Nutrition-Press
Zukunft beginnt jetzt!
Zukunft beginnt jetzt!
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Ausgabe Nr. 7 – September 2015 · 4,95 Euro · ISSN 2195-8505<br />
www.nutrition-press.com<br />
<strong>Nutrition</strong>-<strong>Press</strong><br />
Fachzeitschrift für Mikronährstoffe<br />
Dr. Uwe Greulach<br />
Die BELFRIT-Liste<br />
und die Situation<br />
in Deutschland<br />
Anna Schwarz<br />
Epigenetik –<br />
auch Gene haben<br />
ein Gedächtnis<br />
Manfred Scheffler<br />
Zukunft beginnt<br />
jetzt!<br />
Mikronährstoffe<br />
Vitalstoffe<br />
Nahrungsergänzungsmittel<br />
Hersteller und Vertriebe<br />
Die BELFRIT-Liste: Schöne euro päische<br />
Einigkeit oder doch nicht?
NEM e.V.<br />
Jetzt anno 2015 ist unser Verband bereits 9 Jahre für den<br />
Mittelstand der Gesundheitsbranche erfolgreich aktiv. Der<br />
jährliche Branchentreff – unsere Workshops für lebensmittelrechtliche<br />
und ernährungswissenschaftliche Themen<br />
und eben mittelstandsorientierte Themen – beschränkt<br />
sich nicht auf Erläuterungen, sondern setzt Maßstäbe für<br />
unsere Gesellschaft.<br />
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Freiheit für<br />
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5. Verkehrsfähigkeitsprüfungen von wettbewerbsrechtlichen Fragen, Prüfungen von<br />
Werbebroschüren .<br />
6. Erstellung von Gutachten hinsichtlich lebensmittelrechtlicher Fragen, Geschäftsvertragsprüfung<br />
von Angeboten, Aufträgen, Rechnungen etc., Prüfung von Webseiten, Online-<br />
Shops etc., Prüfung von AGBs, Vertragsgestaltung Herstellungsverträge und Vertriebsverträge.<br />
7. Juristische Beratung bei Abmahnungen durch Wettbewerber, Verbraucherverbände,<br />
Behörden etc.<br />
8. Anmeldungsberatung von Health Claims.<br />
9. Anmeldungsberatung von diätetischen Lebensmitteln.<br />
10. Beratung bei gesetzlichen Verstößen, Bußgeldern, bei strafrechtlichen Fällen.<br />
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Verband der Branche<br />
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finden Sie unter: www.nem-ev.de<br />
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Vertretung für<br />
den Mittelstand<br />
NEM Verband mittelständischer europäischer Hersteller und Distributoren<br />
von Nahrungsergänzungsmitteln & Gesundheitsprodukten e. V.<br />
Horst-Uhlig-Straße 3 · D-56291 Laudert · Telefon +49 (0)6746/80298-20<br />
Telefax +49 (0)6746/80298-21 · E-Mail: info@nem-ev.de<br />
www.nem-ev.de
Editorial<br />
Die Zukunft beginnt jetzt!<br />
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,<br />
die Zukunft beginnt natürlich jeden Tag aufs Neue. Dies<br />
natürlich auch im Gesundheitsmarkt. Die Forschung gesunder<br />
Ernährung geht ständig voran. Weltweit wimmelt es<br />
von Studien. Der Mittelstand braucht dies nur zu nutzen im<br />
Sinne eines gesunden Verbraucherschutzes.<br />
Gesundes Altern schreitet unaufhaltsam voran, ob die Zögerer,<br />
Zauderer oder Behinderer es wollen oder nicht.<br />
Warum sollten wir nicht eines Tages Methusalem mit frischem<br />
Aussehen erleben. Arbeiten wir dran!<br />
Nicht nur ständig neue Produktideen in der Ernährungskette<br />
entstehen, na klar, auch galenische Neuorientierungen<br />
nehmen ihren Platz ein.<br />
Klar doch auch rechtliche Neuerungen – durch den Mittelstand<br />
initiiert – bewegen sich nach vorn. Nahrungsergänzungsmittel<br />
müssen ja nicht alternativlos sein – ein Schelm,<br />
wer etwas Schlechtes denkt.<br />
Alles Negative wird zerbröseln und neue Energien werden<br />
mit gesundem Menschenverstand entstehen – wie Phönix<br />
aus der Asche. Altbewährtes erscheint in neuem Glanz, gebunden<br />
mit moderner Forschung.<br />
Denken Sie nur an die deutsche Energiewirtschaft. Über<br />
Nacht gab es die Wende. Weg von den Atommeilern hin zu<br />
alternativer Energie.<br />
Ein Start als Anfang für neue Gesundheitssicherheit wird<br />
sich im Gesundheitsmarkt entwickeln. Also mit anderen<br />
Worten: es wird sich hier auch vieles politisch verändern.<br />
Weg von eingefahrenen Wegen des Krankheitsmarktes<br />
(Konzerne, Krankenkassen, Politik) hin zu Prävention. Eine<br />
starke Säule des Gesundheitsmarktes<br />
sind gesunde Nährstoffe<br />
für den Menschen – wissenschaftlich<br />
belegt, bewiesen international.<br />
Persönlich habe ich gute Gespräche<br />
mit Ministerien führen können,<br />
wo wir tatsächlich ein offenes Ohr<br />
für Gesundheitsprävention gefunden<br />
haben. Wir arbeiten mit Mitgliedern<br />
des Fachbeirates an einem<br />
Gesundheitskonzept, das wir noch in diesem Jahr Entscheidern<br />
eines Ministeriums vorstellen wollen.<br />
Mittelstand und Verbraucher als strategische Einheit für die<br />
Gesundheit werden sich freuen können.<br />
Alle Behinderer von logischem Denken und Handeln werden<br />
mit offenem Mund staunen und die Klugen strahlen.<br />
Machen wir es so!<br />
Der Start in die Zukunft ist jetzt!<br />
Mit herzlichen Grüßen – und viel Gesundheit<br />
Ihr<br />
Manfred Scheffler<br />
Präsident NEM e.V.<br />
Manfred Scheffler<br />
Präsident NEM e.V.<br />
<strong>Nutrition</strong>-<strong>Press</strong> ist die offi zielle Zeitschrift des NEM e.V.<br />
Verband mittelständischer europäischer Hersteller und<br />
Distributoren von Nah rungs ergänzungsmitteln & Gesundheitsprodukten<br />
e.V.<br />
3
<strong>Nutrition</strong>-<strong>Press</strong><br />
Inhalt<br />
5 Die BELFRIT-Liste und die Situation in Deutschland • Dr. Uwe Greulach<br />
8 Spektroskopische Mineralienmessung<br />
Der individuelle Weg zur optimalen Vitalstoffversorgung • Ina Gutsch<br />
12 Weidenrinde – auf natürliche Weise gegen Fieber, Schmerzen und Entzündungen<br />
17 Coenzym Q10 • Cristin Meyer<br />
21 Epigenetik – auch Gene haben ein Gedächtnis • Anna Schwarz<br />
25 ORAC – die neue Qualitätsdimension • Dr. rer. nat. Cornelia Friese-Wehr<br />
30 Neuste BGH-Rechtsprechung • Dr. jur. Thomas Büttner<br />
34 Apothekenkunden • Kerstin Büttel<br />
37 Der Wert von Social-Media-Marketing für Unternehmen • Michael Ahmadi<br />
40 Nutra India Summit 2015 • Hon. Prof. Dr. Helmut Weidlich<br />
43 Aktuelle Entwicklung im Erbschaftsteuerrecht • Günter Heenen, Carsten Stritzel<br />
48 Kontrolle des Internetverhaltens am Arbeitsplatz • Torsten Schink<br />
53 GESTIS-Biostoffdatenbank • BG RCI<br />
Impressum<br />
<strong>Nutrition</strong>-<strong>Press</strong><br />
Fachzeitschrift für Mikronährstoffe,<br />
Vitalstoffe, Nahrungsergänzungsmittel,<br />
Hersteller und Vertriebe<br />
Online-Ausgabe: ISSN 2195-8505<br />
Herausgeber: Elite Magazinverlags GmbH<br />
Boslerstraße 29 · 71088 Holzgerlingen<br />
Telefon:+49(0)7031/744-0 · Fax:+49(0)7031/744-195<br />
E-Mail: info@nutrition-press.com<br />
Chefredaktion: Bernd Seitz (V.i.S.d.P.)<br />
Leitender Redakteur: Manfred Scheffler<br />
Redaktion: Gabriele Thum M.A.<br />
Wissenschaftlicher Beirat:<br />
Dr. Gottfried Lange<br />
Prof. Dr. Kurt S. Zänker<br />
Juristischer Beirat: Dr. jur. Thomas Büttner<br />
Gastautoren:<br />
Michael Ahmadi<br />
Kerstin Büttel<br />
Dr. rer. nat. Cornelia Friese-Wehr<br />
Dr. jur. Thomas Büttner<br />
Dr. Uwe Greulach<br />
Ina Gutsch<br />
Günter Heenen<br />
Cristin Meyer<br />
Torsten Schink<br />
Anna Schwarz<br />
Carsten Stritzel<br />
Hon. Prof. Dr. Helmut Weidlichh<br />
Grafik/Layout: Melanie Wanner<br />
Anzeigenabteilung:<br />
Sandra Schneider, Telefon: +49 (0)7031/744-122<br />
E-Mail: info@nutrition-press.com<br />
Bildnachweis: fotolia.com, Roland Stolzmann,<br />
Biozoom Services GmbH<br />
Erscheinungsweise: 2 mal pro Jahr:<br />
Februar, September<br />
Einzelpreis: 4,95 Euro, zzgl. Versandkosten<br />
Bestellung der Print-Ausgabe: info@nem-ev.de<br />
Print-Ausgabe: ISSN 2196-1271<br />
Online-Magazin und Media-Daten:<br />
kostenlos unter www.nutrition-press.com<br />
Printed in Germany<br />
Copyright-Hinweis: Die gesamten Inhalte des Magazins<br />
sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte auf Konzept<br />
und Gestaltung: Elite Magazinverlags GmbH und NEM e.V..<br />
Vervielfältigungen jeglicher Art nur mit ausdrücklicher<br />
Genehmigung der Elite Magazinverlags GmbH<br />
und des NEM e.V.. (alle Anschriften siehe Verlag)<br />
Offizielles Magazin des NEM e.V.:<br />
NEM Verband mittelständischer europäischer<br />
Hersteller und Distributoren von Nahrungs ergänzungsmitteln<br />
& Gesundheitsprodukten e.V.<br />
Horst-Uhlig-Str. 3, 56291 Laudert<br />
Telefon: +49 (0)6746/80 29 82 0<br />
Fax: +49 (0)6746/80 29 82 1<br />
E-Mail: info@nem-ev.de<br />
Internet: www.nem-ev.de<br />
4<br />
www.nutrition-press.com
Recht<br />
Die BELFRIT Liste und<br />
die Situation in Deutschland:<br />
Oder können die Europäer<br />
nicht mit einer Stimme reden?<br />
Die Situation auf dem Feld der einsetzbaren NUTRACEUTICALS,<br />
also Grenzprodukte zwischen Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmittel,<br />
wird europäisch gesehen sehr uneinheitlich gehandhabt.<br />
S<br />
o haben die Niederlande eine Verbotsliste<br />
mit Wirkstoffen und Pflanzen und Pflanzenteilen<br />
herausgegeben.<br />
Die deutschen Behörden haben ein Bewertungsschema<br />
initiiert, das erstaunlicherweise gut handhabbar ist,<br />
wenn man etwas tiefer gräbt:<br />
Ein Beispiel:<br />
Ginkgo biloba<br />
Charakterisiert als xT in der Kategorie LM:<br />
Das bedeutet, konform mit der novel-food Liste der<br />
EFSA, daß es sich um eine Pflanze handelt, die als Lebensmittel<br />
vor 1997 auf dem europäischen Markt war.<br />
Dies gilt nur für den Pflanzenteil Blatt!<br />
Ist es aber das gleiche?<br />
xT bedeutet, daß die Verwendung als Tee bekannt war<br />
oder um in technischen Termini zu sprechen, als wässriger<br />
Extrakt des Ginkgoblattes.<br />
In der „novel-food“-Liste ist es aber als allgemeines<br />
Lebensmittel aufgeführt.<br />
Nun zur Abgrenzung:<br />
Die Abgrenzungskriterien sind<br />
folgende:<br />
„Anmerkungen:<br />
Negativmonographie für Ginkgoblätter sowie diverse<br />
alkoholische Extrakte aufgrund nicht ausreichender Belege<br />
zur Wirksamkeit bei gleichzeitig nicht auszuschließenden<br />
Risiken, Positivmonographie für standardisierten<br />
Aceton/ Wasser-Trockenextrakt, Indikation: Hirnorganisch<br />
bedingte Leistungsstörungen, dementielles Syndrom,<br />
Gedächtnisstörungen, Konzentrationsstörungen,<br />
depressive Verstimmungen, Schwindel, Ohrensausen,<br />
Kopf schmerzen, HMPC-Monographie in Bearbeitung,<br />
WHO-Monographie, ESCOPMonographie, Stufenplan des<br />
BfArM zu Ginkgo-biloba-Blätter-haltigen Arzneimitteln<br />
vom 27.5.1997, Stellungnahme des BfR: http: /www.bfr.<br />
bund.de/cm/343/die_sicherheit_von_ginkgoblaetter_<br />
haltigen_tees_kann_wegen_mangelnder_daten_nicht_<br />
beurteilt_werden.pdf"<br />
„Pharmakologisch wirksame Dosis;<br />
Kommission E, ESCOP, WHO: 120–240 mg Extrakt/Tag“<br />
5
<strong>Nutrition</strong>-<strong>Press</strong><br />
Sie haben alles verstanden?<br />
1) Es gibt einen standardisierten Extrakt, der Arzneimittel<br />
ist. Dieser wird von der Firma Schwabe bergestellt,<br />
die nicht müde wird zu betonen, daß nur Ihr Extrakt<br />
ein Arzneimittel mit den ausgelobten Wirkungen<br />
ist.<br />
• Dies ist vollkommen korrekt so, denn für alle anderen<br />
Extrakte gibt es diesen Nachweis nicht.<br />
• Die Wirkdosis dieses Extrakts beträgt 120 mg (Einzeldosis)<br />
aufwärts.<br />
Was sind dann aber die anderen Extrakte?<br />
• Laut den Anmerkungen potentiell gefährlich und unwirksam!<br />
Nur schauen wir uns die Situation an:<br />
Der wässrige Extrakt ist erlaubt – der alkoholische, wegen<br />
nebulöser Gefahren, nicht.<br />
Aber es gibt in der EU eine Verordnung, nach der bestimmte<br />
Lösungsmittel zur Herstellung von Lebensmittelextrakten<br />
erlaubt sind.<br />
Also ein Lebensmittel, das konform mit diesen Extraktionsmitteln<br />
extrahiert wurde, bleibt ein Lebensmittel.<br />
Aber woher kommen die Bedenken?<br />
Diese Bedenken fußen auf mehreren Artikeln, die über<br />
Extrakte berichten, die verschiedene Anreicherungsstufen<br />
und damit variierende Gingkolglykosid-Gehalte besitzen.<br />
Jemand der verantwortungsvoll mit diesem Thema<br />
umgeht, wird ohnehin auf die Angabe der Anreicherung<br />
zum Original bestehen.<br />
Daß andere „gefährliche“ Stoffe mit extrahiert werden<br />
können, beruht eher auf den Aussagen der Autoren, die<br />
über den Schwabe Extrakt berichten.<br />
Zugegebenermaßen war die Einschätzung der EMA zu<br />
Ginkgo noch nicht publiziert:<br />
Dort wird klar herausgestellt, daß nur der Schwabe-<br />
Extrakt ein Arzneimittel ab 240(!) mg Tagesdosis ist.<br />
Nebenbei bemerkt beträgt der Anreicherungsfaktor<br />
1: 51+/-16.<br />
Alle anderen Pulver und Extrakte (preparations) sind<br />
Arzneimittel der Kategorie „traditional use“, auf deutsch<br />
Präsentationsarzneimittel.<br />
• Für diese gilt aber diese Wirkdosis nicht!<br />
Sie ahnen schon, was dann bei den durchführenden<br />
Behörden herauskommt:<br />
• Ginkgo-Extrakt ist ab 120 mg Arzneimittel!<br />
• Ist schön und einfach, aber leider falsch!<br />
Nun haben sich Belgien, Frankreich und Italien zu einer<br />
Harmonisierung entschlossen und gaben gemeinsam<br />
die sogenannte BELFRIT-Liste heraus:<br />
Sie werden jetzt sagen „Halleluja“ endlich einmal sind<br />
sich wenigstens drei einig, aber weit gefehlt.<br />
1) Diese Liste ist fast nicht zu finden:<br />
• Die Italienische Liste ist draußen: Listo Atto completo;<br />
DECRETO 9 luglio 2012; MINISTRO DELLA SALU<br />
TE; GU n.169 del 21-7-2012. P.S. viel Spaß beim Suchen.<br />
• Die belgische Liste versteckt sich unter dem Namen<br />
der Datenbank FOODSUP und ist nicht öffentlich zugänglich.<br />
• Die französische Liste besteht zur Zeit nur aus Teil A,<br />
wobei nicht erklärt wird was das bedeutet.<br />
2) <br />
• Belgien benutzt diese Liste um ein Genehmigungsverfahren<br />
für Lebensmittel (NEM) zu installieren!<br />
• Italien macht das wie immer, was draufsteht darf rein,<br />
aber gewisse Warnhinweise können vorgeschrieben<br />
sein.<br />
• Bei Frankreich ist man noch nicht so weit, das Verfahren<br />
erklären zu können.<br />
Kommen wir wieder zu unserem Beispiel Ginkgo:<br />
• In Italien sind nur die Blätter erlaubt mit einem Warnhinweis<br />
daß die Einnahme bei gleichzeitiger Einnahme<br />
von Blutverdünnern (Aggregationshemmer) nur<br />
unter ärztlicher Aufsicht erfolgen sollte.<br />
• In dem veröffentlichten Teil A von Frankreich sind<br />
Blätter und Kapselhüllen der Frucht (Samen) erlaubt!<br />
Literatur<br />
1 Niederlande: Nieuwe Voedsel en Waren Autoriteit, Ministerie van Landbouw, Natuur en Woedselkwaliteit (2010): Warenwetbesluit Kruidenpreparaten<br />
http://wetten.overheid.nl/BWBR0012174/geldigheidsdatum_22-07-2015#<br />
2 http://www.bvl.bund.de/SharedDocs/Downloads/01_Lebensmittel/stoffliste/stoffliste_pflanzen_pflanzenteile.pdf?_blob=publicationFile&v=5<br />
3 http://ec.europa.eu/food/food/biotechnology/novelfood/nfnetweb/mod_search/index.cfm<br />
4 RL(EG) 2009/32/EG<br />
5 http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Herbal_-_Community_herbal_monograph/2015/04/WC500185243.pdf<br />
6
Recht<br />
Ein Anwendungsverbot besteht, wenn Antidepressiva<br />
eingenommen werden.<br />
Schöne europäische Einigkeit!<br />
Es werden in den unterschiedlichen nationalen Ansätzen<br />
immer zwei Dinge vermischt:<br />
• Die Frage der Nutzbarkeit, die direkt mit „novel-food“<br />
zu tun hat und<br />
• Die Frage der Abgrenzung und Sicherheit, die mit den<br />
jeweiligen Arzneimittelrechten zu tun haben.<br />
Ich halte den deutschen Ansatz für am besten:<br />
• Eine klare Definition von Pflanzen/Pflanzenteilen, die<br />
verboten sind:<br />
• Drogen (z. B. Indischer Mohn/ Kapsel)<br />
• gefährliche Inhaltsstoffe (z. B. Yohimbe)<br />
• Eine klare Einteilung, was erlaubt (LM) ist und welche<br />
Produkte „borderline“ zu Arzneimitteln sind.<br />
• Eine – zugegebenermaßen geht das besser – Abgrenzung<br />
zu Arzneimitteln, die übrigens nie aktuell sein<br />
kann, mit Hinweisen darauf wie das Produkt zu bewerten<br />
ist.<br />
• Ist es arzneilich wirksam?<br />
• Ist es sicher?<br />
• Sind Warnhinweise notwendig?<br />
Wenn der BfR und das BVL über ihren Schatten springen<br />
und die Pflanzen der italienischen Liste übernehmen,<br />
dann haben wir schon so etwas wie eine eigenverantwortliche<br />
Produktion von NEM.<br />
Denn eines sollten Sie bedenken:<br />
Wie wollen wir gegenüber den USA bei den TTIP-Verhandlungen<br />
auftreten, wenn wir noch nicht mal in<br />
diesen Fragen mit einer Stimme sprechen!<br />
Diese Fragen müssen ohnehin vor Einführung durch<br />
den Inverkehrbringer abgeklärt werden oder sie laufen<br />
Gefahr, daß Ihre Kundschaft weniger wird, aufgrund von<br />
unerklärlichen Krankheits- oder sogar Todesfällen.<br />
Eine toxikologische Beurteilung von botanischen Inhaltsstoffen,<br />
ähnlich wie bei Kosmetika, nach dem MOS<br />
(Sicherheitsmarge) > 100 Prinzip, ist sowieso bei solchen<br />
Produkten, für jeden verantwortungsvollen Hersteller,<br />
selbstverständlich.<br />
Für Vitamine und Mineralstoffe existiert eine solche Bewertung<br />
durch die EFSA schon, mit Angabe von UL (upper<br />
intake), also Verzehrshöchstmengen.<br />
Dr. Uwe Greulach<br />
Chemiker und fachlicher<br />
Beirat des NEM e.V.<br />
7
<strong>Nutrition</strong>-<strong>Press</strong><br />
Spektroskopische Mineralienmessung:<br />
Der individuelle<br />
Weg zur optimalen Vitalstoff -<br />
versorgung<br />
Vitalstoffe sind für uns Menschen lebensnotwendig.<br />
Was den konkreten Bedarf betrifft und wie er am besten zu decken ist,<br />
darüber herrscht jedoch Uneinigkeit in der Fachwelt.<br />
Von „der Vitalstoffgehalt der Böden ist stark<br />
zurückgegangen“ bis zu „eine ausgewogene<br />
Ernährung liefert alles, was wir benötigen“ gibt es<br />
eine große Bandbreite an Argumenten für und wider die<br />
