LESEPROBE - Hagen Grote
LESEPROBE - Hagen Grote
LESEPROBE - Hagen Grote
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Unser kleiner<br />
Zweimast-Boston-<br />
Schoner „Rubicon“,<br />
1936 in den USA<br />
aus Holz gebaut.<br />
Unser kleiner Zweimast-Boston-Schoner „Rubicon“ wurde<br />
1936 in den USA aus Holz gebaut. In der Pantry gab es einen<br />
Holzherd zum Brotbacken und Heizen im Winter. Ein Petroleumkocher<br />
mit zwei Flammen diente auf unserer Reise von<br />
Düsseldorf über Holland nach Norwegen und zurück zum<br />
Kochen. Petroleumkocher haben ihre Tücken und erfordern<br />
neben technischen Fähigkeiten viel Geduld. Die Brenner werden<br />
mit Spiritus vorgeheizt. Mit einer Handpumpe erzeugt der<br />
Koch den notwendigen Druck im Petroleumtank. Zusätzlich<br />
erfordert das Kochen bei mehr oder weniger heftigen Schiffsbewegungen<br />
neben Seefestigkeit (der Smutje darf nicht seekrank<br />
werden) eine gewisse Akrobatik. Unser Proviant bestand zum<br />
größeren Teil aus Konserven, Reis, Nudeln und allem, was sich<br />
ohne Kühlschrank gut aufbewahren lässt. In unserer ersten<br />
Nacht auf See gerieten wir vor der holländischen Küste in einen<br />
schweren Sturm. Unser Schiff machte Wasser und wir mussten<br />
uns an der Pumpe ablösen. Nach 24 Stunden hatten sich<br />
Sturm und Seegang halbwegs gelegt. Mit wieder erwachenden<br />
Lebensgeistern kam unser Appetit zurück. Allerdings hatten<br />
sich durch das viele Wasser im Schiff alle Papieretiketten von<br />
den Konserven gelöst und schwammen in der Bilge umher.<br />
Ich wählte auf der weiteren Reise zu jeder warmen Mahlzeit<br />
nach dem Zufallsprinzip unterschiedliche Dosen aus. Daraus<br />
entstanden Gerichte in gewagten Kombinationen. Ein solches<br />
Erlebnis förderte die Kreativität in der Küche ungemein. Ganz<br />
gleich, was man hat, mit Fantasie und Geschick lässt sich aus<br />
unterschiedlichsten Zutaten immer eine interessante Mahlzeit<br />
zubereiten. In den nächsten Jahren folgten viele Segelreisen.<br />
Gleichzeitig steigerte sich meine Freude am Kochen. So war ich<br />
auf allen Meeren vom Mittelmeer bis in die Karibik bis heute<br />
immer gleichzeitig Skipper, Navigator und Smutje.<br />
Auch nach Gründung meiner Familie ergab es sich, dass ich<br />
täglich die Hauptmahlzeiten zubereitete. Das ist bis heute so<br />
geblieben. Für mich ist es eine wunderbare Form der Entspannung,<br />
nach einem arbeitsreichen Tag zusammen mit meiner<br />
Frau ein schönes Abendessen zu kochen und über die Tagesereignisse<br />
zu sprechen.<br />
<strong>LESEPROBE</strong><br />
Ein Kochbuch brachte die entscheidende Wende in mein Leben:<br />
„Die neue Küche“ von Paul Bocuse, dem bekanntesten<br />
Protagonisten der „Nouvelle Cuisine“. Seine vorzüglichen<br />
Beschreibungen professioneller Zubereitungen entwickelten<br />
sich für mich zur faszinierenden Anleitung in der Küche. Fortan<br />
wurde mein Verhältnis zur gehobenen Kochkunst intensiver<br />
und leidenschaftlicher. Aus dieser Begegnung entstand die<br />
Idee, professionelles Küchenzubehör und erstklassige Zutaten,<br />
die nicht überall zu haben sind, engagierten Hobbyköchen<br />
anzubieten.<br />
Nach gründlicher Vorbereitung erschien unter dem Titel<br />
„besserKOCHEN“ mein erster Versand-Katalog. Es folgten die<br />
arbeitsreichsten und beruflich spannendsten Jahre meines Lebens.<br />
Und gleichzeitig lernte ich richtig kochen. Über 10 Jahre<br />
war Dieter Schalljo in seiner Düsseldorfer Kochschule mein<br />
Lehrer. Dort erweitern meine Mitarbeiter bis heute ständig ihr<br />
kulinarisches Wissen.<br />
Zum guten Essen gehört guter Wein. Eigenen Wein anzubauen<br />
war eine Idee, die mich nicht mehr losließ. Ich erwarb in den<br />
