Die britische Armee im 18. Jahrhundert Totaler Krieg in ... - MGFA
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Reg<strong>im</strong>entswirtschaft und Stellenkauf<br />
der Reg<strong>im</strong>entshierarchie anbieten. <strong>Die</strong><br />
Krone konnte jedoch den Kauf e<strong>in</strong>es<br />
Offizierpatents und damit die Beförderung<br />
revidieren. Zumeist aber wurde<br />
die Preisliste ignoriert. <strong>Die</strong> tatsächlich<br />
bezahlten Summen lagen deutlich höher.<br />
In der Regel wickelte e<strong>in</strong> Reg<strong>im</strong>ental<br />
Agent den Handel ab. Wollte beispielsweise<br />
e<strong>in</strong> junger Gentleman sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />
Reg<strong>im</strong>ent e<strong>in</strong>kaufen, so nahm er Kontakt<br />
mit dem Agent des Reg<strong>im</strong>ents auf.<br />
<strong>Die</strong>ser vermittelte e<strong>in</strong>e freie Ensign-<br />
Stelle an den Interessenten. War diese<br />
bereits besetzt, gab der ehemalige Inhaber<br />
se<strong>in</strong> Offizierpatent an das War<br />
Office zurück und erhielt dafür den offiziellen<br />
Listenpreis. Genau diese<br />
Summe musste nun der neue Inhaber<br />
für den Erhalt des Patents an das War<br />
Office zahlen. Zusätzlich musste der<br />
neue Patent<strong>in</strong>haber dem alten unter<br />
der Hand e<strong>in</strong>en zuvor vere<strong>in</strong>barten <strong>in</strong>offiziellen<br />
Aufpreis entrichten. War die<br />
Stelle noch unbesetzt gewesen, so strich<br />
der Colonel dieses Geld e<strong>in</strong>. Mit dem<br />
Erwerb e<strong>in</strong>es Ensign-Patents war der<br />
erste Schritt <strong>in</strong> der Offizierlaufbahn getan.<br />
Von nun an konnte man sich weiter<br />
nach oben kaufen.<br />
Innerhalb e<strong>in</strong>es Reg<strong>im</strong>ents löste der<br />
Verkauf e<strong>in</strong>es Offizierpatents e<strong>in</strong>e Kettenreaktion<br />
aus. Veräußerte e<strong>in</strong> Lieutenant-Colonel<br />
se<strong>in</strong>en Posten, so wurden<br />
fünf weitere Stellen frei: Major, Capta<strong>in</strong>,<br />
Capta<strong>in</strong>-Lieutenant, Lieutenant<br />
und Ensign. Somit stellte e<strong>in</strong>e Beförderung<br />
e<strong>in</strong> vitales Interesse aller Offiziere<br />
dar. <strong>Die</strong> Aspiranten mussten meist ihre<br />
Geldmittel zusammenlegen, um die<br />
Kaufsummen aufzubr<strong>in</strong>gen. Veräußerte<br />
e<strong>in</strong> Offizier se<strong>in</strong> Patent, so gab es dafür<br />
zwei Gründe: Entweder wollte er e<strong>in</strong><br />
neues mit höherer Rangstufe erwerben,<br />
oder aber er beabsichtigte, den<br />
<strong>Die</strong>nst zu quittieren. Das Offizierpatent<br />
war somit auch e<strong>in</strong>e Art Lebensversicherung,<br />
die dem Besitzer e<strong>in</strong> gewisses<br />
Maß an f<strong>in</strong>anzieller Sicherheit<br />
gab.<br />
<strong>Die</strong>ses sogenannte Purchase System<br />
trug maßgeblich zur Heterogenität des<br />
<strong>britische</strong>n Offizierkorps bei. In Frankreich<br />
und Preußen sah der Adel den<br />
Offizierstand als se<strong>in</strong> alle<strong>in</strong>iges Privileg.<br />
In der <strong>britische</strong>n <strong>Armee</strong> waren<br />
zwar die höheren <strong>Die</strong>nstgrade e<strong>in</strong>e Domäne<br />
des Hochadels, dennoch konnten<br />
Vertreter anderer Gesellschaftsschichten<br />
e<strong>in</strong> Offizierpatent erwerben.<br />
<strong>Die</strong>s waren zumeist Angehörige des<br />
großgrundbesitzenden Landadels, die<br />
nahezu e<strong>in</strong> Viertel aller Offizierstellen<br />
besetzten. Abstammung und Besitz ermöglichten<br />
e<strong>in</strong>e schnelle Karriere <strong>in</strong><br />
der <strong>Armee</strong>. An dritter Stelle stand der<br />
niedere Landadel, gefolgt von den Familien<br />
aus Handel, Wirtschaft und Klerus<br />
