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Orchester und Rundfunk - cultiv - Gesellschaft für internationale ...

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Universität LeipzigInstitut für MusikwissenschaftDas <strong>Orchester</strong>. Annäherungen aus historischer, systematischer, ethnologischer <strong>und</strong> berufspraktischer PerspektiveSommersemester 2002Christoph Gaiser M.A.<strong>Orchester</strong> <strong>und</strong> R<strong>und</strong>funkGeschichte, Struktur <strong>und</strong> Funktion der deutschen R<strong>und</strong>funkklangkörperVerfasser:Andreas MöllenkampKarl-Liebknecht-Str. 9004275 LeipzigTel. 0341/3039930Mobil 0177/6542426moellenkamp@web.deMatrikelnr. 8723042Magister 5. FachsemesterHauptfach: Kulturwissenschaften1. Nebenfach: Musikwissenschaft2. Nebenfach: JournalistikInhaltsverzeichnis1. Einleitung ...…………………………. Seite 12. Deutsche R<strong>und</strong>funkklangkörper …….. Seite 22.1. Geschichte der deutschenR<strong>und</strong>funkklangkörper ............………. Seite 22.2. Gr<strong>und</strong>lagen, Struktur <strong>und</strong> Funktion derdeutschen R<strong>und</strong>funkklangkörper ........ Seite 63. Schluss: Zusammenfassung ………... Seite 114. Literatur ……………………….…… Seite 125. Internetquellen …………………...... Seite 15


11. EinleitungDas Verhältnis von R<strong>und</strong>funk <strong>und</strong> Musik ist ein von vielen Perspektiven <strong>und</strong> in vielen Aspektenbetrachtetes Thema der Musikwissenschaft. Im Vergleich zum Konzert erscheint Musik imHörfunk als ein komplexeres musikwissenschaftliches Phänomen, das neueOrganisationsstrukturen, neue technische Entwicklungen sowie neue Verbreitungswege <strong>und</strong>Rezeptionsweisen betrachten lässt. Während die Musikästhetik sich vor allem mit demUnterschied zwischen medial vermitteltem oder direktem Musikerlebnis befasst hat, fragt dieMedienforschung nach der Auswirkung des R<strong>und</strong>funks auf das Musizieren, den Musikunterricht,dem Hör- <strong>und</strong> Kaufverhalten von Menschen (<strong>und</strong> vielem mehr). Da von Beginn an Musik nebenSprache der wesentliche Inhalt des Hörfunks darstellte, bildeten sich schnell eigene Ensembles,die Musik für den R<strong>und</strong>funk produzierten <strong>und</strong> von den Anstalten selbst unterhalten wurden.Diese Klangkörper der deutschen öffentlich-rechtlichen R<strong>und</strong>funkanstalten sollen derGegenstand dieser Hausarbeit sein. Darunter sollen in Übereinstimmung mit dem ABC der ARD(ARD 2002: 101) alle „<strong>Orchester</strong>, Chöre <strong>und</strong> Bigbands der ARD-R<strong>und</strong>funkanstalten <strong>und</strong> derR<strong>und</strong>funk-<strong>Orchester</strong> <strong>und</strong> –Chöre GmbH Berlin“ verstanden werden.<strong>Orchester</strong> stellen für die Musikwissenschaft auch einen Gegenstand dar, der unter vielen Fragenhin untersucht wird (von der Organisationsstruktur über sein Repertoire bis hin zum Klang <strong>und</strong>dessen Rezeption u.s.w.). Für den Teilbereich der R<strong>und</strong>funkorchester gibt es bisher allerdingswenig wissenschaftliche Literatur, wobei neben den oben bereits erwähnten Fragen noch einigeweitere Forschungsfragen wie z.B. der Umfang <strong>und</strong> die Präsentationsform vonMusikdarbietungen im R<strong>und</strong>funk auftauchen. Auch ein <strong>internationale</strong>r Vergleich wäre eineinteressante Frage, die hier allerdings nur in wenigen Ausblicken geleistet werden kann. DieseHausarbeit will sich auf die geschichtliche Entwicklung der deutschen R<strong>und</strong>funkklangkörper biszur Gegenwart konzentrieren <strong>und</strong> damit nach (dem Wandel) ihrer Struktur <strong>und</strong> Funktion imMusikleben bzw. in der Musikkultur fragen. Sie will dazu einen Überblick über ihre aktuelleSituation geben <strong>und</strong> versuchen die verfügbare Literatur, die im wesentlichen aus Festschriftensowie Artikeln aus Fachzeitschriften <strong>und</strong> Lexika besteht zu systematisieren <strong>und</strong>zusammenzufassen.


