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Demokratie und Zivilgesellschaft Deutsch-ukrainische Projekte in ...

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<strong>Demokratie</strong> <strong>und</strong> <strong>Zivilgesellschaft</strong><br />

<strong>Deutsch</strong>-<strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong> <strong>Projekte</strong><br />

<strong>in</strong> Hochschule <strong>und</strong> Wirtschaft


Inhalt<br />

Grußwort 4<br />

<strong>Deutsch</strong>land <strong>und</strong> die Ukra<strong>in</strong>e:<br />

Partnerschaft für mehr <strong>Demokratie</strong> 6<br />

Geförderte Kooperationen 2009 8<br />

<strong>Zivilgesellschaft</strong><br />

Die Menschen mitnehmen 10<br />

Auf der Suche nach der <strong>Zivilgesellschaft</strong> 11<br />

Tiefe Spuren 13<br />

Es ist viel <strong>in</strong> Bewegung 15<br />

„Es gibt viele Ukra<strong>in</strong>en“ 17<br />

<strong>Demokratie</strong>verständnis<br />

Den Dialog fördern 18<br />

Gr<strong>und</strong>rechte im Praxistest 19<br />

Den Rechtsstaat hautnah erlebt 21<br />

E<strong>in</strong>e große Menge nützlicher Ideen 23<br />

Symmetrie des Dialogs 24<br />

Fit für Europa 26<br />

Gesetzliche Gr<strong>und</strong>lagen<br />

Den Rechtsstaat ausbauen 28<br />

Neuland betreten 29<br />

Unerwartet großes Interesse 30<br />

Das Recht zu den Bürgern br<strong>in</strong>gen 32<br />

Wirtschaft <strong>und</strong> Verwaltung<br />

Das Wissen verbreiten 34<br />

Sicher <strong>in</strong>vestieren 35<br />

Die Denkweise verändern 37<br />

Vertrauensvolle Beziehungen 38<br />

Von Nachbarn lernen 40<br />

Geförderte Kooperationen 2010 42<br />

3


4<br />

Grußwort<br />

Seit dem Ende des Kalten Krieges hat sich die politische Landschaft<br />

<strong>in</strong> Europa gr<strong>und</strong>legend umgestaltet. Staaten s<strong>in</strong>d verschw<strong>und</strong>en,<br />

andere s<strong>in</strong>d (wieder) erstanden, die politische Landkarte Europas<br />

wurde neu gezeichnet. Gleichzeitig hat sich auch die geistige <strong>und</strong><br />

kulturelle Landschaft <strong>in</strong> Europa neu formiert. Der DAAD ist stolz, mit<br />

se<strong>in</strong>en Austauschprogrammen zu diesem Veränderungsprozess beigetragen<br />

zu haben <strong>und</strong> ihn auch weiterh<strong>in</strong> mit gestalten zu dürfen.<br />

Die Ukra<strong>in</strong>e gehört zu den „neuen“ Staaten <strong>in</strong> Europa. Bereits nach<br />

dem Ersten Weltkrieg hat es für kurze Zeit e<strong>in</strong>en <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong>n Nationalstaat<br />

gegeben, der sich jedoch nicht gegen die aufstrebende Sowjetunion<br />

behaupten konnte. Dauerhaft etablieren <strong>in</strong> der europäischen<br />

Staatengeme<strong>in</strong>schaft konnte sich die Ukra<strong>in</strong>e deshalb erst nach dem<br />

Zerfall der Sowjetunion 1991. Auch wenn der Nationalstaat Ukra<strong>in</strong>e<br />

<strong>in</strong> Kürze se<strong>in</strong> erst zwanzigjähriges Bestehen feiert, ist die Ukra<strong>in</strong>e<br />

jedoch als historische europäische Kulturlandschaft immer Teil des<br />

europäischen Gedächtnisses gewesen.


Der DAAD, der mit der Sowjetunion schon 1974 Austauschbeziehungen<br />

aufgenommen hat, unterstützt die Nachfolgestaaten der UdSSR<br />

<strong>in</strong>tensiv bei ihren Transformationsprozessen. Der Ukra<strong>in</strong>e als größtem<br />

europäischen Territorialstaat mit e<strong>in</strong>er ausgebauten Hochschul- <strong>und</strong><br />

Wissenschaftslandschaft kam dabei schon immer e<strong>in</strong>e besondere<br />

Bedeutung zu. So hat der DAAD nach der so genannten Orangenen<br />

Revolution des Jahres 2004 zusätzliche Austauschmaßnahmen auf<br />

den Weg gebracht, um die Zusammenarbeit besonders im Rechtsbereich<br />

zu verstärken.<br />

Das Programm „Unterstützung der <strong>Demokratie</strong> <strong>in</strong> der Ukra<strong>in</strong>e“, das<br />

der DAAD 2009 mit Mitteln des Auswärtigen Amtes begonnen hat,<br />

zielt <strong>in</strong> dieselbe Richtung. Die Erfahrung zeigt, dass die Kooperation<br />

zwischen Hochschulen <strong>und</strong> der Gedankenaustausch der Studierenden<br />

<strong>und</strong> Lehrenden die beste Basis zur Schaffung demokratischer<br />

Strukturen s<strong>in</strong>d. Geme<strong>in</strong>same Sem<strong>in</strong>are <strong>und</strong> Workshops sollen bei<br />

den deutschen <strong>und</strong> <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong>n Studierenden Offenheit <strong>und</strong> Toleranz<br />

gegenüber kulturellen Unterschieden wie auch die Bereitschaft<br />

zum gesellschaftlichen Engagement fördern.<br />

Die ersten Stipendiaten aus der unabhängigen Ukra<strong>in</strong>e kamen 1992<br />

nach <strong>Deutsch</strong>land. Mittlerweile gehört die Ukra<strong>in</strong>e mit zu den wichtigsten<br />

Partnern des DAAD <strong>in</strong> Europa, <strong>in</strong> der Statistik der vom DAAD<br />

e<strong>in</strong>geladenen Ausländer steht die Ukra<strong>in</strong>e weltweit an fünfter Stelle.<br />

Geme<strong>in</strong>sam s<strong>in</strong>d wir auf e<strong>in</strong>em guten Wege.<br />

Dr. Dorothea Rüland<br />

Generalsekretär<strong>in</strong> des DAAD<br />

5


6<br />

<strong>Deutsch</strong>land <strong>und</strong> die Ukra<strong>in</strong>e:<br />

Partnerschaft für mehr <strong>Demokratie</strong><br />

Über die Ukra<strong>in</strong>e weiß man <strong>in</strong> <strong>Deutsch</strong>land nicht viel. Das Land, das<br />

erst vor 20 Jahren nach dem Zerfall der UdSSR auf der europäischen<br />

Bühne als unabhängiger Staat aufgetaucht ist, ersche<strong>in</strong>t <strong>in</strong> den<br />

deutschen Medien vorwiegend dann, wenn es um die Energiesicherheit<br />

<strong>Deutsch</strong>lands geht <strong>und</strong> die Ukra<strong>in</strong>e als Transferland für russisches<br />

Erdöl <strong>und</strong> Erdgas thematisiert wird. Dabei ist die Ukra<strong>in</strong>e der größte<br />

Flächenstaat <strong>in</strong> Europa; mit 46,7 Millionen E<strong>in</strong>wohnern ist sie nach<br />

Russland der bevölkerungsreichste Staat unter den Ländern der GUS.<br />

Im Zuge der europäischen Nachbarschaftspolitik, die die Beziehungen<br />

zu den unmittelbaren Nachbarn der Europäischen Union (EU) im<br />

Süden <strong>und</strong> Osten stärken soll, ist die Ukra<strong>in</strong>e seit 2003 <strong>in</strong> das Zentrum<br />

der EU-Außenpolitik gerückt. Das 1994 zwischen der Ukra<strong>in</strong>e<br />

<strong>und</strong> der EU abgeschlossene „Abkommen über Partnerschaft <strong>und</strong> Zusammenarbeit“<br />

wurde 2005 durch e<strong>in</strong>en Aktionsplan ergänzt, der die<br />

Ukra<strong>in</strong>e näher an die EU heranrücken soll. Auch die EU-Initiative der<br />

„Östlichen Partnerschaft“ die im Mai 2009 auf dem Gründungsgipfel<br />

<strong>in</strong> Prag beschlossen wurde, bezieht die Ukra<strong>in</strong>e als e<strong>in</strong>es der wichtigsten<br />

Nachbarländer der EU <strong>in</strong> Osteuropa e<strong>in</strong>. Zur Zeit wird zwischen<br />

der EU <strong>und</strong> der Ukra<strong>in</strong>e über e<strong>in</strong> erweitertes Abkommen verhandelt<br />

mit dem Ziel, die Ukra<strong>in</strong>e noch enger an die EU anzub<strong>in</strong>den.<br />

Die wirtschaftlichen <strong>und</strong> kulturellen Verb<strong>in</strong>dungen zwischen<br />

<strong>Deutsch</strong>land <strong>und</strong> der Ukra<strong>in</strong>e haben e<strong>in</strong>e lange Tradition. Schon seit<br />

den Zeiten der Kiewer Rus vor r<strong>und</strong> 1000 Jahren gab es Verb<strong>in</strong>dungen<br />

zwischen den beiden Ländern. In der Ukra<strong>in</strong>e wohnte <strong>in</strong> den<br />

letzten Jahrh<strong>und</strong>erten e<strong>in</strong>e große deutsche Bevölkerungsgruppe,<br />

von der noch immer e<strong>in</strong> Teil <strong>in</strong> der Ukra<strong>in</strong>e lebt. Der Platz des <strong>Deutsch</strong>en<br />

als zweitwichtigste Fremdsprache nach dem Englischen ist <strong>in</strong><br />

der Ukra<strong>in</strong>e unumstritten. Es existiert e<strong>in</strong> dichtes Netz politischer,<br />

wirtschaftlicher, kultureller <strong>und</strong> privater Beziehungen zwischen beiden<br />

Ländern.<br />

Dies gilt auch für die Kooperation im Bereich Hochschulen <strong>und</strong> Wissenschaft.<br />

Es gibt alle<strong>in</strong> r<strong>und</strong> 150 Hochschulkooperationen, die von<br />

der Hochschulrektorenkonferenz statistisch erfasst wurden. Die<br />

deutschen Hochschulen <strong>und</strong> Wissenschaftse<strong>in</strong>richtungen genießen<br />

<strong>in</strong> der Ukra<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>en hervorragenden Ruf, <strong>und</strong> <strong>Deutsch</strong>land ist<br />

das wichtigste westliche Zielland für <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong> Studenten <strong>und</strong><br />

Wissenschaftler, die im Ausland studieren oder forschen wollen. In<br />

der Statistik der an deutschen Hochschulen studierenden Ausländer<br />

nehmen die Ukra<strong>in</strong>er die sechste Stelle e<strong>in</strong>; <strong>in</strong> der DAAD-Statistik der<br />

geförderten Ausländer liegt die Ukra<strong>in</strong>e sogar an fünfter Stelle.


So wurde auf Vorschlag des DAAD mit Mitteln des Auswärtigen<br />

Amtes im Rahmen der Außenwissenschaftspolitik im Jahr 2009<br />

das Programm „Unterstützung der <strong>Demokratie</strong> <strong>in</strong> der Ukra<strong>in</strong>e“ begonnen.<br />

Die Erfahrung zeigt, dass studentische Kooperation <strong>und</strong><br />

wissenschaftlicher Austausch die demokratische Entwicklung<br />

<strong>in</strong> den beteiligten Ländern fördert. Das Programm richtet sich an<br />

deutsche Hochschulen, die partnerschaftliche Beziehungen zu <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong>n<br />

Universitäten haben. Gefördert werden <strong>in</strong>sbesondere die<br />

Geistes- <strong>und</strong> Gesellschaftswissenschaften, wobei e<strong>in</strong> besonderer<br />

Schwerpunkt auf der Kooperation im Bereich Jura liegt. Als konkrete<br />

Maßnahmen werden Tagungen, Workshops <strong>und</strong> Fachkurse<br />

<strong>in</strong> <strong>Deutsch</strong>land <strong>und</strong> der Ukra<strong>in</strong>e f<strong>in</strong>anziert. Auch trilaterale <strong>Projekte</strong><br />

mit der E<strong>in</strong>beziehung von Partnerhochschulen aus Polen <strong>und</strong> Belarus<br />

werden <strong>in</strong> dem Programm gefördert.<br />

Die vorliegende Broschüre gibt e<strong>in</strong>en Überblick über die <strong>Projekte</strong> des<br />

Jahres 2009. In <strong>Deutsch</strong>land <strong>und</strong> der Ukra<strong>in</strong>e wurden <strong>in</strong>sgesamt 19<br />

Veranstaltungen durchgeführt, an denen knapp 400 Personen (89<br />

<strong>Deutsch</strong>e, 309 Ukra<strong>in</strong>er) teilgenommen haben. Im Jahr 2010 lag die<br />

Zahl der Veranstaltungen <strong>in</strong> gleicher Höhe; für 2011 wurden 13 Kooperationen<br />

für e<strong>in</strong>e Förderung ausgewählt.<br />

Die Broschüre zeigt die Vielfalt der Themen <strong>und</strong> Problemfelder, die<br />

<strong>in</strong> den <strong>Projekte</strong>n behandelt wurden. Deutlich wird aber auch der<br />

Enthusiasmus aller Beteiligten, der sich <strong>in</strong> den Berichten der Projektleiter<br />

<strong>und</strong> den Fotos widerspiegelt. Die deutschen <strong>und</strong> <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong>n<br />

Teilnehmer der Veranstaltungen haben <strong>in</strong> den Vorträgen <strong>und</strong><br />

Diskussionen nicht nur fachlich Neues gelernt, sondern es wurden<br />

auch viele Fre<strong>und</strong>schaften geschlossen. <strong>Demokratie</strong> erweist sich hier<br />

als Prozess des „learn<strong>in</strong>g by do<strong>in</strong>g“. Durch die Netzwerke, die hier<br />

geknüpft werden, entsteht e<strong>in</strong> friedliches Veränderungspotenzial zur<br />

Schaffung e<strong>in</strong>er starken <strong>Zivilgesellschaft</strong>, e<strong>in</strong> Potenzial, das nicht<br />

hoch genug e<strong>in</strong>geschätzt werden kann.<br />

Dr. Peter Hiller<br />

Leiter des Referates 322 Moldau, Rumänien, Ukra<strong>in</strong>e, Länderübgreifende<br />