verschiedenen Ernährungsformen sowie die Nahrungsergänzungsmittel.<br />
Was dem Großteil dieser Argumente gemeinsam ist, ist<br />
die Pauschalisierung. Sicherlich gibt es konkrete Gründe<br />
für die jeweiligen Argumente. Entscheidend ist jedoch,<br />
dass bei jedem Menschen mehrere individuelle<br />
Faktoren darüber entscheiden, ob und in welcher Menge<br />
er eine zusätzliche Vitalstoffzufuhr benötigt.<br />
Dies sind unter anderem:<br />
• die Art der Ernährung, wie beispielsweise Rohkost,<br />
klassische Hausmannskost oder Mikrowellenkost<br />
• die körperliche Situation, wie etwa beim Leistungssport,<br />
bei chronischen Erkrankungen oder im Alter<br />
• der Zustand des Dünndarmes und der Bauchspeicheldrüse<br />
in Bezug auf die Verdauungsleistung.<br />
Hier die richtige Entscheidung für eine angemessene<br />
Kostform oder die Vitalstoffsubstitution zu treffen, ist<br />
für Betroffene und Therapeuten durchaus eine Kunst.<br />
Die Strategien reichen von präventiver Pauschalversorgung<br />
mit möglichst vielen Vitalstoffen bis hin zur<br />
8
Prävention<br />
Gabe spezieller, oft hochdosierter Einzelsubstanzen,<br />
ja nach Symptomatik. Ideal wäre sicherlich eine individuelle<br />
Überprüfung der Vitalstoffversorgung mit einer<br />
objektiven Messmethode.<br />
Vergleich verschiedener Analyseverfahren<br />
Eine Laboruntersuchung des Blutes auf den tatsächlichen<br />
Bedarf des Betroffenen ist zumeist eine preisintensive<br />
Angelegenheit. Die Krankenkasse zahlt bei<br />
medizinischer Notwendigkeit zumeist die Analyse einzelner<br />
Mikronährstoffe. Eine präventive Untersuchung<br />
des Blutes auf die wichtigsten Vitalstoffe oder gar auf<br />
toxische Metalle ist für die Kassen wirtschaftlich zumeist<br />
nicht zu vertreten.<br />
Ähnliches gilt für Urinuntersuchungen, wenngleich hier<br />
nur die ausgeschiedenen Substanzen erkennbar werden.<br />
Die Haarmineralanlyse wiederum zeigt nur diejenigen<br />
Substanzen, die (ans Haar) abgegeben werden.<br />
An dieser Stelle kommen die mobilen spektroskopischen<br />
Analyseverfahren ins Spiel, die in den letzten<br />
Jahren ent wickelt wurden. Sie stehen nicht mehr in den<br />
Laboren sondern direkt beim Arzt, Heilpraktiker oder<br />
Ernähr ungs berater, einige Gerätetypen sogar im Einzelhandel.<br />
Diese vielfältigen Einsatzmöglichkeiten ergeben sich<br />
aus der Tatsache, dass hier keine Blutentnahme erfolgt:<br />
die fotospektroskopischen Geräte messen direkt in den<br />
Zellen der Haut oder in der Zwischenzellflüssigkeit. Die<br />
Messtechnik ist mit den Geräten der Labore weitestgehend<br />
vergleichbar, allerdings speziell auf die transdermale<br />
Messung (durch die Haut) ausgerichtet. Dies hat<br />
mehrere Vorteile:<br />
• Die Messung kann direkt vor Ort erfolgen.<br />
• Das Ergebnis steht innerhalb von wenigen Sekunden<br />
zur Verfügung und kann sofort ausgewertet werden.<br />
• Schmerzfreie Messung, auch für Kinder und sensible<br />
Personen geeignet.<br />
• Es wird eine Übersicht über eine Vielzahl verschiedener<br />
Substanzen erstellt, die sowohl einzeln als<br />
auch in ihren Wechselwirkungen interpretiert werden<br />
können.<br />
• Der Fortschritt der körperlichen Vitalstoffbalance kann<br />
jederzeit leicht und preiswert kontrolliert werden.<br />
• Es wird gemessen, was tatsächlich im Gewebe ankommt<br />
und nicht, was lediglich im Blut zirkuliert und<br />
möglicher Weise wieder ausgeschieden wird.<br />
© Biozoom Services GmbH<br />
Biozoom Messung in einem Reformhaus<br />
Auswertung der Oligoscan Mineralienanalyse<br />
9
<strong>Nutrition</strong>-<strong>Press</strong><br />
Messung mit<br />
dem Oligoscan System<br />
© Roland Stolzmann<br />
Was genau können solche Geräte leisten?<br />
Hierzu schauen wir uns exemplarisch zwei der neuen<br />
Entwicklungen an, die in 2015 auf den deutschen Markt<br />
gekommen sind: Das Oligoscan System und das Biozoom<br />
Messgerät. Beide Geräte sind als Medizinpro dukte<br />
zertifiziert.<br />
Oligoscan<br />
Das Oligoscan System ist prädestiniert für Arzt- und<br />
Heilpraktikerpraxen sowie in einer zweiten Softwareausstattung<br />
auch für die Bereiche Gesundheits- und<br />
Ernährungsberatung sowie Sport- und Fitnesscoaching.<br />
Hier werden die 20 wichtigsten Mineralien analysiert sowie<br />
14 toxische Metalle. Die Softwarevariante für Ärzte<br />
und Heilpraktiker umfasst zudem eine Auswertung der<br />
gemessenen Substanzen in Bezug auf verschiedene<br />
Stoffwechselaspekte.<br />
Die gemessenen Werte sind präzise reproduzierbar. Bei<br />
Kontrolluntersuchungen zeigen sich auch nur dann wesentliche<br />
Veränderungen, wenn der Patient die Ernährung<br />
umgestellt hat oder die fehlenden Mineralstoffe<br />
substituiert hat.<br />
Für mich als Heilpraktikerin hat sich mit dieser Methode<br />
eine völlig neue praktische Herangehensweise an<br />
die Behandlung meiner Patienten entwickelt. Keine Verordnung<br />
mehr auf Verdacht, sondern ganz gezielt anhand<br />
der vorliegenden Werte.<br />
Die Auswertung der Messdaten ist auch bereits eine<br />
hilfreiche Unterstützung bei der Diagnosestellung. Ein<br />
roter Balken (starker Mangel) bei Chrom und Phosphor<br />
kann beispielsweise ein Hinweis auf einen bestehenden<br />
oder sich potenziell entwickelnden Diabetes sein.<br />
Kommt noch ein starker Zinkmangel dazu, kann dieses<br />
Geschehen mit einer Entzündung oder Immunschwäche<br />
in Verbindung stehen.<br />
Bei einer Erkrankung, die starken Ernährungsbezug hat,<br />
wie beispielsweise dem Diabetes, kann der geschulte<br />
Therapeut mögliche ernährungstherapeutische Faktoren<br />
heraus lesen.<br />
Die Zinkwerte sind auch anderweitig interessant. Erniedrigte<br />
Werte können für ein geschwächtes Immunsystem<br />
stehen oder auch für die Stoffwechselerkrankung<br />
HPU bzw. KPU, wie sie in einem der vorherigen<br />
Hefte erläutert wurde. Häufig geht der niedrige Zinkspiegel<br />
auch mit Schwermetallbelastungen einher. Anhand<br />
der Werteübersicht können so individuelle Strategien<br />
gewählt werden.<br />
Eine gute Übersicht bieten die Messwerte auch in der<br />
Schwermetallentgiftung. Man kann sowohl sanft über<br />
den Ausgleich der fehlenden Mineralien arbeiten, als<br />
auch mit ausleitenden Verfahren.<br />
Regelmäßige Kontrollen zeigen den Verlauf an und weisen<br />
ggf. auch auf Verschiebungen im Mineralstoffhaushalt<br />
hin.<br />
Hinweis: Die Oligoscan-Analyse stellt keine Diagnose<br />
im medizinschen Sinne dar. Verdachtsdiagnosen auf<br />
Basis der Nährstofflage sollten deshalb durch ein anerkanntes<br />
Labor geprüft werden.<br />
Weitere interessante Einsatzgebiete für die Oligoscan<br />
Messung sind Betriebliche Gesundheitstage sowie Fitnessstudios.<br />
Hier besteht eine große Offenheit für Gesundheitsthemen.<br />
Die Genauigkeit der Messergebnisse<br />
überzeugt und motiviert die Teilnehmer bzw. Mitglieder,<br />
konkret etwas zu tun.<br />
10
Prävention<br />
Bei Messungen in diesem Rahmen erfolgt zunächst eine ernährungsbezogene Beratung.<br />
Bei gesundheit lichen Problemen wird dann an einen Arzt oder Heilpraktiker<br />
verwiesen.<br />
Biozoom<br />
Dieses Gerät kommt mit deutlich weniger Werten aus. Es ist vor allem darauf ausgerichtet,<br />
ein Bewusstsein für die gesunde Ernährung zu schaffen. Es zeigt dem Kunden<br />
oder Interessenten auf, wie gut seine Versorgung mit antioxidativen Vitaminen sowie<br />
der Cytochrom-C-Oxidase ist und wie gut die Zellen mit Sauerstoff versorgt sind.<br />
Diese Daten werden in einen Messwert zusammengefasst und zusammen mit einer<br />
kleinen Auswertung ausgegeben.<br />
Damit eignet sich diese Methode vor allem in der Verkaufsförderung sowie für Gesundheitsberater.<br />
Der Klient erfährt, wie gut er – im Schnitt – mit den o.g. Substanzen versorgt ist und<br />
kann nach entsprechender (Ernährungs-) Umstellung leicht Kontrollmessungen erstellen<br />
lassen.<br />
Hier gibt es ein preiswertes Gerät für die Selbstmessung, ein mobiles Gerät für Beratungspraxen<br />
und ein größeres Standgerät für den stationären Einsatz sowie für<br />
Messen.<br />
Im Frühjahr 2015 wurden beispielsweise über 300 Reformhäuser mit Biozoom Standgeräten<br />
ausgestattet, so dass die Kundschaft sich dort kostenlos messen lassen<br />
konnte.<br />
Ina Gutsch<br />
Heilpraktikerin und Fach schul -<br />
l eiterin, Autorin des Buches<br />
„Diabetes, die wahren Ur sachen<br />
erkennen und erfolgreich<br />
behandeln“.<br />
• www.thuja.de<br />
Weitere Entwicklungen<br />
Die Branche der spektroskopischen Analysegeräte macht derzeit eine Art Wettlauf<br />
durch. Mit Spannung wird unter anderem die erste verlässliche unblutige Messung<br />
des Blutzuckerspiegels erwartet. Auch die Messung der Vitamine ist bereits in Vorbereitung<br />
und soll zwischen 2016 und 2017 auf den Markt kommen.<br />
Ebenfalls stark im Kommen ist der Bereich der Telemedizin. Immer mehr Patienten<br />
werden mit eigenen Messgeräten ausgestattet, deren Messungen serverbasiert ausgewertet<br />
werden.<br />
So kann vor allem der Zustand chronischer Patienten besser überwacht werden. Wir<br />
dürfen gespannt sein, wie sich sowohl der erste als auch der zweite Gesundheitsmarkt<br />
weiterentwickeln, also die Kassenmedizin und die Selbstzahlerleistungen.<br />
Auswertung der Oligoscan Analyse toxischer Metalle<br />
11
<strong>Nutrition</strong>-<strong>Press</strong><br />
Weidenrinde – auf natürliche<br />
Weise gegen Fieber, Schmerzen<br />
und Entzündungen<br />
Die Weide (Salix) zählt zu den ältesten Arzneipflanzen Europas.<br />
Bereits in der Antike empfahl Hippokrates Extrakte aus der Weidenrinde<br />
(Salicis cortex) bei Schmerzen und Fieber. Auch Plinius,<br />
Dio skurides und Galen beschrieben verschiedene medizinische<br />
Anwendungen der Rinde.<br />
Die Entdeckung ihres Wirkstoffes Salicin<br />
im 19. Jahrhundert führte rasch zur Entwicklung<br />
synthetischer Schmerzmittel. 1828 isolierte<br />
Buchner das Phenolglykosid Salicin aus der Weidenrinde.<br />
Zehn Jahre später stellten Chemiker aus Salicin<br />
die Salicylsäure her, die bereits als schmerzlinderndes<br />
Mittel zum Einsatz kam. Der Apotheker Felix Hoffmann<br />
entwickelte 1897 aus der Salicylsäure den Arzneistoff<br />
Acetylsalicylsäure – eines der bekanntesten Schmerzmittel.<br />
Mit dem Siegeszug des Aspirins® verlor die Weidenrinde<br />
therapeutisch an Bedeutung. Erst in den letzten<br />
Jahren rückte sie im Rahmen der modernen Phytotherapie<br />
wieder verstärkt in den Fokus des wissenschaftlichen<br />
Interesses. Anwendung findet die Weidenrinde<br />
heutzutage bei leichten fieberhaften Erkältungsund<br />
Infektionskrankheiten, akuten und chronischen<br />
rheumatischen Beschwerden, Kopfschmerzen und bei<br />
durch Entzündungen bedingten Schmerzen.<br />
Wissenswertes über die Weidenrinde<br />
Die Weidengewächse (Salicaeae) sind in Europa und<br />
Asien heimisch. Sie wachsen an Flussufern, auf feuchten<br />
Wiesen sowie in Auwäldern und blühen von März<br />
bis Mai.<br />
Zur Familie der Weidengewächse gehören die Gattungen<br />
Salix (Weiden) und Populus (Pappeln) und die auf<br />
Nordostasien begrenzte Gattung Chosenia.<br />
Weltweit werden die biegsamen Äste verschiedener Arten<br />
der Weide zu Korbwaren verarbeitet. Für den medizinischen<br />
Gebrauch sind jedoch nur jene Arten mit einem<br />
hohen Gehalt an Salicylaten (darunter Salicin) in<br />
12
Ernährung / Prävention<br />
teressant. Diese Wirkstoffe sind für die fiebersenkenden<br />
Eigenschaften, sowie die Wirksamkeit bei rheumatischen<br />
Beschwerden und Kopfschmerzen verantwortlich.<br />
Die wirksamen Inhaltsstoffe werden aus der Rinde (Salicis<br />
cortex) gewonnen, häufig aus den Arten Purpurweide<br />
(Salix purpurea), Reifweide (Salix daphnoides<br />
Villars) oder Bruchweide (Salix fragilis L.).<br />
Inhaltsstoffe<br />
Die Zusammensetzung der Inhaltsstoffe kann je nach<br />
Weidenart stark variieren. Innerhalb einer Art unterscheidet<br />
sich das Inhaltsstoffspektrum jedoch meist<br />
nur quantitativ. Hauptinhaltsstoffe der Rinde sind<br />
die Phenolglykoside, Flavonoide und Catechin-Gerbstoffe.<br />
Die in der Weidenrinde enthaltenen Phenolglykoside<br />
(Salicin, Salicortin, 2'O-Acetylsalicortin und Tremulacin)<br />
und Flavonoide wirken schmerzstillend, entzündungshemmend,<br />
fiebersenkend und aufgrund des<br />
hohen Gerbstoffgehaltes adstringierend (zusammenziehend).<br />
Früher bezeichnete man die Weidenrinde als<br />
„Europäische Fieberrinde“.<br />
Phenolglykoside der Weidenrinde<br />
Der Weide dienen Phenolglykoside zur Abwehr von<br />
Pflanzenfressern. Salicin war das erste Phenolglykosid,<br />
welches im Jahr 1828 von Buchner aus der Weidenrinde<br />
isoliert wurde. Die Bezeichnung Salicin leitet sich von<br />
der botanischen Ordnungsbezeichnung Salicales ab.<br />
Lange Zeit hielt man Salicin für das Hauptglykosid der<br />
Weidenrinde. Neue Erkenntnisse führen den hohen<br />
Gehalt an Gesamt-Salicin jedoch auf die Ester des Salicins<br />
(u. a. Salicortin, 2'O-Acetylsalicortin und Tremulacin)<br />
zurück.<br />
Die Purpurweide (Salix purpurea) weist einen durchschnittlichen<br />
Salicingehalt von 6 – 8,5 % auf, die Korbweide<br />
(Salix daphnoides) 4,9 – 5,6 % und die Bruchweide<br />
(Salix fragilis) 3,9 –10,2 %.<br />
Salicin sowie seine Ester Salicortin, 2'O-Acetylsalicortin<br />
und Tremulacin dienen als Prodrugs, die zur eigentlichen<br />
Wirkform Salicylsäure erst im Körper verstoffwechselt<br />
werden.<br />
Wirkmechanismus von Salicin<br />
Salicin wird im Körper, wie auch die Acetylsalicylsäure,<br />
zu Salicylsäure umgewandelt. Die maximale Salicylsäure-Konzentration<br />
im Blut wird beim Menschen nach<br />
2 Stunden erreicht.<br />
Untersuchungen von Steinegger haben gezeigt, dass<br />
Salicin weder durch den Speichel noch durch den sauren<br />
pH-Wert des Magens gespalten werden kann. Das<br />
intakte Glucosid scheint demnach den Magen unveränder<br />
t zu verlassen. Salicin wird zunächst durch Glucosi <br />
dasen im Darm in Salicylalkohol (Saligenin) und Glucose<br />
gespalten und anschließend im Blut und insbesondere<br />
der Leber zu Salicylsäure oxidiert.<br />
Der aktive Inhaltsstoff Salicylsäure bewirkt, dass die<br />
Entstehung entzündungsfördernder Gewebshormone<br />
(Prostaglandine) gehemmt wird.<br />
Da die Umwandlung des Salicins langsam verläuft,<br />
setzt die Wirkung zwar erst später ein, hält aber dafür<br />
länger an als synthetisch hergestellte Acetylsalicylsäure.<br />
Diese späte Umwandlung trägt außerdem zu einer<br />
besseren gastrointestinalen Verträglichkeit im Vergleich<br />
zu synthetischer Acetylsalicylsäure (ASS, Aspirin)<br />
bei.<br />
Neuere Untersuchungen legen nahe, dass die schmerzund<br />
entzündungshemmende Wirkung nicht alleine auf<br />
dem Gehalt an Salicin beruht. Schmid et al. (2001) berechneten,<br />
dass die Area under the curve (AUC) der<br />
Salicylsäurederivate nach Einnahme von Weidenrindenextrakt<br />
(240 mg Salicin) bioäquivalent zur AUC nach<br />
Einnahme von 87 mg Acetylsalicylsäure ist d.h. die erzielbaren<br />
Salicylsäure-Plasmaspiegel nach der Einnahme<br />
von Weidenrindenextrakt für eine relevante<br />
schmerzlindernde Wirkung kaum ausreichen. Daher<br />
wird vermutet, dass der klinischen Wirkung andere Inhaltsstoffe<br />
als nur Salicin zugrunde liegen. Wahrscheinlich<br />
ist es die synergistische Wirkung der verschiede<br />
13
<strong>Nutrition</strong>-<strong>Press</strong><br />
nen polyphenolischen Substanzen und Flavonoide, die schmerzlindernd und entzündungshemmend<br />
wirken. Die in der Weidenrinde vorhandenen Flavonoide wirken nicht<br />
nur antioxidativ, sondern hemmen auch die Lipoxygenase und Hyaluronidase. Die<br />
Lipoxygenase ist an der Bildung von Leukotrienen beteiligt und spielt somit bei chronischen<br />
Entzündungsreaktionen eine Rolle. Hyaluronidasen ermöglichen durch Bindegewebsabbau<br />
eine Ausbreitung der Entzündung.<br />
Monographien der Weidenrinde<br />
1984 bewertete die Kommission E des ehemaligen Bundesgesundheitsamtes die<br />
Weidenrinde positiv. Für die Rinde wurde ein Gesamt-Salicingehalt von 1 % gefordert.<br />
1991 wurde die Monographie der Weidenrinde (Salicis cortex) in das Deutsche Arzneibuch<br />
(DAB 10) aufgenommen. Nach dem DAB besteht Weidenrinde aus der im<br />
Frühjahr gesammelten, ganzen, geschnittenen oder gepulverten, getrockneten Rinde<br />
junger Zweige von Salix purpurea L., Salix daphnoides Villars oder anderen Salix<br />
Arten, die dem geforderten Gehalt von 1 % Gesamt-Salicin entsprechen.<br />
1997 wurde die Monographie der Kommission E durch die Europäische Monographie<br />
der European Scientific Cooperative on Phytotherapy (ESCOP) aktualisiert und bestätigt.<br />
Nach der aktuellen Monographie des europäischen Arzneibuchs besteht Salicis<br />
cortex aus der ganzen oder geschnittenen, getrockneten Rinde junger Zweige<br />
oder aus getrockneten Stücken junger Zweige einer Vielzahl von Arten der Gattung<br />
Salix, die Salix purpurea L., Salix daphnoides Villars und Salix fragilis L. einschließen<br />
und den geforderten Gesamt-Salicingehalt von 1,5 % aufweisen.<br />
Weidenrinde in der evidenzbasierten Medizin<br />
In der Schulmedizin billigt man der Weidenrinde eine fiebersenkende,<br />
entzündungshemmende und schmerzstillende Wirkung zu und verwendet<br />
sie bei chronischen Schmerzen. Aus Sicht der evidenzbasierten<br />
Medizin ist Weide nicht bei akuten Schmerzen geeignet,<br />
da die Umwandlung des Salicins in die schmerzlindernde Salicylsäure<br />
langsam verläuft.<br />
Klinische Studien zur Wirksamkeit bei Rückenschmerzen<br />
Es liegen kontrollierte klinische Studien zu Weidenrindenextrakten<br />
vor, die eine Wirksamkeit bei Rückenschmerzen zeigen.<br />
Eine auf 120 mg oder 240 mg Salicin standardisierte Tagesdosis<br />
ist signifikant wirksamer als ein Placebo in Bezug<br />
auf die Schmerzreduktion und den Gebrauch<br />
