Retro X - ein teilimplantierbares Hörsystem
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MARKT UND TECHNIK<br />
<strong>Retro</strong>X – <strong>ein</strong> <strong>teilimplantierbares</strong><br />
<strong>Hörsystem</strong><br />
Eine ungewöhnliche Schallleitung zeichnet das <strong>Retro</strong>X<br />
der Firma auric <strong>Hörsystem</strong>e aus: Sie erfolgt nicht über<br />
Schallschlauch und <strong>ein</strong>e Otoplastik, sondern über <strong>ein</strong>e<br />
implantierte Titanhülse direkt in den Gehörgang.<br />
■ Eine Titanhülse im Ohr<br />
Unter lokaler Betäubung wird <strong>ein</strong> zweiteiliges Titanhülsensystem<br />
retroaurikulär in das Weichteilgewebe des äußeren Ohres<br />
implantiert. Dieses verbindet den Raum hinter dem Ohr<br />
mit dem äußeren Gehörgang. Nach dem Abschluss der Wundheilung<br />
wird <strong>ein</strong> Hörprozessor auf die hinter der Ohrmuschel<br />
gelegene Öffnung der Titanhülse gesteckt. Der durch das digitale<br />
<strong>Hörsystem</strong> verstärkte Schall wird über die Titanhülse direkt<br />
in den Gehörgang geleitet. Da der Gehörgang durch diese<br />
Technik in s<strong>ein</strong>em Querschnitt nicht verändert wird stellt dies<br />
unterm Strich die radikalste Form der offenen Versorgung dar.<br />
Abb.2: Die Lage der Titanhülse<br />
Abb.1: <strong>Retro</strong>X: Titanhülse und<br />
Hörprozessor<br />
■ Eigenschaften des <strong>Retro</strong>X<br />
Okklusionseffekte, die von vielen Kunden als sehr unangenehm<br />
und gewöhnungsbedürftig erlebt werden, treten bei der<br />
Schallleitung durch die Titanhülse nicht auf, da der Gehörgang<br />
nicht verschlossen wird. Der auf natürlichem Wege über die<br />
Ohrmuschel in den Gehörgang reflektierte Schall wird auf s<strong>ein</strong>em<br />
Weg zum Trommelfell nicht behindert. Einzelne Frequenzanteile<br />
werden jedoch durch das <strong>Hörsystem</strong> verstärkt.<br />
Es eignet sich bauartbedingt vor allem für die Versorgung <strong>ein</strong>er<br />
Hochtonschwerhörigkeit, da durch die offene Versorgung die<br />
maximale Verstärkung im Tieftonbereich begrenzt ist.<br />
■ Kosmetische Aspekte<br />
Da k<strong>ein</strong> sichtbarer Schallschlauch in den Gehörgang führt,<br />
kann der kl<strong>ein</strong>e Hörprozessor nahezu unsichtbar hinter dem<br />
Ohr getragen werden. Dieser kosmetische Aspekt spielt für<br />
manchen Schwerhörigen sicher <strong>ein</strong>e große Rolle, hat jedoch<br />
auch s<strong>ein</strong>en Preis.<br />
Abb. 3. Ein Blick hinter das Ohr des Interviewpartners<br />
■ Hemmschwellen<br />
Eine gewisse Hemmschwelle stellt für potentielle Kunden<br />
die Implantation der Titanhülse durch die Gehörgangswand<br />
dar. Bei jüngeren piercingerfahrenen Betroffenen dürfte dies<br />
weniger Bedenken auslösen. Wie bei jedem Piercing besteht<br />
116 HÖRAKUSTIK DOZ 9-2005
das Risiko <strong>ein</strong>er Entzündung im Bereich des Implantats. Im<br />
Gegensatz zu den manchmal zweifelhaften hygienischen Bedingungen<br />
in Piercingstudios findet jedoch die Implantation<br />
bei <strong>ein</strong>em HNO-Arzt unter OP-Bedingungen statt. Nach Angaben<br />
der Firma auric <strong>Hörsystem</strong>e seien deshalb Entzündungen<br />
im Bereich des Implantates recht selten.<br />
Ein systembedingter Nachteil ist die Tatsache, dass nur <strong>ein</strong>e<br />
