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RNAi-Screens in der funktionellen ... - Beckman Coulter

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Wissenschaft Pathogenomik<br />

<strong>RNAi</strong>-<strong>Screens</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>funktionellen</strong><br />

Pathogenomforschung<br />

Peter R. Braun, Alexan<strong>der</strong> Karlas, André P. Mäurer, Thomas F. Meyer, Nikolaus Machuy,<br />

Abteilung Molekulare Biologie, Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie, Berl<strong>in</strong><br />

Infektionen stellen e<strong>in</strong> permanentes Wechselspiel zwischen Pathogen und Wirt dar. Dabei hängt<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die Vermehrung von Viren, aber auch vieler Bakterien und Parasiten von den Wirtszellen<br />

ab. Das durch <strong>RNAi</strong>-<strong>Screens</strong> gewonnene Wissen um die Wirtszellfaktoren, von denen die<br />

Pathogenreplikation abhängt, wird zu e<strong>in</strong>em verbesserten Verständnis <strong>der</strong> Infektionsprozesse<br />

beitragen. Der hier vorgestellte Screen nach für die Influenza-Virusreplikation relevanten Wirtszellfaktoren<br />

belegt, wie auch entsprechende Arbeiten an<strong>der</strong>er 1-3 , dass es mit Hilfe von <strong>RNAi</strong>-<strong>Screens</strong><br />

möglich ist, die an parasitären, bakteriellen und viralen Infektionsprozessen beteiligten Wirtszellfaktoren<br />

zu identifizieren und damit zur Entwicklung <strong>in</strong>novativer Medikamente beizutragen.<br />

Die RNA-Interferenz (<strong>RNAi</strong>) hat sich <strong>in</strong> den vergangenen<br />

Jahren als sehr hilfreiches Werkzeug<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>funktionellen</strong> Genomanalyse durchgesetzt<br />

4 . Bei <strong>der</strong> <strong>RNAi</strong> handelt es sich um e<strong>in</strong>en<br />

natürlich auftretenden Mechanismus <strong>der</strong><br />

Genregulation und <strong>der</strong> Infektionsabwehr. Durch<br />

das E<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen o<strong>der</strong> die <strong>in</strong>trazelluläre Expression<br />

von 21 bis 23 Basenpaaren langen, doppelsträngigen<br />

RNAs (small <strong>in</strong>terfer<strong>in</strong>g RNAs, siRNAs)<br />

führt <strong>RNAi</strong> zum sequenzspezifischen Abbau<br />

Reverse Transfektion <strong>der</strong> A549 Zellen mit siRNAs<br />

Knockdown<br />

48h<br />

Infektion mit Influenza A Viren<br />

Messung <strong>der</strong> Infektionsrate<br />

mittels Immunfluoreszenz<br />

von mRNA, <strong>der</strong> – mit e<strong>in</strong>er gewissen Verzögerung<br />

– <strong>der</strong> Verlust des entsprechenden Prote<strong>in</strong>s<br />

folgt. Somit erhält man e<strong>in</strong>e Zelle, <strong>der</strong> genau e<strong>in</strong><br />

Prote<strong>in</strong> fehlt. Im Anschluss kann <strong>der</strong> E<strong>in</strong>fluss<br />

dieses Prote<strong>in</strong>s bei e<strong>in</strong>em bestimmten Vorgang,<br />

zum Beispiel <strong>der</strong> Zellteilung, untersucht werden.<br />

Mehrere Eigenschaften <strong>der</strong> <strong>RNAi</strong>-Technologie<br />

haben dazu beigetragen, das diese <strong>in</strong> so kurzer<br />

Zeit e<strong>in</strong>e breite Anwendung <strong>in</strong> loss-of-function-<br />

<strong>Screens</strong> fand: E<strong>in</strong> hoher Anteil <strong>der</strong> siRNAs ist<br />

Virusreplikation<br />

24h<br />

Messung <strong>der</strong> freigesetzten Viren<br />

mittels e<strong>in</strong>es Luziferase Reporterkonstruktes<br />

Abb 1: Der Ablauf des genomweiten Influenza-<strong>RNAi</strong>-<strong>Screens</strong>: Rund 60.000 siRNAs wurden<br />

e<strong>in</strong>zeln <strong>in</strong> A549-Zellen transfiziert und diese Zellen zwei Tage später – nach E<strong>in</strong>setzen<br />

des „Gene knockdowns“ – mit H1N1-Influenza A-Viren <strong>in</strong>fiziert. Die anschließende<br />