22. Deutsche R<strong>und</strong>funkklangkörperIm ersten Teil (2.1.) sollen die wichtigsten geschichtlichen Entwicklungsstadien der deutschenR<strong>und</strong>funkklangkörper in Ost- <strong>und</strong> Westdeutschland seit den 20er Jahren des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts bisins 21. Jahrh<strong>und</strong>ert dargestellt werden, während im zweiten Teil (2.2) dann die Struktur derR<strong>und</strong>funkklangkörper analysiert wird. Nach Klärung gesetzlicher <strong>und</strong> organisatorischerGr<strong>und</strong>lagen steht dann die Frage im Vordergr<strong>und</strong>, welche Funktion die R<strong>und</strong>funkklangkörper fürihre Betreiber <strong>und</strong> für die Musikkultur einnehmen.2.1. Geschichte der deutschen R<strong>und</strong>funkklangkörperEine Geschichte der R<strong>und</strong>funkklangkörper kann sein Augenmerk auf viele unterschiedlicheAspekte (<strong>Gesellschaft</strong>sentwicklung, Technikentwicklung, R<strong>und</strong>funkorganisation,Musikentwicklung) richten. Aus der Perspektive der Musiker sähe eine Geschichte derR<strong>und</strong>funkklangkörper anders aus als z.B. aus der Sicht der R<strong>und</strong>funkanstalten oder desPublikums. Hier soll versucht werden die wichtigsten sozial-politischen, technischen,organisatorischen <strong>und</strong> musikalischen Entwicklungen in einer Zusammenschau darzustellen.Während in Amerika 1910 erstmals eine Stimme eines Sängers aus der Metropolitan Operaübertragen wurde, waren es in Deutschland Telegrafenbeamte der Reichspost, die 1920Schallplattenmusik sendeten <strong>und</strong> Zeitungsartikel verlasen (Diller et al. 1997). Kurz nachdem1921 die erste Radiostation der Welt in Pittsburgh (USA) eingeweiht wurde fand auch inDeutschland die erste Operndirektübertragung aus der Berliner Staatsoper statt. Zur Zeit derWeimarer Republik wurden in Deutschland in neun Großstädten des Reiches regionaleProgrammgesellschaften mit privatem Kapital gegründet, die zwischen Oktober 1923 <strong>und</strong>Oktober 1924 über Mittelwelle ihre Sendungen aufnahmen. 1925 schlossen sich die regionalenProgrammgesellschaften in der Reichs-R<strong>und</strong>-Funk-<strong>Gesellschaft</strong> mbH (RRG) zusammen, derenMehrheitsanteile in den Händen der Deutschen Reichspost lagen. 1926 wurden durch dieRichtlinien zur Regelung des R<strong>und</strong>funks bei den Programmgesellschaften PolitischeÜberwachungsausschüsse mit Zensurbefugnissen sowie Kulturbeiräte mit beratender Funktioninstalliert, was zu einem wachsenden Einfluss des Reiches <strong>und</strong> schließlich zur Einführung desStaatsr<strong>und</strong>funks 1932 führte. Die zu dieser Zeit gegründeten R<strong>und</strong>funkorchester hatten aufgr<strong>und</strong>fehlender bzw. sich erst langsam entwickelnder Aufzeichnungstechnik ihre Hauptaufgabe in der


3Live-Übertragung ihrer Konzerte. Auch die Entwicklung zu öffentlichen Konzerten vorPublikum etablierte sich erst später.Tabelle 1 zeigt die 1931 existierenden R<strong>und</strong>funkgesellschaften mit ihren Klangkörpern(Kestenberg 1931). Neben den eigenen <strong>Orchester</strong>n <strong>und</strong> Chören wurden von den Sendernregelmäßig Unterhaltungs- <strong>und</strong> Tanzkapellen, Blasorchester, Militärkapellen,Stadttheaterorchester <strong>und</strong> Kammermusikvereinigungen verpflichtet.Betreiber (Sitz)Deutsche WelleGmbH (Berlin)Funk-St<strong>und</strong>e AG(Berlin)MitteldeutscheR<strong>und</strong>funk AG(Leipzig)Deutsche St<strong>und</strong>e inBayern GmbH(München)SüdwestdeutscheR<strong>und</strong>funk AG(Frankfurt a.M.)Nordische R<strong>und</strong>funkAG (Hamburg)SüddeutscheR<strong>und</strong>funk AG(Stuttgart)SchlesischeFunkst<strong>und</strong>e AG(Breslau)Ostmarken R<strong>und</strong>funkAG (Königsberg)WestdeutscherR<strong>und</strong>funk AG (Köln)Start desSendebetriebs7.1.1926Sender Berlin: 29.10.1923Sender Stettin: 18.12. 