Programme Osteuropa, „Go East“ im DAAD<br />

7


<strong>Deutsch</strong>e Hochschulen Ausländische Hochschulen<br />

Fachhochschule Erfurt<br />

8<br />

Polytechnische Nationale Universität Lwiw<br />

Ivan-Franko-Universität, Sambir<br />

Universität Jena Nationale Universität Mohyla-Akademie Kiew<br />

Universität Passau Pädagogische Nationale Universität Ternopil<br />

Universität Rostock Regionale Verwaltungsakademie, Odessa<br />

Universität Heidelberg<br />

Nationale Universität Mohyla-Akademie Kiew<br />

Jagiellonen-Universität Krakau (Polen)<br />

Universität Regensburg Staatliche Universität des Innern, Dnipropetrowsk<br />

Universität Regensburg,<br />

EUROPAEUM<br />

Institut für Ostrecht München,<br />

Regensburg<br />

Hochschule für Wirtschaft<br />

<strong>und</strong> Recht Berl<strong>in</strong><br />

Nationale Taras-Shevchenko-Universität Kiew<br />

Institut für Gesetzgebung der Verchovna Rada<br />

der Ukra<strong>in</strong>e, Kiew<br />

Nationale Akademie für Öffentliche Verwaltung, Kiew<br />

Universität des Saarlandes Petro-Mohyla-Schwarzmeeruniversität Mykolajiw<br />

Universität Münster Nationale Iwan-Franko-Universität Lwiw<br />

Universität Halle-Wittenberg<br />

Universität Regensburg<br />

Humboldt-Universität<br />

zu Berl<strong>in</strong><br />

Nationale Agraruniversität Sumy<br />

Universität Olsztyn (Polen)<br />

Nationale Taras-Shevchenko-Universität Kiew<br />

Internationale Geisteswissenschaftliche Universität<br />

Odessa<br />

Nationale Universität für Lebens- <strong>und</strong><br />

Umweltwissenschaften, Kiew<br />

<strong>Deutsch</strong>land Berl<strong>in</strong><br />

Münster<br />

Saarbrücken<br />

Heidelberg<br />

Erfurt<br />

Halle<br />

Jena<br />

Rostock<br />

Regensburg<br />

Passau<br />

Geförderte Kooperationen 2009


Olsztyn<br />

Polen<br />

Krakau<br />

Sambir<br />

Lwiw<br />

Ternopil<br />

Odessa<br />

Kiew<br />

Ukra<strong>in</strong>e<br />

Mykolajiw<br />

Sumy<br />

Dnipropetrowsk<br />

9


10<br />

<strong>Zivilgesellschaft</strong><br />

Die Menschen mitnehmen


Auf der Suche nach der<br />

<strong>Zivilgesellschaft</strong><br />

Am meisten bee<strong>in</strong>druckte mich <strong>in</strong> der Ukra<strong>in</strong>e das ehrenamtliche<br />

Engagement der Menschen“, sagt Vladislav Jefanov, e<strong>in</strong>er von<br />

17 Studierenden der Universität Jena, die sich im Juli 2009 auf die<br />

„Suche nach der <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong>n <strong>Zivilgesellschaft</strong>“ machten – so der<br />

Titel ihrer DAAD-geförderten Exkursion nach Kiew. Die <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong>n<br />

Nichtregierungsorganisationen (NGOs) leben alle<strong>in</strong> vom persönlichen<br />

E<strong>in</strong>satz ihrer Helfer, da die f<strong>in</strong>anziellen Mittel begrenzt s<strong>in</strong>d. „Die Leute<br />

s<strong>in</strong>d arm <strong>und</strong> bekommen für diese Arbeit ke<strong>in</strong> Geld – ich hätte<br />

nie gedacht, dass sich so viele gesellschaftlich engagieren“, erklärt<br />

der Student der Betriebswirtschaftslehre, der <strong>in</strong> der Ukra<strong>in</strong>e geboren<br />

wurde <strong>und</strong> als K<strong>in</strong>d nach <strong>Deutsch</strong>land kam.<br />

Er <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Kommilitonen aus sozial- <strong>und</strong> geisteswissenschaftlichen<br />

Fächern, die sich zuvor <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em zweitägigen Blocksem<strong>in</strong>ar auf<br />

die Reise vorbereitet hatten, lernten bei dem Besuch viel über das<br />

<strong>Demokratie</strong>verständnis der Ukra<strong>in</strong>e – <strong>und</strong> sahen e<strong>in</strong> Land, das sich<br />

trotz vieler Rückschläge auf e<strong>in</strong>em guten Weg sieht. In Gesprächen<br />

mit Vertretern der deutschen politischen Stiftungen <strong>in</strong> der Ukra<strong>in</strong>e<br />

erfuhren die Studierenden allerd<strong>in</strong>gs von e<strong>in</strong>em wachsenden Misstrauen<br />

<strong>in</strong> die Politik <strong>und</strong> <strong>in</strong> die NGOs. Drängende soziale Themen stünden<br />

nicht unbed<strong>in</strong>gt ganz oben auf der politischen Agenda.<br />

Mit Zuversicht <strong>in</strong> die Zukunft<br />

E<strong>in</strong>en nachhaltigen E<strong>in</strong>druck bei den Studierenden h<strong>in</strong>terließ e<strong>in</strong><br />

Bericht des Journalisten Oleksandr Akimenko von der unabhängigen<br />

Mediengesellschaft Svidomo. Er präsentierte ihnen e<strong>in</strong>e Liste<br />

von Journalisten, die vor der Orangenen Revolution auf mysteriöse<br />

Weise ums Leben kamen. „Das war sehr unheimlich, verdeutlichte<br />

uns aber, welche Rolle Medien <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>Demokratie</strong> spielen“, berichtet<br />

Vladislav Jefanov. Aus Sicht von Akimenko nehme die Pressefreiheit<br />

zu. Die Medien bemühten sich um mehr Unabhängigkeit, berichteten<br />

sachlicher als früher <strong>und</strong> ließen auch unabhängige Experten zu Wort<br />

kommen. Allerd<strong>in</strong>gs gebe es bei den Lesern wenig Interesse an politischen<br />

Themen. Die Menschen glaubten, dass Russland <strong>und</strong> e<strong>in</strong>ige<br />

Oligarchen die Berichterstattung bee<strong>in</strong>flussten.<br />

11


12<br />

Die Jenaer Gäste sprachen auch mit Politikern sowie Vertretern von<br />

Kirchen, Verbänden <strong>und</strong> Gewerkschaften. E<strong>in</strong> Höhepunkt war die<br />

Führung durch das <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong> Parlament, die Verchovna Rada, die<br />

ausländischen Gästen normalerweise nicht zugänglich ist. „Trotz<br />

mancher Probleme zeigten unsere Gesprächspartner ke<strong>in</strong>e Frustration,<br />

sondern blickten zuversichtlich <strong>in</strong> die Zukunft“, erzählt Vladislav<br />

Jefanov. Überhaupt waren er <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Mitreisenden erstaunt, wie<br />

offen <strong>und</strong> selbstkritisch die Ukra<strong>in</strong>er über ihr Land redeten <strong>und</strong> auf<br />

alle Fragen der Besucher e<strong>in</strong>g<strong>in</strong>gen.<br />

Persönliche Kontakte sorgen für mehr Verständnis<br />

Vladislav Jefanov ist überzeugt, dass der <strong>in</strong>tensive Austausch mit der<br />

Ukra<strong>in</strong>e für beide Seiten wichtig ist. „Die Annäherung der Ukra<strong>in</strong>e<br />

an die EU ist e<strong>in</strong> ständiger H<strong>in</strong>dernisparcour“, sagt er. „Da ist sehr<br />

hilfreich, dass beide Seiten mehr mite<strong>in</strong>ander <strong>in</strong>s Gespräch kommen,<br />

zumal die meisten Westeuropäer die Ukra<strong>in</strong>e ausschließlich<br />

aus den Medien kennen – das persönliche Kennenlernen sorgt für<br />

e<strong>in</strong>en entspannteren Umgang mite<strong>in</strong>ander.“ Die Jenaer Studierenden<br />

fanden deshalb <strong>in</strong> Kiew viel Inspiration. Aus Gesprächen mit den<br />

Projekt<strong>in</strong>fo<br />

Fachgebiet:<br />

Politikwissenschaften<br />

E<strong>in</strong>richtung:<br />

Universität Jena<br />

Projektkoord<strong>in</strong>ation:<br />

Prof. Dr. Helmut Hubel<br />

www.powi.uni-jena.de/lehrst/ib/prof-dr-helmuthubel.html<br />

Partner:<br />

Nationale Universität Mohyla-Akademie Kiew<br />

Geförderte Personen:<br />

20 <strong>Deutsch</strong>e<br />

<strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong>n Kommilitonen g<strong>in</strong>g sogar e<strong>in</strong> konkretes Projekt hervor:<br />

e<strong>in</strong>e b<strong>in</strong>ationale Geschichtswerkstatt, <strong>in</strong> der sich die Studierenden<br />

zu Themen wie Geschichtsaufarbeitung künftig regelmäßig austauschen<br />

<strong>und</strong> zum Beispiel geme<strong>in</strong>same Ausstellungen für die Öffentlichkeit<br />

organisieren.


Tiefe Spuren<br />

Beh<strong>in</strong>derte Menschen wurden lange Zeit <strong>in</strong> der <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong>n Gesellschaft<br />

nicht wahrgenommen. „Wir trafen zum Beispiel e<strong>in</strong>en<br />

etwa 50-jährigen Mann, der von Geburt an gelähmt ist, aber erst vor<br />

zehn oder 15 Jahren e<strong>in</strong>en Rollstuhl bekommen hat“, sagt Michael<br />

Hasenbe<strong>in</strong>, Student der Sozialen Arbeit an der Fachhochschule Erfurt.<br />

„Zu Sowjetzeiten hatte man Beh<strong>in</strong>derte e<strong>in</strong>fach aus dem öffentlichen<br />

Leben verbannt.“ Das hat bis heute Konsequenzen: Es gibt wenig<br />

Fahrstühle <strong>in</strong> Mietshäusern, wenig abgesenkte Bordste<strong>in</strong>e oder<br />

beh<strong>in</strong>dertengerechte Arbeitsplätze.<br />

Die Hochschulen <strong>in</strong> Sambir <strong>und</strong> Lwiw hatten Studierende ihrer deutschen<br />

Partnerhochschule e<strong>in</strong>geladen, um zu zeigen, was Sozialarbeit<br />

<strong>in</strong> der Ukra<strong>in</strong>e bedeutet. „Unser zentrales Thema des <strong>in</strong>terkulturellen<br />

Austauschs war die <strong>Demokratie</strong>entwicklung <strong>in</strong> beiden Ländern“,<br />

sagt die Erfurter Erziehungswissenschaftler<strong>in</strong> Professor<strong>in</strong> Michaela<br />

Rißmann, die die vom DAAD geförderte Studienreise organisiert hat.<br />

„Spannend war der Vergleich der beiden Systeme im H<strong>in</strong>blick auf das<br />

Thema soziale Arbeit. Wir waren bee<strong>in</strong>druckt, mit welcher Offenheit<br />

unsere Gesprächspartner die gesellschaftlichen Probleme <strong>in</strong> der Ukra<strong>in</strong>e<br />

ansprachen.“<br />

E<strong>in</strong> neues Bild der Ukra<strong>in</strong>e<br />

So haben Beh<strong>in</strong>derte noch immer e<strong>in</strong>en schweren Stand <strong>in</strong> der Gesellschaft.<br />

Selbst Unternehmen weigerten sich oft, Beh<strong>in</strong>derte e<strong>in</strong>zustellen,<br />

obwohl ihnen e<strong>in</strong>e Strafe dafür droht. Private Initiativen kämpfen<br />

dagegen an. Die Erfurter Studierenden besuchten beispielsweise e<strong>in</strong>e<br />

Art Selbsthilfegruppe. „Wir sahen dort, wie sich Beh<strong>in</strong>derte gegenseitig<br />

unterstützen, etwa Techniken lernen, wie sie sich am besten<br />

bewegen oder wie sie trotz Beh<strong>in</strong>derung Sport treiben können“, sagt<br />

Gelungener Austausch: Mit ihren <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong>n Kommilitonen diskutierten die<br />

Erfurter Studierenden über „Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession“<br />

13


14<br />

Michael Hasenbe<strong>in</strong>. „Die modernen Konzepte <strong>und</strong> E<strong>in</strong>richtungen der<br />

Beh<strong>in</strong>dertenhilfe haben uns sehr überrascht – sie s<strong>in</strong>d teilweise besser<br />

als <strong>in</strong> <strong>Deutsch</strong>land.“<br />

Überhaupt mussten die Studierenden ihr Bild von der Ukra<strong>in</strong>e korrigieren.<br />

Die Student<strong>in</strong> Lisa Würkner etwa glaubte vor der Reise, die<br />

Ukra<strong>in</strong>e sei vor allem grau, verschlossen <strong>und</strong> arm. Danach sagte sie:<br />

„Ich habe noch nie e<strong>in</strong>e solche Herzlichkeit <strong>und</strong> Gastfre<strong>und</strong>schaft erlebt.“<br />

Die Leute seien alle sehr <strong>in</strong>teressiert an den deutschen Gästen<br />

gewesen – <strong>und</strong> unglaublich großzügig, obwohl sie selbst kaum Geld<br />

haben. Die Exkursionsteilnehmer erhielten aber auch e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong><br />

die Alltagsprobleme. „Wir haben nur wenige Familien kennen gelernt,<br />

die zusammen leben konnten. Viele Menschen arbeiten im Ausland,<br />

um die Daheimgebliebenen zu ernähren“, sagt Lisa Würkner.<br />

Interesse an Osteuropa geweckt<br />

Die widersprüchlichen E<strong>in</strong>drücke h<strong>in</strong>terließen bei den Erfurter Studierenden<br />

tiefe Spuren. Sowohl Michael Hasenbe<strong>in</strong> als auch Lisa<br />

Würkner glauben deshalb, dass der Austausch sehr viel bewirken<br />

kann, alle<strong>in</strong> schon weil die Besucher e<strong>in</strong> anderes Bild von dem Land<br />

erhalten <strong>und</strong> dies auch <strong>in</strong> <strong>Deutsch</strong>land kommunizieren. Bei beiden<br />

Projekt<strong>in</strong>fo<br />

Fachgebiet:<br />

Sozialwissenschaften<br />

E<strong>in</strong>richtung:<br />

Fachhochschule Erfurt<br />

Projektkoord<strong>in</strong>ation:<br />

Prof. Dr. Michaela Rißmann<br />

www.fh-erfurt.de/soz/<strong>in</strong>dex.php?id=400<br />

Partner:<br />

Polytechnische Nationale Universität Lwiw<br />

Ivan-Franko-Universität Sambir<br />

Geförderte Personen:<br />

14 <strong>Deutsch</strong>e, 130 Ausländer<br />

Studierenden weckte die Studienreise e<strong>in</strong> größeres Interesse an Osteuropa.<br />

Michael Hasenbe<strong>in</strong> fuhr noch im gleichen Sommer erneut <strong>in</strong><br />

die Ukra<strong>in</strong>e, um das Land noch e<strong>in</strong>mal mit Kommilitonen zu bereisen.<br />

Sogar se<strong>in</strong>e Diplomarbeit war von der Studienreise <strong>in</strong>spiriert: Er verglich<br />

dar<strong>in</strong> das Studiensystem der Erfurter Fachhochschule mit dem<br />

der beiden Partneruniversitäten. Lisa Würkner <strong>in</strong>des möchte sich<br />

nun mit den anderen Ländern <strong>in</strong> Osteuropa beschäftigen. An Weihnachten<br />

etwa nimmt sie an e<strong>in</strong>er Initiative teil, bei der Privatleute<br />

persönlich Weihnachtspäckchen nach Rumänien fahren – <strong>und</strong> sie<br />

hofft dabei, auch etwas mehr über das Land <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Menschen<br />

zu erfahren.


