert M. A.<br />
Zweitbetreuer: PHK Wolfgang Mallach<br />
Villingen- Schwenningen, Oktober 2004
„Vad jag än skriver så är verkligheten ännu värre.<br />
Det visar sig förr eller senare i alla mina böcker.“<br />
dt.: „Was immer ich schreibe, die Realität ist noch schlimmer.<br />
Das bestätigt sich früher oder später bei jedem meiner Bücher. “<br />
[<strong>Henning</strong> Mankell über seine <strong>Wallander</strong> Krimis]
Vorwort<br />
Meinen Diplombetreuern Frau Studienrätin Ingrid Losert M. A. und Herrn PHK<br />
Wolfgang Mallach möchte ich in diesem Rahmen meinen herzlichen Dank<br />
aussprechen. Durch ihre kompetente Hilfestellung sowie konstruktive Kritik<br />
haben Sie mich in der Erstellung meiner Diplomarbeit stets unterstützt. In<br />
gleichem Maße möchte ich mich bei Herrn Christian Simon und Frau Ulrika Luka<br />
vom Bundeskriminalamt in Stockholm bedanken, die mir den Kontakt zu Frau<br />
Ewa-Gun Westford vermittelten. Ein besonderer Dank richtet sich in diesem Falle<br />
an Frau Luka, die während ihres Urlaubes <strong>das</strong> Interview mit Frau Westford<br />
dolmetschte. Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle auch bei Frau Westford<br />
selbst, die mit großem Engagement alle Fragen meinerseits beantwortete und<br />
mich auf <strong>das</strong> Herzlichste in ihrem Land willkommen hieß. Ein weiteres<br />
Dankeschön gilt Herrn Daniel Imort, dem Webmaster der deutschen <strong>Kurt</strong>-<br />
<strong>Wallander</strong>-Fanseite, der eine Einstellung meines Fragebogens im Internet<br />
ermöglichte und so zum Gelingen meiner Fragebogenaktion beitrug. Nicht zuletzt<br />
danke ich meiner Familie, die mich während der letzten 2 Monate und vor allem<br />
bei der Realisierung meiner Schwedenreise unterstützt hat.<br />
Iris Lörch, Oktober 2004
Inhaltsverzeichnis<br />
INHALTSVERZEICHNIS<br />
ABBILDUNGSVERZEICHNIS<br />
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS<br />
1. Einleitung ................................................................................................1<br />
2. <strong>Henning</strong> Mankell....................................................................................3<br />
2.1 Portrait des Mannes, der <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong> schuf.....................................3<br />
2.2 Auszeichnungen .....................................................................................5<br />
2.3 Die <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romane.................................................................7<br />
3. Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur......10<br />
3.1 Ein Genre, so vielfältig wie der Rest der Literatur ..............................10<br />
3.2 Der Erfolg des Krimigenres in Deutschland ........................................15<br />
3.3 „Der Mord der aus der Kälte kam“:<br />
Was macht skandinavische Krimis so erfolgreich? .............................17<br />
3.3.1 Das Erbe <strong>von</strong> Maj Sjöwall und Per Wahlöö ............................22<br />
3.3.2 Die „Mankellisierung“ .............................................................24<br />
4. Die <strong>Wallander</strong>-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory .............. 26<br />
4.1 Mankells literarischer Stil ....................................................................26<br />
4.2.1 Erzähltechnik ...........................................................................26<br />
4.2.2 Spannungsaufbau .....................................................................28<br />
4.2.3 Literarische Stilmittel...............................................................30<br />
4.2 Polizeiarbeit ‚en détail’ ........................................................................34<br />
4.2.1 Ablauf der Polizeiarbeit ...........................................................34<br />
4.2.2 Die Schattenseiten der Polizeiarbeit.........................................36<br />
4.2.3 Das Kollegenverhältnis ............................................................38<br />
4.2.4 Realität und Fiktion..................................................................40
4.3 Gesellschaftskritik................................................................................43<br />
4.4 <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong> - (k)ein Superheld.......................................................49<br />
4.4.1 Die familiären Eckdaten...........................................................49<br />
4.4.2 Eine Hauptfigur mit vielen Facetten ........................................50<br />
4.4.3 Die andere Seite des <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong>.......................................52<br />
4.5 Südschweden: Land und Leute ............................................................55<br />
4.5.1 Ystad - Kleinstadtidyll statt Mordmetropole?..........................55<br />
4.5.2 Skåne - eine Landschaft in der Hauptrolle...............................59<br />
4.5.3 Die Menschen - mehr als nur Statisten ....................................61<br />
4.6 Das Marketingkonzept .........................................................................64<br />
5. Schlussbetrachtung ..............................................................................68<br />
LITERATURVERZEICHNIS.................................................................... I<br />
A. Primärliteratur<br />
B. Sekundärliteratur<br />
C. Internet-Quellen<br />
D. Internet-Foren<br />
E. Tages-, Wochen- und Populärpresse<br />
F. Unveröffentlichte Quellen<br />
ANHANG A..............................................................................................VII<br />
ANHANG B..........................................................................................XXIV<br />
SELBSTSTÄNDIGKEITSERKLÄRUNG........................................XLVI
Abbildungsverzeichnis<br />
Abb. 1 Die <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Serie in ihrer chronologischen<br />
Reihenfolge<br />
Abb. 2 Leserumfrage: Welcher Faktor hat Ihrer Meinung nach am<br />
meisten dazu beigetragen, <strong>das</strong>s die <strong>Wallander</strong>-Romane<br />
internationale Bestseller geworden sind?<br />
Abb. 3 Leserumfrage: Welcher der bisher in Deutschland<br />
veröffentlichten Romane um <strong>Kommissar</strong> <strong>Wallander</strong> gefällt<br />
Ihnen persönlich am Besten?<br />
Abb. 4 Zeitungsartikel. Schwetzinger Zeitung. „Leichenfund am<br />
Strand“.<br />
Abb. 5 Zeitungsartikel. Schwetzinger Zeitung. „Selbstmordversuch<br />
scheitert“.<br />
Abb. 6 Das Genre der Kriminalliteratur<br />
Abb. 7 Umsatzanteile der Warengruppen nach Editionsformen<br />
2003<br />
Abb. 8 Umsatzanteile innerhalb der Warengruppe Belletristik 2003<br />
Abb. 9 Monatszahlen der Neuveröffentlichungen im<br />
deutschsprachigen Raum, die dem Genre der<br />
Kriminalliteratur zuzuordnen sind<br />
Abb.10 Jahreszahlen der Neuveröffentlichungen im<br />
deutschsprachigen Raum, die dem Genre der<br />
Kriminalliteratur zuzuordnen sind<br />
Abb. 11 Jahreszahlen deutschsprachiger Erstveröffentlichungen im<br />
Bereich der Kriminalliteratur<br />
Abb. 12 Interview mit Frau Ewa-Gun Westford am 09. August 2004,<br />
10.00 Uhr in S - 27180 Ystad, Stora Östergatan<br />
(Dolmetscherin: Frau Ulrika Luka, BKA).
Abkürzungsverzeichnis<br />
Abb.................................................Abbildung<br />
BKA ...............................................Bundeskriminalamt<br />
bzw. ................................................beziehungsweise<br />
ca. ...................................................circa<br />
dt.....................................................deutsch<br />
EU ..................................................die Europäische Union<br />
ha....................................................Hektar<br />
k. A................................................. keine Angabe<br />
km...................................................Kilometer<br />
m.....................................................Meter<br />
o. g..................................................oben genannt<br />
SPSS...............................................Statistical Products and Service Solutions<br />
USA................................................die Vereinigten Staaten <strong>von</strong> Amerika<br />
u. a..................................................unter anderem<br />
v. a..................................................vor allem<br />
vgl...................................................vergleiche<br />
z. B. ................................................zum Beispiel<br />
zit....................................................zitiert
Einleitung 1<br />
1. Einleitung<br />
Frances, Ivan und Jeanne sind momentan für Millionen Menschen, die auf den<br />
Antillen bzw. im Süden der USA leben, der Inbegriff eines nicht enden wollenden<br />
Wetter-Krimis. Einen Tennis-Krimi erlebten dagegen Rainer Schüttler und Nicolas<br />
Kiefer, als die beiden vor einigen Wochen im Herrendoppel in Athen um<br />
Olympiagold kämpften. Die Diskussionen um die Arbeitsmarktreform Hartz IV<br />
hingegen beschert den deutschen Bundestagsabgeordneten einen fortwährenden<br />
Polit-Krimi. „Das Wort Krimi ist mittlerweile zum Synonym für jedes beliebige<br />
spannende Geschehen verkommen.“ 1 Krimis verfolgen die Menschheit heute so<br />
hartnäckig wie nie zuvor. Wer nach einem langen Arbeitstag noch ‚action’<br />
benötigt, bedient sich an dem reichhaltigen TV-Abendprogramm. Der Konsument<br />
kann z. B. zwischen heißen Verfolgungsfahrten in James Bond Manier bei Cobra<br />
11, dem Bullen <strong>von</strong> Tölz und der traditionellen Tatort-arbeit der <strong>Kommissar</strong>e Max<br />
Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) wählen. 2<br />
Wer benötigt angesichts dieser Vielfältigkeit des TV-Krimi-Programms noch<br />
Werke der Kriminalliteratur, um Spannung und Nervenkitzel zu erleben? Es ist<br />
kein <strong>Geheimnis</strong>, <strong>das</strong>s sich die Literatur derzeit nicht gerade großer Leserscharen<br />
erfreut. Umso verwunderlicher ist daher der große Erfolg einer<br />
Kriminalromanserie aus dem hohen Norden - der <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Serie des<br />
Autors <strong>Henning</strong> Mankell. Der Schwede gehört zu den erfolgreichsten Autoren<br />
seines Landes des letzten Jahrzehnts und ist nach Abba, Volvo und IKEA zu<br />
einem weiteren Exportschlager dieses nordischen Volkes geworden. Seine<br />
Kriminalromanserie wurde bislang in 35 Sprachen übersetzt und verkaufte sich<br />
allein im deutschsprachigen Raum etwa 10 Millionen Mal. Nach seinem<br />
Heimatland Schweden scheint <strong>Henning</strong> Mankell besonders in Deutschland die<br />
Krimileser in seinen Bann zu ziehen. 3<br />
1<br />
Klaus-Peter Walter. Lexikon der Kriminalliteratur. Vorwort. Meitingen: Corian Verlag Heinrich<br />
Wimmer (1993), S. 1.<br />
2<br />
vgl. Klaus-Peter Walter. Lexikon der Kriminalliteratur. Vorwort, S. 1.<br />
3<br />
vgl. Nina Schindler. Das Mordsbuch. Alles über Krimis. Hildesheim: Claasen Verlag (1997),<br />
S. 24; Walter Wüllenweber. <strong>Wallander</strong>s Welt (2001). In: http://www.stern.de/unterhaltung/<br />
buecher/ index.html?id=71356; Jochen Reinert. <strong>Wallander</strong> Pilger erobern Ystads Gassen (2004).<br />
In: http://www.wallander-web.de; ZDF.de. <strong>Henning</strong> Mankell (2003). In: http://www.zdf.de; Petra<br />
Ludwig. <strong>Henning</strong> Mankell (2000). In: http://www.buecher4um.de.
Einleitung 2<br />
Bereits im Vorfeld der Diplomthemenvergabe war ich - und bin es heute mehr als<br />
je zuvor - ein begeisterter Leser der Kriminalgeschichten aus Ystad. Wie viele<br />
andere Gleichgesinnte habe ich Mankells Bücher regelrecht verschlungen. Mit<br />
dieser Diplomarbeit bekam ich schließlich die Möglichkeit, mich in einer<br />
Intensität mit den Ursachen dieses Erfolges auseinanderzusetzen, wie es im<br />
Berufsalltag kaum zu realisieren gewesen wäre.<br />
Da Sekundärliteratur zu diesem spezifischen Thema nur sehr begrenzt vorhanden<br />
ist, wurde es im Rahmen der Literaturrecherche notwendig, in vielen Bereichen<br />
auf <strong>das</strong> WorldWideWeb zurückzugreifen. In Anbetracht dessen, <strong>das</strong>s unter<br />
etlichen hilfreichen Quellen auch immer wieder nicht gesicherte Informationen<br />
zur Verfügung standen, wurden zusätzlich 217 Leser der <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-<br />
Romane, darunter 45 PolizeibeamtInnen, sowohl schriftlich als auch online zu<br />
diesem Themenkomplex befragt. Die Auswertung der Fragebögen erfolgte unter<br />
zu Hilfenahme des Software Programms SPSS, <strong>das</strong> sowohl die Datenverwaltung<br />
als auch eine entsprechende Datenanalyse ermöglichte. Eine viertägige<br />
Schwedenreise sollte es mir überdies gestatten, eigene Eindrücke <strong>von</strong> Schonen<br />
und den literarischen Handlungsorten zu gewinnen und bislang unbeantwortete<br />
Fragen in einem Interview Frau Ewa-Gun Westford, einer Polizeibeamtin aus<br />
Ystad, zu stellen.<br />
Nach einer kurzen biographischen Vorstellung des Autors und seiner bislang<br />
erfolgreichsten Romanserie, ist es Ziel dieser Diplomarbeit, einige der<br />
potentiellen Erfolgsfaktoren, die <strong>von</strong> dem allgemein erfolgreichen Krimigenre bis<br />
zu dem Bereich des Marketing reichen, genauer zu beleuchten, um so eine<br />
Antwort auf die Frage: „<strong>Kommissar</strong> <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong>: Worin <strong>liegt</strong> <strong>das</strong> <strong>Geheimnis</strong><br />
<strong>von</strong> <strong>Henning</strong> Mankells literarischem Erfolg?“ zu finden.
<strong>Henning</strong> Mankell 3<br />
2. <strong>Henning</strong> Mankell<br />
2.1 Portrait des Mannes,<br />
der <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong> schuf<br />
<strong>Henning</strong> Mankell wird am 3. Februar 1948 als Sohn eines<br />
Richters in Sveg, einem Dorf in der Provinz Härjedalen/<br />
Nordschweden geboren, wo er bei seinem Vater<br />
aufwächst. In dieser kalten und oft einsamen Gegend entdeckt er schon im<br />
Kindesalter seine Liebe zu Afrika - „Baumstämme auf dem Fluss Ljusnan sind für<br />
ihn Krokodile“ 4 . Im Alter <strong>von</strong> 17 Jahren ist er als Regie-Assistent am Riks<br />
Theater in Stockholm tätig und arbeitet bereits 3 Jahre später als Autor und<br />
Theaterregisseur in der Hauptstadt Schwedens. Seine ersten „Veröffentlichungen<br />
und Regieprojekte spiegeln die Mentalität der 68er Jahre wider“ 5 . 1972 bereist<br />
<strong>Henning</strong> Mankell zum ersten Mal den afrikanischen Kontinent und lebt die<br />
nächsten zwei Jahre in Sambia; hier fühlt er sich zu Hause.<br />
In den Folgejahren entstehen Mankells erste Prosawerke, die bereits<br />
gesellschaftskritische Themen wie den herrschenden Klassenkampf oder den<br />
Imperialismus behandeln, sowie sein erster Roman Das Gefangenenlager, <strong>das</strong><br />
verschwand (1979). <strong>Henning</strong> Mankell arbeitet fortan für verschiedene<br />
Theaterhäuser wie z. B. <strong>das</strong> Theater <strong>von</strong> Västerbottens in Skellefteå als Intendant,<br />
Autor und Regisseur, bis der Schwede 1986 einer Einladung nach Maputo/<br />
Moçambique folgt, um dort beim Aufbau der ersten und bis heute einzigen<br />
professionellen Theatergruppe Moçambiques mitzuwirken. Bereits im folgenden<br />
Jahr wird Mankell künstlerischer Leiter des 70 Darsteller umfassenden Teatro<br />
Avenida in Maputo. Seither lebt der Autor mehr als die Hälfte des Jahres in der<br />
Hauptstadt Moçambiques, wo <strong>das</strong> Leben, wie er selbst sagt, „ ,zehnmal härter ist´<br />
als in Europa“ 6 . Die Sommermonate verbringt der Wahl-Afrikaner gemeinsam mit<br />
4<br />
Christian Wymann. <strong>Henning</strong> Mankell (2001). In: http://www.wallander.ch/seiten/<br />
m_lebenslauf.html.<br />
5<br />
Literaturportal Schwedenkrimi. Die Biographie des Autoren <strong>Henning</strong> Mankell (2003). In:<br />
http://www.schwedenkrimi.de/mankell_biographie.htm.<br />
6<br />
<strong>Henning</strong> Mankell zit. in: Daniel Imort. Biographie (o. J.). In: http://www.wallander-web.de.
<strong>Henning</strong> Mankell 4<br />
seiner Ehefrau Eva Bergmann, die ihrerseits ein Theater in Göteborg leitet, und<br />
seinen vier Kindern meist in deren Stuga in Trunnerup, 13km nordwestlich <strong>von</strong><br />
Ystad. 7<br />
In den Jahren 1990-1999 entstehen schließlich die neun Romane um die Figur des<br />
<strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong>. Diese Art „mit einem Fuß im afrikanischen Sand und dem<br />
anderen im schwedischen Schnee zu leben“ 8 , eröffnet Mankell nach seinen<br />
eigenen Angaben die Möglichkeit, „die europäische Sichtweise infrage zu<br />
stellen“ 9 und letztendlich durch seine Aufenthalte in Afrika zu einem besseren<br />
Europäer zu werden. Mankell, der sich selbst aufgrund deutscher und<br />
französischer Vorfahren als ein Einwanderer in Schweden sieht, hat keineswegs<br />
nur Kriminalromane geschrieben. Sozial engagierte Kinder- und Jugendbücher<br />
sowie etliche Theaterstücke vermitteln ebenso einen Eindruck der Vielfältigkeit<br />
des Schreibens Mankells wie seine Afrika-Romane und eigens geschriebene<br />
Drehbücher. Vor drei Jahren gründete der Schwede schließlich gemeinsam mit<br />
seinem Verleger und Freund Dan Israel den Verlag Leopard förlag, mit dem er<br />
schwedische und afrikanische Schriftsteller in ihrer Arbeit unterstützen möchte.<br />
Bis heute ist <strong>Henning</strong> Mankell, der sich selbst als moralischen aber keineswegs<br />
melancholischen Menschen sieht, Prinzipal des Teatro Avenida, mit dessen<br />
Truppe er Festivals in der ganzen Welt besucht. Unter den Darstellern befinden<br />
sich engste Freunde des Autors und auch heute noch empfindet Mankell seine<br />
Aufgabe in Afrika als eine Herausforderung - eine Arbeit, die ihm ebensoviel<br />
bedeutet wie <strong>das</strong> Schreiben. Neben seinem Engagement für die Hilfsorganisation<br />
„Ärzte ohne Grenzen“ und dem Kampf gegen AIDS und Landminen in Afrika,<br />
wird die Solidarität des Schweden mit der Dritten Welt auch durch dessen<br />
persönliche finanzielle Unterstützung des Teatro Avenida deutlich, an <strong>das</strong><br />
sämtliche Gelder des Verkaufs der Filmrechte an den <strong>Wallander</strong>-Verfilmungen<br />
7<br />
vgl. Daniel Imort. Biographie (o. J.); ZDF.de. <strong>Henning</strong> Mankell (2003); Literaturportal<br />
Schwedenkrimi. Die Biographie des Autoren <strong>Henning</strong> Mankell (2003), Interview mit dem Autoren<br />
<strong>Henning</strong> Mankell (2000). In: http://www.schwedenkrimi.de/ mankell_interview_neu.htm.<br />
8<br />
Eva Zießler. Lieder des Schmerzes (2000). In: http://www.welt.de/daten/2000/07/15/0715lw179<br />
681.htx?print=1.<br />
9<br />
Eva Zießler. Lieder des Schmerzes (2000).
<strong>Henning</strong> Mankell 5<br />
fließen. 10 <strong>Henning</strong> Mankell gelingt der schwierige Balanceakt „zwischen<br />
Mocambique [!] und Schweden, zwischen seinem eigenen Reichtum und seinem<br />
Engagement für die Armen, zwischen den Kriminalromanen des Massenmarktes<br />
und feinkulturellen Theaterinszenierungen.“ 11<br />
2.2 Auszeichnungen<br />
<strong>Henning</strong> Mankell gehört heute zu den meistgelesenen und bekanntesten Krimi-<br />
Autoren weltweit. Mit seinen Büchern verzaubert er nicht nur die Leser, sondern<br />
darüber hinaus auch zahlreiche Jurys verschiedenster Vereinigungen und<br />
Organisationen. Anhand einiger ausgewählter Preise mit den<br />
Länderschwerpunkten Deutschland und Skandinavien soll ein erster Überblick<br />
über die Erfolge des schwedischen Bestseller-Autors zu Beginn dieser Arbeit<br />
gegeben werden - ein Abriss, der keineswegs den Anspruch auf Vollständigkeit<br />
erfüllen kann und möchte.<br />
Bereits 1991, im Jahr seiner Erstveröffentlichung, erhielt Mankell den Preis Der<br />
gläserne Schlüssel der Skandinavischen Gesellschaft für Kriminalliteratur für<br />
seinen ersten <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Roman Mörder ohne Gesicht. Noch im selben Jahr<br />
wurde Mankells Debütroman <strong>von</strong> der Schwedischen Akademie für<br />
Kriminalliteratur als bester schwedischer Kriminalroman ausgezeichnet. Auch<br />
sein zweiter Roman Hunde <strong>von</strong> Riga wurde bereits ein Jahr später <strong>von</strong> der<br />
Schwedischen Akademie für Kriminalliteratur gekürt. Preise folgten nunmehr im<br />
Jahrestakt. Mankells erstes Kinderbuch der Reihe Joels Abenteuer in<br />
Nordschweden wurde gleich zweifach ausgezeichnet: Für Der Hund, der<br />
unterwegs zu einem Stern war erhielt Mankell im Jahre 1993 den Deutschen<br />
Jugendbuchpreis und drei Jahre später den Astrid-Lindgren-Preis. Während<br />
Mankell bislang im deutschsprachigen Raum vor allem<br />
10<br />
vgl. Literaturportal Schwedenkrimi. Die Biographie des Autoren <strong>Henning</strong> Mankell. Interview<br />
mit dem Autoren <strong>Henning</strong> Mankell (2000, 2001); Eva Zießler. Lieder des Schmerzes; Daniel Imort.<br />
Butterfly Blues- Interview (2002), Werke (o. J.). In: http://www.wallander-web.de; Ystads<br />
Kommun. Auf den Spuren <strong>von</strong> <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong>. Schweden: o. V. (2002).<br />
11<br />
Daniel Imort. Ein rücksichloser Mann, der zu selten getanzt hat (2002). In:<br />
http://www.wallander-web.de.
<strong>Henning</strong> Mankell 6<br />
als Schöpfer <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong>s bekannt wurde, rückten nunmehr auch hierzulande<br />
seine in Schweden längst bekannten Kinder- und Jugendbücher in <strong>das</strong> Interesse<br />
der Öffentlichkeit.<br />
Nach den ersten beiden <strong>Wallander</strong> Romanen wurde 1995 auch der fünfte Band<br />
dieser Serie Die falsche Fährte <strong>von</strong> der Schwedischen Akademie für<br />
Kriminalliteratur preisgekrönt. Mankells erster Afrika-Roman Der Chronist der<br />
Winde wurde in den Jahren 1995 und 1996 zunächst für den August-Preis sowie<br />
für den Preis des Nordischen Rates nominiert und schließlich durch den<br />
schwedischen Radiosender P1 ausgezeichnet. Der Schwede, der nicht nur als<br />
Krimi-Autor gesehen werden möchte, konnte spätestens mit diesem Preis seine<br />
Vielfältigkeit des Schreibens unter Beweis stellen. Für <strong>das</strong> erste Werk seiner<br />
Jugendbuchserie Sofias Leben in Moçambique wurde der Schwede mit dem<br />
Kinderbuchpreis Lesereise um die Welt im Jahre 1997 geehrt und zwei Jahre<br />
später mit dem katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis belohnt. Die fünfte<br />
Frau, einer der erfolgreichsten <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romane, wurde 1998 vom<br />
deutschen Buchhandel zum Buch des Jahres 1998 gewählt; der ebenso<br />
erfolgreiche Roman Mittsommermord bekam neben dem internationalen<br />
Buchpreis Corine auch den Deutschen Krimi-Preis in der Kategorie International<br />
2001 verliehen. Ein Höhepunkt unter den genannten Auszeichnungen stellt<br />
sicherlich die Wahl Mankells zum Autor des Jahres 2002 dar.<br />
Im Juni dieses Jahres bekam der Autor schließlich in Tutzing den Toleranzpreis<br />
durch die dortige Evangelische Akademie verliehen, die damit Mankells Einsatz<br />
für die Völkerverständigung würdigte. Angesichts dieser enormen Popularität<br />
sieht sich <strong>Henning</strong> Mankell persönlich in einem Widerspruch: „Einerseits<br />
schreibe ich, um Menschen zu erreichen; andererseits muss ich sehr aufpassen,<br />
<strong>das</strong>s die Medien meine Person nicht interessanter machen als meine Bücher.“ 12<br />
Mankells Sorgen sind zumindest in Bezug auf dessen berühmteste Romane, seine<br />
12 Literaturportal Schwedenkrimi. Interview mit dem Autoren <strong>Henning</strong> Mankell (2000).
<strong>Henning</strong> Mankell 7<br />
Kriminalgeschichten aus Ystad, unbegründet, denn für viele seiner Fans ist <strong>Kurt</strong><br />
<strong>Wallander</strong> «wirklicher» als der Autor selbst. 13<br />
2.3 Die <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romane<br />
„Ich hatte nie vor, jemals in meinem Leben über Verbrechen oder<br />
Krimis zu schreiben. Ich glaube auch noch immer nicht, <strong>das</strong>s ich <strong>das</strong><br />
tue. Was ich mache ist eigentlich etwas sehr Altes, ich sehe auf die<br />
Gesellschaft durch den Spiegel des Verbrechens.“ 14<br />
Als <strong>Henning</strong> Mankell im Jahre 1989 nach einem Afrikaaufenthalt nach Schweden<br />
zurückkehrte, wurde er mit einer noch nie da gewesenen Brutalität des<br />
Verbrechens konfrontiert. Zunächst unbekannte Täter hatten ein Bauernehepaar<br />
aus Knickarp, einem Dorf norddwestlich <strong>von</strong> Ystad, auf eine äußerst brutale<br />
Weise überfallen und schwer misshandelt. Angesichts dieses Verbrechens und den<br />
fremdenfeindlichen Übergriffen, die sich im Anschluss an diese Tat in Schonen<br />
häuften, beschloss Mankell eine Geschichte über Rassismus zu schreiben. Da<br />
Rassismus in seinen Augen eine kriminelle Haltung darstellt, entschloss er sich,<br />
einen Kriminalroman zu schreiben. Im Mai 1990 entstand schließlich die Figur<br />
des <strong>Kommissar</strong>s <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong>; sein erster Kriminalfall Mörder ohne Gesicht<br />
wurde 1991 veröffentlicht. Mankell gelang es in diesem Roman, die damalige<br />
fremdenfeindliche Stimmung der Menschen <strong>von</strong> Skåne aufzufangen und durch<br />
<strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong> zu vermitteln. Angesichts des unerwarteten Erfolges erkannte<br />
Mankell, <strong>das</strong>s er mit <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong> eine Möglichkeit geschaffen hatte, mit der er<br />
seinem Volk den bedenklichen Wandel in der schwedischen Gesellschaft bewusst<br />
machen konnte, und er entschloss sich, weitere Romane um die neu entstandene<br />
Figur des Kriminalbeamten aus Ystad zu schreiben. Was ursprünglich als<br />
Einzelerzählung geplant war, wuchs in der Zwischenzeit zu einer neun Bände<br />
13<br />
vgl. Daniel Imort. Auszeichnungen (2003), News (2004). In: http://www.wallander-web.de;<br />
Manuela Bruckner. Skandinavische Kriminalliteratur am Beispiel <strong>Henning</strong> Mankell. Facharbeit<br />
Deutsch Wien, Höhere Bildende Schule für Tourismus (2002), S. 9; Ystads Kommun. Auf den<br />
Spuren <strong>von</strong> <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong> (2002), S. 6; Literaturportal Schwedenkrimi. Interview mit dem<br />
Autoren <strong>Henning</strong> Mankell (2001).<br />
14<br />
<strong>Henning</strong> Mankell zit. in: Manuela Bruckner. Skandinavische Kriminalliteratur am Beispiel<br />
<strong>Henning</strong> Mankell, S. 7.
<strong>Henning</strong> Mankell 8<br />
umfassenden Serie an. Die Einflüsse Afrikas auf Mankells Kriminalgeschichten<br />
aus Ystad weiß der Autor in einem Interview mit der Zeitung Die Welt zu<br />
bestätigen. 15<br />
Während Mankell der große Durchbruch in Schweden bereits 1991 mit Mörder<br />
ohne Gesicht gelang, ließ der Erfolg in Deutschland bis zum fünften Roman der<br />
<strong>Wallander</strong>-Serie auf sich warten. Nach einem völligen Fehlstart der drei ersten<br />
<strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romane beim Berliner Edition Q Verlag, setzten später sowohl<br />
der Paul Zsolnay Verlag als auch der Deutsche Taschenbuch Verlag mit großem<br />
Erfolg auf Mankells Kriminalromanserie. Die fünfte Frau war 1998 <strong>das</strong> erste<br />
Buch, <strong>das</strong> im Zsolnay Verlag veröffentlicht wurde und mit dem sich letztendlich<br />
auch der Erfolg in Deutschland einstellte. Die somit nicht chronologische<br />
Erscheinungsfolge der <strong>Wallander</strong>-Bücher in Deutschland sorgte lange Zeit für<br />
Rätselraten und Verwirrung unter der deutschen Fangemeinde. 16<br />
Bei dem zuletzt erschienenen Band der <strong>Wallander</strong> Serie <strong>Wallander</strong>s erster Fall<br />
handelt es sich um eine Sammlung <strong>von</strong> fünf Kurzgeschichten, die <strong>Wallander</strong>s<br />
Leben vor dem frühen Morgen des 08. Januar 1990 erzählen, dem zeitlichen Start<br />
<strong>von</strong> Mörder ohne Gesicht. Mit <strong>Wallander</strong>s erster Fall, Der Mann mit der Maske,<br />
Der Mann am Strand, Der Tod des Fotografen sowie Die Pyramide<br />
veröffentlichte Mankell eine Sammlung <strong>von</strong> Erzählungen, die parallel zu den<br />
anderen acht Romanen entstanden waren. Nach der Fertigstellung des fünften<br />
Romans stellte der Autor fest, <strong>das</strong>s er aus Gründen eigener Neugier und der<br />
Stimmigkeit seines Hauptprotagonisten in Folgeromanen damit begonnen hatte,<br />
<strong>das</strong> Leben des jungen <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong> gedanklich aufzuarbeiten.<br />
15 vgl. Rainer Traub. Der Spiegel des Verbrechens. In: Augstein, Rudolf (Hg.): Spiegel 26.<br />
Hamburg: Spiegel Verlag Rudolf Augstein, (1999). S. 180; Literaturportal Schwedenkrimi.de.<br />
Autorengedanken (o. J.). In: http://www.schwedenkrimi.de; Interview mit Ewa-Gun Westford<br />
Anhang A, Abb.12; Ystads Kommun. Auf den Spuren <strong>von</strong> <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong>, S. 6; Eva Zießler.<br />
Lieder des Schmerzes (2000).<br />
16 vgl. Ystads Kommun, S. 6; Bianca Reineke. Der Ritter <strong>von</strong> der traurigen Gestalt (2000). In:<br />
http://www.hainholz.de/wortlaut/mankell.htm; ZDF.de. <strong>Henning</strong> Mankell; Tanja Rischer. <strong>Henning</strong><br />
Mankell (1999). In: http://www.buecher4um.de/AutorHM.htm.
<strong>Henning</strong> Mankell 9<br />
Als Ausrufezeichen hinter dem Punkt, den der Autor bereits mit Die Brandmauer<br />
gesetzt hatte, wurden die Kurzgeschichten schließlich im Jahre 2002 in<br />
Deutschland als Prolog - im Gewand eines Epilogs - erstveröffentlicht. 17<br />
Seinen Ruf als Kriminalschriftsteller festigte Mankell vorwiegend durch drei<br />
seiner Kriminalromane aus Ystad. Die fünfte Frau gilt dabei als sein bislang<br />
erfolgreichster Roman. Während dieser bei einer Umfrage der deutschen<br />
<strong>Wallander</strong>-Fanseite http://www.wallander-web.de vom April/Mai 2001 <strong>von</strong> 18%<br />
der Umfrageteilnehmer als deren persönlicher Favorit gesehen wurde und damit<br />
Rang drei belegte, landete der fünfte Roman bei der dieser Arbeit zu Grunde<br />
liegenden Fragebogenaktion auf Rang zwei der beliebtesten Romane. Die beiden<br />
im Anschluss an Die fünfte Frau in Deutschland veröffentlichten Romane Die<br />
falsche Fährte und Mittsommermord konnten diesen Erfolg nutzen und belegen<br />
darüber hinaus bei den beiden vorliegenden Meinungsumfragen die vordersten<br />
Ränge unter allen <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romanen. 18 Im Folgenden wird daher ein<br />
spezielles Augenmerk auf diese drei Romane gelegt, wenn es auf den nächsten<br />
Seiten gilt, <strong>das</strong> Erfolgsgeheimnis der <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romane zu erforschen.<br />
Die Liste des unbeliebtesten <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romans führt, wenn auch nur knapp,<br />
Mankells zweiter Roman Hunde <strong>von</strong> Riga an. Das Ergebnis dieser Frage fiel<br />
längst nicht so eindeutig aus, wie die Frage nach dem beliebtesten Roman.<br />
Mankells drei erfolgreichste Romane belegen jedoch bei dieser Frage die drei<br />
hintersten Plätze, was sie wiederum in ihrer Eigenschaft als Lieblingsromane der<br />
Leser bestätigt. Im Gegensatz zu seinen Lesern hat jedoch Mankell selbst keine<br />
Favoriten. Insgesamt wurden die <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong> Romane weltweit über 33<br />
Millionen Mal verkauft; einige <strong>von</strong> ihnen bereits verfilmt. Worin liegen die<br />
Gründe für diesen grandiosen Erfolg? 19<br />
17 vgl. Börsenverein des deutschen Buchhandels. Börsenblatt Extra Krimi 47. »Ein Mensch wie du<br />
und ich«. Frankfurt: Buchhändler-Vereinigung GmbH, (2002), S. 36; Mankell. <strong>Wallander</strong>s erster<br />
Fall, Prolog.<br />
18 vgl. Alexandra Krieg. Auf Spurensuche. Marburg: Tectum Verlag (2002), S. 75f; siehe Anhang<br />
A, Abb. 3 u. Anhang B, Anlage 2 Frage 6a).<br />
19 vgl. Wissen.de. Interview mit <strong>Henning</strong> Mankell: „Wir leben in einer schrecklichen Welt“ (o. J.).<br />
In: http://www.wissen.de/xt/default.do? MENUNAME=InfoContainerPrintArticle&<br />
MENUID=40%2C156%2C538% 2C547%OCCURENCEID=SL0013379222SL<br />
0019672573.5000065.full; siehe Anhang B, Anlage 2 Frage 6b).
Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur 10<br />
3. Das 20. Jahrhundert -<br />
Das Jahrhundert der Kriminalliteratur<br />
3.1 Ein Genre, so vielfältig wie der Rest der Literatur<br />
Man zeige mir einen Mann oder eine Frau, die<br />
Kriminalromane nicht ausstehen können, dann will ich<br />
Ihnen einen Narren zeigen; einen klugen Narren<br />
vielleicht - aber nichtsdestoweniger einen Narren.<br />
Raymond Chandler 20<br />
Bereits im Vorfeld dieses Unterkapitels wurde selbstverständlich vom Begriff der<br />
Kriminalliteratur und des Kriminalromans Gebrauch gemacht, ohne näher auf<br />
dessen Bedeutung einzugehen. Was ist eigentlich Kriminalliteratur? Wo innerhalb<br />
dieser Gattung sind Mankells <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romane anzusiedeln und worin<br />
liegen die Ursachen für den Erfolg des gesamten Genres der Kriminalliteratur?<br />
Der Begriff Kriminalliteratur ist in aller Munde - und dennoch kaum fassbar.<br />
Selten sah man sich über scheinbar einfache Begriffsdefinitionen und Grenzen so<br />
widersprüchlich streiten. Das Problem <strong>liegt</strong> wohl im Wesen der Kunst. Ist es denn<br />
legitim, im Falle der Kriminalliteratur überhaupt <strong>von</strong> literarischer Kunst zu<br />
sprechen?<br />
Nach Peter Nusser ist die Kriminalliteratur (Kriminalroman, -erzählung) als<br />
Oberbegriff des gesamten Genres zu verstehen. Im Gegensatz zu Vogt grenzt er<br />
die Gesamtheit der Kriminalliteratur deutlich <strong>von</strong> der Verbrechensliteratur ab, was<br />
sich letztendlich hilfreich für den Laien erweist. Im Unterschied zur<br />
Verbrechensliteratur beschäftigt sich die Kriminalliteratur neben dem eigentlichen<br />
Verbrechen mit den sich ihm anschließenden „Anstrengungen, die zur<br />
Aufdeckung des Verbrechens und zur Überführung und Bestrafung des Täters<br />
notwendig sind“ 21 . Die Wahl des ermittelnden Charakters, dessen Taktik und die<br />
angewandte Erzähltechnik führen zu weiteren Subgenres. Die zwei klassischen<br />
20<br />
Raymond Chandler zit. in: Jochen Vogt. Der Kriminalroman. Poetik · Theorie · Geschichte.<br />
München: Wilhelm Fink Verlag (1998), S. 7.<br />
21<br />
Peter Nusser. Der Kriminalroman. 3., akt. u. erw. Aufl.. Stuttgart: J. B. Metzler Verlag (2003),<br />
S. 1.
Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur 11<br />
unter ihnen sind zum Einen der Detektivroman/ -erzählung und zum Anderen der<br />
Thriller bzw. die kriminalistische Abenteuererzählung. Beide Untergliederungen<br />
stellen - wie auch bereits die beiden Oberbegriffe - idealtypische Stränge dar, in<br />
deren Mitte es zahlreiche Mischformen gibt. Aus dem ursprünglichen klassischen<br />
Detektivroman Poes (1809 - 1845), entwickelten sich unzählig viele verschiedene<br />
Krimiformen, wie z. B. der Polizeiroman, der historische Kriminalroman, der<br />
Regionalkrimi, der Psychokrimi oder der Soziokrimi. Jede Form in sich beinhaltet<br />
wiederum unterschiedliche Akzentuierungen, die eine generelle Zuordnung zu<br />
einem der bereits erläuterten Subgenres unmöglich machen. In ihrer 163-jährigen<br />
Geschichte ist die Kriminalliteratur zu einem Genre angewachsen, <strong>das</strong> so<br />
vielfältig ist wie der Rest der Literatur. Vogt vergleicht sie daher treffenderweise<br />
mit einem „hohen, unendlich fein verzweigten und verästelten Baum“ 22 . Längst ist<br />
die Vormachtstellung britischer und amerikanischer Krimis der 20er/30er Jahre<br />
des letzten Jahrhunderts gebrochen; mehr und mehr Länder machen mit ihren<br />
national typischen Krimis auf dem internationalen Buchmarkt auf sich<br />
aufmerksam. Das Genre der Kriminalliteratur gilt als <strong>das</strong> literarische Genre der<br />
Gegenwart, <strong>das</strong> am weitesten verbreitet ist. Im Rahmen dieser Arbeit ist es daher<br />
unmöglich, auf alle Ausprägungen dieses Genres einzugehen. Die im Anhang ,A’<br />
befindliche Übersicht kann deshalb keinesfalls den Anspruch auf Vollständigkeit<br />
erfüllen, sondern soll zu diesem Zeitpunkt einen ersten Überblick über dieses<br />
Genre geben. 23<br />
Sowohl Zsolnay als auch der dtv-Verlag veröffentlichen <strong>Henning</strong> Mankells <strong>Kurt</strong>-<br />
<strong>Wallander</strong>-Romane unter dem Label des Romans, obgleich die Mehrzahl der<br />
Theoretiker die Bücher dem Subgenre des Thrillers zurechnet. In Erinnerung an<br />
den letzten Actionthriller im Kino wird so mancher Leser bezüglich der letzten<br />
Zuordnung stutzig, erscheint ihm doch diese vorgenommene Einteilung auf den<br />
ersten Blick vollkommen unpassend. Das Wörterbuch des Langenscheidt<br />
22 Jochen Vogt. Der Kriminalroman. (1998), S. 7.<br />
23 vgl. Peter Nusser. Der Kriminalroman. (2003), S. 1-7; Vogt, S. 7; Nina Schindler. Das<br />
Mordsbuch. (1997), S. 21-24; FAZ.NET. Horst Eckert: „Es reicht nicht, einfach einen Mord<br />
aufzutischen“ (2001). In: http://www.faz.net/ s/Rub76B8D5378E0E4970B36637AC8DAA545F/<br />
Doc~E9FB4007688BA4160B93726D10AB2 DB89~ATpl~Econom~Scontent.html; siehe Anhang<br />
A, Abb. 6.
Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur 12<br />
Verlages gibt jedoch Frau Krieg in ihrem Buch Die Spurensuche Recht, die (to)<br />
thrill im formalen Wortsinn dem dt. ,Krimi’ gleichstellt. Tatsächlich ist der<br />
Thriller in seiner literarischen Bedeutung dem Genre der Kriminalliteratur<br />
zuzuordnen, wie in Abbildung 6 des Anhangs ,A’ ersichtlich wird. 24<br />
Wie im Folgenden zu sehen sein wird, lassen sich bereits auf den ersten Blick in<br />
<strong>Henning</strong> Mankells <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Serie viele Merkmale des Thrillers wieder<br />
erkennen. Obgleich der Schwede, wie dies typisch für <strong>das</strong> gesamte Genre ist,<br />
jenseits des Grundschemas des Thrillers zahlreiche Merkmale variiert und so<br />
zeitweise <strong>von</strong> der idealen Linie dieser Literaturform abweicht, sind seine Bücher<br />
aus formal literarischer Sicht als Vertreter des Thrillers und damit der<br />
Kriminalliteratur anzusehen.<br />
Ungeachtet seiner zahlreichen Modifikationen ist der Thriller in seiner<br />
Handlungsstruktur einem Dreierschritt unterworfen, der aus den Schritten<br />
Verbrechen-Fahndung-Überwältigung besteht. Obgleich <strong>das</strong> Verbrechen im<br />
Bereich des Thrillers nicht festgelegt ist, bedient sich Mankell in jedem seiner<br />
<strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romane des Mordes bzw. Serienmordes und folgt damit dem<br />
aktuell feststellbaren Trend. Kennzeichnend für den Thriller wird auch hier der<br />
Leser nicht vor den vollendeten Mord gestellt, sondern wird wie z. B. in Die<br />
falsche Fährte Zeuge des Mordes an Åke Liljegren. Das Verbrechen wird zum<br />
Ereignis, <strong>das</strong> es zu bekämpfen gilt. Die Fahndung nach dem Täter spiegelt sich im<br />
Thriller durch die Elemente der Verfolgung, Flucht, Gefangennahme und<br />
Befreiung wider. Gerade die sich gegenseitig bedingenden drei letzten Elemente<br />
zeugen <strong>von</strong> der Jagd nach dem Täter, in deren Verlauf es durchaus zu einer<br />
Verlagerung der Machtverhältnisse kommen kann und der Jäger schließlich zum<br />
Gejagten wird. So gerät <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong> beim Öffnen seiner Wohnungstür in die<br />
Schusslinie <strong>von</strong> Åke Larstam, flüchtet, um kurz darauf wieder die Verfolgung des<br />
Landbriefträgers aufzunehmen (Mittsommermord). In dieser den Thriller<br />
kennzeichnenden Handlungsstruktur, die letztendlich mit der Überwältigung des<br />
Täters endet, wird deutlich, <strong>das</strong>s die >actionanalysis
Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur 13<br />
>Action< im Sinne <strong>von</strong> Aktion/ Handlung vermisst der Leser auch in Mankells<br />
Krimis nicht. Jedes Agieren und Reagieren seiner Figuren spielt sich jedoch wie<br />
bereits angedeutet im Rahmen des menschlich Möglichen ab.<br />
Während im Thriller gewöhnlich mehrere Kriminelle ihr Unwesen treiben, begeht<br />
in Mankells drei erfolgreichsten <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romanen jeweils nur ein<br />
einzelner Täter die Morde. Jedoch haben die meisten dieser Opfer selbst eine<br />
kriminelle Karriere hinter sich und können somit zur Gruppe der Straftäter<br />
gerechnet werden. Gustav Wetterstedt gehörte einem Mädchenhändlerring an (Die<br />
falsche Fährte), Holger Eriksson ermordete gar in seiner Vergangenheit eine Frau<br />
(Die fünfte Frau). Die zunächst als Zugeständnis erscheinende Variation des<br />
Thrillers erweist sich jedoch auf den zweiten Blick als Neuerung. Längst nicht<br />
alle Opfer, die die Polizei in Ystad zu beklagen hat, sind damit<br />
charakteristischerweise Angehörige der ingroup, in deren Mitte der Held des<br />
Thrillers angesiedelt wird. Die Straftäter, die neben der Gesellschaft Vertreter der<br />
outgroup sind, repräsentieren in der Reinform des Thrillers die Sündenböcke einer<br />
Gesellschaft. Mankells literarische Mörder hingegen sind keine Sündenböcke im<br />
eigentlichen Sinne. Y<strong>von</strong>ne Ander war zwar ein Sündenbock, jedoch muss man<br />
sich vor Augen halten, <strong>das</strong>s sie als Kind die Gewalt des Vaters und indirekt die<br />
Tötung der ungeborenen Schwester aushalten musste. Ebenso musste sie in<br />
späteren Jahren die Misshandlung ihrer Mutter und schließlich als erwachsene<br />
Frau in ihrem Beruf als Krankenschwester <strong>das</strong> Leiden zahlreicher misshandelter<br />
Frauen miterleben (Die fünfte Frau). Durch die intensive Herausarbeitung der<br />
Motivfrage wird dem Leser deutlich, <strong>das</strong>s Frau Ander zur gleichen Zeit Opfer ist -<br />
Opfer eines scheinbar unfähigen Justizsystems, <strong>das</strong> im Griff zur Selbstjustiz<br />
seinen einzigen Ausweg sieht. Nusser kritisiert in seinem neuesten Werk Der<br />
Kriminalroman die verstümmelte Darstellung der Ursachen eines Verbrechens im<br />
Thriller. Mankell setzt jedoch gerade an diesem Punkt an und beleuchtet die<br />
Tätermotive, wie Y<strong>von</strong>ne Anders Rachefeldzug, aus psychischer, sozialer und<br />
politischer Sicht. Nussers Kritik ist damit im Falle der <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romane<br />
völlig haltlos. 25<br />
25 vgl. Nusser, S. 48-64; Krieg, S. 76-82.
Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur 14<br />
Trotz anhaltender Diskussionen über Qualität bzw. Trivialität einiger<br />
kriminalliterarischer Werke, konnte sich die Kriminalliteratur seit ihrem Bestehen<br />
als eines der beständigsten Genres der populären Literatur behaupten. Die<br />
meistgelesene Literatur der Gegenwart wird überdies als Welt-Literatur<br />
verstanden; eine Literatur, an der die ganze Welt Anteil hat. Und doch gehört <strong>das</strong><br />
Krimigenre „nach wie vor zu den meistunterschätzten des Literaturmarktes“ 26 .<br />
Die Ursachen für diesen globalen Erfolg liegen einerseits in den<br />
Entstehungsbedingungen materieller und ideeller Art sowie in den Lesern selbst.<br />
Leider gibt es bis heute kaum empirische Untersuchungen bezüglich ihrer<br />
psychologischen und soziologischen Leserdispositionen. Gerade diese Fragen<br />
werden nicht nur gerne in den Literaturforen des WorldWideWeb aufgegriffen<br />
und diskutiert; sie stehen derzeit auch im Mittelpunkt des Forschungsinteresses<br />
verschiedener Hochschulen. Veröffentlichungen diesbezüglich werden noch<br />
einige Zeit auf sich warten lassen, man darf aber gespannt sein. Bislang versuchte<br />
man die Massenwirksamkeit der Kriminalliteratur auf hermeneutischem Weg zu<br />
erforschen, auf deren Darlegung angesichts des fehlenden Beweises und<br />
zahlreicher ungesicherter Informationen im Rahmen dieser wissenschaftlichen<br />
Arbeit verzichtet wird.<br />
Die im Rahmen der Leserumfrage erhobenen Daten spiegeln folgendes Bild des<br />
‚typischen’ <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Lesers wider: 58,1% der Teilnehmer waren Männer.<br />
Der Großteil der Leser, die zwischen 15 und 65 Jahren alt waren, ist zwischen 25<br />
und 34 Jahren alt (42,6%). Ein überdurchschnittlich hoher Anteil des damit<br />
insgesamt jungen Lesepublikums <strong>Henning</strong> Mankells hat zudem einen<br />
akademischen Beruf Inne (26,8%), beziehungsweise strebt einen derartigen<br />
Berufsstand nach dem Abschluss des Studiums an (13,8%). 27<br />
Die Zukunft wird zeigen, ob die Sensationslust des Lesers, die intellektuelle<br />
Herausforderung an ihn, die Spannung und die Möglichkeit des Erlebens <strong>von</strong><br />
Abenteuern diesen Boom des kriminalistischen Literaturmarktes mitauslöste und<br />
weiterhin aufrechterhält. <strong>Henning</strong> Mankell konnte und kann sicherlich <strong>von</strong> diesem<br />
Erfolg profitieren. Jedoch reicht die Tatsache, <strong>das</strong>s es sich bei den <strong>Kurt</strong>-<br />
26 Krieg, S. 5.<br />
27 siehe Anhang B, Anlage 2 Geschlecht - Alter - Beruf.
Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur 15<br />
<strong>Wallander</strong>-Romanen um Kriminalliteratur handelt, bei weitem nicht aus, den<br />
Erfolg seiner Werke zu erklären. 28<br />
3.2 Der Erfolg des Krimigenres in Deutschland<br />
Längst ist diese Euphorie um den Krimi auch über die deutschen Grenzen getreten<br />
und hat hierzulande einen wahrhaftigen Boom des kriminalistischen<br />
Literaturmarktes ausgelöst. Mit den Worten „Tyskland, Tyskland - Deckarland“ 29<br />
titelte der schwedische Krimispezialist Johan Wopenka bereits vor Jahren einen<br />
seiner Artikel für die skandinavische Krimi-Zeitung Jury und betonte damit den<br />
im Ausland bewunderten Erfolg des Krimigenres hierzulande. Noch nie wurden<br />
im deutschsprachigen Raum so viele Krimis veröffentlicht wie im letzten Jahr.<br />
Noch nie stammten mehr Krimis aus der Hand deutschsprachiger Autoren. 30<br />
Die Geschichte der Kriminalliteratur wird sicherlich in jedem Land anders<br />
geschrieben, doch nimmt Deutschland in dieser Hinsicht eine Sonderstellung ein.<br />
In den Zeiten des Dritten Reiches hatte es der deutsche Krimi sehr schwer. Die<br />
bestehende Regierungsform der Diktatur ließ es nicht zu, über kriminalliterarische<br />
Themen wie Mord oder Verbrechen zu schreiben, da sie gesellschaftliche<br />
Missstände aufzeigten, die es in einer Diktatur schlichtweg nicht geben durfte.<br />
Das Ende des Zweiten Weltkrieges und des damit einhergehenden Machtverlustes<br />
Hitlers stellte jedoch zunächst nicht die erhoffte Geburtsstunde des deutschen<br />
Krimis dar; noch 15 Jahre später veröffentlichten viele deutsche Autoren ihre<br />
Krimis unter (englischen) Pseudonymen. Die Kriminalliteratur war noch immer<br />
stark angelsächsisch geprägt, es gab nur einige wenige weibliche<br />
Krimischriftstellerinnen und die deutsche Krimiszene befand sich noch in ihren<br />
Kinderschuhen. Einige Subgenres waren noch nicht einmal erfunden. Erst Ende<br />
der 60er-Jahre änderte sich die Situation und deutsche Autoren schrieben fortan<br />
unter deren eigenem Namen. Neben den ersten Soziokrimis erschien 1974<br />
SHOCK, die erste Zeitschrift für Kriminalliteratur in Deutschland; die erste<br />
28 vgl. Schindler, S. 15; Alfred Miersch. Gute Nachrichten aus dem Genre (2001). In:<br />
http://www.alligatorpapiere.de; Nusser, S. 7, 151-168; Vogt, S. 9.<br />
29 Walter. Lexikon der Kriminalliteratur. Deutschland-Krimiland (1993), S. 1.<br />
30 vgl. Schindler, S. 24; FAZ.NET. Horst Eckert: „Es reicht nicht, einfach einen Mord<br />
aufzutischen“ (2001); siehe Anhang A, Abb. 9-11; siehe dazu auch Anhang A, Abb. 7 u. 8.
Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur 16<br />
Krimibuchhandlung Die Wendeltreppe öffnete in Frankfurt ihre Pforten. Im<br />
Ergebnis entwickelte sich die Kriminalliteratur hierzulande langsamer als in<br />
anderen Ländern. Bis zum heutigen Tag ist es dem dt. Buchmarkt jedoch<br />
gelungen, diesen Rückstand kontinuierlich zu verringern. Längst verfügt auch der<br />
deutschsprachige Raum mit Deutschland, Österreich und der Schweiz über die<br />
gleiche Bandbreite an Kriminalliteratur wie der angelsächsische. Die Anzahl<br />
deutschsprachiger Originalausgaben steigt seit einigen Jahren beständig an. Zwar<br />
sind die Glauser-Listen der Autorenvereinigung DAS SYNDIKAT nicht <strong>von</strong> der<br />
Qualität exakter Statistiken, jedoch kann der an ihnen ablesbare Trend sicherlich<br />
für eine Betrachtung der deutschen Krimiszene herangezogen werden. Im<br />
vergangenen Jahr haben sich 191 deutschsprachige Autoren mit ihren<br />
Kriminalromanen für den Friedrich-Glauser-Preis beworben - so viele wie nie<br />
zuvor. 31<br />
Vom Boom der Kriminalliteratur profitieren jedoch hierzulande vor allem<br />
ausländische Autoren, denen mit ihren übersetzten Werken der weitaus größte<br />
Teil der Neuveröffentlichungen im Bereich der Kriminalliteratur zuzurechnen ist.<br />
Deutsche Titel liegen in ihren Verkaufszahlen weiter hinter denen amerikanischer<br />
und britischer Kriminalschriftsteller zurück. Während in Skandinavien 30% der<br />
veröffentlichten Krimis eines Jahres aus der Feder einheimischer Autoren<br />
stammen, handelt es sich im deutschsprachigen Raum lediglich bei 13,9% aller<br />
Neuveröffentlichungen um Originalausgaben (Stand 2003). Nach wie vor kommt<br />
dem Genre Kriminalliteratur in anderen Ländern wie Großbritannien und<br />
Frankreich eine höhere literarische Bedeutung zu, als dies momentan in<br />
Deutschland der Fall ist. Zwar ist es dem Krimi gelungen, erfolgreich gegen <strong>das</strong><br />
Vorurteil der Schundliteratur anzukämpfen, doch mangelt es trotz zahlreicher<br />
essayistischer Auseinandersetzungen weiterhin an empirischen Untersuchungen<br />
zu diesem Genre. 32<br />
31 vgl. FAZ.NET. Horst Eckert:“ Es reicht nicht, einfach einen Mord aufzutischen“; Walter.<br />
Lexikon der Kriminalliteratur. Deutschland- Krimiland, S. 1, 3, 5; Vogt, S. 7.<br />
32 vgl. Schindler, S. 188; Bruno Franceschini; Carsten Würmann. Verbrechen als Passion. Neue<br />
Untersuchungen zum Kriminalgenre. Berlin: Weidler Verlag (2004), S. 8; Krieg, S. 5; siehe<br />
Anhang A, Abb. 10, 11.
Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur 17<br />
Die Spiegel-Bestsellerlisten zeigen deutlich, <strong>das</strong>s die erfolgreichsten<br />
Kriminalschriftstellerinnen und Kriminalschriftsteller auf dem deutschen<br />
Buchmarkt derzeit mit Patricia Cornwell, Donna Leon und Stephen King aus den<br />
USA, aber allen voran mit Håkan Nesser, Liza Marklund und <strong>Henning</strong> Mankell<br />
aus den skandinavischen Ländern kommen.<br />
3.3 „Der Mord der aus der Kälte kam“: 33<br />
Was macht skandinavische Krimis so erfolgreich?<br />
Abgesehen vom englischsprachigen Raum und Japan gibt es auf dieser Welt keine<br />
andere Gegend, in der <strong>das</strong> Genre Kriminalliteratur so populär ist wie in<br />
Skandinavien und in Relation zur jeweiligen Bevölkerungsdichte eine größere<br />
Verbreitung genießt. Jährlich werden derzeit in den drei skandinavischen Ländern<br />
rund 300 Kriminalromane veröffentlich. Längst hat diese „Krimiwelle aus dem<br />
Norden“ 34 auch Deutschland erreicht. 120 AutorInnen aus Skandinavien sowie<br />
Finnland und Island sind derzeit mit ihren Werken auf dem deutschen Krimimarkt<br />
vertreten, „da<strong>von</strong> schätzungsweise 40 allein aus Schweden“ 35 . Die Wurzeln dieses<br />
gegenwärtigen Erfolgs reichen bis in die 60er Jahre des letzten Jahrhunderts<br />
zurück, weshalb ein kurzer Blick auf die neuere Geschichte der skandinavischen<br />
Kriminalliteratur notwendig wird, um dieses Phänomen zu erklären.<br />
Im Gegensatz zum geographischen Verständnis zählen neben Schweden,<br />
Dänemark und Norwegen auch die Werke der Länder Finnland sowie Island und<br />
der Färöer Inseln zur skandinavischen Kriminalliteratur, obgleich die drei<br />
letzteren in ihrer Entwicklung und Internationalität bislang nicht zu deren<br />
Hauptvertretern Schweden, Dänemark und Norwegen aufschließen konnten. In<br />
dem Bewusstsein, <strong>das</strong>s es sich im Falle der nordischen Kriminalliteratur<br />
keineswegs um eine homogene Literatur handelt, sondern sich diese indes schon<br />
durch sprachliche wie entwicklungstechnische Unterschiede <strong>von</strong>einander<br />
33 Alexandra Hagenguth. Der Mord der aus der Kälte kam. Was machen skandinavische Krimis so<br />
erfolgreich? (2004). In: http://www.schwedenkrimi.de.<br />
34 Alexandra Hagenguth. Der Mord der aus der Kälte kam (2004).<br />
35 Hagenguth. Der Mord der aus der Kälte kam.
Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur 18<br />
abgrenzt, sind dennoch charakteristische Gemeinsamkeiten nicht zu verkennen,<br />
anhand derer im Folgenden der internationale Erfolg dieser Literatursparte<br />
analysiert werden soll. 36<br />
Wie ihre Kollegen in den übrigen Ländern, so mussten auch die skandinavischen<br />
Kriminalautoren lange um Aufmerksamkeit und Anerkennung ihrer Werke<br />
kämpfen. Beinahe schlagartig änderte sich diese unbefriedigende Situation in den<br />
späten 60-er Jahren des letzten Jahrhunderts durch <strong>das</strong> Autorenehepaar Maj<br />
Sjöwall (*1935) und Per Wahlöö (1926-1975), die rückblickend die entscheidende<br />
Rolle in der kriminalliterarischen Entwicklung Skandinaviens und hier<br />
insbesondere Schwedens spielten; ihr Einfluss wird <strong>von</strong> einigen Kritikern sogar<br />
als zu immens beschrieben. Sjöwalls und Wahlöös Romanzyklus um den<br />
Stockholmer <strong>Kommissar</strong> Martin Beck war für Autoren, Kritiker und Leser<br />
ausschlaggebend, Kriminalliteratur fortan nicht mehr als bloße<br />
Unterhaltungsliteratur, sondern „auch als ein Mittel der Überprüfung <strong>von</strong><br />
Wirkungsweisen und Machtstrukturen der modernen Gesellschaft“ 37 zu sehen. Zu<br />
dieser Anerkennung der Kriminalliteratur trugen ohne Zweifel auch Kritiker und<br />
Experten wie Jörgen Elmström oder Åke Runnquist bei, die erste Werke der<br />
Sekundärliteratur zu diesem Genre veröffentlichten. Erste kriminalliterarische<br />
Zeitschriften wurden gegründet sowie mehrere Vereine und Organisationen ins<br />
Leben gerufen. Die wohl bedeutendste Organisation unter ihnen ist bis heute noch<br />
die Svenska Deckarakademin, die Schwedische Krimiakademie, die sich selbst<br />
der Niveauanhebung schwedischer Kriminalliteratur verschrieb.<br />
Nach der ersten Skandinavienwelle, die Deutschland mit Autoren wie<br />
Kierkegaard und Ibsen bereits um die Wende zum 20. Jahrhundert erreichte,<br />
gelang es Sjöwall und Wahlöö erstmals, den skandinavischen Krimi in<br />
Deutschland salonfähig zu machen und überdies die Gattung des Kriminalromans<br />
nach den Querelen des Dritten Reiches nunmehr auch in der Bundesrepublik <strong>von</strong><br />
den ihm anhaftenden Vorurteil der Schundliteratur zu befreien. Durch diesen<br />
Boom bekamen viele skandinavische Krimiautoren die Chance, endlich aus dem<br />
36 vgl. Schindler, S. 188; Manuela Bruckner. Skandinavische Kriminalliteratur am Beispiel<br />
<strong>Henning</strong> Mankell. (2002), S. 3, 6; Hagenguth. Der Mord der aus der Kälte kam.<br />
37 Schindler, S. 192.
Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur 19<br />
Schatten einer bislang verachteten Literatur in ihrem eigenen Land hervorzutreten,<br />
während sich zur gleichen Zeit bereits anerkannte skandinavische Autoren diesem<br />
‚neu entdeckten’ Genre verschrieben. Bei weitem standen nicht alle Autoren unter<br />
dem direkten Einfluss <strong>von</strong> Sjöwall/Wahlöö. Die Entwicklung neuer<br />
Plotstrukturen, die Kreuzung verschiedener kriminalliterarischer Stile und<br />
Einflüsse anderer Autoren außerhalb des Genres trugen dazu bei, <strong>das</strong>s die Vielfalt<br />
des skandinavischen Krimis weiter wuchs. Das wohl berühmteste Beispiel hierfür<br />
ist Peter Høegs Roman Fräulein Smillas Gespür für Schnee, mit dem Høeg 1992<br />
die Bestsellerlisten Deutschlands stürmte. 38<br />
Selbstverständlich kann eine Arbeit dieses Umfangs bei weitem nicht alle<br />
Facetten der nordischen Kriminalliteratur ansprechen, weswegen im Folgenden<br />
lediglich auf den augenblicklichen Mainstream dieses Genres eingegangen wird.<br />
Der Mainstream, der letzten Endes den enormen Erfolg in Deutschland auslöste<br />
und dem auch <strong>Henning</strong> Mankell mit seinen <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romanen zuzuordnen<br />
ist. Nahezu alle gegenwärtig erfolgreichen skandinavischen<br />
KrimischriftstellerInnen wie z. B. Liza Marklund, Håkan Nesser, Åke Edwardson,<br />
Anne Holt und der bereits genannte <strong>Henning</strong> Mankell, stehen mehr oder weniger<br />
im Erbe des Autorenduos Sjöwall/Wahlöö und machen die ihnen gemeinsame<br />
sozialrealistische wie gesellschaftskritische Komponente zum unverkennbaren<br />
Markenzeichen des skandinavischen Kriminalromans. 39<br />
Der Kriminalroman aus dem Norden Europas hat jedoch weitaus mehr zu bieten:<br />
Der skandinavische Krimi ist in seiner Art internationaler als viele Vertreter<br />
seiner Gattung. Gekonnt verbinden Autoren wie Arne Dahl oder Olov Svedelid<br />
diese scheinbar am Rande der Welt liegenden Länder mit dem Rest der Erde und<br />
zeigen so die Auswirkungen der Globalisierung auf, die in der Bundesrepublik<br />
ebenso spürbar sind wie in Skandinavien. Ihre literarischen Protagonisten plagen<br />
dieselben Ängste und Sorgen wie den deutschen Krimifan, wodurch er sich in<br />
diesen für den nordischen Krimi so typischen menschlichen Charakteren leicht<br />
38<br />
vgl. Klaus-Peter Walter. Lexikon der Kriminalliteratur. Der schwedische Krimi. (1995), S. 8-20;<br />
Krieg, S. 75; Schindler, S. 188-194.<br />
39<br />
vgl. Tobias Gohlis. Das Böse kommt <strong>von</strong> Norden. Die Welt des nordischen Kriminalromans.<br />
Wien: Paul Zsolnay Verlag (2003/2004), S. 5; Hagenguth. Der Mord der aus der Kälte kam.
Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur 20<br />
wiedererkennen kann. Das beste Beispiel hierfür ist <strong>Henning</strong> Mankells Hauptfigur<br />
des <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong>. Einen Hauch <strong>von</strong> Modernität bringen Autoren wie Åke<br />
Edwardson durch ihren flotten Magazinstil, eine leicht verständliche Sprache und<br />
schnelle Szenenwechsel in ihre Kriminalromane. Auch <strong>das</strong> Autorentrio um Emma<br />
Vall hat sich, wenn auch nicht in einer derart expliziten Weise, diesem<br />
Sprachdaktus verschrieben, der den melancholischen Romanen zusätzliche<br />
Dynamik verleiht.<br />
Überdies machen Skandinaviens Kriminalautorinnen mit ihren <strong>Kommissar</strong>innen<br />
auf sich aufmerksam. Liza Marklunds Hauptfigur Annika Bengtzon verkörpert in<br />
ihren Rollen als Mutter, Ehefrau und Journalistin nicht nur <strong>das</strong> vorbildliche<br />
skandinavische Gleichheitsmodell, sondern auch gleichzeitig den Traum vieler<br />
deutscher Frauen <strong>von</strong> der Vereinbarkeit <strong>von</strong> Familie und Beruf. Neben dem<br />
feministischen Krimi ist auch der psychologische Krimi vor allem dank Karin<br />
Fossum nunmehr zu einem wichtigen Nebenstrom der skandinavischen<br />
Krimilandschaft geworden. Eine „Landschaft“, die einerseits weiterhin durch den<br />
Polizeiroman mit seinen verzweifelnden Protagonisten bestimmt wird;<br />
andererseits jedoch in der Zwischenzeit eine Vielfalt aufweist, die jeden Krimifan<br />
fündig werden lässt. Ein weiteres Merkmal, <strong>das</strong> den skandinavischen Krimi als<br />
solchen auszeichnet, stellt der hohe Grad an Realität dar, dem man z. B. in den<br />
Romanen <strong>von</strong> Åke Edwardson begegnet. Seine Romane sind <strong>das</strong> Ergebnis<br />
monatelanger Recherchen, die letztendlich in der detaillierten Schilderung der<br />
mühsamen Ermittlungsarbeit seiner Protagonisten ihren Niederschlag finden.<br />
Einen zweiten Weg verfolgt indes <strong>Henning</strong> Mankell. Durch die Einbindung realer<br />
Schauplätze, Persönlichkeiten und Ereignisse verleiht er seinen <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-<br />
Romanen zusätzliche Authentizität.<br />
Eine weitere Ursache dieses immens großen Erfolges hierzulande <strong>liegt</strong> jedoch in<br />
Deutschland selbst. Auch 55 Jahre nach dem Ende des Dritten Reiches kämpft<br />
Deutschlands Bevölkerung immer noch mit seiner Geschichte. Eine zu starke<br />
Kritik an der Gesellschaft, des Staates und seiner Regierung ist nach wie vor ein<br />
Tabuthema, weshalb sich die dt. Leser ihre Antworten auf die vielen offenen<br />
Fragen bezüglich des Themas Globalisierung und den benötigten Halt in der
Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur 21<br />
Literatur suchen. Die deutsche Literatur kann diese Fragen derzeit nicht<br />
beantworten, weswegen der Leser auf die momentan politischsten Krimis<br />
zurückgreift - die Skandinavischen. 40<br />
Im Ergebnis unterscheidet sich der skandinavische Kriminalroman mit seinen<br />
charakteristischen Merkmalen deutlich <strong>von</strong> der jeweiligen typischen<br />
Kriminalliteratur anderer Länder. Anstatt lebenslustiger Menschen voller Humor<br />
und Esprit, wie sie der Leser aus zahlreichen südeuropäischen Krimis kennt,<br />
begegnet er im Norden Europas schwermütigen, beinahe ängstlichen Charakteren.<br />
Parodien und surreale Konstruktionen sind dem Liebhaber skandinavischer<br />
Kriminalliteratur ebenso fremd wie die den französischen Krimi kennzeichnenden<br />
verspielten Züge. Die traditionellen Kriminalromane aus dem hohen Norden sind<br />
für den Leser leicht als solche zu identifizieren, selbst wenn der Begriff des<br />
skandinavischen Kriminalromans literaturwissenschaftlich überhaupt nicht<br />
existiert. 41<br />
<strong>Henning</strong> Mankells <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romane weisen die Mehrzahl der zuvor<br />
aufgeführten Attribute des traditionellen skandinavischen Krimis auf, wie im<br />
Laufe dieser Arbeit noch genauer zu sehen sein wird. Die Riege der momentan<br />
erfolgreichen Autoren aus Skandinavien ist immens und sicherlich hat der Sog<br />
dieses Erfolgs die deutschen Leser auch auf <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong> aufmerksam werden<br />
lassen. Jedoch kann auch diese Tatsache nicht die literarische Erfolgsgeschichte<br />
dieser Kriminalromanserie abschließend begründen. 42<br />
40 vgl. Hagenguth. Der Mord der aus der Kälte kam; Peter E. M. Rohling. Der skandinavische<br />
Kriminalroman. Eine Erfolgsgeschichte (o. J.). In: http://www.heiner-k.de/specials/<br />
skandinavische_ krimis/ einfuehrung.html.<br />
41 vgl. Thomas Gohlis. Das Böse kommt <strong>von</strong> Norden. (2003/2004), S. 5.<br />
42 vgl. Peter E. M. Rohling. Der skandinavische Kriminalroman (o. J.).
Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur 22<br />
3.3.2 Das Erbe <strong>von</strong> Maj Sjöwall und Per Wahlöö<br />
Der Klappentext zu Mörder ohne Gesicht verrät dem Leser schon auf den ersten<br />
Blick zwei Vorbilder <strong>Henning</strong> Mankells. Angepriesen als Thriller in der Tradition<br />
<strong>von</strong> Maj Sjöwall und Per Wahlöö, darf der Liebhaber nordischer Kriminalliteratur<br />
gespannt sein, in welchem Ausmaß sich Mankell mit seinem Debütroman und mit<br />
den sich ihm anschließenden Romanen seiner <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Serie an die beiden<br />
„Urahnen“ 43 des skandinavischen Krimis anlehnt. Ein genauerer Blick auf die<br />
Romane Sjöwalls/Wahlöös und ein sich anschließender Vergleich mit Mankells<br />
Kriminalgeschichten aus Ystad wird zeigen, ob in dem Erbe des<br />
Autorenehepaares <strong>das</strong> <strong>Geheimnis</strong> um den Erfolg der <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Serie zu<br />
suchen ist.<br />
Inspiriert <strong>von</strong> Ed McBains Romanen über <strong>das</strong> 87. Polizeirevier, veröffentlichte<br />
<strong>das</strong> Autorenehepaar Maj Sjöwall und Per Wahlöö in den Jahren 1965-1975 seine<br />
Romanserie um eine Stockholmer Ermittlungsgruppe mit <strong>Kommissar</strong> Martin<br />
Beck als Hauptfigur. Die Serie, die <strong>von</strong> den beiden Schweden <strong>von</strong> Beginn an als<br />
10-bändiges Werk konzipiert worden war, wies einerseits McBains Züge der<br />
Darstellung polizeilicher Ermittlungsroutine und ihrer Kriminalbeamten auf, die<br />
darüber hinaus mit einem glaubhaften Privatleben versehen waren. Andererseits<br />
versuchten Sjöwall und Wahlöö als bekennende linke Autoren, die<br />
gesellschaftlichen Verhältnisse Schwedens in ihren Romanen aus ihrer<br />
persönlichen Sicht widerzuspiegeln und mit ihren Büchern eine breite<br />
Bevölkerungsschicht zu erreichen. Die beiden übernahmen jedoch nicht<br />
vollständig <strong>das</strong> Konzept <strong>von</strong> McBain; bereits ihr zweiter Roman Der Mann, der<br />
sich in Luft auflöste trug ihre eigene Handschrift. Des Weiteren machten Sjöwall<br />
und Wahlöö durch eine Detailversessenheit und hohe Authentizität in ihrer<br />
Romanserie, die sie u. a. durch die Einbindung realer Persönlichkeiten und<br />
Ereignisse entstehen ließen, auf sich aufmerksam. Die Kritik am schwedischen<br />
43 Hagenguth. Der Mord der aus der Kälte kam.
Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur 23<br />
Wohlfahrts- und Sozialstaat nahm indes <strong>von</strong> Roman zu Roman zu, so <strong>das</strong>s es sich<br />
bei den letzten beiden Werken dieser Serie nicht mehr um Kriminalliteratur im<br />
engeren Sinn handelt. 44<br />
<strong>Henning</strong> Mankells verwobene Gesellschaftskritik in den Romanen, sein<br />
Hauptprotagonist <strong>Kommissar</strong> <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong> und dessen Unbehagen gegenüber<br />
einer weiter zunehmenden Globalisierung erinnern stark an die Romanserie seiner<br />
Landsleute Sjöwall/Wahlöö. Es ist heute unumstritten, <strong>das</strong>s Mankell als Schüler<br />
der beiden ‚Großmeister des skandinavischen Krimis’ angesehen werden kann,<br />
doch stellen seine Romane keinesfalls nur eine Kopie der beiden dar. Mankell<br />
lässt keinen Hauch <strong>von</strong> Nostalgie aufkommen. Stattdessen hat er es verstanden,<br />
<strong>das</strong> <strong>von</strong> Wahlöö/Sjöwall beschriebene Szenario der schwedischen Gesellschaft<br />
konsequent weiterzudenken, den Verhältnissen des ausklingenden 20.<br />
Jahrhunderts anzupassen und damit auf eine vorübergehende Spitze zu treiben,<br />
was anhand folgender Beispiele verdeutlicht werden soll.<br />
Während Martin Beck erst im Laufe der Serie vom great detectiv „zum<br />
Sprachrohr moralischer Reflexionen wird“ 45 , steht <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong> bereits in<br />
seiner ersten Mordermittlung fassungslos einer menschlichen Brutalität eines<br />
bislang unbekannten Ausmaßes gegenüber. 46 Längst hat <strong>das</strong> Verbrechen auch in<br />
die vermeintlich letzte Ecke Schwedens Einzug gehalten, in die <strong>Wallander</strong>s<br />
Tätigkeit wesentlich enger gebunden ist als Beck an Stockholm. Diese enge<br />
Bindung kann als Ausdruck <strong>von</strong> <strong>Wallander</strong>s Suche nach Schutz vor der globalen<br />
Bedrohung gesehen werden. Schutz, den er in seiner Heimat Ystad trotz der dort<br />
wütenden Verbrechen findet und die er deshalb nur ungern verlässt. Dieser<br />
vermeintlich hoffnungslosen Situation wurde auch <strong>Wallander</strong>s Liebesleben<br />
angepasst, der im Unterschied zu seinem Kollegen Beck weiter auf die zweite<br />
große Liebe warten muss. Während Sjöwall/Wahlöö gerne ihre<br />
radikalsozialistischen Ideen in ihren Büchern zum Audruck brachten, blieb<br />
Mankell trotz seiner hervorgebrachten Gesellschaftskritik bürgerlich-neutral. Um<br />
44 vgl. Walter. Lexikon der Kriminalliteratur. Vorwort, S. 9f; Hagenguth. Der Mord der aus der<br />
Kälte kam; Krieg, S. 75; Schindler, S. 188-194; Dr. Stephan Schwier. Krimis ohne Überhelden<br />
(o. J.). In: http://www.heiner-k/specials/skandinavische_krimis/interviewalzweig.html.<br />
45 Krieg, S. 83.<br />
46 vgl. Mankell. Mörder ohne Gesicht, S. 16 Z. 15-18.
Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur 24<br />
dem Leser seine Botschaft zu visualisieren, schlägt Mankell stattdessen neue<br />
Wege ein und weist der ihn umgebenden Landschaft eine herausragende Rolle<br />
zu. 47<br />
Sicherlich hat Mankell einen Teil des Erfolges seiner weltberühmten Krimiserie<br />
der Vorarbeit Maj Sjöwalls und Per Wahlöös zu verdanken, die ihren Nachfolgern<br />
den steinigen Weg der Anerkennung der Kriminalliteratur ebneten. Von der<br />
damaligen Krimieuphorie der 60/70er Jahre des letzten Jahrhunderts profitierte<br />
<strong>Henning</strong> Mankell jedoch nicht mehr. Der ‚Vater’ <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong>s veröffentlichte<br />
seinen ersten Kriminalroman im Jahre 1993 in Deutschland, 25 Jahre nach<br />
Sjöwalls/Wahlöös Deutschland Debüt. Vielmehr löste Mankell mit <strong>Kurt</strong><br />
<strong>Wallander</strong> in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts eine neue und bis heute<br />
ungebrochene Krimiwelle aus. Dank <strong>Henning</strong> Mankell „ist der ‚Skandinavische<br />
Kriminalroman’ endgültig in die Belle Etage der guten Krimi-Literatur<br />
aufgestiegen“ 48 .<br />
3.3.2 Die „Mankellisierung“<br />
Hoch gelobt <strong>von</strong> den Feuilletons der großen Zeitungen und beinahe durchgängig<br />
auf den Spiegel-Bestsellerlisten vertreten, wurde Mankell dank seiner <strong>Kurt</strong>-<br />
<strong>Wallander</strong>-Serie mehr und mehr zum Publikumsmagneten. In kürzester Zeit<br />
gelang es dem Autoren, sich in die Herzen der deutschen Krimileser zu schreiben;<br />
Ende der 90er Jahre gelang ihm schließlich der Durchbruch in Deutschland. Von<br />
diesem Mankell-Rummel profitierten nicht nur bislang unbekannte<br />
skandinavische Schreiber wie Karin Fossum, Markku Ropponen oder Karin<br />
Altvegen. Auch in Liza Marklunds und Håkan Nessers Romanen, die dank der<br />
neu entdeckten Leidenschaft für nordische Krimis problemlos interessierte<br />
deutsche Verlage fanden, ist Mankells Einfluss zu spüren. Schriftsteller aus dem<br />
deutschsprachigen Raum lassen sich ebenso <strong>von</strong> Mankells Krimis inspirieren und<br />
veröffentlichten ihre Romane in der Tradition der Mankell´schen Schule. Eva<br />
Rossmann lieferte mit ‚Freudsche Verbrechen’ die östereichische Antwort auf<br />
Mankell, Ulrich Ritzel die Schwäbische. Doch auch über den deutschsprachigen<br />
47 vgl. Rainer Sens. Dem <strong>Kommissar</strong> auf der Spur. Ein literarische Reiseführer zu den Tatorten<br />
der “<strong>Wallander</strong>-Romane“. Welver: Conrad Stein Verlag (2004), S. 12-15; Krieg, S. 84.<br />
48 Rohling. Der skandinavische Kriminalroman.
Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur 25<br />
Raum hinaus lassen sich KrimischriftstellerInnen <strong>von</strong> der ‚Mankellisierung’ des<br />
gesamten Krimigenres anstecken. Mit Mankellisierung bezeichnet Franz Schuh,<br />
der Kolumnist der Zeitschrift Literaturen, „die Verquickung <strong>von</strong> spekulativer,<br />
genre-spezifischer Gewaltdarstellung und einem politisierenden Moralismus, der<br />
es sich bei den realen Katastrophen, die er anspricht, gut gehen lässt“ 49 . Erst<br />
kürzlich zeigte Alicia Giménez-Bartlett den deutschen Lesern mit ihrem Roman<br />
‚Piranhas im Paradies’, <strong>das</strong>s längst nicht mehr überall, wo Schweden nicht drauf<br />
steht, Schweden nicht drin ist. Mankell ist allgegenwärtig.<br />
Was ist <strong>das</strong> Besondere an Mankells Krimiserie, <strong>das</strong> diesen Boom um <strong>Kurt</strong><br />
<strong>Wallander</strong> auslöste und seine Kriminalgeschichten zu einer faszinierenden<br />
Erfolgsstory machten? 50<br />
49 Franz Schuh. Der Norden und der Süden (2004). In: http://www.literaturen.de/krimi-index.html.<br />
50 vgl. Klaus-Peter Walter. Reclams Krimi-Lexikon. Autoren und Werke. Stuttgart: Philipp Reclam<br />
jun. Verlag (2002), S. 23, 118, 138, 289, 362, 364f; Franz Schuh. Der Norden und der Süden<br />
(2004); Thomas Widmer. Morden im Norden. In: Tamedia AG (Hg.): Facts. Das Schweizer<br />
Nachrichtenmagazin 15. Zürich: Hans Heinrich Conxinx, (2001). S. 147; Börsenverein des<br />
deutschen Buchhandels. Börsenblatt Extra Krimi 47. »Ein Mensch wie du und ich« (2002), S.36.
Die <strong>Wallander</strong>-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 26<br />
Die <strong>Wallander</strong>-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory<br />
4.1 Mankells literarischer Stil<br />
Es kommt nicht <strong>von</strong> ungefähr, <strong>das</strong>s der Satz »Jeder Autor hat seinen eigenen Stil«<br />
in Buchhändlerkreisen so weit verbreitet ist, lassen sich doch nur schwerlich und<br />
verallgemeinernd die Stile mehrerer Autoren miteinander vergleichen. Ein<br />
literarischer Stil ist mehr als <strong>das</strong> Befolgen bestimmter Grundregeln der<br />
Schriftstellerei. Er spiegelt persönliche Erfahrungen und Eigenschaften des Autors<br />
wider. Während Mankells Schreibstil auf den ersten Blick eher nüchtern und<br />
spröde wirkt, eröffnet sich dem Leser nach einer genaueren Betrachtung seiner<br />
Texte die gesamte Breite ihrer mystischen wie kontroversen Wirkung.<br />
4.1.1 Erzähltechnik<br />
Mankell hat seine <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romane allesamt als Berichte im Präteritum<br />
geschrieben. Seine oftmals einfachen und kurzen Sätze enthalten kaum<br />
Fremdwörter und sind so für den Leser leicht verständlich. Den für den Thriller<br />
typischen chronologisch sukzessiven Erzählverlauf hält der Autor jedoch nicht<br />
durchgehend ein. Mehrmals unterbricht Mankell den jeweils gegenwärtigen<br />
Handlungsverlauf, um über zurückliegende Ereignisse zu berichten. Nicht immer<br />
verwendet er hierfür <strong>das</strong> gebräuchliche Plusquamperfekt und zwingt den Leser so<br />
seine Aufmerksamkeit zu schärfen. Während <strong>Wallander</strong>s Kollegen damit<br />
beschäftigt sind, die vier verschleppten Frauen aus der Dominikanischen Republik<br />
zu vernehmen, erfährt der Leser mitten im Textfluss <strong>von</strong> deren schicksalshafter<br />
Vorgeschichte (Die falsche Fährte). Zum Anderen geht der Autor zeitweise in die<br />
für den Detektivroman typische rückwärtsgerichtete Erzählweise über. Mit Hilfe<br />
<strong>von</strong> Vorgriffen wie „Später sollte er sich an den Abend in Helsingör als an den<br />
Wendepunkt der ganzen Ermittlung erinnern“ 51 vermischt Mankell endgültig zwei<br />
völlig unterschiedliche Erzähltechniken miteinander. Insgesamt betrachtet<br />
entspricht der Erzählverlauf damit nicht mehr dem Ablauf der objektiven Zeit. 52<br />
51 Mankell. Die falsche Fährte, S. 399 Z. 28f.<br />
52 vgl. Rainer Sens. Dem <strong>Kommissar</strong> auf der Spur. (2004), S. 12; Nusser, S. 52; Susanne Schanda.<br />
«Ich reise gerne in der Zeit» (1998). In:http://www.espace.ch/medien/bz/archiv/details_2.cfm?<br />
id=9082&simplesearch=kriminalliteratur &template=index.cfm; Mankell. Die falsche Fährte, S.<br />
391 Z.22, S. 453 Z. 6ff, S. 462 Z. 18ff; Die fünfte Frau, S. 532 Z. 10ff.
Die <strong>Wallander</strong>-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 27<br />
Auch bei der Wahl der Erzählperspektive entschied sich der Schwede für eine<br />
Mischform - den perspektivischen Wechsel. Der Erzähler konzentriert sich in<br />
allen Romanen auf die Perspektive des <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong>, lässt den Leser ständig<br />
einen Blick über <strong>Wallander</strong>s Schulter werfen und ermöglicht ihm somit einen<br />
hohen Identifikationsgrad mit der Hauptfigur. Einen Höhepunkt stellt hierbei<br />
sicherlich die erste Vernehmung <strong>von</strong> Anita Carlman dar (Die falsche Fährte). Der<br />
ständige Wechsel zwischen der eigentlichen Vernehmung und <strong>Wallander</strong>s parallel<br />
zum Gespräch verlaufenden inneren Monologen zwingt den Leser, die<br />
entsprechenden Zeilen mit einer erhöhten Konzentration zu lesen. 53 Die<br />
Figurenperspektive wird jedoch in Mankells späteren Romanen - und hier vor<br />
allem in seinen drei Erfolgreichsten - unterbrochen. In eingeschobenen Passagen<br />
entfernt sich die Handlung <strong>von</strong> der Hauptfigur und geht sowohl in die Opfer- wie<br />
Täterperspektive über. Die introspektive Schilderung des Mörders unterbreitet<br />
Mankell die Möglichkeit, <strong>das</strong> Tatmotiv, welchem, wie im Verlauf dieser Arbeit<br />
noch zu sehen sein wird, eine große Bedeutung zukommt, genauestens zu<br />
beleuchten. Der Leser begleitet den Mörder bei seinen Tatvorbereitungen und der<br />
eigentlichen Tat und erhält überdies Einblicke in die (kranken) Täter- wie<br />
leidenden Opferseelen.<br />
Mankell steigert diese psychologisch-kritische Tendenz des Thrillers, indem er in<br />
ausgesuchten Momenten in die Ich-Perspektive einer Person wechselt bzw. seine<br />
Hauptfigur <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong> mit den Worten „Von wo konntest Du ihn sehen, ohne<br />
gesehen zu werden?“ 54 direkt zu dem Täter sprechen lässt. Hervorgehoben werden<br />
die beiden zuletzt genannten Textabschnitte zusätzlich durch Kursivdruck im<br />
Layout. Dank dieser weniger statischen Erzählweise ist der Leser letzten Endes<br />
dem Ermittler in seinem Wissen voraus und kennt in den meisten Fällen bereits<br />
nach wenigen gelesenen Seiten die Identität des Täters. Trotz des<br />
Wissensvorsprungs kann der Leser jedoch nicht sagen, ob der nächste Schritt<br />
<strong>Wallander</strong> zu seinem Ziel bringen wird. 55<br />
53 vgl. Mankell. Die falsche Fährte, S. 135 Z. 12 - 32.<br />
54 Mankell. Die falsche Fährte, S. 174 Z.1f.<br />
55 vgl. Sens, S. 12; Nusser, S. 52f; Mankell. Die fünfte Frau, S. 57 Z. 31ff, S. 59 Z. 4ff,<br />
S. 65 Z. 31ff; Die falsche Fährte, S. 152 Z. 7ff.
Die <strong>Wallander</strong>-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 28<br />
Die angewandte Erzähltechnik verleiht Mankells Büchern insgesamt einen hohen<br />
Grad an Dynamik. Damit der Leser dennoch den Überblick behält, bilden<br />
unzählige exakte Zeitangaben <strong>das</strong> Gerüst der Handlung und erleichtern ihm die<br />
Orientierung. Im Ergebnis trägt die angewandte dualistische Erzählweise mit den<br />
aus ihr hervorgehenden Handlungsunterbrechungen ebenso zur Intensivierung der<br />
Grundspannung des Lesers bei wie auch der bereits im Vorfeld erläuterte<br />
Erzählverlauf.<br />
4.1.2 Spannungsaufbau<br />
Die Grundspannung hingegen ist abhängig <strong>von</strong> der konkreten Situation, in der<br />
sich die Hauptfigur befindet. Höhepunkte der Spannung fallen mit einem<br />
bevorstehenden Durchbruch der Ermittlungen wie auch mit einer drohenden<br />
Gefahr für den Hauptprotagonisten zusammen. Mankells minutiöse Schilderung<br />
befindet sich in diesen Momenten auf ihrem Höhepunkt. 56 Während der Leser<br />
über die sich in einigen Situationen überschlagenden Ereignissen sprichwörtlich<br />
hinwegf<strong>liegt</strong>, schafft Mankell mit Hilfe der gegensätzlich wirkenden absoluten<br />
Stille eine nicht mindere Spannung. 57 Die Bestsellerromane des Schweden weisen<br />
keinen einheitlichen Spannungsaufbau auf. Dem Leser stockt der Atem, als<br />
Hoover eines Nachts vor <strong>Wallander</strong>s Bett steht und den <strong>Kommissar</strong> im Schlaf<br />
beobachtet, bis sich dieser entschließt, unerkannt die Wohnung wieder zu<br />
verlassen. 58 Kennzeichnend für die gesamte Gattung des Thrillers lässt sich daher<br />
jeder <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Roman in mehrere Handlungsbögen unterteilen,<br />
entsprechend derer <strong>das</strong> Erzähltempo zwischen den einzelnen aktionistischen<br />
Situationen und den ihnen gegenüber stehenden retardierenden Momenten stark<br />
variiert.<br />
Besonders zeichnet sich Mankell für seine starken Romananfänge aus, in deren<br />
Prologen meist schon der erste Mord zu beklagen ist. Gemäß Mankells Ansicht,<br />
der Leser würde sich bereits nach der ersten gelesenen Seite entscheiden, ob er<br />
<strong>das</strong> Buch weiter läse oder wegwürfe, entschied er sich bewusst für diese<br />
56 vgl. Mankell. Mittsommermord, S. 570 Z. 1ff.<br />
57 vgl. Mankell. Die fünfte Frau, S. 407 Z. 7ff.<br />
58 vgl. Nusser, S. 53; Mankell. Die falsche Fährte, S. 315 Z. 12ff.
Die <strong>Wallander</strong>-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 29<br />
Anfänge. 59 Mankells Spannung ist jedoch mehr. Sie ist mehrdimensional. Neben<br />
dem Plot erzeugt Mankell auch durch seine lebendigen Figuren, die Tatmotive<br />
sowie beinahe kämpferischen Dialoge Spannung. 60 Katarina Taxells Vernehmung<br />
spitzt sich in Form eines Frage-Antwort-Spiels mehr und mehr zu, bis <strong>Wallander</strong><br />
<strong>das</strong> Gespräch plötzlich auf S. 395 Z. 24 abbricht und die ständig ansteigende<br />
Spannung somit abrupt gestoppt wird (Die fünfte Frau). Mit der Prostituierten<br />
Elisabeth Carlén liefert sich <strong>Wallander</strong> gar ein regelrechtes Wortgefecht. 61 Indem<br />
Mankell seine Leser lediglich über <strong>Wallander</strong>s Absicht, „einen Besuch [zu]<br />
machen“ 62 , in Kenntnis setzt, ohne hierbei zunächst <strong>das</strong> Ziel zu erwähnen, erzeugt<br />
der Autor wiederum die für den Krimi charakteristische suspense. Erst auf der<br />
folgenden Seite des betreffenden Romans lüftet der Schwede schließlich <strong>das</strong><br />
<strong>Geheimnis</strong>. 63 Suspense entsteht jedoch an einigen Stellen auch durch die<br />
Allwissenheit des Lesers. Während <strong>Wallander</strong> in einem Gespräch mit Martinsson<br />
noch nicht ahnt, <strong>das</strong>s er selbst <strong>das</strong> neunte Opfer Åke Larstams sein soll, bangt die<br />
Lesergemeinde bereits um <strong>das</strong> Leben des Kult-<strong>Kommissar</strong>s.<br />
» Larstam hat Hansson und den Kollegen aus Malmö nicht erschossen.<br />
Und keiner redet mir ein, er hätte sie verfehlt. Es war nur, weil keiner<br />
<strong>von</strong> beiden die neunte Person war. «<br />
» Und <strong>das</strong> bist du also auch nicht? «<br />
» Wohl kaum. « 64<br />
Durch den gezielten Einsatz <strong>von</strong> Überraschungseffekten an vielen Kapitelenden<br />
gelingt es Mankell überdies den Spannungsbogen nicht an diesen prägnanten<br />
Stellen abbrechen zu lassen. 65 Viele Leser sind obendrein neugierig, ob <strong>Wallander</strong><br />
z. B. tatsächlich nach dem Romanende <strong>von</strong> Die weiße Löwin seinen Dienst<br />
quittieren und ob es für ihn und Baiba eine gemeinsame Zukunft geben wird. Der<br />
Spannungsbogen kann damit sowohl als kapitel- als auch romanübergreifend<br />
gewertet werden. Ein Indiz hierfür ist auch der insgesamt hohe Anteil der<br />
befragten Leser, die alle <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romane gelesen haben (57,14%).<br />
59<br />
vgl. Susanne Schanda. «Ich reise gerne in der Zeit» (1998).<br />
60<br />
vgl. Schindler, S. 52.<br />
61<br />
vgl. Mankell. Die falsche Fährte, S. 392 Z. 323 - S. 396 Z. 29.<br />
62<br />
Mankell. Mittsommermord, S. 467 Z. 32.<br />
63<br />
vgl. dazu auch Mankell. Mittsommermord, S. 467 Z. 32 - S. 468 Z. 28;<br />
Die falsche Fährte, S. 341 Z. 24ff.<br />
64<br />
Mankell. Mittsommermord, S. 545 Z. 26ff.<br />
65<br />
vgl. Mankell. Mittsommermord, S. 389 Z. 6, 11f, S. 452 Z. 1ff.
Die <strong>Wallander</strong>-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 30<br />
Allgemein betrachtet ist die Spannung in Mankells <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romanen ein<br />
grundlegendes Element. 88,5% der befragten Leser sahen den Faktor Spannung<br />
als sehr wesentlich für ihre Gesamtbeurteilung der <strong>Wallander</strong>-Romane an, die im<br />
Übrigen 84,6% der Leser sehr gut gefallen haben. 66<br />
4.1.3 Literarische Stilmittel<br />
Hinter der Spannung, die unangefochten den ersten Platz unter den möglichen<br />
Einflussfaktoren auf die Bewertung der <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romane einnimmt,<br />
rangiert der literarische Stil auf dem zweiten Rang. Immerhin 51,2% der Leser<br />
betrachten den Stil Mankells als sehr wesentlich für ihre Gesamtbewertung seiner<br />
Werke. Lediglich 1,4% der Befragten weisen dem Stil keinerlei Bedeutung für<br />
ihre Gesamtbewertung der Kriminalgeschichten aus Ystad zu. Die Frage, was die<br />
Leser unter Mankells literarischem Stil verstehen und als solchen erkennen, wurde<br />
im Rahmen dieser Umfrage nicht erörtert. 67<br />
Die beiden Rhetorikfiguren, derer sich <strong>Henning</strong> Mankell in seinen Romanen am<br />
häufigsten bedient, sind die Metapher sowie der Simili. In dem Augenblick, in<br />
dem Mankell seinen <strong>Wallander</strong> spüren lässt, „daß ein weiterer, unsichtbarer, aber<br />
schwerer Mantel der Verantwortung um seine Schultern gehängt wurde“ 68 , wird<br />
dem Leser bewusst, <strong>das</strong>s der <strong>Kommissar</strong> nicht glücklich in seiner Rolle des<br />
Ermittlungsleiters ist, und er befürchtet, er könne die gesamte Ermittlung in eine<br />
falsche Richtung lenken, ohne <strong>das</strong>s der Autor diese Aussage wörtlich wiedergibt.<br />
Der Simili/Vergleich hingegen veranschaulicht den jeweiligen Textinhalt, indem<br />
er zwei Bereiche miteinander verknüpft, die in einem Punkt übereinstimmen. „An<br />
den trockenen und harten Tauen zu nagen war [für Gösta Runfelt] wie eine<br />
tröstende Hand“ 69 . Unter normalen Umständen vermag eine Hand einer<br />
verzweifelten Person Trost zu spenden; während Gösta Runfelts Gefangenschaft<br />
erfüllen die Fesseln des Blumenhändlers nunmehr diese Aufgabe.<br />
66 siehe Anhang B, Anlage 2 Frage 12) 13a).<br />
67 siehe Anhang B, Anlage 2 Frage 13b).<br />
68 Mankell. Die falsche Fährte, S. 338 Z. 21f.<br />
69 Mankell. Die fünfte Frau, S. 59 Z. 34f.
Die <strong>Wallander</strong>-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 31<br />
Beide Stilmittel weisen eine angenehme Mischung aus Bildern der<br />
Umgangssprache sowie neu geschaffenen Bildern auf. Mankells Sprache wirkt<br />
daher nicht künstlich erhoben und macht <strong>das</strong> Lesen seiner Bücher angenehm.<br />
Während dem Leser Bilder, wie der Kloß im Hals oder der springende Punkt in<br />
einem Problemfall wohl bekannt sind, vergleicht er die Seezeichen des<br />
Fahrwassers hingegen nicht alltäglich mit „verlassene[n] Statuen in einem<br />
Museum, <strong>das</strong> für die Saison geschlossen hat“ 70 . 71<br />
Um den aktuellen Stand der Ermittlung treffend zu veranschaulichen, bedient sich<br />
der Autor häufig der Bilder aus der Schifffahrt bzw. dem Bild des Puzzles. 72<br />
Ferner begegnet der Leser in den Romanen wiederholt Bildern aus den Bereichen<br />
der Flora und Fauna sowie der Kriegs- („Das war ihr Wallgraben, und es führte<br />
kein Eingang zur Festung hinein“ 73 ) und Theaterwelt („Immer noch standen die<br />
Menschen dort und betrachteten den Epilog des düsteren Schauspiels, <strong>von</strong> dessen<br />
eigentlicher Handlung sie nichts mitbekommen hatten.“ 74 ). Mehrfach findet man<br />
auch Metaphern und Simili aus den Bereichen der Unterwelt und Meteorologie<br />
vor. So manche Ermittlung <strong>Wallander</strong>s erweist sich als „Abstieg in die<br />
Unterwelt“ 75 , und zahlreiche Nebelbänke sowie Herbststürme verleihen Mankells<br />
Romanen die <strong>von</strong> den Lesern geliebte mystische Stimmung. 76 Selten dagegen<br />
verwendet der Autor Bilder aus dem Sport wie „Sie setzte sich auf die äußere<br />
Kante des Stuhls. Wie eine Läuferin, die in den Startlöchern sitzt und sich auf den<br />
Startschuß konzentriert, dachte <strong>Wallander</strong>.“ 77<br />
Zu der Gruppe der rhetorischen Wiederholungen werden sowohl die Anaphora<br />
wie die Epiphora gerechnet, derer sich Mankell bedient, um eindringlich auf einen<br />
bestimmten Sachverhalt hinzuweisen. Streng nach den Regeln der Anaphora<br />
70<br />
Mankell. Mittsommermord, S. 603 Z. 24ff.<br />
71<br />
vgl. M. H. Abrams. A Glossary of Literary Terms. 3rd edition. New York: Holt, Rinehart, and<br />
Winston, Inc. (1971); Mankell. Mittsommermord, S. 69 Z. 21, S. 549 Z. 22.<br />
72<br />
vgl. Mankell. Die fünfte Frau, S. 316 Z. 18ff, S. 398 Z. 7 - 13.<br />
73<br />
Mankell. Die falsche Fährte, S. 60 Z. 17f;<br />
vgl. dazu auch Mittsommermord, S. 63 Z. 14f, S. 360 Z. 6f, S. 533 Z. 30f.<br />
74<br />
Mankell. Mittsommermord, S. 409 Z. 4ff; vgl. auch S. 66 Z. 19f;<br />
Die falsche Fährte, S. 320 Z. 28f.<br />
75<br />
Mankell. Mittsommermord, S. 109 Z. 2ff.<br />
76<br />
vgl. Mankell. Die fünfte Frau, S. 508 Z. 20ff; Der Mann, der lächelte, S. 12 Z. 14ff;<br />
vgl. dazu auch Die falsche Fährte, S. 53 Z. 11f.<br />
77<br />
Mankell. Mittsommermord, S. 152 Z. 31f.
Die <strong>Wallander</strong>-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 32<br />
wiederholt <strong>Wallander</strong> die Worte „Nichts spricht dafür“ 78 an zwei aufeinander<br />
folgenden Satzanfängen und betont damit, <strong>das</strong>s derzeit nichts darauf hindeutet,<br />
<strong>das</strong>s sein Kollege Svedberg in den Dreifachmord im Naturreservat Hagestadt<br />
verwickelt ist. Das Gegenstück der Anaphora bildet folglich die Epiphora, die den<br />
Schluss eines Satzes wiederholt. „<strong>Wallander</strong> dachte nach, bevor er antwortete.<br />
»Wie du und ich«, sagte er dann. »Im großen und ganzen genau wie du und<br />
ich.«“ 79 Exakt die gleiche Wirkung entfaltet die einfache Wortwiederholung, <strong>das</strong><br />
Epizeuxis, des Adjektivs verkleidet auf Seite 173 des Mittsommermordes.<br />
Eine ebenso eindringliche Wirkung verbreiten überdies Mankells angewandte<br />
literarische Stilmittel wie z. B. die Kette, die Akkumulation oder Alliterationen<br />
wie <strong>das</strong> „klassische Klatschzentrum“. Der letzte Satz <strong>von</strong> <strong>Wallander</strong>s<br />
Gedankengang „Hier brauchte er nie daran zu denken, wer er war. Auch nicht<br />
daran, daß er recht hatte. Recht hatte damit, daß es keine Gerechtigkeit gab.“ 80<br />
beginnt mit exakt den gleichen Worten wie ihm vorausgehenden Satz, weshalb<br />
diese Satzfolge als Kette bezeichnet wird. Die Akkumulation hingegen erreicht<br />
eine gesteigerte Eindringlichkeit des geschriebenen Wortes durch die Anhäufung<br />
mehrerer Begriffe wie „Zwischen all den Dummheiten, Irrtümern und<br />
Fehlschlüssen (…)“ 81 . 82<br />
Bei der insgesamt grundlegenden melancholisch-mystischen Stimmung aller<br />
Romane verpasst es Mankell nicht auch kommunikative rhetorische Mittel wie die<br />
Ironie („Das ist eine Mutter, die ihre Tochter wirklich liebt (…).“ 83 ) oder <strong>das</strong><br />
Oxymoron („lautlose Alarmsignale“ 84 ) in seinen Plot einzubauen. Ebenso<br />
unterhaltend wirken Mankells Einschübe wie „Dieses Arschloch <strong>von</strong><br />
Staatsanwalt. Er stänkert.“ 85 ; eine Figur, die in der literarischen Fachsprache als<br />
Stilbruch bezeichnet wird. <strong>Wallander</strong>s Einkauf <strong>von</strong> fünf Brillen zaubert dem<br />
78 Mankell. Mittsommermord, S. 196 Z. 19f.<br />
79 Mankell. Die falsche Fährte, S. 370 Z. 20f.<br />
80 Mankell. Mittsommermord, S. 157 Z. 23f.<br />
81 Mankell. Die falsche Fährte, S. 240 Z. 14f.<br />
82 vgl. M. H. Abrams. A Glossary of Literary Terms. (1971).<br />
83 Mankell. Mittsommermord, S. 174 Z. 20.<br />
84 Mankell. Die fünfte Frau, S. 98 Z. 27f.<br />
85 Mankell. Mittsommermord, S. 329 Z. 10; vgl. dazu auch Die falsche Fährte, S. 351 Z. 6.
Die <strong>Wallander</strong>-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 33<br />
Leser ein Lächeln auf die Lippen; die <strong>von</strong> <strong>Wallander</strong> unbemerkte Begegnung mit<br />
Y<strong>von</strong>ne Ander, als diese ihn um die Fahrscheine zwecks einer durchzuführenden<br />
Fahrkartenkontrolle bittet, stellt indessen einen besonderen ‚Gag’ dar. 86<br />
Spannende wie anschauliche Wirkung verbreiten hingegen <strong>das</strong> Paradoxon und die<br />
beiden Formen der Reihung. Die scheinbar widersinnige Aussage <strong>Wallander</strong>s<br />
über Hoover „ …, er ist Marionette und Marionettenspieler zugleich“ 87 erweist<br />
sich im Nachhinein als richtig und erfüllt damit die Kriterien des Paradoxons. Die<br />
Kriterien des Asyndetons, der ersten Form der Reihung, erfüllt dagegen<br />
<strong>Wallander</strong>s Bild des Täters als „Mager, durchtrainiert, barfuß, wahnsinnig“ 88 . Im<br />
Gegensatz zum Asyndeton reiht <strong>das</strong> Polysyndeton Begriffe wie „Regen und Kälte<br />
und Mist“ 89 bewusst mit der Wiederholung des Bindewortes und aneinander und<br />
wirkt somit verstärkt auf den Leser. Sprachlich eigentlich falsch ist dagegen die<br />
Form des Pleonasmus. Die doppelte Wiedergabe des Sachverhalts „<strong>Wallander</strong><br />
gewann den Eindruck, daß Birgersson als Polizeiintendant vorbildlich auftrat, eine<br />
der wirklich seltenen Ausnahmen“ 90 , veranschaulicht dem Leser die Rarität<br />
vorbildlicher Vorgesetzter. 91<br />
Darüber hinaus verzichtet Mankell nicht darauf, die bislang erläuterten<br />
rhetorischen Figuren miteinander zu kombinieren und somit deren Wirkung<br />
nochmals zu verstärken. Folgende Textstelle beinhaltet sowohl eine Metapher als<br />
auch <strong>das</strong> literarische Stilmittel einer Kette: „<strong>Wallander</strong> wollte den Täter dazu<br />
bringen, sich zu bewegen. Bewegliches Wild war leichter zu sehen als <strong>das</strong>, was<br />
sich still verhielt und sich im Schatten verbarg.“ 92<br />
<strong>Henning</strong> Mankell setzt die gesamten literarischen Stilmittel sehr prägnant - vor<br />
allem in retardierenden Momenten und Gedanken - ein, um die Aussagen<br />
einzelner Passagen zu untermauern und bedeutende Szenen seiner Romane<br />
86<br />
vgl. Stefan Ohlerich. Die fünfte Frau (o. J.). In: http://www.x-zine.de; Abrams. A Glossary of<br />
Literary Terms; Mankell. Die fünfte Frau, S. 271 Z. 6ff, S. 278 Z. 14ff.<br />
87<br />
Mankell. Die falsche Fährte, S. 172 Z. 12f.<br />
88<br />
Mankell. Die falsche Fährte, S. 416 Z. 27.<br />
89<br />
Mankell. Die falsche Fährte, S. 261, Z. 5.<br />
90<br />
Mankell. Die falsche Fährte, S. 454, Z. 15ff.<br />
91<br />
vgl. Abrams. A Glossary of Literary Terms.<br />
92<br />
Mankell. Die fünfte Frau, S. 225 Z. 8ff; vgl. dazu auch S. 215 Z. 1 (Metapher und Similli), S.<br />
548 Z. 11f (Similli und Oxymoron).
Die <strong>Wallander</strong>-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 34<br />
herauszuarbeiten. Auf eine abschließende Besprechung des literarischen Stils wird<br />
an diesem Punkt der Arbeit bewusst verzichtet. Ziel dieses Unterabschnittes war<br />
es, den Stil, der den <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romanen zu Grunde <strong>liegt</strong> und letztendlich zu<br />
deren Erfolg beigetragen hat, kurz anzureißen und somit einen ersten Eindruck der<br />
Wirkungsmöglichkeiten literarischer Stilmittel zu vermitteln. Einige weitere<br />
Aspekte zu Mankells Stil werden in den folgenden Unterpunkten jeweils<br />
themenbezogen besprochen.<br />
4.2 Polizeiarbeit ‚en détail’<br />
Eine der Stärken <strong>Henning</strong> Mankells ist die genaue, ja sogar akribische<br />
Beschreibung polizeilicher Arbeit. Durch die zu großen Teilen angewandte<br />
Figurenperspektive gelingt es dem Bestsellerautor, seine Leser intensiv in die<br />
Ermittlungsarbeit <strong>Wallander</strong>s und seiner Kollegen einzubeziehen und somit die<br />
Polizeiarbeit in all ihren Details zu schildern. Es ist ein Genuss für jeden Leser,<br />
sich mit <strong>Wallander</strong> und seinem Ermittlungsteam auf Tätersuche zu begeben oder<br />
sich mit ihnen erneut aufraffen zu müssen, wenn sich verheißungsvolle Spuren als<br />
Sackgassen erweisen. Kein Telefonanruf, keine Tasse Café, aber auch kein<br />
ermittlungstechnischer Fehler wird ausgelassen. 93<br />
4.2.1 Ablauf der Polizeiarbeit<br />
Mankell gelingt es in seinen Büchern einen zu großen Teilen realistischen<br />
Überblick der Ermittlungstätigkeit der Polizei zu geben, so <strong>das</strong>s der Leser einen<br />
Eindruck der Arbeit dieses Berufsstandes gewinnen kann. Er erfährt so <strong>von</strong> den<br />
ersten Arbeitsschritten einer Mordermittlung, deren Reihenfolge <strong>von</strong> <strong>Wallander</strong><br />
und seinen Kollegen stets beharrlich eingehalten wird. Der zunächst<br />
erforderlichen Absperrung folgen gegebenenfalls Videoaufnahmen zur<br />
Beweissicherung, die Feststellung des Todes durch einen Arzt und die sich<br />
anschließende Arbeit der Kriminaltechniker. Steht die Identität des Toten fest,<br />
<strong>liegt</strong> es an den Beamten in Begleitung eines Polizeigeistlichen den Angehörigen<br />
93 Thomas Wörtche. Der Overkill des Krimimarktes. Eine Sammelbesprechung (1998). In:<br />
http://kaliber38.de/woertche/einzelteile/woche98.htm; Stefan Ohlerich. Die falsche Fährte (o. J.).<br />
In: http://www.x-zine.de.