1925Sender Magdeburg: 8.12.1928Sender Leipzig: 1.1.1924Sender Dresden: 22.2.1925Klangkörper<strong>Orchester</strong> 60Chor 32LeipzigerR<strong>und</strong>funkorchesterMusikerSender München: 30.3.1924 <strong>Orchester</strong> 56Sender Nürnberg: 2.8.1924Sender Augsburg: 11.11.1927 Chor 17Sender Kaiserslautern: 24.2.1928Sender Frankfurt: 30.3.1924 Frankfurter R<strong>und</strong>funk- 60Sender Kassel: 25.1.1925 Symphonie-<strong>Orchester</strong>Chor 11Sender Hamburg: 2.5.1924 <strong>Orchester</strong> des Sender 37Sender Bremen: 20.11.1924 HamburgSender Hannover: 16.12.1924 Norag-Jazz-Sinfonie- 11Sender Kiel: 7.3.1926<strong>Orchester</strong>Sender Flensburg: 23.12.1928 Chor 7 fest +16Sender Stuttgart: 10.5.1924 Gesangssolisten 2Sender Freiburg i.Br.: 28.11.1926Sender Breslau: 25.5.1924 Funkkapelle 14Sender Gleiwitz: 15.11.1925 Chor 16Sender Königsberg: 14.6.1924 <strong>Orchester</strong> 59Sender Danzig: September 1926 Chor 17Sender Münster: 10.10.1924 Großes <strong>Orchester</strong> 56Sender Langenberg: 10.1.1927 Kleines <strong>Orchester</strong> 15Sender Köln <strong>und</strong> Aachen: 6.3.1928 Chor 2920Tabelle 1: R<strong>und</strong>funkklangkörper der staatlichen R<strong>und</strong>funksender im Deutschen Reich 1931Am 30. Januar 1933 übernahmen die Nationalsozialisten mit der Macht im Staat unmittelbarauch die Macht über den R<strong>und</strong>funk. Das Auflagerecht sicherte der neuen Reichsregierung das


4Verlautbarungsinstrument, das Reichspropagandaminister Joseph Goebbels systematisch in denDienst der nationalsozialistischen Propaganda stellte. Die Anteile der RRG gingen vollständig andas Propagandaministerium über. Der Volksempfänger, ab Sommer 1933 als billiges Radioangeboten, verbreitete sich massenhaft <strong>und</strong> wurde bis 1939 r<strong>und</strong> vier Millionen mal verkauft.Nach dem Zweiten Weltkrieg <strong>und</strong> dem Einmarsch der Alliierten trat ein sofortigesPublikationsverbot für die Deutschen in Kraft <strong>und</strong> die Besatzungsmächte übernahmen dieÜberreste des ehemaligen Reichsfunks. Die Briten gründeten mit Radio Hamburg, die Sowjetsmit dem Berliner R<strong>und</strong>funk <strong>und</strong> die Franzosen mit dem Südwestfunk in Baden-Baden zentraleEinrichtungen, während die Amerikaner dezentral vier Stationen (Radio Bremen, RadioFrankfurt, Radio München <strong>und</strong> Radio Stuttgart) <strong>und</strong> außerdem noch RIAS Berlin ins Lebenriefen. Während die Sowjets schon Ende 1945 ihren R<strong>und</strong>funksender der DeutschenZentralverwaltung für Volksbildung unterstellten <strong>und</strong> damit den Weg in den Staatsr<strong>und</strong>funkvorzeichneten, warteten die Westalliierten bis 1948/49 als selbstverwaltete, staatsunabhängigeAnstalten des öffentlichen Rechts gegründet wurden. So entstanden der NordwestdeutscheR<strong>und</strong>funk (NWDR), der Bayrische R<strong>und</strong>funk (BR), der Hessische R<strong>und</strong>funk (HR), derSüddeutsche R<strong>und</strong>funk (SDR)<strong>und</strong> der Südwestfunk (SWF).In der Nachkriegszeit kam es zur zweiten jetzt „flächendeckenden“ Gründungsphase derR<strong>und</strong>funkklangkörper. Ihr Auftrag lag unumstritten in der Füllung des Programms, wozu dieSchallplattenindustrie zu jener Zeit noch keineswegs in der Lage war, im Aufbau <strong>und</strong> in derAufarbeitung der in der Nazizeit zerschlagenen Musikkultur <strong>und</strong> in der Förderung von NeuerMusik sowohl in der BRD als auch in der DDR. In der DDR entstanden in den Hauptstädten dereinzelnen Länder Landessender, die im nördlichen Territorium dem Berliner R<strong>und</strong>funk <strong>und</strong> imsüdlichen Teil dem Mitteldeutschen R<strong>und</strong>funk in Leipzig zugeordnet waren. Nach Auflösung derLänder <strong>und</strong> der Errichtung des Staatlichen R<strong>und</strong>funkkomitees 1952 mussten dieRegionalprogramme zugunsten dreier zentraler Programme (Berlin I, II <strong>und</strong> III) mitunterschiedlichen Schwerpunkten aufgegeben werden. 1953 erhielt das Programm Berlin II alsDeutschlandsender den Auftrag überwiegend für Westdeutschland über die DDR zu berichten.1955 wurde aus Berlin I wieder der Berliner R<strong>und</strong>funk <strong>und</strong> aus Berlin III Radio DDR. 1955 kamein Kurzwellenprogramm, seit 1965 das regelmäßig ausgestrahlte Fernsehen <strong>und</strong> 1969 einzweites Fernsehprogramm, zeitgleich mit dem Beginn der Ausstrahlung in Farbe hinzu.In der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland versuchte die B<strong>und</strong>esregierung die freie aber von alliierterZustimmung abhängige R<strong>und</strong>funkordnung zu ihren Gunsten zu entwickeln. Die sechsR<strong>und</strong>funkanstalten schlossen sich 1950 zur Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichenR<strong>und</strong>funkanstalten (ARD) zusammen, um gemeinsame Interessen wahrzunehmen, Fragen des