Es ist viel <strong>in</strong> Bewegung<br />

Alkoholismus, drogenabhängige K<strong>in</strong>der, illegaler Aufenthalt im<br />

Ausland mit all se<strong>in</strong>en negativen Folgen – <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong> Frauenorganisationen<br />

beschäftigen sich mit e<strong>in</strong>er Vielzahl von Problemen,<br />

deren Wurzeln im privaten Bereich liegen. Von politischen Tätigkeiten<br />

haben sich die Organisationen weitgehend abgewandt. „Es ist<br />

bedauerlich, dass Frauen dem Engagement <strong>in</strong> der Öffentlichkeit eher<br />

zurückhaltend gegenüberstehen“, sagt Nadija Hapon vom Institut für<br />

Pyschologie der Universität Lwiw. „Sie nehmen ke<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluss auf<br />

Reformen <strong>in</strong> diesem Bereich.“<br />

Um solche Diskrepanzen zwischen „Öffentlichkeit <strong>und</strong> Privatsphäre“<br />

g<strong>in</strong>g es unter anderem auf e<strong>in</strong>er Tagung an der Westfälischen Universität<br />

Münster, die der DAAD im Rahmen des Programms „Unterstützung<br />

der <strong>Demokratie</strong> <strong>in</strong> der Ukra<strong>in</strong>e“ gefördert hat. Wissenschaftler<br />

aus beiden Ländern untersuchten das Verhältnis zwischen öffentlichem<br />

Raum, Privatsphäre <strong>und</strong> politischer Kultur – <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong><br />

der <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong>n Literatur, aber auch <strong>in</strong> der gegenwärtigen Gesellschaft.<br />

„Wir wollten geme<strong>in</strong>same Problemlagen <strong>in</strong> <strong>Deutsch</strong>land <strong>und</strong><br />

der Ukra<strong>in</strong>e vergleichen“, sagt Organisator Professor Alfred Sproede,<br />

geschäftsführender Direktor des Slavisch-Baltischen Sem<strong>in</strong>ars der<br />

Universität Münster. „Beide Länder kennen etwa das Problem der<br />

Politikverdrossenheit <strong>und</strong> des Rückzugs <strong>in</strong>s Private; beide s<strong>in</strong>d mit<br />

Problemen der Globalisierung, der Migration <strong>und</strong> der Vergangenheitsbewältigung<br />

konfrontiert.“<br />

Schlussstrich oder Aufarbeitung?<br />

Der Philosoph Andruj Dachnij von der Universität Lwiw versuchte beispielsweise<br />

mit Hilfe der politischen Theorie von Jürgen Habermas<br />

die jüngste Geschichte der Ukra<strong>in</strong>e zu analysieren. Habermas geht<br />

davon aus, dass e<strong>in</strong>e <strong>Demokratie</strong> e<strong>in</strong>e Verknüpfung von Philosophie<br />

<strong>und</strong> politischer Orientierung braucht. Dachnij glaubt, dass die Ukra<strong>in</strong>e<br />

es verpasst habe, sich mit der kommunistischen Vergangenheit<br />

ause<strong>in</strong>anderzusetzen <strong>und</strong> so auch die geistige <strong>und</strong> moralische Gr<strong>und</strong>lage<br />

der <strong>Demokratie</strong> zu schaffen.<br />

Thomas Wünsch, Professor für Neuere <strong>und</strong> Neueste Geschichte<br />

Osteuropas an der Universität Passau, verweist dagegen auf andere<br />

Beispiele <strong>in</strong> Osteuropa. „In Polen hat man zunächst e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>en<br />

Schlussstrich unter die Vergangenheit gezogen, um nach vorne zu<br />

schauen. Man kann sich auch nach <strong>und</strong> nach mit der Vergangenheit<br />

ause<strong>in</strong>andersetzen.“ Die Universität Passau <strong>und</strong> die Pädagogische<br />

15


16<br />

Nationale Universtät Ternopil <strong>in</strong> der Westukra<strong>in</strong>e veranstalteten <strong>in</strong><br />

Ternopil mit DAAD-Unterstützung e<strong>in</strong> Symposium über „Die Ukra<strong>in</strong>e<br />

<strong>und</strong> die Entwicklung ihrer <strong>Zivilgesellschaft</strong> nach 2004“. <strong>Deutsch</strong>e <strong>und</strong><br />

<strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong> Wissenschaftler versuchten auch dort geme<strong>in</strong>sam, die<br />

jüngsten Entwicklungen <strong>in</strong> der Ukra<strong>in</strong>e zu bewerten – <strong>und</strong> mit anderen<br />

Nationen zu vergleichen.<br />

Geme<strong>in</strong>same <strong>Projekte</strong> <strong>und</strong> bessere Vernetzung<br />

„Die wichtigste Gr<strong>und</strong>lage für die Herausbildung e<strong>in</strong>er <strong>Zivilgesellschaft</strong><br />

<strong>in</strong> der Ukra<strong>in</strong>e stellt die Bereitschaft der Bevölkerung dar, ihre E<strong>in</strong>flussmöglichkeiten<br />

zu nutzen“, so e<strong>in</strong> Fazit von Olha Stadničenko vom Institut<br />

für Internationale Beziehungen der Nationalen Luftfahrtuniversität.<br />

Erst dann könne man von e<strong>in</strong>er entwickelten <strong>Zivilgesellschaft</strong> sprechen.<br />

Die Tagung <strong>in</strong> Ternopil sollte deshalb auch Startschuss für e<strong>in</strong>e bessere<br />

Vernetzung der Wissenschaftler se<strong>in</strong>: „Wir wollen geme<strong>in</strong>same <strong>Projekte</strong><br />

entwickeln, um die Bildung e<strong>in</strong>er solchen aktiven <strong>Zivilgesellschaft</strong> <strong>in</strong><br />

der Ukra<strong>in</strong>e zu fördern“, so Thomas Wünsch.<br />

Projekt<strong>in</strong>fo<br />

Fachgebiet:<br />

Philologie<br />

E<strong>in</strong>richtung:<br />

Universität Münster<br />

Projektkoord<strong>in</strong>ation:<br />

Prof. Dr. Alfred Sproede<br />

www.uni-muenster.de/<br />

SlavBaltSem<strong>in</strong>ar/Institut/<br />

sproede.html<br />

Partner:<br />

Staatliche Ivan-Franko-Universität,<br />

Lwiw<br />

Geförderte Personen:<br />

18 Ausländer<br />

Projekt<strong>in</strong>fo<br />

Fachgebiet:<br />

Osteuropäische Geschichte<br />

E<strong>in</strong>richtung:<br />

Universität Passau<br />

Projektkoord<strong>in</strong>ation:<br />

Prof. Dr. Thomas Wünsch<br />

www.phil.uni-passau.de/diefakultaet/lehrstuehle-professuren/geschichte/neuere-geschichteosteuropas.html<br />

Partner:<br />

Pädagogische Nationale Universität<br />

Ternopil<br />

Geförderte Personen:<br />

11 <strong>Deutsch</strong>e, 9 Ausländer<br />

Die Referenten beider Tagungen waren sich e<strong>in</strong>ig, dass der Europabezug<br />

der Ukra<strong>in</strong>e gestärkt werden muss <strong>und</strong> dabei der akademische<br />

Austausch e<strong>in</strong>e große Rolle spielt. Die Universität Passau hat e<strong>in</strong>e<br />

Kooperation mit Ternopil <strong>in</strong>itiiert, die diesen Austausch von Wissenschaftlern<br />

<strong>und</strong> Studierenden <strong>in</strong> den nächsten Jahren fördert. Ähnliches<br />

plant die Universität Münster, die zudem weitere Tagungen zur<br />

Vertiefung der wissenschaftlichen Beziehungen veranstalten will.


„Es gibt viele Ukra<strong>in</strong>en“<br />

Professor Alfred Sproede ist geschäftsführender Direktor des<br />

Slavisch-Baltischen Sem<strong>in</strong>ars der Universität Münster. Der Experte<br />

für Kulturen <strong>und</strong> Literaturen Ostmitteleuropas organisierte<br />

die Tagung „Öffentlichkeit <strong>und</strong> Privatsphäre“.<br />

Professor Sproede, warum ist der Austausch zwischen deutschen<br />

<strong>und</strong> <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong>n Wissenschaftlern wichtig?<br />

Wissenschaftleraustausch ist e<strong>in</strong> Kernstück des Europabezugs der<br />

Ukra<strong>in</strong>e. Die Öffnung Richtung Europa war für die Ukra<strong>in</strong>er selbst<br />

seit jeher Gradmesser dafür, wie das imperiale sogenannte „Kle<strong>in</strong>russland“<br />

im nachholenden „nation-build<strong>in</strong>g“ auf dem Weg zu e<strong>in</strong>er<br />

modernen, demokratischen Ukra<strong>in</strong>e vorankommen würde. Dass die<br />

Ukra<strong>in</strong>e auch umgekehrt für Europa besser sichtbar wird – das<br />

könnte jetzt unser Beitrag se<strong>in</strong>.<br />

Interessiert man sich <strong>in</strong> der Ukra<strong>in</strong>e für westliche<br />

Gesellschaftsmodelle?<br />

Der „Europa-Wille“ der <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong>n Eliten durchläuft seit langem<br />

immer wieder neue Zyklen; <strong>in</strong> wechselnden Projektionen <strong>und</strong> mit<br />

schwankenden Prioritäten zielt er beispielsweise auf das durch die<br />

Französische Revolution begründete Modell des modernen Nationalstaats,<br />

die nordatlantischen Sicherheitsstrukturen oder die europäische<br />

Wirtschafts- <strong>und</strong> Währungsunion. Bemerkenswert ist das<br />

gegenwärtige Interesse an westeuropäischer Philosophie <strong>und</strong> Soziologie,<br />

etwa an den Ideen von Jürgen Habermas.<br />

Was sagt die <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong> Literatur über die <strong>Zivilgesellschaft</strong> aus?<br />

Die Literatur befördert die Wiederaneignung e<strong>in</strong>er Lebenswelt, die<br />

den Bürgern über Jahrzehnte h<strong>in</strong> aus der Hand genommen war. E<strong>in</strong><br />

an der Literatur ablesbares, aber über sie h<strong>in</strong>ausreichendes Symptom<br />

dafür ist der neue Regionalpatriotismus. Die Teilung des Landes<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e pro-westliche <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e pro-russische Ukra<strong>in</strong>e ist e<strong>in</strong><br />

Mythos; gerade <strong>in</strong> der jüngsten Literatur gibt es, wie e<strong>in</strong> junger Historiker<br />

gesagt hat, zwei<strong>und</strong>zwanzigmal Ukra<strong>in</strong>e. Und aus dem Flickenteppich<br />

der ause<strong>in</strong>anderstrebenden Regionen kann vielleicht<br />

künftig politischer Pluralismus erwachsen.<br />

Geme<strong>in</strong>same Analyse: Auf der Tagung <strong>in</strong> Ternopil bewerteten Wissenschaftler<br />

beider Länder die Entwicklung der <strong>Zivilgesellschaft</strong> <strong>in</strong> der Ukra<strong>in</strong>e 17


<strong>Demokratie</strong>verständnis<br />

Den Dialog fördern


Gr<strong>und</strong>rechte im Praxistest<br />

In <strong>Deutsch</strong>land schützen Gr<strong>und</strong>rechte den E<strong>in</strong>zelnen vor dem Staat.<br />

Die meisten Gr<strong>und</strong>rechte s<strong>in</strong>d zugleich Menschenrechte. Nicht nur<br />

deutsche Staatsangehörige, sondern alle Menschen, die <strong>in</strong> <strong>Deutsch</strong>land<br />

leben, können sich auf sie berufen. Welche Funktion <strong>und</strong> Wirkungskraft<br />

diese Rechte im demokratischen Rechtsstaat haben,<br />

erfuhren <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong> Studierende während ihres zweiwöchigen Sem<strong>in</strong>ars<br />

Ende Juli 2009 an der Universität Regensburg.<br />

Die juristische Fakultät der Universität kooperiert schon seit mehreren<br />

Jahren mit der Dnipropetrowsker Staatlichen Universität des<br />

Inneren. Durch den Aufenthalt der 13 Studierenden <strong>und</strong> ihrer zwei<br />

wissenschaftlichen Betreuer aus der <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong>n Industriemetropole<br />

wurde diese Zusammenarbeit erfolgreich fortgeführt. Das Sem<strong>in</strong>ar<br />

bestand aus Vorträgen zu verschiedenen rechtlichen Aspekten <strong>und</strong><br />

mehreren Besuchen von Gerichtsverhandlungen am Land-, Verwaltungs-<br />

<strong>und</strong> Strafgericht <strong>in</strong> Regensburg. Die Gäste konnten dadurch<br />

e<strong>in</strong>e Vielzahl neuer Erfahrungen <strong>und</strong> Erkenntnisse sammeln, wie<br />

etwa Iryna Kovalova: „Im Rahmen des Begleitstudiums ‚<strong>Deutsch</strong>es<br />

Recht‘ <strong>in</strong> Dnipropetrowsk bekam ich vorwiegend theoretische Kenntnisse<br />

über das deutsche Rechtssystem. Dank des Sem<strong>in</strong>ars erfuhr<br />

ich, wie die deutsche Rechtsprechung <strong>in</strong> der Praxis gestaltet ist.“ Als<br />

besonders bee<strong>in</strong>druckend empfand sie e<strong>in</strong>e öffentliche Sitzung am<br />

Landgericht. Bei dem Prozess – e<strong>in</strong>em Jugendlichen wurde Totschlag<br />

vorgeworfen – standen die mündlichen Aussagen der Prozessbeteiligten<br />

im Vordergr<strong>und</strong>.<br />

Chance zur Annäherung genutzt<br />

Ihr Kommilitone Igor Korotych <strong>in</strong>teressierte sich <strong>in</strong>sbesondere für<br />

Zivilrecht. Der Vortrag von Projektleiter Professor Andreas Spickhoff<br />

zum Thema „Gr<strong>und</strong>- <strong>und</strong> Menschenrechte im Zivil- <strong>und</strong> Zivilprozessrecht“<br />

war für ihn besonders wertvoll. „Solche Programme verbessern<br />

die Chance der Ukra<strong>in</strong>e bei ihrer Annäherung an die Europäische<br />

Union <strong>und</strong> unterstützen die <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong> Jugend <strong>in</strong> ihrem Bestreben<br />

nach Kennenlernen anderer Kulturen“, betont er. Olga Tymoshenko<br />

bekennt, dass sie <strong>Deutsch</strong>land nicht nur besser kennengelernt, sondern<br />

auch liebgewonnen hat: „Ich konnte nicht nur me<strong>in</strong>e Kenntnisse<br />

im deutschen Recht vertiefen, sondern auch neue Erfahrungen durch<br />

die <strong>in</strong>terkulturelle Kommunikation mit anderen Menschen erwerben.“<br />

In Zeiten zunehmender Europäisierung <strong>und</strong> Globalisierung der<br />

<strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong>n Gesellschaft seien die <strong>in</strong> verschiedenen Rechtszweigen<br />

gewonnenen neuen Kenntnisse von großer Bedeutung, waren sich<br />

19


20<br />

die Teilnehmer e<strong>in</strong>ig. Großen Anklang fand bei der Gruppe auch die<br />

Besichtigung der Gebäude, <strong>in</strong> denen die Nürnberger Prozesse nach<br />

dem Zweiten Weltkrieg stattgef<strong>und</strong>en hatten. Dort erhielten die<br />

<strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong>n Gäste e<strong>in</strong>en plastischen E<strong>in</strong>druck von der juristischen<br />

Aufarbeitung der faschistischen Diktatur.<br />

Andreas Spickhoff, <strong>in</strong>zwischen von Regensburg an die Universität<br />

Gött<strong>in</strong>gen gewechselt, kann erfolgreich Bilanz ziehen: „Unser Ziel,<br />

Projekt<strong>in</strong>fo<br />

Fachgebiet:<br />

Rechtswissenschaften<br />

E<strong>in</strong>richtung:<br />

Universität Regensburg<br />

Projektkoord<strong>in</strong>ation:<br />

Prof. Dr. Andreas Spickhoff<br />

www.uni-goett<strong>in</strong>gen.de/de/133328.html<br />

Partner:<br />

Staatliche Universität des Inneren, Dnipropetrowsk<br />

Geförderte Personen:<br />

16 Ausländer<br />

den <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong>n Gästen umfassend die Bedeutung der Gr<strong>und</strong>- <strong>und</strong><br />

Menschenrechte im demokratischen Rechtsstaat zu veranschaulichen,<br />

haben wir erreicht.“ Und nicht nur das, der Aufenthalt hat<br />

bei e<strong>in</strong>igen Appetit auf mehr geweckt. So f<strong>in</strong>anzierte das B<strong>und</strong>esm<strong>in</strong>isterium<br />

für Justiz Anfang 2011 e<strong>in</strong>er Sem<strong>in</strong>arteilnehmer<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />

vierwöchigen Aufenthalt <strong>in</strong> Gött<strong>in</strong>gen. Und Natalia Ishyna, die<br />

als wissenschaftliche Betreuer<strong>in</strong> der Gruppe angehörte, will bei<br />

Andreas Spickhoff promovieren – „...was ich sehr befürworte“, so<br />

der Jura-Professor.<br />

Überraschende Begegnung: Bei e<strong>in</strong>em Ausflug nach München trafen<br />

die <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong>n Gäste auf e<strong>in</strong>e Landsfrau <strong>in</strong> Heimattracht


Den Rechtsstaat hautnah erlebt<br />

Wir hatten hochmotivierte Studierende hier“, schwärmt Professor<br />

Oesten Baller von der Hochschule für Wirtschaft <strong>und</strong> Recht<br />

Berl<strong>in</strong> (HWR) von se<strong>in</strong>en Gästen aus der Ukra<strong>in</strong>e. 17 Masterstudierende<br />

der Nationalen Akademie für Öffentliche Verwaltung beim Präsidenten<br />

der Ukra<strong>in</strong>e <strong>in</strong> Kiew lernten bei der Berl<strong>in</strong>er Summer School<br />

im Juli 2009 Kernfragen <strong>und</strong> zentrale Pr<strong>in</strong>zipien e<strong>in</strong>es demokratischen<br />

Rechtsstaates kennen. Außerdem erhielten sie e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>blick<br />

<strong>in</strong> das Staatssystem der B<strong>und</strong>esrepublik <strong>Deutsch</strong>land.<br />

Den Masterstudiengang der Kiewer Gäste hat das Institut für Verwaltungsmodernisierung<br />

<strong>und</strong> Polizeireform <strong>in</strong> Mittel- <strong>und</strong> Osteuropa<br />

der HWR zwischen 2007 <strong>und</strong> 2009 für die <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong> Hochschule<br />

entwickelt. An diesen Studiengang knüpft die vom DAAD geförderte<br />

Summer School an. Darüber h<strong>in</strong>aus g<strong>in</strong>g es auch um Defizite im<br />

Rechtssystem <strong>und</strong> <strong>in</strong> der gesellschaftlichen Entwicklung der Ukra<strong>in</strong>e:<br />

etwa um Verkehrssicherheit, Lücken im Verwaltungsrecht <strong>und</strong><br />

schwach entwickelte Rechtssetzungskultur. „Wir wollten damit bewusst<br />

die Reformfreudigkeit der Studierenden stimulieren“, erzählt<br />

Projektleiter Oesten Baller.<br />

Neben den Vorlesungen besuchten die Studierenden zahlreiche<br />

E<strong>in</strong>richtungen <strong>und</strong> diskutierten unter anderem mit Fachleuten im<br />

<strong>Deutsch</strong>en B<strong>und</strong>esrat, <strong>in</strong> verschiedenen Bezirksämtern, im Verwaltungsgericht<br />

Berl<strong>in</strong> <strong>und</strong> bei der Berl<strong>in</strong>er Polizei. Nicht nur der E<strong>in</strong>druck<br />

der Projektverantwortlichen war positiv, auch aus studentischer Perspektive<br />

war die Veranstaltung e<strong>in</strong>e „r<strong>und</strong>e Sache“. E<strong>in</strong>e zum Ende der<br />

Summer School durchgeführte Befragung ergab, dass bei den Studierenden<br />

sowohl die Vorträge <strong>und</strong> Präsentationen als auch die Exkursionen<br />

mit ihren „hautnahen“ Erlebnismöglichkeiten sehr gut angekommen<br />

waren. Die Mehrheit war überzeugt, von der Summer School sehr<br />

profitiert <strong>und</strong> neue, relevante E<strong>in</strong>sichten gewonnen zu haben.<br />

<strong>Demokratie</strong> – e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>ternationale Angelegenheit<br />

Das Thema <strong>Demokratie</strong> <strong>und</strong> Rechtsstaatlichkeit beleuchteten deutsche<br />

sowie <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong> Studierende <strong>und</strong> Wissenschaftler bei drei<br />

vom DAAD geförderten Sem<strong>in</strong>aren <strong>in</strong> Kiew, Odessa <strong>und</strong> Regensburg.<br />

„Für die deutschen Studierenden bedeuteten die beiden Sem<strong>in</strong>are <strong>in</strong><br />

der Ukra<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>e wichtige Begegnung mit dortigen jungen Juristen,<br />

die Verb<strong>in</strong>dung zwischen den Studierenden beider Länder konnte<br />

durch geme<strong>in</strong>same Aktivitäten <strong>und</strong> das Abschluss-Sem<strong>in</strong>ar <strong>in</strong> Regensburg<br />

besonders gefestigt werden“, berichtet der Projektkoord<strong>in</strong>ator,<br />

der Regensburger Jura-Professor Ra<strong>in</strong>er Arnold.<br />

21


22<br />

Das Abschluss-Sem<strong>in</strong>ar fasste nicht nur die bis dah<strong>in</strong> erzielten Ergebnisse<br />

zusammen, es fügte dem Thema auch die <strong>in</strong>ternationale Dimension<br />

h<strong>in</strong>zu. „<strong>Demokratie</strong> bedeutet heute nicht nur die Entscheidung<br />

des Parlaments <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Staat, ist nicht nur mit der Rechtsstaatlichkeit<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em bestimmten Land verb<strong>und</strong>en, sondern ist vielmehr <strong>in</strong><br />

das <strong>in</strong>ternationale Gr<strong>und</strong>rechts- <strong>und</strong> Menschenrechtssystem e<strong>in</strong>geb<strong>und</strong>en“,<br />

sagt Ra<strong>in</strong>er Arnold. Der Europarechtler verweist auf die<br />

f<strong>und</strong>amentale Rolle, die die Europäische Menschenrechtskonvention<br />

dabei spielt. Die Sem<strong>in</strong>arbeiträge zeigten darüber h<strong>in</strong>aus, dass das<br />

<strong>in</strong>ternationale Recht <strong>in</strong> vielfacher H<strong>in</strong>sicht die <strong>in</strong>terne Rechtslage<br />

prägt. Ebenfalls deutlich wurde der große E<strong>in</strong>fluss des EU-Rechts auf<br />

den staatlichen <strong>Demokratie</strong>begriff. Wichtiger Erfolg der Sem<strong>in</strong>are:<br />

Die geme<strong>in</strong>same wissenschaftliche Bearbeitung motivierte die Teilnehmer,<br />

sich weiter mit dem Themenkomplex zu beschäftigen <strong>und</strong><br />

die Rechtsordnungen beider Länder <strong>in</strong>tensiver zu vergleichen.<br />

Zusammengerückt: Die persönliche Begegnung, wie hier <strong>in</strong> Odessa, schuf<br />

neue B<strong>in</strong>dungen zwischen deutschen <strong>und</strong> <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong>n Projektteilnehmern<br />

Projekt<strong>in</strong>fo<br />

Fachgebiet:<br />

Rechtswissenschaften<br />

E<strong>in</strong>richtung:<br />

Hochschule für Wirtschaft <strong>und</strong><br />

Recht Berl<strong>in</strong><br />

Projektkoord<strong>in</strong>ation:<br />

Prof. Dr. Oesten Baller<br />

www.hwr-berl<strong>in</strong>.de/hwr-berl<strong>in</strong>/<br />

lehrende/detailansicht/oesten-baller<br />

Partner:<br />

Nationale Akademie für Öffentliche<br />

Verwaltung, Kiew<br />

Geförderte Personen:<br />

18 Ausländer<br />

Projekt<strong>in</strong>fo<br />

Fachgebiet:<br />

Rechtswissenschaften<br />

E<strong>in</strong>richtung:<br />

Universität Regensburg, Jean-<br />

Monnet-Lehrstuhl für Europarecht<br />

Projektkoord<strong>in</strong>ation:<br />

Prof. Dr. Ra<strong>in</strong>er Arnold<br />

www-europarecht.uni-regensburg.de<br />

Partner:<br />

Nationale Taras-Shevchenko-<br />

Universität Kiew<br />

Internationale Geisteswissenschaftliche<br />

Universität Odessa<br />

Juraakademie Odessa<br />

Geförderte Personen:<br />

10 <strong>Deutsch</strong>e, 8 Ausländer


E<strong>in</strong>e große Menge nützlicher Ideen<br />

Kateryna Piten<strong>in</strong>a, Masterstudent<strong>in</strong><br />

an der Nationalen Akademie für Öffentliche<br />

Verwaltung beim Präsidenten<br />

der Ukra<strong>in</strong>e <strong>in</strong> Kiew, gehörte zu den<br />

Teilnehmern der Summer School <strong>in</strong><br />

Berl<strong>in</strong>.<br />

Was kann die Ukra<strong>in</strong>e von der deutschen<br />

Rechtssprechung lernen?<br />

<strong>Deutsch</strong>land könnte als Beispiel dienen,<br />

wie e<strong>in</strong>e wirksame Kontrolle der gesetzlichen<br />

Normen gewährleistet werden kann. An diesen von der Europäischen<br />

Union festgesetzten Normen sollte sich die politische Praxis<br />

<strong>in</strong> der Ukra<strong>in</strong>e orientieren.<br />

Welche Erkenntis haben Sie von der Summer School<br />

mitgenommen?<br />

Nach me<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>schätzung ist die regionale Politik e<strong>in</strong>es Staates von<br />

höchster Wichtigkeit. Auf den ersten Blick ersche<strong>in</strong>t der Vergleich<br />

e<strong>in</strong>es föderalistischen Landes wie <strong>Deutsch</strong>land mit e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>heitsstaat<br />

wie der Ukra<strong>in</strong>e nicht zulässig, dennoch: Ich b<strong>in</strong> überzeugt,<br />

dass die öffentliche Verwaltung <strong>in</strong> der Stadt beg<strong>in</strong>nt <strong>und</strong> sich nicht<br />

über die Regionen ausbreitet. Und dieses Pr<strong>in</strong>zip muss aus me<strong>in</strong>er<br />

Sicht der Schlüssel für jeden Staat se<strong>in</strong>.<br />

Wie wichtig s<strong>in</strong>d Angebote wie die Veranstaltung <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>?<br />

Man kann dies vielleicht mit Zahlen erläutern. Gehen Sie davon aus,<br />

dass jeder Teilnehmer <strong>in</strong> den zehn Tagen die Erfahrung von ungefähr<br />

20 Studierenden <strong>und</strong> Beamten übernimmt. Bei 17 Teilnehmern wären<br />

das alle<strong>in</strong>e 340 nützliche Ideen – e<strong>in</strong> sehr wertvoller Beitrag zum<br />

System der öffentlichen Verwaltung der Ukra<strong>in</strong>e.<br />

Welches persönliche Fazit geben Sie an Ihre Kommilitonen<br />

daheim weiter?<br />

Ich würde allen die Teilnahme an solchen Veranstaltungen empfehlen,<br />

die sich weiterbilden <strong>und</strong> nützliches Wissen über die öffentliche<br />

Verwaltung erwerben wollen, die offen s<strong>in</strong>d für ihre persönliche Weiterentwicklung<br />

<strong>und</strong> die bereit s<strong>in</strong>d, ihre eigene Sichtweise zu ändern.<br />

23


24<br />

Symmetrie des Dialogs<br />

Der Eiserne Vorhang ist weg, die Mauer <strong>in</strong> den Köpfen <strong>und</strong> Herzen<br />

ist noch da. So empf<strong>in</strong>det Slavistik-Professor Walter Koschmal<br />

von der Universität Regensburg das Verhältnis zwischen Ukra<strong>in</strong>e<br />

<strong>und</strong> <strong>Deutsch</strong>land, das noch von manchen Missverständnissen geprägt<br />

sei. „Wir müssen daher e<strong>in</strong>e Symmetrie des Dialogs herstellen<br />

<strong>und</strong> e<strong>in</strong>e emotionale B<strong>in</strong>dung schaffen“, fordert er. Wie das gehen<br />

könnte, war vom 11. bis 16. Oktober 2009 <strong>in</strong> Regensburg zu sehen.<br />

Koschmal veranstaltete <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit Partnern von der Nationalen<br />

Taras-Shevchenko-Universität Kiew den Workshop „Junge<br />

Ukra<strong>in</strong>e <strong>und</strong> Junges <strong>Deutsch</strong>land debattieren“, den der DAAD im<br />

Rahmen des Ukra<strong>in</strong>e-Programms unterstützte. Konzipiert <strong>und</strong> durchgeführt<br />

hat die Veranstaltung das Ost-West-Zentrum Europaeum der<br />

Universität, dessen Leiter Walter Koschmal ist.<br />

Je neun Studierende aus beiden Ländern nahmen teil. Die fachliche<br />

Mischung war bunt <strong>und</strong> reichte von Volkswirtschaftslehre über<br />

Wirtschaftsmathematik <strong>und</strong> Journalistik bis zur Philosophie. H<strong>in</strong>zu<br />

kamen zwei Teilnehmer<strong>in</strong>nen aus Frankreich. Vorangegangen war<br />

e<strong>in</strong>e zweimonatige Vorbereitungsphase, <strong>in</strong> der jeder Teilnehmer jeweils<br />

zwei Thesen für die Debatte formulierte <strong>und</strong> Vorträge konzipierte.<br />

„Wir wollten zeigen, wie das Leben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er demokratischen<br />

Gesellschaft laufen kann“, erläutert Walter Koschmal. Unter diesem<br />

Leitthema fanden Vorträge, Gruppenarbeiten <strong>und</strong> Spiele statt. Die<br />

Idee, die dah<strong>in</strong>ter steckt: <strong>Demokratie</strong> – <strong>in</strong> der postsowjetischen<br />

Transformation der Ukra<strong>in</strong>e – kann man nicht aus theoretischen<br />