Die <strong>Wallander</strong>-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 35<br />
des Mordopfers die Todesnachricht zu überbringen. Schon in diesem frühen<br />
Ermittlungsstadium wird ein erster Zeitplan des begangenen Verbrechens erstellt,<br />
werden erste Zeugen befragt und die Recherche in den polizeilichen<br />
Datensystemen aufgenommen. In dieser Anfangsphase jeder Ermittlung, die einer<br />
„mühsame[n] Grundlagenarbeit“ 94 gleicht, sind die Kriminalbeamten bemüht, sich<br />
zunächst ein Bild des Toten zu machen und möglichst unvoreingenommen in alle<br />
Richtungen zu ermitteln. 95 Eine Verallgemeinerung der sich daran anschließenden<br />
Ermittlungsschritte ist nur mit vielen Zugeständnissen möglich, die zu einer<br />
Verfälschung ihrer Aussagekraft führen würden, da wie <strong>Wallander</strong> treffend zum<br />
Ausdruck bringt, „eine Verbrechensermittlung (…) nie einer anderen [gleicht],<br />
zumindest nicht in der Tiefe.“ 96 Im Folgenden wird daher auf eine weitere<br />
Darstellung <strong>von</strong> Mankells Schilderung der Polizeiarbeit verzichtet und stattdessen<br />
auf einige Besonderheiten des Autors in Bezug auf dieses Thema eingegangen.<br />
Mankell greift die tatsächlich zweimal täglich stattfindenden Besprechungen der<br />
Kriminalbeamten in Ystad in seinen Romanen auf, um dem Leser den aktuellen<br />
Ermittlungsstand offen zu legen und <strong>das</strong> Geschehene kurz zusammenzufassen. In<br />
einer zunächst stattfindenden Informationsrunde werden dem Leser schließlich die<br />
Ergebnisse der Ermittlungen <strong>von</strong> <strong>Wallander</strong>s Kollegen mitgeteilt, während er<br />
selbst mit dem Ermittlungsleiter unterwegs war. 97<br />
Die Ermittlungserfolge <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong>s und seines Teams basieren letzten Endes<br />
auf einer Mischung aus logischen Schlüssen, labortechnischen<br />
Untersuchungsergebnissen, viel Laufarbeit und einem leicht übertriebenen Maß<br />
an Intuition und Glück. In schriftstellerischer Perfektion gelingt es Mankell dem<br />
außen stehenden Leser durch entsprechende, in die Handlung eingebaute<br />
Textpassagen den notwendigen polizeilichen Erfahrungsschatz näher zu bringen,<br />
so <strong>das</strong>s er ständig den Gedankengängen der Kriminalbeamten folgen und die sich<br />
daraus ergebenden Ermittlungsschritte nachvollziehen kann. Anhand des lockeren<br />
Seils, mit dem Gösta Runfelt an einen Baum gefesselt war, und seiner plötzlichen<br />
94 Mankell. Die fünfte Frau, S. 164 Z. 12.<br />
95 vgl. Mankell. Mittsommermord, S. 197 Z. 2f; Die fünfte Frau, S. 138 Z. 2ff, S. 189 Z. 7f.<br />
96 Mankell. Die fünfte Frau, S. 131 Z. 22ff.<br />
97 vgl. Interview Anhang A, Abb.12; Mankell. Die falsche Fährte, S. 478f;<br />
Mittsommermord, S. 432 Z. 35f; Die fünfte Frau, S. 37ff.
Die <strong>Wallander</strong>-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 36<br />
Abmagerung schließt <strong>Wallander</strong>, <strong>das</strong>s der Blumenhändler in seinem Todeskampf<br />
keinen Widerstand leisten konnte (Die fünfte Frau). 98 Mankells Schilderung der<br />
Polizeiarbeit wird lebendig, indem er seinen Protagonisten typische polizeiliche<br />
Redewendungen in den Mund legt. Mats Eckholm deklariert den Skalpmörder<br />
kurzerhand zu <strong>Wallander</strong>s Täter; Nyberg ist dagegen gespannt, was ihm die<br />
technische Untersuchung der Fingerabdrücke ‚erzählen’ wird. 99 Des Weiteren<br />
geht Mankell in seiner Darstellung des Polizeialltages über die jeweils aktuelle<br />
Mordermittlung hinaus und integriert die tatsächlichen Kriminalitätsschwerpunkte<br />
des Polizeidistriktes Ystad wie den Autoschmuggel, Körperverletzungs- sowie<br />
Verkehrsdelikte in die Handlung. 100<br />
Insgesamt betrachtet schätzt der größte Teil der befragten Leser sowohl den<br />
Ablauf der Polizeiarbeit (44,2%) als auch die allgemeine Ermittlungstaktik<br />
(50,7%) teils realistisch ein. Eine spezifische Auswertung der befragten Polizisten<br />
bestätigte <strong>das</strong> gewonnene Bild. 42,2% der Polizeibeamten bewerten den<br />
geschilderten Ablauf der Polizeiarbeit zum Teil realistisch, gar 64,4% die<br />
dargestellte Ermittlungstaktik. Die beschriebene Spurensicherung als ein<br />
spezifischer Aspekt der Polizeiarbeit stuften 47,9% aller befragten Personen<br />
absolut realistisch ein. Zwar konnten nur 29,5% der Polizeibeamten dieses Urteil<br />
bestätigten, jedoch sahen weitere 45,5% in Nybergs Arbeit realistische<br />
Elemente. 101<br />
4.2.2 Die Schattenseiten der Polizeiarbeit<br />
Angesichts der pedantischen Schilderung der Polizeiarbeit, die schließlich am<br />
Ende jedes Romans zum Erfolg führt und in der Festnahme des Täters ihren<br />
vorläufigen Abschluss findet, verpasst es <strong>Henning</strong> Mankell nicht, die<br />
Schattenseiten dieses Berufes samt der Fehler seiner Protagonisten ins<br />
Rampenlicht zu rücken. Der Beruf des Polizisten wird in Mankells <strong>Kurt</strong>-<br />
<strong>Wallander</strong>-Romanen keinesfalls als DER Traumberuf dargestellt. Entsetzliche<br />
Leichenfunde, die Überbringung ungeliebter Todesnachrichten und eine ständig<br />
98 vgl. Stefan Ohlerich. Die falsche Fährte (o. J.); Mankell. Die fünfte Frau, S. 182f, S. 190 Z.<br />
23ff; vgl. dazu auch Mittsommermord, S. 98 Z. 11ff; Die falsche Fährte, S. 447 Z. 23ff.<br />
99 vgl. Mankell. Die falsche Fährte, S. 171 Z. 24; Mittsommermord, S. 339 Z. 6.<br />
100 vgl. Mankell. Die fünfte Frau, S. 37 Z. 13ff; Mittsommermord, S. 409 Z. 36f, S. 599 Z. 1f.<br />
101 siehe Anhang B, Anlage 2 u. 3 Frage 8 e) f) g).
Die <strong>Wallander</strong>-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 37<br />
zunehmende Gewaltbereitschaft in der Bevölkerung zeigen zudem auf, was es<br />
heißt, in der heutigen Zeit den Beruf des Polizisten auszuüben.<br />
Neben finanziellen Engpässen, etlichen Überstunden, einer maroden Technik und<br />
zwangsläufig verworfenen Urlaubsplanungen, leidet die Ermittlungsgruppe um<br />
<strong>Kommissar</strong> <strong>Wallander</strong> unter dem bestehenden Personalmangel, während die<br />
Arbeitsbelastung der einzelnen Polizeibeamten ständig größer wird. Dies äußert<br />
sich nicht nur in der jeweils aktuellen Mordermittlung; auch andere polizeiliche<br />
Aufgaben wie die Verfolgung <strong>von</strong> Trunkenheitsfahrten müssen angesichts der<br />
begrenzten personellen Kapazitäten hinten anstehen und werden so<br />
vernachlässigt. 102<br />
Während <strong>Wallander</strong> und seine Kollegen mit den widrigen Arbeitsbedingungen<br />
vor Ort kämpfen, kümmert sich die Reichspolizeibehörde um scheinbar<br />
belanglose Dinge wie <strong>das</strong> erneute Aufrollen des Slogans einer „bürgernahen<br />
Polizei“ 103 oder erlässt sinnentleerte Direktiven, „daß die einzelnen Polizeibezirke<br />
ihr Verhältnis zu den Massenmedien verbessern und intensivieren sollten.“ 104<br />
Paradoxerweise steht die Polizei in Ystad zur gleichen Zeit beinahe mittellos den<br />
aufkommenden Bürgerwehren und deren Folgen gegenüber (Die fünfte Frau). 105<br />
Aufgrund bestehender binnenländischer ‚Grenzen’ zwischen den<br />
unterschiedlichen Polizeidistrikten und damit verbundener Formalitäten im Falle<br />
einer ‚Grenzüberschreitung’, werden den Kriminalbeamten immer wieder in ihrer<br />
Arbeit zusätzliche Steine in den Weg gelegt. 106 Während es wie bereits erläutert<br />
an Beamten ‚auf der Straße’ fehlt, scheint der Verwaltungsapparat der<br />
(schwedischen) Polizei zunehmend größer zu werden. 107<br />
Doch auch Mankells Protagonisten sind Menschen und daher nicht unfehlbar in<br />
der Ausübung ihres Berufs. Die Vermisstensache Holger Eriksson wird zunächst<br />
vergessen (Die fünfte Frau), ein Schlauchboot wird unbemerkt aus dem Präsidium<br />
102 vgl. Mankell. Die fünfte Frau, S. 220 Z. 17ff; Die falsche Fährte, S. 64 Z. 27;<br />
Mittsommermord, S. 34 Z. 15ff, S. 409 Z. 36 - S. 410 Z. 2.<br />
103 Mankell. Die fünfte Frau, S. 48 Z. 1.<br />
104 Mankell. Mittsommermord, S. 134 Z. 6 - 8.<br />
105 vgl. Klaus-Peter Walter. Lexikon der Kriminalliteratur. <strong>Henning</strong> Mankell - Die fünfte Frau.<br />
(1999), S. 4; Mankell. Die fünfte Frau, S. 398ff.<br />
106 vgl. Mankell. Mittsommermord, S. 303 Z. 17ff; Die falsche Fährte, S. 254 Z. 9f, S. 350 Z. 6ff.<br />
107 vgl. Mankell. Die fünfte Frau, S. 276 Z. 3ff.
Die <strong>Wallander</strong>-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 38<br />
entwendet (Hunde <strong>von</strong> Riga) und die Erreichbarkeit der einzelnen Beamten ist<br />
aufgrund ausgeschalteter Mobiltelefone keinesfalls durchgehend gesichert. 108 Die<br />
Frage bleibt offen, ob Y<strong>von</strong>ne Ander durch eine professionellere Observation <strong>von</strong><br />
Katarina Taxells Wohnung schneller hätte gefasst werden können oder die<br />
Beamten im Falle einer veranlassten kriminaltechnischen Untersuchung der<br />
Blutlache in Gösta Runfelts Blumengeschäft schneller auf deren Spur gekommen<br />
wären. 109 Hin und wieder verdanken die Beamten es reinem Glück, <strong>das</strong>s es<br />
aufgrund der einen oder anderen Nachlässigkeit zu keinem größeren<br />
Schadensereignis gekommen ist. Welchen Eklat hätte es gegeben, hätte Y<strong>von</strong>ne<br />
Ander Ann-Britt Höglund mit Hanssons Dienstwaffe erschossen? 110<br />
Den negativen Höhepunkt bilden jedoch die straffällig gewordenen<br />
Polizeibeamten. Dabei handelt es sich nicht nur um einen namenlosen Polizisten,<br />
„der Anfang der fünfziger Jahre eine Reihe <strong>von</strong> Morden beging und dann selbst<br />
an der Aufklärung der Verbrechen beteiligt war.“ 111 Auch Svedberg, ein Kollege<br />
aus <strong>Wallander</strong>s unmittelbarer Nähe, kann zweifelsohne zu dieser Gruppe<br />
gerechnet werden, da er in seiner Vergangenheit Åke Larstam zu gefälschten<br />
personenbezogenen Dokumenten verholfen hat. 112 Im Ergebnis wird damit nicht<br />
nur Mankells Hauptfigur <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong>, wie später noch zu sehen sein wird,<br />
realistisch dargestellt; auch der schwedische Polizeiapparat samt seinen Beamten<br />
wird ‚menschlich’ - mit etlichen Fehlern und Schwächen - geschildert.<br />
4.2.3 Das Kollegenverhältnis<br />
Im Einklang mit den bereits geschilderten Missständen der (schwedischen) Polizei<br />
steht auch <strong>das</strong> Kollegenverhältnis <strong>von</strong> <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong>, seiner Vorgesetzten Lisa<br />
Holgersson, Ann-Britt Höglund, dem Computerspezialisten Martinsson, Karl<br />
Evert Svedberg, dem Kriminaltechniker Sven Nyberg und Ove Hansson. Bilden<br />
die sieben Kriminalbeamtinnen und -beamten zwar arbeitstechnisch ein perfekt<br />
108 vgl. Mankell. Hunde <strong>von</strong> Riga, S. 98 Z. 32 - S. 99 Z. 30;<br />
Die fünfte Frau, S. 73 Z. 9, S. 372 Z. 4f.<br />
109 vgl. Mankell. Die fünfte Frau, S. 369 Z. 1ff, S. 434 Z. 28 - S. 441 Z. 22.<br />
110 vgl. Mankell. Die fünfte Frau, S. 537 Z. 22 - S. 539 Z. 27.<br />
111 Mankell. Die falsche Fährte, S. 158 Z. 30ff.<br />
112 vgl. Mankell. Die falsche Fährte, S. 189 Z. 1 - 4.
Die <strong>Wallander</strong>-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 39<br />
eingespieltes Team, <strong>das</strong> sich blind zu verstehen scheint, wird im Laufe der<br />
Romane klar, wie wenig sie über ihr jeweiliges Gegenüber wissen. 113<br />
„Wir wissen nicht viel, (…) [verrät <strong>Wallander</strong> dem Leser in seinen<br />
Gedanken]. Weder die anderen über mich, noch ich über die anderen.<br />
Wir arbeiten zusammen. Vielleicht ein ganzes Berufsleben lang. Aber<br />
was wissen wir eigentlich <strong>von</strong>einander? Nichts.“ 114<br />
Daher ist es nicht verwunderlich, <strong>das</strong>s Hansson um 12.30 Uhr noch nicht einmal<br />
bemerkt hat, <strong>das</strong>s Svedberg an diesem Tag nicht zum Dienst erschienen ist<br />
(Mittsommermord). Innerhalb seines Kollegenkreises konnte <strong>Wallander</strong> lediglich<br />
zu dem bereits verstorbenen Evert Rydberg ein wirklich freundschaftliches<br />
Verhältnis aufbauen. Private Gesprächsthemen gibt es unter den KollegInnen<br />
kaum. Lisa Holgerssons Nachfrage, wie es denn <strong>Wallander</strong> in Rom ergangen sei,<br />
hat ebenfalls den Anschein, eine reine Höflichkeitsfloskel zu sein. 115 Zudem<br />
kämpfen <strong>Wallander</strong>s ältere Kollegen noch mit heftigen Vorurteilen gegenüber<br />
weiblichen Kolleginnen, obwohl deren neue Vorgesetzte Lisa Holgersson wie<br />
auch die junge Absolventin Ann-Britt Höglund in ihrer jeweiligen Tätigkeit<br />
überzeugen. Sowohl Hansson als auch Svedberg, dem es schwerfällt, „weibliche<br />
Kolleginnen zu akzeptieren“ 116 , demonstrieren offen ihren Unmut über diese<br />
Entwicklung. 117<br />
Mankells Schilderung des Kollegenverhältnisses wird <strong>von</strong> keinem Leser als völlig<br />
unrealistisch bewertet. Je 47,4% der befragten Leser schätzten den beschriebenen<br />
Umgang der Kriminalbeamten miteinander sowohl absolut realistisch als auch<br />
teils realistisch ein. Die Mehrzahl der befragten deutschen Polizeibeamten<br />
hingegen bewertet <strong>das</strong> dargestellte Kollegenverhältnis nur in Teilen als<br />
authentisch (59,1%). Trotz der ausführlich geschilderten Missstände innerhalb des<br />
Polizeiapparates, gaben 17,30% der befragten Leser an, ihr Bild <strong>von</strong> der Polizei<br />
hätte sich durch Mankells <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romane positiv verändert. 118<br />
113 vgl. Mankell. Mittsommermord, S. 38 Z.30ff , S. 86 Z. 11ff, S. 130 Z. 7ff, S. 195 Z. 25, S. 29f.<br />
114 Mankell. Mittsommermord, S. 42 Z. 24 - 27.<br />
115 vgl. Mankell. Mittsommermord, S. 44 Z. 11f; Die fünfte Frau, S. 70 Z. 3.<br />
116 Mankell. Die falsche Fährte, S. 57 Z. 20.<br />
117 vgl. Mankell. Mittsommermord, S. 35 Z. 33ff, S. 74 Z. 5, S. 259 Z. 10f; Die fünfte Frau, S. 38<br />
Z. 9ff, S. 411 Z. 10 - 15; Die falsche Fährte, S. 30 Z. 12f, S. 498 Z. 32 - S. 499 Z.4.<br />
118 siehe Anlage B, Anhang 2 u. 3 Frage 8 d) 14).
Die <strong>Wallander</strong>-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 40<br />
4.2.4 Realität und Fiktion<br />
Die <strong>von</strong> Mankell detailliert geschilderten Vorurteile gegenüber Frauen in der<br />
praktischen Polizeiarbeit sind ein sehr gutes Beispiel für dessen exzellente<br />
Recherchearbeit. Wie Frau Westford in unserem Interview bestätigen konnte,<br />
musste auch sie trotz ihrer 32-jährigen Diensterfahrung noch gegen die<br />
Engstirnigkeit einiger Kollegen in Ystad ankämpfen - und <strong>das</strong> trotz eines<br />
landesweiten Frauenanteils <strong>von</strong> 25 %. In liebevoller Feinarbeit gelang es<br />
Mankell, selbst kleinste Details des alltäglichen Polizeidienstes<br />
wirklichkeitsgetreu in seine Romane einfließen zu lassen. Die sagenumwobenen<br />
Gerüchte innerhalb des Polizeiapparates werden in derselben Weise erwähnt wie<br />
unzählige Tassen starken Cafés - ungeachtet seines letztendlichen Geschmacks. 119<br />
Dieses insgesamt äußerst hohe Maß an Realität ist <strong>das</strong> Ergebnis einer<br />
beträchtlichen Recherchearbeit, die jedem Roman des Schweden vorausgeht.<br />
Hilfreich erwiesen sich hierbei für den Autor nicht nur der Richterberuf seines<br />
Vaters, sondern auch gute Freunde unter Polizisten und Staatsanwälten. Die<br />
detaillierten Computerkenntnisse für seinen Roman Die Brandmauer eignete sich<br />
der Schwede z. B. <strong>von</strong> einem 19-jährigen Hacker an. <strong>Henning</strong> Mankell steht zwar<br />
nicht in direktem Kontakt zur schwedischen Polizei, abonniert jedoch die<br />
schwedische Polizeizeitung und eine junge Polizistin schreibt für ihn Erlebnisse<br />
aus ihrem Berufsalltag auf. Die inoffizielle Verwendung der <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-<br />
Romane in Mankells Geburtsland Schweden für die dortige Polizeiausbildung ist<br />
sicherlich eine der größten Anerkennungen für den Autor hinsichtlich seiner<br />
eingebrachten Authentizität. 120<br />
Neben dem bereits in Punkt 2.3 geschilderten realen Hintergrund zu Mörder ohne<br />
Gesicht, mag der Leser mutmaßen, inwiefern die Übereinstimmungen zwischen<br />
<strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong> und seinem realen Kollegen <strong>Kurt</strong> Ingvar Wald, der die Funktion<br />
des leitenden <strong>Kommissar</strong>s in diesem Fall innehatte, zufällig sind. Beide haben<br />
eine Tochter namens Linda, trinken Whiskey, lieben die Oper und haben bzw.<br />
119<br />
vgl. Interview Anhang A, Abb. 12; Mankell. Mittsommermord, S. 346 Z. 5f; Die falsche<br />
Fährte, S. 33 Z. 22ff, S. 45 Z. 27ff, S. 338 Z. 5 - 9.<br />
120<br />
vgl. Literaturportal Schwedenkrimi. Interview mit dem Autoren <strong>Henning</strong> Mankell (2000, 2001);<br />
Interview Anhang A, Abb. 12.
Die <strong>Wallander</strong>-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 41<br />
hatten eine weibliche Vorgesetzte. Mankell gelingt es in seinen Romanen<br />
Wirklichkeit und Fiktion auf eine Weise zu verweben, die seine Romane v. a. für<br />
direkt Betroffene, wie Frau Westford <strong>von</strong> der Polizei in Ystad, mystisch macht. 121<br />
Sieht man <strong>von</strong> den reinen Tatsachenberichten in der Welt der Literatur ab, so<br />
enthält jedes literarische Werk fiktionale Momente. Wohl angesichts der vielen<br />
realen Szenen in <strong>Henning</strong> Mankells Büchern, weist der Autor explizit in mehreren<br />
Nachworten seiner Romane auf die bestehende Freiheit in der Welt des Romans<br />
hin (Hunde <strong>von</strong> Riga, Die fünfte Frau). Wie die Ermittlungstaktik, enthalten auch<br />
Mankells Romanausgänge unrealistische Elemente. <strong>Wallander</strong>s Ablehnung einer<br />
personellen Verstärkung wäre in der polizeilichen Wirklichkeit nicht vertretbar.<br />
Hier weicht Mankell zu Gunsten des literarischen Wertes seiner Bücher <strong>von</strong> der<br />
Wirklichkeit ab, um die Anzahl der Ermittlungsbeamten begrenzt zu halten und<br />
somit eine Identifikation des Lesers mit den Kollegen <strong>Wallander</strong>s weiterhin zu<br />
gewährleisten. Auf realistische Romanausgänge, vor allem unter dem Aspekt der<br />
Eigensicherung, verzichtet Mankell zu Gunsten der Spannung. Svedbergs Frage<br />
„Sollen wir bewaffnet sein?“ 122 als die Kriminalbeamten zu Y<strong>von</strong>ne Anders Hof<br />
fahren, wäre in der Realität völlig überflüssig. Sicherlich ist auch <strong>Wallander</strong>s<br />
alleinige Überwältigung Åke Larstams mittels einer Planke im spärlichen<br />
Mondlicht wesentlich nervenaufreibender als der Einsatz eines<br />
Spezialeinsatzkommandos, <strong>das</strong> dem Landbriefträger völlig überlegen wäre<br />
(Mittsommermord). Mankells Leser sind sich der fiktionalen Szenen vor allem in<br />
den Bereichen der Eigensicherung bewusst. Während erwartungsgemäß<br />
wesentlich mehr befragte Polizeibeamte die dargestellte Eigensicherung ihrer<br />
‚Kollegen’ zumindest in Teilen unrealistisch beurteilten (81,8%), waren immerhin<br />
59,1% aller befragten Leser der gleichen Meinung. Erstaunlicherweise bewerteten<br />
die befragten Gesetzeshüter die Romanausgänge der <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romane<br />
insgesamt realistischer, als der Durchschnitt aller befragten Personen. 123<br />
Obgleich <strong>Henning</strong> Mankell, abgesehen <strong>von</strong> dessen Debütroman Mörder ohne<br />
Gesicht, alle Tatgeschehen in seinen Romanen frei erfunden hat, weisen doch<br />
121 vgl. Interview Anhang A, Abb. 12; Wolfgang Gehrmann. Die richtige Fährte (2000). In:<br />
http://www.zeit.de/2000/42/Reisen/200042_wallander.html.<br />
122 Mankell. Die fünfte Frau, S. 523 Z. 34.<br />
123 siehe Anhang B, Anlage 2 u. 3 Frage 8 h) i).
Die <strong>Wallander</strong>-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 42<br />
einige seiner Fälle erstaunliche Parallelen zu begangenen Taten in der<br />
Wirklichkeit auf. Nach der Veröffentlichung des Romans Vor dem Frost, in dem<br />
Schwäne angezündet werden, mussten Igel in Malmö <strong>das</strong>selbe Schicksal erleiden.<br />
Ein Artikel in der Ausgabe der Schwetzinger Zeitung vom 21. Juni 2004 berichtet<br />
dagegen <strong>von</strong> drei zusammengebundenen Leichen, die am Lake Michigan (USA)<br />
an Land geschwemmt wurden, und ruft damit sofort Erinnerungen an Mankells<br />
Roman Hunde <strong>von</strong> Riga hervor. Ein weiterer Artikel dieser Lokalzeitung<br />
informiert den Leser über einen Suizidversuch, der deutliche Parallelen zu Maria<br />
Dolores Santanas Selbstmord aufzeigt (Die falsche Fährte). Diese drei<br />
exemplarischen Fälle zeigen deutlich, <strong>das</strong>s es dem Autor auf eine beinahe<br />
magische Art und Weise gelingt, Taten vorherzusagen. Das Ergebnis der<br />
vorliegenden Fragebogenauswertung zeigt, <strong>das</strong>s die Menschen - unabhängig <strong>von</strong><br />
ihrem Berufs - den potentiellen Realitätsgrad der Tatgeschehen erkannt haben und<br />
diese zumindest in einigen Punkten als realistisch einschätzen (88,4%).<br />
Erstaunlich ist auch hier der geringere Anteil an Polizeibeamten, die den übrigen<br />
Lesern in ihrer Meinung zustimmen (70,6%). <strong>Henning</strong> Mankells Zitat vom<br />
Beginn dieser Arbeit „Was immer ich schreibe, die Realität ist noch schlimmer.<br />
Das bestätigt sich früher oder später bei jedem meiner Bücher.“ 124 , kann hiermit<br />
als bestätigt angesehen werden.“ 125<br />
Wenngleich der Unterhaltungswert der Bücher insgesamt für die Mehrzahl der<br />
befragten Personen wichtiger ist als deren kriminalistischer Wert, trug <strong>das</strong><br />
allgemein hohe Maß an Authentizität ohne Zweifel mit zum Erfolg der <strong>Kurt</strong>-<br />
<strong>Wallander</strong>-Serie bei. 126<br />
124<br />
Literaturportal Schwedenkrimi. Interview mit dem Autoren <strong>Henning</strong> Mankell (2000).<br />
125<br />
vgl. Interview Anhang A, Abb. 12; siehe Anhang A, Abb. 4 u. 5; Anhang B, Anlage 2 u. 3<br />
Frage 8 a).<br />
126<br />
siehe Anhang B, Anlage 2 Frage 11 a) b), siehe dazu auch: Frage 13c) u. Anhang A, Abb. 2.
Die <strong>Wallander</strong>-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 43<br />
4.3 Gesellschaftskritik<br />
„Erst nachdem ich den achten und letzten Teil der Serie über <strong>Kurt</strong><br />
<strong>Wallander</strong> geschrieben hatte, wurde mir klar, welchen Untertitel ich<br />
die ganze Zeit gesucht, aber nicht gefunden hatte. Als alles, oder<br />
zumindest <strong>das</strong> meiste, geschrieben war, erkannte ich, daß der<br />
Untertitel »Romane über die europäische Unruhe« lauten müßte.“ 127<br />
Mit diesen ersten Worten <strong>Henning</strong> Mankells zu seinem Werk <strong>Wallander</strong>s erster<br />
Fall betont der Romancier explizit die sich in allen seinen <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-<br />
Romanen wieder findende gesellschaftskritische Komponente. Ganz in der<br />
Tradition des skandinavischen Kriminalromans bedient sich auch Mankell seiner<br />
Romane, um seinen Lesern die Missstände der Gesellschaft, in der sie leben, vor<br />
Augen zu führen. Schließlich waren es diese, die Mankell dazu veranlassten, die<br />
Figur des <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong> zu erschaffen und letztendlich aus ihr einen<br />
‚Serienhelden’ zu kreieren. Obgleich die Romane rein technisch dem Genre der<br />
Kriminalliteratur zuzuordnen sind, schreibt Mankell in seinem Herzen<br />
gesellschaftskritische Romane. Allen <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romanen <strong>liegt</strong> daher eine<br />
politisch motivierte Frage zu Grunde. Während sein Debütroman Mörder ohne<br />
Gesicht <strong>das</strong> Problem der Fremdenfeindlichkeit in Südschweden aufgreift, widmet<br />
sich der Autor in Die fünfte Frau einem heute noch, v. a. in den gehobenen<br />
Bevölkerungsschichten, absoluten Tabuthema: Der Gewalt gegen und dem<br />
Missbrauch <strong>von</strong> Frauen. 128<br />
Mankell überlässt es dabei keineswegs dem Zufall, ob sich der Leser seiner<br />
Botschaft in den Romanen bewusst wird, sondern bringt seine Kritik am<br />
schwedischen Wohlfahrts- und Rechtsstaat gleich multidimensional zum<br />
Ausdruck. Kein Täter, kein Verbrechen wurde <strong>von</strong> Mankell zufällig entwickelt;<br />
seine literarischen Serienmorde spiegeln stattdessen den Zustand der Gesellschaft<br />
wider. In einem Interview bezüglich der Veröffentlichung des Romans Die<br />
falsche Fährte gab Mankell mit aller Deutlichkeit zu verstehen: „Es gibt keine<br />
schlechten Menschen, nur schlechte Umstände“ 129 und machte damit klar, <strong>das</strong>s<br />
127 <strong>Henning</strong> Mankell. <strong>Wallander</strong>s erster Fall, S. 1 Z.1-5.<br />
128 vgl. Peter <strong>Henning</strong>. Mich interessiert die Spirale des Unglücks. In: Tamedia AG (Hg.): Facts.<br />
Das Schweizer Nachrichtenmagazin 24. Zürich: Hans Heinrich Conxinx, (1999). S. 138.<br />
129 Peter <strong>Henning</strong>. Mich interessiert die Spirale des Unglücks. (1999). S. 138.
Die <strong>Wallander</strong>-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 44<br />
<strong>das</strong> Böse in einem Menschen seiner Meinung nach ein Resultat der Gesellschaft<br />
sei. Mankells Täter morden also nicht ohne Grund. Hoovers Motiv hatte seinen<br />
Ursprung in der Unfähigkeit des Justizsystems und endete letztendlich in einem<br />
Rachefeldzug für seine geschändete Schwester Louise (Die falsche Fährte). 130<br />
<strong>Henning</strong> Mankell sympathisiert nicht mit den Tätern, obgleich er klarstellt, <strong>das</strong>s<br />
sie für ihn in gewisser Weise Opfer der heutigen Gesellschaft darstellen; in einer<br />
Gesellschaft, in der die Kluft „zwischen Arm und Reich, zwischen den<br />
Erfolgreichen und den Ausrangierten“ 131 immer größer wird. Fehlende soziale<br />
Bindungen und Kontakte sowie die Sorgen um seine Arbeitslosigkeit lassen es für<br />
Åke Larstam, der für die zuletzt genannten Menschen steht, unerträglich werden,<br />
glückliche Menschen zu sehen (Mittsommermord). Mankell hält diese Menschen<br />
nicht für unschuldig, möchte jedoch mit seiner Opfertheorie zum Ausdruck<br />
bringen, <strong>das</strong>s die tieferen Gründe für Taten dieser Art in der Gesellschaft zu<br />
suchen sind. Ein Mensch wird ebenso wenig als Verbrecher geboren wie der<br />
Gesellschaft die alleinige Schuld hierfür gegeben werden kann. In diesem<br />
Zusammenhang ist Mankells Verwendung des Wortes ‚Opfer’ leicht<br />
missverständlich. Die Aufklärung des Tatmotivs muss neben der Täterfestnahme<br />
vorrangiges Ziel jeder polizeilichen Ermittlung sein. Nur so ist es möglich,<br />
Verbrechen dieser Art, zumindest im theoretischen Ansatz, langfristig zu<br />
bekämpfen. 132<br />
Indem Mankell der Suche nach dem Motiv ebenso viel Platz in seinen Büchern<br />
einräumt wie der Suche nach dem Täter, leistet er hierzu den ersten Schritt und<br />
zeigt dem Leser, wo die Ursachen solcher Verbrechen zu finden sind. <strong>Wallander</strong><br />
will verstehen, wie es dazu kommen kann, <strong>das</strong>s ein 14-jähriger Junge vier Männer<br />
skalpiert, die Augen verätzt und einen ihrer Köpfe in einem Backofen gart (Die<br />
falsche Fährte). In der Gewichtung der Motivfrage hebt Mankell sich deutlich <strong>von</strong><br />
anderen Vertretern seines Genres ab und lässt bereits an diesem Punkt erahnen,<br />
welchen Stellenwert die sozialkritische Komponente in seinen Romanen innehat.<br />
130<br />
vgl. Wissen.de. Interview mit <strong>Henning</strong> Mankell: „Wir leben in einer schrecklichen Welt“<br />
(o. J.).<br />
131<br />
Literaturportal Schwedenkrimi.de. Interview mit dem Autoren <strong>Henning</strong> Mankell (2000).<br />
In: http://www.schwedenkrimi.de; vgl. dazu auch Mankell. Die fünfte Frau, S. 298 Z. 5ff.<br />
132<br />
vgl. ZDF.de. Serienkiller sind nicht nur ein Phänomen Amerikas (2001). In: http://www.zdf.de.
