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Geschäftsbericht 2008 - Bayerischer Kommunaler Prüfungsverband

Geschäftsbericht 2008 - Bayerischer Kommunaler Prüfungsverband

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<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong><br />

<strong>Prüfungsverband</strong> BKPV<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong><br />

<strong>2008</strong><br />

- auszugsweise -<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong><br />

Renatastraße 73, 80639 München<br />

Telefon: (089) 1272-0, Telefax: (089) 168 86 46<br />

E-Mail: geschaeftsstelle@bkpv.de<br />

Internet: www.bkpv.de


Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis<br />

...<br />

6<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

Seite<br />

C. Aktuelle Fragen aus der Prüfungs- und<br />

Beratungstätigkeit 15<br />

...<br />

Stiftungsrecht<br />

Grundsätze der Verwaltung von Stiftungen 15<br />

Berechnung der Miete für Schulanlagen 32<br />

Überprüfung der Angemessenheit des Stellenbestandes anhand<br />

von Stellenvergleichen für kreisangehörige Gemeinden und<br />

Verwaltungsgemeinschaften 42<br />

Stellenbemessung in der Kfz-Zulassungsstelle und im<br />

Führerscheinwesen 53<br />

Methoden zu Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen bei Investitionsmaßnahmen<br />

und Angeboten 65<br />

Unzuverlässigkeit des Bieters durch bewusstes Ausnutzen von Fehlern<br />

im Leistungsverzeichnis mittels spekulativer Preisgestaltungen 124<br />

Bauvertrag nach VOB: Außerordentlich überhöhte Einheitspreise sind<br />

nichtig, gehen Spekulationen bis zu dieser Grenze auf? 158<br />

Leistungen und Honorierung des Architekten für den Brandschutznachweis 189<br />

Energieausweise nach der EnEV 2007 und energetische Verbesserungen 212<br />

Steuerlicher Querverbund nun gesetzlich verankert 226<br />

Personaleinsatz und Personal- und Sachkosten im Krankenhaus<br />

- Ermittlung, Finanzierung und Nachkalkulation von Fallpauschalen - 240


C. Aktuelle Fragen aus der Prüfungs- und<br />

Beratungstätigkeit<br />

Stiftungsrecht<br />

Grundsätze der Verwaltung von Stiftungen<br />

Verfasser: Jürgen Wölfl<br />

Inhaltsübersicht Seite<br />

1 Vorbemerkungen 16<br />

2 Erhalt des Grundstockvermögens 17<br />

2.1 Definition des Grundstockvermögens 17<br />

2.2 Nachweis des Grundstockvermögens 18<br />

2.3 Erhaltungsauftrag 19<br />

2.3.1 Allgemeine Grundsätze der Vermögenserhaltung 20<br />

2.3.1.1 Sichere und wirtschaftliche Vermögensverwaltung 20<br />

2.3.1.2 Nichtausschüttung von Vermögenserträgen<br />

(Admassierung) 20<br />

2.3.1.3 Steuerrechtliche Rahmenbedingungen 21<br />

2.3.2 Grundsätze und Maßnahmen der Vermögenserhaltung bei<br />

Liegenschaften 23<br />

2.3.2.1 Unbebaute Grundstücke 23<br />

2.3.2.2 Bebaute Grundstücke/Gebäude 23<br />

2.3.3 Grundsätze und Maßnahmen der Vermögenserhaltung bei<br />

Kapitalvermögen 25<br />

3 Zweckentsprechende Verwendung der Erträge des Vermögens der<br />

Stiftung 26<br />

3.1 Verwendung der Erträge des Vermögens 26<br />

3.1.1 Verwendung mit Mittelabfluss 27<br />

3.1.2 Verwendung ohne Mittelabfluss 28<br />

3.1.3 Zeitliche Vorgaben zur Verwendung 30<br />

3.1.4 Nachweis der zweckentsprechenden Verwendung 30<br />

3.2 Erfüllung des Stiftungszwecks 31<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

15


1 Vorbemerkungen<br />

Wir halten es aus den nachfolgenden Gründen für geboten, die wichtigsten Grundsätze, die bei<br />