Abhandlungen lernen, sondern durch <strong>in</strong>terkulturellen Dialog auf<br />

persönlicher Ebene. Maxim Gatskov, Absolvent des Europaeums aus<br />

Russland, setzte dies als Sem<strong>in</strong>arleiter um.<br />

Sprache als Schlüssel<br />

E<strong>in</strong>e Erkenntnis des Workshops: Die Sprache ist wichtig fürs Verständnis<br />

der jeweils anderen Kultur. Deshalb wünscht sich Walter Koschmal,<br />

dass mehr <strong>Deutsch</strong>e Ukra<strong>in</strong>isch lernen <strong>und</strong> nicht nur Russisch,<br />

das allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> der Ukra<strong>in</strong>e großen E<strong>in</strong>fluss hat. Aus diesem Gr<strong>und</strong><br />

erschien der Tagungsband ganz bewusst auf <strong>Deutsch</strong> <strong>und</strong> Ukra<strong>in</strong>isch.<br />

Und e<strong>in</strong>e weitere Lehre haben die Partner aus der Veranstaltung gezogen:<br />

Berufliche Kompetenzen, die später für die <strong>in</strong>ternationale Zusammenarbeit<br />

wichtig s<strong>in</strong>d, sollten geme<strong>in</strong>sam geschult werden.<br />

Am Schlusstag kam es zum Höhepunkt des Workshops: dem Turnierspiel,<br />

e<strong>in</strong>e der vielen Ideen des Sem<strong>in</strong>arleiters Maxim Gatskov. Vier<br />

gemischte Teams debattierten <strong>in</strong> zwei Spielr<strong>und</strong>en mite<strong>in</strong>ander <strong>und</strong>


gegene<strong>in</strong>ander, das Siegerteam erhielt e<strong>in</strong>en DVD-Sammelband zum<br />

Thema <strong>Demokratie</strong>. Die Studierenden debattierten über e<strong>in</strong>e Top-<br />

These, die aus den 36 vorbereiteten <strong>und</strong> zuvor <strong>in</strong> Rhetorikübungen<br />

e<strong>in</strong>studierten Thesen ausgewählt wurde: Wenn die Ukra<strong>in</strong>e <strong>in</strong> den<br />

nächsten 15 Jahren ke<strong>in</strong>e EU-Beitrittsperspektive bekommt, wird sie<br />

von Russland territorial gespalten. „Spannender als die Lösungsvorschläge<br />

waren oft bereits der Weg zu den Thesen <strong>und</strong> die Suche nach<br />

Pro- <strong>und</strong> Contra-Argumenten“, er<strong>in</strong>nert sich die Regensburger Politikstudent<strong>in</strong><br />

Sonja Plank, e<strong>in</strong>e der Teilnehmer<strong>in</strong>nen. Walter Koschmal<br />

stellte bei den Diskussionen außerdem fest, dass es <strong>in</strong> der Argumentation<br />

der jungen Studierenden ke<strong>in</strong>e Unterschiede mehr gebe – ganz<br />

im Gegensatz zum „offiziellen Ost-West-Dialog“ der Politiker.<br />

Walter Koschmal plant bereits e<strong>in</strong>e Nachfolgeveranstaltung, diesmal<br />

<strong>in</strong> Kiew, die sich mit zivilgesellschaftlichen Entwicklungen außerhalb<br />

politischer <strong>und</strong> staatlicher E<strong>in</strong>richtungen beschäftigen soll. Auch Dr.<br />

Oleksandr Ivanov, Historiker an der Taras-Shevchenko-Universität <strong>in</strong><br />

Kiew <strong>und</strong> zugleich Leiter des Akademischen Auslandsamtes, begrüßt<br />

die Pläne: „Initiative <strong>und</strong> Engagement von Professor Walter Koschmal<br />

<strong>und</strong> die F<strong>in</strong>anzierung des DAAD verdienen besondere Würdigung,<br />

<strong>und</strong> ich freue mich auf neue geme<strong>in</strong>same <strong>Projekte</strong>.“<br />

Projekt<strong>in</strong>fo<br />

Fachgebiet:<br />

Europawissenschaften<br />

E<strong>in</strong>richtung:<br />

Europaeum – Ost-West-Zentrum<br />

der Universität Regensburg<br />

Projektkoord<strong>in</strong>ation:<br />

Prof. Dr. Walter Koschmal<br />

www.uni-regensburg.de/Fakultaeten/phil_Fak_IV/<br />

Slavistik/<strong>in</strong>stitut/koschmal<br />

Partner:<br />

Nationale Taras-Shevchenko-Universität Kiew<br />

Geförderte Personen:<br />

1 <strong>Deutsch</strong>er, 11 Ausländer<br />

Im Rahmen der DAAD-Förderung für das Workshop-Projekt verbrachte<br />

Oleksandr Ivanov im Sommer 2009 e<strong>in</strong>en zweiwöchigen Forschungsaufenthalt<br />

an der Universität Regensburg. Dort bereitete er nicht nur<br />

den Workshop mit vor, sondern befasste sich auch mit neuester Literatur<br />

über deutsche <strong>und</strong> europäische Geschichte. Dadurch konnte er<br />

den Lehr<strong>in</strong>halt se<strong>in</strong>er Uni-Kurse erweitern <strong>und</strong> aktualisieren sowie an<br />

se<strong>in</strong>em <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong>n Lehrbuch über die jüngste deutsche Geschichte<br />

seit 1989 weiterarbeiten.<br />

25


26<br />

Fit für Europa<br />

Wie funktioniert die europäische Wirtschaft? Wor<strong>in</strong> unterscheiden<br />

sich Europas Kulturen vone<strong>in</strong>ander? Wie sieht das EU-<br />

Recht aus? Studierende an der Universität des Saarlandes können<br />

diese Kenntnisse mit Hilfe des „Europaicum“ erwerben. Das Zertifikat<br />

besche<strong>in</strong>igt die Teilnahme an besonderen Lehrveranstaltungen <strong>und</strong><br />

damit Kenntnisse r<strong>und</strong> um Europas Sprachen, Wirtschaft, Geschichte,<br />

Politik <strong>und</strong> Kultur. E<strong>in</strong> spezielles „Europa-Ukra<strong>in</strong>e-Europaicum“<br />

richtete sich e<strong>in</strong>malig auch an Studierende der <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong>n Partnerhochschule<br />

Petro-Mohyla-Schwarzmeeruniversität <strong>in</strong> Mykolajiw.<br />

„Wir wollen europäisches Bewusstse<strong>in</strong> <strong>in</strong> Regionen exportieren,<br />

die noch nicht so lange Erfahrungen mit demokratischen Systemen<br />

haben“, erklärt Projektkoord<strong>in</strong>ator Professor Roland Marti von der<br />

Fachrichtung Slavistik an der Universität des Saarlandes. R<strong>und</strong> 20<br />

<strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong> Studierende verschiedener Fakultäten haben an den<br />

Blocksem<strong>in</strong>aren <strong>in</strong> unterschiedlichen Diszipl<strong>in</strong>en <strong>in</strong> Saarbrücken <strong>und</strong><br />

Mykolajiw teilgenommen. Zudem haben zwei Gastwissenschaftler<strong>in</strong>nen<br />

für zwei Monate an der Universität des Saarlands ihre Forschung<br />

im Bereich Politikwissenschaft vorangetrieben <strong>und</strong> sich an zahlreichen<br />

Sem<strong>in</strong>aren beteiligt. Zugleich bereiteten sie zwei eigene Lehrveranstaltungen<br />

zur <strong>Zivilgesellschaft</strong> sowie zum Thema <strong>Demokratie</strong><br />

<strong>und</strong> Medien vor, die sie später im Rahmen des „Europa-Ukra<strong>in</strong>e-Europaicum“<br />

<strong>in</strong> Mykolajiw hielten.<br />

„In der Ukra<strong>in</strong>e, <strong>in</strong> der sich <strong>Demokratie</strong> gerade entwickelt, s<strong>in</strong>d solche<br />

Ausbildungsprogramme von größter Bedeutung“, me<strong>in</strong>t die 24-jährige<br />

Teilnehmer<strong>in</strong> Kateryna Starodub, die an der Petro-Mohyla-Schwarzmeeruniversität<br />

Allgeme<strong>in</strong>e Sprachwissenschaft studiert. „Denn die<br />

Mehrheit der Bevölkerung wurde <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Zeit ohne <strong>Demokratie</strong> geboren<br />

<strong>und</strong> muss lernen, sich <strong>in</strong> dieser neuen Welt zurechtzuf<strong>in</strong>den.“<br />

Anregungen <strong>und</strong> Antworten<br />

Mit Sem<strong>in</strong>aren zu verschiedenen Themenblöcken wie „Interkulturelle<br />

Wirtschaftskommunikation“ oder „Herausforderungen der Europäischen<br />

Integration“ bot das „Europa-Ukra<strong>in</strong>e-Europaicum“ dazu viele<br />

Anregungen. „Ich habe viel über Europa gelernt <strong>und</strong> Antworten auf<br />

dr<strong>in</strong>gende Fragen <strong>in</strong> der <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong>n Gesellschaft bekommen“, me<strong>in</strong>t<br />

die 20-jährige Olesia Kompaniiets, die an der Petro-Mohyla-Schwarzmeeruniversität<br />

den Studiengang Internationale Beziehungen belegt.<br />

„Viele Menschen <strong>in</strong> der Ukra<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>d enttäuscht, dass die Unabhängigkeit<br />

nicht den erwarteten Wohlstand gebracht hat“, sagt die


Student<strong>in</strong>. „Doch sie müssen selbst etwas dafür tun, um die wirtschaftliche<br />

Entwicklung <strong>und</strong> den Demokratisierungsprozess voranzutreiben.“<br />

Die meisten Menschen über 30 seien jedoch aufgr<strong>und</strong><br />

der kommunistischen Vergangenheit gewohnt, auf Instruktionen von<br />

„oben“ zu warten. Zudem fehle den meisten Menschen das Vertrauen<br />

<strong>in</strong> das Gesetz, denn sie verb<strong>in</strong>den damit mehr Machtausübung als<br />

Gerechtigkeit.<br />

Viele Konfliktzonen<br />

Zur Vergangenheitsbewältigung gehört auch die Lösung des herrschenden<br />

Sprachkonflikts. „Die offizielle Landessprache ist Ukra<strong>in</strong>isch,<br />

doch e<strong>in</strong>e, auch politisch, sehr starke M<strong>in</strong>derheit spricht<br />

weiterh<strong>in</strong> Russisch“, erklärt Roland Marti. Die fühlt sich seit der<br />

Unabhängigkeit 1990 unterdrückt, während das vorher für die ukra<strong>in</strong>ischsprachige<br />

Bevölkerungsgruppe galt. Man müsse aufe<strong>in</strong>ander<br />

zugehen, die Ukra<strong>in</strong>e könne hier von der deutschen Geschichte lernen,<br />

so Marti. So war das deutsch-französische Verhältnis lange Zeit<br />

sehr gespannt. Frankreich versuchte, das Saarland als Pufferzone<br />

zwischen sich <strong>und</strong> <strong>Deutsch</strong>land zu halten. Doch irgendwann habe<br />

die französische Seite e<strong>in</strong>gesehen, dass man sich politisch gegen<br />

Projekt<strong>in</strong>fo<br />

Fachgebiet:<br />

Slavistik<br />

E<strong>in</strong>richtung:<br />

Universität des Saarlandes<br />

Projektkoord<strong>in</strong>ation:<br />

Prof. Dr. Roland Marti<br />

www.uni-saarland.de/fak4/fr44/allgeme<strong>in</strong>.html<br />

Partner:<br />

Petro-Mohyla-Schwarzmeeruniversität Mykolajiw<br />

Geförderte Personen:<br />

5 <strong>Deutsch</strong>e, 2 Ausländer<br />

den Willen der Bevölkerung nicht durchsetzen kann. Aus friedlicher<br />

Koexistenz ist heute e<strong>in</strong>e länderübergreifende Zusammenarbeit geworden,<br />

<strong>und</strong> es hat sich e<strong>in</strong> regionales Bewusstse<strong>in</strong> entwickelt.<br />

Genau das war für Olesia Kompaniiets e<strong>in</strong> Schlüsselerlebnis. Auf e<strong>in</strong>er<br />

Fahrt von Luxemburg nach <strong>Deutsch</strong>land hörte sie im Radio, wie<br />

der Moderator alle E<strong>in</strong>wohner der Saarland-Lothr<strong>in</strong>gen-Luxemburg-<br />

Region willkommen hieß. „Das mag für die Menschen dort normal<br />

se<strong>in</strong>, aber für mich war es bezeichnend, wie wichtig Kooperation <strong>und</strong><br />

Zusammenhalt über Ländergrenzen h<strong>in</strong>weg <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>schaft<br />

s<strong>in</strong>d.“<br />

27


Gesetzliche Gr<strong>und</strong>lagen<br />

Den Rechtsstaat ausbauen


Neuland betreten<br />

Für viele <strong>in</strong> <strong>Deutsch</strong>land war die Ukra<strong>in</strong>e e<strong>in</strong> unbekanntes Land“,<br />

sagt Ulrich Ernst, Geschäftsführer der Schule des <strong>Deutsch</strong>en<br />

Rechts (SDDR) an der Jagiellonen-Universität Krakau. 2007 hatte die<br />

Schule – e<strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>schaftsprojekt der Universitäten Krakau, Ma<strong>in</strong>z<br />

<strong>und</strong> Heidelberg – ihre Aktivitäten auf die Ukra<strong>in</strong>e ausgedehnt. Seitdem<br />

vermittelt sie nicht nur polnischen, sondern auch <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong>n<br />

Studierenden Gr<strong>und</strong>lagen des deutschen Rechtssystems. 2009<br />

förderte der DAAD im Rahmen des Programms „Unterstützung der<br />

<strong>Demokratie</strong> <strong>in</strong> der Ukra<strong>in</strong>e“ zwei Veranstaltungen: die zweiwöchige<br />

Kiewer Sommerschule über „Recht <strong>in</strong> <strong>Deutsch</strong>land“ <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Sem<strong>in</strong>ar<br />

zum Medienrecht <strong>in</strong> Ma<strong>in</strong>z.<br />

Die 1998 gegründete SDDR will junge Juristen motivieren, sich für<br />

e<strong>in</strong>e Tätigkeit im deutschen Sprachraum <strong>und</strong> bei europäischen Institutionen<br />

ausbilden zu lassen. Mit dem polnischen Nachwuchs läuft<br />

das sehr erfolgreich. „Daher bauen wir die Kooperation mit unserem<br />

<strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong>n Partner, der Mohyla-Akademie Kiew, schrittweise nach<br />

diesem Vorbild aus“, erklärt Ulrich Ernst, zugleich DAAD-Fachlektor<br />

für Jura <strong>in</strong> Krakau.<br />

Die ersten Erfolge s<strong>in</strong>d bereits sichtbar. So steigt das Interesse an<br />

der jährlichen Sommerschule: Anfangs bewarben sich r<strong>und</strong> 20, nun<br />

s<strong>in</strong>d es etwa 30 Interessenten. 2009 wurden 19 Studierende <strong>und</strong><br />

Doktoranden zugelassen. Neben e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>wöchigen Sprachkurs<br />

erhielten sie e<strong>in</strong>en Überblick über Privatrecht, Öffentliches Recht<br />

<strong>und</strong> die Rolle <strong>Deutsch</strong>lands <strong>in</strong> der Europäischen Union. „Die besten<br />

