23.Jul. 2010
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Medizin aktuell Gesundheit plus<br />
Oberst erfüllt sich mit dem<br />
Arztberuf einen Kindheitstraum<br />
Der Privatdozent ist Nachfolger<br />
von Chefarzt Professor Hahn<br />
Rein äußerlich könnte der Unterschied zu seinem<br />
Vorgänger nicht auffallender sein: Privatdozent Dr.<br />
Michael Oberst trägt keine Fliege. Dafür hätte er sich<br />
einst als Schüler gut vorstellen können, Sportlehrer zu<br />
werden. Sprich, Kindern Beine zu machen, ihnen<br />
Gymnastik, Laufen, Schwimmen und Ballspiele<br />
beizubringen. Apropos Ballspiel. Fußball findet er klasse,<br />
ist als Stuttgarter selbstverständlich VfB-Fan, obwohl er<br />
seit 25 Jahren Handball spielt. Ohne größere Blessuren,<br />
ohne sich auch nur ein einziges Mal den Arm zu<br />
brechen, von einem ausgerenkten Ellbogen einmal<br />
abgesehen.<br />
Heute könnte er sich in solch einem Fall selbst verarzten.<br />
Selbstverständlich nur theoretisch. Ganz praktisch<br />
werden künftig die Patienten der Aalener Unfallchirurgie<br />
von Dr. Michael Oberst profitieren, denn der Privatdozent<br />
wird als Chefarzt dem Team der Klinik für Orthopädie,<br />
Unfall- und Wirbelsäulenchirurgie (Chirurgie II)<br />
vorstehen. Er freue sich auf seine neue Aufgabe, betont<br />
er, tippt noch rasch ein paar Zeilen in seinen Laptop,<br />
drückt die Aus-Taste und kommt dann ohne Umschweife<br />
zum Thema. „Was unter Prof. Dr. Friedrich Hahn hier<br />
geleistet wurde, ist hervorragende Unfallchirurgie. Deshalb<br />
stellt sich die Frage, was ich ändern werde, nicht.<br />
Was gut ist, muss weitergeführt werden.“ Auf einem anderen<br />
Blatt stehe natürlich, wie eine Klinik sich angesichts<br />
des raschen Wissens- und Technologiewandels<br />
und der sich verändernden gesetzlichen Vorgaben selbst<br />
weiterentwickele, wo sich Chancen für die Zukunft auftäten<br />
und wo nach 25 Jahren Unfallchirurgie am<br />
Ostalb-Klinikum Veränderungen notwendig seien.<br />
Der junge Michael Oberst ging in Stuttgart zur Schule,<br />
machte dort sein Abitur, um anschließend an der Uni<br />
Homburg (Saarland) und danach in Tübingen Medizin<br />
zu studieren. „Für mich war Medizin immer schon ein<br />
alter Kindheitstraum, so wie andere davon träumen, Lo-<br />
Privatdozent Dr. Michael Oberst<br />
leitet seit 28. Juni die Chirurgie II/<br />
Orthopädie am Ostalb-Klinikum.<br />
komotivführer zu werden.“ Heute ist der Traum Realität<br />
und nach wie vor ist der Mediziner vom Arztberuf<br />
hellauf begeistert. Besonders von dessen praktischer<br />
Seite. „Ich sehe einen verletzten Menschen vor mir, helfe<br />
und sehe umgehend ein positives Ergebnis.“ Besonders<br />
in der Unfallchirurgie sei der Vergleich „vorher-nachher“<br />
ganz unmittelbar gegeben, und der Chirurg könne<br />
seinen Erfolg - aber auch den Misserfolg - schon früh<br />
am postoperativen Röntgenbild betrachten. Positiv<br />
wolle er wirken, wolle Patienten vom Säugling bis zum<br />
Greis behandeln und sehen, dass alle das Krankenhaus<br />
in besserem Zustand verlassen, als sie es zuvor betreten<br />
haben.<br />
Die Unfallchirurgie hat Oberst einem krankenpflegerischen<br />