des Schmerzmittels Tramadol als Notfallme dikation.<br />
Chrubasik et al. (2000) fanden in<br />
einer 4-wöchigen randomisierten, placebo-kontrollierten<br />
Doppelblindstudie mit<br />
210 Patienten zeit- und dosisabhängige<br />
schmerz hemmende Effekte. In der<br />
letzten Therapiewoche waren 39 %<br />
der Patienten unter 240 mg Weidenrindenextrakt<br />
schmerzfrei<br />
und 21 % der Patienten unter<br />
120 mg Weidenrindenextrakt,<br />
hingegen nur 6 % in der Placebogruppe.<br />
Auch der Gebrauch<br />
von Tramadol als Notfallmedikation<br />
bei sehr starken<br />
Schmerzen war bei den Patienten,<br />
die Weidenrindenextrakt erhielten,<br />
nach einer Woche signifikant geringer als<br />
unter Placebo (4 und 14 % vs. 47 %).<br />
14
Anzeige /<br />
2001 verglichen Chrubasik et al. in einer randomisierten,<br />
kontrollierten Studie die Wirksamkeit eines standardisierten<br />
Weidenrindenextraktes mit dem mittlerweile<br />
vom Markt genommenen COX2-Inhibitor Rofecoxib<br />
(Vioxx®) bei chronischen Rückenschmerzen.<br />
228 Patienten nahmen über vier Wochen täglich entweder<br />
standardisierten Weidenrindenextrakt (240 mg<br />
Salicin) oder 12,5 mg Rofecoxib ein. Hauptzielkriterium<br />
war die Veränderungen des modifizierten Arhus-<br />
Schmerzindex zu beobachten. Bei den Patienten der<br />
Weidenrindengruppe war eine Verbesserung um 21 %,<br />
bei den Patienten der Rofecoxib-Gruppe eine Verbesserung<br />
um 22 % zu beobachten d. h. beide Substanzen<br />
verbesserten den globalen Schmerzscore gleichwertig<br />
um über ein Drittel. In diesem Zusammenhang zu berücksichtigen<br />
ist auch das hohe Risiko für das Auftreten<br />
von Nebenwirkungen bei der Einnahme synthetischer<br />
Schmerzmittel im Vergleich zu Weidenrinde. Magen-<br />
Darmbeschwerden, Bluthochdruck, Störungen der Blutbildung,<br />
erhöhte Leberwerte, Schwindel oder Müdigkeit<br />
sind bei langfristiger Einnahme synthetischer<br />
Schmerzmittel keine Seltenheit.<br />
Klinische Studien zur Wirksamkeit bei Gelenkerkrankungen<br />
Viele ältere Patienten leiden an der degenerativen Gelenkerkrankung<br />
Arthrose. Die medikamentöse Therapie<br />
kann leider nur eine Symptomlinderung bewirken. Am<br />
häufigsten werden Analgetika (z. B. Paracetamol) und<br />
nichtsteroidale Antirheumatika (z. B. Diclofenac) eingesetzt.<br />
In einer Studie stellten Beer et al. (2008) bei Patienten<br />
mit einer Arthrose des Knie- oder Hüftgelenks nach einer<br />
6-wöchigen Behandlung eine vergleichbare Wirkung<br />
von Weidenrindenextrakt und einer konventionellen antirheumatischen<br />
Therapie fest.<br />
Je 39 Patienten erhielten in einer randomisierten, placebokontrollierten<br />
Doppelblindstudie von Schmid et al.<br />
(2000) über 14 Tage entweder Weidenrindenextrakt<br />
(240 mg Salicin pro Tag) oder Placebo. Am Ende der<br />
zweiwöchigen Behandlungsphase wurde in der Weidenrindengruppe<br />
eine Verringerung des WOMAC-Schmerzscores<br />
um 14 % gegenüber dem Ausgangswert festgestellt.<br />
In der Placebogruppe war ein Anstieg um 2 %<br />
zu verzeichnen. Die in dieser Studie belegte analgetische<br />
Wirksamkeit der Weidenrinde ist statistisch signifikant,<br />
allerdings ist der Therapieeffekt nicht sehr groß.<br />
Dieses mag evtl. auch durch die für Arthrose sehr kurze<br />
Therapiedauer von zwei Wochen zu erklären sein.<br />
Biegert et al. untersuchten 2004 die Wirksamkeit von<br />
Weiderindenextrakt (240 mg Salicin/Tag) gegenüber<br />
Diclofenac (100 mg/Tag) und Placebo bei ambulanten<br />
Patienten mit Hüft- oder Kniearthrose über sechs Wochen.<br />
Während der sechswöchigen Studienphase erfuhren<br />
die Patienten der Weidenrinden-Gruppe eine<br />
Verbesserung um 16,7 %, verglichen mit einer Verbesse<br />
15
<strong>Nutrition</strong>-<strong>Press</strong><br />
rung 46,9 % unter Diclofenac und 10 % unter Placebo.<br />
Der Weidenrindenextrakt zeigte eine gute Verträglichkeit<br />
und wesentlich weniger Nebenwirkungen als Diclofenac.<br />
In der Weidenrinde-Gruppe wurden 38 unerwünschte<br />
Ereignisse dokumentiert, in der Diclofenacgruppe<br />
84 und in der Placebogruppe 51. Knapp 50 %<br />
der Patienten der Diclofenacgruppe berichteten über<br />
gastrointestinale Beschwerden. Weiterhin waren Veränderungen<br />
im roten Blutbild und eine Erhöhung der<br />
Leberwerte in der Diclofenacgruppe statistisch auffällig.<br />
Weidenrinde ist kein pflanzlicher Thrombozytenaggregationhemmer!<br />
Da die Salicylsäure eng mit der Acetylsalicylsäure<br />
(ASS) verwandt ist, wird oft vermutet, dass die Weidenrinde<br />
blutverdünnend wirkt. Weil der Salicylsäure jedoch<br />
die Acetylgruppe fehlt, hat sie keine oder kaum<br />
Wirkungen auf die Blutgerinnung. Weidenrindenextrakt<br />
eignet sich folglich nicht als Ersatz von ASS.<br />
In einer Studie von Krivoy et al. (2001) erhielten 35 Patienten<br />
mit chronischen Rückenschmerzen randomisiert<br />
und doppelblind entweder Weidenrindenextrakt<br />
(240 mg Salicin pro Tag oder Placebo). Weitere 16 Patienten,<br />
die zur Behandlung einer koronaren Herzerkrankung<br />
100 mg ASS pro Tag erhielten, wurden als<br />
Vergleichsgruppe herangezogen. Nach 28 Behandlungstagen<br />
wurde die Thrombozytenaggregation bestimmt.<br />
In der Placebogruppe aggregierten 78 % der Thrombozyten,<br />
in der Weidenrindengruppe 61 %, in der ASS-<br />
Gruppe 13 %. Ob diese geringe Hemmung der Thrombozytenaggregation<br />
durch Weidenrinde eine klinisch relevante<br />
Nebenwirkung darstellt und zu Wechselwirkungen<br />
mit Antikoagulantien oder Thrombozytenaggregationshemmern<br />
führen kann, lässt sich derzeit nicht abschließend<br />
beantworten, ist aber wenig wahrscheinlich.<br />
Dosierung<br />
Die Kommission E, selbstständige, wissenschaftliche<br />
Sachverständigenkommission für pflanzliche Arzneimittel<br />
des ehemaligen Bundesgesundheitsamtes (BGA)<br />
und des heutigen Bundesinstituts für Arzneimittel und<br />
Medizinprodukte (BfArM), empfiehlt Weidenrinde zur<br />
Behandlung von fieberhaften Erkrankungen, rheumatischen<br />
Beschwerden und Kopfschmerzen in einer mittleren<br />
Tagesdosis von 60 bis 120 mg Gesamtsalicin. Die<br />
Dosierungsempfehlungen der European Scientific Cooperative<br />
on Phytotherapy (ESCOP) reichen bis zu 240<br />
mg Gesamtsalicin pro Tag.<br />
Nebenwirkungen<br />
Weidenrinde gilt als gut verträglich. Nebenwirkungen,<br />
wie sie von Acetylsalicylsäure bekannt sind, treten normalerweise<br />
nicht auf.<br />
Zu den seltenen Nebenwirkungen gehören Übelkeit und<br />
Magenschmerzen, verursacht durch die in der Weidenrinde<br />
enthalten Gerbstoffe. Gelegentlich treten Hautrötungen<br />
und Urtikaria (Nesselsucht) auf.<br />
Bei einer Allergie auf Salicylate (ASS, Aspirin), in Schwangerschaft<br />
und Stillzeit sowie bei Kindern darf Weidenrinde<br />
nicht angewendet werden.<br />
Aufgrund eines Fallberichts sollten Personen mit Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase<br />
Mangel (Favismus) kein<br />
Weidenrindenextrakt einnehmen.<br />
Patienten die an asthmatischen Erkrankungen, Magen-<br />
Darmgeschwüren, Blutgerinnungsstörungen oder Funktionsstörungen<br />
der Nieren oder Leber leiden, sollten<br />
vor der Anwendung Rücksprache mit ihrem behandelnden<br />
Arzt halten.<br />
Wechselwirkungen<br />
Aufgrund des Gerbstoffgehaltes können Zubereitungen<br />
aus Weidenrinde die Wirkung anderer Medikamente beeinträchtigen.<br />
Ob die geringe Hemmung der Thrombozytenaggregation<br />
durch Weidenrinde zu Wechselwirkungen mit Antikoagulantien<br />
oder Thrombozytenaggregationshemmern<br />
führen kann, lässt sich derzeit nicht abschließend beantworten.<br />
Es empfiehlt sich daher eine Rücksprache<br />
mit ihrem Arzt oder ihrer Apotheke.<br />
Mit freundlicher Genehmigung der Redaktion<br />
des www.vitalstoff-journal.de<br />
16
Ernährung / Prävention<br />
Coenzym Q10<br />
Bekannt ist den meisten das Q10 sicher als Anti-Aging Mittel aus<br />
der Kosmetikbranche. Allerdings trägt es nicht nur zur Schönheit<br />
der Haut sondern auch zur gesamten Gesundheit des Körpers bei.<br />
Das Coenzym Q10 wird auch Ubichinon-10 genannt und kommt in allen<br />
Zellen des Körpers vor. Chemisch gesehen sind Enzyme Eiweißproteine<br />
und wirken auf eine bestimmte Weise im menschlichen Organismus, auf die Verdauung<br />
oder auch beim Eiweißabbau in Konchen und Haut. Auch bei der Entgiftung<br />
des Körpers spielen sie eine große Rolle. Coenzyme sind ein kleiner Nichtproteinanteil<br />
eines Enzyms und gelten als sogenannte Enzymhelfer.<br />
Q10 ist eine fettlösliche Substanz und kann mit der Nahrung aufgenommen werden<br />
oder vom Körper selber produziert werden; weswegen es nicht als Vitamin eingeordnet<br />
wird. Außerdem ist es essentiell und gilt als wichtiger Bestandteil der Atmungskette.<br />
Ohne Q10 kann von den Mitochondrien kein ATP (Energie) aus der Sauerstoffverbrennung<br />
hergestellt werden. Ob Muskeltätigkeit, Zellregeneration, Nervenaktivität<br />
oder Immunreaktionen – alles kann nur dann gut laufen, wenn die Zellen optimal<br />
mit Q10 versorgt sind. Neben seiner Aufgabe als Energielieferant ist es auch ein Antioxidans,<br />
das schädliche freie Radikale abfangen kann und so eine wichtige Rolle in<br />
der Zellgesundheit übernimmt. Hohe Konzentrationen finden sich in Organen mit einem<br />
hohen Energiebedarf, wie Herz, Leber oder Lunge. 1<br />
Es liegen bereits viele Studien vor, in denen eine Zugabe als Nahrungsergänzungsmittel<br />
bei unterschiedlichen Symptomen als unterstützende Therapie getestet wurde.<br />
17
<strong>Nutrition</strong>-<strong>Press</strong><br />
Herzerkrankungen<br />
Gesunde Herzen weisen für gewöhnlich bei Untersuchungen<br />
eine ausreichende Menge Q10 auf. Ein Symptom<br />
vieler Erkrankungen der Herz- und Blutgefäße stellt<br />
die Arterienverkalkung dar, als Antioxidans kann Coenzym<br />
Q10 die schädigenden Effekte, die zur Entwicklung<br />
der Arterienverkalkung beitragen, möglicherweise hemmen<br />
und kann als Prävention eingenommen werden.<br />
Außerdem soll die Zunahme des Nahrungsergänzungsmittels<br />
bei verschiedenen Herzleiden unterstützend<br />
wirken, da sich herausgestellt hat, dass Herzkranke einen<br />
verminderten Q10 Gehalt aufwiesen. 2<br />
In der Vergangenheit konnte bereits mehrfach die Verbesserung<br />
der Gesamtsituation bei Angina Pectoris,<br />
koronaren Herzerkrankungen und Herzinsuffizienz<br />
durch Q10 in groß angelegten Studien nachgewiesen<br />
werden. Auch zeigte der Einsatz von Coenzym Q10 bei<br />
der Behandlung von Herzinfarkten und Herzrhythmusstörungen<br />
gute Erfolge und konnte bei einer zusätzlichen<br />
Zufuhr von 50-120 mg pro Tag die Beschwerden<br />
lindern und möglichen Komplikationen vorbeugen. 3<br />
Diabetes Mellitus<br />
Bluthochdruck, erhöhte Cholesterinwerte und Herzkrankheiten<br />
sind Beschwerden, die häufig im Zusammenhang<br />
mit Diabetes auftreten. Die Wichtigen Wirkungen<br />
von Coenzym Q10 wie Energieaktivierung und<br />
Stabilisierung von Zellmembranen können auch den<br />
Spätschäden des Körpers durch Diabetes vorbeugen.<br />
Zudem werden die Zellen, die für die Produktion von<br />
Insulin in der Bauchspeicheldrüse zuständig sind, durch<br />
Coenzym Q10 geschützt. Eine Supplementierung von<br />
Q10 kann außerdem den Blutdruck und die Kontrolle<br />
des Blutzuckerspiegels verbessern. 4<br />
Immunsystem<br />
Zusammen mit Vitamin E, welches wiederum von Q10<br />
regeneriert wird, unterstützt es unsere natürlichen Killerzellen<br />
bei der Abwehr von Viren und Bakterien. Unser<br />
Coenzym Q10 in Lebensmitteln<br />
Coenzym Q10 kommt in vielen Lebensmitteln vor, allerdings in geringen Mengen:<br />
Coenzym Q10 Gehalt pro 100g Lebensmittel – angegeben in mg<br />
Gemüse und Salate xvyvyvycv cccc Milch, Milchprodukte, yvyvcyvccxv Fleisch<br />
Zwiebel 0,1 Käse allgemein max. 0,4 Schwein 3,2<br />
Kartoffel 0,1 Butter 0,6 Rind 3,3<br />
Blumenkohl 0,14<br />
Weißkohl 0,16 Fette und Öle Fisch und Geflügel<br />
Aubergine 0,21 Sonnenblumenöl 0,7 Geflügel 1,8<br />
Chinakohl 0,21 Olivenöl 3,0 Sardinen 6,4<br />
Kopfsalat 0,22<br />
Paprika 0,33<br />
Spinat 0,36<br />
Brokkoli 0,86<br />
Abb.1: http://www.vitalstoff-lexikon.de/Weitere-Vitalstoffe/Coenzym-Q10/Lebensmittel.html<br />
18
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Immunsystem braucht erheblichen Mengen an Energie<br />
um die Krankheitserreger zu bekämpfen. 5<br />
Sport<br />
Da Q10 für den Energiestoffwechsel eine entscheidende<br />
Bedeutung hat, ist die Zufuhr bei sportlichen Menschen<br />
von Vorteil. In einer Studie an Spitzensportlern,<br />
die 2013 veröffentlicht wurde, ist nachweisbar, dass<br />
eine Einnahme von 20mg Coenzym Q10 täglich die<br />
Leistungsspitzen um 11% verbessern kann und die Trainingsleistung<br />
allgemein verbessert. Außerdem liefert es<br />
die nötige Kraft für unsere Muskeln und Fettverbrennung.<br />
Das von den Mitochondrien produzierte ATP ist<br />
der Kraftstoff, der unsere Muskeln erst antreibt. 6<br />
Hautalterung<br />
Coenzym Q10 ist ja schon dafür bekannt, dass es als<br />
Anti-Aging-Mittel gut für die Haut ist. Als Antioxidans<br />
neutralisiert Q10 schädliche freie Radikale, die bei der<br />
Hautalterung eine Rolle spielen. Im Alter und bei erhöhtem<br />
Stress nimmt der körpereigene Q10-Gehalt im Körper<br />
ab und freie Radikale können nicht mehr optimal<br />
bekämpft werden. Eine Ausreichende Versorgung über<br />
die Nahrung und Nahrungsergänzungsmittel kann die<br />
Hautalterung verzögern. 7<br />
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Weitere Anwendungsgebiete<br />
Es gibt diverse weitere Studien über den therapiebegleitenden Einsatz von Coenzym<br />
Q10, so wirkt es unterstützend bei der Behandlung von Parkinson im frühen Stadium.<br />
Einzelne Fallberichte weisen darauf hin, dass durch die Supplementierung mit Coenzym<br />
Q10 zusätzlich zur herkömmlichen Behandlung von Brustkrebspatienten positive<br />
Effekte erzielt werden konnten.<br />
Eine weitere Studie bewies, dass die Schwere einer AIDS-Erkrankung in Zusammenhang<br />
mit einem Mangel an Q10 steht. Bei einer Zugabe von Q10 als Nahrungsergänzungsmittel<br />
konnte eine Verbesserung der Symptome festgestellt werden. Zudem<br />
kann es unter anderem auch bei Migräne, Demenz, bei paradontalen Erkrankungen<br />
und chronischen Erschöpfungszuständen helgen. 8, 9<br />
Es lohnt sich bei allen Erkrankungen das Blut auf den Q10-Gehalt zu untersuchen<br />
und in die Therapieerwägung mit einzubeziehen.<br />
Literatur<br />
1 Ely, J.T.A. & Krone, C.A. (2000): A brief update on ubiquinone (coenzyme Q10). In: J. Orthomolecular. Med. Bd. 15,<br />
S.63 – 68.<br />
2 14. Folkers K, Vadhanavikit S, Mortensen SA. Biochemical rationale and myocardial tissue data on the effective<br />
therapy of cardiomyopathy with coenzyme Q10. Proc Natl Acad Sci U S A. 1985; 82(3):90 – 904.<br />
3 Syrkin A; Kogan A; Drynitsina S; Kuznetsov A; Pechorina E; Frenkel E: The effect of soluble form of Coenzyme<br />
Q10 on the oxygen free radical processes and clinical course in patients with coronary heart disease – stabile<br />
angina pectoris. Boston: 1 st Conf. of the Intl. Coenzyme Q10 Assn.: 110 – 111 (1998)<br />
4 34. McDonnell MG, Archbold GP. Plasma ubiquinol/cholesterol ratios in patients with hyperlipidaemia, those<br />
with diabetes mellitus and in patients requiring dialysis. Clin Chim Acta. 1996; 253(1– 2):117–126.<br />
5 Ravaglia G et al., „Effect of micronutrient status on natural killer cell immune function in healthy free-living subjects<br />
aged >/=90 y.“ Am J Clin Nutr. 2000 Feb;71(2):590-8.<br />
6 Siebrecht, Stefan C., et al., „Ubiquinol supplementation enhances peak power production in trained athletes: a<br />
double-blind, placebo controlled study“, Journal of the International Society of Sports <strong>Nutrition</strong>, Epub published<br />
ahead of print. - See more at: http://vitamine-ratgeber.com/coenzym-q10-steigert-leistung-sportlern/#sthash.<br />
rrBASXmM.dpuf<br />
7 56. Hoppe U, Bergemann J, Diembeck W, et al. Coenzyme Q10, a cutaneous antioxidant and energizer. Biofactors.<br />
1999; 9(2–4):371– 8.<br />
8 Shults CW et al., „Effects of coenzyme Q10 in early Parkinson disease: evidence of slowing of the functional<br />
decline.“ Arch Neurol. 2002 Oct;59(10):1541-50.<br />
9 Folkers K et al., „Biochemical deficiencies of coenzyme Q10 in HIV-infection and exploratory treatment.“<br />
20
Ernährung / Prävention<br />
Epigenetik – auch Gene<br />
haben ein Gedächtnis<br />
Die Epigenetik befasst sich mit Mechanismen, die die Genaktivität<br />
regulieren und nicht auf Veränderungen der DNA-<br />
Sequenz beruhen. Mikronährstoffe, wie zum Beispiel Vitamine,<br />
Spurenelemente oder spezielle Fettsäuren können mit Hilfe<br />
dieser Mechanismen die Gen Expression beeinflussen.<br />
Zu den wesentlichen epigenetischen Modifikationen zählen<br />
DNA-Methylierung, Histon-Modifikationen, sowie RNA-Interferenzen.<br />
Die Epigenetik ist das Fachgebiet der Biologie, das sich mit Faktoren<br />
beschäftigt, die die Aktivität von Genen zeitweilig festlegen. Zudem<br />
beinhaltet es die Fragestellung, ob diese Festlegungen an folgende Generationen<br />
vererbt werden. Sie stellt ein Bindeglied zwischen Umwelteinflüssen und Genen dar.<br />
Diese recht komplexe Thematik kann mit Hilfe der folgenden Beispiele veranschaulicht<br />
werden: Forscher fanden heraus, dass Personen, deren Vorfahren Nahrung im<br />
21
<strong>Nutrition</strong>-<strong>Press</strong><br />
Überfluss hatten, mit zunehmendem Alter dazu neigen,<br />
an Diabetes zu erkranken. Ein weiteres Beispiel sind<br />
eineiige Zwillinge. Untersuchungen haben gezeigt, dass<br />
Zwillinge aufgrund verschiedener Lebensweise unterschiedlich<br />
anfällig für bestimmte Krankheiten sind und<br />
das, obwohl sie die gleichen genetischen Grundvoraussetzungen<br />