Virusreplikation wurde 24 h später mit Hilfe zweier unterschiedlicher Methoden analysiert:<br />

<strong>der</strong> prozentuale Anteil <strong>der</strong> <strong>in</strong>fizierten A549-Zellen (Infektionsrate) wurde mittels<br />

Immunfluoreszenz quantifiziert. Die Menge an <strong>in</strong>fektiösen Influenzaviren konnte<br />

mittels e<strong>in</strong>es virusspezifischen Luziferasekonstuktes bestimmt werden.<br />

funktionell, das heißt, diese siRNAs können die<br />

Degradierung <strong>der</strong> mRNA auslösen. Zudem s<strong>in</strong>d<br />

viele siRNAs hocheffizient. Dadurch gel<strong>in</strong>gt es <strong>in</strong><br />

vielen Fällen, Genfunktionen nicht nur partiell,<br />

son<strong>der</strong>n nahezu vollständig zu blockieren. Die<br />

Verfügbarkeit von siRNA-Bibliotheken erlaubt<br />

es, genomweite <strong>RNAi</strong>-<strong>Screens</strong> durchzuführen,<br />

was e<strong>in</strong>e umfassende Katalogisierung von<br />

Genfunktionen ermöglicht. Voraussetzung für<br />

umfangreiche <strong>Screens</strong> ist allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong> hoher<br />

Grad an Automation. Hierbei s<strong>in</strong>d vor allen<br />

D<strong>in</strong>gen zwei Aspekte von Bedeutung. Zum<br />

e<strong>in</strong>en die Durchführbarkeit an sich: Während<br />

e<strong>in</strong>fache <strong>Screens</strong> mit Dispensiergeräten zu bewerkstelligen<br />

s<strong>in</strong>d, werden aufwändige <strong>Screens</strong><br />

– bei denen zum Beispiel Überstände zwischen<br />

Mikrotiterplatten transferiert werden müssen<br />

– erst durch komplexere Automationssysteme<br />

möglich. Zudem steigern die Pipettier roboter<br />

die Reproduzierbarkeit <strong>der</strong> Pipettierungen signifikant<br />

– experimentelle Schwankungen <strong>der</strong><br />

Ergebnisse werden deutlich reduziert und auch<br />

mo<strong>der</strong>ate Phänotypen verlässlich nachgewiesen.<br />

Schließlich erlauben erst automatisierte<br />

Detektions- und Analysesysteme das Erfassen<br />

und Auswerten großer Datensätze.<br />

Automatisierte<br />

Hochdurchsatzmikroskopie<br />

Am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie<br />

(MPI-IB) wurde das Potential <strong>der</strong> RNA-Interferenz<br />

für funktionelle Genomanalysen sehr<br />

früh erkannt und bereits Ende 2001 mit dem<br />

Aufbau e<strong>in</strong>er automatisierten <strong>RNAi</strong>-Screen<strong>in</strong>gplattform<br />

begonnen. Inzwischen stehen für<br />

Hochdurchsatz-<strong>Screens</strong> verschiedene Read out-<br />

Systeme zur Verfügung. So werden zur molekularen<br />

Untersuchung von Infektionsprozessen<br />

vor allem die Durchflusszytometrie, hochauflösende<br />

laserbasierte Multitierplatten-Scanner<br />

und die Fluoreszenzmikroskopie e<strong>in</strong>gesetzt.<br />

Letztere spielt als automatisierte quantitative<br />

Hochdurchsatzmikroskopie <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit<br />

e<strong>in</strong>er leistungsfähigen Bildanalyse-Software<br />

(Olympus Scan 1R ) e<strong>in</strong>e herausragende Rolle.<br />

Durch spezifische Bildanalyse-Assays können<br />

viele Parameter getrennt o<strong>der</strong> mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

komb<strong>in</strong>iert analysiert werden, was e<strong>in</strong>e präzise<br />