der Verwaltung von Stiftungen zu beachten sind, im Rahmen eines <strong>Geschäftsbericht</strong>sbeitrags<br />

zu behandeln:<br />

─ Das Bayerische Stiftungsgesetz (BayStG) wurde im Jahr <strong>2008</strong> „mit dem Ziel weiterer Optimierung“<br />

insgesamt überarbeitet. 1 Die damit beabsichtigte Deregulierung und Verwaltungsvereinfachung<br />

bedingen jedoch auch eine größere Verantwortung der für die Verwaltung<br />

der Stiftungen zuständigen Organe.<br />

─ Die Stiftungsgründungen nehmen in Bayern ständig zu. 2 Nach den Ausführungen der Bayerischen<br />

Staatsregierung im Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Stiftungsgesetzes<br />

(LT-Drs. 15/10528, Buchst. A) wurden allein im Jahr 2007 200 neue (nichtkirchliche)<br />

Stiftungen als rechtsfähig anerkannt. Auch die Zahl der von den Kommunen verwalteten<br />

Stiftungen steigt stetig.<br />

─ Bei unseren überörtlichen Rechnungsprüfungen mussten wir in den vergangenen Monaten<br />

vermehrt feststellen, dass unsere Mitglieder Probleme beim praktischen Vollzug stiftungsrechtlicher<br />

Vorgaben haben; dies wurde auch aus Anfragen an unser Haus ersichtlich.<br />

─ Bei den steuerbegünstigten Stiftungen haben wir den Eindruck, dass einzelne Finanzämter<br />

ihre Überprüfungen im Rahmen der Freistellungen von der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer<br />

intensiviert haben bzw. oftmals erhöhte Anforderungen z. B. an die vorzulegenden<br />

Unterlagen stellen.<br />

─ Teils sind auch erhöhte Anforderungen der Aufsichtsbehörden erkennbar, denen unsere<br />

bisherige Prüfungspraxis bzw. Aufbau und Inhalt unserer Prüfungsberichte nicht mehr<br />

durchgängig genügten.<br />

Diese Gründe waren letztlich auch Anlass, unsere Anforderungen bei Prüfungen zu überarbeiten<br />

und anzupassen. Damit wollen wir weiterhin auch eine bayernweit einheitliche Prüfungspraxis<br />

(Anlegen von gleichen Maßstäben) gewährleisten. Dieser Beitrag soll unsere Mitglieder<br />

entsprechend informieren, aber insbesondere den Entscheidungsträgern und verantwortlichen<br />

Bediensteten auch Hilfestellungen zur sachgerechten Beurteilung bei den oft vielschichtigen<br />

Fragestellungen und Problemen bei der Verwaltung von Stiftungen bieten. Bei den vielfältigen<br />

Ausgangsvoraussetzungen (z. B. hinsichtlich Art und Zweck der Stiftungen) und dem „Zusammenwirken“<br />

von Stiftungsrecht, Kommunalrecht, Steuerrecht und zu beachtenden spezialgesetzlichen<br />

Regelungen kann dieser Beitrag jedoch keine umfassende Aufarbeitung aller Problemstellungen<br />

bieten und keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Wir geben jeweils<br />

grundsätzliche Erläuterungen und weisen auf bisher häufig festgestellte Fehler und Möglichkeiten<br />

zu deren Bereinigung hin.<br />

Unsere Ausführungen beziehen sich weitestgehend auf die im Rahmen der überörtlichen<br />

Rechnungsprüfungen durch unser Haus zu prüfenden rechtsfähigen, kommunalen, kommunal<br />

verwalteten Stiftungen im Sinne des Art. 20 Abs. 3 BayStG. Für diese Stiftungen gelten nicht<br />

alle Regelungen des BayStG, aber weitgehend die Vorschriften über die Gemeindewirtschaft,<br />