Die <strong>Wallander</strong>-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 45<br />
Die Auswirkungen des gesellschaftlichen Wandels werden jedoch nicht nur durch<br />
Täter und Tote deutlich. Mit <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong> gelingt es Mankell, seine persönliche<br />
Sichtweise über <strong>das</strong> Interieur der schwedischen Gesellschaft mit der eigentlichen<br />
Handlung zu verstricken und hebt seinen Kriminalbeamten so zum moralischen<br />
Sprachrohr seiner Romane empor. 133 Mit <strong>Wallander</strong> will Mankell jedoch den<br />
Leser nicht belehren; der <strong>Kommissar</strong> verkörpert echte Sorge. Wie kein anderer<br />
seiner Charaktere lässt Mankell ihn getreu seiner eigenen wertkonservativen<br />
Einstellung über die Abgründe der (schwedischen) Gesellschaft sinnieren.<br />
<strong>Wallander</strong> kann deren moralischen Zusammenbruch nicht überwinden. Durch<br />
seinen Beruf wird er überdies direkt mit den zu anfangs geschilderten<br />
Konsequenzen einer härter werdenden Gesellschaft konfrontiert, was ihn mit<br />
jedem weiteren Mord seiner Karriere fassungsloser vor der wachsenden Brutalität<br />
einiger Menschen stehen lässt. In seinen Gedanken und Ängsten, die sich im<br />
Laufe der Romanserie verändern, kann der Leser trefflich den sich vollziehenden<br />
gesellschaftlichen Wandel ablesen. 134<br />
<strong>Wallander</strong> ist mit seinen Sorgen über die Zukunft der (schwedischen) Gesellschaft<br />
jedoch kein Ausnahmefall. Fast schon genial zeigt Mankell seinen Lesern, <strong>das</strong>s<br />
diese Ängste nicht nur ein Problem weniger vereinsamter Personen sind, indem er<br />
sie an den Sorgen seiner Haupt- wie Nebenfiguren Teil haben lässt. Halt suchend<br />
widmen sich die Bürger Schonens den unterschiedlichsten Dingen. Für<br />
<strong>Wallander</strong>s Vater stellt seine Malerei mit dem immer wiederkehrenden Motiv des<br />
Auerhahns die einzig feste Instanz in diesem Chaos dar. 135 Zuflucht und Schutz<br />
suchen jedoch auch andere; <strong>Wallander</strong> in Verdis Opern, Y<strong>von</strong>ne Ander in ihren<br />
Zeitplänen und Holger Eriksson in seinen Gedichten über aus Schweden<br />
‚fliehende’ Vögel (Die fünfte Frau). Betrachtet man jedoch die Motivation für die<br />
Malerei <strong>von</strong> <strong>Wallander</strong>s Vater oder die akribischen Zeitpläne im Leben der<br />
Y<strong>von</strong>ne Ander genauer, so symbolisieren sie „in einem Umkehrschritt den<br />
133 vgl. Mankell. Die fünfte Frau, S. 234 Z. 17-31, S. 429 Z. 36 - S. 430 Z. 8.<br />
134 vgl. Sens, S. 14; Christian Wymann. Moral und Verantwortung (2001) In:<br />
http://www.wallander.ch; <strong>Henning</strong>, S. 139; ZDF.de. Serienkiller sind nicht nur ein Phänomen<br />
Amerikas (2001); Literaturportal Schwedenkrimi.de. Interview mit dem Autoren <strong>Henning</strong> Mankell<br />
(2000).<br />
135 vgl. Mankell. Die fünfte Frau, S. 140 Z. 22-26.
Die <strong>Wallander</strong>-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 46<br />
fließenden Übergang zum Wahnsinn“ 136 und münden erneut ins Chaos. 137<br />
Auffällig viele Zeugen in Die fünfte Frau leben in völliger Abgeschiedenheit. Die<br />
Frage bleibt wohl bewusst offen, ob sie Opfer des gesellschaftlichen Wandels sind<br />
oder vor diesem auf der Flucht. Wie Kritik letztendlich kaum<br />
unmissverständlicher sein kann, verkündet Holger Eriksson im selben Roman,<br />
<strong>das</strong>s die Gesellschaft dabei ist „vor die Hunde zu gehen“ 138 . Trotz lautstarker<br />
Unmutsäußerungen bekommt der Leser den Eindruck, <strong>das</strong>s die älteren Menschen<br />
der momentanen Situation hilflos gegenüber stehen und sich in Erinnerungen an<br />
vergangene Zeiten flüchten. 139 Anders die jungen Menschen; sie versuchen<br />
Antworten auf ihre Fragen nach dem Warum zu finden. Paradoxerweise lässt<br />
Mankell sie hierbei auf <strong>Wallander</strong> stoßen, der sich wiederholt als unfähig erweist<br />
und die Gespräche beendet. 140 Die heranwachsende Generation als Zeichen<br />
Mankells, <strong>das</strong>s es noch nicht zu spät ist, um die Ursachen der Probleme zu<br />
erforschen und diesen zu begegnen? 141<br />
Tatsächlich verfolgt der Bestseller-Autor mit diesem sowohl offensiven wie<br />
intensiven Umgang mit dieser Thematik gleich zwei Ziele und spricht<br />
dementsprechend verschiedene Bevölkerungsgruppen an. Zunächst möchte der<br />
Romancier die Bevölkerung auf mögliche Zukunftsszenarien vorbereiten bzw.<br />
dafür sensibilisieren, indem er versucht in seinen Geschichten „Dinge<br />
aufzugreifen, bevor sie passieren“ 142 . Tatsächlich gelingt dies dem Schweden<br />
auch, wie bereits im vorigen Kapitel ausführlich dargestellt wurde. Obwohl<br />
Mankell seit Jahren in Afrika lebt und dort die meiste Zeit des Jahres verbringt,<br />
wisse der Autor sehr gut was in Schweden passiert, gibt Frau Westford in unserem<br />
Interview zu verstehen. Im Ergebnis hat die schwedische Gesellschaft mit exakt<br />
denselben Problemen zu kämpfen wie die Bundesrepublik Deutschland. Die<br />
Arbeitslosenrate steigt unaufhörlich, viele Menschen fühlen sich vergessen und<br />
reagieren aggressiv. Die Schreckensmeldungen <strong>von</strong> rechtsextremen Gewalttaten<br />
136 Krieg, S. 86.<br />
137 vgl. Krieg, S. 85f.<br />
138 Mankell. Die fünfte Frau, S. 153 Z. 12f.<br />
139 vgl. Mankell. Die fünfte Frau, S. 298 Z. 21f.<br />
140 vgl. Mankell. Die fünfte Frau, S. 234 Z. 4ff, S. 297 Z. 12ff; Mittsommermord, S. 58 Z. 21ff.<br />
141 vgl. Klaus-Peter Walter. Lexikon der Kriminalliteratur. <strong>Henning</strong> Mankell-Die fünfte Frau, S.4.<br />
142 Literaturportal Schwedenkrimi.de. Interview mit dem Autoren <strong>Henning</strong> Mankell (2001).
Die <strong>Wallander</strong>-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 47<br />
reissen nicht ab, Jugendliche fühlen sich nutzlos und unwillkommen. Obwohl die<br />
Emanzipation der Frauen weit fortgeschritten ist, haben beide Länder mit einer<br />
hohen Dunkelziffer im Bereich des Missbrauchs <strong>von</strong> Frauen und Kindern zu<br />
kämpfen. Die Politiker scheinen diesen gesellschaftspolitischen Themen hilflos<br />
gegenüber zu stehen, der Rechtsstaat an einigen Stellen zu versagen. In ihrer<br />
Verzweiflung verhelfen sich Menschen wie Y<strong>von</strong>ne Ander zu ihrem und anderer<br />
‚Recht’ und gehen den in ihren Augen einzig gebliebenen Weg, auch wenn es<br />
letztendlich der falsche ist. Anhand der Analyse der politischen Entwicklung und<br />
der damit einhergehenden Offenbarung der in der Tiefe liegenden Krankheiten<br />
des schwedischen Rechtsstaates, wendet sich Mankell überdies speziell an die<br />
Politiker der Länder des europäischen Kontinents - Kritik, die jedoch <strong>von</strong> den<br />
reichen Ländern unserer Welt nur ungern gehört wird. 143<br />
Nach Lösungsansätzen für die geschilderten Probleme sucht der Leser in<br />
Mankells <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romanen vergebens. Hier präsentiert sich Mankell<br />
bürgerlich-neutral, zumal es nicht <strong>Wallander</strong>s Charakter entsprechen würde, die<br />
passenden Antworten zu den komplexen Problemen dieser Art parat zu haben.<br />
Trotzdem belässt es Mankell nicht beim Schreiben über die gesellschaftlichen<br />
Probleme der Gegenwart. Im wirklichen Leben engagiert sich der Autor vor allem<br />
für seine Wahlheimat Afrika in politischen wie gesellschaftlichen Bereichen - wie<br />
zum Beispiel dem Kampf gegen AIDS - und liefert damit <strong>das</strong> beste Vorbild, <strong>das</strong><br />
er sich für seine Romane wünschen könnte, selbst und wird demzufolge in seiner<br />
Botschaft glaubhaft.<br />
Insgesamt betrachtet erweist sich <strong>Henning</strong> Mankell als ein Mensch, der die Augen<br />
nicht vor den Fehlern der westlichen Zivilisationen verschließt, sondern diese an<br />
den Pranger stellt. In seiner Kritik am schwedischen Wohlfahrts- und Rechtsstaat,<br />
der mit seinen Problemen stellvertretend für die meisten Staaten Europas steht,<br />
präsentiert sich Mankell als ernst zu nehmender und glaubhafter Mann. Trotz der<br />
umfassenden gesellschaftskritischen Komponente, die seinen Romanen eine<br />
melancholische, manchmal auch deprimierende Grundstimmung verleiht,<br />
143 vgl. Christian Wymann. Moral und Verantwortung (2001); Krieg, S. 86; Literaturportal<br />
Schwedenkrimi.de. Interview mit dem Autoren <strong>Henning</strong> Mankell (2000).
Die <strong>Wallander</strong>-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 48<br />
überschreitet der Bestsellerautor zu keinem Zeitpunkt die Grenze, hinter der „die<br />
Handlung nur noch als Vehikel für die Kritik dient. Eine wichtige Voraussetzung<br />
für seinen internationalen Erfolg“ 144 . 145<br />
In den Augen der Leser spielt Mankells eingebrachte Gesellschaftskritik für die<br />
Gesamtbeurteilung der <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romane unterschiedlich wichtige Rollen.<br />
In einer Umfrage der deutschen <strong>Wallander</strong>-Fanseite http://www.wallander-web.de<br />
vom März 2003 sahen 28% der Leser Mankells subtile Gesellschaftskritik als<br />
wichtigsten Faktor für den internationalen Großerfolg dieser Kriminalromanserie<br />
an. In hiesiger Meinungsumfrage beurteilten gar 39,80% der befragten Leser<br />
Mankells gesellschaftskritische Komponente als sehr wesentlich für deren<br />
Gesamtbeurteilung der Romane, die wiederum deren Erfolg begründet.<br />
Andererseits darf dieser Aspekt jedoch nicht bei der Suche nach möglichen<br />
Erfolgsgründen überbewertet werden. Immerhin 25,00 % der Leser sehen in der<br />
Gesellschaftskritik ein unwesentliches Element, gar 5,10% ein völlig<br />
unwesentliches. 146<br />
144 Sens, S. 18.<br />
145 vgl. Sens, S. 18; Ludger Menke. <strong>Henning</strong> Mankell - steget efter - dt.: Mittsommermord (o. J.).<br />
In: http://www.der-buecherfreund.de/krimi/mankell2.html .<br />
146 siehe Anhang A, Abb. 2; Anhang B, Anlage 2 Frage 13e)
Die <strong>Wallander</strong>-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 49<br />
4.4 <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong> - (k)ein Superheld?<br />
Während die Entwicklung des Verbrechens in der Geschichte der<br />
Kriminalliteratur immer brutalere und beinahe groteske Formen annahm, verlief<br />
die Entwicklung der ihnen entgegenwirkenden Individuen beinahe durchgängig<br />
diametral. Die Ermittler des ausklingenden 20. Jahrhunderts und des nunmehr neu<br />
begonnenen 21. Jahrhunderts verkörpern nicht mehr den klassischen Überhelden,<br />
sondern sind <strong>von</strong> weicherem Charakter gezeichnet, kommen fürwahr nicht mehr<br />
mit ihren Aufgaben, den gesellschaftlichen Um- und Missständen im Allgemeinen<br />
und der daraus resultierenden sinnlosen Brutalität zurecht. 147<br />
Ist <strong>Henning</strong> Mankell diesem Trend mit <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong>, dem Kriminalkommissar<br />
aus dem südschonischen Ystad, gefolgt oder schlägt er in Bezug auf seine<br />
Hauptfigur neue Wege ein?<br />
4.4.1 Die familiären Eckdaten<br />
<strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong>, geboren 1947, wächst zusammen mit seinen Eltern und seiner<br />
Schwester Kristina in Klagshamn, etwas außerhalb <strong>von</strong> Malmö, in einer alten<br />
umgebauten Schmiede auf. Nach anfänglichen Berufswünschen Pressefotograph<br />
bzw. Opernsänger zu werden, beginnt <strong>Kurt</strong> zum großen Unverständnis seines<br />
Vaters im Alter <strong>von</strong> 18 Jahren eine Ausbildung bei der Polizei in Malmö, wo er<br />
auch die ersten Jahre als Streifenpolizist tätig ist. <strong>Wallander</strong> heiratet 1970 seine<br />
Freundin Mona; noch im selben Jahr kommt ihre Tochter Linda zur Welt. Als<br />
<strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong> im Sommer 1976 die Zusage für eine Stelle bei der<br />
Kriminalpolizei in Ystad bekommt, zieht die dreiköpfige Familie in die<br />
Zweizimmerwohnung eines Mehrfamilienhauses in der Mariagatan, einer<br />
schmucklosen Wohnstraße im Osten Ystads.<br />
Linda, die nach zwei Selbstmordversuchen eine lange Selbstfindungsphase<br />
durchlebt, zieht früh aus und so wohnt <strong>Wallander</strong> nach der Trennung <strong>von</strong> seiner<br />
Frau alleine in der ehelichen Wohnung. Noch Jahre nach der Trennung, die<br />
<strong>Wallander</strong> nie überwinden wird, hat er große Sehnsucht nach Mona und hofft<br />
ständig auf eine Versöhnung mit ihr. Als diese für <strong>Kurt</strong> völlig überraschend die<br />
Scheidung einreicht, versinkt er in Kummer und Selbstmitleid; sein<br />
147 vgl. Krieg, S. 9.
Die <strong>Wallander</strong>-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 50<br />
Selbstwertgefühl ist am Boden. Erst als er beinahe seinen Führerschein einbüßen<br />
muss, wird ihm sein Lebenswandel bewusst und es gelingt <strong>Wallander</strong> sich<br />
langsam aufzuraffen. Es vergeht eine lange Zeit, bis zwischen den geschiedenen<br />
Eheleuten eine Begegnungsebene der Normalität entstehen kann. 148<br />
Mankell wollte mit <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong> alles andere als einen leicht fassbaren<br />
Charakter schaffen. Während die ersten Fakten einen nüchternen Eindruck seiner<br />
Hauptfigur hinterlassen, lernt der Leser im Laufe der Romanserie einen mit<br />
„zahlreichen, wenn auch klischeehaften Widerhaken ausgestatteten“ 149 Mann im<br />
besten Alter kennen.<br />
4.4.2 Eine Hauptfigur mit vielen Facetten<br />
<strong>Wallander</strong> gibt sich gänzlich seiner Arbeit hin, die, so kann man berechtigt<br />
mutmaßen, ursächlich für <strong>das</strong> Scheitern seiner Ehe ist. Weder unzulängliche<br />
Arbeitsbedingungen noch unzählige unbezahlte Überstunden schmälern<br />
<strong>Wallander</strong>s Motivation; vielmehr werden diese nach der Scheidung mehr und<br />
mehr zu einer lieb gewonnenen Begründung, nicht in die leere Wohnung<br />
zurückkehren zu müssen. <strong>Wallander</strong> ist praktisch immer im Dienst, jedoch führen<br />
seine oftmals unorthodoxen Arbeitsweisen und sein ausgesprochen sturer<br />
Charakter mitunter zu Problemen. Seit seinem ersten Fall agiert <strong>Wallander</strong> viel zu<br />
oft auf eigene Faust. In seinen Ermittlungen verstößt der <strong>Kommissar</strong> häufig gegen<br />
polizeiliche Vorschriften. Zeugen werden zum Reden gebracht (Die falsche<br />
Fährte), Åke Larstams Wohnung ohne jeglichen Durchsuchungsbeschluss<br />
aufgebrochen (Mittsommermord) und <strong>Wallander</strong>s Überwältigung Harderbergs<br />
stellt <strong>von</strong> juristischer Seite gar einen gefährlichen Eingriff in den Luftverkehr dar<br />
(Der Mann, der lächelte). Einen negativen Höhepunkt seiner beruflichen Karriere<br />
stellt mit Sicherheit die Ermittlung gegen ihn wegen Polizeiwillkür dar, der sich<br />
<strong>Wallander</strong> in seinem letzten Fall Die Brandmauer zu stellen hat. 150<br />
148 vgl. Daniel Imort. <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong> (o. J.) In: http://www.wallander-web.de; Bianca Reineke.<br />
Der Ritter <strong>von</strong> der traurigen Gestalt (2000); Ystads Kommun, S. 4; Sens, S. 132ff, 148f.<br />
149 Krieg, S. 88.<br />
150 vgl. Reineke. Der Ritter <strong>von</strong> der traurigen Gestalt; Thomas Gohlis. <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong>, Held<br />
unserer Zeit (2001). In: http://www.zeit.de/2001/45/Kultur/print_200145_ka-krimi.html; Ystads<br />
Kommun, S. 4; Mankell. Die falsche Fährte, S. 207 Z. 13ff, S. 294; Mittsommermord, S. 499ff;<br />
Der Mann, der lächelte, S. 369 Z. 35 - S. 370 Z. 21.
Die <strong>Wallander</strong>-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 51<br />
Trotz jahrelanger Polizeiarbeit ist <strong>Wallander</strong> sensibel und empfindlich geblieben.<br />
Die Grausamkeit des Verbrechens erschüttert ihn zunehmend im Alter, reist ihn<br />
aus seinen Gedanken, in denen er sich nach der einst heilen Welt zurücksehnt -<br />
„eine Welt ohne sinnlose Gewalt, ohne brutale Übergriffe, ohne rasante politische<br />
Veränderungen, die unter anderem Rassismus und gesellschaftliche Übergriffe<br />
mitsichbringt.“ 151 Auch die Sehnsucht nach einer heilen familiären Welt zermürbt<br />
den allein lebenden <strong>Kommissar</strong>. Ständig hin und her gerissen zwischen dem<br />
Bedürfnis nach Zweisamkeit und der bestehenden Bindungsangst, gelingt es dem<br />
geschiedenen Mann nicht, eine neue Beziehung einzugehen. Sowohl der<br />
Annäherungsversuch an die Staatsanwältin Anette Brolin als auch die Beziehung<br />
zu der verwitweten lettischen Übersetzerin Baiba Liepa misslingt; lediglich in<br />
seinen Träumen erfährt der <strong>Kommissar</strong> erotische Momente mit verschiedensten<br />
Frauen. Die Einsamkeit dieses Mannes spiegelt sich auch in dem bereits unter<br />
Kapitel 4.2.2 geschilderten Kollegenverhältnis wider. Lediglich seinem früheren<br />
Mentor Evert Rydberg kann er <strong>das</strong> nötige Vertrauen entgegenbringen und eine<br />
über <strong>das</strong> kollegiale Miteinander hinausgehende Freundschaft zu ihm aufbauen.<br />
Über seinen Tod hinaus ist er <strong>Wallander</strong>s Vorbild und selbst seine einfühlsame<br />
Kollegin Ann-Britt Höglund kann ihm diesen Freund nicht ersetzen. Als einzigen<br />
Freund <strong>Wallander</strong>s außerhalb des Polizeiapparates lernt der Leser den<br />
Pferdezüchter Sten Widén kennen. Die Einsamkeit des <strong>Kommissar</strong>s findet<br />
schließlich ihren Zenit als <strong>Wallander</strong> zum Mobbingopfer wird (Die<br />
Brandmauer). 152<br />
Neben der Oper, gehören der Whisky, literweise Kaffee und Wienerbröd zu<br />
<strong>Wallander</strong>s Vorlieben. Trotz wiederkehrender guter Vorsätze gelingt es dem<br />
übergewichtigen <strong>Kommissar</strong> nicht, seine Ernährung, die größtenteils aus Fastfood<br />
und unzähligen Konditoreibesuchen besteht, umzustellen oder sich mehr<br />
Bewegung zu verordnen. Der ihm diagnostizierten Diabetes versucht der unter<br />
Schlafstörungen leidende <strong>Wallander</strong> in seiner Angst vor dem Älter werden und<br />
der sich abzeichnenden schlechter werdenden Gesundheit zu verdrängen.<br />
151<br />
Reineke. Der Ritter <strong>von</strong> der traurigen Gestalt.<br />
152<br />
vgl. Reineke. Der Ritter <strong>von</strong> der traurigen Gestalt; Thomas Gohlis. <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong>, Held<br />
unserer Zeit (2001); Krieg, S. 88.
Die <strong>Wallander</strong>-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 52<br />
In dieser Lebensphase verfällt <strong>Wallander</strong> mehr als einmal in eine melancholische<br />
Stimmung. Er fragt nach dem Sinn des Lebens. Nicht sein Leben, sondern <strong>das</strong><br />
Leben überhaupt und bezieht diese großen Lebensfragen in seinen Arbeitsalltag<br />
mit ein. Am Abend bleibt <strong>Wallander</strong> häufig an der Whiskyflasche hängen und<br />
versucht bei den Klängen Verdis seine Sorgen zu vergessen. Sorgen, die er sich<br />
auch um seine Tochter Linda und seinen alten Vater macht, deren Lebenswandel<br />
er nicht nachvollziehen kann. <strong>Wallander</strong> versteht sich nach dem Auszug der<br />
Tochter wieder zunehmend besser mit ihr und die Besuche und Telefonate Lin<strong>das</strong><br />
muntern in auf. Das Verhältnis zu seinem schwer kranken Vater, seinem einzig<br />
gebliebenen Familienmitglied, bleibt bis kurz vor dessen Tod angespannt;<br />
Besuche enden oft im Streit. Ohne es zu jedoch merken, wird <strong>Wallander</strong> im Laufe<br />
der Romanserie seinem Vater, der ihm selbst fremd erscheint, immer ähnlicher. 153<br />
Der Mann mit dem alten blauen Peugeot ist wahrlich kein Superheld; nicht clever<br />
wie Sherlock Holmes, „nicht sexy wie James Bond, nicht cool wie Philip Marlow<br />
und schon gar nicht skrupellos wie Dirty Harry“ 154 . Ein ganz normaler Mensch;<br />
ständig begleitet <strong>von</strong> privaten Konflikten und seinen eigenen körperlichen wie<br />
psychischen Schwächen; „mit Ecken und Kanten, mit Zweifeln und Sorgen“ 155 .<br />
„Ein Mensch wie du und ich.“ 156<br />
4.4.3 Die andere Seite des <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong><br />
Doch Mankell gelingt es seinen auf den ersten Blick misanthrop wirkenden<br />
Kriminalbeamten liebenswert zu machen, indem er die Leser, exklusiv nur die<br />
Leser, teilhaben lässt an seinem Innenleben. Weder seine Kollegen noch<br />
Familienmitglieder ahnen etwas <strong>von</strong> dieser Seite des <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong>. Ein<br />
<strong>Kommissar</strong>, der ständig mit seinem schlechten Gewissen, herrührend <strong>von</strong> zu<br />
seltenen Anrufen bei seiner Tochter und nicht eingehaltenen Besuchen bei seinem<br />
153<br />
vgl. Reineke. Der Ritter <strong>von</strong> der traurigen Gestalt; Gohlis. <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong>, Held unserer Zeit;<br />
Christian Wymann. <strong>Wallander</strong>s schlimme Fälle (2001). In: http://www.wallander.ch; Ystads<br />
Kommun, S. 4.<br />
154<br />
Walter Wüllenweber. <strong>Wallander</strong>s Welt (2001).<br />
155<br />
Krieg, S. 92.<br />
156<br />
Börsenverein des deutschen Buchhandels. Börsenblatt Extra Krimi 47, S. 36.
Die <strong>Wallander</strong>-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 53<br />
Vater, kämpft. Ein <strong>Kommissar</strong>, der schüchtern ist und sich nach Zweisamkeit<br />
sehnt. Ein <strong>Kommissar</strong>, der Angst hat. 157<br />
<strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong> hat jedoch noch eine andere Seite. Dieser melancholische und<br />
zeitweise wütend um sich schlagende Mann verwirklicht den Traum vieler Leser.<br />
In einer mittlerweile unüberschaubaren, chaotischen und mutmaßlich<br />
unregierbaren Welt tritt er nicht nur aus Berufsgründen, sondern auch aus einem<br />
inneren Bedürfnis - einem Gefühl der Ehre - den alleinigen Kampf gegen <strong>das</strong><br />
Übel an, „auch wenn er selber der Ansicht ist, dieses gelinge ihm nicht immer<br />
oder zu spät“ 158 . Obwohl <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong> mehr als einmal an der Richtigkeit<br />
seiner Berufswahl zweifelt, bisweilen sogar daran denkt, seine Uniform<br />
sprichwörtlich an den Nagel zu hängen und sich bei einer privaten<br />
Sicherheitsfirma zu bewerben, lebt er für seinen Beruf. Private Wünsche stellt er<br />
strikt hinter seine berufliche Pflicht. 159 Leidend, aber zäh durchhaltend zeigt er,<br />
<strong>das</strong>s auch heute noch der Einzelne Gutes für die Allgemeinheit tun kann. Durch<br />
zielstrebige aber auch hartnäckige Arbeit, kombiniert mit genialer Intuition,<br />
gelingt es ihm am Ende jedes Romans, den bzw. die Täterin zu ergreifen. Doch<br />
anstatt eines strahlenden und jubelnden Superhelden erlebt der Leser einen<br />
erschöpft wirkenden <strong>Kommissar</strong>, der müde und still nach Hause schleicht. 160<br />
„Der strahlende Detektiv, der unmenschlich und unangefochten über allen<br />
Dingen steht, hat ausgedient“ 161 . Stattdessen hat Mankell mit seinem <strong>Kommissar</strong><br />
einen weitaus passenderen Helden geschaffen, einen „Helden unserer Zeit“ 162 .<br />
Mit Hilfe einer präzisen Beschreibung seines Hauptprotagonisten und einer<br />
geschickten Verstrickung dessen privater Seite mit dem eigentlichen Plot, ist es<br />
Mankell gelungen eine lebendige, sich <strong>von</strong> Roman zu Roman ändernde Figur zu<br />
erschaffen. Während <strong>Wallander</strong> im ersten Fall noch bestimmte Meinungen<br />
vertritt, wird er <strong>von</strong> Jahr zu Jahr skeptischer und steht letztendlich beinahe<br />
157<br />
vgl. Gohlis. <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong>, Held unserer Zeit.<br />
158<br />
Krieg, S. 89.<br />
159<br />
vgl. Mankell. Die fünfte Frau, S. 303; Die falsche Fährte, S. 281.<br />
160<br />
vgl. Reineke. Der Ritter <strong>von</strong> der traurigen Gestalt; Krieg, S. 89; Mankell. Die falsche Fährte,<br />
S. 281; Die fünfte Frau, S. 36 Z. 1ff.<br />
161<br />
Krieg, S. 92.<br />
162<br />
Gohlis. <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong>, Held unserer Zeit.
Die <strong>Wallander</strong>-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 54<br />
ohnmächtig den aktuellen Geschehnissen gegenüber. Zuweilen weiß der Leser<br />
nicht mehr, ob er denn nun Bewunderung oder Mitleid für <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong><br />
empfinden soll. Dank seiner (schlechten) Gewohnheiten wird dem <strong>Kommissar</strong> aus<br />
dem südschwedischen Ystad überdies ein hoher Wiedererkennungsgrad zuteil.<br />
Der sympathische Kriminalbeamte stellt mit seinen Ängsten und Unsicherheiten,<br />
seinem Durchhaltevermögen und seinem Einsatz für <strong>das</strong> Gute, der ihm zuweilen<br />
den Beinamen des „letzten Mohikaners“ zukommen lässt, ohne Zweifel eine<br />
Identifikationsfigur für einen Großteil seiner Leser dar. Knapp die Hälfte der<br />
befragten Leser sah die Identifikation mit <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong> als wesentlichen<br />
Gesichtspunkt ihrer Gesamtbewertung der nach ihm benannten<br />
Kriminalromanserie an. 163<br />
Nicht zu unterschätzen ist hierbei die Beurteilung der Authentizität des <strong>Kurt</strong><br />
<strong>Wallander</strong>. 71,4% der befragten Personen und 57,8% der befragten<br />
Polizeibeamten empfinden die Schilderung des Hauptcharakters absolut<br />
realistisch. Kein Teilnehmer beurteilt den literarischen <strong>Kommissar</strong> als völlig<br />
unrealistisch. Die Darstellung seiner privaten Situation schätzten gar rund ¾ der<br />
befragten Leser als absolut realistisch ein. Eine spezifische Auswertung der<br />
befragten Polizeibeamten ergab ein ähnlich eindeutiges Ergebnis. 164<br />
Im Ergebnis ist es Mankell mit <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong> gelungen, eine Hauptfigur zu<br />
erschaffen, die kaum lebendiger sein könnte. Der Autor selbst sieht in der<br />
Lebendigkeit und der Identifikationskraft des <strong>Kommissar</strong>s aus Ystad zwei Gründe<br />
des enormen Erfolges seiner <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romane. Und tatsächlich ist<br />
<strong>Wallander</strong> für viele seiner Leser ein lebendiger Mensch, eine Persönlichkeit<br />
geworden. „Er ist aus den Buchseiten herausgetreten und zu einem Mitmenschen<br />
geworden.“ 165 Diesen Eindruck vermittelte auch Ewa-Gun Westford in unserem<br />
Gespräch und beschreibt ihren literarischen Kollegen als den Vertreter des typisch<br />
unsicheren schwedischen Mannes mittleren Alters. 166<br />
163 vgl. Krieg, S. 89, Literaturportal Schwedenkrimi.de. Interview mit dem Autoren <strong>Henning</strong><br />
Mankell (2000); siehe Anhang B, Anlage 2 Frage 13 d).<br />
164 siehe Anhang B, Anlage 2 u.3 Frage 8 b) c).<br />
165 Mankell. <strong>Wallander</strong>s erster Fall, S. 11 Z. 7-11.<br />
166 vgl. Gohlis. <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong>, Held unserer Zeit; Reineke. Der Ritter <strong>von</strong> der traurigen Gestalt;<br />
Christian Wymann. <strong>Wallander</strong>s schlimme Fälle (2001); Krieg, S. 89f; Börsenverein des deutschen<br />
Buchhandels. Börsenblatt Extra Krimi 47, S. 36; Interview Anhang A, Abb.12.
Die <strong>Wallander</strong>-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 55<br />
4.5 Südschweden: Land und Leute<br />
4.5.1 Ystad - Kleinstadtidyll statt Mordmetropole?<br />
Ystad ist nicht nur <strong>das</strong> literarische Revier des weltberühmten <strong>Kommissar</strong>s <strong>Kurt</strong><br />
<strong>Wallander</strong>. Ystad ist mehr. Die Kleinstadt in der südschwedischen Provinz Skåne<br />
ist die einzige Stadt in Nordeuropa und eine der wenigen auf dem europäischen<br />
Festland, die die Abrissmanie der 60er Jahre überlebt hat und somit ihr<br />
historisches Antlitz mit über 300 Fachwerkhäusern wahren konnte.<br />
Eine der schönsten Straßen Ystads ist sicherlich die Lilla Västergatan, die aus<br />
kleinen, einstöckigen, für die Gegend so<br />
typischen Häusern aus dem 17. und 18.<br />
Jahrhundert besteht. Rosenstöcke<br />
schmücken die Klinkersteinfassaden<br />
auch in der Harmonigata, in der Åke<br />
Larstam in seinem schallisolierten<br />
Schlafzimmer heimlich die Briefe<br />
glücklicher Menschen las (Die falsche<br />
Fährte). Unweit da<strong>von</strong> wohnte Y<strong>von</strong>ne Ander in der Liregatan (Die fünfte Frau),<br />
die an ihrem östlichen Ende in die<br />
Stickgatan mündet, wo <strong>Wallander</strong> im<br />
Garten <strong>von</strong> Berta Duner eine Mine mittels<br />
Telefonbuch zur Explosion brachte (Der<br />
Mann, der lächelte). Explosionen sind keineswegs unbekannt in der<br />
beschaulichen Altstadt Ystads, der Gamla Staden. Die Schwestern Anna und<br />
Emilia Eberhardsson wurden in der Vergangenheit samt deren Haus an der Ecke<br />
Möllegatan, Hamngatan in die<br />
Luft gesprengt (<strong>Wallander</strong>s<br />
erster Fall). <strong>Wallander</strong>s<br />
langjähriger Kollege Svedberg<br />
fand gar in seiner Wohnung in<br />
der Lilla Norregatan seinen<br />
Tod (Mittsommermord). Und <strong>Wallander</strong>? Den ließ und lässt Mankell trotz heftiger
Die <strong>Wallander</strong>-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 56<br />
Vorwürfe seitens der Ystader Fans, die sich persönlich für ihren quasi Nachbarn<br />
einsetzen wollen, in der einzigen heruntergekommenen Wohnstraße der Stadt<br />
hausen, der Mariagatan, die durchaus als Spiegelbild des traurigen Helden<br />
betrachtet werden kann. Der Arbeitsplatz des <strong>Kommissar</strong>s<br />
befindet sich in der Kristianstadvägen, im Norden Ystads.<br />
An der Seite des alten städtischen Wasserturms posiert <strong>das</strong><br />
Polizeigebäude erhöht auf einem Hügel, so <strong>das</strong>s der Eindruck<br />
entsteht, <strong>Wallander</strong> würde nebst Martinsson, Nyberg und<br />
Hansson <strong>von</strong> diesem Hügel über die Stadt wachen, die sich<br />
an diesem sonnigen Augusttag meiner Schonen - Reise <strong>von</strong> ihrer schönsten Seite<br />
zeigt. 167<br />
„Was ist aus den eintönigen Wohnsiedlungen geworden, in denen<br />
Inspektor <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong> nach Mördern sucht? Wo ist der<br />
gespenstische Nebel, durch den er sich zu kämpfen hat? Wo sind die<br />
klumpigen Lehmäcker, über die er stolpert?“ 168<br />
Mankell hat dieses Bilderbuchstädtchen bewusst zu <strong>Wallander</strong>s Revier<br />
auserkoren. Als die Figur des <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong> entstand, beschrieb Mankell, es läge<br />
so nahe, es sei die Gegend, in der er selbst bereits 10 Jahre lebte. Absichtlich wich<br />
er damals <strong>von</strong> der gängigen Großstadt als literarischem Schauplatz des<br />
Verbrechens ab, um der Gesellschaft auf diesem Weg deutlich zu machen, <strong>das</strong>s<br />
auch in einer Kleinstadt wie Ystad Verbrechen <strong>von</strong> einem bislang ungeahnten<br />
Ausmaß an Brutalität geschehen können. Wie eine Flutwelle, die <strong>von</strong> London<br />
über die Nordsee schließlich die skandinavischen Länder erreicht, erfasst die<br />
Kriminalität nach und nach Stockholm und Malmö und macht schon lange nicht<br />
mehr vor ländlichen Gebieten - wie in unserem Fall Schonen - halt. Längst kann<br />
man in Ystad die gleichen Drogen kaufen wie in Berlin. In meinen Augen gelingt<br />
es Mankell diese Aussage geschickt zu verdeutlichen, indem er „fast alle<br />
167 vgl. Touristeninformation Ystad. Ystad. Wegweiser für die Stadt und ihre Umgebung.<br />
Schweden: o. V. (2004/2005), S.52; Jochen Reinert. <strong>Wallander</strong>-Pilger erobern Ystads Gassen<br />
(2004); Sens, S. 49, 60, 66f; Wüllenweber. <strong>Wallander</strong>s Welt;<br />
vgl. dazu auch Ystads Kommun, S. 4.<br />
168 Christian Wymann. <strong>Wallander</strong>s Revier (2001). In: http://www.wallander.ch.
Die <strong>Wallander</strong>-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 57<br />
Handlungsorte (…) in <strong>das</strong> reale Ystad und dessen Umgebung projiziert“ 169 und<br />
somit bei so manchem <strong>Wallander</strong>-Pilger auf seiner Erkundungstour durch die<br />
Stadt Gänsehaut hervorruft. 170<br />
Mit seinem Fährhafen ist Ystad nicht nur ein Modell Schwedens, sondern auch<br />
ein Tor zur Welt - ein Grenzland zwischen Polen und dem Kontinent mit der<br />
Ostsee in ihrer Rolle des Río Grandes. Während Ystad zu Zeiten des Kalten<br />
Krieges noch am Ende der Welt lag, wird heute praktisch der gesamte Verkehr<br />
<strong>von</strong> Skandinavien nach Osteuropa und Asien in Ystads Hafen verladen und die<br />
Stadt damit ins Zentrum gerückt - eine Entwicklung, die durch den Beitritt<br />
Schwedens zur EU 1995 sicherlich weiter verstärkt wurde. Weit verfehlt sind<br />
Ansichten einer abgeschiedenen Welt, in der die Uhren stehen geblieben und<br />
deren Menschen ein nahezu unbewegliches und konservatives Leben führen.<br />
Victor Mabasha (Die weiße Löwin), Maria Dolores Santana (Die falsche Fährte)<br />
und Anna Ander (Die fünfte Frau) sind nur drei der Charaktere, mit Hilfe deren<br />
Geschichte <strong>Henning</strong> Mankell die kriminalistischen Konsequenzen der<br />
Globalisierung am Beispiel Ystads veranschaulicht und es ihm somit gelingt,<br />
Schweden nunmehr auch literarisch mit der Welt zu verbinden. Die Mehrzahl<br />
seiner Romane beginnt in fernen Ländern, wie in Algerien oder der<br />
Dominikanischen Republik, die letztendlich den Ausgangspunkt für einen neuen<br />
Krimifall <strong>Wallander</strong>s bilden. Als Markenzeichen Mankells kann die dadurch<br />
entstehende geographische wie kulturelle Bipolarität angesehen werden, mit der<br />
der Autor daran erinnern möchte, <strong>das</strong>s sein Ystad ein Teil der Welt ist. Eine<br />
Steigerung der geographischen Globalisierung stellt schließlich Mankells letzter<br />
Roman Die Brandmauer dar, in dem die weltweite Bedrohung durch einen Blick<br />
auf die Cyberworld vollends zum Ausdruck gebracht wird. 171<br />
169 Sigrid Reinert. In <strong>Wallander</strong>s Welt. Ystad war ein friedlicher Ort. Bis <strong>Henning</strong> Mankell hier<br />
Krimis erfand (2004). In: http://www.archiv.tagesspiegel.de/archiv/11.07.2004/1236263.asp.<br />
170 vgl. Touristeninformation Ystad. Ystad. (2004/2005), S. 35; Interview Anhang A, Abb.12;<br />
ZDF.de. Sie hielten mir eine Pistole an den Kopf (2001). In: http://www.zdf.de; Reinert.<br />
<strong>Wallander</strong>-Pilger erobern Ystads Gassen.<br />
171 vgl .ZDF.de. <strong>Wallander</strong> zu spielen, ist sehr, sehr reizvoll (2001). In: http://www.zdf.de;<br />
Interview Anhang A, Abb. 12, Thomas Steinfeld. <strong>Wallander</strong>s Landschaft. Eine Reise durch<br />
Schonen. Wien: Paul Zsolnay Verlag (2002), S. 5f; Wüllenweber. <strong>Wallander</strong>s Welt; Sens, S. 14;<br />
Schanda. «Ich reise gerne in der Zeit».
