Fight Back 04 (Mai 2009) - Nazis auf die Pelle rücken
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Faksimili aus Burschenschaftliche Blätter<br />
In Berlin sind vor allem jene Burschenschaften zu beachten, <strong>die</strong> sich<br />
in der Deutschen Burschenschaft (DB) organisieren. Explizit <strong>die</strong> Vereinigte<br />
Berliner Burschenschaft Thuringia, <strong>die</strong> Berliner Burschenschaft<br />
der Märker, <strong>die</strong> Burschenschaft Arminia Berlin und nicht zuletzt <strong>die</strong><br />
Burschenschaft Gothia, welche als einzige der Berliner Burschenschaften<br />
Mitglied der Burschenschaftlichen Gemeinschaft ist, dem extrem rechten<br />
Flügel der ohnehin schon rechten DB. Dazu kommen etliche Altherrenverbindungen.<br />
Das Organ der DB sind <strong>die</strong> Burschenschaftlichen Blätter, <strong>die</strong> derzeit<br />
von Norbert Weidner (in den 90er Jahren noch Mitglied der Freiheitlichen<br />
deutschen Arbeiterpartei (FAP)) aus Hamburg herausgegeben<br />
werden. Bei der Verbandstagung der Deutschen Burschenschaft Anfang<br />
2008 im Wilmersdorfer Logenhaus (Berlin) entschied sich <strong>die</strong> DB für ein<br />
standfestes politisches Profil. Unter dem Titel „Pluralistischer Verband<br />
mit gemeinsamer Wertebasis“ kommt man in den Burschenschaftlichen<br />
Blättern zum Schluss, das gemeinsame burschenschaftliche Erbe <strong>auf</strong><br />
den Leitsatz „Ehre – Freiheit – Vaterland“ festzulegen. Damit erkennt <strong>die</strong><br />
DB, dass liberales Öffnen und Tolerieren nach allen Seiten dem Beharren<br />
<strong>auf</strong> kleinen Eliten entgegensteht. Einem „Konsumnihilismus der heutigen<br />
Zeit“ wird sich von den DB-Mitgliedern verweigert. Entsprechend <strong>die</strong><br />
Veranstaltungen der Berliner DB-Niederungen.<br />
Ein jährlicher Kristallisationspunkt ist der „Burschentag“ der DB in<br />
Eisenach, bei dem sich <strong>auf</strong> das „Wartburgfest“ von 1817 bezogen wird.<br />
Beim historischen Wartburgfest wurde <strong>die</strong> Errichtung eines Nationalstaates<br />
gefordert. Am Abend kam es zur feierlichen Bücherverbrennung von<br />
Schriften, <strong>die</strong> als reaktionär, antinational oder undeutsch galten.<br />
Zu den öffentlichen Aktivitäten, an denen Burschenschafter teilnehmen,<br />
gehören unter anderem Gedenkveranstaltungen für Angehörige der<br />
Wehrmacht und SS. So nahmen Burschenschafter an dem von Christian<br />
Worch mitorganisierten „Heldengedenken“, der mit über 1000 TeilnehmerInnen<br />
einer der größten Neonazi<strong>auf</strong>märsche des Jahres 2003 war,<br />
zum Waldfriedhof Halbe teil. Auch sind Burschenschafter alljährlich beim<br />
„Volkstrauertag“ <strong>auf</strong> dem Garnisonsfriedhof am Columbiadamm dabei, um<br />
zusammen mit Veteranen der Wehrmacht, soldatischen Traditionsverbänden,<br />
Mitgliedern von Vertriebenenverbänden, rechtskonservativen Politikern<br />
und Neonazis den für Deutschland gefallenen Soldaten zu gedenken.<br />
Die Gothia<br />
Die Gothia hat ihren Sitz in einer Villa in Zehlendorf. Sie bietet ihren<br />
Mitgliedern vor allem militaristische Schulungsveranstaltungen. Bei den<br />
„burschenschaftlichen Abenden“ der Gothia referierten bekannte Holocaustleugner<br />
wie Horst Mahler - selber alter Herr der Landsmannschaft<br />
Thuringia - oder Hans-Hellmuth Knütter und Alfred Mechtersheimer. Aber<br />
auch etablierte Politprominenz wie der ehemalige Berliner Bürgermeister<br />
Eberhard Diepgen (Alter Herr der Burschenschaft Saravia Berlin) sprachen<br />
in Vergangenheit im Haus der Gothia. Auch aktuelle Veranstaltungen<br />
lassen tief blicken: „Das historische Ostdeutschland in der heutigen<br />
öffentlichen Wahrnehmung“ am 6. <strong>Mai</strong> <strong>2009</strong>, ein geschichtsrevisionistisch<br />
zeitlicher Bezug zum Tag der Befreiung am 8. <strong>Mai</strong> lässt sich nicht<br />
leugnen. Die Villa der Gothia ist Anschrift und Treffpunkt der Berliner<br />
Reservistenkameradschaft Freiherr von Lützow. Reservistenkollege<br />
und CDU-Bürgermeister (bis Ende 2006) von Steglitz-Zehlendorf Herbert<br />
Weber beschaffte der Gothia regelmäßig Räume im örtlichen Rathaus.<br />
22 B u r s c h e n s c h a f t e n<br />
fight.back Nr.4 - <strong>2009</strong><br />
Berliner Burschen<br />
Im Gegensatz zu anderen Universitätsstädten treten Burschenschaften in Berlin weniger offen<br />