1<br />

vgl. BayStG i. d. F. der Bekanntmachung vom 26.09.<strong>2008</strong>, GVBl S. 834<br />

2<br />

vgl. auch Pressemitteilung Nr. 24/08 des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 25.01.<strong>2008</strong><br />

16<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


die Landkreiswirtschaft und die Bezirkswirtschaft entsprechend; wir beschränken unsere Ausführungen<br />

auf die für die Gemeinden geltenden Vorschriften. Nicht zuletzt um diesen Beitrag<br />

noch überschaubar zu halten, gehen wir von der bei den kommunalen, kommunal verwalteten<br />

Stiftungen weit überwiegend noch anzutreffenden Rechnungslegung nach den Grundsätzen<br />

der Kameralistik aus. Die Ausführungen zum Nachweis des Erhalts des Grundstockvermögens<br />

und der zweckentsprechenden Verwendung der Stiftungsmittel gelten jedoch im Grundsatz unabhängig<br />

von der Art der Rechnungslegung.<br />

Verschiedentlich führen Städte und Gemeinden auch die Geschäfte von allgemeinen Stiftungen<br />

und Stiftungen, deren Verwaltung und Vertretung nicht ausschließlich den Organen obliegt,<br />

die nach den Kommunalgesetzen für die Verwaltung und Vertretung der kommunalen<br />

Gebietskörperschaften zuständig sind (nicht kommunal verwaltete Stiftungen; vgl. MBek vom<br />

27.04.1962, MABl S. 373). Bei diesen Stiftungen sind grundsätzlich die Stiftungsaufsichtsbehörden<br />

zur Prüfung zuständig (Art. 16 Abs. 2 BayStG). Die Jahresrechnungen solcher Stiftungen<br />

prüfen wir, wenn uns die Stiftungsaufsichtsbehörde oder die Stiftung damit beauftragt hat<br />

(vgl. Art. 16 Abs. 3 und 4 BayStG). Bestehen vor Ort Zweifel über die rechtliche Einordnung einer<br />

Stiftung, so sollte dies (nicht nur wegen der unterschiedlichen Prüfungszuständigkeit) von<br />

den Stiftungsverwaltungen mit den Aufsichtsbehörden erörtert werden.<br />

Unsere Ausführung zum Erhaltungsauftrag des Grundstockvermögens und der zweckentsprechenden<br />

Verwendung der Erträge gelten – im Hinblick auf insoweit inhaltsgleiche Regelungen<br />

in Art. 84 Abs. 2 und 3 GO – entsprechend für nichtrechtsfähige (fiduziarische) Stiftungen.<br />

Die weit überwiegende Zahl der von Kommunen verwalteten Stiftungen unterliegt den Regelungen<br />

des Abschnitts „Steuerbegünstigte Zwecke“ der Abgabenordnung (AO). Neben dem<br />

Stiftungsrecht setzt insoweit das steuerliche Gemeinnützigkeitsrecht (§§ 51 bis 68 AO) der<br />

Verwaltung von Stiftungen (insbesondere bei der Rücklagenbildung) Grenzen und normiert<br />

(zusätzliche) Anforderungen (z. B. bei der Mittelverwendung). Bei einer Missachtung dieser<br />

Vorgaben droht der Verlust des steuerbegünstigten Status (vgl. z. B. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG).<br />

Die Stiftung verliert ferner die Berechtigung zur Ausstellung von Zuwendungsbestätigungen.<br />

Das Steuerrecht beeinflusst das Stiftungsrecht sehr stark. Insbesondere die stiftungsrechtlichen<br />

