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Fight Back 04 (Mai 2009) - Nazis auf die Pelle rücken

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fight.back Nr.4 - <strong>2009</strong><br />

Zwischen Kontinuität und Stagnation<br />

Neonazis und ihre<br />

Strukturen in Neukölln<br />

Seit dem Erscheinen der fight.back Nr. 3 im Februar 2006 gab es einige Veränderungen in der Neuköllner<br />

Neonazi-Szene. Antifaschistische Aktionen konnten den Druck <strong>auf</strong> <strong>die</strong> AktivistInnen erhöhen und im Zusammenspiel<br />

mit zivilgesellschaftlichen Aktivitäten eine stärkere Sensibilität für <strong>die</strong> Thematik in Me<strong>die</strong>n und<br />

Öffentlichkeit herstellen. Mittlerweile stellt selbst der Verfassungsschutz in seinen Publikationen fest, dass<br />

Süd-Neukölln ein Schwerpunkt gewaltbereiter, teilweise konspirativ agierender und mit der NPD vernetzter<br />

Neonazis ist. Die Polizei zeigt immer öfter Präsenz an bekannten Neonazi-Treffpunkten, und auch <strong>die</strong> lokalen<br />

politischen Verantwortlichen können das Problem nicht länger ignorieren.<br />

Dieser Artikel wird als Themenkomplexe zum einen <strong>die</strong> jungen, aktionistischen<br />

und am Konzept der „Autonomen Nationalisten“ orientierten Neonazis<br />

im Neuköllner Süden, zum anderen <strong>die</strong> Neuköllner NPD behandeln.<br />

Des Weiteren wird es eine Einschätzung zur Situation in Nord-Neukölln<br />

geben. Im Fazit werden resümierend Entwicklungen der letzten Jahre und<br />

aktuelle Tendenzen herausgearbeitet. Der Dimension der Tat angemessen<br />

gehen wir jedoch zunächst ausführlicher <strong>auf</strong> zwei neonazistische<br />

Mordversuche im Jahr 2008 ein.<br />

Mörderischer Rassismus in Rudow<br />

Im Jahr 2008 waren zwei rassistisch motivierte Brandanschläge <strong>auf</strong><br />

Wohnhäuser in Rudow zu verzeichnen. Als Täter wurden am 29. Januar<br />

<strong>2009</strong> <strong>die</strong> beiden Neonazis Robert Hardege und Markus Pohle von einer<br />

Jugendkammer des Berliner Landgerichts zu Haftstrafen von drei Jahren<br />

und zehn Monaten bzw. vier Jahren und acht Monaten wegen versuchten<br />

Mordes und versuchter schwerer Brandstiftung verurteilt. Pohle ist zudem<br />

wegen des Besitzes kinderpornographischer Schriften verurteilt worden<br />

– entsprechende Video- und Bilddateien waren <strong>auf</strong> seinem PC sichergestellt<br />

worden. Verdächtigt an der Vorbereitung der Tat, nicht jedoch an<br />

ihrer Ausführung beteiligt gewesen zu sein, ist außerdem der 18jährige<br />

Julian Beyer. Anklage wurde gegen ihn nicht erhoben. Beide Angeklagten<br />

hatten <strong>die</strong> Tat gestanden, eine Tötungsabsicht jedoch bestritten. Sie<br />

hätten nur Rußflecken an der Hauswand verursachen wollen und seien<br />

davon ausgegangen, dass <strong>die</strong> Gebäude zum Tatzeitpunkt unbewohnt<br />

gewesen seien. Diese Behauptungen beurteilte das Gericht als Lügen.<br />

Der erste Anschlag hatte sich am 22. März 2008 ereignet, als zwei Molotow-Cocktails<br />

gegen <strong>die</strong> Fenster des Hauses einer Familie mit bosnischem<br />

Migrationshintergrund geworfen worden waren. In den frühen Morgenstunden<br />

des 20. April 2008, dem von Neonazis traditionell gefeierten<br />

„Führer-Geburtstag“, warfen <strong>die</strong> Täter dann zwei Molotow-Cocktails <strong>auf</strong><br />