sowie den freien Bauern. Mit etwas<br />
Glück und Patronage schafften sie es<br />
bis <strong>in</strong> den Rang e<strong>in</strong>es Field Officers.<br />
E<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Teil der Offiziere rekrutierte<br />
sich aus Ausländern. Es gab auch<br />
Unteroffiziere, die es während ihrer<br />
<strong>Die</strong>nstzeit schafften, <strong>in</strong> den Rang e<strong>in</strong>es<br />
Lieutenants oder Capta<strong>in</strong>s aufzusteigen.<br />
Das Purchase System vere<strong>in</strong>fachte<br />
den E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> das Offizierkorps der<br />
<strong>britische</strong>n <strong>Armee</strong>, der Aufstieg h<strong>in</strong>gegen<br />
ohne die nötigen Geldmittel blieb<br />
äußerst unsicher. Vermögende und<br />
protegierte Männer stiegen die Karriereleiter<br />
schneller h<strong>in</strong>auf als die Mittellosen,<br />
die sich <strong>in</strong> den niederen Rängen<br />
sammelten. Beispielhaft dafür s<strong>in</strong>d<br />
Lord George Lennox, der zweite Sohn<br />
des Herzogs von Richmond, und Peter<br />
Franquefort. Franquefort trat 1694 als<br />
Ensign <strong>in</strong> die <strong>britische</strong> <strong>Armee</strong> e<strong>in</strong> und<br />
schaffte es erst <strong>im</strong> Jahre 1732, <strong>in</strong> den<br />
Rang e<strong>in</strong>es Capta<strong>in</strong>s aufzusteigen.<br />
Nach über 46 <strong>Die</strong>nstjahren schied er <strong>im</strong><br />
Jahre 1740 <strong>im</strong> selben <strong>Die</strong>nstgrad aus<br />
der <strong>Armee</strong> aus. Lennox h<strong>in</strong>gegen lieferte<br />
e<strong>in</strong> Paradebeispiel für den schnellen<br />
Aufstieg e<strong>in</strong>es Adelssprosses. Im<br />
6 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 1/2010<br />
<strong>MGFA</strong>/Sammlung Bleckwenn<br />
3Soldaten des 1. Reg<strong>im</strong>ents<br />
der <strong>britische</strong>n Garde<strong>in</strong>fanterie<br />
<strong>im</strong> Jahr 1745.<br />
Der Preis für e<strong>in</strong> Offizierpatent<br />
bei der Garde war<br />
deutlich höher als bei<br />
e<strong>in</strong>em L<strong>in</strong>ienreg<strong>im</strong>ent.<br />
Farbdruck nach Zeichnung<br />
von Richard Knötel.<br />
Alter von 13 Jahren begann er 1751<br />
se<strong>in</strong>e Laufbahn <strong>in</strong> der <strong>Armee</strong> als<br />
Ensign. Mit 20 Jahren wurde er Lieutenant-Colonel<br />
<strong>im</strong> 33. Infanteriereg<strong>im</strong>ent<br />
und kurz darauf als Colonel Inhaber<br />
des Reg<strong>im</strong>ents, bevor er 1762 das<br />
25. Infanteriereg<strong>im</strong>ent übernahm.<br />
Nicht die Qualifikation, sondern der<br />
Geldbeutel entschied über die Karriere<br />
e<strong>in</strong>es Offiziers. Dar<strong>in</strong> bestand der<br />
große Nachteil des Purchase Systems,<br />
<strong>in</strong> dem fähige Männer aus Mangel an<br />
Vermögen nicht befördert wurden. Des<br />
Weiteren wirkte sich die mit dem Patenthandel<br />
verbundene Korruption negativ<br />
auf die Qualität der Truppe aus.<br />
Vor allem <strong>in</strong> der Friedensphase zwischen<br />
1714 und 1739 konnte der betrügerische<br />
Umgang mit dem Handel der<br />
Offizierpatente gedeihen.<br />
Das Verhältnis der Krone zum<br />
Purchase System<br />
<strong>Die</strong> <strong>britische</strong>n Könige (seit Georg I.)<br />
aus dem Hause Hannover waren erklärte<br />
Gegner des Stellenkaufs. Dennoch<br />
schafften sie es nicht, den Handel<br />
mit den Offizierpatenten zu unterb<strong>in</strong>den.<br />
Zu stark war der Widerstand, der<br />
den königlichen Reformen vonseiten<br />
der Reg<strong>im</strong>entsoffiziere entgegenkam,<br />
die sich weder das Recht auf den lukrativen<br />
Verkauf ihrer Patente noch die<br />
gew<strong>in</strong>nträchtige Kompaniewirtschaft<br />
nehmen lassen wollten.