besitzen. 4,7<br />
Die Stammzellen eines mehrzelligen Organismus sind<br />
alle genetisch identisch. Trotzdem können sie aufgrund<br />
von unterschiedlicher Genaktivität zu verschiedenen<br />
Zell- und Gewebetypen differenzieren. Sie weisen zwar,<br />
genetisch gesehen, die gleiche DNA-Sequenz auf, aber<br />
nicht alle Gene sind in jeder Zelle aktiv. So werden in<br />
einer Muskelzelle andere Gene exprimiert, als in einer<br />
Haut-, Herz-, oder Leberzelle. 5<br />
Wie aber kommt es dazu, dass je nach Zelltyp unterschiedliche<br />
Gene an bzw. abgeschaltet sind, obwohl<br />
doch die genetischen Voraussetzungen identisch sind?<br />
An diesem Punkt kommt die Epigenetik ins Spiel. Sie<br />
beschäftigt sich mit den Mechanismen, die die Genaktivität<br />
in der Zelle steuern. Das Ein- bzw. Abschalten<br />
der Genabschnitte erfolgt zum Beispiel mit Hilfe<br />
von DNA-Methylierung. Hierbei docken Methylgruppen<br />
(Me) mit Hilfe von speziellen Enzymen, den Methyltransferasen,<br />
an die DNA-Doppelhelix an und verhindern<br />
so die Translation der nachfolgenden Gensequenz,<br />
was zu einer Abschaltung des Gens führt (Abb.1). 4,6,7<br />
Als Methylgruppen-Donatoren können zum Beispiel Folsäure,<br />
Methionin, Cholin, Riboflavin, Pyridoxin und Vita<br />
Abb. 1: Epigenetische Modifikation sind an der Regulation der Gen Expression beteiligt. Durch Methylierung von Cytosin Resten<br />
der DNA-Doppelhelix kann es zur Abschaltung bestimmter Gensequenzen kommen. Ariginin und Lysin Reste der Histone können<br />
auf verscheidene Weise modifiziert werden (Methylierung, Acetylierung, Phosporlierung, Ubiquinyierung) 1<br />
22
Ernährung / Prävention<br />
min B12 dienen. Kommt es durch ungesunde Ernährung<br />
zu einem Mangel an diesen Substanzen, kann eine<br />
DNA-Hypomethylierung die Folge sein, wodurch unter<br />
Umständen das Risiko auf bestimmte Krankheiten, wie<br />
Krebs, ansteigt. 8 Studien an Tieren haben gezeigt, dass<br />
eine schlechte Versorgung der Mutter mit Folsäure<br />
bzw. Vitamin B12 zu Verringerung der Methylierung von<br />
DNA-Abschnitten im Hippocampus der Neugeborenen<br />
beiträgt und damit die Gedächtnisleistung beeinflusst.<br />
Eine pränatale Supplementierung mit Docosahexaensäure<br />
bei Tieren mit Vitamin B12 Mangel konnte die<br />
Hypomethylierung bei den Neugeborenen kompensieren.<br />
9<br />
beschriebenen Mechanismen kann zu abnormer Genaktivität<br />
oder Abschaltung der Gene führen. Daraus<br />
können Krankheiten wie Krebs, Fragile X Syndrom oder<br />
Prader-Willi Syndrom resultieren. 4<br />
Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die epigenetischen<br />
Modifikationen aber auch einen Ansatzpunkt<br />
für die Behandlung vielzähliger Krankheiten liefern.<br />
Im Gegensatz zu DNA-Mutationen sind epigenetische<br />
Modifikationen reversibel. Hauptansatzpunkt hierfür sind<br />
DNA-Methylierungen und Histon-Modifikationen. 4<br />
Eine weitere wichtige Rolle spielen Histon-Modifikationen.<br />
Der DNA-Doppelstrang liegt mit Hilfe von Histonkomplexen<br />
in dicht gepackter Form vor. Um die Gene<br />
aktivieren zu können, muss das Erbgut zunächst wieder<br />
entpackt werden. Dies geschieht mit Hilfe von Acetylgruppen<br />
(Ac), welche den DNA-Strang auflockern und somit<br />
die Gene an dieser Stelle lesbar machen (Abb.1). 4,6,7<br />
FOLSÄURE<br />
VITAMIN<br />
B12<br />
In verschiedenen Studien konnte gezeigt werden, dass<br />
bestimmte Histone durch die Bindung des Vitamins Biotin<br />
spezifisch verändert werden. Man kann also davon<br />
ausgehen, dass ein Biotin Mangel die Gen Regulation<br />
und Stabilität des Genoms negativ beeinflussen kann. 8<br />
Neben den bereits erwähnten Modifikationen spielt<br />
auch die RNA-Interferenz (RNAi) bei der Abschaltung<br />
von Genen eine wichtige Rolle. Sie dient vorwiegend zur<br />
Abwehr fremder RNA, zum Beispiel von Viren. RNAi<br />
wird ausgelöst durch doppelsträngige RNA. Diese wird<br />
zunächst enzymatisch in kleinere Abschnitte zerlegt.<br />
Einzelstränge dieser kurzen RNA Fragmente können<br />
dann an komplementäre mRNA (messenger RNA) binden<br />
und diese blockieren. Dadurch wird eine Translation<br />
verhindert. Bei diesem Vorgang spricht man auch<br />
von post-transcriptional gene silencing. 4,6,7<br />
Einerseits sind epigenetische Modifikationen notwendig<br />
für eine normale Entwicklung und Gesundheit, andererseits<br />
können sie auch Auslöser für verschiedene<br />
Krankheiten sein. Jegliche Störung in einem der drei<br />
Krankheit Symptom Ursache<br />
Fragile X Syndrom<br />
Prader-Willi Syndrom<br />
Abbildung 2: modifiziert nach 2<br />
kognitive Behinderung,<br />
Chromosom Instabilität<br />
kognitive Behinderung,<br />
Fettleibigkeit<br />
Verlängerung oder/und Methylierung<br />
des CGG Tripletts des Gens FMR1<br />
väterliche Kopie eines oder mehrerer prägenden<br />
Gene des Chromosomenabschnitts 15q11-13 werden<br />
nicht exprimiert, mütterliche Kopie ist abgeschaltet<br />
Leukämie Gestörte Hämatopoese Chromosomale Translokation<br />
23
<strong>Nutrition</strong>-<strong>Press</strong><br />
Mit Hilfe von DNA-Methyltransferase-Inhibitoren, wie 5-Aza-Cytidin oder 5-Aza-2'-<br />
Des oxycytidin, können stillgelegte Gene wieder reaktiviert werden. Stoffe, die gezielt<br />
bei Histon-Modifikationen ansetzen, sind sogenannte Histon Deacetylase Inhibitoren.<br />
Sie entfernen die an der DNA gebundenen Acetylgruppen, wodurch sich das Erbgut<br />
verdichtet und die Transkription gestoppt wird (Abb.3). 4<br />
Anna Schwarz<br />
Master of Science Biologie<br />
Produktmanagement<br />
Plantafood Medical GmbH<br />
Die Epigenetik bietet einen sehr vielversprechenden Ansatzpunkt in der Therapie<br />
von Krankheiten. Es muss jedoch gewährleistet sein, dass epigenetische Therapien<br />
selektiv auf entartete Zellen wirken. Ansonsten können aus normal arbeitenden<br />
Zellen Krebszellen entstehen und so das hervorrufen, was man eigentlich bekämpfen<br />
möchte. 4<br />
Abb. 3: Struktur von Cytidin, 5-Methyl-Cytidin und der Histon Deacetylase Inhibitoren 5-Aza-Cytidin und 5-Aza-2'-Desoxycytidin<br />
modifiziert nach 3<br />
Quellen<br />
1 http://www.tagesanzeiger.ch/wissen/natur/Der-zweite-Code/story/21670270<br />
2 Egger, G., et al.: „Epigenetics in human disease and prospects for epigenetic therapy“, Nature 429, 457–463 (2004) doi: 10.1038/<br />
nature02625<br />
3 http://www.nature.com/nrclinonc/journal/v2/n12s/fig_tab/ncponc0351_F1.html<br />
4 http://www.nature.com/scitable/topicpage/epigenetic-influences-and-disease-895#<br />
5 Bundesminsiterium für Bildung und Forschung<br />
6 Max Planck Gesellschaft: http://www.mpg.de/342582/forschungsSchwerpunkt1<br />
7 http://www.planet-wissen.de/natur_technik/forschungszweige/epigenetik/<br />
8 http://www.diagnostisches-centrum.de/index.php/dcms-stoffwechsel-profil-die-mikronaehrstoffanalyse-fuer-den<br />
stoff wechel/187-archiv/archiv-diabetes-melliuts/525-mikronaehrstoffe-und-epigenetik.html<br />
9 Hans Konrad Biesalski: Mikronährstoffe als Motor der Evolution; Springer Spektrum, ISBN 978-3-642-55396-7<br />
24
Ernährung / Prävention<br />
In den USA ist der Begriff ORAC vielen seit Jahren ein Begriff.<br />
In Europa ist er den meisten immer noch nahezu unbekannt,<br />
obwohl ORAC hin und wieder in unterschiedlichen Zusammen-<br />
hängen in der <strong>Press</strong>e erscheint.<br />
ORAC – die neue<br />
Qualitätsdimension<br />
Was ist „ORAC“? ORAC ist die Abkürzung<br />
für Oxygen Radical Absorption Capacity.<br />
Hinter dieser Bezeichnung verbirgt sich eine Labormethode<br />
zur Bestimmung der antioxidativen Kapazität.<br />
In den 1990er Jahren rückten die sekundären Pflanzenstoffe<br />
in den wissenschaftlichen Mittelpunkt. Sekundäre<br />
Pflanzenstoffe sind eine sehr heterogene Gruppe<br />
von pflanzlichen Substanzen mit einem sehr breiten<br />
Wirkungsspektrum. Sekundäre Pflanzenstoffe gehören<br />
zum Abwehrsystem von Pflanzen und haben ausgeprägte<br />
antioxidative, antivirale oder auch anti-fungiale Effekte.<br />
Diesen Pflanzenstoffen werden auch im menschlichen<br />
Organismus positive Wirkungen zugeschrieben.<br />
Zum Erhalt der Gesundheit wird immer wieder auf eine<br />
gesunde, d.h. vorwiegend vegetarische, Ernährung hingewiesen.<br />
Viele Studien haben belegt, daß vegetabile<br />
Kost vorteilhaft für den gesamten Organismus ist. Der<br />
positive Effekt wird den sekundären Pflanzenstoffen in<br />
den Pflanzen zugeschrieben. Ein verbreitetes Konzept<br />
beruht auf der Annahme, dass mit Obst und Gemüse<br />
eine große Menge natürlicher Antioxidantien zugeführt<br />
wird, die der menschliche Organismus nicht selbst herstellen<br />
kann. Einige Wissenschaftler sprechen sogar<br />
von semi-essentiellen Substanzen.<br />
25
<strong>Nutrition</strong>-<strong>Press</strong><br />
Zu den natürlichen Antioxidantien zählen unter an derem<br />
die Vitamine A, C und E, wobei Vitamin C für den<br />
Organismus essentiell, d. h. lebensnotwendig ist, da wir<br />
dieses Molekül bekanntermaßen nicht selbst herstellen<br />
können. Die sekundären Pflanzenstoffe sind eine andere,<br />
sehr vielschichtige Gruppe. Bekannt sind mittlerweile<br />
die Gruppe der Polyphenole, zu der OPC gehört,<br />
oder die Catechine im Grünen Tee, Kakao oder Kaffee.<br />
Über die protektive Wirkung der sekundären Pflanzenstoffe<br />
im Grünen Tee ist viel berichtet worden. Dieser<br />
positive Effekt wird der ausgeprägten antioxi dativen<br />
Kraft der sekundären Pflanzenstoffe im Grünen Tee zugeschrieben.<br />
Der ORAC Test<br />
Während antivirale, antibaktierielle oder auch antifungiale<br />
Wirkungen mit entsprechenden Testsystemen<br />
erfasst werden konnten, war dies mit der Bestimmung<br />
einer antioxidativen Wirkung schwieriger.<br />
In den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts beschäftigte<br />
sich daraufhin die Arbeitsgruppe um Ronald Prior an<br />
der Tufts Universität in Boston, USA in Zusammenarbeit<br />
mit dem US Department for Agriculture mit einem Testsystem<br />
zur Bestimmung der antioxidativen Kapazität<br />
von Pflanzenstoffen. Er entwickelte den sogenannten<br />
„ORAC-Test“.<br />
Andere Arbeitsgruppen folgten und entwickelten ihrerseits<br />
Testmethoden zur Bestimmung der antioxidativen<br />
Kapazität. Als Beispiel seien hier der FRAP (Ferric Iron<br />
Reducing Antioxdant Power) Test oder der TEAC (Trolox<br />
Equivalent Antioxidant Capacity) Test genannt.<br />
In der Folgezeit hat sich aber der ORAC-Test nach Prior<br />
et al. mit einigen Modifikationen als Standardmethode<br />
etabliert.<br />
Das ORAC Testprinzip<br />
Im Gegensatz zu anderen Testsystemen (z. B.: TEAC) ist<br />
der ORAC-Test kein Endpunkttest sondern folgt einem<br />
kinetischen Verlauf.<br />
Bei dem ORAC-Test wird die Abnahme der Fluoreszenz<br />
einer fluoreszierenden Substanz, z. B.: Fluoreszein, bestimmt.<br />
Im Reagenzglas wird eine chemische Azoverbindung<br />
als Radikalengenerator mit der zu untersuchenden<br />
antioxidativen Probe gemischt. Die Abnahme<br />
der Fluoreszenz ist abhängig von der antioxidativen<br />
Potenz der zu untersuchenden Probe. Der Radikalengenerator<br />
produziert Peroxyl-Radikale, die das Fluoreszenz-Molekül<br />
zerstören. In dem Umfang, wie die Radikale<br />
eliminiert werden, bleibt die Fluoreszenz erhalten<br />
oder schwächt sich langsamer ab. Die Antioxidantien<br />
üben somit eine Schutzwirkung auf das Fluoreszenz-<br />
Molekül aus. Die Fluoreszenzabnahme wird zeitabhängig<br />
in einer Kurve aufgezeichnet. Verglichen wird der<br />
Ansatz mit und ohne Antioxidanz. Die Fläche unter den<br />
beiden Kurven wird ermittelt und daraus die anti oxidative<br />
Schutzwirkung ermittelt. Die Quantifizierung<br />
wird anhand des Antioxidanz Trolox, einer synthetischen<br />
Vitamin E-Verbinding, vorgenommen, d. h. es<br />
wird eine Standardkurve mit verschiedenen Trolox-Konzentrationen<br />
erstellt. Die Untersuchungsprobe wird daran<br />
verglichen und das Ergebnis als Trolox-Äquivalente<br />
pro g (µmol TE/g oder auch µmolTE/100 g) angegeben.<br />
Grundsätzlich muß eine Probe vor ihrer Verwendung<br />
für die Testbestimmung aufbereitet werden. Vereinfacht<br />
gesagt, müssen die Antioxidantien aus ihrer Umgebung<br />
herausgelöst werden, um sie für den Test<br />
zugängig machen. Der bei weitem größte Teil der Antioxidantien<br />
ist wasserlöslich (mehr als 80 %). Nur ein<br />
kleiner Prozentsatz ist fettlöslich. Aus Praktikabilitätsgründen<br />
beschränkt sich daher<br />
die Angabe eines ORAC-Wertes<br />
in der Regel auf den Anteil<br />
der wasserlöslichen<br />
Anti oxidantien.<br />
26
Ernährung / Prävention<br />
Die Standardisierung des ORAC-Tests<br />
Seit Veröffentlichung der Testmethodik hat der ORAC-<br />
Wert Einzug in viele Labore gehalten. Viele ORAC-Werte<br />
wurden für eine Vielzahl von Proben bestimmt, u. a. Gemüse,<br />
Obst (gern sogeannte „Superfruits“) oder andere<br />
antioxidativ wirksame Chemikalien.<br />
Bei der Auswertung der Daten zeigte sich aber, dass<br />
die Vergleichbarkeit der ORAC-Werte schlecht war. Die<br />
Differenzen betrugen zum Teil 100 %. Das kann bei kleinen<br />
Wertegrößen durchaus im Bereich methodischen<br />
Schwankungsbreite liegen, wurde aber auch bei höheren<br />
Werten beobachtet. Die fehlende Validierung der<br />
Testmethode erwies sich als Schwäche und die Verwendung<br />
das ORAC-Wertes als Verbraucherinformation<br />
wurde kritisch gesehen.<br />
Gerade in Europa ist die Angabe oder Auslobung von<br />
Informationen auf Produkten vor dem rechtliche Hintergrund<br />
und dem Verbraucherschutz ein sensibles Thema.<br />
Die verwendeten Daten müssen nach bestimmten<br />
Kriterien erhoben werden, um akzeptiert zu werden. Es<br />
geht hierbei nicht nur um die Verbraucherakzeptanz,<br />
sondern auch um die Akzeptanz von Behörden oder Industrieverbänden.<br />
Handelt es sich die Verwendung eines<br />
Wertes, ist der Einsatz eines validierten Verfahrens<br />
bei der Bestimmung des Wertes unerläßlich. Ist eine<br />
Methode „validiert“ heißt dies, dass die gewählte Meßmethode<br />
gleiche und verläßliche Ergebnisse für eine<br />
Untersuchungsprobe liefert.<br />
Für die Durchführung einer Validierung wird eine umfangreiche<br />
Arbeitsanweisung erstellt. Am Ende des Validierungsverfahren<br />
für eine Meßmethode muß einer<br />
Prüfinstitution eine technische Dokumentation mit verschiedenen<br />
Kenngrößen der gewählten Methode, wie<br />
Wiederfindung, Präzision oder Matrixeffekte vorgelegt<br />
werden. In Mehrfachexperimenten werden viele Daten<br />
erhoben, die zeigen, dass sowohl innerhalb eines Tages,<br />
wie auch an unterschiedlichen Tagen und innerhalb<br />
eines großen Zeitintervalls eine Probe immer die gleichen<br />
Ergebnisse liefert. Die Schwankungsbreite wird<br />
vorlegt festgelegt und ist sehr gering. Die Prüfkommison<br />
(z. B.: die Deutsche Akkreditierungsstelle DAkkS)<br />
sichtet alle Daten und akkreditiert die Methode nach<br />
Akzeptenz der Daten.<br />
2012 wurde die ORAC Methode erstmalig in Deutschland<br />
von dem Unternehmen Joining HEALTH Medicare<br />
GmbH, Frankfurt in Kooperation mit der BioTeSys<br />
GmbH, Esslingen von der DAkkS GmbH für verschiedene<br />
Matrices akkreditiert.<br />
Alle dargestellten und verglichenen ORAC-Werte wurden<br />
daher mit der validierten Methode ermittelt.<br />
Der ORAC-Wert<br />
Der ORAC-Wert ist ein numerischer Wert. Zum Beispiel<br />
wurde bei einen Jonagold-Apfel aus dem Supermarkt im<br />
Mittel 1.250 ORAC gemessen; bei einem Elstar-Apfel<br />
aus biologischen Anbau 2.000 ORAC.<br />
Obwohl die wissenschaftlich korrekte Angabe µmol<br />
TE/g oder auch µmolTE/100g ist, hat sich im allgemeinen<br />
Sprachgebrauch hat sich der Begriff ORAC eingebürgert.<br />
In den letzten Jahren wurden im Rahmen der oben erwähnten<br />
Kooperation eine Vielzahl von Proben aus dem<br />
Lebensmittel- und Gesundheitsbereich gemessen. Interessante<br />
Ergebnisse lieferten auch die Proben von kosmetischen<br />
Extrakten, deren antioxidative Wirkung ausgelobt<br />
wurde.<br />
Ein gut untersuchtes Material ist Traubenkernmehl,<br />
dessen ORAC-Werte bei verschiedenen Korngrößen<br />
bestimmt wurden. Traubenkernmehl ist eigentlich ein<br />
Abfallprodukt aus der Weinherstellung, hat aber wegen<br />
des hohen Gehalts an Polyphenolen Verwendung in<br />
der Backindustrie gefunden.<br />
Die Untersuchung verschiedener Antioxidantienprodukte<br />
aus der Gesundheitsbranche war aufschlußreich.<br />
In einem Vergleich wurden 12 verschiedene Handelsprodukte<br />
einer ORAC-Messung unterzogen und die<br />
Werte, bezogen auf die angegebene Tagesdosis (TD)<br />
verglichen. Kein Produkt kam über einen Wert von<br />
1.000 ORAC pro TD hinaus. 3 von 12 zeigten Werte<br />
zwischen 900 – 1.000 ORAC, die anderen 9 Produkte<br />
lagen zwischen 100 – 500 ORAC pro TD.<br />
27
<strong>Nutrition</strong>-<strong>Press</strong><br />
Ausgangspunkt der Beschäftigung mit dem ORAC-<br />
Wert war 2008 die Fragestellung nach der Qualität<br />
eines eigenen Antioxidatienprodukts im Vergleich zu<br />
vorhandenen Produkten. Das Ergebnis war eine Produktreihe<br />
von Antioxidantien mit unterschiedlichen<br />
ORAC Werten pro TD. Bei der Konzeption wurden unterschiedliche<br />
Rohstoffe mit unterschiedlichen Chargen<br />
und von verschiedenen Anbietern gemessen. Es zeigte<br />
sich, dass Traubenkernextrakte eine gewisse Chargenvarianz<br />
(15 %) aufwiesen, wo hingegen Grünteeextrakte<br />
sehr stabile Ergebnisse (< 5 %) lieferten. Eine<br />
sehr hohe Schwankungsbreite wurde bei Cranberry<br />
oder Granatapfel unter den verschiedenen Anbietern<br />
gefunden.<br />
Hinsichtlich der antioxidativen Kapazität hat Aronia die<br />
Erwartungen erfüllt. Aronia Produkte hatten durchweg<br />
einen guten ORAC-Wert. Kakao-Extrakte wiesen eine<br />
hohe Chargenvarianz ( ca. 70 %) aus.<br />