das Haus einer Familie mit türkischem Migrationshintergrund. Die Tat<br />

war bereits am Nachmittag besprochen worden, d.h. sie wurde nicht<br />

spontan begangen. Die geworfenen Brandflaschen setzten ein im Garten<br />

befindliches Zelt sowie <strong>die</strong> Jalousien des Hauses in Brand, ein Taxifahrer<br />

bemerkte jedoch <strong>die</strong> Flammen und weckte <strong>die</strong> Familie, so dass das Feuer<br />

gelöscht werden konnte. Wenige Stunden später wurde dann ein Döner-<br />

Imbiss im nahegelegenen Blankenfelde in Brandenburg angezündet. Die<br />

Polizei will einen politischen Hintergrund nicht ausschließen, Verbindungen<br />

zwischen Neonazis aus Teltow-Fläming und Neukölln sind lokalen<br />

Antifas seit längerem bekannt (siehe Artikel „Teltow-Fläming“).<br />

Nach dem ersten Anschlag ging <strong>die</strong> Berliner Polizei, ohne Sinn und<br />

Verstand von einer unpolitischen Tat aus, und <strong>die</strong> Ermittlungen wurden<br />

von einem Brandkomissariat und nicht dem Staatsschutz geführt.<br />

Zudem unterließ es <strong>die</strong> Polizei, <strong>die</strong> Öffentlichkeit von dem Anschlag zu<br />

unterrichten. Es sei intern versäumt worden, hieß es im Nachhinein, <strong>die</strong><br />

Polizeipressestelle zu informieren, was ein Fehler gewesen sei. Nach dem<br />

zweiten Brandanschlag wurden <strong>die</strong> Me<strong>die</strong>n jedoch von den Betroffenen<br />

informiert und <strong>auf</strong> das Datum der Tat („Führer-Geburtstag“) sowie den<br />

offensichtlich neonazistischen Hintergrund hingewiesen. Schon in der<br />

Vergangenheit war es zu rassistisch motivierten Angriffen <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Familie<br />

gekommen: Ihr Briefkasten war mit NPD-Propaganda beklebt und ihr<br />

Auto gezielt beschädigt worden. Durch <strong>die</strong> Presse informiert, stellten<br />

<strong>die</strong> Betroffenen des ersten Anschlags einen Zusammenhang zwischen<br />

den Taten her. Sie meldeten sich bei den Opfern des zweiten Anschlags,<br />

welche ihrerseits der Polizei Bescheid gaben und dabei bereits <strong>die</strong> später<br />

verurteilten und in der Nachbarschaft wohnenden Täter benannten. Auch<br />

<strong>die</strong> Neuköllner Antifa wies im Internet umgehend dar<strong>auf</strong> hin, dass das<br />

Blumenviertel Wohnort von Neonazis ist, <strong>die</strong> für <strong>die</strong> Tat in Frage kommen.<br />

Die politische Abteilung des Landeskriminalamtes ermittelte in beiden<br />

Fällen trotzdem noch über einen Monat lang „intensiv“, wie sie nach den<br />

Festnahmen stolz verkündete. Motivierend dürfte dabei auch gewesen<br />

sein, dass neben verschiedenen Berliner Zeitungen auch <strong>die</strong> türkische<br />

Presse berichtete und sich der türkische Generalkonsul einschaltete.<br />

Die verurteilten Täter sowie Julian Beyer sind seit einigen Jahren als<br />

Neonazi-Aktivisten bekannt und können der Divison Rudow zugeordnet<br />

werden, <strong>auf</strong> deren Internetseite sie <strong>die</strong> Mordversuche indirekt ankündigten:<br />

„Da gerade der Bezirk Neukölln eine hohe Migranten Rate hat sollten<br />

wir zeigen das wir uns das nicht gefallen lassen sonder kämpfen für unsere<br />

Stadt, unser Land und für das Deutsche Volk.“ (Rechtschreibung wie<br />

im Original). Julian Beyer war schon im Juni 2006 an einem rassistischen<br />

Angriff aktiv beteiligt, bei welchem eines der Opfer eine schwere Kopfverletzung<br />

erlitt. Im September 2006 versuchte er außerdem, bewaffnet mit<br />

Ältere Neuköllner Neonazis René Bethage Jill Glaser Florian Schumann Sascha Kari links Jill Glaser, rechts Florian Schumann<br />

N e u k ö l l n 33

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