Vorgaben des Vermögenserhalts und der zweckentsprechenden Verwendung der Erträge<br />

können insoweit nur im Rahmen der steuerrechtlichen Möglichkeiten erfüllt werden. Wir gehen<br />

daher in diesem Beitrag jeweils auch auf die steuerrechtlichen Vorgaben kurz ein bzw. verweisen<br />

auf die entsprechenden Vorschriften der AO.<br />

2 Erhalt des Grundstockvermögens<br />

2.1 Definition des Grundstockvermögens<br />

Nach Art. 6 Abs. 2 BayStG ist das Grundstockvermögen definiert als das „Vermögen, das der<br />

Stiftung zugewendet wurde, um aus seiner Nutzung den Stiftungszweck dauernd und nachhaltig<br />

zu erfüllen“. Als Grundstockvermögen ist insoweit nicht die Gesamtheit der Vermögenswerte<br />

anzusehen, die im Eigentum einer Stiftung stehen 3 , sondern zunächst das Vermögen, mit dem<br />

die Stiftung ursprünglich ausgestattet wurde. Dieses ist im Regelfall aus der Stiftungssatzung<br />

oder einer Anlage dazu zu ersehen. Das Grundstockvermögen können Sachen und Rechte al-<br />

3 In der Begründung zum Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Stiftungsgesetztes ist<br />

insoweit vom „Stiftungsvermögen im weiteren Sinn“ die Rede, vgl. LT-Drs. 15/10528, Ziffer II, zu Nr. 8 (Art. 11).<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

17


ler Art sein, in der Praxis weit überwiegend Geld, Wertpapiere, Grundstücke und Kunstgegenstände<br />

(Sammlungen), aber vereinzelt auch Unternehmen, Unternehmensanteile, Urheber-<br />

und Nutzungsrechte sowie rechtlich gesicherte Ansprüche und Forderungen. Ferner umfasst<br />

das Grundstockvermögen auch dessen Wertzuwächse im Zeitablauf seit der ursprünglichen<br />

Vermögensausstattung (z. B. Kursgewinne durch Vermögensumschichtungen), die zur Aufstockung<br />

zugeflossenen Vermögenswerte (z. B. aus Mitteln der freien Rücklage; vgl. dazu Abschnitt<br />

2.3.3 und Vermögenszuführungen nach § 58 Nr. 12 AO) sowie Zustiftungen und Zuwendungen<br />

in das Grundstockvermögen.<br />

2.2 Nachweis des Grundstockvermögens<br />

Zum Nachweis des Erhalts und auch zu dessen Prüfung erscheint es nicht nur geboten, sondern<br />

unerlässlich, das Grundstockvermögen getrennt vom sonstigen Vermögen der Stiftung zu<br />

erfassen und fortzuschreiben. Dabei gelten für die in diesem Beitrag behandelten Stiftungen<br />

grundsätzlich die Vorgaben der GO und der KommHV-Kameralistik.<br />

Nach Art. 74 Abs. 2 Satz 1 GO sind Vermögensgegenstände pfleglich und wirtschaftlich zu<br />

verwalten und ordnungsgemäß nachzuweisen. Wie die Vermögensgegenstände im Einzelnen<br />

nachzuweisen sind, ist in der KommHV-Kameralistik geregelt (Art. 123 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 GO).<br />

Nach § 75 KommHV-Kameralistik sind über Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte und bewegliche<br />

Sachen grundsätzlich Bestandsverzeichnisse zu führen, aus denen Art und Menge<br />

sowie Lage oder Standort der Gegenstände ersichtlich sind. Bestandsverzeichnisse brauchen<br />

unter anderem nicht geführt zu werden, soweit sich der Bestand aus Anlagenachweisen ergibt<br />

(§ 75 Abs. 2 Nr. 1 KommHV-Kameralistik). Auch wegen der unter anderem bei Gebäuden unseres<br />