Teilnehmer möchten wir für e<strong>in</strong> Aufbaustudium <strong>in</strong> <strong>Deutsch</strong>land<br />

gew<strong>in</strong>nen“, sagt der Heidelberger Jura-Professor Peter-Christian<br />

Müller-Graff. Er ist e<strong>in</strong>er der Direktoren der Schule des <strong>Deutsch</strong>en<br />

Rechts <strong>und</strong> Dozent bei der Kiewer Sommerschule.<br />

Zur Vertiefung der Kontakte dienen die trilateralen Sem<strong>in</strong>are. An<br />

der Premiere im Juli 2009 <strong>in</strong> Ma<strong>in</strong>z nahmen 17 Studierende <strong>und</strong> ihre<br />

Betreuer aus Heidelberg, Ma<strong>in</strong>z, Krakau <strong>und</strong> Kiew teil. Im Mittelpunkt<br />

stand der verfassungsrechtliche Schutz der Me<strong>in</strong>ungs- <strong>und</strong> Pressefreiheit<br />

– für die Ukra<strong>in</strong>er zum Teil Neuland. „Medienrecht ist bei uns<br />

e<strong>in</strong> neuer Rechtszweig“, sagt die Kiewer Jura-Student<strong>in</strong> Sofiya Shavlak.<br />

Zum viertägigen Programm gehörten zudem Führungen durch<br />

das Ma<strong>in</strong>zer Gutenberg-Museum <strong>und</strong> den Südwestr<strong>und</strong>funk sowie<br />

29


30<br />

Ausflüge. „Wir wollen den wissenschaftlichen <strong>und</strong> den persönlichen<br />

Austausch fördern. Beides ist w<strong>und</strong>erbar gelungen“, zeigt sich Mitorganisator<br />

Peter-Christian Müller-Graff mehr als zufrieden.<br />

Brücke zwischen den Rechtskulturen<br />

Geplant s<strong>in</strong>d weitere Sem<strong>in</strong>are, geme<strong>in</strong>same Publikationen <strong>und</strong><br />

Aufenthalte <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong>r Gastwissenschaftler. 2009 forschte die<br />

Rechtswissenschaftler<strong>in</strong> Anna Khvorostjank<strong>in</strong>a von der Mohyla-<br />

Akademie mehrere Wochen <strong>in</strong> Heidelberg <strong>und</strong> Ma<strong>in</strong>z über die Theorie<br />

der Menschenrechte. Künftig soll sie als deutschsprachige Kontaktperson<br />

<strong>und</strong> Koord<strong>in</strong>ator<strong>in</strong> <strong>in</strong> Kiew wirken. E<strong>in</strong>e weiteres B<strong>in</strong>deglied<br />

im Netzwerk ist Olena Shabliy. Sie gehörte zu den drei besten Absolventen<br />

der Sommerschule 2009. Dabei ist die Dozent<strong>in</strong> an der Taras-<br />

Shewtchenko-Universität Kiew ke<strong>in</strong>e Jurist<strong>in</strong>, sondern Germanist<strong>in</strong><br />

– allerd<strong>in</strong>gs mit enger B<strong>in</strong>dung an die Rechtswissenschaften. Sie befasst<br />

sich mit „Landesk<strong>und</strong>e der deutschsprachigen Länder, Rechtsl<strong>in</strong>guistik<br />

<strong>und</strong> Rechtsübersetzung“.<br />

Olena Shabliy will geme<strong>in</strong>sam mit deutschen <strong>und</strong> <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong>n Kollegen<br />

e<strong>in</strong>e Brücke zwischen den beiden Rechtskulturen bauen. „Viele deutsche<br />

Projekt<strong>in</strong>fo<br />

Fachgebiet:<br />

Rechtswissenschaften<br />

E<strong>in</strong>richtung:<br />

Universität Heidelberg<br />

Koord<strong>in</strong>ation:<br />

Prof. Dr. Dres. h.c. Peter-Christian Müller-Graff<br />

www.igw.uni-heidelberg.de/lehrstuehle/prof_mg<br />

Partner:<br />

Schule des <strong>Deutsch</strong>en Rechts, Heidelberg/Krakau/<br />

Ma<strong>in</strong>z<br />

Nationale Universität Mohyla-Akademie Kiew<br />

(Ukra<strong>in</strong>e)<br />

Jagiellonen-Universität Krakau (Polen)<br />

Geförderte Personen:<br />

4 <strong>Deutsch</strong>e, 34 Ausländer<br />

Rechtsbegriffe gelangen erst über die englische Sprache <strong>in</strong> das <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong><br />

Rechtssystem. Dadurch geht vieles an Bedeutung verloren“,<br />

sagt Olena Shabliy. Die Sommerschule hat ihr geholfen, ihr Wissen<br />

über das deutsche Recht zu vertiefen, Lehrmaterialien <strong>und</strong> Quellen zu<br />

sammeln sowie Kontakte zu Rechtswissenschaftlern zu knüpfen. 2010<br />

hat sie ihr Wissen weitergegeben: als Sprachlehrer<strong>in</strong> bei der Kiewer<br />

Sommerschule <strong>und</strong> als Betreuer<strong>in</strong> beim trilateralen Sem<strong>in</strong>ar <strong>in</strong> Krakau.<br />

Wissen vertieft, Kontakte geknüpft: <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong> Student<strong>in</strong>nen<br />

bei der Kiewer Sommerschule


Unerwartet großes Interesse<br />

Sofiya Shavlak studiert Jura an der Mohyla-Akademie Kiew. Der<br />

Kontakt zur Akademie entstand über die Sommerschule „Recht<br />

<strong>in</strong> <strong>Deutsch</strong>land“ <strong>in</strong> Kiew, die die Ukra<strong>in</strong>er<strong>in</strong> 2008 erfolgreich besuchte.<br />

E<strong>in</strong> Jahr später nahm sie am <strong>Deutsch</strong>-Polnisch-Ukra<strong>in</strong>ischen<br />

Sem<strong>in</strong>ar zum Medienrecht <strong>in</strong> Ma<strong>in</strong>z teil.<br />

Warum haben Sie sich für das Sem<strong>in</strong>ar <strong>in</strong> Ma<strong>in</strong>z beworben?<br />

Von dem Sem<strong>in</strong>ar hatte ich bereits <strong>in</strong> der Sommerschule <strong>in</strong> Kiew gehört.<br />

Die Sommerschule gefiel mir sehr gut, die Unterrichtsweise<br />

war ganz anders als an me<strong>in</strong>er damaligen Hochschule. Das Sem<strong>in</strong>ar<br />

erschien mir daher als gute Fortsetzung.<br />

Wie wichtig s<strong>in</strong>d solche Veranstaltungen, <strong>in</strong>sbesondere für<br />

Nachwuchswissenschaftler?<br />

An solchen Sem<strong>in</strong>aren nehmen sehr begabte <strong>und</strong> erfolgreiche Studierende<br />

teil; viele streben e<strong>in</strong>e Karriere an der Universität an. Die<br />

neuen Erfahrungen <strong>und</strong> Kenntnisse aus den Sem<strong>in</strong>aren werden sie<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong> paar Jahren an ihre eigenen Studierenden weitergeben. Außerdem<br />

schaffen solche Veranstaltungen den Raum, künftige Kollegen<br />

aus anderen Ländern kennenzulernen.<br />

Was haben Sie persönlich mitgenommen?<br />

Es ist schwer, etwas Konkretes zu nennen, weil das ganze Sem<strong>in</strong>ar<br />

e<strong>in</strong>e sehr schöne Er<strong>in</strong>nerung ist. Neben dem Fachlichen habe ich e<strong>in</strong>iges<br />

über das wissenschaftliche Arbeiten dazugelernt. Sehr spannend<br />

waren die Diskussionen <strong>und</strong> Aktivitäten mit den Studierenden<br />

aus Polen <strong>und</strong> <strong>Deutsch</strong>land. Zu e<strong>in</strong>igen Teilnehmern habe ich nach<br />

wie vor Kontakt, ebenfalls zu Professoren. Ich war überrascht, wie<br />

<strong>in</strong>teressiert die Professoren an unserem Studium waren <strong>und</strong> wie viel<br />

sie über ihre eigene Arbeit erzählten. Das Sem<strong>in</strong>ar hat mich außerdem<br />

<strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Wunsch bestärkt, nach me<strong>in</strong>em Abschluss <strong>in</strong><br />

<strong>Deutsch</strong>land zu studieren. Im Herbst 2011 trete ich e<strong>in</strong> Master-of-<br />

Law-Aufbaustudium <strong>in</strong> Heidelberg an.<br />

31


32<br />

Das Recht zu den Bürgern br<strong>in</strong>gen<br />

Mit E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er demokratischen Verfassung legte die Ukra<strong>in</strong>e<br />

vor 20 Jahren e<strong>in</strong>en Gr<strong>und</strong>ste<strong>in</strong> auf ihrem Weg <strong>in</strong> die <strong>Demokratie</strong>.<br />

Nun gilt es, diesen rechtsstaatlichen Rahmen weiter mit Leben<br />

zu füllen – etwa durch die Etablierung e<strong>in</strong>er unabhängigen Justiz<br />

<strong>und</strong> e<strong>in</strong>es transparenten Rechtssystems. Anregungen dazu bot e<strong>in</strong><br />

rechtswissenschaftlicher Austausch mit Vorträgen <strong>und</strong> Diskussionen<br />

zwischen Dozenten <strong>und</strong> Studierenden der deutschen Universität<br />

Halle-Wittenberg, der Staatlichen Agraruniversität im <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong>n<br />

Sumy <strong>und</strong> der polnischen Universität Olsztyn. Bei dem fünftägigen<br />

Sem<strong>in</strong>ar <strong>in</strong> Halle erörterten die Teilnehmer Fragen <strong>und</strong> Probleme der<br />

rechtsstaatlichen Entwicklung <strong>in</strong> der Ukra<strong>in</strong>e <strong>und</strong> besuchten unter<br />

anderem das B<strong>und</strong>esverwaltungsgericht <strong>in</strong> Leipzig.<br />

„Die beteiligten drei Länder spiegeln die verschiedenen Entwicklungsstufen<br />

im europäischen Integrationsprozess <strong>und</strong> damit auch<br />

im jeweiligen Rechtssystem wider“, erklärt Professor Arm<strong>in</strong> Höland<br />

von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Halle-<br />

Wittenberg. <strong>Deutsch</strong>land ist langjähriges EU-Mitglied, Polen erst seit<br />

2004 <strong>und</strong> die Ukra<strong>in</strong>e hat schon e<strong>in</strong>mal Interesse an e<strong>in</strong>em Beitritt<br />

bek<strong>und</strong>et.“ Polen nehme daher nicht nur geografisch, sondern auch<br />

<strong>in</strong> der Entwicklung se<strong>in</strong>es Rechtssystems e<strong>in</strong>e mittlere Position zwischen<br />

<strong>Deutsch</strong>land <strong>und</strong> der Ukra<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>. Diese bef<strong>in</strong>de sich mitten im<br />

Wandel von e<strong>in</strong>er Sowjetrepublik zur europäischen <strong>Zivilgesellschaft</strong>.<br />

In der Ukra<strong>in</strong>e fehlen Mittler<br />

„In der Ukra<strong>in</strong>e kennen nur wenige Menschen ihre Rechte“, berichtet<br />

Arm<strong>in</strong> Höland. Daher haben sich die Sem<strong>in</strong>arteilnehmer unter anderem<br />

damit beschäftigt, wie Bürger zu ihrem Recht kommen <strong>und</strong> an<br />

wen sie sich wenden können. In <strong>Deutsch</strong>land berichten etwa Medien<br />

regelmäßig über Prozesse <strong>und</strong> Gerichtsentscheidungen <strong>und</strong> vermitteln<br />

auf diese Weise, welche Rechte die Bürger<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Bürger<br />

haben. Auch Verbraucherorganisationen <strong>in</strong>formieren hierzulande<br />

darüber, wie man sich im Streitfall verhalten soll. In der Ukra<strong>in</strong>e fehlen<br />

solche Mittler. „Schieds- <strong>und</strong> Schlichtungsstellen könnten dort<br />

den Zugang zum Recht erleichtern. Dazu müssen zum Beispiel Richter<br />

als Mediatoren speziell geschult werden“, me<strong>in</strong>t der Hallenser<br />

Rechtswissenschaftler.<br />

„Es ist verständlich, dass Unterschiede zwischen den Rechtssystemen<br />

der Länder bestehen“, sagt die Dekan<strong>in</strong> der Juristischen Fakultät


der Agraruniversität <strong>in</strong> Sumy, Professor<strong>in</strong> Svetlana Zapara, die an<br />

dem Sem<strong>in</strong>ar teilnahm. So gebe es zum Beispiel <strong>in</strong> <strong>Deutsch</strong>land e<strong>in</strong><br />

eigenes arbeitsgerichtliches Verfahren, <strong>in</strong> der Ukra<strong>in</strong>e h<strong>in</strong>gegen<br />

gehören Streitigkeiten im Beruf vor die allgeme<strong>in</strong>e Gerichtsbarkeit.<br />

„Die Ukra<strong>in</strong>e braucht Unterstützung <strong>in</strong> Form konkreter Hilfestellung<br />

beim Ausbau des Rechtstaats“, betont die <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong> Expert<strong>in</strong>. Aus<br />

ihrer Sicht ist das Dreiländer-Sem<strong>in</strong>ar das beste Beispiel dafür: „Die<br />

Ergebnisse fließen <strong>in</strong> Forschungsarbeiten <strong>und</strong> Gutachten der Wissenschaftler<br />

unserer Fakultät, die <strong>in</strong> den Sonderkommissionen für die<br />

Reform des Rechtssystems <strong>in</strong> der Ukra<strong>in</strong>e als Experten tätig s<strong>in</strong>d.“<br />

Sem<strong>in</strong>arergebnisse fließen <strong>in</strong> die Praxis e<strong>in</strong><br />

Svetlana Zapara <strong>und</strong> zwei weiteren Dozenten der Universität Sumy<br />

nutzten den Besuch <strong>in</strong> Halle außerdem für e<strong>in</strong>en mehrwöchigen<br />

wissenschaftlichen Forschungsaufenthalt. Dabei verglich sie unter<br />

anderem, auf welch unterschiedliche Weise Arbeitsverhältnisse <strong>in</strong><br />

<strong>Deutsch</strong>land <strong>und</strong> der Ukra<strong>in</strong>e geregelt werden. Und sie beschäftigte<br />

sich <strong>in</strong>tensiv damit, wie man Arbeitsrechtsstreitigkeiten hierzulande<br />

löst. Im Rahmen des Sem<strong>in</strong>ars hielt die Rechtswissenschaftler<strong>in</strong><br />

Projekt<strong>in</strong>fo<br />

Fachgebiet:<br />

Rechtswissenschaften<br />

E<strong>in</strong>richtung:<br />

Mart<strong>in</strong>-Luther-Universität Halle-Wittenberg<br />

Projektkoord<strong>in</strong>ation:<br />

Prof. Dr. Arm<strong>in</strong> Höland<br />

http://hoeland.jura.uni-halle.de<br />

Partner:<br />

Nationale Agraruniversität Sumy (Ukra<strong>in</strong>e)<br />

Universität Olsztyn (Polen)<br />

Geförderte Personen:<br />

3 <strong>Deutsch</strong>e, 11 Ausländer<br />

zudem e<strong>in</strong>en Vortrag über Probleme im Arbeits- <strong>und</strong> Wirtschaftsrecht<br />