Praktikum in einer Unfallstation zu verdanken.<br />
„Dieses eine Vierteljahr hat mich auf die Fachrichtung<br />
getrimmt. Ich wollte Verantwortung übernehmen und<br />
mit den Händen arbeiten.“ Beides biete die Unfallchirurgie<br />
beziehungsweise die Orthopädie. „Chirurgie bedeutet<br />
für mich Wissenschaft und Handwerkskunst, das<br />
heißt, immer nach aktuellen medizinischen Erkenntnissen<br />
und mit der Akribie eines Handwerkers zu arbeiten.“<br />
Leidenschaft für den Beruf<br />
Oberst sprüht vor Leidenschaft, wenn er über seinen Beruf<br />
erzählt. Eine Portion Humor gibt er mit drein: „In<br />
dem Moment, wo ich sozusagen mechanisch ran muss,<br />
bin ich ein richtiger Handwerker.“ Ein zielstrebiger, mag<br />
man mit Blick auf seinen Lebenslauf meinen. Nach dem<br />
Studium und der Promotion über „Entzündliche Schultergelenkskapselschrumpfung“<br />
bei Prof. Dr. Ulrich Holz<br />
vom Katharinenhospital Stuttgart ging es nach dem obligatorischen<br />
„Arzt im praktischen Jahr“ für ein weiteres<br />
Jahr Unfallchirurgie ins Klinikum nach Villingen -<br />
Schwenningen. Danach kehrte der junge Doktor zurück<br />
nach Stuttgart ans Robert-Bosch-Krankenhaus, um hier<br />
seinen Facharzt für Chirurgie bei Prof. Dr. Klaus-Peter<br />
Thon zu machen. Die lange Ausbildungszeit sollte damit<br />
aber noch längst nicht abgeschlossen sein. Für den<br />
Schwerpunkt Unfallchirurgie benötigte er nochmals<br />
zwei Jahre, diesmal wieder zurück am Katharinenhospital<br />
in Stuttgart bei Prof. Holz. „Chirurg, das lernt man<br />
nicht eben mal schnell“, begründet der Doktor und<br />
erzählt, dass seine Lehrjahre mit Haken halten und<br />
assistieren begannen. Erst später durfte er nach und<br />
nach immer größere Verantwortung im OP übernehmen.<br />
Bis zu einem Tag X. Von da an stand Oberst selbst in der<br />
Verantwortung, sah sich mit allen Schwierigkeitsgraden,<br />
die die Unfallchirurgie bietet, konfrontiert. „Da<br />
musst du durch, da musst du dich einfach auf die<br />
Hinterfüße stellen, um dich freizukämpfen.“ Der einzige<br />
Beistand kommt aus der Erfahrung aus mehr als einem<br />
Jahrzehnt Chirurgie. „In unbekannten Situationen sich<br />
richtig zu entscheiden, das ist es, was einen guten von<br />
einem schlechten Chirurgen unterscheidet.“ Dass er zu<br />
den guten gehört, hatte Oberst bis dahin ausgiebig<br />
bewiesen. Doch er wollte mehr. Sein Ziel war klar umrissen<br />
und hieß: Chefarzt. Allerdings sind diese Positionen<br />
rar. Er musste noch viel dafür tun. Dazu gehörte, sich<br />
richtig zu positionieren, weshalb er als Oberarzt von<br />
Stuttgart nach Freiburg wechselte, nicht zuletzt, um<br />
dort zu habilitieren. Sein Thema war die Endoskopie,<br />
sein Ziel die Entwicklung eines Spezialgerätes, mit<br />
dessen Hilfe in Röhrenknochen endoskopiert werden<br />
kann. Mit dem Ergebnis seiner Entwicklungsarbeit,<br />
einem neuartigen Markraumendoskop, das mittlerweile<br />
vom Medizintechnikunternehmen Richard Wolf<br />
Endoskope in Serie gebaut wird, ist Oberst noch heute<br />
zufrieden. Auch mit dem Lohn der Mühe: 2009 durfte er<br />
sich den Priv. Doz. ans Revers heften.<br />
Herbert Kullmann