Für die Produktformulierung wurden dann die Rohstoffe<br />
herausgefiltert, die einen hohen und chargenstabilen<br />
ORAC-Wert auswiesen. Der Spezifikationsbereich wurde<br />
mit 3.000 ORAC – 12.000 ORAC/g festgesetzt.<br />
Wie eingangs erwähnt, lieferten kosmetische Pflanzenextrakte<br />
einige interessante Wertebereiche: für Acerola,<br />
Acai und Aronia wurden ORAC-Werte (jeweils pro g)<br />
< 100 gefunden; für Rosmarin, Traubenkern und Grüntee<br />
dagegen Werte > 5.000.<br />
Der Stellenwert des ORAC-Wertes heute<br />
Auf Grund seiner Messungen und Studien postulierte<br />
Ronald Prior in den 90ger Jahren für den Erhalt des<br />
eigenen Wohlbefindens eine tägliche Einnahme von<br />
3.500 ORAC pro Tag. Basis war die Beobachtung<br />
des Anstieg des antioxidativen Kapazität im Blut von<br />
Probanden nach einer entsprechenden Zufuhr von Nahrungsmitteln<br />
(Gemüse), die reich an Antioxidantien waren,<br />
also einen hohen ORAC-Wert aufwiesen.<br />
In der Folgezeit entstand eine umfangreiche Datenbank,<br />
die auf der Webseite der USDA veröffentlicht wurde.<br />
Viele Anbieter nutzen diese Informationen, um gesundheitsbezogene<br />
Aussage zu ihren jeweiligen Produkten<br />
zu machen. Gesundheitsbezogene Aussagen wurden<br />
in den USA bis vor kurzem weitestgehend toleriert. In<br />
Europa wird und wurde dies bekanntlich strenger gehandhabt.<br />
Der Mißbrauch des ORAC-Wertes in Zusammenhang<br />
mit gesundheitsbezogenen Aussagen hat die US-Behörde<br />
2012 bewogen, die ORAC Datenbank von ihrer<br />
Webseite herunterzunehmen.<br />
In einer Erklärung dazu stellte Ronald Prior 2012 klar:<br />
... „Es ist bedauerlich, aber wahr, das die Ergebnisse<br />
von ORAC Analysen manchmal missbraucht wurden,<br />
aber dies bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Informationen<br />
(also der ORAC-Wert) nicht sinnvoll ist, wenn<br />
er entsprechend verwendet wird.“<br />
Und in einer sehr frühen Stellungnahme sagte er:<br />
... „Wenn es gelingt, einen Zusammenhang zwischen<br />
der ORAC Aufnahme und der Gesundheit von Personen<br />
darzustellen, dann, denke ich, werden wir an den Punkt<br />
kommen, wo der ORAC-Wert der neue Standard für<br />
„Good Antioxidant Protection“ wird.<br />
Bevor dies zulässlich sein wird, müssen allerdings noch<br />
einige Untersuchungen durchgeführt werden. Der Gesundheitsbezug<br />
in Zusammenhang mit ORAC oder antioxidativer<br />
Kapazität ist nicht erlaubt.<br />
Welche Informationen gibt der ORAC-Wert dem<br />
Verbraucher, welchen Vorteil dem Hersteller heute?<br />
Im Rahmen eines wissenschaftlichen Consensusgesprächs<br />
mit Teilnehmern aus Industrie und Wissenschaft<br />
verständigte man auf die Aussage, dass der<br />
ORAC-Wert als Qualitätsinfor mation<br />
für Produkte jeg licher Art<br />
einen großen Stellenwert<br />
hat.<br />
28
Anzeige /<br />
Der Einfluß verschiedener Eckdaten wie Erntezeitpunkt,<br />
Reifegrad oder physikalischer Größen während des<br />
Transport- oder Produktionsprozesses, wie z. B.: Temperatur,<br />
Druck ist über den ORAC-Wert darstellbar. Der<br />
ORAC-Wert ist eine biologische Größe, die ein biologisches<br />
Potential beschreibt. Je besser ein Produkt im<br />
Verlauf seines gesamten Zyklus behandelt wird, um so<br />
besser dürfte der ORAC-Wert an Ende, sprich auf dem<br />
Ladentisch, sein. Hier bietet sich auch ein wertvolles<br />
Instrument zur Qualitätsüberwachung sowohl für die<br />
Lebensmittel- wie auch die Gesundheits- und Kosmetikindustrie<br />
an, dass darüber hinaus relativ schnell und<br />
zuverlässig eingesetzt werden kann.<br />
Interessant ist der Einsatz des ORAC-Wertes in der kosmetischen<br />
Industrie. Hier müssen Wirkaussagen belegt<br />
werden. Über die in diesem Bereich gängigen Zellkulturmodelle<br />
könnte relativ zügig der Zusammenhang<br />
zwischen der Höhe des ORAC-Wertes und der antioxidativen<br />
Schutzwirkung der verwendeten Extrakte auf<br />
vorbehandelte Zellen ermittelt werden.<br />
Der ORAC-Wert ist als analytischer, nachweisbarer<br />
Wert auf dem Produkt darstellbar, für das er ermittelt<br />
wurde.<br />
Der ORAC-Wert ist keine Menge, die gewogen wird; keine<br />
Konzentration, die gemessen wird sondern eine biologische<br />
Größe. Der ORAC-Wert darf daher mit Recht<br />
als neue Qualitätsdimension bezeichnet werden; in Anlehnung<br />
an Ronald Prior als neuer Standard für „Good<br />
Antioxidant Quality“.<br />
Dr. Cornelia Friese-Wehr<br />
Joining HEALTH<br />
Medicare Int. GmbH<br />
Referenzen:<br />
• Stahl, W., Oxidativer Stress – Antioxidantien aus Lebensmitteln;<br />
Ernähungsumschau 10/2011<br />
• Ou, B., J. Agric. Food Chem, 50: 3122-3128; 2002<br />
• Wu, X., J. Agric. Food Chem, 52: 4026-4037; 2004<br />
Alle ORAC-Daten:<br />
• Friese-Wehr, C. Joining HEALTH Medicare, Wacker, R.;<br />
Bernhardt, J., BioTeSys; 2008 – 2014
<strong>Nutrition</strong>-<strong>Press</strong><br />
Die Health-Claims-Verordnung 1924/2006/EG<br />
bestimmt dominant die Zulässigkeit von nähr wertbezogener<br />
und gesundheitsbezogener Werbung.<br />
Von besonderer Bedeutung in diesem Zusammenhang<br />
ist die einschlägige Rechtsprechung des BGH,<br />
die aktuell vorgestellt werden soll.<br />
Neueste BGH-Rechtsprechung<br />
zur Health-<br />
Claims-Verordnung<br />
1. Positiv zu erwähnen ist zunächst das Urteil des BGH vom 17. 01. 2013 –<br />
I ZR 5/12 – „Vitalpilze -.<br />
§<br />
a) In diesem Zusammenhang hat der BGH zunächst klargestellt, dass gesundheitsbezogene<br />
Angaben auch solche sind, die unspezifisch sind und deshalb mangels<br />
ausreichender Bestimmtheit nicht zulassungsfähig im Sinne des Artikel 13 Abs. 1<br />
der Verordnung.<br />
Gemäß Artikel 2 Abs. 2 Nr. 5 der VO 1924/2006/EG sind gesundheitsbezogene<br />
Angaben alle Angaben, mit denen erklärt, suggeriert oder auch nur mittel bar<br />
zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittel<br />
kategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits<br />
und der Gesundheit andererseits bestehen.<br />
Der BGH verweist in diesem Zusammenhang<br />
auf die Rechtsprechung des EuGH, wonach<br />
der Begriff „gesundheitsbezogen“ weit auszulegen<br />
sei (EuGH, Urteil vom 06.09.2012 –<br />
Deutsches Wein tor – WRP 2012, 1368).<br />
Der Begriff der gesundheitsbezo ge <br />
nen Angabe erfasse daher jeden<br />
Zusammenhang, der eine Verbesserung<br />
des Gesundheitszustandes<br />
dank des Verzehrs des Lebensmittels<br />
suggeriere (BGH, Beschluss<br />
vom 05. 12. 2012 – „Monsterbacke“ -,<br />
WRP 2013, 180).<br />
30
Recht<br />
Als gesundheitsbezogene Aussagen seien deshalb<br />
z. B. anzusehen „Zur Unterstützung eines gesunden<br />
Herz-Kreislauf-Systems verbessert dieser Vitalpilz<br />
die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit bei<br />
Stress“ und „Vitalpilz zur Unterstützung einer gesunden<br />
Verdauung.“ und „Starker Vitalpilz in der effektiven<br />
Unterstützung des Immunsystems“ und „Zur<br />
Unterstützung eines stabilen Immunsystems“ und<br />
„Zur Unterstützung einer gesunden Durchblutung“<br />
und „Für gesunde Blutgefäße“ und „Ist geeignet, um<br />
die Blutgefäße gesund zu erhalten“ und „Zur Unterstützung<br />
einer gesunden Blutzirkulation“.<br />
Dies gelte aber auch für die beiden Aussagen „Zur<br />
Unterstützung einer optimalen Leistungsfähigkeit“<br />
und „Der Raupenpilz erhöht die Ausdauer und Leistungsfähigkeit“.<br />
Mit diesen Aussagen würde zwar auf das durch die<br />
Mittel steigernde gesundheitliche Wohlbefinden Bezug<br />
genommen, nicht aber auf bestimmte dadurch zu<br />
fördernde Funktionen des Körpers.<br />
b) Solche Verweise auf allgemeine, nicht spezifische<br />
Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die<br />
Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitliche<br />
Wohlbefinden seien jedoch nach Artikel 10 Abs.<br />
3 der VO 1924/2006/EG nur zulässig, wenn ihnen<br />
eine in einer der Listen nach Artikel 13 und 14 der<br />
Verordnung enthaltene spezielle gesundheitsbezogene<br />
Angabe beigefügt sei.<br />
Der BGH hat jedoch klargestellt, dass solange diese<br />
Listen nicht vollständig erstellt sind, Artikel 10 Abs. 3<br />
der Verordnung noch nicht vollzogen werden könne.<br />
Dies gelte ausdrücklich auch, obwohl mittlerweile<br />
die VO 432/2012/EG veröffentlicht worden sei. Die<br />
Anwendung des Verbots des Artikel 10 Abs. 3 setze<br />
jedoch voraus, dass die Listen erstellt sind. Solan<br />
ge dies nicht geschehen ist, sei die Verwen dung<br />
entsprechender Verweise durch die Verordnung<br />
1924/ 2006/EG nicht reglementiert.<br />
Im Ergebnis ist es somit für die Lebensmittelindustrie<br />
sehr erfreulich, dass die Verwendung von Verweisen<br />
auf unspezifische Vorteile des Lebensmittels oder<br />
eines Inhaltsstoffs für die Gesundheit auch dann verwendet<br />
werden kann, obwohl keine spezifisch zugelassene<br />
gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist.<br />
Zu beachten ist hierbei allerdings natürlich, dass die<br />
allgemeinen Irreführungstatbestände, wie § 11 LFGB<br />
und Artikel 7 der LMIV 1169/2011/EG zu beachten<br />
sind.<br />
c) Ferner hat der BGH in dem Urteil klargestellt, dass<br />
der Verwender von gesundheitsbezogenen Angaben<br />
gemäß Artikel 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung gehalten<br />
ist, in einem Prozess über ihre Zulässigkeit ihre<br />
Richtigkeit zu belegen. Dies gelte auch unabhängig<br />
davon, ob der Kläger dies substantiiert in Frage stellt<br />
oder nicht.<br />
Erfreulich für die Lebensmittelindustrie ist jedoch der<br />
Umstand, dass der BGH in diesem Urteil klargestellt<br />
hat, dass bei der Bewerbung von Nahrungsergänzungsmitteln<br />
und „einfachen“ Lebensmitteln nicht<br />
die strengen Wirksamkeitsnachweise wie bei pharmakologisch<br />
wirkenden Arzneimitteln oder auch bei<br />
diätetischen Lebensmitteln für besondere medizinische<br />
Zwecke gefordert werden können. Während das<br />
Berufungsgericht noch die Auffassung vertreten hat,<br />
dass für den Wirksamkeitsnachweis grundsätzlich<br />
dieselben Anforderungen zu stellen seien, wie an den<br />
Nachweis der Wirksamkeit eines Arzneimittels oder<br />
einer Bilanzierten Diät, hat der BGH dieser Rechtsauffassung<br />
eine klare Absage erteilt. Es sei somit<br />
nicht zwingend erforderlich, den Nachweis der Wirkung<br />
des Präparates durch randomisierte und placebo-kontrollierte<br />
Doppelblind-Studien nachzuweisen,<br />
die durch ihre Veröffentlichung in den Diskussionsprozess<br />
der Fachwelt einbezogen worden seien. Eine<br />
solche schematische Sichtweise werde den besonderen<br />
Anforderungen nicht gerecht, die ja den Verwender<br />
einer gesundheitsbezogenen Angabe gemäß<br />
Artikel 5 Abs. 1, Artikel 6 Abs. 1 der Verordnung zu<br />
stellen seien.<br />
Die immer wieder von Überwachungsbehörden oder<br />
auch von Abmahnvereinen und bestimmten Vertretern<br />
von Wettbewerbsunternehmen aufgestellte Forderung,<br />
das sog. Strengeprinzip in der Gesundheitswerbung<br />
verlange solche strikten Wirksamkeitsnachweise<br />
wie bei zugelassenen Arzneimitteln, entspricht<br />
somit nicht der aktuellen BGH-Rechtsprechung.<br />
31
<strong>Nutrition</strong>-<strong>Press</strong><br />
§<br />
2. Mit einem aktuellen Beschluss des BGH vom<br />
12. 03. 2015, I ZR 29/13 hat der BGH die Werbevorgaben<br />
für die Lebensmittelindustrie noch einmal<br />
signifikant liberalisiert.<br />
a) In dem Verfahren ging es um die Bewerbung von<br />
sog. „Rescue-Tropfen“ mit Bachblüten. Hierbei streiten<br />
sich die Parteien bereits, ob es sich bei den Präparaten<br />
um alkoholische Getränke oder Nahrungsergänzungsmittel<br />
handelt. Dies ist von Relevanz, da<br />
gemäß Artikel 4 Abs. 3 der Verordnung 1924/2006/<br />
EG Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als<br />
1,2 Volumenprozent keinerlei gesundheitsbezogene<br />
Angaben tragen dürfen. Dies gilt allerdings nicht gemäß<br />
Erwägungsgrund 13 für Nahrungsergänzungsmittel,<br />
die in flüssiger Form dargereicht werden und<br />
mehr als 1,2 % Alkohol enthalten.<br />
Der BGH hat klargestellt, dass gegen eine Einordnung<br />
der Präparate als alkoholisches Getränk bereits<br />
spreche, dass diese Produkte nicht dazu bestimmt<br />
seien, getrunken zu werden. Es seien keine Umstände<br />
ersichtlich, dass ein Durchschnittsverbraucher ein<br />
ent sprechendes Spray als alkoholisches Getränk auffasse.<br />
Dasselbe gelte ebenfalls für die entsprechenden<br />
Tropfen, die un verdünnt tropfenweise einzunehmen<br />
seien. Selbst bei entsprechender Aufnahme mit<br />
einem Glas Wasser ändere dies nichts daran, dass<br />
der Verbraucher das Produkt bestimmungs gemäß<br />
nur tropfenweise unverdünnt oder verdünnt als Zusatz<br />
zu einem Getränk Wasser zu sich nimmt und<br />
den Körper damit selbst bei regelmäßiger Einnahme<br />
keine Alkoholmenge zuführt, die als gesundheitsschädlich<br />
eingeordnet werden könnte. Auch der<br />
Schutz zweck, der ersichtlich herkömmliche oder gängige<br />
alkoholische Getränke regulieren wolle, spreche<br />
somit gegen eine Einstufung des Produktes als Getränk<br />
im Sinne der Ver ordnung.<br />
b) Ferner hat der BGH sich damit auseinandergesetzt,<br />
ob auch bei Verweisen auf allgemeine, nicht<br />
spe zi fische Vorteile gemäß Artikel 10 Abs. 3<br />
der Ver ordnung wissenschaftliche Nachweise<br />
im Sinne des Artikel 5 Abs. 1 a und Artikel 6<br />
der Verordnung vorliegen müssten.<br />
Die Bezeichnung „Rescue-Tropfen“ und „Rescue Night<br />
Spray“ seien als gesundheitsbezogene Angaben im<br />
Sinne der Verordnung anzusehen.<br />
Der Begriff „RESCUE“ sei den angesprochenen, der<br />
englischen Sprache heutzutage kundigen Verkehrskreisen<br />
bekannt. Diese Bezeichnung löse die Vorstellung<br />
aus, dass die Tropfen oder das Spray zur Rettung<br />
bei einer schlechten gesundheitlichen Situation<br />
einzusetzen seien und deshalb eine die gesundheitliche<br />
Situation verbessernde Wirkung hätten.<br />
Anders als bei der Bewertung von „Original Bach-<br />
Blüten“. die der BGH als nicht gesundheitsbezogen<br />
qualifiziert hat (Urteil vom 24.07.2014, Az. I ZR<br />
221/12), sei hier somit ein Gesundheitsbezug anzunehmen.<br />
Zumindest liege ein mittelbarer Zusammenhang<br />
zwischen ihren behaupteten besonderen Eigenschaften<br />
mit der Gesundheit vor.<br />
Ob die Aussagen spezifisch oder unspezifisch seien,<br />
ändere nichts daran, dass es sich um gesundheitsbezogene<br />
Angaben im Sinne<br />
von Artikel 2 Abs. 2 Nr. 5 der<br />
Verordnung handelt.<br />
Sie würden allerdings nicht<br />
dem Verbot des Artikel 10<br />
Abs. 1 der Verordnung<br />
unterfallen, weil sie<br />
nicht zulassungsfähig<br />
seien. Die Bestimmung<br />
des Artikel<br />
10 Abs. 3 der<br />
Ver ordnung stelle<br />
eine den Besonderheiten<br />
von Verweisen<br />
auf nicht spezifische<br />
Vorteile<br />
32
Recht<br />
allgemeinen Anforderungen in Kapitel II der Verordnung<br />
gelten, nicht gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und<br />
Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 entsprechende<br />
Nachweise verlangt werden.“<br />
Bachblütenset<br />
Rechnung tragende lex specia lis gegenüber der allgemeinen<br />
Verbotsregelung des Art. 10 Abs. 1 der Verordnung<br />
dar.<br />
Die Bezeichnung „Rescue-Tropfen“ und „Rescue<br />
Night Spray“ seien auch ledig lich Verweise auf allgemeine,<br />
nicht spezifische Vorteile für die Gesundheit.<br />
Es werde nicht auf konkrete Wirkungen für bestimmte<br />
Körperfunktionen hingewiesen.<br />
Der BGH wiederholt in diesem Beschluss auch erneut<br />
seine Rechtsauffassung, dass solange die Listen<br />
mit spezifisch zu gelassenen gesundheitsbezogenen<br />
Angaben nicht finalisiert sind, Artikel 10 Abs.<br />
3 der Verordnung keine Anwendung finden kann. Er<br />
nimmt hierbei ausdrücklich Bezug, dass dies von<br />
einigen Gerichten und der Literatur kritisch gesehen<br />
würde unter Verweis auf das Urteil des OLG Hamm<br />
vom 07. 10. 2014, bleibt jedoch diesbezüglich bei seiner<br />
Rechtsauffassung.<br />
Von besonderer Bedeutung ist jedoch, dass der BGH<br />
klar und deutlich ausführt, dass für solche unspe <br />
zi fischen Verweise auf die Gesundheit nicht die<br />
strengen Wirksamkeitsnachweiseanforderungen des<br />
Artikel 5 und 6 der Verordnung Anwendung finden<br />
können.<br />
Hierzu führt der BGH aus:<br />
„Es ist jedoch zu beachten, dass Verweise auf allgemeine,<br />
nichtspezifische Vorteile im Sinne des Art.<br />
10 Abs. 3 dieser Verordnung ungeachtet dessen, dass<br />
es sich bei ihnen um gesundheitsbezogene Angaben<br />
im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG)<br />
Nr. 1924/2006 handelt, keiner Zulassung gemäß Art.<br />
10 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 13 Abs. 3 und 5 oder<br />
Art. 17 dieser Verordnung bedürfen, weil für sie im<br />
Hinblick auf ihre Unbestimmtheit keine allgemein<br />
anerkannten wissenschaftlichen Nachweise im Sinne<br />
von Art. 13 Abs. 1 Ziffer i der Verordnung erbracht<br />
werden können. Nach Ansicht des Senats können für<br />
solche Verweise daher auch insoweit, als für sie die<br />
Im Ergebnis bedürfen somit unspezifische gesundheitsbezogene<br />
Aussagen keiner Wirksamkeitsnachweise<br />
im Sinne der Artikel 5, 6 der Verordnung<br />
1924/2006/EG. Dies ist bisher von einer Vielzahl<br />
von anderen Gerichten in Deutschland jedoch gefordert<br />
und muss nun zugunsten der Lebensmittelindustrie<br />
geändert werden.<br />
Allerdings ist zu beachten, dass nach wie vor die allgemeinen<br />
Irreführungstatbestände des § 11 LFGB<br />
und Artikel 7 der LMIV 1169/2011/EG gelten. Diese<br />
sind im Vergleich zu den spezifischen Anforderungen<br />
der Artikel 5 und 6 der VO 1924/2006/EG aber weniger<br />
detailreich und sehen auch eine andere Beweislastverteilung<br />
vor.<br />
Danach muss der Angreifer nachweisen, dass die<br />