Ankoppelung der <strong>Retro</strong>X-Hörprozessoren an die Titanhülse<br />
möglich ist. Während an <strong>ein</strong>e Otoplastik HdO-Geräte aller Hersteller<br />
angekoppelt werden können, ist der Kunde bei <strong>ein</strong>er<br />
Entscheidung für das teilimplantierbare <strong>Hörsystem</strong> an das Angebotsspektrum<br />
der <strong>Retro</strong>X-Hörprozessoren gebunden.<br />
Abb. 4 Prof. Hoffmann im Interview mit Hans-Dieter Borowsky<br />
■ Interview mit Hans-Dieter Borowsky,<br />
Geschäftsführer auric <strong>Hörsystem</strong>e<br />
Prof. Hoffmann: Herr Borowsky, was ist das für <strong>ein</strong> Knopf<br />
hinter ihrem Ohr?<br />
H.-D. Borowsky: Es ist <strong>ein</strong> Teil <strong>ein</strong>es innovativen Hörgerätes.<br />
Sie sehen die mit <strong>ein</strong>em Blindstopfen verschlossene Titanhülse,<br />
die den Schall direkt und unsichtbar in den Gehörgang<br />
leitet.<br />
Prof. Hoffmann: Benötigen Sie denn selbst <strong>ein</strong> Hörgerät?<br />
H.-D. Borowsky: N<strong>ein</strong>, aber im Zuge der Entwicklung dieses<br />
<strong>Hörsystem</strong>s gem<strong>ein</strong>sam mit Dr. Wesendahl habe ich die<br />
Gewebeverträglichkeit und Funktionalität der <strong>ein</strong>zelnen Komponenten<br />
an mir selbst getestet. Nach Versuchen mit <strong>ein</strong>em<br />
Silikonschlauch und Teflon verwenden wir nun <strong>ein</strong>e zweiteilige<br />
Titanhülse mit <strong>ein</strong>em Außendurchmesser von 2,4 mm.<br />
Prof. Hoffmann: Wie fühlt sich denn dieser Knopf hinter<br />
dem Ohr an?<br />
H.-D. Borowsky: Ich spüre es gar nicht und diese Erfahrung<br />
machen auch unsere Patienten. Wir bekommen ab und zu<br />
durch Feuchtigkeit geschädigte Geräte, da vergessen wurde,<br />
den Prozessor vor dem Duschen abzunehmen.<br />
Prof. Hoffmann: Wie hört sich das <strong>Retro</strong>X im Vergleich zu<br />
<strong>ein</strong>em konventionellen Hörgerät an?<br />
H.-D. Borowsky: Es ist <strong>ein</strong> natürlicheres und offenes Hören.<br />
Die Patienten bestätigen immer wieder die Leichtigkeit<br />
Eckhard Hoffmann<br />
MARKT UND TECHNIK<br />
des Hörens und schildern, dass die Höranstrengung durch dieses<br />
System deutlich vermindert wird. Sie hören wie vorher, nur<br />
schärfer, klarer und heller und berichten über <strong>ein</strong>e deutlich verbesserte<br />
Sprachverständlichkeit, besonders in geräuschvoller<br />
Umgebung.<br />
Prof. Hoffmann: Und wie viel kostet so <strong>ein</strong> System?<br />
H.-D. Borowsky: Der Preis ist dem <strong>ein</strong>es High-End-<br />
Systems aus dem konventionellen Bereichs vergleichbar. Das<br />
System kostet <strong>ein</strong>schließlich der Titanhülse etwa 2000,– bis<br />
2500,– Euro. Hinzu kommen die Kosten für die Implantation<br />
der Titanhülse von rund 500,– Euro.<br />
Prof. Hoffmann: Werden die Kosten von den Krankenkassen<br />
übernommen?<br />
H.-D. Borowsky: Das hängt von der Kasse ab. Viele übernehmen<br />
den Standardsatz für <strong>ein</strong>e Hörgeräteversorgung, in<br />
manchen Fällen werden die Kosten auch komplett übernommen.<br />
Der Antrag für den Eintrag in den Hilfsmittelkatalog ist<br />
von unserer Seite bereits gestellt.<br />
Prof. Hoffmann: Herzlichen Dank für das Gespräch!<br />
Unentbehrlich!<br />
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Tel. (0 62 21) 90 5170, Fax 90 5171<br />
DOZ 9-2005 HÖRAKUSTIK 117