Erfassung <strong>der</strong> biologischen Situation ermöglicht.<br />

E<strong>in</strong> e<strong>in</strong>faches Beispiel ist die Analyse<br />

<strong>in</strong>trazellulärer Chlamydien. Hier wird nicht nur<br />

e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>faches Fluoreszenzsignal gemessen,<br />

son<strong>der</strong>n die Anzahl und <strong>der</strong> jeweilige Durchmesser<br />

jedes e<strong>in</strong>zelnen bakteriellen E<strong>in</strong>schlusses<br />

(Inklusion) bestimmt. Aus <strong>der</strong> Komb<strong>in</strong>ation<br />

<strong>der</strong> verschiedenen Parameter lassen sich neue<br />

wissenschaftliche Schlussfolgerungen ziehen.<br />

Die Entwicklung o<strong>der</strong> Anpassung mikroskopischer<br />

Assays geht dabei Hand <strong>in</strong> Hand mit <strong>der</strong><br />

Assayentwicklung im Labor, und wie die Assayentwicklung<br />

im Labor stellt die automatische<br />

Bildanalyse e<strong>in</strong>e Herausfor<strong>der</strong>ung dar. Mo<strong>der</strong>ne<br />

Analyseprogramme bieten beispielsweise<br />

vielfältige Möglichkeiten zur Substraktion<br />

26 | 11. Jahrgang | Nr. 1/2010 LABORWELT


des Bildh<strong>in</strong>tergrundes und zur Verrechnung<br />

von verschiedenen Fluoreszenzkanälen. E<strong>in</strong>e<br />

<strong>in</strong>telligente E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> mikroskopischen<br />

Auswertung <strong>in</strong> die Assayentwicklung lieferte<br />

für die von uns durchgeführten <strong>Screens</strong> stabile<br />

und signifikante Datensätze.<br />

Die im Rahmen von genomweiten <strong>RNAi</strong>-<br />

<strong>Screens</strong> anfallenden Rohbil<strong>der</strong> und analysierten<br />

Datensätze können sich schnell zu mehreren<br />

Terabyte aufsummieren. Deshalb wurden am<br />

MPI-IB effiziente Datenspeicherungs- und<br />

Backupsysteme e<strong>in</strong>gerichtet. Zudem wurde<br />

parallel zum laufenden Screen<strong>in</strong>gprozess e<strong>in</strong>e<br />

Qualitätsüberwachung <strong>der</strong> experimentellen<br />

Kontrollen sowie <strong>der</strong> Färbungen etabliert, um<br />

Fehler schon während des laufenden Experiments<br />

zu f<strong>in</strong>den und zu elim<strong>in</strong>ieren. Insgesamt<br />

kommt damit <strong>der</strong> mikroskopischen Bildanalyse<br />

e<strong>in</strong>e ähnlich wichtige Rolle zu wie dem biologischen<br />

Experiment selbst.<br />

In Zukunft soll am MPI-IB auch e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e<br />

technische Herausfor<strong>der</strong>ung angegangen<br />

werden: <strong>RNAi</strong>-<strong>Screens</strong>, bei denen<br />

die mikroskopische Analyse fixierter Zellen<br />

durch Live cell microscopy – also die Aufnahme<br />

von lebenden Zellen über e<strong>in</strong>en längeren<br />

Zeitraum – ersetzt wird. Vorteil dieses Verfahrens:<br />

Verän<strong>der</strong>ungen, die ausschließlich<br />

im zeitlichen Ablauf deutlich werden, aber am<br />

Ende des biologischen Prozesses nicht mehr<br />

detektierbar s<strong>in</strong>d, können erfasst werden. So<br />

kann etwa das Ausschalten e<strong>in</strong>es bestimmten<br />

Gens zu e<strong>in</strong>em schnelleren Wachstum e<strong>in</strong>es<br />

Pathogens führen, ohne dass am Ende des<br />

Infektionsprozesses noch e<strong>in</strong> Unterschied<br />

zur unbehandelten Kontrolle feststellbar ist.<br />

Auch Signaltransduktionsprozesse lassen sich<br />

so besser analysieren.<br />

<strong>RNAi</strong>-<strong>Screens</strong><br />

<strong>RNAi</strong>-<strong>Screens</strong> dienen verschiedenen Zwecken.<br />