Werbung nicht wissenschaftlich hinreichend gesichert<br />
ist, während bezüglich der Artikel 5 und 6 der<br />
VO 1924/2006/EG der Verwender der gesundheitsbezogenen<br />
Aussagen deren wissenschaftliche Absicherung<br />
nachzuweisen hat.<br />
Da es um die Auslegung europäischen Rechts geht, hat<br />
der BGH einen entsprechenden Vorlagebeschluss an<br />
den EuGH übermittelt. Bis der EuGH sich hierzu äußern<br />
wird, kann jedoch die Lebensmittelindustrie sich auf<br />
diese entsprechend liberale Rechtsauffassung des BGH<br />
stützen.<br />
Im Ergebnis ist somit festzustellen, dass die aktuelle<br />
Rechtsprechung des BGH der Lebensmittelindustrie<br />
durchaus diverse Lichtblicke für die Verteidigung von<br />
gesundheitsbezogener Werbung bietet.<br />
Dr. jur. Thomas Büttner, LL.M.,<br />
Frankfurt am Main<br />
Rechtsanwalt und lebensmittelrechtlicher<br />
Beirat des NEM e.V.<br />
33
<strong>Nutrition</strong>-<strong>Press</strong><br />
Apothekenkunden haben in den vergangenen 12 Monaten bis einschließlich<br />
Juni 2015 925,6 Millionen Euro für Nahrungsergänzungsmittel ausgegeben<br />
(bewertet zu Endverbraucherpreisen). Damit wuchs der Markt weiterhin<br />
dynamisch mit 9,3 %. In der Vorjahresperiode (12-Monatswert Juni 2014)<br />
haben die Apothekenkunden 846,3 Millionen Euro für Nahrungser gänzungen<br />
ausgegeben, 7,2 % mehr als im 12-Monatswert Juni 2013.<br />
Apothekenkunden kaufen Nah -<br />
rungsergänzungsmittel zunehmend<br />
im Apotheken-Versandhandel<br />
Die Versandapotheken konnten ihren Umsatzanteil<br />
bei den Nahrungsergänzungen<br />
auf 25 % steigern und haben damit ihren Umsatz innerhalb<br />
von zwei Jahren um 70 % gesteigert. Sie erreichten<br />
im 12-Monatswert Juni 2015 einen Umsatz von 234,6<br />
Millionen Euro.<br />
Die stationären Apotheken konnten nach einer Stagnation<br />
im letzten Jahr auch wieder mehr Nahrungsergänzungen<br />
verkaufen und steigerten ihren Umsatz um<br />
6 % auf 690 Millionen Euro.<br />
Die Apothekenkunden haben im aktuellen 12-Monatswert<br />
Juni 2015 insgesamt 58,4 Millionen Nahrungsergänzungsmittel-Packungen<br />
gekauft, das waren 7,6 %<br />
mehr als im Vorjahreszeitraum. Auch beim Packungsvolumen<br />
konnten die Versandapotheken mit 12,4 Millionen<br />
Packungen stärker zulegen (+ 23%) und erreichten<br />
damit einen Anteil von 21%. Die niedergelassen Apotheken<br />
konnten nach einem Absatzrückgang im Vorjahr<br />
wieder punkten und im aktuellen 12-Monatswert Juni<br />
2015 4 % mehr Packungen verkaufen (46 Millionen Packungen).<br />
34
Ernährung<br />
1. 2.<br />
3. 4.<br />
Größere Packungen, also solche mit einem Inhalt von<br />
mehr als 75 Stück oder 100 ml bzw. Groß- und Mehrfachpackungen<br />
generell, werden überdurchschnittlich<br />
häufig über die Versandapotheken verkauft. Bei den<br />
führenden, großen Packungen liegen die Versandhandelsanteile<br />
oft bei über 30 % und erreichen vereinzelt<br />
sogar über 60 %. Bei den meisten kleineren Packungsgrößen<br />
liegt der Versandhandelsanteil deutlich unter<br />
20 % des Umsatzes.<br />
Die führenden 10 Produktgruppen decken bereits mehr<br />
als 80 % des Nahrungsergänzungsmarktes nach Umsatz<br />
ab und sorgen damit für eine nachhaltige Markt-Konzentration.<br />
Das gilt sowohl für die stationären Apotheken<br />
als auch für die Versandapotheken.<br />
Knapp 3/4 der Nahrungsergänzungen werden als feste<br />
Formen verkauft, d. h. Kapseln, Tabletten, Dragees etc.<br />
Das restliche Viertel besteht aus flüssigen Formen wie<br />
Trinkampullen, Tropfen, Einzelportionsbeuteln etc. Die<br />
mit Abstand beliebteste Darreichungsform sind Kapseln,<br />
sie machen fast 40 % des Umsatzes im Nahrungser<br />
gänzungsmarkt aus. Die Nahrungsergänzungen inTablettenform<br />
folgen mit 24 % Anteil.<br />
Vitamine und Mineralstoffe sind die größte Produktgruppe,<br />
sie machen etwa 55 % des Umsatzes mit Nahrungsergänzungen<br />
in allen Apotheken aus. In den niedergelassenen<br />
Apotheken liegt der Anteil eher bei 60 %,<br />
in den Versandapotheken allerdings bei unter 50 %.<br />
35
<strong>Nutrition</strong>-<strong>Press</strong><br />
5.<br />
Neben Vitaminen und Mineralstoffen gehören Probiotika für die Darmgesundheit,<br />
Muskel-/Skelett-Präparate, Präparate für schöne Haut/Haare/Nägel und Antiarteriosklerose-<br />
und Cholesterinsenkende Produkte zu den führenden Produktgruppen in<br />
der Nahrungsergänzung.<br />
Den größten Umsatzzuwachs konnten hierbei die Probiotika für Darmgesundheit<br />
verzeichnen: Kunden kauften 55 % mehr als in der Vorperiode! Aufgrund der starken<br />
Erkältungswelle Anfang des Jahres konnten auch Vitamin C-Präparate (Immunstärkung)<br />
eine hohe Zuwachsrate von knapp 15 % erreichen. In der Produktgruppe<br />
‚An dere Dermatika‘ trugen vor allem Produkte für schöne Haut zum starken Wachstum<br />
bei.<br />
Die Anbieterkonzentration nach Umsatz ist weiterhin relativ hoch, sie hat aber<br />
im letzten 12-Monatswert etwas abgenommen. In der Offizin erreichen die führenden<br />
10 Nahrungsergänzungsmittel-Anbieter 41,5 % des Gesamtumsatzes, im Versandhandel<br />
erreichen die führenden 10 Anbieter 37,5 %.<br />
Kerstin Büttel<br />
OTC-Services, INSIGHT Health GmbH & Co. KG<br />
• www.insight-health.de<br />
36
Social-Media<br />
Der Wert von Social-Media-<br />
Marketing für Unternehmen<br />
Stellen Sie sich vor, Sie planen einen Roadtrip durch die USA. Sie können<br />
sich natürlich einfach in ein Auto setzen und treiben lassen (was sicherlich<br />
ein spannendes Abenteuer sein kann). Im Zweifelsfalle werden Sie Ihren Trip aber<br />
gründlich planen - Wo starte ich, was ist mein Ziel, wie gelange ich dorthin? Wo mache<br />
ich Rast, wo muss ich tanken? Was wird es mich kosten? Und Sie werden immer<br />
die Benzinanzeige im Auge behalten, damit Ihnen nicht mitten in der Wüste das Benzin<br />
ausgeht.<br />
In der rational geprägten unternehmerischen Praxis werden Sie sicher ähnlich planvoll<br />
vorgehen. Sofern Sie in Social-Media-Aktivitäten investieren, erwarten Sie, dass<br />
diese auch einen Wert für Ihr Unternehmen darstellen. Damit dies der Fall ist, müssen<br />
Sie ihre Aktivitäten zielgerichtet planen. Für diesen Zweck habe ich das „Social-Media-Marketing-Prozessmodell“<br />
entwickelt:<br />
Social-Media-Marketing-Prozessmodell (eigene Darstellung)<br />
37
<strong>Nutrition</strong>-<strong>Press</strong><br />
Marketing und dementsprechend auch Social-Media-Marketing, welches eine Unterkategorie<br />
des Marketings darstellt, sind lediglich Mittel zur Erfüllung der Unternehmensziele.<br />
Erfolgreich ist Social-Media-Marketing also, wenn es zum Erreichen der<br />
Unternehmensziele beiträgt. Ihre Unternehmensziele sind i.d.R. monetärer Art, d.h.<br />
Sie möchten Gewinn erzielen. Dies gelingt, indem sie Kosten senken oder den Umsatz<br />
erhöhen. Marketing- und Social-Media-Ziele, die zur Erfüllung der (finanziellen)<br />
Unternehmensziele führen sollen, müssen für jedes Unternehmen individuell gewählt<br />
werden, da sich diese nach vielen Faktoren richten können, bspw. der Branche, der<br />
Größe des Unternehmens, den Kapazitäten, der Kapitalausstattung, dem Angebot etc.<br />
Beim Betreiben einer Facebook-Seite ergeben sich z. B. folgende Ziele:<br />
• Markenführung<br />
• Social-Customer-Relationship-Management (bspw. Kundenservice oder der Aufbau<br />
einer Community)<br />
• Marktforschung<br />
• Produktentwicklung<br />
• Social Commerce (also das konkrete Bewerben und Verkaufen von Produkten)<br />
Für jedes dieser Ziele existieren Erfolgsfaktoren, die in gewissem Maße Allgemeingültigkeit<br />
besitzen. Werden diese mit den o. g. Zielen kombiniert, können Sie hieraus<br />
Ihre Social-Media-Strategie entwickeln. Die Strategie und somit die Definition der<br />
durchzuführenden Maßnahmen ergibt sich also aus der Wahl der Social-Media-Ziele<br />
sowie den hieraus resultierenden Erfolgsfaktoren und identifiziert Ursache-Wirkungs-<br />
Zusammenhänge zwischen den Unternehmenszielen, Social-Media-Zielen und Erfolgsfaktoren.<br />
Man geht also von Kausalitäten aus: Betreibe ich Social-Media-Aktivität<br />
X, so wirkt sich diese auf Unternehmensziel Y aus. Das bedeutet auch, dass es<br />
keine vorgefertigte Social-Media-Strategie gibt, sondern diese individuell erstellt<br />
werden muss.<br />
Dies macht deutlich, wieso eine vorherige Definition von Zielen so essentiell ist -<br />
ohne Ziele wissen Sie nicht, wohin Sie mit Ihrem Social-Media-Marketing eigentlich<br />
steuern möchten. Darüberhinaus werden Sie ohne Ziel-Definition den Erfolg Ihrer<br />
Maßnahmen nicht messen können. Die Erfolgsmessung erfolgt mithilfe von Kennzahlen.<br />
Sie können bspw. den „Erfolg“ Ihrer Facebook-Beiträge messen, indem Sie Kennzahlen<br />
erheben, die Ihr Social-Media-Ziel abbilden.<br />
Um das Erheben entsprechender Kennzahlen einfacher und systematischer zu gestalten,<br />
habe ich zudem das „Performance-Measurement-Konzept für Social Media“<br />
entworfen, welches auf Ideen der Balanced Scorecard von Kaplan/Norton basiert<br />
(weitere Infos zur Balanced Scorecard siehe Info-Box). Das Measurement-Konzept<br />
hilft zum einen, konkrete Maßnahmen zu entwickeln, welche die Erreichung der Ziele<br />
sicherstellen sollen. Zum anderen können Sie mithilfe der Scorecard Kennzahlen ermitteln,<br />
die hinsichtlich der Zielerreichung aussagekräftig sind. Eine Social-Media-<br />
Balanced-Scorecard könnte bspw. wie folgt aussehen:<br />
Ziele Kennzahlen Vorgaben Maßnahmen<br />
Awareness schaffen,<br />
indem der Content geteilt<br />
wird.<br />
Awarness schaffen durch<br />
Erhöhung der Konversation<br />
über die Marke.<br />
Shares der Beiträge + 10 % (mehr Shares) Content liefern, den die<br />
Nutzer an ihre Freunde<br />
weiterleiten möchten.<br />
Share-of-Voice<br />
+ 10 % (mehr Nennungen<br />
der eigenen Marke<br />
im Vergleich zur Nennung<br />
aller Marken)<br />
Content liefern,<br />
der für Diskussionen<br />
auf Facebook sorgt.<br />
Beispiel für eine Social-Media-Balanced-Scorecard (eigeneDarstellung)<br />
38
Social-Media<br />
Die Balanced Scorecard (BSC) von Kaplan/Norton<br />
wurde in den 90er Jahren entwickelt und hat sich<br />
mittlerweile in vielen großen Unternehmen etabliert.<br />
Es handelt sich um ein Kennzahlensystem, welches<br />
über die rein monetären Kennzahlen hinausgeht –<br />
daher der Begriff „Performance-Measurement-Konzept.“<br />
In der Original-Version der BSC existieren vier<br />
Perspektiven (siehe Grafik), wobei nur eine monetäre<br />
vorhanden ist. Die drei anderen bilden nicht-monetäre,<br />
sogenannte weiche Faktoren ab, welche die<br />
monetären unterstützen sollen. Die vier Dimensionen<br />
befinden sich in einer Abhängigkeit zueinandersie<br />
beeinflussen sich gegenseitig. Aktivitäten in den<br />
einzelnen Dimensionen können mithilfe von Kennzahlen<br />
ausgedrückt werden, womit eine Erfolgsmessung<br />
möglich wird. Die BSC ist gemäß Kaplan/<br />
Norton lediglich als Schablone zu verstehen (man ist<br />
nicht an die vier Dimensionen gebunden) – daher<br />
habe ich Sie für das „Performance-Measurement-<br />
Konzept für Social Media“ angepasst.<br />
Die mit Hilfe der ermittelten Kennzahlen gewonnenen<br />
Erkenntnisse können anschließend genutzt werden, um<br />
die Social-Media-Ziele neu zu definieren und eine neue<br />
Strategie zu erstellen bzw. die vorhandene Strategie zu<br />
überarbeiten, womit der Social-Media-Marketing-Prozess,<br />
der Logik eines kybernetischen Regelkreislaufs<br />
folgend, wieder von vorne beginnt.<br />
Den konkreten finanziellen Erfolg nachzuweisen gestaltet<br />
sich immer noch als äußerst schwierig. Dies war im<br />
„klassischen“ Marketing schon so - wieso sollte es hinsichtlich<br />
Social-Media-Marketing, wo Sie zwar eine Vielzahl<br />
von Kennzahlen unmittelbar erheben können, jedoch<br />
aufgrund der sozialen Interaktionen auch eine<br />
Menge neuer Faktoren hinzukommen, anders sein?<br />
Sofern Sie Ihre Social-Media-Strategie aber konsequent<br />
an Ihren Marketing- und Unternehmenszielen ausrichten,<br />
können Sie zumindest von positiven finanziellen<br />
Kausalitäten ausgehen.<br />
Das „Social-Media-Marketing-Prozessmodell“ sowie<br />
das „Performance-Measurement-Konzept für Social<br />
Media“ hat der Autor im Rahmen seiner Master-Thesis<br />
zum Thema „Social-Media-Erfolgskennzahlen am Beispiel<br />
von Facebook“ entwickelt. Die Masterthesis wurde<br />
in der Schriftenreihe der Rheinischen Fachhochschule<br />
veröffentlicht und kann als E-Book erworben<br />
werden.<br />
Bildquelle: Wikipedia (nach Kaplan/Norton)<br />
Michael Ahmadi<br />
Geschäftsführender Gesellschafter<br />
Raptor Media GbR, Köln<br />
39
<strong>Nutrition</strong>-<strong>Press</strong><br />
Die diesjährige Spitzenveranstaltung (Messe und Konferenz)<br />
der indischen Nahrungsergänzungmittelindustrie, der zehnte Nutra<br />
India Summit, fand vom 18. bis 19. März in Mumbai<br />
(dem vormaligen Bombay) statt. NEM e.V. hat daran teilgenommen.<br />
Nutra India Summit 2015<br />
Gesamtsituation Indien<br />
Bereits in der <strong>Nutrition</strong>-<strong>Press</strong> 6 hatten wir die außergewöhnlich<br />
gute Entwicklung der Nahrungsergänzungsmittel<br />
(international auch „Nutraceuticals“ genannt) in<br />
Indien beschrieben. Diese Beschreibung wurde während<br />
der 10. Nutra India bestätigt:<br />
• Sehr positive Grundeinstellung der Bevölkerung sowie<br />
der Behörden zu Nahrungsergänzungsmitteln –<br />
der Hintergrund der Ayurveda-, Unani-, Siddha-Traditionen<br />
ist unübersehbar. So gibt es in einzelnen Bundesstaaten<br />
Indiens eigens „Ayurveda-Abteilungen“<br />
(Ayush-Departments) in den Innen- oder Wirtschaftsministerien.<br />
• Die weltweit (allenfalls nach Brasilien) reichhaltigste<br />
Palette endemischer pflanzlicher Grundstoffe für Arznei-<br />
und Nahrungsergänzungsmittel (wenngleich jedoch<br />
zahlreiche endemische Pflanzenarten inzwischen<br />
durch die Industrialisierung und Kommerzialisierung<br />
der Produktion von Grundnahrungsmitteln<br />
bedroht werden.)<br />
• Eine rasant wachsende Mittelschicht mit Kaufkraft<br />
und Gesundheitsbewusstsein. (Vergleich: Wenn in<br />
Deutschland jeder zehnte Einwohner sich für Nahrungsergänzungsmittel<br />
interessieren mag und in Indien<br />
beispielsweise nur jeder hundertste, so sind das<br />
immer noch mehr interessierte Einwohner in Indien<br />
als in Deutschland).<br />
Themenschwerpunkt<br />
Motto der diesjährigen Veranstaltung war<br />
„Auf zu neuen Ufern für die Nahrungsergänzungsmittelindustrie:<br />
Die nächste Dekade<br />
wird die Entwicklung von Grundstoffen hin zu<br />
Wellness-Produkten sein“. Entsprechend umfasste die<br />
Konferenz die drei wesentlichen Abschnitte:<br />
•Die Wissenschaft hinter den Nutraceuticals,<br />
•Nutraceuticals als Mittel gegen die Ernährungsdefizite<br />
einer zunehmend städtischen Bevölkerung,<br />
•die wesentlichen Unterschiede für die Wachstumsprodukte<br />
von morgen<br />
40
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in den Bereichen:<br />
Sie wurde geleitet von Dr. V. Prakash, dem international<br />
bekannten und für den indischen Markt prägenden Spiritus<br />
Rector (man ist im westlichen Verständnis versucht<br />
zu sagen „Guru“) für Nutraceuticals. Gegenüber<br />
den vorausgehenden Nutra India Summits war dieser<br />
zehnte Summit etwas belastet von einem derzeit zwischen<br />
indischer Nahrungsergänzungsmittelindustrie einerseits<br />
und indischer Zentralbehörde für die Registrierung<br />
und Zulassung von Nutraceuticals andererseits<br />
ausgefochtenen Streit über die nach Einschätzung der<br />
Industrie zu langen Zulassungszeiten für neue und für<br />
alte NEM. Dieser Streit war zwar nicht offen Gegenstand<br />
des Summits, schien aber durch zahlreiche der<br />
Vor- und Beiträge durch. Auch hier (wie in Europa) ist<br />
die Frage nach der notwendigen Tiefe wissenschaftlicher<br />
Wirkungsnachweise zentral.<br />
Inzwischen (Juli 2015) hat die zuständige Indische Behörde<br />
Food Safety and Standards Authority of India (FSSAI)<br />
den Entwurf einer Verordnung für die Zulassung von<br />
Nahrungsergänzungsmitteln veröffentlicht: Food Safety<br />
and Standards (Food or Health Supplements, Nutraceuticals,<br />
Foods for Special Dietary Uses, Foods for Special<br />
Medical Purpose, Functional Foods, and Novel Food)<br />
Regulations, 2015, die jedoch noch nicht in Kraft ist.<br />
Die Messeaussteller umfassten die wesentlichen großen,<br />
weltweiten Anbieter aber auch eine Vielzahl von<br />
„nur“-indischen lokalen Anbietern, sowohl für Fertigprodukte<br />
als auch für Rohstoffe, für Ex- und Import.<br />
Auch der NEM e.V. war vertreten mit einem Gemeinschaftsstand<br />
mit Institut Kurz. Der Stand erfreute sich<br />
besonders bei indischen Anbietern von Rohstoffen regen<br />
Interesses.<br />
• Nahrungsergänzungsmittel<br />
• Diätetische Lebensmittel<br />
• Funktionelle Lebensmittel<br />
• BIO-Produkte gemäß Öko-VO<br />
• Kosmetika und<br />
• Ergänzungsfuttermittel<br />
Dreh- und Angelpunkt<br />
ist Dr. Stefan Werner.<br />
Von der Ausbildung<br />
zum Chemiker/<br />
Natur stoff chemiker<br />
bringt Dr. Werner langjährige<br />
internationale<br />
Erfahrung in der Nahrungsergänzungsmittelbranche<br />
ein. Er begegnet<br />
jeder Herausforderung mit dem Leitsatz:<br />
„Der Kunde steht im Mittelpunkt“.<br />
Innovative Produkte entwickeln – das machen<br />
wir seit 20 Jahren. Während dieser Zeit haben<br />
wir mehrere 1000 Produkte initiiert, die Produkte<br />
bis zur Markteinführung durch unsere<br />
Kunden betreut und produziert.<br />
Besonders stolz sind wir auf unsere Innovationen<br />
und unseren hohen Qualitätsmaßstab, bestätigt<br />
durch einen internationalen Innovationspreis<br />
und häufi g gelobte, „für gut befundene“<br />
Produkte in deutschen Warentests.<br />