5Programms, rechtlicher, technischer <strong>und</strong> betriebswirtschaftlicher Art zu bearbeiten aber vorallem das Fernsehen als Gemeinschaftsaufgabe zu verfolgen. Die Gründung programmatischdifferenzierter Klangkörper geschah dabei aus dem Wunsch heraus, Musikprogramme für jedenGeschmack mit eigenen Aufnahmen senden zu können. Es entwickelte sich von derUnterhaltungsmusik für kleines Ensemble bis zu den gewichtigen Werken für großesSinfonieorchester (die besonders auch die zeitgenössische Musik aufführten) sehr schnell einespezifische R<strong>und</strong>funkmusikkultur auf allen Gebieten, für die es bisher nichts vergleichbaresgegeben hatte.Nachdem das Fernsehen 1952 seinen zweiten Start in Deutschland beim NWDR in Hamburgerlebte wurde 1953 ein Fernsehvertrag geschlossen, wonach alle R<strong>und</strong>funkanstalten nach ihrerGröße gestaffelt Beiträge zu diesem Programm lieferten. Bei der anschließendenNeuorganisation des R<strong>und</strong>funks kam aber nicht der B<strong>und</strong> sondern die Länder zum Zug. 1953entstand per Gesetz der Sender Freies Berlin (SFB), 1954 erhielt mit dem WestdeutschenR<strong>und</strong>funk (WDR) auch das Land Nordrhein-Westfalen eine eigene R<strong>und</strong>funkanstalt, 1955 riefein Staatsvertrag der Länder Hamburg, Niedersachsen <strong>und</strong> Schleswig-Holstein denNorddeutschen R<strong>und</strong>funk (NDR) ins Leben <strong>und</strong> nach der Rückgliederung des Saarlandes nahm1957 der Saarländische R<strong>und</strong>funk (SR) seinen Betrieb auf. Per B<strong>und</strong>esgesetz wurden schließlich1960 die B<strong>und</strong>esanstalten Deutsche Welle (DW) für Sendungen in das Ausland <strong>und</strong> als„Wiedervereinigungssender“ der Deutschlandfunk (DLF) für Sendungen für Deutschland <strong>und</strong>das europäische Ausland errichtet. Danach schlossen die B<strong>und</strong>esländer 1961 den Staatsvertragzur Errichtung des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF), das 1963 mit seinen Sendungenbegann. In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre gingen Dritte Fernsehprogramme auf Sendung.1967 begannen ARD <strong>und</strong> ZDF mit der Ausstrahlung von Fernsehsendungen in Farbe.Trotz der Forderung privater Interessenten nach Zugang zu den elektronischen Medien blieb dasOrganisationsprinzip des deutschen R<strong>und</strong>funks lange fest, bis 1976 die Kommission für denAusbau des technischen Kommunikationssystems vier Pilotprojekte zur Ermittlung des Bedarfsan elektronischer Kommunikation unter Beteiligung Privater anregte. Der Beginn desKabelpilotprojekts Ludwigshafen am 1.1.1984 gilt als Geburtsst<strong>und</strong>e des Privatr<strong>und</strong>funks <strong>und</strong>damit als Beginn des dualen R<strong>und</strong>funksystems in Deutschland, da neben den öffentlichrechtlichenProgrammen auch solche privater Anbieter per Kabel verbreitet wurden. Am 2.Januar startete das erste privatwirtschaftliche Fernsehprogramm RTLplus über einenterrestrischen Sender in Luxemburg, ein Jahr danach SAT.1 über Satellit als zweiter privaterAnbieter. Über die Verabschiedung von Mediengesetzen zwischen 1984 <strong>und</strong> 1989 wurden die


6Zulassung von privaten Hörfunk- <strong>und</strong> Fernsehprogrammen über Landesmedienanstaltengeregelt.Nach der Wende in der DDR 1989, dem Beitritt der DDR zur B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland am3.10.1990 <strong>und</strong> der Auflösung des früheren R<strong>und</strong>funks der DDR, der bis 1991 weitergeführtworden war, schlossen alle B<strong>und</strong>esländer 1991 den Staatsvertrag über den R<strong>und</strong>funk imvereinten Deutschland, der 1996 aktualisiert worden ist. 1991 gründeten die neuen B<strong>und</strong>esländerSachsen, Sachsen-Anhalt <strong>und</strong> Thüringen den Mitteldeutschen R<strong>und</strong>funk (MDR) <strong>und</strong>Brandenburg den Ostdeutschen R<strong>und</strong>funk Brandenburg (ORB), die beide der ARD beitraten <strong>und</strong>ab dem 1. Januar 1992 bis zu 5 regionale Hörfunk- <strong>und</strong> jeweils ein regionales Fernsehprogrammausstrahlten. Ferner dehnte sich der SFB auf (Ost)Berlin aus <strong>und</strong> Mecklenburg-Vorpommernschloss sich dem NDR an. Deutschlandfunk, RIAS-Berlin <strong>und</strong> der aus der Konkursmasse desDDR-R<strong>und</strong>funks übriggebliebene Deutschlandsender Kultur gingen im 1993 gegründeten vonARD <strong>und</strong> ZDF getragenen DeutschlandRadio auf. Die Deutsche Welle übernahm dasFernsehprogramm des RIAS für eine weltweite Ausstrahlung. In den neuen Ländern wurde nachdem Vorbild der alten neben dem öffentlich-rechtlichen auch privater R<strong>und</strong>funk mitLandesmediengesetzen <strong>und</strong> Medienanstalten als Lizensierungseinrichtungen eingeführt. 