In <strong>der</strong> <strong>in</strong>dustriellen Forschung steht meist die<br />

direkte Identifizierung potentieller Medikamententargets<br />

im Vor<strong>der</strong>grund. Im akademischen<br />

Bereich dom<strong>in</strong>iert oft das Interesse,<br />

e<strong>in</strong>en bestimmten biologischen Prozess besser<br />

zu verstehen, zum Beispiel die Zellteilung. Dieses<br />

bessere Verständnis des Zusammenspiels<br />

mehrerer Faktoren kann ebenfalls dazu dienen,<br />

potentielle neue Targets abzuleiten. Die am<br />

MPI-IB durchgeführten <strong>Screens</strong> dienen <strong>in</strong> erster<br />

L<strong>in</strong>ie dazu, das Zusammenspiel von Wirt und<br />

Pathogen besser zu verstehen. Hierbei fokussie-<br />

Wissenschaft Pathogenomik<br />

Abb. 2: A. Beispielbil<strong>der</strong> für Zellpopulationen mit Kontroll- und antiviraler siRNA. A549-Zellen<br />

wurden 48 h vor <strong>der</strong> Infektion mit siRNAs transfiziert. 5 h nach Infektion wurden die<br />

Zellen fixiert und mit e<strong>in</strong>em Antikörper gegen das virale Nucleoprote<strong>in</strong>, gefolgt von<br />

e<strong>in</strong>em fluoreszenzmarkierten sekundären Antikörper gefärbt. (B) Z-scores des <strong>RNAi</strong>-<br />

<strong>Screens</strong> Gezeigt s<strong>in</strong>d sowohl die Z-Scores <strong>der</strong> siRNA-Bibliothek als auch <strong>der</strong> im Screen<br />

e<strong>in</strong>gesetzten Kontrollen. Die gestrichelten L<strong>in</strong>ien rahmen siRNAs e<strong>in</strong>, die zu e<strong>in</strong>er<br />

ger<strong>in</strong>geren (hemmende siRNAs) bzw. zu e<strong>in</strong>er gesteigerten Virenreplikation (aktivierende<br />

siRNAs) führten. Allstars und siLuci: Neutralkontrollen ohne zelluläres Zielgen,<br />

siPLK1: toxische siRNA, siNP: antivirale siRNA (Zielgen: virales Nucleoprote<strong>in</strong>).<br />

ren wir uns überwiegend auf die Identifizierung<br />

von Wirtszellfaktoren, die e<strong>in</strong>erseits für die Vermehrung<br />

<strong>in</strong>trazellulärer Pathogene notwendig<br />

s<strong>in</strong>d, wie etwa von Influenzaviren. An<strong>der</strong>erseits<br />

<strong>in</strong>teressieren wir uns für die von Pathogenen<br />

<strong>in</strong>duzierten Signalwege, wie von Helicobacter<br />

pylori <strong>in</strong>duzierte Prozesse des angeborenen<br />

Immunsystems. Schließlich analysieren wir<br />

physiologische Verän<strong>der</strong>ungen, die im Zuge<br />

e<strong>in</strong>er Infektion auftreten. Hier ist zum Beispiel<br />

die Hemmung <strong>der</strong> Apoptose durch Chlamydia<br />

trachomatis zu nennen.<br />

Die Suche nach virusrelevanten<br />

Wirtszellfaktoren<br />

Erst kürzlich haben wir am MPI-IB e<strong>in</strong>en genomweiten<br />

siRNA-Screen durchgeführt, <strong>der</strong> bei <strong>der</strong><br />

Suche nach neuen Influenzamedikamenten<br />

helfen wird 2 . Die Wirkstoffe, die bisher gegen<br />

Influenza e<strong>in</strong>gesetzt werden, haben nämlich<br />

e<strong>in</strong>e entscheidende Schwachstelle: Sie s<strong>in</strong>d alle<br />

gegen virale Prote<strong>in</strong>e gerichtet. Derzeit unterscheidet<br />

man hier zwischen zwei Wirkstoffklassen,<br />

den Neuram<strong>in</strong>idase-Inhibitoren wie<br />

Oseltamivir (Tamiflu) und Zanamivir (Relenza)<br />

und den Amantad<strong>in</strong>en, die das virale M2-Prote<strong>in</strong><br />

für schnelles und e<strong>in</strong>faches Bearbeiten von 96er und 384er Platten<br />