DR. WERNER PHARMAFOOD GmbH<br />
Karl-Böhm-Str. 122<br />
D-85598 Baldham<br />
Tel.: +49-(0)8106-307375<br />
41<br />
Fax.: +49-(0)8106-308769<br />
email: info@dr-werner-pharmafood.de
<strong>Nutrition</strong>-<strong>Press</strong><br />
Wesentliche Erkenntnisse und Informa tionen<br />
Für solche NEM-Mitglieder, die vorhaben, den indischen<br />
Markt mit ihren Fertigprodukten zu erobern,<br />
mag Devson Impex pvt.ltd. eine interessante Adresse<br />
sein. Ein freier Importeur, der Nutraceuticals nach Indien<br />
importiert und in Indien über ein funktionstüchtiges<br />
Verteilernetz verfügt.<br />
Eine Vielzahl von Produktneuentwicklungen befasst sich<br />
mit der Unterstützung/Anregung gezielter enzymatischer<br />
Reaktionen im Körper. Die geradezu ingenieursmäßige<br />
Fragestellung „Was wollen wir im Körper mo lekularbiologisch<br />
erreichen? Welche (körpereigene oder<br />
Hon. Prof. Dr. Helmut Weidlich<br />
• Geschäftsführender Gesellschafter der Institut<br />
Kurz GmbH<br />
• Honorarprofessor der Tamil Nadu Agricultural Uni ver sity,<br />
Coimbatore, India benannter Sachverstän diger<br />
für Nutra ceuticals der All-India Handels kammer<br />
FICCI (Federation of Indian Chambers of Commercea<br />
and Industry) sowie assoziiertes Mitglied der Tamil<br />
Nadu Ayurvedic, Siddha and Unani Drug Manu facturers<br />
Association (TASUDMA)<br />
• Fachlicher Beirat des NEM e. V.<br />
v. l. n.r.: Mr. Jagdish Patankar, Organizing Secretary, Nutra India Summit, Managing<br />
Director, MM Active Ltd; Dr. Pingfan Rao, Vice President, Chinese Institute of Food<br />
Science & Technology; Dr. Helmut Weidlich, Geschäftsführer Institut Prof. Dr.<br />
Georg Kurz GmbH, Köln, und Fachlicher Beirat des NEM e.V.; Dr. M. Vijay Gupta,<br />
Ph.D. World Food Price Laureate, Former Assistant Director General World<br />
Fish Center (CGIAR); Dr. V. Prakash, Distinguished Scientist of CSIR, President,<br />
International Society for Nutraceuticals, <strong>Nutrition</strong>als and Naturals (ISNNAN),<br />
Chairman, 10th Nutra India Summit.<br />
fremde) Enzyme brauchen wir dazu, wann und wo? Wie<br />
bekommen wir sie dahin?“ scheint zu einem Leitmotiv<br />
für zukünftige Produktentwicklung zu werden.<br />
Der Markt für Nutraceuticals entwickelt sich derart<br />
rasant in Asien, dass man davon ausgeht, in zehn bis<br />
fünfzehn Jahren mit dem Markt der Arzneimittel gleich<br />
gezogen zu haben.<br />
Der klassische Weg „Arzt empfiehlt, Kunde kauft“ wird<br />
immer stärker abgelöst durch den Wunsch nach Selbstmedikation<br />
einer informierten Konsumentenschaft.<br />
Ehrung des NEM<br />
Im Rahmen der Veranstaltung wurde der NEM e.V. mit<br />
dem „Nutra Excellence Award“ ausgezeichnet. Dies<br />
insbesondere wegen des gemeinsamen Zieles der Nutra<br />
India Veranstalter einerseits (mm-activ und iSNNaN<br />
International Society for Nutraceuticals, <strong>Nutrition</strong>als<br />
and Naturals) und des NEM e.V. andererseits zur Förderung<br />
junger Unternehmen, die sich mit Nahrungsergänzungmitteln<br />
beschäftigen, sei es auf der Entwicklungsseite,<br />
der Rohstoffseite, der Fertigproduktseite<br />
oder der Vertriebsseite. Die Ehrung wurde nach einem<br />
Grußwort im Namen des NEM e.V.-Vorsitzenden, Herrn<br />
Manfred Scheffler, überreicht und spornt zu weiterer<br />
Zusammenarbeit im nächsten Jahr an.<br />
42
Recht<br />
Aktuelle Entwicklung<br />
im Erbschaftsteuerrecht<br />
Auswirkungen des BVerfG-Urteils vom 17. 12. 2014<br />
zur Ver fassungs mäßigkeit der Verschonungsregelungen<br />
bei der Übertragung von Betrieben<br />
Besonders für mittelständische Familienunternehmen<br />
ist die Frage der Unternehmensnachfolge<br />
von großer Bedeutung. Dabei spielen<br />
auch steuerrechtliche Überlegungen eine wesentliche<br />
Rolle. Der Gesetzgeber hat in verschiedenen gesetzlichen<br />
Regelungen Möglichkeiten geschaffen, Betriebsvermögen<br />
„steuerneutral“ oder zumindest begünstigt<br />
zu übertragen. Neben den Regelungen des<br />
Einkommensteuergesetzes zur vorweggenommenen Erbfolge,<br />
sind auch bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer<br />
(ErbSt) entsprechende Erleichterungen geschaffen<br />
worden, welche seit dem 01. 01. 2009 anwendbar sind. 1<br />
Gegen diese Regelungen bestehen allerdings verfassungsrechtliche<br />
Bedenken, weshalb der Bundesfinanzhof<br />
(BFH) dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) diese<br />
speziell im Hinblick auf die sogenannten „Verschonungsregelungen“<br />
zur Prüfung vorgelegt hat. Mit Urteil<br />
vom 17.12. 2014 2 hat das BVerfG nunmehr die aktuellen<br />
Regelungen des ErbSt-Gesetzes für – zumindest teilweise<br />
– verfassungswidrig erklärt. Dieser Artikel soll<br />
einen Überblick über die derzeitigen Erleichterungen<br />
bei der Unternehmensübertragung in erbschaftsteuerlicher<br />
Hinsicht geben und untersucht die vorgeschlagenen<br />
Änderungen und Auswirkungen für Unternehmen.<br />
Aktuelle Rechtslage<br />
Im Zuge der Erbschaftsteuerreform des Jahres 2008<br />
sind die gesetzlichen Regelungen für die Übertragung<br />
von Betrieben vollständig neu geregelt worden. Ziel des<br />
Gesetzgebers war es unter anderem, Betriebsübertragungen<br />
durch Todesfall, aber auch bei Schenkungen<br />
unter Lebenden im Rahmen vorweggenommener Erbfolge,<br />
steuerlich zu entlasten, um nicht die Existenz der<br />
übertragenen Betriebe selbst zu gefährden, und, um<br />
letztlich Steuerausfälle und Arbeitsstellenverluste zu<br />
vermeiden.<br />
Diese sogenannten „Verschonungsregelungen“ sind in<br />
den §§ 13a und 13b ErbStG enthalten und bieten dem<br />
Erwerber des Betriebs seit dem 01. 01. 2009 grundsätzlich<br />
die Möglichkeit, zwischen 2 Verschonungsmaßnahmen<br />
zu wählen:<br />
Zum einen kann er sich unter bestimmten Voraussetzungen,<br />
welche im Folgenden noch erörtert werden,<br />
für sog. „begünstigtes Vermögen“ für die sog. „Regelverschonung“<br />
entscheiden. 3 Zum anderen besteht die<br />
Möglichkeit, auf Antrag einen 100 %igen Abschlag in Anspruch<br />
zu nehmen, sog. „Optionsverschonung“. 4<br />
43
<strong>Nutrition</strong>-<strong>Press</strong><br />
Als begünstigtes Vermögen kommen nach §13b Abs. 1<br />
ErbStG in Betracht:<br />
1. Der inländische Wirtschaftsteil des land- und forstwirtschaftlichen<br />
Vermögens<br />
2. Inländisches Betriebsvermögen beim Erwerb eines<br />
ganzen Gewerbebetriebs, eines Teilbetriebs, eines<br />
Mitunternehmeranteils oder eines Anteils daran sowie<br />
entsprechendes Betriebsvermögen, das einer<br />
Betriebsstätte in der Europäischen Union oder im<br />
Europäischen Wirtschaftsraum zuzurechnen ist;<br />
hierzu zählt auch das freiberufliche Vermögen (§ 13 b<br />
Abs. 1 Nr. 2 ErbStG).<br />
3. Anteile an Kapitalgesellschaften im Inland, innerhalb<br />
der Europäischen Union oder innerhalb des Europäischen<br />
Wirtschaftsraums bei einer Mindestbeteiligung<br />
des Erblassers oder Schenkers von – unmittelbar<br />
– mehr als 25 v. H. (§ 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG).<br />
Im Betriebsvermögen gehaltene Beteiligungen an Kapitalgesellschaften<br />
sind unabhängig von der Höhe dieser<br />
Beteiligung stets begünstigt. Dies gilt auch für Beteiligungen<br />
an ausländischen Kapitalgesellschaften außerhalb<br />
der EU/des EWR.<br />
Die Begünstigungen nach den §§ 13a, 13b ErbStG kommen<br />
allerdings nur dann zur Anwendung, wenn das<br />
land- und forstwirtschaftliche Vermögen oder das Unternehmensvermögen<br />
nicht zu bestimmten Anteilen<br />
aus sog. „Verwaltungsvermögen“ besteht. 5<br />
Die Regelverschonung sieht für – nach Prüfung der vorgenannten<br />
gesetzlichen Voraussetzungen – begünstigtes<br />
Vermögen einen 85 %igen Verschonungsabschlag<br />
vor. 15 % des begünstigten Vermögens unterliegen demnach<br />
immer der Besteuerung. Hier kommen aber noch<br />
ein Abzugsbetrag 6 und gegebenenfalls die Tarifbegrenzung<br />
nach § 19a ErbStG 7 zur Anwendung.<br />
Die Regelverschonung setzt voraus:<br />
1. dass das Verwaltungsvermögen nicht mehr als 50 %<br />
beträgt<br />
2. die Einhaltung einer Lohnsumme (s. u.)<br />
3. die Einhaltung einer Behaltensfrist von 5 Jahren<br />
Bei der Optionsverschonung wird das begünstigte Vermögen<br />
in voller Höhe, d. h. zu 100 % steuerbefreit. Es<br />
kommt also ein 100 %iger Verschonungsabschlag<br />
zum Ansatz. Die Optionsverschonung setzt voraus:<br />
1. dass das Verwaltungsvermögen ,nicht mehr als 10 %<br />
beträgt.<br />
2. die Einhaltung einer Lohnsumme<br />
3. die Einhaltung einer Behaltensfrist von 7 Jahren<br />
Grundsätzliche Bedingung für die Anwendung der Verschonungsregelungen<br />
ist demanch, dass der Erwerber<br />
das Unternehmen weiter fortführt. Indikator für die Unternehmensfortführung<br />
und insbesondere die Erhaltung<br />
der Arbeitsplätze in einem erworbenen Unternehmen<br />
ist dabei die jeweilige Lohnsumme.<br />
Voraussetzung für die Regelverschonung ist,<br />
dass die Summe der maßgebenden jährlichen<br />
Lohnsummen des jeweiligen Betriebs innerhalb<br />
von 5 Jahren nach dem Erwerb (Lohnsummenfrist)<br />
insgesamt 400 % der Ausgangslohnsumme nicht unterschreitet<br />
(Mindestlohnsumme).<br />
Beantragt der Erwerber die Optionsverschonung, gilt<br />
eine Lohnsummenfrist von 7 Jahren und an die Stelle<br />
der Lohnsumme von 400 % tritt eine maßgebende<br />
Lohnsumme von 700 %.<br />
Ausnahmen von der Lohsummenregelung bestehen allerdings,<br />
wenn entweder die Ausgangslohnsumme 0<br />
beträgt, oder der Betrieb nicht mehr als 20 Beschäftigte<br />
hat.<br />
Bei einem Verstoß gegen die Lohnsummenregelung<br />
wird der gewährte Verschonungsabschlag anteilig gekürzt<br />
(so entfällt z.B. bei Erreichen einer Lohnsumme<br />
von lediglich 100 % anstelle von 400 % anteilig der 85 %ige<br />
Abschlag zu 3/4), bei einem Verstoß gegen die Behaltensfristen<br />
entfällt der gewährte Abschlag vollständig,<br />
so dass es in beiden Fällen zu einer (rückwirkenden!)<br />
Versteuerung mit ErbSt kommt.<br />
Entscheidung des BVerfG:<br />
Das BVerfG hält in seinem Urteil vom 17. 12. 2014<br />
(BVerfG, Urteil v. 17. 12. 2014, 1 BvL 21/12) die folgenden<br />
Regelungen zur Verschonung Unternehmensvermögens<br />
für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG, soweit<br />
– die Verschonung auch eintritt, obwohl das verschonte<br />
betriebliche Vermögen einen Verwaltungsvermögenanteil<br />
von bis zu 50 % erreicht („Alles-oder-Nichts-<br />
Prinzip“);<br />
– bei der Übertragung von großen Betriebsvermögen<br />
die Verschonung eintritt, ohne dass der Erwerber<br />
nachgewiesen hat, ob er überhaupt einer Verschonung<br />
bedarf (Bedürfnisprüfung);<br />
– alle Betriebe mit bis zu 20 Beschäftigten unabhängig<br />
von ihrer Größe von der Lohnsummenreglung gänzlich<br />
ausgenommen sind;<br />
– die Verschonungsregelungen Gestaltungen zulassen,<br />
die zu erheblichen Ungleichbehandlungen führen, indem<br />
– die Lohnsummenpflicht umgangen werden kann (insbesondere<br />
durch eine Betriebsaufspaltung),<br />
– die Verwaltungsvermögensgrenze (10 % bzw. 50 %)<br />
durch Konzernstrukturen umgangen werden kann<br />
(Kaskadeneffekt) und<br />
– die Begünstigung von sogenannten „Cash-Gesellschaften“<br />
zugelassen wird.<br />
Geleichzeitig wird dem Gesetzgeber aber eingeräumt,<br />
die entsprechenden Regelungen bis zum 30. 06. 2016<br />
in verfassungsgemäßer Weise anzupassen.<br />
Lösungsvorschlag gemäß Gesetzesentwurf:<br />
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat bereits mit<br />
Schreiben vom 01. 06. 2015 auf das Urteil des BVerfG<br />
reagiert, und den „Referentenentwurf eines Gesetzes<br />
E<br />
SCH<br />
ST<br />
44
Anzeige /<br />
2. Schwellenwerte und Bedürftigkeitsprüfung<br />
Die Verfassungswidrigkeit der bisherigen Regelung ergab<br />
sich nach Ansicht des BVerfG auch daraus, dass<br />
sehr hohe Vermögen begünstigt sein konnten, ohne<br />
dass eine Verschonungsbedürftigkeit bestand, also<br />
eine Verschonung überhaupt geboten bzw. erforderlich<br />
war. Nun wird ein Grenzwert in Höhe von 26 Mio.€ vor<br />
RB-<br />
AFTS-<br />
EUER<br />
zur Anpassung des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes<br />
an die Rechtsprechung des BVerfG“ vorgelegt. 9<br />
Dieser ist mit einigen Anpassungen in den „Entwurf<br />
eines Gesetzes zur Anpassung des Erbschaftsteuerund<br />
Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung<br />
des Bundesverfassungsgerichts“ vom 08. 07. 2015 eingegangen.<br />
10<br />
Danach soll die Grundkonzeption der Verschonungsregelungen<br />
mit Regel- und Optionsverschonung von<br />
85 % bzw. 100 % und eines zusätzlichen Abzugsbetrages<br />
grundsätzlich erhalten bleiben.<br />
Die Voraussetzungen für deren Inanspruchnahme, vor<br />
allem hinsichtlich der Übertragung von Anteilen an<br />
„Großunternehmen“ ändern sich allerdings erheblich.<br />
Mithin haben die vorgeschlagenen Änderungen Auswirkung<br />
auf alle Unternehmen, gleich welcher Größenklasse.<br />
Im Einzelnen sind folgende Anpassungen vorgeschlagen:<br />
1. Lohnsummenregelung<br />
Auch die Lohnsummenregelung soll grundsätzlich erhalten<br />
bleiben, jedoch soll die vom BVerfG als verfassungswidrig<br />
beurteilte Befreiung für Unternehmen mit<br />
bis zu 20 oder gar keinen Mitarbeitern geändert werden.<br />
Zukünftig sollen Unternehmen mit bis zu drei Beschäftigten<br />
(sog. „Kleinstbetriebe“) vollständig von der<br />
Lohnsummenregelung ausgenommen werden. Hintergrund<br />
ist die derzeit mögliche Umgehung der Lohnsummenregelung<br />
durch die Aufteilung in eine „Beschäftigungsgesellschaft“<br />
und eine „Vermögensgesellschaft“. 11<br />
Darüber hinaus habe die aktuelle Regelung in der Praxis<br />
kaum Relevanz. 12<br />
Für Betriebe mit 4 bis zu 10 Beschäftigten soll gleichzeitig<br />
die Lohnsumme auf 250 % (bei Regelverschonung)<br />
bzw. 500 % (bei Optionsverschonung) gesenkt werden.<br />
Das BMF sieht bei diesen Betrieben zwar weiterhin<br />
die Notwendigkeit einer Lohnsummenregelung, jedoch<br />
seien die neuen Lohnsummen in der Praxis leichter zu<br />
erfüllen. Ferner soll durch eine Zusammenrechnung der<br />
Lohnsummen bzw. Mitarbeiter bei Beteiligungen an anderen<br />
Gesellschaften im übertragenen Betriebsvermögen<br />
eine Umgehung in Form der genannten Spaltung in<br />
eine Beschäftigungs- und eine Vermögensgesellschaft<br />
(s. o.) verhindert werden.<br />
Bei Betrieben mit 11 bis zu 15 Beschäftigten werden die<br />
Lohnsummen auf 300 % bzw. 565 % festgelegt.<br />
Für Betriebe mit mehr als 15 Beschäftigten bleibt es bei<br />
der bisherigen Regelung.<br />
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45
<strong>Nutrition</strong>-<strong>Press</strong><br />
geschlagen, bis zu welchem die Verschonungsabschläge<br />
in voller Höhe gewährt werden, allerdings bei Überschreiten<br />
lediglich ein verminderter Verschonungsabschlag<br />
gewährt wird oder aber eine sog. „Verschonungsbedarfsprüfung“<br />
durchgeführt werden soll. Bei<br />
der Verschonungsbedarfsprüfung muss der Erwerber<br />
nachweisen, dass er persönlich nicht in der Lage ist, die<br />
Steuerschuld aus sonstigem nichtbetrieblichem bereits<br />
vorhandenen oder aus mit der Erbschaft oder Schenkung<br />
zugleich übergegangenen nicht begünstigtem Vermögen<br />
zu begleichen. Genügt dieses Vermögen nicht,<br />
um die Erbschaft- oder Schenkungsteuer betragsmäßig<br />
zu begleichen, wird die Steuer insoweit erlassen. 13<br />
Bei der Prüfung des Schwellenwertes ist zu beachten,<br />
dass Erwerbe von innerhalb von 10 Jahren in Anlehnung<br />
an § 14 ErbStG zusammengerechnet werden sollen,<br />
was dazu führen kann, dass der Grenzwert zu einem<br />
späteren Zeitpunkt überschritten wird. Hierdurch entsteht<br />
für solche Fälle eine Unsicherheit und das Risiko<br />
einer nachträglichen, rückwirkenden Versteuerung.<br />
Besonderheiten sollen hier für Familienunternehmen<br />
gelten: Für diese wird der Schwellenwert auf 52 Mio.<br />
heraufgesetzt, was zunächst zu begrüßen ist. Allerdings<br />
sieht der Gesetzesentwurf für diese Erleichterung<br />
strenge Voraussetzungen vor, welche in der Praxis nur<br />
schwerlich einzuhalten sein werden und somit wiederum<br />
erhebliche steuerliche Risiken in sich bergen. So ist<br />
beispielsweise vorgesehen, dass im Gesellschaftsvertrag<br />
bestimmte Entnahme-, Abfindungs- und Verfügungsbeschränkungen<br />
enthalten sind, welche 10 Jahre<br />
vor und 30 Jahre nach dem Übertragungsstichtag vorliegen<br />
müssen (um Gestaltungsmißbräuche zu verhindern).<br />
Dies bedeutet unter Umständen nicht unerhebliche<br />
Nachteile bei der laufenden Besteuerung bzw.<br />
Einkommensteuerbelastung über einen Zeitraum von<br />
insgesamt 40 Jahren (!). Hier ist unserem Erachten<br />
nach noch Änderungsbedarf, zumal die Voraussetzungen<br />
eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe enthalten,<br />
was wiederum die genannte Unsicherheit verstärkt.<br />
3. Neuregelungen zum begünstigten Vermögen<br />
Im Vergleich zur aktuellen Rechtslage hat sich die Definition<br />
des grundsätzlich als begünstigt in Frage kommenden<br />
Vermögens nicht geändert, Änderungen gibt<br />
es nur bei den gewerblich geprägten Personengesellschaften<br />
und bei Holding-Kapitalgesellschaften. Diese<br />
sind nur noch insoweit begünstigungsfähig, soweit diese<br />
begünstigungsfähige Anteile an Kapitalgesellschaften<br />
und Personengesellschaften halten.<br />
Fazit:<br />
Das grundsätzliche Festhalten an den Begünstigungen<br />
bei der Übertragung von Betriebsvermögen ist<br />
aus unserer Sicht zu sinnvoll und daher zu begrüßen.<br />
Die geplanten Änderungen sind im Hinblick auf eine<br />
rechtssichere Nachfolgeregelung jedoch kritisch zu<br />
betrachten. Der Gesetzesentwurf ist in vielen Punkten<br />
nicht eindeutig. Ob die vom BVerfG beanstandeten<br />
Ungleichbehandlungen damit beseitigt werden,<br />