1997schlossen Baden-Württemberg <strong>und</strong> Rheinland-Pfalz einen Staatsvertrag zur Gründung desSüdwestr<strong>und</strong>funks (SWR) <strong>und</strong> zur Auflösung des SDR <strong>und</strong> SWF.Die Geschichte der Musik im Hörfunk war dabei immer mitbestimmt durch die technischeEntwicklung der Musikaufzeichnung <strong>und</strong> Ausstrahlung von der Einführung des Magnetbandes1930, UKW-Sendungen seit 1950 <strong>und</strong> Stereosendungen seit 1963 über die Einführung desKunstkopfverfahrens 1973 bis hin zur Digitalisierung heute.2.2. Gr<strong>und</strong>lagen, Struktur <strong>und</strong> Funktion der deutschen R<strong>und</strong>funkklangkörperGr<strong>und</strong>lage der Trägerschaft von Klangkörpern durch die öffentlich-rechtlichenR<strong>und</strong>funkanstalten bilden die R<strong>und</strong>funkstaatsverträge <strong>und</strong> die Landesgesetze, die weiter durchUrteile des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts präzisiert wurden <strong>und</strong> einen Auftrag zur umfassendenInformation, Bildung <strong>und</strong> Unterhaltung enthalten. Der Auftrag der öffentlich-rechtlichenR<strong>und</strong>funkanstalten in Deutschland ist 1986 durch Urteil des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts deutlichgemacht worden. Als wichtigste Funktion des R<strong>und</strong>funks wird die Gr<strong>und</strong>versorgung für daskulturelle Leben in Deutschland, also ein direkter kulturpolitischer Auftrag, angesehen (<strong>und</strong>damit auch seine Funktion als „Mäzen“). Bestimmend für die einzelnen Sender des öffentlich-


7rechtlichen Systems sind dann die Landesgesetze, die den Programmauftrag bestimmen. DieFinanzierung durch Hörergebühren stellt dabei ein sicheres F<strong>und</strong>ament dar, das allen öffentlichrechtlichenR<strong>und</strong>funkanstalten (bis auf Radio Bremen <strong>und</strong> den ORB) erlaubt eigene <strong>Orchester</strong> zuunterhalten, obwohl diese einen großen Kostenfaktor darstellen. Vor allem die großen Kostender Unterhaltung eigener Klangkörper im Vergleich zum Einsatz eines vorgefertigten Tonträgersder Musikindustrie werfen aber immer wieder besonders seit der Etablierung des dualenR<strong>und</strong>funks <strong>und</strong> der Erschließung anderer Einnahmequellen wie Werbung <strong>und</strong> Sponsoring dieFrage nach Absicht, Sinn <strong>und</strong> Nutzen dieses Engagements im Teilbereich der aktivenMusikpflege auf. Die kompletten Selbstkosten aller ARD-Anstalten betrugen 2000 für den E-Musik-Bereich 628,58 Millionen DM. Mit r<strong>und</strong> 15 000 Neuveröffentlichungen derMusikindustrie (davon mehr als 3000 allein im Klassikbereich) pro Jahr könnte der Bedarf anMusikprogrammen in den Funkhäusern dabei theoretisch mühelos gedeckt werden (Müller-Adolphi 1995).Dieser Kostendruck hat zu einem Strukturwandel der R<strong>und</strong>funkklangkörper geführt, der vonArnold Jacobshagen (Jacobshagen 2000) als Teil des Strukturwandels der deutschen<strong>Orchester</strong>landschaft im wiedervereinigten Deutschland beschrieben wird. Die größtenVeränderungen seit der Wiedervereinigung lagen zum einen in der Auflösung desR<strong>und</strong>funkorchesters des Hessischen R<strong>und</strong>funks am Ende der Spielzeit 1992/93. Über einesogenannte Integrationslösung wurden 23 Musiker in das Radio-Sinfonie-<strong>Orchester</strong> Frankfurtübernommen, während die übrigen Musiker in den Vorruhestand bzw. Ruhestand gingen. BeimMDR fusionierten zum anderen 1992 das R<strong>und</strong>funk-Sinfonieorchester Leipzig <strong>und</strong> die Radio-Philharmonie Leipzig zum Sinfonieorchester des MDR Leipzig, während das R<strong>und</strong>funk-Tanzorchester Leipzig aufgelöst wurde. Die größte Fusion zu einer neuen Betriebsform <strong>und</strong>Trägerschaft fand allerdings 1994 in Berlin bei der Gründung der R<strong>und</strong>funk-<strong>Orchester</strong> <strong>und</strong> –Chöre GmbH Berlin statt, in der das Deutsche Symphonie-<strong>Orchester</strong> Berlin, das R<strong>und</strong>funk-Sinfonieorchester Berlin, der R<strong>und</strong>funkchor Berlin, der RIAS-Kammerchor <strong>und</strong> die RIAS BigBand zusammengeschlossen wurden <strong>und</strong> die von den vier <strong>Gesellschaft</strong>ern DeutschlandRadioBerlin (40 %), B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland (35 %), Land Berlin (20 %) <strong>und</strong> Sender FreiesBerlin (5 %) getragen wird. Die RIAS Big Band wurde 2001 allerdings aufgelöst <strong>und</strong> aus dem<strong>Gesellschaft</strong>svertrag gestrichen.Durch ihren Kultur-, Bildungs- <strong>und</strong> Unterhaltungsauftrag unterscheiden sich Programm <strong>und</strong> auchSelbstverständnis der R<strong>und</strong>funkorchester von anderen <strong>Orchester</strong>n, was sich vor allem in derFörderung der Neuen <strong>und</strong> Zeitgenössischen Musik äußert. Die Bemühung um Pluralität gehörtdabei gerade in Deutschland angesichts der Erfahrung mit R<strong>und</strong>funk als Propagandainstrument