Ste<strong>in</strong>brenner Laborsysteme GmbH • In <strong>der</strong> Au 17 • 69257 Wiesenbach • Tel. 06223 861247<br />

hemmen. Immer häufiger wird beobachtet,<br />

dass diese Medikamente wirkungslos bleiben,<br />

weil sich das Influenzavirus ständig verän<strong>der</strong>t<br />

und schließlich die Virostatika nicht mehr an<br />

den viralen Prote<strong>in</strong>en b<strong>in</strong>den o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en Funktion<br />

nicht mehr vollständig blockieren können.<br />

Um diese Gefahr <strong>der</strong> Resistenzbildung bei <strong>der</strong><br />

Entwicklung neuer Medikamente zu reduzieren,<br />

wurde <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em genomweiten <strong>RNAi</strong>-Screen<br />

nach Wirtsszellfaktoren gesucht, ohne die sich<br />

Influenzaviren nicht mehr vermehren können<br />

(Abb. 1). Um realitätsnahe Versuchsbed<strong>in</strong>gungen<br />

für diese sich überwiegend im respiratorischen<br />

Trakt ausbreitenden Viren zu schaffen,<br />

wurde bei diesen Arbeiten e<strong>in</strong>e immortalisierte<br />

humane Lungenepithelzelll<strong>in</strong>ie (A549) e<strong>in</strong>gesetzt.<br />

Diese A549-Zellen wurden zunächst mit<br />

siRNAs transfiziert, so dass das entsprechende<br />

Prote<strong>in</strong> nicht mehr <strong>in</strong> ausreichen<strong>der</strong> Menge<br />

hergestellt werden konnte. Anschließend wurden<br />

die Zellen mit e<strong>in</strong>em H1N1-Influenzavirus<br />

(A/WSN/33) <strong>in</strong>fiziert und e<strong>in</strong>en Tag später bestimmt,<br />

ob die Hemmung des jeweiligen Gens<br />

zu e<strong>in</strong>er Reduktion <strong>der</strong> Virusvermehrung (Abb.<br />

2) geführt hatte. Insgesamt wurden aus 24.000<br />

Genen 287 identifiziert, die an <strong>der</strong> Virusreplikation<br />

beteiligt s<strong>in</strong>d (Abb. 3). Interessanterweise<br />

haben erste Tests mit ausgewählten Targets<br />

LABORWELT 11. Jahrgang | Nr. 1/2010 | 27


Wissenschaft Pathogenomik<br />

Screen Bildaufnahme Datenspeicherung Bildanalyse Datenauswertung<br />

Abb. 3: A. Die Hochdurchsatz-Fluoreszenz (HDF)-Mikroskopie besteht aus m<strong>in</strong>destens fünf<br />

Schritten: Probenvorbereitung, Bildaufnahme, Datenspeicherung, Bildanalyse und Datenauswertung.<br />

Um e<strong>in</strong>en reibungslosen Versuchsablauf zu ermöglichen, müssen alle<br />

HDF-Mikroskopie-Schritte aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> abgestimmt und automatisiert werden.<br />

gezeigt, dass <strong>der</strong>en Funktion nicht nur für saisonale<br />

A(H1N1) Influenza-Stämme, son<strong>der</strong>n auch<br />

für die pandemieassoziierten A(H5N1) und die<br />

neuen pandemischen A(H1N1)-Influenzaviren<br />

unabd<strong>in</strong>gbar ist – also für Viren, die erst vor<br />

kurzem durch Neuanordnung <strong>der</strong> Influenza-<br />

Gensegmente entstanden s<strong>in</strong>d.<br />

Die gewonnenen Erkenntnisse aus diesem<br />

genomweiten <strong>RNAi</strong>-Screen können nun genutzt<br />

werden, um gezielt chemische Wirkstoffe zu<br />

suchen, die diese Wirtszellprote<strong>in</strong>e <strong>in</strong>hibieren.<br />