<strong>in</strong> der Ukra<strong>in</strong>e.<br />

Denn Svetlana Zapara ist <strong>in</strong> ihrer <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong>n Heimat nicht nur als<br />

Dozent<strong>in</strong>, sondern auch als Richter<strong>in</strong> tätig; wie viele der <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong>n<br />

Dozenten, die an der Veranstaltung teilgenommen haben. „Sie <strong>und</strong><br />

die Studierenden s<strong>in</strong>d wichtige Multiplikatoren, die dazu beitragen<br />

können, dass das zarte Pflänzchen <strong>Demokratie</strong> <strong>in</strong> der Ukra<strong>in</strong>e stetig<br />

wächst“, so Arm<strong>in</strong> Höland.<br />

33


Wirtschaft <strong>und</strong> Verwaltung<br />

Das Wissen verbreiten


Sicher <strong>in</strong>vestieren<br />

<strong>Deutsch</strong>land zählt zu den wichtigsten Wirtschaftspartnern der<br />

Ukra<strong>in</strong>e: Mehr als 1000 deutsche Firmen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> dem osteuropäischen<br />

Land vertreten, r<strong>und</strong> 4,7 Milliarden Euro Direkt<strong>in</strong>vestitionen<br />

flossen aus <strong>Deutsch</strong>land <strong>in</strong> <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong> Unternehmen. Es könnten<br />

jedoch mehr se<strong>in</strong>, viele Investoren schrecken wegen der bestehenden<br />

Rechtsunsicherheit vor e<strong>in</strong>em Engagement zurück. Auf zwei<br />

Tagungen im Juni <strong>und</strong> Oktober 2009 erörterten deshalb Wissenschaftler<br />

vom Institut für Ostrecht <strong>in</strong> Regensburg <strong>und</strong> vom Institut für<br />

Gesetzgebung der Verchovna Rada, dem <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong>n Parlament, die<br />

rechtlichen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für Auslands<strong>in</strong>vestitionen – <strong>und</strong><br />

suchten geme<strong>in</strong>sam nach Lösungsansätzen, um das Investitionsklima<br />

zu verbessern.<br />

„Die Rechtslage <strong>in</strong> der Ukra<strong>in</strong>e ist typisch für die meisten GUS-Staaten:<br />

Für Auslands<strong>in</strong>vestitionen gelten spezielle Regelungen, um ihnen<br />

Rechtssicherheit <strong>und</strong> besonders günstige rechtliche Konditionen<br />

e<strong>in</strong>zuräumen“, sagt Antje Himmelreich, wissenschaftliche Referent<strong>in</strong><br />

für Russland, die Ukra<strong>in</strong>e <strong>und</strong> die sonstigen GUS-Staaten am Institut<br />

für Ostrecht. Experten sehen hier jedoch zahlreiche risikobehaftete<br />

Gesetzeslücken. H<strong>in</strong>zu kommen <strong>in</strong>transparente Vergabeverfahren<br />

<strong>und</strong> die Unsicherheit für Investoren, Rechtsansprüche auch durchsetzen<br />

zu können. „Die Ukra<strong>in</strong>e ist daher stark <strong>in</strong>teressiert, geeignete<br />

rechtliche Rahmenbed<strong>in</strong>gungen zu schaffen“, berichtet Antje<br />

Himmelreich. Der Austausch mit Wissenschaftlern anderer Länder<br />

<strong>und</strong> mit Praxisvertretern sei <strong>in</strong> diesem Zusammenhang von enormer<br />

Bedeutung für die <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong>n Experten.<br />

Entsprechend groß war das Interesse an der Veranstaltung: Zu den<br />

r<strong>und</strong> 100 Teilnehmern der ersten Tagung, die <strong>in</strong> Kiew stattfand, zählten<br />

neben Mitarbeitern des Instituts für Gesetzgebung auch Professoren<br />

<strong>und</strong> Dozenten mehrerer <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong>r Universitäten, Mitarbeiter<br />

von Behörden, Rechtsanwälte sowie Pressevertreter. Themen<br />

waren unter anderem die Erfolgs- <strong>und</strong> Risikofaktoren für ausländische<br />

Investoren <strong>und</strong> die Pr<strong>in</strong>zipien der rechtlichen Regulierung von<br />

Auslands<strong>in</strong>vestitionen <strong>in</strong> der Ukra<strong>in</strong>e. Die zweite Tagung fand <strong>in</strong> Regensburg<br />

statt. Dort erörterten die Teilnehmer, welche Schutzstandards<br />

für Investoren <strong>in</strong> den beiden Ländern bestehen, wie Korruption<br />

wirksam e<strong>in</strong>gedämmt werden kann sowie wie ausländische Gerichte<br />

<strong>und</strong> <strong>in</strong>ternationale Schiedsgerichte den Investor <strong>in</strong> der Praxis absichern<br />

können.<br />

35


36<br />

Alla Sanchenko, Leiter<strong>in</strong> der Abteilung für rechtliche Probleme der<br />

europäischen Integration des Instituts für Gesetzgebung, glaubt,<br />

dass effektive Aktivitäten zur Förderung von Auslands<strong>in</strong>vestitionen<br />

die soziale <strong>und</strong> wirtschaftliche Entwicklung der Ukra<strong>in</strong>e <strong>und</strong> die Integration<br />

des Landes <strong>in</strong> die Weltwirtschaft wesentlich vorantreiben<br />

können. „Die auf den Tagungen diskutierten <strong>und</strong> erarbeiteten Inhalte<br />

können die Basis für künftige Politikgestaltung, Gesetzgebung <strong>und</strong><br />

Entscheidungsf<strong>in</strong>dung auf verschiedensten Ebenen bilden“, sagt Alla<br />

Sanchenko.<br />

Wertvolle Impulse<br />

Durch den <strong>in</strong>tensiven Austausch ist die Partnerschaft zwischen dem<br />

Institut für Ostrecht <strong>und</strong> dem Institut für Gesetzgebung, die bereits<br />

seit 2005 besteht, noch enger geworden. „Wir konnten viele neue<br />

Kontakte <strong>in</strong> die Ukra<strong>in</strong>e knüpfen, auch zu zahlreichen anderen Institutionen“,<br />

sagt Antje Himmelreich. Es ist e<strong>in</strong> Netzwerk mit r<strong>und</strong> 100<br />

Personen entstanden, darunter auch Professoren der Universität Regensburg.<br />

Den Kontakt pflegen die Beteiligten zum Beispiel über e<strong>in</strong>e<br />

Mail<strong>in</strong>g-Liste. 2010 fand e<strong>in</strong> Folgeprojekt zum Thema „Mediation als<br />

Verfahren konsensualer Streitbeilegung“ mit zwei Veranstaltungen<br />

Projekt<strong>in</strong>fo<br />

Fachgebiet:<br />

Rechtswissenschaften<br />

E<strong>in</strong>richtung:<br />

Institut für Ostrecht München e.V. im Wissenschaftszentrum<br />

Ost- <strong>und</strong> Südosteuropa Regensburg<br />

Projektkoord<strong>in</strong>ation:<br />

Prof. Dr. Herbert Küpper<br />

Prof. Dr. Dres. h. c. Friedrich-Christian Schroeder<br />

www.ostrecht.de/<strong>in</strong>dex.php?id=26<br />

Partner:<br />

Institut für Gesetzgebung der Verchovna Rada<br />

der Ukra<strong>in</strong>e, Kiew<br />

Geförderte Personen:<br />

19 <strong>Deutsch</strong>e, 19 Ausländer<br />

<strong>in</strong> Regensburg <strong>und</strong> Kiew statt. Anträge für weitere Aktivitäten hat<br />

der DAAD bereits bewilligt. Die Zusammenarbeit mit dem Institut<br />

für Gesetzgebung hält Antje Himmelreich für e<strong>in</strong>en wirksamen Weg,<br />

um die Rechtsgr<strong>und</strong>lagen für sichere Investitionen zu schaffen: „Die<br />

Mitarbeiter des Instituts beraten das Parlament direkt bei der Gesetzgebungsarbeit<br />

<strong>und</strong> können hierbei aus dem Austausch wertvolle<br />

Impulse schöpfen.“


Die Denkweise verändern<br />

Der Rechtsanwalt Felix Rackwitz hat seit 2004 die <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong><br />

Niederlassung der Wirtschaftskanzlei Beiten Burkhardt aufgebaut.<br />

Mit se<strong>in</strong>en Kollegen hat er zahlreiche Investoren <strong>in</strong> der<br />

Ukra<strong>in</strong>e <strong>in</strong> Rechtsfragen begleitet – vom mittelständischen Unternehmer<br />

bis zur Großbank. Die Kanzlei engagierte sich auch bei der<br />

ersten Tagung <strong>in</strong> Kiew über Auslands<strong>in</strong>vestitionen.<br />

Herr Rackwitz, deutsche Geldgeber haben mehrere Milliarden<br />

Euro <strong>in</strong> der Ukra<strong>in</strong>e <strong>in</strong>vestiert. Wie lukrativ ist das osteuropäische<br />

Land für deutsche Investoren?<br />

Die Ukra<strong>in</strong>e ist e<strong>in</strong> großes Land <strong>und</strong> bietet zahlreiche <strong>in</strong>teressante Geschäftsmöglichkeiten.<br />

Das Potenzial ist riesig. Allerd<strong>in</strong>gs s<strong>in</strong>d viele Investoren<br />

zurückhaltend – denn die gefühlte Rechtsunsicherheit ist groß.<br />

Wo besteht aus Ihrer Sicht Handlungsbedarf?<br />

Die Ukra<strong>in</strong>e ist e<strong>in</strong> junges Land, das Recht bef<strong>in</strong>det sich noch <strong>in</strong> der<br />

Entwicklung. Neue Gesetze wären etwa im Bereich Steuerrecht<br />

oder Gesellschaftsrecht nötig. Insgesamt ist das geschriebene Gesetz<br />

jedoch besser, als viele glauben. Das Kernproblem ist die Rechtsanwendung.<br />

Es besteht e<strong>in</strong> dramatischer Unterschied zwischen dem<br />

geschriebenen Recht <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er konkreten Anwendung.<br />

Wie kann der wissenschaftliche Austausch mit dem Institut für<br />

Ostrecht zu e<strong>in</strong>er Lösung beitragen?<br />

Der Austausch ist sehr wichtig, um das Niveau der Rechtsanwendung<br />

zu heben. Besonders im Bereich der Ausbildung sollte der<br />

Schwerpunkt nicht auf dem Auswendiglernen von Gesetzestexten<br />

liegen, sondern vielmehr auf der konkreten Anwendung des Rechts<br />

– denn jeder Fall ist anders. <strong>Deutsch</strong>e Rechtswissenschaftler können<br />

hierzu viel beitragen. Dabei geht es ke<strong>in</strong>esfalls darum, deutsches<br />

Recht zu exportieren, sondern unsere Denkweise <strong>und</strong> die handwerklichen<br />

Fähigkeiten als Anwalt.<br />

Eckpfeiler erörtert: Die auf den Tagungen <strong>in</strong> Kiew <strong>und</strong> Regensburg erarbeiteten Inhalte<br />

könnten die Basis für künftige Regelungen von Auslands<strong>in</strong>vestitionen werden 37


38<br />

Vertrauensvolle Beziehungen<br />

Unter <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong>n Politik- <strong>und</strong> Verwaltungswissenschaftlern kursiert<br />

e<strong>in</strong> Scherz: Das Verwaltungssystem des Landes lasse sich<br />

nicht verstehen. Man könne aber zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong>mal darüber nachdenken.<br />

Da hierbei Anregungen aus anderen Ländern hilfreich se<strong>in</strong><br />

können, entstand der Kontakt zur Universität Rostock. Um sich auszutauschen<br />

<strong>und</strong> das jeweils andere System besser zu verstehen, trafen<br />

sich im Oktober 2009 <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong> <strong>und</strong> deutsche Wissenschaftler zur<br />

Herbstakademie „Ukra<strong>in</strong>e <strong>und</strong> <strong>Deutsch</strong>land – Politik <strong>und</strong> Verwaltung<br />

im Demokratischen Rechtsstaat“ <strong>in</strong> Rostock. Die Veranstaltung legte<br />

den Gr<strong>und</strong>ste<strong>in</strong> für den Aufbau <strong>in</strong>tensiver Kooperationen zwischen<br />

der deutschen Universität <strong>und</strong> dem Odessaer Regionalen Institut für<br />

öffentliche Verwaltung (ORIDU) – e<strong>in</strong>er der wichtigsten Institutionen<br />

für die Ausbildung der Spitzenbeamten des Landes.<br />

„Wir waren überrascht, wie deutlich die <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong>n Wissenschaftler<br />

Probleme ihres Landes ansprachen“, so der Organisator<br />

des Treffens, M<strong>in</strong>isterialdirigent Friedhelm Meyer zu Natrup. Der<br />

Politikwissenschaftler ist als Privatdozent am Institut für Politik- <strong>und</strong><br />

Verwaltungswissenschaften der Universität Rostock tätig. Dozenten<br />

beider Seiten hielten Vorträge zu Themen wie Korruption, Wissensmanagement,<br />

Good Governance oder Jugendpolitik. „Noch wichtiger<br />

<strong>Demokratie</strong> vor Ort: Während ihres <strong>Deutsch</strong>land-Aufenthalts besuchten die<br />

Gäste aus der Ukra<strong>in</strong>e auch den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern<br />

als die Sem<strong>in</strong>are war aber der persönliche Kontakt“, so Meyer zu<br />

Natrup. Man habe durch die Zusammenarbeit sehr vertrauensvolle<br />

Beziehungen geknüpft, die mittlerweile auch tiefe E<strong>in</strong>blicke <strong>in</strong> das<br />

<strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong> Verwaltungssystem erlaubten.<br />

Auch für die <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong> Professor<strong>in</strong> Natalya Kolisnichenko waren<br />

besonders die persönlichen Kontakte zu den deutschen Wissenschaftlern<br />

<strong>und</strong> die Besuche bei hiesigen Regionalverwaltungen <strong>in</strong>teressant.<br />

„Wenn man die D<strong>in</strong>ge mit eigenen Augen sieht, hat das


e<strong>in</strong>e ganz andere Qualität als das Wissen aus Lehrbüchern“, sagt die<br />

Wissenschaftler<strong>in</strong>, die <strong>in</strong> der Abteilung für Europäische Integration<br />

des ORIDU arbeitet. Sie könne nun <strong>in</strong> ihre Vorlesungen konkrete Beispiele<br />

aus <strong>Deutsch</strong>land <strong>in</strong>tegrieren. Auch ihre Studierenden habe der<br />

Austausch mit deutschen Wissenschaftlern extrem motiviert. „Uns<br />

ist es wichtig, dass wir nicht im kle<strong>in</strong>en Kreis von Wissenschaftlern<br />

tagen, sondern dass stets möglichst viele Studierende teilnehmen<br />

<strong>und</strong> mitdiskutieren“, erklärt Meyer zu Natrup.<br />

„<strong>Demokratie</strong> ist machbar“<br />

Inzwischen gab es bereits zwei weitere Tagungen, e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> Rostock<br />