<strong>auf</strong> und gehören kaum zum Unialltag. Nichtsdestotrotz sind ca. 50 Burschenschaften, Landsmannschaften,<br />
Turnerschaften und Corps in Berlin aktiv. Die meisten von ihnen verfügen über<br />
eigene Häuser mit entsprechenden Zimmerangeboten und betonen den Einfluss ihrer ‚alten<br />
Herren‘ in Politik und Wirtschaft. Sie locken mit Zimmern, Hilfe im Studium, Kameradschaftsgefühl<br />
und S<strong>auf</strong>gelage. Auch wenn sie sich nach außen ein „weltoffenes“ Image geben, bilden<br />
Verbindungen immer noch Hort und Brutstätte konservativer bis extrem rechter Wertvorstellungen,<br />
was nicht zuletzt durch politische Veranstaltungen mit hochkarätigen Vordenker<br />
der Neuen Rechten bis hin zu offen extrem rechten Rednern unter Beweis gestellt wird.<br />
Weber war es auch, der mit seiner Rede im Vorfeld<br />
zum 8. <strong>Mai</strong> 2005 (Stichwort: „kollektive Moralpathologie<br />
des Deutschen Volkes“) für einen bundesweiten<br />
Skandal sorgte. Öffentliche Aktionen der Gothia sind<br />
allerdings spärlich gesäht. Am 17. Juni 2003 wollte <strong>die</strong><br />
Gothia an den - wie sie es nennt - „Volks<strong>auf</strong>stand in<br />
Mitteldeutschland“ gedenken.<br />
Offenbar noch weiter zugespitzt ist der Geschichtsrevisionismus<br />
der Gothia in ihrer 1981 am Steglitzer Lilienthal-Gymnasiums<br />
gegründeten Schülerverbindung Iuvenis Gothia. Diese kann als eine<br />
Vorfeldorganisation der Burschenschaft Gothia in<br />
Gymnasien angesehen werden. Die Iuvenis Gothia<br />
tagt im Haus der Gothia und wird von <strong>die</strong>ser unterstützt.<br />
Ein großer Teil der zu Schulzeiten dort Aktiven<br />
tritt während des Studiums in <strong>die</strong> große Gothia ein wie<br />
z.B. Philipp Runge, der jetzt eine „Agentur für touristische<br />
Dienstleistungen“ betreibt. Die Iuvenis stellt eine<br />
kleinere Ausgabe einer studentischen Korporation dar<br />
- inklusive Fechten und S<strong>auf</strong>regeln.<br />
Am 15. Dezember 2008 führte <strong>die</strong> Gothia einen„Burschenschaftlichen<br />
Abend“ mit Falko Gramse, Amtsrichter a.D., zum Thema „Deutsche<br />
Identität und Leitkultur“ durch. Gramse wurde im Juli 2007 als Dozent<br />
bei der Berliner Landespolizeischule gefeuert, weil er seit Jahren Artikel<br />
und Leserbriefe in extrem rechten Zeitschriften, darunter Nation&Europa,<br />
Deutschland in Geschichte und Gegenwart (Grabert-Verlag) und Mensch<br />
und Maß, dem Organ des völkischen und antisemitischen Bundes für<br />
Gotterkenntnis Ludendorffer, veröffentlichte.<br />
Am 19. Juni <strong>2009</strong> referierte Junge Freiheit-Redakteur Felix Krautkrämer<br />
zu „Der Antifaschismus und <strong>die</strong> Erosion der Abgrenzung zum Linksextremismus“.<br />
Nur bei den wenigsten der vermutlich mehr als 100 „Gothianern“ wird <strong>die</strong><br />
Mitgliedschaft je bekannt. Einige, <strong>die</strong> sich in den letzten Jahren ver<strong>die</strong>nt<br />
gemacht haben, sollen hier dennoch <strong>auf</strong>gezählt werden.<br />
Tobias Walkowiak ist der Domaininhaber der Webseite www.gothia.de.<br />
Walkowiak findet sich auch in der Adressenkartei der 1992 verbotenen<br />
Neonazi-Truppe Nationalistische Front.<br />
Die Rechtsanwälte Michael Rau und Harald Bensen traten bei der Veranstaltung<br />
mit Horst Mahler 1999 in Erscheinung. Bensens Vater war Staatsanwalt<br />
und auch schon Mitglied der Gothia (siehe Artikel „Prozesse“).<br />
Die beiden „Gothianer“ Eckhart Johlige (FDP) und Markus Roscher<br />
betreiben eine gemeinsame Anwaltskanzlei. Nach Roschers Stationen<br />
beim Nationalliberalen Flügel um Alexander von Stahl und dem kurzen<br />
Gastspiel beim Bund Freier Bürger (hier hatte er es bis zum stellvertretenden<br />
Bundesvorsitzenden gebracht) bereicherte er <strong>die</strong> Berliner CDU und<br />
nun <strong>die</strong> FDP. Im Jahr 20<strong>04</strong> begann seine Karriere im Musikbusiness. Er<br />
vertrat mehrere Neonazis vor Gericht und <strong>die</strong> Neonazi-<br />
Mode-Marke Thor Steinar.<br />
René Nehring startete sehr vielversprechend für <strong>die</strong><br />
Gothia ins neurechte Karriererennen. Er erhielt 1996<br />
als erster ein Stipendium der DB um an der staatlichen<br />
Universität in Kaliningrad zwei Semester lang zu<br />
stu<strong>die</strong>ren. Bereits ein Jahr später wird Nehring zum<br />
Vorsitzenden der neonazistischen Jungen Landsmann-<br />
Herbert Weber<br />
René Nehring<br />
Phillip Runge