8zur NS-Zeit zu dem vom Gesetzgeber festgeschriebenen Selbstverständnis des öffentlichrechtlichenR<strong>und</strong>funks <strong>und</strong> führt zu einem breiten Musikprogrammangebot. Dazu kommt, dassR<strong>und</strong>funkklangkörper eine geringere Tendenz zur Repertoirebildung haben, da durch dieAufzeichnung weniger Notwendigkeit zur Wiederholung besteht <strong>und</strong> es daher zu einem breiterenProgramm bzw. zu einer höheren „Umsatzgeschwindigkeit“ kommt. Die Verfügbarkeit seltenerStücke führte auch zu einem gestiegenen Interesse der Musikindustrie Tonträger mit den ohnehinstudioerfahrenen R<strong>und</strong>funkorchestern zu produzieren. Die Platten wiederum erwiesen sich überdas <strong>internationale</strong> Verteilernetz im Ausland als gute Vorreiter <strong>und</strong> Werbeträger für erwogeneTourneen.Die <strong>Orchester</strong> <strong>und</strong> ihre Musiker sahen sich neuen Aufgaben <strong>und</strong> Herausforderungengegenübergestellt, nicht nur durch die technischen Voraussetzungen von Aufnahme <strong>und</strong>Übertragung, sondern auch durch die Anforderungen an die Programme, deren zeitlicheDimension für den Sendeablauf kalkulierbarer <strong>und</strong> vom Repertoire reichhaltiger sein sollte.Ulrich Dibelius (Dibelius 1981: 27) spricht sogar von der Entstehung eines neuen speziellenMusikertyps, der besonders aufgeschlossen ohne „kunstideologische Scheuklappen“ <strong>und</strong> flexibelden Anforderungen des R<strong>und</strong>funks gerecht wird. Die Trennung vom direkt anwesendenPublikum <strong>und</strong> dessen Ersetzung durch ein Mikrofon mochte anfangs zumeist als „kunstfremderEingriff in die lebendige Zirkulationsweise von Musik erscheinen“, erwies sich jedoch mit demAufkommen <strong>und</strong> der schrittweisen Vervollkommnung der Schallaufzeichnung durchs Tonbandgerade als eine einzigartige Chance zur Interpretationskontrolle <strong>und</strong> damit zu gesteigerterAusführungsqualität sowie zu künstlerischer Bereicherung.In den Anfängen des R<strong>und</strong>funks folgten die unterschiedlichsten Sendungen <strong>und</strong> Musikenaufeinander, ohne daß ein direkter Zusammenhang erkennbar war. Erstmals in den USA der 40erJahre spezialisierten sich Programme auf einzelne Musikrichtungen aus dem Popularbereich.Ursache für die Entstehung dieser Formatradios war eine immer größere Differenzierung imBereich der populären Musik. Zudem war das Radio spätestens seit der wachsenden Konkurrenzdurch das Fernsehen gezwungen sich auf Nebenhör-Nutzung einzustellen. In Deutschlandentstanden in den 1950er Jahren innerhalb der öffentlich-rechtlichen R<strong>und</strong>funkanstaltenbestimmte Programmprofile, die sich vorwiegend über ihr Musikangebot definieren ließen. Derdamit einsetzende Differenzierungsprozess hat sich bis heute fortgesetzt, der durch die Einführungdes dualen R<strong>und</strong>funksystems dabei noch eine Beschleunigung erfuhr. Auch die einzelnenKlangkörper sind dementsprechend programmatisch <strong>und</strong> funktional differenziert. Den R<strong>und</strong>funkorchesternwurde die Aufgabe zugedacht, sich um „Unterhaltende Musik“ im weitestenSinne zu kümmern, während die sogenannten R<strong>und</strong>funksinfonieorchester „ernste“ sinfonischen


9Musik spielen sollte (Giersch 1998). Neben den Chören etablierten sich ausserdem dieTanzorchester, die später als Bigbands mit entsprechendem Repertoire sich derUnterhaltungsmusik widmen sollten. Tabelle 2 zeigt die aktuelle Struktur der deutschenR<strong>und</strong>funkklangkörper (ARD 2002). Kleinere <strong>und</strong> zeitlich beschränkte Ensembles bzw.Einrichtungen wie Kammerorchester oder das Experimentalstudio der Heinrich-Strobel-Stiftungdes SWR e.V. wurden nicht aufgenommen.Betreiber Klangkörper Gründung(Umbenennungoder Fusion)R<strong>und</strong>funk-<strong>Orchester</strong><strong>und</strong> –Chöre GmbHBerlinWestdeutscherR<strong>und</strong>funk (WDR)Südwestr<strong>und</strong>funk(SWR)BayrischerR<strong>und</strong>funk (BR)MitteldeutscherR<strong>und</strong>funk (MDR)NorddeutscherR<strong>und</strong>funk (NDR)Deutsches Symphonie-<strong>Orchester</strong> Berlin 1946 (1956,1993) 114R<strong>und</strong>funk-Sinfonieorchester Berlin 1925 114RIAS-Kammerchor 1948 35R<strong>und</strong>funkchor Berlin 