bleibt allerdings ebenfalls unklar, auch wenn Herr Dr.<br />
Schäuble hieran offenbar keinen Zweifel hat. 14<br />
Unternehmer sollten also aktuell über eine Nachfolgeregelung<br />
nachdenken und aus Gründen der Planbarkeit<br />
nicht allzu lange zögern, die Auswirkungen<br />
der geplanten Änderungen für ihr Unternehmen<br />
durch den steuerlichen Berater einer individuellen<br />
Beurteilung zu unterziehen.<br />
Abschließende Anmerkung: Die vorigen Ausführungen<br />
geben allein den aktuellen Stand der Rechtslage<br />
und des Änderungsprozesses wieder und sind daher<br />
entsprechend unverbindlich. Es empfiehlt sich daher,<br />
für die individuelle Beurteilung die weitere Entwicklung<br />
zu verfolgen.<br />
Das BVerfG hatte jedoch die Regelung zur Verwaltungsvermögensquote<br />
bemängelt, nach der bei bis zu 50 %<br />
Verwaltungsvermögen eine Verschonung in Anspruch<br />
genommen werden konnte („Alles-oder-Nichts-Prinzip“).<br />
Daher soll nun eine Aufteilung in begünstigtes<br />
und nicht-begünstigtes Vermögen erfolgen. Maßstab<br />
für diese Unterscheidung wird danach der Hauptzweck,<br />
dem ein Wirtschaftsgut im Unternehmen dient, wobei<br />
an ertragsteuerliche Kriterien angeknüpft werden soll.<br />
Offen bleibt allerdings auch hier eine rechtssichere<br />
Aussage zur konkreten Umsetzung dieser „Anknüpfung“<br />
etwa durch einen verbindlichen Verweis auf die<br />
ertragsteuerlichen Zuordnungsregeln zu notwendigem<br />
und gewillkürten Betriebsvermögen.<br />
Erstmalige Anwendung der Neuregelungen<br />
Die Neuregelungen sollen erstmals für Erwerbe anzuwenden<br />
sein, deren Erbschaft- und Schenkungsteuer<br />
nach dem Inkrafttreten/Verkündung des Reformgesetzes<br />
entsteht. Für Erwerbe bis zu diesem Zeitpunkt gelten<br />
die derzeitigen Regelungen weiter. Offen bleibt dabei<br />
jedoch, ob für Übertragungen nach Veröffentlichung<br />
des Urteils im Falle einer rückwirkenden Gesetzesänderung<br />
Vertrauensschutz besteht.<br />
46
Recht<br />
Günter Heenen<br />
Dipl.-Kfm., Dipl.-Hdl.<br />
NeD Tax Kanzlei Günter Heenen,<br />
Steuerberater und Fachberater<br />
für Internationales Steuerrecht<br />
Fachlicher Beirat NEM e.V.<br />
Quellenangabe: Bundesfinanzministerium<br />
Carsten Stritzel<br />
Dipl.-oec.,<br />
NeD Tax Kanzlei Günter Heenen,<br />
Steuerberater Grenzüberschreitende<br />
Steuerberatung<br />
1 vgl. Erbschaftsteuerreformgesetz vom 24. 12. 2008.<br />
2 BVerfG, Urteil v. 17. 12. 2014, 1 BvL 21/12.<br />
3 § 13a Abs. 1 Satz 1 ErbStG i. V. m. § 13b Abs. 4 ErbStG.<br />
4 § 13a Abs. 8 ErbStG i. V. m. § 13b Abs. 4 ErbStG.<br />
5 Die Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens sind in § 13b Abs. 2 ErbStG abschließend aufgeführt.<br />
6 § 13a Abs. 2 ErbStG und R E 13a.2 ErbStR 2011<br />
7 für natürliche Personen der Steuerklassen II und III, vgl. auch R E 19a.1 Abs. 1 ErbStR 2011<br />
8 vgl. Haufe Steuer Office Gold online, Zipfel, HI7959112, Stand: 11. 06.2015<br />
9 abrufbar unter http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Gesetzestexte/Gesetzentwuerfe_<br />
Arbeitsfassungen/2015-07-08-G-z-Anpassung-d-ErbStR-u-SchenkSt-a-d-Rspr-d-BVerfG.html<br />
10 http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Gesetzestexte/Gesetzentwuerfe_Arbeitsfassungen/<br />
2015-07-08-G-z-Anpassung-d-ErbStR-u-SchenkSt-a-d-Rspr-d-BVerfG.html<br />
11 vgl. Rz 280 BVerfG vom 17.12.2014, BStBl. II 2015 S 50.<br />
12 ebd. Rz. 155.<br />
13 vgl. BMF <strong>Press</strong>emitteilung vom 08. 07. 2015<br />
14 „Wir setzen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts exakt um. Unser Gesetzentwurf stellt die Verschonung<br />
von Unternehmen von der Erbschaftsteuer auf eine verfassungsfeste Grundlage. Damit sichern wir langfristig<br />
Arbeitsplätze und stärken die Kultur der Familienunternehmen in Deutschland.“ vgl. <strong>Press</strong>emitteilung vom<br />
08. 07. 2015<br />
47
<strong>Nutrition</strong>-<strong>Press</strong><br />
Kontrolle des Internet verhaltens<br />
am Arbeitsplatz<br />
Die moderne Medienlandschaft hat neben ihren vielen Vorzügen auch ihre<br />
tückischen Seiten. Diese bekommen insbesondere Arbeitnehmer immer<br />
wieder zu spüren. So kann eine Nutzung von digitalen Medien, die im Alltag<br />
noch als normal gelten mag, im Arbeitsumfeld schnell zu einer Stolperfalle<br />
werden. Dieser Beitrag deckt anhand zwölf wichtiger Entscheidungen<br />
der Arbeitsgerichte solche Stolperfallen auf.<br />
Die exzessive und rechtswidrige Internetnutzung: Zunächst scheint es<br />
normal, auch am Arbeitsplatz das Internet zu nutzen. Doch dort, wo<br />
die arbeitsbezogene Nutzung erlaubt sein mag, muss nicht stets auch die private<br />
Nutzung erlaubt sein.<br />
http<br />
1. Exzessive Nutzung des Internets<br />
So verwies das Bundesarbeitsgericht in einer Entscheidung darauf, dass der Arbeitnehmer<br />
bei der privaten Nutzung des Internets maßvoll vorzugehen habe. Eine einschlägige<br />
Abmahnung oder eine unverhältnismäßige Nutzung, die eine vorherige<br />
48
http:/ www<br />
Internet/Beruf<br />
Deckung mit dem Arbeitgeberwillen nicht mehr vermuten<br />
lässt, können sogar eine Kündigung rechtfertigen.<br />
Zu einem ähnlichen Schluss kam auch das Landesarbeitsgericht<br />
Schleswig-Holstein (06. 06. 2014, Az.: 1 Sa<br />
421/13). Es stellte fest, dass eine erhebliche Beeinträchtigung<br />
des Datenverkehrs unter gleichzeitiger Verletzung<br />
der Hauptleistungspflicht aus dem Arbeits vertrag<br />
durch exzessive Internetnutzung seitens des Arbeitnehmers<br />
eine Kündigung rechtfertige.<br />
2. Rechtswidrige Nutzung des Internets<br />
Neben der exzessiven Nutzung kann auch eine rechtswidrige<br />
Nutzung eine erhebliche Pflichtverletzung darstellen.<br />
Dazu führte das Landesarbeitsgericht Hamm<br />
aus, dass das Downloaden von Musikartikeln unter Zuhilfenahme<br />
einer Filesharing-Software eine fristlose<br />
Kündigung rechtfertige. Dies kann als Leitentscheidung<br />
für jegliche Art von unbefugten Downloads oder die<br />
widerrechtliche Nutzung von Filesharing-Programmen<br />
gesehen werden.<br />
Preisgabe von Daten<br />
Nicht nur die Internetnutzung, sondern auch der Umgang<br />
mit Daten im Rahmen dieser Nutzung kann oft<br />
tückisch sein.<br />
1. Ungefragte Veröffentlichung von Kundendaten<br />
oder Fotos<br />
Trotz guter Intentionen kann die Veröffentlichung von<br />
sensiblen Kundendaten oder Fotos beispielsweise auf<br />
Facebook-Seiten durch die Mitarbeiter eines Unternehmens<br />
schnell zu einem datenschutzrechtlichen Albtraum<br />
werden.<br />
In diesem Zusammenhang ist insbesondere das Urteil<br />
des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg anzu führen.<br />
Das Gericht stellt fest, dass die Veröffentlichung<br />
von Patientenfotos bei Facebook durch Krankenhauspersonal<br />
eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann.<br />
In diesem brisanten Fall hat ein Mitarbeiter des Krankenhauses<br />
ohne Erlaubnis der Betroffenen Bilder eines<br />
Neugeborenen auf Facebook veröffentlicht. Ein derartiges<br />
Verhalten verletzt das Persönlichkeitsrechts der<br />
Betroffenen erheblich.<br />
2. Veröffentlichung privater Nachrichten<br />
Auch private Nachrichten verlangen eine sorgfältige Behandlung.<br />
Das Oberlandesgericht Hamburg (04. 02. 2013,<br />
Az.: 7 W 5/13) stellt in diesem Zusammenhang fest, dass<br />
die Veröffentlichung privater Nachrichten bei Face book<br />
unzulässig ist.<br />
So handle es sich auch bei einer Mitteilung via Facebook<br />
um eine sprachliche Festlegung eines bestimmten<br />
Gedankeninhalts. Die Veröffentlichung einer solchen<br />
Festlegung gegen oder ohne den Willen des Verfassers<br />
verletzt dabei das allgemeine Persönlichkeitsrecht<br />
desselben. Hierbei bezieht sich das Oberlandesgericht<br />
Hamburg auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs<br />
aus dem Jahre 1954 (Az.: I ZR 211/53).<br />
Schon damals stellten die Richter fest, dass jede<br />
sprachliche Festlegung eines bestimmten Gedankeninhalts<br />
zugleich Ausfluss der Persönlichkeit des Verfassers<br />
und somit Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts<br />
ist. Für eine Mittelung in Social Media darf nichts<br />
anderes gelten. Lediglich Fälle, in denen das öffentliche<br />
Informationsinteresse überwiegt, können als Ausnahmen<br />
in Betracht kommen. Hierüber ist im Einzelfall zu<br />
entscheiden.<br />
Nutzung von Social Media<br />
Gerade im Bereich der Social Media-Nutzung lauern<br />
unterschiedlichste Gefahren für den Arbeitnehmer.<br />
1. Beleidigung bei Facebook<br />
Ein überraschenderweise sehr verbreitetes Phänomen<br />
ist die Beleidigung auf Facebook. Hierbei kann unter<br />
anderem auf die Urteile des LandesarbeitsgerichtHamm,<br />
des Arbeitsgerichts Duisburg (26. 09. 2012, Az.: 5 Ca 949/ 12)<br />
und des Arbeitsgerichts Hagen (16. 05. 2012, 3 Ca<br />
2597/11) zurückgegriffen werden.<br />
http:/ www.<br />
:/ www.de<br />
49
<strong>Nutrition</strong>-<strong>Press</strong><br />
Dabei gilt auch im Netz, dass Beleidigungen auch als solche gelten. Diese können<br />
einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 BGB darstellen, sodass das Arbeitsverhältnis<br />
aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden<br />
kann. Dabei wird auf den persönlichen Vertrauensbruch abgestellt. Ein solcher liegt<br />
vor, wenn der Arbeitnehmer Pflichten aus dem persönlichen Vertrauensbereich verletzt.<br />
Innerhalb des persönlichen Vertrauensbereich obliegt ihm eine Rücksichtnahmepflicht<br />
hinsichtlich der Interessen des Arbeitgebers. Eine Beleidigung verletzt diese<br />
Pflicht schwerwiegend, sodass ein persönlicher Vertrauensbruch vorliegt. Allerdings<br />
ist meist auch hier erst eine Abmahnung nötig.<br />
Soziale Netzwerke zeichnen sich in diesem Zusammenhang aber durch mehrere Besonderheiten<br />
aus: Sie sind oftmals einer breiten Masse von Lesern zugänglich und<br />
Beleidigungen sind von anhaltender Dauer, da sie immer wieder nachgelesen werden<br />
können. Daraus folgt, dass Beleidigungen, die hier „gepostet“ werden, nicht mit einer<br />
wörtlichen Äußerung gegenüber dem Betroffenen/Beleidigten gleichgestellt werden.<br />
Beleidigungen wiegen im Netz weitaus schwerer (anders sah dies das Landesarbeitsgericht<br />
Hessen 28. 01. 2013 Az.: 21 Sa 715/12).<br />
Vielfach wird dann versucht, im Nachhinein über die Profileinstellungen bei Facebook<br />
eine Einschränkung vorzunehmen. Jedoch ist es letztlich unerheblich, ob die Beleidigungen<br />
in einem „öffentlichen“ oder auf „Freunde“ beschränkten Profil erfolgt. Auch<br />
sind ehrverletzende Äußerungen, wenn sie auf der Facebook-Pinnwand getätigt werden,<br />
nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt. Sie stehen vielmehr einem innerbetrieblichen<br />
Aushang auf einem Schwarzen Brett gleich.<br />
2. Außerordentliche Kündigung wegen Anklickens des „Gefällt-mir“-Button<br />
Der „Gefällt mir“-Button schlägt in eine ähnliche Kerbe, wird jedoch anders gewichtet.<br />
So musste das Arbeitsgericht Dessau-Roßlau (21. 03. 2012, Az.: 1 Ca 148/11) feststellen,<br />
dass eine außerordentliche Kündigung wegen des Anklickens des „Gefälltmir“-Button<br />
unter einer Beleidigung bei Facebook unwirksam ist.<br />
50
Internet/Beruf<br />
In seiner Entscheidung geht das Arbeitsgericht Dessau-Roßlau davon aus, dass die<br />
bloße Vermutung des eigenhändigen Anklickens des Buttons nicht für eine außerordentliche<br />
Kündigung ausreiche. Ein glaubwürdig gemachter Zugang zum Nutzerprofil<br />
durch den Ehegatten oder nahestehende Personen kann dabei die Vermutung bereits<br />
entkräften. Zudem handele es sich bei dem Anklicken eines „Gefällt-mir-Buttons“ um<br />
eine spontane Reaktion, der kein allzu hoher Erklärungswert beigemessen werden<br />
sollte.<br />
3. Zuordnung des Social Media Accounts<br />
Ein weiteres problematisches, wenn auch nicht unübliches Fallszenario befasst sich<br />
mit der Behandlung des Social Media Accounts nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.<br />
So besteht eine Herausgabe- oder Überlassungspflicht seitens Arbeitnehmer<br />
nicht per se (Arbeitsgericht Hamburg, 24. 02. 2013, Az.: 29 GA 2/13).<br />
Grundsätzlich ist hierbei anzuführen, dass Streitigkeiten um Geschäftsdaten nicht<br />
unüblich sind und bestimmten Grundsätzen folgen. So besteht zunächst eine Herausgabepflicht<br />
der durch die Tätigkeit entstandenen Kontaktdaten an den Arbeitgeber.<br />
Solche Kontaktdatenbanken dürfen auch nicht einfach kopiert und weiterverwendet<br />
51
<strong>Nutrition</strong>-<strong>Press</strong><br />
werden. Andernfalls bestünde die Möglichkeit der<br />
Strafbarkeit wegen des Verrats von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen<br />
gemäß § 17 UWG. Eine Verwendung<br />
der Kontaktdaten ist jedoch nicht ausgeschlossen,<br />
solange sich die Rekapitulation selbiger oder eigene<br />
Erinnerungen des Arbeitnehmer stützt.<br />
Vor diesem Hintergrund sind daher auch Social Media<br />
Accounts zu beurteilen. Hier kommen jedoch weitere<br />
Nutzungsdimensionen hinzu, was allein der Art der<br />
Kontaktaufnahme und Verwendung geschuldet ist. Daher<br />
sind hier weitere Aspekte zu beachten. Wurde der<br />
Account bereits vor dem Unternehmenseintritt erstellt<br />
und genutzt, könnte ein Überlassungsanspruch ausscheiden.<br />
Ebenso verhält es sich mit Accounts, die<br />
zwar gleichzeitig oder zeitlich nachgeordnet erstellt,<br />
aber rein privat genutzt wurden.<br />
Für einen Herausgabeanspruch sprechen hingegen Aspekte<br />
wie die Verwendung des Firmennamens als Nutzername,<br />
Kostentragung durch das Unternehmen oder<br />
die unternehmerische Natur der Kontaktdaten. Mithin<br />
lässt sich auch hier beobachten, dass eine Entscheidung<br />
im Einzelfall erforderlich ist, welche die Aktivitäten<br />
und der Natur der Nutzung Rechnung trägt.<br />
Fazit:<br />
Letztlich bleibt festzustellen, dass den Arbeitnehmer<br />
bei der Nutzung von digitalen Medien am Arbeitsplatz<br />
viele versteckte, aber auch offensichtliche<br />
Stolperfallen erwarten. Dabei machen es individuelle<br />
Umstände immer wieder notwendig, dass im entsprechenden<br />
Streitfall unbedingt eine rechtliche<br />
Beratung erfolgen muss.<br />
Dem Arbeitnehmer ist anzuraten, dass geschäftlich<br />
und private Nutzung – insbesondere auch in Bezug<br />
auf Social Media Accounts – strickt getrennt werden<br />
sollte. Eine Mischnutzung führt insbesondere<br />
bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses zu<br />
Streitigkeiten und Konfliktpotenzial. Auch sollten<br />
Accounts bei geschäftlicher Nutzung stets als solche<br />
gekennzeichnet und eine Vermengung vermieden<br />
werden. Das bedeutet insbesondere, dass für<br />
private Nachrichten auch der private Account genutzt<br />
werden sollte.<br />
Daher sollten Informationen, die im Rahmen von<br />
Mitarbeiteraufklärungen, vertraglichen Vereinbarungen,<br />
aber auch Workshops hinsichtlich der Nutzung<br />
des Internets und der Accounts zugänglich gemacht<br />
werden, ernst genommen werden. Aspekte wie<br />
Datenschutz, Persönlichkeitsrechte und straf- oder<br />
haftungsrechtliche Probleme, Stolperfallen, können<br />
so weiträumig umschifft werden.<br />
Torsten Schink<br />
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht,<br />
Diplom-Verwaltungswirt/FH,<br />
Fachlicher Beirat des NEM e.V.<br />
52
Biostoffdatenbank<br />
Mit Bakterien, Viren und Co. bei der Arbeit sicher <br />
umgehen – Datenbank der gesetzlichen Unfallversicherung<br />
informiert über Risiken von Biostoffen<br />
GESTIS-Biostoffdatenbank<br />
Wer mit Biostoffen arbeitet, muss über ihr Gefährdungspotenzial Bescheid<br />
wissen. Die neue GESTIS-Biostoffdatenbank informiert über<br />
Risiken und den richtigen Umgang mit Bakterien, Viren, Pilzen und Parasiten. Die<br />
Datenbank ist ein Kooperationsprojekt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales<br />
(BMAS), der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG<br />
RCI) und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). Sie ist unter einer<br />
eigenen Webseite bei der DGUV Internetpräsenz erreichbar.<br />
Bisher fehlte es an einer zentralen Informationsquelle für das nötige Präventionswissen.<br />
Die neue Biostoffdatenbank hilft dem ab. Sie führt das Wissen einheitlich gegliedert<br />
zusammen und macht es online rund um die Uhr an jedem Ort verfügbar. Die<br />
Datenbank ist Teil des Gefahrstoffinformationssystems (GESTIS) der DGUV. Aktuell<br />
sind bereits über 10.000 Biostoffe erfasst, zu denen Informationen über Risikogruppen<br />
und grundlegende Maßnahmen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz in Laboratorien,<br />
Versuchstierhaltung und in der Biotechnologie vorliegen. Für rund 50 Stoffe<br />
enthält das System darüber hinaus umfassende Datenblätter. Für weitere Biostoffe<br />
werden fortlaufend Datenblätter erarbeitet. Für Gefahren bei „nicht gezielten Tätigkeiten“,<br />
etwa in der Abfallwirtschaft, werden fortlaufend tätigkeitsbezogene Datenblätter<br />
erstellt.<br />
Die Datenbank bietet so einen schnellen Überblick und ermöglicht damit den sicheren<br />
Umgang mit Gefahrstoffen.<br />
Fachlich begleitet wird das Projekt Biostoffdatenbank vom Ausschuss für Biologische<br />
Arbeitsstoffe (ABAS). Die GESTIS-Biostoffdatenbank wird betreut vom Institut<br />
für Arbeitsschutz der DGUV (IFA).<br />
Der Zugriff ist für alle kostenfrei und ohne Registrierung möglich:<br />
GESTIS-Biostoffdatenbank: http://www.dguv.de/ifa/Gefahrstoffdatenbanken/<br />
GESTIS-Biostoffdatenbank/index.jsp<br />
Quelle: BG RCI<br />
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<strong>Nutrition</strong>-<strong>Press</strong><br />
Marktplatz//<br />
Nahrungsergänzungsmittel<br />
Qualität – Made in Germany<br />
www.floramed.de<br />
www.plantavis.de<br />
www.plantafood.de<br />
54<br />
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