frühen 80er Jahren in den Bergen Mallorcas die verlassene Finca<br />
„Ca’n Vey“. Das uralte Steinhaus war zur verfallenen Ruine<br />
heruntergekommen. Von den stützenden Trockenmauern, die<br />
das bergige Gelände vor Erosion schützen sollten, existierten<br />
nur noch rudimentäre Reste. Es gab anfänglich keinen Strom,<br />
kein Wasser und kein Telefon. Das Mobiltelefon war noch nicht<br />
erfunden. Meine Freunde, denen ich das kleine Anwesen enthusiastisch<br />
zeigte, schüttelten beim Anblick der abgelegenen<br />
Wildnis nur verständnislos den Kopf. Der Wiederaufbau in<br />
kleinen Schritten hat lange gedauert.<br />
<strong>LESEPROBE</strong><br />
Zuerst wurde nur ein Teil des alten Hauses im traditionellen<br />
Stil wieder errichtet. In die Küche wurde ein mit Holz befeuerter<br />
Eisenherd zum Heizen und Kochen eingebaut. Wie die<br />
Sterneköche auf ihren teuren Molteni-Herden habe ich auf<br />
diesem Herd durch Hin- und Herschieben der Töpfe die Kochtemperatur<br />
variiert. In der Mitte wurde die Herdoberfläche<br />
extrem heiß. Am Rand reichte die Temperatur zum Warmhalten.<br />
Trotz umständlichem Anheizen, ständigem Nachlegen von<br />
Holzscheiten und dem Entfernen der Asche war das Kochen<br />
auf diesem Herd ein ursprüngliches Erlebnis. Sein summendes<br />
Holzfeuer und die angenehme Wärme im Winter trugen zur<br />
einzigartigen Atmosphäre der Küche mit ihren dicken Bruch-<br />
steinmauern, handbemalten Kacheln und dem rotbraunen<br />
Terrakottaboden bei. Gegessen wurde neben der offenen Küche<br />
am großen gescheuerten Holztisch.<br />
Nachdem das terrassierte Gelände mit traditionellen Trockenmauern<br />
gegen Erosion gesichert war, habe ich das Gelände<br />
mit Cabernet-Sauvignon- und Merlot-Reben bepflanzt. Schritt<br />
für Schritt erlernte ich den Anbau und die Weinherstellung.<br />
Francesc Fibla, Önologe des benachbarten Weingutes Santa<br />
Catarina, wurde mein Lehrer. 5 Jahre brauchte der junge Wein<br />
bis zur ersten Ernte. In dieser Zeit wurde die Bodega gebaut<br />
und das Gebäude in seiner ursprünglichen Größe wiederhergestellt.<br />
Inzwischen gibt es Strom, Telefon und ein 76 m<br />
tiefer Brunnen liefert ausreichend Wasser zum Bewässern der<br />
Reben. Unser Wein trägt den Namen der Finca „Ca’n Vey“.<br />
Nach temperaturkontrollierter Fermentation reift er ein Jahr in<br />
kleinen Eichenfässern. Er ist von tiefroter Farbe. Sein ausgeprägter<br />
Geschmack ist dezent würzig mit feinen Tanninen und<br />
unverwechselbaren Kirscharomen.<br />
Gelegentlich bin ich gefragt worden, ob mir die Arbeit in der<br />
Küche eines eigenen Restaurants keine Freude bereiten würde.<br />
Ich bin mit einigen hervorragenden Köchen befreundet und<br />
bewundere ihre Arbeit. Sie sind zum Teil Künstler ihres Berufes,<br />
erstklassige Handwerker und immer harte Arbeiter. Als<br />
engagierter Hobbykoch habe ich es da viel leichter. Ich darf,<br />
aber ich muss in meiner Küche nicht ständig Höchstleistungen<br />
erbringen. Unsere jüngste Tochter Julia äußerte mit 16 Jahren<br />
den Wunsch, Köchin zu werden. Ich bat Giuseppe Bonveccio,<br />
Neapolitaner und Patron des erstklassigen Krefelder Restaurants<br />
„Villa Medici“, Julia in den Schulferien in seine Küchenbrigade<br />
aufzunehmen. Julia verbrachte als einziger weiblicher<br />
Küchenmitarbeiter 6 Wochen lang täglich 10 Stunden unter 12<br />
jungen Italienern. Als Vater hat man da so seine Bedenken. Für<br />
Julia war es eine wunderbare Zeit. Sie hat enorm viel gelernt<br />
und alle haben sich prächtig verstanden. Julia kocht immer<br />
noch voller Begeisterung. Dennoch hat sie es vorgezogen, ein<br />
Medizinstudium aufzunehmen.<br />
8 9<br />
Harte Arbeit: Die<br />
ersten Rebstöcke<br />
auf „Ca‘n Vey“<br />
sind gepflanzt.