Die <strong>Wallander</strong>-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 58<br />
In der Gemeinde Ystad leben ca. 26.000 Menschen, <strong>von</strong> denen wiederum 16.000<br />
in der Stadt wohnen. Die 220 Polizeibeamten, die hier ihren Dienst im<br />
Hauptquartier des Polizeidistrikts Südschonen verrichten, sind jedoch für ein<br />
weitaus größeres Gebiet zuständig. Der Polizeidistrikt umfasst neben Ystad, <strong>das</strong><br />
aufgrund seiner historischen Funktion als bedeutender Hafen eine Art<br />
Oberzentrum dieses Gebietes ist, die Bezirke Trelleborg, Vellinge, Svedåla,<br />
Skurup, Sjöbo, Tomellila und Simrishamn - eine Fläche, die größer ist als der<br />
gesamte Rhein-Neckar-Kreis. Ystads Altstadt umfasst lediglich ca. 52 ha. Oft<br />
nimmt <strong>Wallander</strong> seinen Wagen, um in dieser ‚Kleinstadt’ Wegstrecken <strong>von</strong><br />
wenigen hundert Metern zurückzulegen. Einerseits steht dies im Einklang mit<br />
<strong>Wallander</strong>s Lebensgewohnheiten und seiner Diabetes Erkrankung; andererseits<br />
gelingt es Mankell durch diesen erzählerischen Trick „<strong>das</strong> begrenzte Pflaster<br />
Ystads größer erscheinen zu lassen“ 172 .<br />
Während <strong>Wallander</strong>s Kollegen im letzten Jahrzehnt 53 Mordopfer zu beklagen<br />
hatten, passiert hier statistisch gesehen lediglich alle 7 Jahre ein Mord. Das letzte<br />
Tötungsdelikt wurde zu Beginn dieses Jahres, am 09./10. Januar 2004, begangen.<br />
Die Kriminalitätsschwerpunkte Südschonens sind einerseits aufgrund seiner<br />
Küstenlage im Bereich der Autoschieberei, des Drogenschmuggels und der<br />
illegalen Einreise zu beklagen; ¾ aller illegalen Ausländer Schwedens werden<br />
hier aufgegriffen. Weitere Hauptaufgaben stellen andererseits die Bekämpfung<br />
verschiedener Diebstahls- und Körperverletzungsdelikte sowie die gesamte<br />
Bandbreite der Verkehrsdelikte dar. Eine höhere Kriminalitätsbelastung, durch die<br />
die Stadt Christian Wymanns (Webmaster der Schweizer <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-<br />
Fanseite) Bild einer gespenstischen Hauptstadt des Verbrechens gerecht werden<br />
würde, hat Ystad jedoch trotz einer vergleichsweise hohen Anzahl an<br />
Schmuggeldelikten nicht zu verzeichnen. 173<br />
172 Christian Wymann. <strong>Wallander</strong>s Revier (2001).<br />
173 vgl. Touristeninformation Ystad, S. 102; Interview Anhang A, Abb.12; Wolfgang Gehrmann.<br />
Die richtige Fährte (2000); Sens, S. 23; Wüllenweber. <strong>Wallander</strong>s Welt.
Die <strong>Wallander</strong>-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 59<br />
4.6.2 Skåne - eine Landschaft in der Hauptrolle<br />
Südschonen ist für <strong>Henning</strong> Mankell keineswegs nur zwingend notwendige<br />
Kulisse der schauerhaften Verbrechen seiner Romane. Obgleich der Romancier in<br />
seinen <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romanen nach eigenen Angaben nicht <strong>von</strong> Ystad und<br />
seiner Umgebung beeinflusst wurde, räumte er der unverkennbaren schonischen<br />
Landschaft mit ihren typischen Jahreszeiten eine Hauptrolle in seiner Romanserie<br />
ein. Die Natur Schonens ist für den Schweden mehr als die bloße Möglichkeit,<br />
einen kritischen Blick auf die schwedische Gesellschaft zu werfen. „Sie ist<br />
vielmehr Teil der Handlung.“ 174 Damit unterscheidet sich Mankell nicht nur <strong>von</strong><br />
seinen angelsächsischen und französischen Kollegen, bei denen Landschaften und<br />
Städte lediglich der schemenhaften Kulisse dienen. Auch schwedische<br />
Kriminalautoren wie Håkan Nesser bevorzugen es, ihre <strong>Kommissar</strong>e in fiktiven<br />
Ländern und Städten agieren zu lassen. Keiner der gegenwärtigen literarischen<br />
¸Helden´ ist so eng an einen realen Ort gebunden wie <strong>Wallander</strong>, der sich Schutz<br />
suchend an Ystad - seine Burg - klammert, die er nur ungern verlässt. 175<br />
Malerische Schilderungen der Landschaft ermöglichen es dem Leser, einen<br />
umfangreichen Eindruck der südlichsten Provinz Schwedens zu gewinnen. In ihr<br />
finden sich Äcker, die in weichen Wellen zum Meer hinabfallen, und Alleen<br />
gestutzter Weiden, die zu weißgekalkten alten Schonenhöfen führen. 176 Eine<br />
Landschaft, die geprägt ist <strong>von</strong> kleinen Dörfern, zahlreichen Bauernhöfen und<br />
ihrer landwirtschaftlichen Nutzung, die ihr berechtigterweise <strong>das</strong> Bild einer<br />
„grenzenlosen Kornkammer“ 177 zukommen lässt. Eine endlose Ebene, die<br />
lediglich <strong>von</strong> vereinzelten Buchenwäldern unterbrochen wird. Auf der einen Seite<br />
bedient sich der Bestseller-Autor einiger dieser Texteinbindungen, um dem Leser<br />
die vorherrschende Stimmung einzelner Passagen zu vergegenwärtigen. Nach<br />
vielen Jahren des Unverständnisses darf <strong>Wallander</strong> den letzten Spaziergang mit<br />
seinem Vater am schönsten Sandstrand Schwedens, dem Strand <strong>von</strong><br />
Sandhammaren, genießen, wo sich die beiden Männer endlich näher kommen. 178<br />
174 Sens, S. 18.<br />
175 vgl. Touristeninformation Ystad, S. 35; Sens, S. 12.<br />
176 vgl. Mankell. Die fünfte Frau, S. 22 Z. 5f; Die falsche Fährte, S. 122 Z. 8f.<br />
177 Steinfeld. <strong>Wallander</strong>s Landschaft. (2004), S. 10.<br />
178 vgl. Mankell. Die fünfte Frau. S. 140 Z. 36- S. 141 Z. 32, S. 187 Z. 33f.
Die <strong>Wallander</strong>-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 60<br />
Die gelben Rapsfelder, die <strong>das</strong> Landschaftsbild Schonens im Sommer prägen,<br />
begleiten <strong>Wallander</strong> während der gesamten Ermittlung in Die falsche Fährte.<br />
Nachdem sich Maria Dolores Santana in einem Rapsfeld bei Marvinsholm <strong>das</strong><br />
Leben genommen hat, ist auch Arne Carlmans Anwesen <strong>von</strong> den Feldern dieser<br />
Hülsenfrucht umgeben. Das immer wiederkehrende Bild <strong>von</strong> unendlichen<br />
blühenden Rapsfeldern erinnert den Leser ständig an den Suizid des jungen<br />
Mädchens Dolores Maria, der letztendlich auch im Zusammenhang mit der im<br />
Vordergrund stattfindenden Fahndung nach dem Skalpmörder steht. 179<br />
Auf der anderen Seite verbindet Mankell auf eine bizarre Art und Weise die<br />
idyllischen Beschreibungen der vermeintlich schönsten Provinz Schwedens mit<br />
dem allgegenwärtigen Verbrechen dieser Welt. Gekonnt lässt Mankell einen<br />
wunderschönen Schimmel an der völlig entstellten Leiche des Valfrid Ström<br />
vorbeireiten (Mörder ohne Gesicht) und den Orchideenfreund Gösta Runfelt<br />
ausgehungert an einem Baum zwischen Svarte und Marvinsholm sterben (Die<br />
fünfte Frau). Auf einem ebenso ‚widersprüchlichen Boden’ finden die jungen<br />
Leute Astrid, Lena und Martin in ihren prunkvollen Rokokokostümen inmitten<br />
eines der schönsten Naturreservate ihren Tod (Mittsommermord). Mit Hilfe<br />
zahlreicher Gegensätze dieser Art gelingt es Mankell auf eine weitere Weise die<br />
bereits geschilderte Gesellschaftskritik erzähltechnisch zu visualisieren. 180<br />
Wie <strong>das</strong> Landschaftsbild, so ist auch <strong>das</strong> Wetter Schonens mit mitteleuropäischen<br />
Verhältnissen vergleichbar. Während der Sommer in Schonen, der Riviera<br />
Skandinaviens, sechs Wochen länger dauert, ist die Provinz für ihre starken<br />
Herbstwinde bekannt, die über die Ebene blasen, „als ob die Landschaft ein<br />
riesengroßes, weit geöffnetes Fenster wäre“ 181 . Obwohl der Winter aufgrund des<br />
maritimen Klimas bei weitem nicht so hart ist wie im Norden Schwedens und<br />
Schnee eher selten fällt, gibt es heftige Schneestürme, die den Schnee in kurzer<br />
Zeit meterhoch auf den Straßen türmen können. 182 Gezielt setzt Mankell diese<br />
widrigen Wetterverhältnisse Schonens ein, um die Spannung an <strong>von</strong> ihm<br />
179 vgl. Mankell. Die falsche Fährte, S. 35 Z. 37 - S. 38 Z. 12, S. 141 Z. 1f, S. 243 Z. 23f.<br />
180 vgl. Sens, S. 18; Krieg, S. 87; Mankell. Mörder ohne Gesicht, S. 247 Z. 9-33; Die fünfte Frau,<br />
S. 168 Z. 25-34; Mittsommermord, Prolog.<br />
181 Steinfeld, S. 7.<br />
182 vgl. Mankell. Mörder ohne Gesicht, S. 298 Z. 27-34.
Die <strong>Wallander</strong>-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 61<br />
ausgewählten Stellen zu forcieren. Was wäre <strong>Wallander</strong>s Verfolgungsjagd nach<br />
Konovalenko in herrlichem Sonnenschein (Die weiße Löwin)? Endlose Regentage<br />
unterstreichen die Eintönigkeit, ja fast schon Abscheulichkeit der Kriminalwelt;<br />
die drückende Sommerhitze dagegen steht symbolisch für den Druck der<br />
Bevölkerung hinsichtlich geforderter Ermittlungserfolge. 183 Anhand des Wetters<br />
ist es dem aufmerksamen Leser überdies an einigen wenigen Stellen möglich,<br />
korrekte Prognosen bezüglich des weiteren Handlungsverlaufs zu stellen. Von<br />
schweren Wolken begleitet steht <strong>Wallander</strong> an einem Donnerstagmorgen auf,<br />
während es im Laufe des Vormittages schließlich mehr und mehr zu regnen<br />
beginnt. „Es regnet(e) [schließlich] ununterbrochen“ 184 , als <strong>Wallander</strong> fünf Seiten<br />
später entsetzt vor der Leiche des Holger Eriksson steht. Im diesem Fall kündigt<br />
jedoch nicht nur <strong>das</strong> regnerische Wetter den Tod des Ornithologen an. Bereits in<br />
Erikssons Haus nimmt <strong>Wallander</strong> - wenn auch unbewusst - den lärmenden<br />
Krähenschwarm wahr. Mankell arbeitet mit diesen schwarzen Vögeln, die in der<br />
Welt der Literatur sinnbildlich für die Ankündigung des Todes stehen, um den<br />
Leichenfund Erikssons vorherzusagen. Während sich <strong>Wallander</strong> dem späteren<br />
Fundort nähert, schreien die Krähen immer lauter, bis diese letztendlich da<strong>von</strong><br />
fliegen und so <strong>Wallander</strong> den Blick auf die Pfahlgrube freigeben. (Die fünfte<br />
Frau). 185<br />
4.6.3 Die Menschen - mehr als nur Statisten<br />
Neben der Landschaft und den Hauptakteuren spielen auch die Nebencharaktere<br />
aller <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romane eine nicht unbedeutende Rolle. In seiner<br />
Gesamtheit wird <strong>das</strong> schonische Volk als ein konservativer und naiver<br />
Menschenschlag beschrieben, der in der Gegenwart noch mit Vorurteilen in<br />
Sachen Homosexualität und der Emanzipation des weiblichen Geschlechts zu<br />
ringen hat. Wie <strong>Wallander</strong>s Kollege Svedberg (Mittsommermord) hält auch die<br />
Blumen- und Gemüsehändlerin Maria Svensson ihre Homosexualität vor der<br />
Öffentlichkeit geheim, um keine Kunden zu verlieren (Die fünfte Frau). Beruflich<br />
kämpfen nicht nur die Polizeibeamtin Ann-Britt Höglund und deren Vorgesetzte<br />
183 vgl. Mankell. Die falsche Fährte, Kapitel 20.<br />
184 Mankell. Die fünfte Frau, S. 78 Z. 22.<br />
185 vgl. Sens, S. 17f, 25; Steinfeld, S. 10; Mankell. Die fünfte Frau, S. 69-79.
Die <strong>Wallander</strong>-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 62<br />
Lisa Holgersson um Anerkennung seitens ihrer männlichen Kollegen. Die<br />
Pastorin Gunnel Nilsson hat es in ihrem Beruf nicht leichter. „Es gibt bestimmt<br />
viele, die sich nur einen Mann als Pastor vorstellen können“ 186 , gibt Sven<br />
Andersson <strong>Wallander</strong> bei einem Treffen in Smedstorp zu verstehen. Begangenen<br />
Verbrechen und geschehenen Unglücksfällen steht <strong>das</strong> schonische Volk in<br />
Mankells Romanen und in der Realität völlig fassungslos gegenüber, wie Frau<br />
Westford in unserem Interview zu bestätigen wusste. 187<br />
Durch eine detaillierte Wiedergabe der Gedanken und Probleme einzelner<br />
Protagonisten gestaltet Mankell auch Charaktere der zweiten Reihe, wie zum<br />
Beispiel <strong>das</strong> Ehepaar Rykoff (Die weiße Löwin), lebendig und plastisch. Einigen<br />
Personen räumt <strong>Henning</strong> Mankell sogar über den jeweils betreffenden Roman<br />
hinausgehende Auftritte ein. Die Bankangestellte Brita-Lena Bodén, die<br />
<strong>Wallander</strong> dank ihrer ausgezeichneten Beobachtungsgabe den entscheidenden<br />
Hinweis zur Ergreifung der Täter in Mörder ohne Gesicht geben konnte, trifft den<br />
<strong>Kommissar</strong> in Die falsche Fährte zufällig in einem Selbstbedienungsrestaurant<br />
wieder. Die Krankenschwester Ylva Brink lernt der Leser ebenfalls zunächst in<br />
der Zeugenrolle kennen (Die fünfte Frau), bevor sie durch den Tod ihres Cousins<br />
Svedberg direkt mit den Folgen des Verbrechens konfrontiert wird<br />
(Mittsommermord). Der Leser fühlt sich so automatisch stärker mit den<br />
Charakteren, denen der Autor allesamt typisch schwedische Namen gab,<br />
verbunden. Insgesamt betrachtet geht <strong>Henning</strong> Mankell nicht sparsam mit der<br />
Einführung neuer Charaktere um - rund 650 Personen werden in den <strong>Wallander</strong>-<br />
Romanen bei ihrem Namen genannt. Doch weitaus nicht jeder <strong>von</strong> Mankells<br />
Charakteren ist wie er zunächst zu sein scheint. Der Blumenhändler Runfelt<br />
betreibt im Verborgenen eine Detektei (Die fünfte Frau), Svedberg war<br />
homosexuell und selbst die als Bestie eingeschätzte Y<strong>von</strong>ne Ander war in ihrem<br />
Innersten <strong>das</strong> zutiefst traumatisierte Mädchen, <strong>das</strong> sowohl ihre Schwester als auch<br />
die Mutter durch die Brutalität der Männer des eigenen Umfelds verlor (Die fünfte<br />
Frau). 188<br />
186 Mankell. Die falsche Fährte, S. 206 Z. 13f.<br />
187 vgl. Interview Anhang A, Abb. 12; Mankell. Die fünfte Frau, S. 55 Z. 1.<br />
188 vgl. Sens, S. 16, 136; Krieg, S. 86; Mankell. Die fünfte Frau, S. 231 Z. 12f.
Die <strong>Wallander</strong>-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 63<br />
Zum Erfolg der <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Serie in Deutschland hat Ystad mit seinen<br />
Einwohnern in zweifacher Hinsicht beigetragen. Die detaillierte Beschreibung der<br />
Handlungsorte und der Landschaft mit ihren typischen Wetterlagen wie auch<br />
immer wiederkehrende Orts-, Straßen- und Personennamen ermöglichen es dem<br />
Leser, auch ohne jemals in Skåne gewesen zu sein, sich in die Situationen<br />
hineinzuversetzen. In seinen Gedanken reist er mit <strong>Wallander</strong> und seinem Vater<br />
nach Rom und steht dem <strong>Kommissar</strong> zur Seite, als er betrunken <strong>von</strong> seinen<br />
Kollegen einer Fahrzeugkontrolle unterzogen wird. Ein Gefühl, als wäre man<br />
‚mitten drin dabei’… Ein Teil der Leser, die bereits Ystad besucht haben, steht<br />
womöglich, wenn sie dieses Kleinstadtidyll sehen, zunächst vor einem<br />
scheinbaren Widerspruch. Mankells literarische Verbrechen mögen so gar nicht in<br />
ihr gewonnenes Bild <strong>von</strong> Ystad hineinpassen. Glücklicherweise gibt es in der<br />
Realität (noch) keinen Ort auf dieser Welt mit einer derart negativen Bilanz<br />
begangener Kapitalverbrechen; <strong>Wallander</strong> begegnete in seiner Karriere immerhin<br />
direkt oder indirekt 29 Mördern. 189 Die täglichen Nachrichten zeigen uns jedoch<br />
deutlich, was Mankell bereits Anfang der 90er-Jahre mit seinen Büchern<br />
voraussagte: Verbrechen dieser Art können heute überall auf dieser Welt<br />
geschehen. Aktuell berichten hiesige Printmedien über den Franzosen Michel<br />
Fourniret, auf dessen Konto womöglich weit mehr als die bislang neun<br />
eingeräumten Morde an jungen Frauen und Mädchen in Belgien und Frankreich<br />
gehen. Mit dem geschilderten Maß an realen Handlungsorten und möglichem<br />
Tatgeschehen gelingt es Mankell, seinen Lesern am Beispiel Ystad diese<br />
Botschaft zu vermitteln. Genauso gut hätten die Romane in jedem anderen Ort auf<br />
dieser Welt spielen können. Dieser Ansicht sind auch über ¾ der befragten Leser.<br />
In ihrer Beurteilung des Realitätsgrades der Romane ist es völlig gleichgültig, ob<br />
die Romane in Schweden oder der Bundesrepublik Deutschland spielen. Das Maß<br />
an Realität ist in beiden Ländern gleich groß. Drei Teilnehmer gaben gar an, die<br />
BRD wäre als Handlungsort für Mankells Romane realistischer. 190<br />
Im Ergebnis sind dies damit zwei weitere Gesichtspunkte, die ohne Zweifel zur<br />
Beliebtheit <strong>Henning</strong> Mankells <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romanen beigetragen haben.<br />
189 vgl. Sens, S. 135.<br />
190 siehe Anhang B, Anlage 2 Frage 10.
Die <strong>Wallander</strong>-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 64<br />
4.6 Das Marketingkonzept<br />
Die Flut <strong>von</strong> Krimis, die Jahr für Jahr auf den deutschen Buchmarkt strömt und<br />
ständig an Größe gewinnt (im Jahre 2003 wurden ca. 1375 Kriminalromane im<br />
deutschsprachigen Raum veröffentlicht), kann der Leser schon lange nicht mehr<br />
selbst bewältigen. Er muss eine Auswahl treffen, welchen Krimi er letzten Endes<br />
lesen wird und welchen nicht. Diesen notwendig gewordenen<br />
Entscheidungsprozess versuchen nunmehr die Verlage durch den gezielten<br />
Einsatz <strong>von</strong> Werbung zu ihren Gunsten zu beeinflussen. 191<br />
Das Marketingkonzept <strong>von</strong> <strong>Henning</strong> Mankells <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romanen wird<br />
hauptsächlich beim Hardcover-Verlag Zsolnay erstellt, der die Romane zunächst<br />
in gebundener Form veröffentlicht. Der dtv-Verlag entwirft zusätzlich bei jeder<br />
neu erscheinenden Taschenbuchausgabe Poster, spezielle Verkaufsboxen und<br />
Buchpakete für den Buchhandel vor Ort. Geworben wird vor allem in<br />
Zeitschriften wie der Brigitte oder auch dem Endkundemagazin des dtv-Verlages<br />
selbst sowie in der Branchenpresse wie z. B. dem Börsenblatt für den Deutschen<br />
Buchhandel. Jedem verkauften dtv-Krimi <strong>liegt</strong> zusätzlich ein DIN A 6 Prospekt<br />
des Verlages bei, in dem auch für Mankells Romane geworben wird. Lesezeichen<br />
im <strong>Henning</strong>-Mankell-Design werden überdies in Form <strong>von</strong> Give-Aways für den<br />
Buchhandel hergestellt.<br />
In den letzten Jahren fand die Literaturwerbung auch den Weg in die<br />
elektronischen Medien. Neben der bereits laufenden TV-Werbung warb der dtv-<br />
Verlag für den zuletzt erschienenen Roman <strong>Wallander</strong>s erster Fall zum ersten<br />
Mal fünf Tage lang auf Infoscreens in deutschen Großstädten. Die Zeitschrift<br />
Stern veröffentlichte gar ab Juni 2001 <strong>Wallander</strong>s letzten Roman Die Brandmauer<br />
im Vorabdruck, der im Laufe <strong>von</strong> zehn Ausgaben komplett in der Zeitschrift<br />
erschien. 192<br />
191 vgl. Krimi-Couch.de; Literaturportal schwedenkrimi.de. krimi rezession (2004). In:<br />
http://www.schwedenkrimi-forum.krimi-couch.de/forum/idThread-810.html; siehe Anhang A,<br />
Abb. 9f.<br />
192 vgl. Walter Wüllenweber. <strong>Wallander</strong>s letztes Abenteuer (2001). In:<br />
http://www.stern.de/unterhaltung/ buecher/index.html?id=71331; Börsenverein des Deutschen<br />
Buchhandels e.V.. dtv - <strong>Henning</strong> Mankell 13. Frankfurt: Buchhändler-Vereinigung GmbH,<br />
(2004). S. 12f.
Die <strong>Wallander</strong>-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 65<br />
Das Marketingkonzept der <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romane war und ist natürlich in<br />
Bezug auf die Cover- und Postergestaltung in erster Linie auf den Bestseller-<br />
Autor und auf den Serien-Charakter seiner Kriminalromane ausgelegt. Mit dem<br />
Marketingkonzept wird jedoch keine bestimme Altersgruppe angesprochen. Der<br />
dtv-Verlag ist daher bemüht, seine Werbung möglichst neutral zu halten, um alle<br />
Zielgruppen ansprechen zu können. Zuletzt erschien bei ihm auch der Band Die<br />
Pyramide, der einen Auszug aus <strong>Wallander</strong>s erster Fall darstellt, in einer<br />
Großdruckausgabe, um auch die sehbehinderten Leser Mankells bedienen zu<br />
können. Im Allgemeinen verkaufen sich Krimis vor allem in ihrer jeweiligen<br />
Taschenbuchausgabe. Im Falle bekannter Autoren wie z. B. <strong>Henning</strong> Mankell<br />
sind aber auch die Hardcover sehr gefragt, da viele Fans nicht auf die später<br />
erscheinende Taschenbuchausgaben warten wollen oder die Romane schlichtweg<br />
sammeln. Eine erhöhte Nachfrage nach den <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romanen ist überdies<br />
nach ausgestrahlten Verfilmungen im TV zu verzeichnen. 193<br />
Obwohl literarische Doppel- und Mehrfachexistenzen in der Welt der<br />
Kriminalliteratur keineswegs außergewöhnlich sind, verzichtete <strong>Henning</strong> Mankell<br />
bislang auf die Benutzung eines Pseudonyms. Das Bäumchen-wechsel-dich-Spiel<br />
<strong>von</strong> Pseudonym und Enttarnung ist sicherlich unter dem Gesichtspunkt des<br />
Marketings nicht zu verachten. Die Enttarnung eines Pseudonyms kurbelte in der<br />
Vergangenheit schon so manchen Buchverkauf an. Darüber hinaus ließ sich<br />
<strong>Henning</strong> Mankell auch nicht <strong>von</strong> dem Schubladendenken einiger Kollegen und<br />
Kritiker abhalten und veröffentlichte nach zahlreichen Kinder- und<br />
Jugendbüchern nunmehr auch Kriminalromane unter seinem Namen. Cora<br />
Stephan alias Anne Chaplet war in dieser Hinsicht weniger mutig und befürchtete<br />
zum Gespött der Öffentlichkeit zu werden. Der Schöpfer <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong>s steht<br />
fest hinter seinen Büchern, so <strong>das</strong>s ihn auch nicht <strong>das</strong> heute noch in Teilen<br />
bestehende Image des Schmuddelgenres abbringen konnte, seine Romane unter<br />
seinem Namen zu veröffentlichen. 194<br />
193<br />
vgl. Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V.. Börsenblatt Extra Krimi 47, S. 27; siehe<br />
dazu auch Anhang A, Abb. 8.<br />
194<br />
vgl. Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V.. Börsenblatt Extra Krimi 47, S. 27.
Die <strong>Wallander</strong>-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 66<br />
Nach einem völligen Fehlstart beim Berliner Kleinverlag Edition Q ließ auch der<br />
Erfolg beim Zsolnay Verlag auf sich warten. Die Reaktionen auf die Frankfurter<br />
Buchmesse im Jahre 1998 konnten die Erwartungen, die man in Mankells<br />
Kriminalromane gesteckt hatte, nicht erfüllen; eine Lesung in einer Münchner<br />
Buchhandlung musste gar wegen mangelnden Interesses im Herbst des gleichen<br />
Jahres abgesagt werden. Zwei Jahre später war <strong>Henning</strong> Mankell bereits<br />
Bestsellerautor in Deutschland. Praktisch ohne Werbung verkauften sich seine<br />
Bücher innerhalb <strong>von</strong> 3 Jahren 4,5 Millionen Mal in Deutschland - Rekord. Auch<br />
die Feuilletons jubelten erst, als der Name Mankell bereits in den Bestsellerlisten<br />
zu lesen war. Umso erstaunlicher ist dieser Blitzerfolg in Anbetracht dessen, <strong>das</strong>s<br />
„dem Phänomen ‚Mankell’ [meine Hervorhebung !] alle Zutaten<br />
fehlen, aus denen die Marketing-Abteilungen in den letzten Jahren<br />
ihre Erfolge in der Sparte Designer-Literatur mixten: Der Autor ist<br />
nicht sexy. Sein Held ist kein Held. Shoppen, Ficken, der Zweit-<br />
Porsche und <strong>das</strong> Thema Ich-Ich-Ich spielen keine Rolle.“ 195<br />
Stattdessen erfindet Mankell ‚altmodische’ Geschichten aus der Wirklichkeit ohne<br />
jeglichen Blendcharakter. 196<br />
Die durchgeführte Leserumfrage bestätigte Rainer Traubs These eines<br />
Spiegelartikels aus dem Jahre 1999, <strong>das</strong>s neben glänzenden Kritiken auch die<br />
Mundpropaganda Mankells Roman Die fünfte Frau in die Bestsellerlisten brachte<br />
und belegt darüber hinaus die Bedeutung der Mundpropaganda für den grandiosen<br />
Erfolg der gesamten Serie. Lediglich durchschnittlich 5% der befragten Leser<br />
gaben an, durch Werbung auf die Kriminalgeschichten aus Ystad aufmerksam<br />
geworden zu sein. Im Gegensatz zu den Printmedien (6,5%) nimmt <strong>das</strong><br />
WorldWideWeb als Werbeplattform eine bislang zu vernachlässigende Rolle<br />
(0,9%) ein. Immerhin 11,6% der Leser orientieren sich in ihrem Leseverhalten an<br />
den Bestsellerlisten. Die Empfehlung der örtlichen Buchhandlung war bei gut<br />
einem Viertel der Leser der ausschlaggebende Punkt, die <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romane<br />
zu lesen. Die Mehrzahl der Lesergemeinde wurde jedoch durch Empfehlungen<br />
195 Walter Wüllenweber. <strong>Wallander</strong>s letztes Abenteuer (2001).<br />
196 vgl. Wüllenweber. <strong>Wallander</strong>s letztes Abenteuer.
Die <strong>Wallander</strong>-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 67<br />
<strong>von</strong> Freunden, Bekannten oder Kollegen auf den schwedischen Autor aufmerksam<br />
(69,9%). Dieses Lese- und damit verbundene Kaufverhalten führt zu einer<br />
Verstärkung ohnehin bestehender Trends. 197<br />
Ein Marketing ‚mit’ seiner literarischen Erfindung verbittet sich der Bestseller-<br />
Autor jedoch. Weder möchte er, <strong>das</strong>s Ystad die Figur des <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong> als<br />
Symbol der Stadt und für den Toursimus vermarktet, noch stimmte er der<br />
Produktion und dem Verkauf <strong>von</strong> <strong>Wallander</strong> Fan-Artikeln zu. <strong>Henning</strong> Mankell<br />
willigte lediglich dem Faltblatt Auf den Spuren <strong>von</strong> <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong>, der in diesem<br />
Jahr neu erschienenen CD-Rom sowie Touristenfahrten auf einem ausrangierten<br />
Spritzenwagen der Freiwilligen Feuerwehr Ystads zu den wichtigsten<br />
Schauplätzen seiner Krimis ein. <strong>Henning</strong> Mankell legt damit großen Wert darauf,<br />
<strong>das</strong>s mit seiner literarischen Erfindung kein Schindluder getrieben wird. Diese<br />
Haltung unterstreicht <strong>Henning</strong> Mankells Echtheit. Stände <strong>das</strong> Geld im absoluten<br />
Vordergrund, hätte der Autor einer sicherlich gewinnbringenden Vermarktung<br />
seines melancholischen <strong>Kommissar</strong>s zugestimmt und die <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Serie<br />
nicht auf dem Höhepunkt ihres Erfolges beendet. 198<br />
197 vgl. Rainer Traub. Der Spiegel des Verbrechens (1999), S. 179; Krimi-Couch.de;<br />
Literaturportal schwedenkrimi.de. krimi rezession (2004).<br />
198 vgl. Christian Wymann. <strong>Wallander</strong>s Revier; Sigrid Reinert. In <strong>Wallander</strong>s Welt (2004).
Schlussbetrachtung 68<br />
5. Schlussbetrachtung<br />
Zusammenfassend lässt sich sagen, <strong>das</strong>s sicherlich jeder der hier untersuchten<br />
Aspekte seinen Teil dazu beigetragen hat, <strong>das</strong>s <strong>Henning</strong> Mankells <strong>Kurt</strong>-<br />
<strong>Wallander</strong>-Romane in vielerlei Hinsicht eine wahrlich faszinierende Erfolgsstory<br />
seit Ende der 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts schreiben konnten. Ein Erfolg,<br />
der sich nicht nur in Rekordzahlen bezüglich des Verkaufs begründet. Schon nach<br />
der Veröffentlichung des Debütromans Mörder ohne Gesicht fanden die ersten<br />
<strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Fans ihren Weg nach Ystad. Die Zahl der ‚Krimi-Touristen’<br />
nimmt seither <strong>von</strong> Jahr zu Jahr kontinuierlich zu; jeder zweite Fan stammt dabei<br />
aus dem deutschsprachigen Raum. In diesem Jahr startete gar <strong>das</strong> größte<br />
Filmprojekt in der Geschichte Skandinaviens, an dem auch die deutsche ARD<br />
beteiligt ist - 13 neue <strong>Wallander</strong>-Filme sollen dann im kommenden Jahr über<br />
Europas Kinoleinwände und TV-Kanäle flimmern. Ein Erfolg, der trotz einiger<br />
Widersprüchlichkeiten in den Romanen (Auerhahn/Birkhuhn bzw. <strong>das</strong><br />
Geburtsdatum <strong>Wallander</strong>s), nichts <strong>von</strong> seiner Anziehungskraft einbüßen<br />
musste. 199<br />
Während <strong>das</strong> Marketingkonzept der Romane sicherlich eine weniger bedeutende<br />
Rolle für den internationalen Erfolg der Kriminalgeschichten aus Ystad spielte,<br />
kann die Mundpropaganda unter den deutschen Krimifans nicht hoch genug in<br />
ihrem Einfluss gewertet werden. Das Genre der Kriminalliteratur als eines der<br />
derzeit erfolgreichsten auf dem deutschen Buchmarkt sowie <strong>das</strong> gute Image<br />
skandinavischer Krimis ließen mit Sicherheit so manchen unentschlossenen<br />
Kunden in den Buchhandlungen Deutschlands auf <strong>Wallander</strong> und sein<br />
Ermittlungsteam aufmerksam werden.<br />
Doch welche Faktoren verhalfen <strong>Henning</strong> Mankells <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romanen in<br />
erster Linie zu diesem durchschlagenden Erfolg, wie er in der heutigen Zeit nur<br />
noch schwerlich zu finden ist?<br />
Zum Einen ist hierunter sicherlich Mankells Schreibkunst zu sehen. Die <strong>von</strong> den<br />
Lesern hoch geschätzte mystische Stimmung, sein unverkennbarer literarischer<br />
199<br />
vgl. Reinert. <strong>Wallander</strong>-Pilger erobern Ystads Gassen; Reinert. In <strong>Wallander</strong>s Welt;<br />
Sens, S. 134.