1925 65MusikerRIAS-Jugendchor 1948 wechselndWDR Sinfonieorchester Köln 1947 (1956) 118WDR R<strong>und</strong>funkorchester Köln 1947 (1956) 58WDR R<strong>und</strong>funkchor Köln 1948 (1956) 48WDR Bigband Köln 1947 (1956) 17SWR Sinfonieorchester Baden-Baden 1946 (1998) 99<strong>und</strong> FreiburgSWR R<strong>und</strong>funkorchester Kaiserslautern 1946 (1951) 45SWR Radio-Sinfonieorchester Stuttgart 1945 (1949,1998) 107SWR Big Band 1951 17SWR Vokalensemble Stuttgart 1946 (1949,1998) 36Symphonieorchester des Bayerischen 1949 100R<strong>und</strong>funksChor des Bayerischen R<strong>und</strong>funks 1946 (1948) 44Münchner R<strong>und</strong>funkorchester 1952 70MDR Sinfonieorchester 1924 140MDR R<strong>und</strong>funkchor Leipzig 1946 (1992) 73MDR Kinderchor 1948 (1992) wechselndNDR-Sinfonieorchester 1945 (1956) 115Radio-Philharmonie Hannover des NDR 1950 (1956) 81NDR-Bigband 1945 (1956) 17NDR-Chor 1946 (1956) 39Hessischer Radio-Sinfonie-<strong>Orchester</strong> Frankfurt 1945 107R<strong>und</strong>funk (HR) HR Bigband 1946 (1948) 18SaarländischerR<strong>und</strong>funk (SR)R<strong>und</strong>funk-SinfonieorchesterSaarbrücken1937 (1972) 85Tabelle 2: Deutsche öffentlich-rechtliche R<strong>und</strong>funkklangkörper (Stand Januar 2003)Die Fragen wie R<strong>und</strong>funksendungen wirklich genutzt <strong>und</strong> wahrgenommen werden <strong>und</strong> welcheFunktion sie für den Rezipienten darstellen gehören in den Bereich der


10Medienwirkungsforschung bzw. der Musikpsychologie, deren Ergebnisse hier nur angedeutetwerden können. Der Hörfunk wird (inzwischen) überwiegend als Nebenbei-Medium nebenanderen Tätigkeiten genutzt. Als besondere Qualitäten des Radios gelten neben der schnellenInformation sein parasozialer Charakter <strong>und</strong> die (angenehme) Begleitung der Haupttätigkeit(Affektkontrolle <strong>und</strong> Handlungskoordination). Der R<strong>und</strong>funk trägt aber auch zur Meinungs- <strong>und</strong>Willensbildung bei. Im Nationalsozialismus wurde daher zur Ablenkung in den Kriegsjahren mitErfolg verstärkt unterhaltende <strong>und</strong> scheinbar unpolitische Musik ausgestrahlt. Die Bedeutung desR<strong>und</strong>funks für den Verkauf von Tonträgern war besonders in den Nachkriegsjahren bis in die1980er Jahre groß <strong>und</strong> führte zu einer recht engen Verflechtung von Musikindustrie <strong>und</strong>R<strong>und</strong>funk.Peter Stieber (Stieber 1995) konstatiert unter Berufung auf die ARD/ZDF-Kulturstudie aus demJahr 1991 ein großes Interesse an klassischer Musik, da r<strong>und</strong> 71 Prozent der Bevölkerung anKlassik interessiert <strong>und</strong> fast 30 Prozent der Bevölkerung über Tonträger oder elektronischeMedien mit anspruchsvoller Klassik zu erreichen sei. Die R<strong>und</strong>funkanstalten der ARD versuchendieser Nachfrage mit einem umfangreichen E-Musik-Angebot nachzukommen, das vor allem indafür spezialisierten Kultur- <strong>und</strong> Klassikwellen gesendet wird. 1995 bot jedeLandesr<strong>und</strong>funkanstalt durchschnittlich 15 St<strong>und</strong>en E-Musik ihren Hörerinnen <strong>und</strong> Hörern proTag an, die zu 40 Prozent von Tonträgern der Industrie, zu r<strong>und</strong> 60 Prozent ausEigenproduktionen, neueren ebenso wie Aufnahmen aus dem großen Archivbestand bestehen.Der relative Anteil der E-Musik am Gesamtangebot ist zwar von 20,8 Prozent im Jahr 1985 auf14,3 Prozent im Jahr 1995 gesunken; dies ist aber auf die Einführung von jungen Wellen, dieüberwiegend Pop-Musik anbieten <strong>und</strong> von Informationswellen, die fast ausschließlichWortsendungen enthalten zurückzuführen. Ein Vergleich der tatsächlich mit E-Musik gesendetenMinuten ergibt für den gleichen Zeitraum eine Zunahme um mehr als ein Drittel von 2 914 465auf 3 916 035 Minuten (Jenke 1998). Die Hörfunkstatistik 2000 der ARD weist eine weitereSteigerung auf 5 444 006 Minuten auf, was 15,9 Prozent am gesamten Hörfunkprogrammentspricht. Der prozentuale Anteil der Kulturprogramme an der Gesamthörerschaft des Radiosliegt allerdings seit Jahrzehnten (nur) zwischen zwei <strong>und</strong> vier Prozent. Die größte Gruppeinnerhalb der Kernhörerschaft dieser Programme gehört dabei der Altersgruppe zwischen 50 <strong>und</strong>64 Jahren an.Die aktuelle Situation der öffentlich-rechtlichen Klangkörper <strong>und</strong> ihre Legitimation ist durch denUmfang seiner produzierten Sendungen für den R<strong>und</strong>funk <strong>und</strong> durch die Akzeptanz desPublikums bestimmt, die wesentlich über die Qualität ihrer Arbeit bestimmt ist.