Bisherige Untersuchungen legen nahe, das solche<br />

Medikamente gegenüber herkömmlichen<br />

Wirkstoffen zwei Vorteile hätten: Während<br />

Viren durch die Mutation e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zelnen Base<br />

gegen Virostatika, die gegen virale Prote<strong>in</strong>e gerichtetet<br />

s<strong>in</strong>d, resistent werden können, würde<br />

die Unterdrückung e<strong>in</strong>es für die Virenreplikation<br />

notwendigen zellulären Prozesses e<strong>in</strong>e<br />

deutlich höhere Hürde für die Virusreplikation<br />

darstellen. E<strong>in</strong> antimikrobielles Medikament,<br />

das gegen e<strong>in</strong> zelluläres Prote<strong>in</strong> gerichtet ist,<br />

könnte also die Entstehung resistenter Stämme<br />

e<strong>in</strong>dämmen. Zudem ist es sehr wahrsche<strong>in</strong>lich,<br />

dass verschiedene Stämme e<strong>in</strong>es Virus o<strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>es an<strong>der</strong>en Pathogens von ähnlichen zellulären<br />

Prozessen abhängen. Daher sollten diese<br />

Wirkstoffe <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage se<strong>in</strong>, auch die Replikation<br />

neuer Influenzaviren zuverlässig zu hemmen.<br />

Ebenfalls denkbar ersche<strong>in</strong>t, neben den chemischen<br />

Inhibitoren auch die RNA-Interferenz<br />

direkt für die antivirale Therapie e<strong>in</strong>zusetzen.<br />

Am MPI-IB konnte gezeigt werden, dass die Replikation<br />

von Influenzaviren <strong>in</strong> <strong>der</strong> Maus durch<br />

gegen virale RNA gerichtete siRNAs gehemmt<br />

werden kann. Um ihre <strong>in</strong>trazelluläre Stabilität<br />

zu verbessern, wurden diese siRNAs chemisch<br />

modifiziert und zusätzlich mit verschiedenen<br />

Polymeren konjugiert, damit sie besser <strong>in</strong> die<br />

Zielzellen gelangen. Um zu vermeiden, dass<br />

aufgrund <strong>der</strong> hohen Mutationsrate <strong>der</strong> Influenzaviren<br />

diese Medikamente ihre Wirksamkeit<br />

verlieren, könnte man auch hier mittels<br />

<strong>RNAi</strong> die Expression <strong>der</strong> neu identifizierten<br />

Wirtszellfaktoren <strong>in</strong>hibieren, anstatt das Virus<br />

selbst anzugreifen.<br />

Hochsicherheitslabor für S3-<strong>Screens</strong><br />

Bisher konnten <strong>RNAi</strong>-<strong>Screens</strong> wie <strong>der</strong> oben<br />

erläuterte Influenza-Screen <strong>in</strong> Europa nur<br />

mit Erregern <strong>der</strong> Risikogruppe 2 durchgeführt<br />

werden. Um auch die gefährlicheren Erreger<br />

<strong>der</strong> Risikogruppe 3 bearbeiten zu können,<br />

wurde am MPI-IB – geför<strong>der</strong>t durch das<br />

Bundesforschungsm<strong>in</strong>isterium im Rahmen<br />

des ERA-Nets PathoGenoMics– e<strong>in</strong>e weitere<br />

Abb. 4: Die neue Hochsicherheits-Screen<strong>in</strong>ge<strong>in</strong>heit am MPI für Infektionsbiologie Berl<strong>in</strong>. In <strong>der</strong><br />

Klasse II-E<strong>in</strong>hausung s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> Plattenhotel und <strong>der</strong> Pipettierroboter zu erkennen.<br />

Screen<strong>in</strong>g-E<strong>in</strong>heit aufgebaut. Dieses Hochdurchsatzlabor<br />

