LESEPROBE - Hagen Grote
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Alles Handarbeit:<br />
An- und Ausbau des<br />
Weins auf „Ca’n Vey“.<br />
<strong>LESEPROBE</strong><br />
Gegenüber professionellen Köchen hat der Hobbykoch einen<br />
weiteren Vorteil. Er ist in der Lage, sein Vergnügen in der Küche<br />
mit den Vorzügen der Kommunikation zu verbinden. Ganz<br />
gleich, wie weit seine Fähigkeiten als Koch gediehen sind, mit<br />
einer Einladung zum Essen lassen sich Beziehungen zu Freunden<br />
wunderbar pflegen, vertiefen oder wieder auffrischen.<br />
Zur Weinernte lade ich immer viele Freunde als Helfer ein. Der<br />
schönste Teil des Tages ist, nach einigen Stunden Arbeit unter<br />
der sengenden spanischen Sonne, die gemeinsame Mahlzeit.<br />
Für die vielen Personen mache ich dann einen rustikalen<br />
Kichererbsen-Eintopf, mit Zwiebeln, Tomaten, viel Knoblauch,<br />
rotem Paprika und Chorizo. Oder es gibt eine schwarze Paella<br />
mit Sepia, spitzen grünen Paprikaschoten, rundem spanischem<br />
Paellareis, Fischfond und tiefschwarzer Sepiatinte.<br />
Aber auch als geübter Hobbykoch sollte man es nicht übertreiben.<br />
Zu einem meiner Geburtstage habe ich einmal mit meiner<br />
Frau zusammen für insgesamt 28 Personen ein 4-Gänge-Menü<br />
zubereitet. Das Essen ist gut gelungen und die Stimmung meiner<br />
Gäste war vorzüglich. Ich hatte meinen Freunden einmal<br />
mehr bewiesen, dass ich ein ganz passabler Koch bin. Meine<br />
Frau und ich hatten jedoch vom Essen und den eingeladenen<br />
Freunden wenig. Wie der Koch eines Restaurants konnte ich<br />
nach dem Dessert nur noch freundlich lächelnd, aber erschöpft<br />
umhergehen und meine Gäste fragen, ob alles in Ordnung war.<br />
<strong>LESEPROBE</strong><br />
Beim Kochen für Freunde darf man das eigene Vergnügen nicht<br />
vergessen. Um als Koch selbst den Abend zu genießen, begrenze<br />
ich die Gästezahl auf 8 bis maximal 12 Personen. Auch auf<br />
Experimente und das Ausprobieren neuer Gerichte sollte man<br />
als kochender Gastgeber verzichten. Es ist keine besonders<br />
originelle Entschuldigung, lieben Freunden während eines<br />
Essens zu eröffnen: „Das koche ich heute zum ersten Mal.“<br />
Ein Menü für Gäste muss nach den persönlichen Fähigkeiten<br />
und Möglichkeiten sorgfältig geplant und gut vorbereitet sein.<br />
Dann wird auch niemals Hektik aufkommen. Gastgeber, die<br />
mit hochroten Köpfen zwischen Küche und Esstisch hin und her<br />
eilen, sind für die Gäste keine Freude.<br />
Besonders wichtig ist es mir, einmal am Tag die Familie zum<br />
gemeinsamen Essen um den Tisch zu versammeln. Ich halte<br />
das für eine Errungenschaft der menschlichen Kultur, die in<br />
unserer Zeit leider verloren zu gehen scheint. Um die Attraktivität<br />
dieses Zusammenseins zu fördern, habe ich versucht,<br />
immer so gut (und auch kindergerecht) zu kochen, dass selbst<br />
einfache Gerichte etwas Besonderes sind. Nur die Förderung<br />
der Esskultur und das bewusste Genießen gut zubereiteter, unverfälschter<br />
(gesunder) Lebensmittel kann der zerstörerischen<br />
Wirkung industrieller Fastfood-Gerichte Paroli bieten. Für die<br />
Familie und für Freunde zu kochen, zum gemeinsamen Essen<br />
einen guten Wein zu trinken und miteinander zu sprechen,<br />
gehört für mich zu den schönsten Dingen des Alltags.<br />
Neben allen privaten und beruflichen Aktivitäten als engagierter<br />
Freund der guten Küche habe ich eine andere Passion<br />
nie aufgegeben. Auf meinem alten französischen Lotsenkutter<br />
„Le Temps Perdu“ aus der Normandie, einem Design von 1885,<br />
segle ich immer noch Klassikboot-Regatten. Zurzeit baue<br />
ich in die Pantry des Bootes einen traditionellen englischen<br />
„Taylor’s“-Petroleum-Kocher ein. Er hat zwei Brenner, die mit<br />
Spiritus vorgeheizt werden müssen. Mit einer Handpumpe<br />
muss der Koch den notwendigen Druck im Petroleumtank<br />
erzeugen. Es wird sicher wunderbar, für die Crew darauf zu<br />
kochen.<br />
10 11<br />
„Le Temps Perdu“