Schlussbetrachtung 69<br />
Stil und die zeitweise ins unermessliche ansteigende Spannung hoben <strong>Kurt</strong><br />
<strong>Wallander</strong> ebenso zum Kult-<strong>Kommissar</strong>en empor wie Ystad - <strong>das</strong> literarische<br />
Revier des weltberühmten <strong>Kommissar</strong>s - sowie <strong>das</strong> schonische Landschaftsbild,<br />
dem Mankell wie bereits erläutert eine Hauptrolle in seinen Bestseller-Romanen<br />
einräumte. Inmitten unendlicher Kornfelder und den typisch weißgekalkten<br />
Schonenhöfen sorgt der zuweilen melancholische <strong>Kommissar</strong>, mit dessen Sorgen<br />
und Ängsten sich eine Vielzahl seiner Leser identifiziert, für die sprichwörtliche<br />
‚Ruhe und Ordnung’. <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong>, „ein Mensch wie du und ich“ 200 . Den<br />
vierten Faktor stellt ohne Frage Mankells gesellschaftskritische Komponente<br />
seiner Kriminalromane dar, mit denen der Autor seine Leser nicht nur unterhalten<br />
möchte. In erster Linie <strong>liegt</strong> dem Schweden daran, die Menschen - und hier vor<br />
allem die Politiker aller europäischen Länder - dazu zu bringen, über ihre<br />
Gesellschaft und deren offensichtliche Missstände nachzudenken und<br />
entsprechend aktiv zu werden. Der letzte und gleichzeitig bedeutendste Faktor des<br />
grandiosen Erfolges der <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romane stellt Mankells gleichermaßen<br />
minutiöse und authentische Schilderung der Polizeiarbeit dar. Polizeiarbeit ‚en<br />
détail’, die dem Leser einen in Teilen realistischen Blick auf die alltägliche Arbeit<br />
eines Kriminalbeamten gibt.<br />
„Mankells Krimis verkörpern [damit] par excellence, was man die<br />
«Wärmeströmung» des Kriminalromans nennen könnte.“ 201 In dem Verzicht auf<br />
machoide Schießereien, der Absenz <strong>von</strong> Special Effects, Autorasereien oder gar<br />
wilden Frauengeschichten traf <strong>Henning</strong> Mankell, so kann man vermuten, den<br />
Geist der Zeit. 202<br />
Es wäre völlig übertrieben anhand der im Rahmen dieser Arbeit angesprochenen<br />
Erfolgsfaktoren mutmaßen zu wollen, die Erfolgsgeschichte der <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-<br />
Romane an dieser Stelle abschließend erörtert zu haben. Ein Teil des<br />
<strong>Geheimnis</strong>ses <strong>von</strong> <strong>Henning</strong> Mankells literarischem Erfolg wurde sicherlich<br />
gelüftet, ein anderer Teil bleibt sowohl den Theoretikern sowie den Lesern<br />
200 Börsenverein des deutschen Buchhandels. Börsenblatt Extra Krimi 47, S. 36.<br />
201 Thomas Widmer. Bewusst langsam. In: Tamedia AG (Hg.): Facts. Das Schweizer<br />
Nachrichtenmagazin 02. Zürich: Hans Heinrich Conxinx, (2001), S. 113.<br />
202 vgl. Thomas Widmer. Bewusst langsam. (2001), S. 113.
Schlussbetrachtung 70<br />
vorenthalten und lädt beide Personengruppen an dieser Stelle ein, Mankells<br />
Romane erneut in die Hand zu nehmen und bei einem zweiten oder dritten Lesen<br />
<strong>von</strong> Mal zu Mal mehr zu genießen. „Es gehört [wohl] zur Magie des Erfolges,<br />
zumal des wirklich großen, <strong>das</strong>s nicht gänzlich aufzuklären ist, worauf er<br />
eigentlich beruht.“ 203<br />
„Etwas hat er vergessen, <strong>das</strong> weiß er genau, als er aufwacht.<br />
Etwas, <strong>das</strong> er geträumt hat in dieser Nacht. Etwas, an <strong>das</strong> er<br />
sich erinnern sollte…“ 204<br />
203 Gohlis. <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong>, Held unserer Zeit.<br />
204 Mankell. Mörder ohne Gesicht, Kapitel 1.
Literaturverzeichnis I<br />
Literaturverzeichnis<br />
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http://www.wallande-web.de [Stand 24.06.2004].
Literaturverzeichnis IV<br />
Reinert, Sigrid. In <strong>Wallander</strong>s Welt. Ystad war ein friedlicher Ort. Bis <strong>Henning</strong><br />
Mankell hier Krimis erfand (2004). In: http://www.archiv.tagesspiegel.de/<br />
archiv/11.07.2004/1236263.asp [Stand 21.07.2004].<br />
Rischer, Tanja. <strong>Henning</strong> Mankell (1999). In:<br />
http://www.buecher4um.de/AutorHM.htm [Stand 24.06.2004].<br />
Rohling, Peter E. M.. Der skandinavische Kriminalroman. Eine<br />
Erfolsgeschichte (o. J.). In: http://www.heiner-<br />
k.de/specials/skandinavische_krimis/einfuehrung.html [Stand 23.06.2004].<br />
Schanda, Susanne. «Ich reise gerne in der Zeit» (1998). In:<br />
http://www.espace.ch/medien/bz/archiv/details_2.cfm?id=9082&simplesearch=<br />
kriminalliteratur&template=index.cfm [Stand 21.07.2004].<br />
Schuh, Franz. Der Norden und der Süden (2004). In:<br />
http://www.literaturen.de/krimi-index.html [Stand 29.06.2004].<br />
Schwier, Stephan. Krimis ohne Überhelden (o. J.). In: http://www.heiner-<br />
k/specials/skandinavische_krimis/interviewalzweig.html [Stand 23.06.2004].<br />
Wissen.de (Hg.). Interview mit <strong>Henning</strong> Mankell: „Wir leben in einer<br />
schrecklichen Welt“ (o. J.). In: http://www.wissen.de/xt/default.do?<br />
MENUNAME=InfoContainerPrintArticle&MENUID=40%2C156%2C538%<br />
2C547%OCCURENCEID=SL0013379222SL0019672573.5000065.full<br />
[Stand 23.06.2004].<br />
Wörtche, Thomas. Der Overkill des Krimimarktes. Eine Sammelbesprechung<br />
(1998). In: http://kaliber38.de/woertche/einzelteile/woche98.htm [Stand<br />
21.07.2004].<br />
Wüllenweber, Walter. <strong>Wallander</strong>s letztes Abenteuer (2001). In: http://www.<br />
stern.de/unterhaltung/buecher/index.html?id=71331 [Stand 14.06.2004].<br />
<strong>Wallander</strong>s Welt (2001). In: http://www.stern.de/<br />
unterhaltung/buecher/index.html?id=71356 [Stand 18.06.2004].
Literaturverzeichnis V<br />
Wymann, Christian (Hg.). (2001). http://www.wallander.ch [Stand 22.03.-<br />
17.06.2004].<br />
ZDF.de (Hg.). (2001-2003). http://www.zdf.de [Stand 18.06.2004].<br />
Zießler, Eva. Lieder des Schmerzes (2000). In: http://www.welt.de/daten/2000/<br />
07/15/0715lw179681.htx?print=1 [Stand 24.06.2004].<br />
D. Internet-Foren<br />
Krimi-Couch.de; Literaturportal schwedenkrimi.de (Hg.). krimi rezession<br />
(2004). In: http://www.schwedenkrimi-forum.krimi-couch.de/forum/idThread-<br />
810.html [Stand 23.06.2004].<br />
E. Tages-, Wochen- und Populärpresse<br />
Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V. (Hg.). Börsenblatt Extra Krimi<br />
47. Frankfurt: Buchhändler-Vereinigung GmbH, (2002). S. 21- 40, 4768f.<br />
Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V. (Hg.). dtv - <strong>Henning</strong> Mankell<br />
13. Frankfurt: Buchhändler-Vereinigung GmbH, (2004). S. 12f.<br />
<strong>Henning</strong>, Peter. „Mich interessiert die Spirale des Unglücks“. In: Tamedia AG<br />
(Hg.): Facts. Das Schweizer Nachrichtenmagazin 24. Zürich: Hans Heinrich<br />
Conxinx, (1999). S. 136-139.<br />
Traub, Rainer. „Der Spiegel des Verbrechens“. In: Augstein, Rudolf (Hg.):<br />
Spiegel 26. Hamburg: Spiegel Verlag Rudolf Augstein, (1999). S. 179-181.<br />
Schwetzinger Zeitung (Hg.). „Leichenfund am Strand“. In: Schwetzinger<br />
Zeitung 140, 21. Juni 2004, S. 4.<br />
Schwetzinger Zeitung (Hg.). „Selbstmordversuch scheitert“. In: Schwetzinger<br />
Zeitung 218, 20. September 2004, S. 20.
Literaturverzeichnis VI<br />
Widmer, Thomas. „Bewusst langsam“. In: Tamedia AG (Hg.): Facts. Das<br />
Schweizer Nachrichtenmagazin 02. Zürich: Hans Heinrich Conxinx, (2001).<br />
S. 113.<br />
„Morden im Norden“. In: Tamedia AG (Hg.): Facts. Das<br />
Schweizer Nachrichtenmagazin 15. Zürich: Hans Heinrich Conxinx, (2001).<br />
S. 146-149.<br />
F. Unveröffentlichte Quellen<br />
Bruckner, Manuela. Skandinavische Kriminalliteratur am Beispiel <strong>Henning</strong><br />
Mankell. Facharbeit Deutsch Wien, Höhere Bildende Schule für Tourismus<br />
(2002).
Anhang A VII<br />
Anhang A
Anhang A VIII<br />
Abbildung 1:<br />
Die <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Serie in ihrer chronologischen Reihenfolge<br />
Deutscher Titel<br />
(Erscheinungsjahr) *<br />
Originaltitel<br />
Erstveröffent-<br />
lichung<br />
Mörder ohne Gesicht (2001) Mördare utan ansikte 1991<br />
Hunde <strong>von</strong> Riga (2000) Hundarna i Riga 1992<br />
Die weiße Löwin (2002) Den vita lejoninnan 1993<br />
Der Mann, der lächelte (2001) Mannen som log 1994<br />
Die falsche Fährte (1999) Villospår 1995<br />
Die fünfte Frau (1998) Den femte kvinnan 1996<br />
Mittsommermord (2000) Steget efter 1997<br />
Die Brandmauer (2001) Brandvägg 1998<br />
<strong>Wallander</strong>s erster Fall (2002) Pyramiden 1999<br />
* Berücksichtigt werden hier die Escheinungsdaten des Paul Zsolnay Verlages, Wien.<br />
Abbildung 2:<br />
Leserumfrage: Welcher Faktor hat Ihrer Meinung nach am meisten dazu<br />
beigetragen, <strong>das</strong>s die <strong>Wallander</strong>-Romane internationale<br />
Bestseller geworden sind? **<br />
33%<br />
28%<br />
spannende Kriminalgeschichten aus dem düsteren Schweden<br />
subtile Gesellschaftskritik anhand aktueller Themen<br />
realitätsnahe Fälle und sympathische Figuren<br />
** Diese Umfrage wurde im März 2003 durch die deutsche <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Fanpage<br />
http://www.wallander-web.de durchgeführt. An dieser Umfrage nahmen 702 Personen teil.<br />
39%
Anhang A IX<br />
Abbildung 3:<br />
Leserumfrage: Welcher der bisher in Deutschland veröffentlichten Romane<br />
um <strong>Kommissar</strong> <strong>Wallander</strong> gefällt Ihnen persönlich am<br />
31%<br />
18%<br />
Besten? *<br />
5%<br />
16%<br />
Mörder ohne Gesicht Hunde <strong>von</strong> Riga Die weiße Löwin<br />
Der Mann, der lächelte Die falsche Fährte Die fünfte Frau<br />
Mittsommermord<br />
* Diese Umfrage wurde im April/Mai 2001 durch die deutsche <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Fanpage<br />
http://www.wallander-web.de durchgeführt. Mankells achter Roman Die Brandmauer sowie<br />
<strong>Wallander</strong>s erster Fall waren zum Zeitpunkt der Meinungsumfrage noch nicht auf dem<br />
deutschen Buchmarkt veröffentlicht. Eine Beteiligtenzahl konnte nicht ermittelt werden.<br />
15%<br />
2%<br />
13%
Anhang A X<br />
Abbildung 4:<br />
Zeitungsartikel. Schwetzinger Zeitung (Hg.). „Leichenfund am Strand“. In:<br />
Schwetzinger Zeitung 140, 21.Juni 2004, S. 4.<br />
Abbildung 5:<br />
Zeitungsartikel. Schwetzinger Zeitung (Hg.). „Selbstmordversuch scheitert“. In:<br />
Schwetzinger Zeitung 218, 20.September 2004, S. 20.
Anhang A XI<br />
Abbildung 6:<br />
Das Genre der Kriminalliteratur *<br />
Verbrechensliteratur Kriminalliteratur<br />
Detektivroman<br />
Detektiverzählung<br />
Kriminalroman/<br />
Kriminalerzählung<br />
Feministischer Krimi<br />
Polizeikrimi<br />
Regionalkrimi<br />
Historischer Krimi<br />
Schauerroman<br />
Tierkrimi Nostalgische Kriminalromane Soziokrimi<br />
Gebrestenkrimi<br />
Psychokrimi<br />
Kloster- und Kirchenkrimi Romantik-Thriller<br />
Cyberpunk<br />
Verbrechensdichtung<br />
Psychopathenkrimi<br />
Schwulen-/ Lesbenkrimi<br />
Politkrimi<br />
* vgl. Nusser, S. 1-7, 106; Vogt, S. 7; Schindler, S. 21-24; Walter. Lexikon der Kriminalliteratur. Vorwort, S. 1.<br />
Thriller<br />
Kriminalistische<br />
Abenteuererzählung<br />
Spionageroman<br />
Heftromankrimi<br />
hard-boiled school
Anhang A XII<br />
Abbildung 7:<br />
Umsatzanteile der Warengruppen nach Editionsformen 2003 *<br />
Hardcover Taschenbuch<br />
Hörbuch/<br />
Audiobook<br />
Belletristik 16,1 65,0 45,4<br />
Kinder- und Jugendbuch 16,1 7,1 24,9<br />
Reise 9,1 1,9 0,4<br />
Sachbuch/ Register 20,2 9,7 8,0<br />
Geisteswissenschaften,<br />
Kunst & Musik<br />
12,1 9,4 6,1<br />
Mathematik,<br />
8,3 2,0 0,2<br />
Naturwissenschaft & Technik<br />
Sozialwissenschaft,<br />
Recht & Wirtschaft<br />
7,2 4,3 0,7<br />
Schule und Lernen 10,9 0,6 14,4<br />
100,0 100,0 100,0<br />
Abbildung 8:<br />
Umsatzanteile innerhalb der Warengruppe Belletristik 2003 *<br />
Hardcover Taschenbuch<br />
Hörbuch/<br />
Audiobook<br />
Romane 41,8 55,1 48,6<br />
Krimis 13,1 27,5 21,9<br />
Science Fiction/ Fantasy 5,5 7,9 9,9<br />
Märchen/ Sagen/ Legenden/<br />
Fabeln<br />
1,3 0,2 2,1<br />
Lyrik/ Dramatik/ Essays/<br />
Aufsätze<br />
2,9 2,3 6,5<br />
Briefe/ Tagebücher/<br />
Biographien<br />
8,2 5,1 2,9<br />
Fremdsprachige Literatur 3,8 0,2 0,9<br />
Humor/ Cartoons/ Comics/<br />
Satire<br />
12,7 1,0 7,1<br />
Geschenkbücher 10,9 0,6 0,0<br />
* Nach den Angaben des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels e. V..
Anhang A XIII<br />
Abbildung 9:<br />
Monatszahlen der Neuveröffentlichungen im deutschsprachigen Raum, die dem Genre der Kriminalliteratur zuzuordnen sind *<br />
200<br />
180<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
Jan Febr März April Mai Juni Juli Aug Sept Okt Nov Dez<br />
* vgl. kaliber.38. Krimis im Internet. Neuerscheinungen (2004). In: http://www.kaliber38.de.<br />
1999<br />
2000<br />
2001<br />
2002<br />
2003<br />
2004
Anhang A XIV<br />
Abbildung 10:<br />
Jahreszahlen der Neuveröffentlichungen im deutschsprachigen Raum, die<br />
dem Genre der Kriminalliteratur zuzuordnen sind *<br />
0 200 400 600 800 1000 1200 1400<br />
* vgl. kaliber.38. Krimis im Internet. Neuerscheinungen (2004). In: http://www.kaliber38.de.<br />
Abbildung 11:<br />
Jahreszahlen deutschsprachiger Erstveröffentlichungen im Bereich der<br />
Kriminalliteratur **<br />
200<br />
180<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003<br />
** vgl. Das Syndikat. Glauser (2004). In: http://www.<strong>das</strong>-syndikat.com.<br />
1999<br />
2000<br />
2001<br />
2002<br />
2003<br />
2004
Anhang A XV<br />
Abbildung 12:<br />
Interview mit Frau Ewa-Gun Westford am 09. August 2004, 10.00 Uhr<br />
in 27180 Ystad, Stora Östergatan (Dolmetscherin: Ulrika Luka, BKA).<br />
Frage: Das erste Buch „Mörder ohne Gesicht“ beruht auf einer wahren<br />
Begebenheit, laut derer ein Bauernehepaar in der Nähe <strong>von</strong> Ystad überfallen und<br />
hierbei schwer verletzt wurde. Wann ist dies geschehen und war diese Tat<br />
tatsächlich der ausschlaggebende Punkt für Mankell sein erstes Buch mit<br />
<strong>Kommissar</strong> <strong>Wallander</strong> zu schreiben?<br />
Antwort: Das stimmt so. Das Buch basiert auf einer wahren Begebenheit. Das<br />
Ehepaar wurde jedoch nicht - wie in den Büchern geschildert - ermordet, sondern<br />
schwer misshandelt. H. M. hat <strong>das</strong> einfach nur noch ein bisschen schlimmer<br />
gemacht.<br />
Frage: Gab es tatsächlich fremdenfeindliche Reaktionen auf diese Tat?<br />
Antwort: H. M. hat die Stimmung, die es gab, auffangen können. Er hat des<br />
Öfteren schon über Dinge geschrieben, bevor diese überhaupt geschehen waren.<br />
Er hat also ein Vermögen Stimmungen aufzufangen und zu vermitteln. Eine<br />
fremdenfeindliche Stimmung dieses Ausmaßes gab es jedoch nicht.<br />
Fremdenfeindlichkeit ist eigentlich ein sehr tabu belegtes Thema, vor allem hier in<br />
Schweden, weil wir Schweden immer denken: „Wir sind super korrekt und<br />
tüchtig.“<br />
Frage: Wie hat H. M. auf den Fall reagiert? Hat er den Kontakt zur Polizei<br />
gesucht, um mehr über diesen Fall zu erfahren und wann hat er sich <strong>das</strong> erste Mal<br />
bei der Polizei gemeldet?<br />
Antwort: Wie und wann <strong>das</strong> Ganze angefangen hat - <strong>das</strong> weiß keiner. H. M. lebt<br />
jedoch seit 25 Jahren auf einem Hof außerhalb <strong>von</strong> Ystad und beschreibt die Stadt<br />
als eine Art Grenzland zwischen Polen und dem Kontinent. Die südliche Spitze<br />
<strong>von</strong> Schweden ist ein Grenzland zu Polen. H. M. hat die Polizisten in Ystad viel<br />
besucht und es kommen Dinge in den Büchern vor, die an die Wirklichkeit<br />
grenzen. Es gibt zum Beispiel einen Polizisten namens Wald. Er hat eine Tochter
Anhang A XVI<br />
namens Linda, trinkt gerne Whiskey und liebt die Oper. Auch die<br />
Polizeidirektorin <strong>von</strong> Ystad war bis Dezember letzten Jahres eine Frau. Es gibt<br />
also ein paar Dinge, die real sind. Liza Hold entspricht jedoch keineswegs Eva<br />
Astrid Rosberg, der damaligen Chefin der Ystader Polizei. Deren Gemeinsamkeit<br />
<strong>liegt</strong> lediglich darin, <strong>das</strong>s es sich jeweils um eine weibliche Führungskraft handelt.<br />
Wirklichkeit und Fiktion werden auf eine Art verwoben, die <strong>das</strong> Ganze ein wenig<br />
mystisch macht.<br />
Frage: Ist der Name <strong>Wallander</strong> auf den Kriminalbeamten Wald zurückzuführen,<br />
der in dem o. g. Fall der ermittelnde Beamte war?<br />
Antwort: Ich habe nicht versucht H. M. dazu auszuquetschen. Gewisse Dinge<br />
braucht man nicht zu wissen. Je älter man wird desto mehr hat man vielleicht so<br />
<strong>das</strong> Gefühl: „Das muss man nicht wissen. Es ist schon besser wenn man es nicht<br />
weiß.“. Es ist schlimm genug zu sehen wie viel man in der Filmwelt pfuscht, um<br />
einfach gute Bilder zu bekommen. Das, was wir letztendlich im Film sehen, ist<br />
nicht so wie es richtig gelaufen ist.<br />
Frage: In den Büchern werden sowohl die Autoschieberei nach Polen als auch<br />
die Rauschgiftkriminalität zu Kriminalitätsschwerpunkten dieser Stadt erklärt.<br />
Trifft diese Aussage zu und was zeigen aktuelle Entwicklungen auf?<br />
Antwort: Dies sind zwei Hauptpunkte der Polizeiarbeit hier in Ystad.<br />
Luxusautos, in denen oftmals gleichzeitig Drogen versteckt sind, werden nach<br />
Polen geschmuggelt. Leider hat die Polizei in Ystad keine Ressourcen, um diese<br />
Sachen zu überwachen. Kfz- und Drogenschmuggel sind OK-Delikte, die <strong>von</strong><br />
Malmö aus gesteuert werden. Malmö ist in diesem Fall zuständig für den Bereich<br />
Skåne. In den Romanen kommt <strong>Wallander</strong> mit diesen Kriminalitätsfeldern in<br />
Berührung. In der Realität würde <strong>das</strong> nicht passieren, sondern <strong>von</strong> Malmö aus<br />
gesteuert werden.<br />
Anmerkung: In diesem Augenblick kommt Herr Göran Schön, ein Kollege <strong>von</strong><br />
Frau Westford, hinzu. Er vermittelte dem Schauspieler Krister Hendriksson, der<br />
<strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong> in „Vor dem Frost“ spielt, die männliche Perspektive eines<br />
Kriminalbeamten aus Ystad und trug somit dazu bei die Authentizität der
Anhang A XVII<br />
Verfilmungen zu erhöhen. Die folgende Frage wird deshalb <strong>von</strong> Herrn Schön<br />
beantwortet.<br />
Frage: Einige Male hält <strong>Wallander</strong> absichtlich Informationen gegenüber seinen<br />
Kollegen zurück und ermittelt letztendlich auf eigene Faust. Privat hat er u. a.<br />
Ernährungsprobleme und leidet unter der Scheidung <strong>von</strong> Mona, was ihn immer<br />
wieder in eine melancholische Stimmung versetzt. Könnte die Person <strong>Kurt</strong><br />
<strong>Wallander</strong> - sowohl aus privater als auch dienstlicher Sicht - im realen<br />
schwedischen Polizeiapparat existieren?<br />
Antwort: In der Realität müsste <strong>Wallander</strong> mit einer Kündigung rechnen, sobald<br />
er gegen geltende Gesetze verstößt. Zur privaten Situation des <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong><br />
kann ich nichts sagen, da ich mich nicht in einer vergleichbaren privaten Situation<br />
befinde.<br />
Frage: Weist Ystad eine höhere Kriminalitätsrate im Vergleich zu anderen<br />
Städten Südschwedens auf?<br />
Antwort: Nein. Angesichts des Hafens überwiegen hier lediglich die<br />
Schmuggeldelikte. Die übrigen Bereiche Südschwedens haben ihrerseits jedoch<br />
andere spezifische Kriminalitätsschwerpunkte. In Småland, dessen Landschaft<br />
<strong>von</strong> Wäldern geprägt ist, überwiegen Delikte wie Diebstähle, Hehlerei oder<br />
Schwarzbrennerei. Auch die Hells Angels sind hier aktiv. Angesichts der Nähe<br />
zum Baltikum stellt in Lappland hingegen die Prostitution einen<br />
Kriminalitätsschwerpunkt dar. Die Hauptstadt wiederum muss ihre Schwerpunkte<br />
im OK-Bereich der Wirtschaftskriminalität setzen, deren Ursprünge in Lettland,<br />
Litauen und Estland zu suchen sind. Gerade <strong>das</strong> Phänomen durchorganisierter<br />
Banden ist mittlerweile auch in Ystad zu beobachten. Mit der Kriminalität verhält<br />
es sich so wie mit der Mode. Die neuen Trends kommen <strong>von</strong> London über<br />
Stockholm und Malmö letztendlich nach Ystad. Betrachtet man die Morde an<br />
Olof Palme oder Anna Lind, wird einem klar, <strong>das</strong>s die Schweden in dieser<br />
Hinsicht naiv sind. Während die Welt mit diesem Thema versiert umgeht, fragt<br />
sich <strong>das</strong> schwedische Volk ganz erstaunt: „Ups, wie konnte <strong>das</strong> denn passieren?“
Anhang A XVIII<br />
Frage: Wo liegen die Schwerpunkte der kriminalpolizeilichen Arbeit in Ystad?<br />
Antwort: Es handelt sich hierbei um Eigentumsdelikte und Straftaten gegen die<br />
körperliche Unversehrtheit. Im Falle <strong>von</strong> schwerwiegenderen Delikten wie Mord<br />
oder Totschlag greift die Polizei in Ystad auf die technische und personelle<br />
Unterstützung der Landespolizei in Malmö zurück. Den Fall untersucht sie jedoch<br />
selbst.<br />
Frage: Wie lange <strong>liegt</strong> der letzte Mord in Ystad zurück?<br />
Antwort: Es handelt sich hierbei um den Totschlag an einem neugeborenen Kind<br />
vom 09./10. Januar diesen Jahres in einer Nachbarkommune <strong>von</strong> Ystad. Die<br />
Täterschaft konnte bis heute noch nicht eindeutig geklärt werden. Man weiß,<br />
<strong>Wallander</strong> gibt es nicht, aber im Falle der Brandstiftungsserie vom Oktober 2003<br />
oder dem zuvor erwähnten Totschlag denkt man für sich: „Oh Mann, <strong>das</strong> ist ja<br />
wie der Anfang eines <strong>Wallander</strong> Romans“. <strong>Wallander</strong> gibt es überall.<br />
Frage: Wie viele Einwohner hat Ystad?<br />
Antwort: Ich glaube 13.000, bin mir aber nicht sicher.<br />
Frage: Wie viele Polizisten arbeiten hier in Ystad? Und wie groß ist deren<br />
Zuständigkeitsbereich?<br />
Antwort: Insgesamt sind 320 Beamten und Angestellte für die Polizei in Ystad<br />
tätig. Abzüglich der örtlichen Angestellten handelt es sich letztendlich hierbei um<br />
ca. 220 PolizeibeamtInnen. Die Polizei in Ystad ist darüber hinaus für die sieben<br />
Bereiche Trelleborg, Vellinge, Svedåla, Skurup, Ystad, Tomellila und<br />
Simrishamn zuständig.<br />
Frage: Sind die übrigen Fälle, die in den Büchern beschrieben werden, jemals in<br />
einer gewissen Ähnlichkeit in Skandinavien passiert?<br />
Antwort: H. M. hat die übrigen Mordfälle erfunden. Es gibt jedoch immer eine<br />
gewisse Realitätsanknüpfung. So haben zum Beispiel Einwanderer in Malmö Igel<br />
angezündet. Das hat uns sehr stark an die brennenden Schwäne in „Vor dem<br />
Frost“ erinnert.
Anhang A XIX<br />
Frage: Das Kollegenverhältnis wird in den Büchern nicht sehr innig dargestellt.<br />
<strong>Wallander</strong> weiß zum Beispiel nichts <strong>von</strong> Svedbergs Bewunderung ihm gegenüber.<br />
Lediglich mit Ann-Britt Höglund spricht der <strong>Kommissar</strong> über private Probleme.<br />
Trifft <strong>das</strong> auch für den realen Polizeialltag in Ystad zu?<br />
Antwort: Das entspricht der Realität. In diesem Zusammenhang muss man<br />
jedoch erwähnen, <strong>das</strong>s die Polizei eine sehr strikte, hierarchische und männliche<br />
Organisation ist. Es gibt erst seit 1958 Frauen bei der schwedischen Polizei. Im<br />
Vergleich zu dem normalen Tagesdienst kommt man sich zum Beispiel um 4 Uhr<br />
morgens - zusammen in einem Streifenwagen - wesentlich näher. Das Verhältnis<br />
ist dann ein anderes. Frauen bei der Polizei haben dazu beigetragen, <strong>das</strong>s vermehrt<br />
auch über private Belange gesprochen wird. Man hat in den letzten Jahren mit<br />
Hilfe der weiblichen Perspektive die Polizeiarbeit in eine andere Richtung lenken<br />
können. Der Mitbürger wurde ins Zentrum gerückt und man setzt in manchen<br />
Situationen auf weichere und sanftere Töne im Gegensatz zu der strikten<br />
männlichen Welt, die die Polizeiarbeit lange Zeit geprägt hat. Ich bin mir nicht<br />
sicher, ob <strong>das</strong> der Grund ist, weshalb Linda <strong>Wallander</strong> nun Polizistin wird. Ich bin<br />
auf jeden Fall sehr gespannt, wie H. M. Linda beschreiben wird, wie sie ihre<br />
Aufgabe als Polizistin meistern und <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong> diesen Umstand bewältigen<br />
wird.<br />
Frage: Sowohl Ann-Britt Höglund als auch Martinsson müssen zunächst um die<br />
Akzeptanz ihrer neuen Kollegen kämpfen. Bestehen tatsächlich Vorurteile<br />
gegenüber Frauen und jüngeren Kollegen innerhalb des schwedischen<br />
Polizeiapparates?<br />
Antwort: Diese Vorurteile bestehen leider seitens einiger Kollegen in Ystad, da<br />
die Welt hier sehr traditionsgebunden ist und zum Beispiel einige Kollegen schon<br />
immer hier arbeiten. Ich selbst habe <strong>das</strong> vor zwei Jahren trotz meiner 32-jährigen<br />
Diensterfahrung erleben müssen, als ich nach Ystad kam und mich einer<br />
traditionellen Männerwelt gegenübersah. Das war sehr anstrengend. 1974 haben<br />
sich Männer noch geweigert mit Frauen Streife zu fahren und<br />
Gleichstellungspläne waren nicht vorhanden.<br />
Frage: Wie hoch ist heute der Frauenanteil bei der schwedischen Polizei?
Anhang A XX<br />
Antwort: Während der Frauenanteil landesweit bei ca. 25% <strong>liegt</strong>, sind es in Ystad<br />
ungefähr 10%. Bei den Neueinstellungen wird jedoch eine Frauenquote <strong>von</strong> 30%<br />
angestrebt. Momentan ist man bestrebt vermehrt Ausländer bei der schwedischen<br />
Polizei einzustellen, so <strong>das</strong>s sich der Fokus in diesem Bezug etwas verschoben<br />
hat.<br />
Frage: Sind die beschriebenen Täterprofile der Bücher in Schweden so denkbar?<br />
Antwort: H. M. schmückt wie gesagt vieles aus, weshalb man nicht genau sagen<br />
kann, was nun der Realität entspricht. Er tendiert hier mehr zu Afrika - aber eben<br />
doch im schwedischen Sinne. Obwohl H. M. viel in Afrika lebt, weiß er genau wo<br />
die Probleme in Schweden liegen und berichtet <strong>von</strong> Dingen, bevor sie hier<br />
passieren. Das ist <strong>das</strong> Mystische an diesen Büchern und verursacht Gänsehaut.<br />
Frage: <strong>Wallander</strong> baut zu Hoover, dem Mörder aus „Die falsche Fährte“, ein<br />
fast schon persönliches Verhältnis auf und geht sogar zu dessen Beerdigung.<br />
Kann es in der Tat zu solchen Verhältnissen zwischen dem einzelnen<br />
Kriminalbeamten und dem Täter kommen?<br />
Antwort: Das passiert eigentlich nicht in der Realität. Bei dem zuvor erwähnten<br />
Totschlag hat man z. B. lediglich darüber gesprochen, wie man und wer denn<br />
dieses Neugeborene beerdigen soll.<br />
Frage: Ist die beschriebene Ermittlungstaktik, zum Beispiel in Bezug auf die<br />
Dienstbesprechungen und <strong>Wallander</strong>s „berühmten“ Block, authentisch?<br />
Antwort: Diesen Block gibt es wirklich. Es handelt sich hierbei um ein kleines<br />
schwarzes Wachsbuch, <strong>das</strong> die Kollegen immer bei sich haben.<br />
Dienstbesprechungen finden zweimal täglich statt.<br />
Frage: Dieses Besprechungszimmer gibt es angeblich aber nicht.<br />
Antwort: Es gibt unterschiedliche Arten <strong>von</strong> Besprechungen und demnach auch<br />
unterschiedliche Räume, in denen diese stattfinden.<br />
Frage: Gibt es einen speziell ausgebildeten Spurensicherungsbeamten?<br />
Antwort: Ja, dieser Beamte ist ein Techniker, der für seine Arbeit speziell<br />
ausgebildet wird. Ist ein Verbrechen passiert, sperrt zunächst die Streifenpolizei
Anhang A XXI<br />
<strong>das</strong> Gebiet ab und anschließend wartet man auf den Techniker, der dann die<br />
Spuren sichert und bei Bedarf auch filmt.<br />
Frage: Ist es üblich, <strong>das</strong>s die Staatsanwaltschaft im selben Gebäude wie die<br />
Polizei untergebracht ist?<br />
Antwort: Das ist nicht üblich für Schweden, jedoch tatsächlich so in Ystad und<br />
ausgezeichnet für die Zusammenarbeit. Die Staatsanwaltschaft in Ystad besteht<br />
aus einem Staatsanwalt und einer Staatsanwältin.<br />
Frage: <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong> kombiniert bei seiner Ermittlungsarbeit Logik und<br />
Instinkt.<br />
Antwort: <strong>Wallander</strong> ist ein sehr engagierter Polizist, was ihn unter anderem seine<br />
Ehe gekostet hat. Er ist ein typisch unsicherer schwedischer Mann für sein Alter.<br />
Nach seiner gescheiterten Ehe widmet er sich völlig seiner Arbeit und agiert auch<br />
sonst typisch angesichts der privaten Situation, in der er sich befindet. So<br />
integriert er zum Beispiel die großen Lebensfragen in seine Arbeit und wenn alles<br />
zu viel für ihn wird, greift er zur Whiskeyflasche und hört Opern. Da ist es nicht<br />
verwunderlich, <strong>das</strong>s <strong>Wallander</strong> in eine melancholische Stimmung verfällt.<br />
Frage: Hängt diese melancholische Stimmung, die immer wieder in den Büchern<br />
zum Ausdruck kommt, mit dem Beruf des Polizisten zusammen oder könnte man<br />
diese auch auf <strong>Kurt</strong>s gescheiterte Ehe und die damit zusammenhängenden<br />
Probleme zurückführen?<br />
Antwort: Man sollte schon daran denken, <strong>das</strong>s Polizisten in ihrer Tätigkeit viel<br />
auf Gewalt und andere schlimme Situationen treffen. Ärzte machen <strong>das</strong> zum<br />
Beispiel auch auf eine ähnliche Weise.Der Polizist wird in seiner Arbeit viel mit<br />
menschlichen Defekten konfrontiert. Unter diesem Gesichtspunkt ist der Beruf<br />
des Polizeibeamten einzigartig und <strong>das</strong> sollte man in diesem Punkt nicht<br />
vergessen.<br />
Frage: Ist es möglich verallgemeinernd zu sagen, <strong>das</strong>s die Scheidungsrate in der<br />
Polizei höher ist als in anderen Berufen?<br />
Antwort: Bei der Polizei ist die Scheidungsfrequenz in der Tat sehr hoch.