<strong>und</strong> e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> Odessa. Hier standen für die Rostocker Forscher Besuche<br />

bei diversen <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong>n Verwaltungse<strong>in</strong>richtungen auf dem<br />

Programm. Geme<strong>in</strong>sam mit den <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong>n Dozenten haben die<br />

Rostocker Teilnehmer Lehrpläne ausgearbeitet. Die Rostocker Hochschullehrer<br />

s<strong>in</strong>d zudem e<strong>in</strong>geladen, <strong>in</strong> naher Zukunft an der Hochschule<br />

<strong>in</strong> Odessa zu unterrichten. „Es ist unser Ziel, den zukünftigen<br />

Spitzenbeamten e<strong>in</strong>e Idee davon zu vermitteln, wie man <strong>Demokratie</strong><br />

auch gegen Widerstände <strong>und</strong> <strong>in</strong> schwierigen Situationen ausüben<br />

kann“, sagt Meyer zu Natrup.<br />

Projekt<strong>in</strong>fo<br />

Fachgebiet:<br />

Politik-/Verwaltungswissenschaften<br />

E<strong>in</strong>richtung:<br />

Universität Rostock<br />

Projektkoord<strong>in</strong>ation:<br />

M<strong>in</strong>isterialdirigent Dr. Friedhelm Meyer zu Natrup<br />

www.wiwi.uni-rostock.de/ipv/<strong>in</strong>tpol/mitarbeiter/<br />

natrup<br />

Partner:<br />

Regionale Verwaltungsakademie, Odessa<br />

Geförderte Personen:<br />

14 Ausländer<br />

Dabei können sich die Rostocker Dozenten bereits über erste Erfolgsmomente<br />

freuen. So kam beispielsweise e<strong>in</strong> <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong>r Student<br />

auf Meyer zu Natrup zu <strong>und</strong> sagte ihm, er habe se<strong>in</strong>en Traum<br />

von e<strong>in</strong>er weiteren Demokratisierung der Ukra<strong>in</strong>e eigentlich schon<br />

aufgegeben. Der <strong>in</strong>tensive Austausch bei den Treffen habe ihn aber<br />

wieder motiviert, se<strong>in</strong>e Ziele weiterzuverfolgen. Meyer zu Natrup betont,<br />

dass <strong>Deutsch</strong>land für die Ukra<strong>in</strong>e der mit Abstand wichtigste<br />

Anknüpfungspunkt <strong>in</strong> der westlichen Hemisphäre <strong>und</strong> deshalb e<strong>in</strong><br />

wichtiger Partner für die demokratisch orientierten Kräfte im Land<br />

sei. „Wir müssen gegen die Mutlosigkeit ankämpfen <strong>und</strong> zeigen, dass<br />

<strong>Demokratie</strong> machbar ist“, so der Osteuropa-Experte.<br />

39


40<br />

Von Nachbarn lernen<br />

Ob Wasser, Boden oder Wald: Die nachhaltige Nutzung natürlicher<br />

Ressourcen ist lebenswichtig. Doch Strategien zu ihrem Schutz<br />

stehen derzeit auch <strong>in</strong> der Ukra<strong>in</strong>e nicht ganz oben auf der politischen<br />

Agenda. Hier ist unter anderem die Wissenschaft gefragt. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

kommt Ressourcenökonomie nicht als eigenständiges Fach <strong>in</strong> den<br />

Lehrplänen <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong>r Hochschulen vor. Um sowohl das Bewusstse<strong>in</strong><br />

für die Fachrichtung als auch für die Umweltprobleme <strong>in</strong> der Ukra<strong>in</strong>e<br />

<strong>und</strong> deren Folgen zu wecken, hat das Fachgebiet Ressourcenökonomie<br />

der Humboldt-Universität (HU) zu Berl<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>wöchigen<br />

Workshop <strong>in</strong> Kiew <strong>in</strong>itiiert <strong>und</strong> koord<strong>in</strong>iert.<br />

Im Fokus der im September 2009 durchgeführten <strong>und</strong> vom DAAD<br />

geförderten Veranstaltung „Develop<strong>in</strong>g multi-level and decentralized<br />

implementation capacity for natural resource management and environmental<br />

policies: A Contribution to polycentric governance <strong>in</strong> an<br />

emerg<strong>in</strong>g democracy“ stand das Management natürlicher Ressourcen<br />

nach demokratischen Pr<strong>in</strong>zipien. 19 überwiegend <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong><br />

Studierende <strong>und</strong> Doktoranden verschiedener Fachrichtungen – darunter<br />

Agrarökonomie, Management <strong>und</strong> Naturwissenschaften –<br />

nahmen teil. Projektkoord<strong>in</strong>ator Professor Konrad Hagedorn von der<br />

HU Berl<strong>in</strong> <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e sechs Kollegen aus Bulgarien, Polen, der Slowakei<br />

<strong>und</strong> der Ukra<strong>in</strong>e erläuterten zunächst Theorien der Ressourcenökonomie<br />

<strong>und</strong> stellten dann die Situation <strong>in</strong> Zentral- <strong>und</strong> Osteuropa<br />

sowie im Besonderen <strong>in</strong> der Ukra<strong>in</strong>e dar.<br />

Neues Wissen, neue Perspektiven<br />

In dem Land wurden zwar zu sowjetischen Zeiten Probleme wie Bodenerosion<br />

oder Süßwassermangel erkannt, mit der Unabhängigkeit<br />

kollabierte jedoch das System, Institute wurden geschlossen, die<br />

Verantwortung für das Ressourcenmanagement war lange Zeit nicht<br />

geklärt. Außerdem führte die Ukra<strong>in</strong>e damals e<strong>in</strong>e Umweltpolitik e<strong>in</strong>,<br />

die sich an den Standards der Europäischen Union orientiert. „Ihre<br />

Implementierung ist allerd<strong>in</strong>gs zentral organisiert. Sie bezieht die<br />

Bevölkerung nicht mit e<strong>in</strong>, ist daher nicht e<strong>in</strong>fach umsetzbar <strong>und</strong> erschwert<br />

zum Beispiel die Gründung von lokalen Umweltschutzgruppen“,<br />

erklärt Nataliya Stupak, Doktorand<strong>in</strong> bei Konrad Hagedorn <strong>und</strong><br />

Mitorganisator<strong>in</strong> des Workshops. Die gebürtige Ukra<strong>in</strong>er<strong>in</strong> lebt <strong>und</strong><br />

forscht schon seit mehreren Jahren <strong>in</strong> <strong>Deutsch</strong>land, beschäftigt sich<br />

aber weiter mit der Situation <strong>in</strong> der Ukra<strong>in</strong>e.


Bei den Workshopteilnehmern kamen nicht nur die Inhalte, sondern<br />

auch die Art der Präsentation gut an: „Ressourcenökonomie ist bei<br />

uns oft nur e<strong>in</strong> Bestandteil verschiedenster anderer Kurse. So hatten<br />

wir die Gelegenheit, aktuelle, strukturierte <strong>und</strong> vollständige Informationen<br />

zu bekommen“, sagt die <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong> Student<strong>in</strong> Alexandra<br />

Khalaim im Rückblick. Sehr hilfreich fand sie die vorgestellten Praxisbeispiele.<br />

„Diese Komb<strong>in</strong>ation aus Theorie <strong>und</strong> Praxis bedeutet für<br />

mich als Nachwuchsforscher<strong>in</strong>, Werkzeuge an die Hand bekommen<br />

zu haben <strong>und</strong> sie künftig korrekt nutzen zu können.“ Die Diskussion<br />

mit erfahrenen Wissenschaftlern über konkrete Probleme habe zudem<br />

für e<strong>in</strong> tieferes Verständnis der Zusammenhänge gesorgt.<br />

Besonders mit den Beispielen aus dem Nachbarland Polen setzten<br />

sich die Studierenden <strong>in</strong>tensiv ause<strong>in</strong>ander. „Polen ist bei der Umsetzung<br />

der EU-Standards e<strong>in</strong>en großen Schritt voraus, so dass die<br />

Ukra<strong>in</strong>e von diesen Erfahrungen lernen könnte“, erklärte Nataliya<br />

Stupak. An solchen Stellen zeigte sich auch, wie wichtig <strong>in</strong>ternationaler<br />

Austausch für die <strong>Demokratie</strong>bildung ist. „Gerade wir jungen<br />

Wissenschaftler können dieses neue Wissen manchmal nur bei<br />

solchen Workshops erlangen“, so Alexandra Khalaim. Für Nataliya<br />

Projekt<strong>in</strong>fo<br />

Fachgebiet:<br />

Umwelt-/Agrarwissenschaften<br />

E<strong>in</strong>richtung:<br />

Humboldt-Universität zu Berl<strong>in</strong><br />

Projektkoord<strong>in</strong>ation:<br />

Prof. Dr. Dr. h.c. Konrad Hagedorn<br />

www.agrar.hu-berl<strong>in</strong>.de/struktur/<strong>in</strong>stitute/wisola/<br />

fg/ress/mitarbeiter/Hagedorn<br />

Partner:<br />

Nationale Universität für Lebens- <strong>und</strong><br />

Umweltwissenschaften, Kiew<br />

Geförderte Personen:<br />

3 <strong>Deutsch</strong>e, 17 Ausländer<br />

Stupak war über den fachlichen Austausch h<strong>in</strong>aus noch etwas anderes<br />

<strong>in</strong>teressant: „Die <strong>ukra<strong>in</strong>ische</strong>n Studierenden waren zu Beg<strong>in</strong>n<br />

der Woche sehr zurückhaltend, haben nie etwas gefragt. Auch ich<br />

hatte noch gelernt, dass das, was der Professor sagt, nicht <strong>in</strong> Frage<br />

gestellt wird.“ Doch die Zurückhaltung sei bald verflogen, nachdem<br />

die Studierenden gemerkt hätten, dass Fragen <strong>und</strong> Diskussion erwünscht<br />

seien.<br />

41


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Geförderte Kooperationen 2010<br />

<strong>Deutsch</strong>e Hochschulen Projektleiter/<strong>in</strong> Ausländische Hochschulen<br />

Hochschule für Wirtschaft<br />

<strong>und</strong> Recht Berl<strong>in</strong> (HWR)<br />

Fachhochschule Erfurt Prof. Dr. Michaela Rißmann<br />

Prof. Dr. Oesten Baller Nationale Akademie für öffentliche Verwaltung Kiew<br />

Nationale Polytechnische Universität Lwiw<br />

Ivan-Franko-Universität Sambir<br />

Katholische Hochschule Freiburg Prof. Dr. Cornelia Kricheldorff Nationale Jurij-Fedkowytsch-Universität Czernowitz<br />

Universität Freiburg Prof. Dr. Juliane Besters-Dilger Nationale Ivan-Franko-Universität Lwiw<br />

Universität Gießen Prof. Dr. Mahulena Hofmann Nationale Taras-Shevchenko-Universität Kiew<br />

Universität Gött<strong>in</strong>gen Prof. Dr. Thomas Mann Nationale Universität der Inneren Angelegenheiten Charkiw<br />

Universität Heidelberg Prof. Dr. Peter-Christian Müller-Graff<br />

Nationale Universität Mohyla-Akademie Kiew<br />

Jagiellonen-Universität Krakau (Polen)<br />

Universität zu Köln Dr. Manfred Kops Nationale Universität Mohyla-Akademie Kiew<br />

Universität Konstanz Dr. Elisabeth Groß Nationale Taras-Shevchenko-Universität Kiew<br />

Pädagogische Hochschule Ludwigsburg Dr. Michael Gans Nationale Jurij-Fedkowytsch-Universität Czernowitz<br />

Hochschule Mittweida Prof. Dr. Michael Meub Staatliche Wirtschaftsuniversität Odessa<br />

Institut für Ostrecht München, Regensburg Prof. Dr. Herbert Küpper Institut für Gesetzgebung der Verhovna Rada der Ukra<strong>in</strong>e, Kiew<br />

Universität Regensburg Prof. Dr. Jerzy Mackow Nationale Pädagogische Dragomanov-Universität Kiew<br />

Universität Rostock Dr. Friedhelm Meyer zu Natrup Regionales Institut für öffentliche Verwaltung, Odessa<br />

Universität des Saarlandes Prof. Dr. Roland Marti Petro-Mohyla-Schwarzmeeruniversität Mykolajiw<br />

Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd Prof. Dr. Helmar Schöne Nationale L<strong>in</strong>guistische Universität Kiew<br />

Hochschule Vechta Prof. Dr. Peter Nitschke Nationale Taras-Shevchenko-Universität Kiew


Kontakt im DAAD<br />

Ljuba Konjuschenko<br />

Referat 322<br />

Moldau, Rumänien, Ukra<strong>in</strong>e,<br />

Länderübergreifende Programme Osteuropa, „Go East“<br />

Tel: +49 228 / 882 851<br />

Fax: +49 228 / 882 9851<br />

E-Mail: konjuschenko@daad.de<br />

www.daad.de<br />

Impressum<br />

Herausgeber<br />

DAAD<br />

<strong>Deutsch</strong>er Akademischer Austauschdienst<br />

Kennedyallee 50, 53175 Bonn<br />

www.daad.de<br />

Referat<br />

Moldau, Rumänien, Ukra<strong>in</strong>e, Länderübergreifende Programme Osteuropa , „Go East“<br />

Projektkoord<strong>in</strong>ation<br />

Dr. Peter Hiller, Ljuba Konjuschenko<br />

Redaktion<br />

Christian Hohlfeld, Trio MedienService, Bonn | www.trio-medien.de<br />

Autoren<br />

Boris Hänßler (11–17), Rosemarie Kappler (19–23), Silke Meny (40–41), Bernd Müller<br />

(24–25), Dietrich von Richhofen (35–39), Sab<strong>in</strong>e Wygas (26–27, 32–33)<br />

Bildnachweise:<br />

Beiten Burkhardt (37 o.); DAAD (10); DAAD/David Ausserhofer (40); dpa (18); Fachhochschule<br />

Erfurt (13, 14); Fotolia (27, 28); Golos Ukra<strong>in</strong>y (37 u.); Hochschule für Wirtschaft <strong>und</strong> Recht<br />

Berl<strong>in</strong> (21 l.); Ove Kjönsvik (34); Eric Lichtenscheidt (4); Mart<strong>in</strong>-Luther-Universität Halle-<br />

Wittenberg (32, 33); Mohyla-Akademie Kiew/Vladyslav Burbela (29 l., 30, 31 u.); Presseamt<br />

Münster (15 l.); privat (Titel, 7, 12, 17 o.,19, 20, 21 r., 22, 23, 26, 29 r., 31 o., 43); Universität<br />

Münster/Jens He<strong>in</strong>emann (15 r.); Universität Passau (16, 17 u.); Universität Regensburg (24,<br />

25); Universität Rostock (38, 39); Violetta Dirimanova (41); Yurudychna Gazeta (35)<br />

Gestaltung <strong>und</strong> Satz<br />

axeptDESIGN GbR, Berl<strong>in</strong> | www.axeptdesign.de<br />

Druck<br />

Brandenburgische Universitätsdruckerei <strong>und</strong> Verlagssgesellschaft, Potsdam<br />

2. Auflage Februar 2012 – 300<br />

© DAAD<br />

Pr<strong>in</strong>ted <strong>in</strong> Germany<br />

Diese Publikation wird aus Zuwendungen des Auswärtigen Amtes f<strong>in</strong>anziert.

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