<strong>der</strong> Sicherheitsstufe 3 (S3) ist <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> akademischen Forschung <strong>in</strong> Europa bisher<br />

e<strong>in</strong>zigartig und ermöglicht beispielsweise Arbeiten<br />

mit den Erregern von AIDS, Gelbfieber,<br />

Typhus, Pest o<strong>der</strong> Tuberkulose. Die Sicherheitsbestimmungen,<br />

die bei <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung<br />

befolgt werden mussten, s<strong>in</strong>d dabei speziell<br />

auf gefährliche Erreger zugeschnitten. So f<strong>in</strong>den<br />

alle Arbeiten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er maßgeschnei<strong>der</strong>ten<br />

Klasse II-E<strong>in</strong>hausung statt, die im Falle e<strong>in</strong>er<br />

Kontam<strong>in</strong>ation samt Pipettierroboter und<br />

Peripheriegeräten mit Wasserstoffperoxid<br />

(VHP-Verfahren) begast werden kann. Diese<br />

Sterilisationsmethode hat den Vorteil, dass<br />

sämtliche Erreger abgetötet werden, ohne<br />

dass den Geräten Schaden zugefügt wird.<br />

Die Screen<strong>in</strong>g-Anlage selbst wurde vor allem<br />

<strong>in</strong> H<strong>in</strong>blick auf hohen Durchsatz und hohe<br />

Geschw<strong>in</strong>digkeit konzipiert. Das Kernstück<br />

ist e<strong>in</strong> Pipettierroboter (Biomek FX P , <strong>Beckman</strong><br />

<strong>Coulter</strong>) mit zwei 384-Kanal-Pipettierköpfen,<br />

<strong>der</strong> mit verschiedenen Peripheriegeräten wie<br />

automatischen Dispensern und e<strong>in</strong>em Zellkultur-Inkubator<br />

verbunden ist. Die Kapazität<br />

gestattet die gleichzeitige Bearbeitung von<br />

knapp 200 Mikrotiterplatten, und damit zum<br />

Beispiel genomweite <strong>RNAi</strong>-<strong>Screens</strong>. Bei <strong>der</strong> Planung<br />

<strong>der</strong> Anlage wurde außerdem auf große<br />

Kompatibilität zur am MPI-IB bereits bestehenden<br />

S2-Anlage geachtet. Auf diese Weise ist es<br />

möglich, dass bestimmte Protokolle und Prozesse<br />

unter S2-Bed<strong>in</strong>gungen getestet werden,<br />

und erst, wenn e<strong>in</strong> S3-Erreger <strong>in</strong>s Spiel kommt,<br />

auf <strong>der</strong> S3-Anlage weitergearbeitet wird. So<br />

können beispielsweise Zellkultur-Parameter<br />

o<strong>der</strong> Transfektionsbed<strong>in</strong>gungen im S2-Labor<br />

etabliert werden, während erst die Infektion<br />

mit dem Pathogen unter S3-Bed<strong>in</strong>gungen<br />

stattf<strong>in</strong>det. Als erste Projekte sollen mit Hilfe<br />

<strong>der</strong> neuen Anlage zum Beispiel Wirt-Pathogen-<br />

Interaktionen bei Infektionen mit Salmonella<br />

typhi o<strong>der</strong> A(H5N1) Influenzaviren untersucht<br />

werden. Neben <strong>RNAi</strong>-<strong>Screens</strong> ist auch das<br />

Screen<strong>in</strong>g von Mutanten-Bibliotheken o<strong>der</strong><br />

auch von chemischen Verb<strong>in</strong>dungen als Wirkstoffkandidaten<br />

möglich.<br />

Literatur<br />

[1] A. L. Brass, et al., Cell 139(7), 1243 (2009).<br />

[2] A. Karlas, et al. Nature (2010).<br />

[3] R. Konig, et al., Nature (2009).<br />

[4] J. Moffat and D. M. Sabat<strong>in</strong>i, Nat. Rev. Mol. Cell Biol. 7(3),<br />

177 (2006).<br />

Korrespondenzadresse<br />

Prof. Dr. Thomas Meyer<br />

Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie<br />

Abteilung Molekulare Biologie<br />

Charitéplatz 1<br />

10117 Berl<strong>in</strong><br />

Tel./ Fax: +49-(0)30-28460-400 /-401<br />

meyer@mpiib-berl<strong>in</strong>.mpg.de<br />

28 | 11. Jahrgang | Nr. 1/2010 LABORWELT

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