11Jobst Plog (Plog 1993), damals Intendant des NDR <strong>und</strong> Vorsitzender der ARD, beschreibt einenRollenwandel der ARD-Klangkörper von „früher typischen Produktionsorchestern“ zu„wettbewerbsbereiten Konzertorchestern“, was sich in In- <strong>und</strong> Auslandsreisen,Tonträgerproduktionen <strong>und</strong> der Bemühung um renommierte Dirigenten <strong>und</strong> Solisten äußert.Auch die ARD selbst steht in einem Wettbewerb zu anderen privat-kommerziellenR<strong>und</strong>funkanbietern <strong>und</strong> solle über seine Klangkörper die besondere Möglichkeit„programmlicher Wertarbeit“ nutzen.3. Schluss: ZusammenfassungDie ersten deutschen R<strong>und</strong>funkklangkörper entstanden mit der Einführung des R<strong>und</strong>funks inDeutschland in den 20er Jahren. Zu einer flächendeckenden Gründung <strong>und</strong> Verbreitung kam esallerdings erst nach dem 2. Weltkrieg durch die Gründung öffentlich-rechtlicherR<strong>und</strong>funkanstalten. Durch den Kultur-, Bildungs- <strong>und</strong> Unterhaltungsauftrag, den die Senderwahrnehmen sollten kam es zur Etablierung <strong>und</strong> Ausdifferenzierung der R<strong>und</strong>funkklangkörper(sowohl räumlich-regional als auch funktional vom großen Sinfonieorchester über kleinereR<strong>und</strong>funkorchester bis hin zu Chören <strong>und</strong> Tanzorchestern bzw. Bigbands). Eine wesentlicheGr<strong>und</strong>lage dafür bildete vor allem die relativ stabile Finanzierung über R<strong>und</strong>funkgebühren. Dieaktive Kulturförderung bzw. Musikpflege äussert sich dabei neben Sendungen <strong>und</strong> öffentlichenKonzerten auch in Tonträgerproduktionen, Kompositionsaufträgen, der Veranstaltung vonFestivals <strong>und</strong> Konzertreisen. Insgesamt führt dies zu einem Programm <strong>und</strong> Repertoireprofil derR<strong>und</strong>funkklangkörper, das im Gegensatz zur Konzentration auf das klassisch-romantischeRepertoire anderer (traditioneller) Kulturorchester sich durch weniger bekannte <strong>und</strong> gespielte<strong>und</strong> vor allem durch die Neue bzw. Zeitgenössische Musik auszeichnet. DenR<strong>und</strong>funkklangkörpern kommt daher der Verdienst zu die ganze Entwicklung derNachkriegsmusik von Hartmann, Messien <strong>und</strong> Blacher bis zu Henze, Stockhausen, Nono, Boulez<strong>und</strong> Kagel wesentlich begleitet bzw. erst ermöglicht zu haben. Der gestiegene Wettbewerb deröffentlich-rechtlichen R<strong>und</strong>funkanstalten seit der Einführung des dualen R<strong>und</strong>funksystemseinerseits als auch die Konkurrenz der <strong>Orchester</strong> untereinander führt zu einem größerenLegitimationsdruck der zum größten Teil durch Gebühren finanzierten R<strong>und</strong>funkorchester <strong>und</strong>zu einem Wettbewerb um renommierte Dirigenten <strong>und</strong> Solisten <strong>und</strong> damit um die Anerkennungdurch das Publikum.


124. LiteraturBayerischer R<strong>und</strong>funk (1989): 40 Jahre Symphonieorchester des Bayerischen R<strong>und</strong>funks:1949 – 1989. München: Bayerischer R<strong>und</strong>funkARD (2002): ABC der ARD. Baden-Baden: Nomos VerlagsgesellschaftBenthien, Ulrich (1989): Im Tutti <strong>und</strong> zu viert : Erlebnisse aus 4 Jahrzehnten mit dem NDR-Sinfonieorchester <strong>und</strong> dem Benthien-Quartett. Hamburg: Rasch <strong>und</strong> RöhringBlum, Andreas / Gielen, Michael (1994): Hat der R<strong>und</strong>funk <strong>Orchester</strong> <strong>und</strong> Chor zu fördern?Österreichische Musikzeitschrift, Jg. 49, Heft 12, S. 758-760Deutscher Demokratischer R<strong>und</strong>funk (1969): Das Berliner R<strong>und</strong>funk-Sinfonie-<strong>Orchester</strong>.Berlin: Deutscher Demokratischer R<strong>und</strong>funkDibelius, Ulrich (1981): Musikkultur aus eigener Kraft. In: ARD-Jahrbuch 1981. S. 26-37.Hamburg: Hans-Bredow-InstitutDiller, Ansgar (1999): Öffentlich-rechtlicher R<strong>und</strong>funk. In: Wilke, Jürgen (Hg):Mediengeschichte der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland. S. 146-166. Bonn: B<strong>und</strong>eszentrale fürpolitische BildungDiller, Ansgar / Jaschinski, Andreas / Münch, Thomas / Frisius, Rudolf / Feilhauer,Ingeborg (1997): R<strong>und</strong>funk <strong>und</strong> Fernsehen. In: Die Musik in Geschichte <strong>und</strong> Gegenwart.Sachteil Band 8. Kassel et al.: Bärenreiter. S. 611-640.Freier Deutscher Gewerkschaftsb<strong>und</strong> (1962): Richtlinien des Zentralvorstandes derGewerkschaft Kunst für den Wettbewerb der Staatlichen Sinfonie-, Unterhaltungs-, Theater<strong>und</strong>R<strong>und</strong>funkorchester in der DDR. Berlin: FDGBGiersch, Klaus (1998): Wie schwer wiegt leichte Musik? Zum 50. Geburtstag des KölnerR<strong>und</strong>funkorchesters. In: Das <strong>Orchester</strong>. Zeitschrift für <strong>Orchester</strong>kultur <strong>und</strong> R<strong>und</strong>funk-Chorwesen. Jg. 46, Heft 3, S. 30-31.Goslich, Siegfried / Mead, Rita H. / Roberts, Timothy / Lee, Joanna C. (2001): Radio. In:The New Grove Dictionary of Music and Musicians, Band 20, S. 728-744. London:MacmillanHalefeld, Horst O. (1999): Programmgeschichte des Hörfunks. In: Wilke, Jürgen (Hg):Mediengeschichte der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland. S. 211-230. Bonn: B<strong>und</strong>eszentrale fürpolitische BildungHauptabteilung Musik des Westdeutschen R<strong>und</strong>funks (1972): Festschrift zum 25-jährigenBestehen des Kölner R<strong>und</strong>funk-Sinfonie-<strong>Orchester</strong>s. Köln: Hauptabteilung Musik desWestdeutschen R<strong>und</strong>funks


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