Anhang A XXII<br />
Frage: Sind speziell die Romanenden unter dem Gesichtspunkt der<br />
Eigensicherung unrealistisch?<br />
Antwort: Ja, <strong>das</strong> wird hier so gesehen. Gerade im Hinblick auf die<br />
Eigensicherung gibt es in Schweden ein Regelbuch nach dem sich die Beamten<br />
richten. Gerade <strong>das</strong> macht <strong>Wallander</strong> nicht, was ihn in diesem Punkt<br />
unglaubwürdig macht. Aber ohne diesen Fakt gäbe es kein Buch und keinen Film.<br />
Frage: H. M. beschreibt die gesellschaftliche Situation in Schweden als sehr<br />
bedenklich. Ist diese tatsächlich gekennzeichnet <strong>von</strong> einer fremdenfeindlichen<br />
Stimmung, einer zunehmenden Gewaltbereitschaft, einem immer größer<br />
werdenden Gegensatz zwischen Arm und Reich sowie <strong>von</strong> Jugendlichen, die nicht<br />
wissen, was sie tun sollen?<br />
Antwort: Das ist exakt richtig. Malmö zum Beispiel ist eine tickende Bombe.<br />
Erst letzten Freitag hat hier ein 16-jähriger Junge eine andere Person hingerichtet.<br />
Die Politiker beurteilen die Situation falsch.<br />
Frage: H. M. warnt vor dem Kollaps des schwedischen Sozialstaates.<br />
Antwort: Ich kann diesen Eindruck nur bestätigen. Das ist ein politisches<br />
Problem. Politiker setzen sich lieber selbst in Szene als sich um Probleme dieser<br />
Art zu kümmern.<br />
Frage: Sind die gesellschaftlichen Probleme größer als in den übrigen<br />
skandinavischen Ländern?<br />
Antwort: Wahrscheinlich. Ich glaube, eine Ursache hierfür ist, <strong>das</strong>s sich<br />
Schweden im Gegensatz zu Dänemark und Norwegen im Zweiten Weltkrieg<br />
neutral verhalten hat. Dadurch sind die Schweden etwas naiver.<br />
Frage: H. M. wird in Deutschland vor allem für die genaue Schilderung der<br />
Polizeiarbeit gelobt. Wie recherchiert H. M.?<br />
Antwort: Ich erlebe Mankell wie eine Art Schwamm, der alles in sich aufsaugt.<br />
Wenn man mit ihm zusammen ist, dann ist er sehr ruhig und zurückhaltend. Er ist<br />
mit einer schwedischen Frau verheiratet und eine schwedische Polizistin schreibt<br />
für ihn Erlebnisse auf.
Anhang A XXIII<br />
Frage: Verhält sich die schwedische Polizei ihm gegenüber aufgeschlossen?<br />
Antwort: H. M. steht nicht im direkten Kontakt zur Polizei. Ich schicke ihm<br />
jedoch ausgewählte Zeitungsartikel zu, die eventuell für ihn <strong>von</strong> Interesse sein<br />
könnten. Darüber hinaus abonniert er auch die schwedische Polizeizeitung. Ich<br />
bin sozusagen <strong>das</strong> Verbindungsglied zwischen Mankell und den Schauspielern,<br />
die bei den Verfilmungen seiner Bücher mitwirken.<br />
Frage: Sind die Namen der Personen in den Büchern typisch schwedisch?<br />
Antwort: Ja.<br />
Frage: Trifft es zu, <strong>das</strong>s H. M.s Bücher inoffiziell zur Polizeiausbildung benutzt<br />
werden?<br />
Antwort: Das weiß ich nicht. Als Verantwortliche für neue Kollegen in Ystad<br />
gebe ich diesen jedoch jeweils eine Ausgabe <strong>von</strong> „Mörder ohne Gesicht“, da ich<br />
der Meinung bin, <strong>das</strong>s man dieses Buch gelesen haben sollte.<br />
Frage: Ist dies <strong>das</strong> beliebteste Buch in Schweden?<br />
Antwort: Nein, aber es ist <strong>das</strong> erste Buch. Meiner Meinung sollte man die<br />
Nummer eins lesen, wenn man sich <strong>Wallander</strong> nähern möchte. Ich persönlich<br />
finde die „Rückkehr des Tanzlehrers“ und „Vor dem Frost“ am Besten.
Anhang B XXIV<br />
Anhang B
Anhang B XXV<br />
Anlage 1:<br />
Fragebogen „<strong>Henning</strong> Mankell“<br />
Persönliche Angaben: Geschlecht männlich weiblich<br />
Familienstand ledig verheiratet geschieden<br />
Alter …….. Jahre<br />
Wohnort ……..<br />
Beruf ……..<br />
1) Wie viele Bücher lesen Sie durchschnittlich im Laufe eines Monats? …….. Stück<br />
2) Wie hoch ist der Anteil der <strong>von</strong> Ihnen gelesenen Bücher an Kriminalliteratur? …….. %<br />
3) Wie lange interessieren Sie sich schon für dieses Genre der Literatur? …….. Jahre<br />
4) Welche Romane <strong>von</strong> <strong>Henning</strong> Mankells „<strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Serie“ haben Sie gelesen?<br />
(Bitte kreuzen Sie die <strong>von</strong> Ihnen gelesenen Romane an.)<br />
1. FALL Mörder ohne Gesicht<br />
2. FALL Hunde <strong>von</strong> Riga<br />
3. FALL Die weiße Löwin<br />
4. FALL Der Mann, der lächelte<br />
5. FALL Die falsche Fährte<br />
6. FALL Die fünfte Frau<br />
7. FALL Mittsommermord<br />
8. FALL Die Brandmauer<br />
<strong>Wallander</strong>s erster Fall. Erzählungen.<br />
5) Wie sind Sie auf Mankells „<strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romane“ aufmerksam geworden?<br />
Empfehlung <strong>von</strong> Bekannten/ Freunden<br />
Empfehlung <strong>von</strong> Kollegen<br />
Buchhandlung<br />
Bestsellerliste<br />
Werbung. Falls zutreffend: Art des Mediums: Fernsehen/ Hörfunk<br />
Zeitung/ Zeitschrift<br />
Internet
Anhang B XXVI<br />
6) Welcher der „<strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romane“ hat Ihnen<br />
am Besten …......<br />
am Wenigsten ……..<br />
gefallen?<br />
7) Welchen der „<strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romane“ schätzen Sie<br />
als den authentischsten Roman der Serie ……..<br />
als den unrealistischsten Roman der Serie ……..<br />
ein?<br />
8) Wie realistisch empfinden Sie 1 2 3 4<br />
<strong>das</strong> Tatgeschehen<br />
den Hauptcharakter <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong><br />
die private Situation des <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong><br />
die Nebencharaktere<br />
<strong>das</strong> Kollegenverhältnis<br />
die dargestellten Täterprofile<br />
<strong>das</strong> Täter-Ermittlungsbeamter Verhältnis<br />
den Ablauf der Polizeiarbeit<br />
die Ermittlungstaktik<br />
die Vorgehensweise bei der Spurensicherung<br />
die Eigensicherung der Ermittler bei ihrer Arbeit<br />
den jeweiligen Romanausgang<br />
der „<strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romane“?<br />
(Beantworten Sie diese Frage mit Hilfe der Skala 1= absolut realistisch, 2=teils realistisch,<br />
3= teils unrealistisch, 4= völlig unrealistisch.)<br />
9) <strong>Henning</strong> Mankells „<strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Roamne“ spielen in Ystad - einem kleinen Ort in<br />
Südschweden. Kennen Sie die Unterschiede zwischen den deutschen und schwedischen<br />
Ermittlungsbehörden?<br />
Ja.<br />
Nein.<br />
10) Beeinflusst die Tatsache, <strong>das</strong>s die Romane in Schweden spielen Ihre Bewertung der Realität in<br />
den Romanen?<br />
Ja. Die Bundesrepublik Deutschland als Handlungsort wäre realistischer.<br />
Ja. Die Bundesrepublik Deutschland als Handlungsort wäre unrealistischer.
Anhang B XXVII<br />
Nein. Es ist völlig gleichgültig in welchem der beiden Länder die Romane spielen. Das Maß<br />
an Realität ist in beiden Ländern gleich.<br />
11) Wie wichtig ist Ihnen beim Lesen dieser Kriminalromane 1 2 3 4<br />
der Unterhaltungsfaktor<br />
der kriminalistische Wert?<br />
(Beantworten Sie diese Frage mit Hilfe der Skala 1= absolut wichtig, 2=wichtig,<br />
3=unwichtig, 4=völlig unwichtig.)<br />
12) Wie haben Ihnen die „<strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romane“ insgesamt gefallen? 1 2 3 4<br />
(Beantworten Sie diese Frage mit Hilfe der Skala 1= sehr gut, 2=gut, 3=weniger gut,<br />
4=überhaupt nicht.)<br />
13) Worin liegen die Gründe hierfür? 1 2 3 4<br />
die Spannung<br />
der literarische Stil<br />
die Authentizität<br />
die Identifikation mit dem Hauptcharakter<br />
die eingebrachte Gesellschaftskritik<br />
(Beantworten Sie diese Frage mit Hilfe der Skala 1= sehr entscheidend, 2=entscheidend,<br />
3=unwesentlich, 4=völlig unwesentlich.)<br />
14) Hat sich Ihr Bild <strong>von</strong> der Polizei dadurch verändert? 1 2 3 4<br />
Nein.<br />
Wenn ja, wie? Positiv<br />
Negativ<br />
(Beantworten Sie diese Frage mit Hilfe der Skala 1= sehr stark, 2=stark, 3=gering,<br />
4=äußerst gering.)<br />
Vielen Dank für Ihre Mithilfe,<br />
Iris Lörch
Anhang B XXVIII<br />
Anlage 2:<br />
Fragebogenauswertung<br />
Geschlecht<br />
Gültige Kumulierte<br />
Häufigkeit Prozent Prozente Prozente<br />
Gültig männlich 126 58,1 58,3 58,3<br />
weiblich 90 41,5 41,7 100,0<br />
Gesamt 216 99,5 100,0<br />
Fehlend System 1 0,5<br />
Gesamt 217 100,0<br />
Alter<br />
Gültige Kumulierte<br />
Häufigkeit Prozent Prozente Prozente<br />
Gültig 15-24 43 19,8 19,9 19,9<br />
25-34 92 42,4 42,6 62,5<br />
35-44 49 22,6 22,7 85,2<br />
45-54 23 10,6 10,6 95,8<br />
55-65 9 4,1 4,2 100,0<br />
Gesamt 216 99,5 100,0<br />
Fehlend System 1 0,5<br />
Gesamt 217 100,0<br />
Beruf<br />
Gültige Kumulierte<br />
Häufigkeit Prozent Prozente Prozente<br />
Gültig Schüler/in 7 3,2 3,3 3,3<br />
Student/in 28 12,9 13,4 16,7<br />
Angestellte/r 57 26,3 27,3 44,0<br />
Absolvent/in 56 25,8 26,8 70,8<br />
Rentner/in 3 1,4 1,4 72,2<br />
Arbeitslose/r 1 0,5 0,5 72,7<br />
Polizeibeamter/in 45 20,7 21,5 94,3<br />
Selbstständig 8 3,7 3,8 98,1<br />
Hausfrau 1 0,5 0,5 98,6<br />
Azubi 3 1,4 1,4 100,0<br />
Gesamt 209 96,3 100,0<br />
Fehlend System 8 3,7<br />
Gesamt 217 100,0
Anhang B XXIX<br />
Frage 1: Wie viele Bücher lesen Sie durchschnittlich im Laufe eines<br />
Monats?<br />
Gültige Kumulierte<br />
Häufigkeit Prozent Prozente Prozente<br />
Gültig 0,25 4 1,8 1,8 1,8<br />
0,50 4 1,8 1,8 3,7<br />
1,00 52 24,0 24,0 27,6<br />
2,00 78 35,9 35,9 63,6<br />
3,00 42 19,4 19,4 82,9<br />
4,00 13 6,0 6,0 88,9<br />
5,00 14 6,5 6,5 95,4<br />
6,00 3 1,4 1,4 96,8<br />
7,00 2 0,9 0,9 97,7<br />
8,00 3 1,4 1,4 99,1<br />
10,00 1 ,5 0,5 99,5<br />
25,00 1 0,5 0,5 100,0<br />
Gesamt 217 100,0 100,0<br />
Frage 2: Wie hoch ist der Anteil der <strong>von</strong> Ihnen gelesenen Bücher an<br />
Kriminalliteratur?<br />
30,00%<br />
25,00%<br />
20,00%<br />
15,00%<br />
10,00%<br />
5,00%<br />
0,00%<br />
1,40%<br />
9,70%<br />
10,60%<br />
13,80%<br />
14,80%<br />
27,60%<br />
22,10%<br />
Anhang B XXX<br />
Frage 3: Wie lange interessieren Sie sich schon für dieses Genre der<br />
Literatur?<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
34,42<br />
01-05<br />
Jahre<br />
20,93<br />
06-10<br />
Jahre<br />
9,77<br />
11-15<br />
Jahre<br />
18,14<br />
16-20<br />
Jahre<br />
12,09<br />
21-30<br />
Jahre<br />
4,65<br />
über 30<br />
Jahre<br />
Frage 4: Welche Romane <strong>von</strong> <strong>Henning</strong> Mankells „<strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Serie“<br />
haben Sie gelesen?<br />
100,00%<br />
90,00%<br />
80,00%<br />
70,00%<br />
60,00%<br />
50,00%<br />
40,00%<br />
1. Fall<br />
91,20% 89,40%<br />
2. Fall<br />
3. Fall<br />
82,50%<br />
4. Fall<br />
87,10% 86,20% 88,00% 88,00%<br />
5. Fall<br />
6. Fall<br />
7. Fall<br />
78,30%<br />
8. Fall<br />
Erzählungen<br />
65,00%
Anhang B XXXI<br />
Frage 5: Wie sind Sie auf <strong>Henning</strong> Mankells „<strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romane“<br />
aufmerksam geworden?<br />
70,00%<br />
60,00%<br />
50,00%<br />
40,00%<br />
30,00%<br />
20,00%<br />
10,00%<br />
0,00%<br />
62,50%<br />
7,40%<br />
24,50%<br />
11,60%<br />
4,20% 6,50%<br />
0,90%<br />
Empfehlung <strong>von</strong><br />
Bekannten/ Freunden<br />
Empfehlung <strong>von</strong> Kollegen<br />
Buchhandlung<br />
Bestsellerliste<br />
Werbung- TV/ Hörfunk<br />
Werbung- Printmedien<br />
Werbung- Internet<br />
Frage 6a: Welcher der „<strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romane“ hat Ihnen am Besten<br />
gefallen?<br />
40,00%<br />
35,00%<br />
30,00%<br />
25,00%<br />
20,00%<br />
15,00%<br />
10,00%<br />
5,00%<br />
0,00%<br />
1. Fall<br />
6,50%<br />
2. Fall<br />
3,70%<br />
10,10%<br />
3. Fall<br />
4. Fall<br />
1,80%<br />
5. Fall<br />
6,90%<br />
18,90%<br />
6. Fall<br />
7. Fall<br />
38,20%<br />
8. Fall<br />
8,30%<br />
Erzählungen<br />
0,50%<br />
k. A.<br />
5,10%
Anhang B XXXII<br />
Frage 6b: Welcher der „<strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romane“ hat Ihnen am Wenigsten<br />
gefallen?<br />
18,00%<br />
16,00%<br />
14,00%<br />
12,00%<br />
10,00%<br />
8,00%<br />
6,00%<br />
4,00%<br />
2,00%<br />
0,00%<br />
1. Fall<br />
11,10%<br />
18,00%<br />
2. Fall<br />
15,20%<br />
14,30%<br />
3. Fall<br />
4. Fall<br />
5. Fall<br />
3,20% 3,20%<br />
6. Fall<br />
7. Fall<br />
1,80%<br />
8. Fall<br />
9,20%<br />
Erzählungen<br />
7,80%<br />
16,10%<br />
Frage 7a: Welchen der „<strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romane“ schätzen Sie als den<br />
authentischsten Roman der Serie ein?<br />
40,00%<br />
35,00%<br />
30,00%<br />
25,00%<br />
20,00%<br />
15,00%<br />
10,00%<br />
5,00%<br />
0,00%<br />
24,90%<br />
1. Fall<br />
2. Fall<br />
9,70%<br />
3. Fall<br />
3,20%<br />
4. Fall<br />
7,40% 6,00% 6,50%<br />
5. Fall<br />
6. Fall<br />
12,40%<br />
9,70%<br />
7. Fall<br />
8. Fall<br />
Erzählungen<br />
2,80%<br />
k. A.<br />
17,50%<br />
k. A.
Anhang B XXXIII<br />
Frage 7b: Welchen der „<strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romane“ schätzen Sie als den<br />
unrealistischsten Roman der Serie ein?<br />
30,00%<br />
25,00%<br />
20,00%<br />
15,00%<br />
10,00%<br />
5,00%<br />
0,00%<br />
1. Fall<br />
3,20%<br />
13,90%<br />
12,50%<br />
2. Fall<br />
3. Fall<br />
4. Fall<br />
9,30%<br />
5. Fall<br />
Frage 8: Wie realistisch empfinden Sie<br />
a) <strong>das</strong> Tatgeschehen<br />
6,00%<br />
6. Fall<br />
7,90% 7,90%<br />
7. Fall<br />
13,90%<br />
8. Fall<br />
Erzählungen<br />
1,40%<br />
24,10%<br />
Gültige Kumulierte<br />
Häufigkeit Prozent Prozente Prozente<br />
Gültig absolut<br />
realistisch<br />
61 28,1 28,1 28,1<br />
teils<br />
realistisch<br />
120 55,3 55,3 83,4<br />
teils<br />
unrealistisch<br />
33 15,2 15,2 98,6<br />
völlig<br />
unrealistisch<br />
3 1,4 1,4 100,0<br />
Gesamt 217 100,0 100,0<br />
k. A.
Anhang B XXXIV<br />
b) den Hauptcharakter des <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong><br />
Gültige<br />
Prozente<br />
Kumulierte<br />
Prozente<br />
Häufigkeit Prozent<br />
Gültig absolut<br />
realistisch<br />
155 71,4 71,4 71,4<br />
teils realistisch 50 23,0 23,0 94,5<br />
teils<br />
unrealistisch<br />
12 5,5 5,5 100,0<br />
Gesamt 217 100,0 100,0<br />
c) die private Situation des <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong><br />
Gültige<br />
Prozente<br />
Kumulierte<br />
Prozente<br />
Häufigkeit Prozent<br />
Gültig<br />
absolut<br />
realistisch<br />
161 74,2 74,5 74,5<br />
teils realistisch 44 20,3 20,4 94,9<br />
teils<br />
unrealistisch<br />
9 4,1 4,2 99,1<br />
völlig<br />
unrealistisch<br />
2 0,9 0,9 100,0<br />
Gesamt 216 99,5 100,0<br />
Fehlend System 1 0,5<br />
Gesamt 217 100,0<br />
Gültig<br />
d) <strong>das</strong> Kollegenverhältnis<br />
Gültige<br />
Prozente<br />
Kumulierte<br />
Prozente<br />
Häufigkeit Prozent<br />
absolut<br />
realistisch<br />
102 47,0 47,4 47,4<br />
teils realistisch 102 47,0 47,4 94,9<br />
teils<br />
unrealistisch<br />
11 5,1 5,1 100,0<br />
Gesamt 215 99,1 100,0<br />
Fehlend System 2 0,9<br />
Gesamt 217 100,0
Anhang B XXXV<br />
e) den Ablauf der Polizeiarbeit<br />
Gültige<br />
Prozente<br />
Kumulierte<br />
Prozente<br />
Häufigkeit Prozent<br />
Gültig absolut<br />
realistisch<br />
62 28,6 28,6 28,6<br />
teils realistisch 96 44,2 44,2 72,8<br />
teils<br />
unrealistisch<br />
51 23,5 23,5 96,3<br />
völlig<br />
unrealistisch<br />
8 3,7 3,7 100,0<br />
Gesamt 217 100,0 100,0<br />
Gültig<br />
f) die Ermittlungstaktik<br />
Gültige<br />
Prozente<br />
Kumulierte<br />
Prozente<br />
Häufigkeit Prozent<br />
absolut<br />
realistisch<br />
59 27,2 27,4 27,4<br />
teils realistisch 109 50,2 50,7 78,1<br />
teils<br />
unrealistisch<br />
37 17,1 17,2 95,3<br />
völlig<br />
unrealistisch<br />
10 4,6 4,7 100,0<br />
Gesamt 215 99,1 100,0<br />
Fehlend System 2 0,9<br />
Gesamt 217 100,0<br />
Gültig<br />
g) die Vorgehensweise bei der Spurensicherung<br />
Gültige<br />
Prozente<br />
Kumulierte<br />
Prozente<br />
Häufigkeit Prozent<br />
absolut<br />
realistisch<br />
103 47,5 47,9 47,9<br />
teils realistisch 86 39,6 40,0 87,9<br />
teils<br />
unrealistisch<br />
21 9,7 9,8 97,7<br />
völlig<br />
unrealistisch<br />
5 2,3 2,3 100,0<br />
Gesamt 215 99,1 100,0<br />
Fehlend System 2 0,9<br />
Gesamt 217 100,0
Anhang B XXXVI<br />
Gültig<br />
h) die Eigensicherung der Ermittler bei ihrer Arbeit<br />
Gültige<br />
Prozente<br />
Kumulierte<br />
Prozente<br />
Häufigkeit Prozent<br />
absolut<br />
realistisch<br />
30 13,8 14,0 14,0<br />
teils realistisch 58 26,7 27,0 40,9<br />
teils<br />
unrealistisch<br />
89 41,0 41,4 82,3<br />
völlig<br />
unrealistisch<br />
38 17,5 17,7 100,0<br />
Gesamt 215 99,1 100,0<br />
Fehlend System 2 0,9<br />
Gesamt 217 100,0<br />
Gültig<br />
i) den jeweiligen Romanausgang<br />
Gültige<br />
Prozente<br />
Kumulierte<br />
Prozente<br />
Häufigkeit Prozent<br />
absolut<br />
realistisch<br />
48 22,1 22,2 22,2<br />
teils realistisch 107 49,3 49,5 71,8<br />
teils<br />
unrealistisch<br />
47 21,7 21,8 93,5<br />
völlig<br />
unrealistisch<br />
14 6,5 6,5 100,0<br />
Gesamt 216 99,5 100,0<br />
Fehlend System 1 0,5<br />
Gesamt 217 100,0
Anhang B XXXVII<br />
Frage 10: Beeinflusst die Tatsache, <strong>das</strong>s die Romane in Schweden spielen<br />
Ihre Bewertung der Realität in den Romanen?<br />
80,00%<br />
70,00%<br />
60,00%<br />
50,00%<br />
40,00%<br />
30,00%<br />
20,00%<br />
10,00%<br />
0,00%<br />
1,40%<br />
23,40%<br />
75,20%<br />
Ja. Die Bundesrepublik<br />
Deutschland als Handlungsort<br />
wäre realistischer.<br />
Ja. Die Bundesrepublik als<br />
Handlungsort wäre<br />
unrealistischer.<br />
Nein. Es ist völlig gleichgültig, in<br />
welchem der beiden Länder die<br />
Romane spielen. Das Maß an<br />
Realität ist in beiden Ländern<br />
gleich.<br />
Frage 11a: Wie wichtig ist Ihnen beim Lesen dieser Kriminalromane der<br />
Unterhaltungsfaktor?<br />
80,00%<br />
60,00%<br />
40,00%<br />
20,00%<br />
0,00%<br />
77,50%<br />
18,40%<br />
4,10%<br />
0,00%<br />
absolut wichtig wichtig unwichtig völlig unwichtig
Anhang B XXXVIII<br />
Frage 11b: Wie wichtig ist Ihnen beim Lesen dieser Kriminalromane der<br />
kriminalistische Wert?<br />
60,00%<br />
50,00%<br />
40,00%<br />
30,00%<br />
20,00%<br />
10,00%<br />
0,00%<br />
27,00%<br />
54,90%<br />
14,40%<br />
3,20%<br />
absolut wichtig wichtig unwichtig völlig unwichtig<br />
Frage 12: Wie haben Ihnen die „<strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romane“ insgesamt<br />
gefallen?<br />
100,00%<br />
80,00%<br />
60,00%<br />
40,00%<br />
20,00%<br />
0,00%<br />
84,60%<br />
17,10%<br />
0,90% 0,50%<br />
sehr gut gut weniger gut überhaupt nicht
Anhang B XXXIX<br />
Frage 13: Worin liegen die Gründe hierfür?<br />
a) die Spannung<br />
100,00%<br />
80,00%<br />
60,00%<br />
40,00%<br />
20,00%<br />
0,00%<br />
88,50%<br />
9,20%<br />
2,30% 0,00%<br />
sehr entscheidend entscheidend unwesentlich völlig<br />
unwesentlich<br />
b) der literarische Stil<br />
60,00%<br />
50,00%<br />
40,00%<br />
30,00%<br />
20,00%<br />
10,00%<br />
0,00%<br />
51,40%<br />
38,00%<br />
9,30%<br />
1,40%<br />
sehr entscheidend entscheidend unwesentlich völlig<br />
unwesentlich
Anhang B XL<br />
c) die Authentizität<br />
60,00%<br />
50,00%<br />
40,00%<br />
30,00%<br />
20,00%<br />
10,00%<br />
0,00%<br />
25,10%<br />
58,10%<br />
13,50%<br />
3,30%<br />
sehr entscheidend entscheidend unwesentlich völlig<br />
unwesentlich<br />
d) die Identifikation mit dem Hauptcharakter<br />
50,00%<br />
40,00%<br />
30,00%<br />
20,00%<br />
10,00%<br />
0,00%<br />
48,10%<br />
28,20%<br />
17,10%<br />
6,50%<br />
sehr entscheidend entscheidend unwesentlich völlig<br />
unwesentlich<br />
e) die eingebrachte Gesellschaftskritik<br />
40,00%<br />
30,00%<br />
20,00%<br />
10,00%<br />
0,00%<br />
39,80%<br />
30,10%<br />
25,00%<br />
5,10%<br />
sehr entscheidend entscheidend unwesentlich völlig<br />
unwesentlich
Anhang B XLI<br />
Frage 14: Hat sich Ihr Bild <strong>von</strong> der Polizei dadurch verändert?<br />
100,00%<br />
80,00%<br />
60,00%<br />
40,00%<br />
20,00%<br />
0,00%<br />
82,20%<br />
17,30%<br />
0,50%<br />
Nein. Ja. Positiv. Ja. Negativ.<br />
Anlage 3:<br />
Fragebogenauswertung unter Berücksichtigung des Berufsfeldes<br />
„Polizeibeamter/in“<br />
Frage 7a: Welchen der „<strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romane“ schätzen Sie als den<br />
authentischsten Roman der Serie ein?<br />
30,00%<br />
25,00%<br />
20,00%<br />
15,00%<br />
10,00%<br />
5,00%<br />
0,00%<br />
17,80%<br />
1. Fall<br />
2. Fall<br />
6,70%<br />
3. Fall<br />
2,20%<br />
4. Fall<br />
4,40%<br />
5. Fall<br />
6,70% 6,70%<br />
6. Fall<br />
15,60%<br />
7. Fall<br />
8. Fall<br />
4,40%<br />
Erzählungen<br />
0,00%<br />
35,60%<br />
k. A.
Anhang B XLII<br />
Frage 7b: Welchen der „<strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Romane“ schätzen Sie als den<br />
unrealistischsten Roman der Serie ein?<br />
30,00%<br />
25,00%<br />
20,00%<br />
15,00%<br />
10,00%<br />
5,00%<br />
0,00%<br />
1. Fall<br />
2,20%<br />
2. Fall<br />
4,40%<br />
11,10%<br />
3. Fall<br />
4. Fall<br />
4,40%<br />
5. Fall<br />
Frage 8: Wie realistisch empfinden Sie<br />
a) <strong>das</strong> Tatgeschehen<br />
2,20%<br />
6. Fall<br />
4,40%<br />
7. Fall<br />
8,90%<br />
15,60%<br />
8. Fall<br />
Gültige<br />
Prozente<br />
Erzählungen<br />
2,20%<br />
44,40%<br />
k. A.<br />
Kumulierte<br />
Prozente<br />
Häufigkeit Prozent<br />
Gültig absolut<br />
realistisch<br />
11 24,4 24,4 24,4<br />
teils realistisch 21 46,7 46,7 71,1<br />
teils<br />
unrealistisch<br />
12 26,7 26,7 97,8<br />
völlig<br />
unrealistisch<br />
1 2,2 2,2 100,0<br />
Gesamt 45 100,0 100,0
Anhang B XLIII<br />
b) den Hauptcharakter des <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong><br />
Gültige<br />
Prozente<br />
Kumulierte<br />
Prozente<br />
Häufigkeit Prozent<br />
Gültig absolut<br />
realistisch<br />
26 57,8 57,8 57,8<br />
teils realistisch 15 33,3 33,3 91,1<br />
teils<br />
unrealistisch<br />
4 8,9 8,9 100,0<br />
Gesamt 45 100,0 100,0<br />
Gültig<br />
c) die private Situation des <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong><br />
Gültige<br />
Prozente<br />
Kumulierte<br />
Prozente<br />
Häufigkeit Prozent<br />
absolut<br />
realistisch<br />
32 71,1 72,7 72,7<br />
teils realistisch 11 24,4 25,0 97,7<br />
völlig<br />
unrealistisch<br />
1 2,2 2,3 100,0<br />
Gesamt 44 97,8 100,0<br />
Fehlend System 1 2,2<br />
Gesamt 45 100,0<br />
d) <strong>das</strong> Kollegenverhältnis<br />
Gültige<br />
Prozente<br />
Kumulierte<br />
Prozente<br />
Häufigkeit Prozent<br />
Gültig<br />
absolut<br />
realistisch<br />
15 33,3 34,1 34,1<br />
teils realistisch 26 57,8 59,1 93,2<br />
teils<br />
unrealistisch<br />
3 6,7 6,8 100,0<br />
Gesamt 44 97,8 100,0<br />
Fehlend System 1 2,2<br />
Gesamt 45 100,0
Anhang B XLIV<br />
e) den Ablauf der Polizeiarbeit<br />
Gültige<br />
Prozente<br />
Kumulierte<br />
Prozente<br />
Häufigkeit Prozent<br />
Gültig absolut<br />
realistisch<br />
4 8,9 8,9 8,9<br />
teils realistisch 19 42,2 42,2 51,1<br />
teils<br />
unrealistisch<br />
17 37,8 37,8 88,9<br />
völlig<br />
unrealistisch<br />
5 11,1 11,1 100,0<br />
Gesamt 45 100,0 100,0<br />
f) die Ermittlungstaktik<br />
Gültige<br />
Prozente<br />
Kumulierte<br />
Prozente<br />
Häufigkeit Prozent<br />
Gültig<br />
absolut<br />
realistisch<br />
5 11,1 11,4 11,4<br />
teils realistisch 27 60,0 61,4 72,7<br />
teils<br />
unrealistisch<br />
11 24,4 25,0 97,7<br />
völlig<br />
unrealistisch<br />
1 2,2 2,3 100,0<br />
Gesamt 44 97,8 100,0<br />
Fehlend System 1 2,2<br />
Gesamt 45 100,0<br />
g) die Vorgehensweise bei der Spurensicherung<br />
Gültige<br />
Prozente<br />
Kumulierte<br />
Prozente<br />
Häufigkeit Prozent<br />
Gültig<br />
absolut<br />
realistisch<br />
13 28,9 29,5 29,5<br />
teils realistisch 20 44,4 45,5 75,0<br />
teils<br />
unrealistisch<br />
8 17,8 18,2 93,2<br />
völlig<br />
unrealistisch<br />
3 6,7 6,8 100,0<br />
Gesamt 44 97,8 100,0<br />
Fehlend System 1 2,2<br />
Gesamt 45 100,0
Anhang B XLV<br />
Gültig<br />
h) die Eigensicherung der Ermittler bei ihrer Arbeit<br />
Gültige<br />
Prozente<br />
Kumulierte<br />
Prozente<br />
Häufigkeit Prozent<br />
absolut<br />
realistisch<br />
3 6,7 6,8 6,8<br />
teils realistisch 5 11,1 11,4 18,2<br />
teils<br />
unrealistisch<br />
23 51,1 52,3 70,5<br />
völlig<br />
unrealistisch<br />
13 28,9 29,5 100,0<br />
Gesamt 44 97,8 100,0<br />
Fehlend System 1 2,2<br />
Gesamt 45 100,0<br />
i) den jeweiligen Romanausgang<br />
Gültige<br />
Prozente<br />
Kumulierte<br />
Prozente<br />
Häufigkeit Prozent<br />
Gültig absolut<br />
realistisch<br />
4 8,9 8,9 8,9<br />
teils realistisch 23 51,1 51,1 60,0<br />
teils<br />
unrealistisch<br />
13 28,9 28,9 88,9<br />
völlig<br />
unrealistisch<br />
5 11,1 11,1 100,0<br />
Gesamt 45 100,0 100,0
Selbstständigkeitserklärung XLVI<br />
Selbstständigkeitserklärung<br />
„Ich erkläre hiermit, <strong>das</strong>s ich diese Arbeit selbstständig verfasst und keine anderen<br />
als die angegebenen Quellen benutzt habe. Alle Stellen, die wörtlich oder<br />
sinngemäß aus Quellen entnommen wurden, habe ich als solche gekennzeichnet.“<br />
……………………………………. ………………………………..<br />
Ort, Datum Unterschrift
Zusammenfassung<br />
Die <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Serie des Autors <strong>Henning</strong> Mankell erlebt hierzulande seit<br />
Ende der 90-er Jahre des letzten Jahrhunderts mit bislang 10 Millionen verkauften<br />
Exemplaren einen durchschlagenden Erfolg - ein Erfolg, der angesichts<br />
rückläufiger Umsätze deutscher Buchhändler umso beachtlicher ist. Im Rahmen<br />
dieser wissenschaftlichen Arbeit gilt es daher, die in Frage kommenden<br />
Erfolgsfaktoren dieser Kriminalromanserie aus dem hohen Norden näher zu<br />
erforschen. Worin <strong>liegt</strong> <strong>das</strong> <strong>Geheimnis</strong> <strong>von</strong> <strong>Henning</strong> Mankells literarischem<br />
Erfolg?<br />
Nach einer einleitenden biographischen Vorstellung des Schweden und seiner<br />
bislang erfolgreichsten Romanserie, werden in den beiden darauf folgenden<br />
Hauptteilen dieser Arbeit die prägnantesten Faktoren des literarischen Erfolgs <strong>von</strong><br />
<strong>Henning</strong> Mankell mit seinem melancholischen <strong>Kommissar</strong> <strong>Kurt</strong> <strong>Wallander</strong><br />
erörtert. Zunächst wird demzufolge <strong>das</strong> Genre der Kriminalliteratur genauer<br />
beleuchtet. Welche Rolle nimmt dieser Literaturzweig auf dem internationalen<br />
Buchmarkt ein, wie gestaltet sich die deutsche Krimiszene und welche Rolle spielt<br />
hierbei der skandinavische Krimi? Nach einem kurzen sich daran anschließenden<br />
Blick auf Mankells Vorläufer und dessen Nachahmer, werden im dritten Teil<br />
dieser Diplomarbeit schließlich die Kriminalgeschichten aus Ystad, in denen<br />
mitunter die Hauptgründe für deren faszinierende Erfolgsstory zu suchen sind,<br />
selbst in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Nach Mankells literarischem Stil<br />
stellen sicherlich auch die detaillierte wie authentische Schilderung der<br />
Polizeiarbeit und die in allen Romanen enthaltene gesellschaftskritische<br />
Komponente potentielle Erfolgsfaktoren dar, die es an dieser Stelle näher zu<br />
untersuchen gilt. Keineswegs <strong>von</strong> geringer Bedeutung sind in diesem<br />
Zusammenhang außerdem die Analyse der literarischen Hauptfigur des <strong>Kurt</strong><br />
<strong>Wallander</strong> und der malerischen Beschreibung seines Reviers - die Hafenstadt<br />
Ystad im südlichen Schonen. Mit der Vorstellung des Marketingkonzepts der<br />
Romane am Ende dieser Arbeit wird die Untersuchung potentieller Erfolgsgründe<br />
der <strong>Kurt</strong>-<strong>Wallander</strong>-Serie schließlich abgerundet und deren Ergebnisse in einem<br />
Schlusswort zusammengetragen.