Erachtens gebotenen Ermittlung von Abschreibungen (vgl. Abschnitt 2.3.2.2) empfiehlt<br />

sich dazu die Führung eines Anlagenachweises. Veränderungen des Grundstockvermögens<br />

sollten ohne großen Aufwand jederzeit nachvollzogen werden können. Aus den Bestandsverzeichnissen<br />

bzw. Anlagenachweisen oder dazu geführten Akten oder Nebenaufzeichnungen<br />

sollten dazu bei Zu- und Abgängen jeweils die Gründe kurz erläutert und bei Grundstücken<br />

ergänzend auch deren Flächen und gegebenenfalls Veränderungen der Flächen dargestellt<br />

werden. Rücklagemittel sind in entsprechenden Übersichten nachzuweisen (§ 77 Abs. 2 Nr. 2<br />

KommHV-Kameralistik).<br />

Wir mussten bei Prüfungen oftmals feststellen, dass noch im Grundstockvermögen nachgewiesene<br />

Grundstücke bereits verkauft oder verschmolzen wurden oder die angegebenen Flächen,<br />

z. B. aufgrund von Neuvermessungen oder Tauschgeschäften, nicht mehr zutrafen. Daher<br />

sollten die Angaben in den Bestandsverzeichnissen und Anlagenachweisen grundsätzlich jeweils<br />

durch Grundbuchauszüge belegt werden können und ergänzend Lagepläne zu den Unterlagen<br />

genommen werden.<br />

Häufig war bei Prüfungen bisher auch festzustellen, dass alle aus der laufenden Haushaltswirtschaft<br />

ausgeschiedenen Geldbestände jährlich jeweils in einer Summe als Zuführung an die<br />

allgemeine Rücklage – in der ursprünglich auch das Grundstock(kapital)vermögen nachgewiesen<br />

war – gebucht wurden. Dadurch konnte oftmals weder die Entwicklung des Grundstockvermögens<br />

noch der gegebenenfalls weiteren, getrennt nachzuweisenden Rücklagemittel (z. B.<br />

Zweckrücklagen, Verwendungsrückstand; vgl. dazu Abschnitte 3.1.2 und 3.1.3) mit einem vertretbaren<br />

zeitlichen Aufwand nachvollzogen werden. Wir empfehlen in diesen Fällen grundsätzlich,<br />

die in der allgemeinen Rücklage nachgewiesenen Mittel durch eine Nebenrechnung<br />

zu differenzieren (z. B. Summe der in der allgemeinen Rücklage nachgewiesenen Beträge, da-<br />

18<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


von Grundstockvermögen, davon freie Rücklage, davon Zweckrücklagen, davon Verwendungsrückstand).<br />

Sofern das aktuell nachgewiesene Grundstockvermögen der Stiftung (z. B. auch durch Vermögensumschichtungen)<br />

erheblich vom in der Stiftungssatzung bzw. einer Anlage dazu aufgeführten<br />

Grundstockvermögen abweicht, wäre eine entsprechende Anpassung bzw. Fortschreibung<br />

der Satzungsregelung zu erwägen.<br />

2.3 Erhaltungsauftrag<br />

Das Grundstockvermögen bildet die materielle Grundlage für den Bestand einer Stiftung und<br />

die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks. Als zentraler stiftungsrechtlicher<br />

Grundsatz ist daher in Art. 6 Abs. 2 BayStG geregelt, dass das Grundstockvermögen „ungeschmälert<br />

zu erhalten“ ist. Dies bedeutet zunächst, dass es grundsätzlich nicht verschenkt,<br />

verbraucht (auch nicht für den Stiftungszweck) oder unter seinem tatsächlichen Wert veräußert<br />

werden darf. Im stiftungsrechtlichen Schrifttum wurde darüber hinaus schon bisher weit überwiegend<br />

die Auffassung vertreten, dass das Erhaltungsgebot als Auftrag zum Erhalt des wirtschaftlichen<br />

Wertes (Ertragskraft, Kaufkraft) verstanden werden muss. 4 Vereinzelt wurde die<br />

Meinung vertreten, dass die nominelle Erhaltung des Grundstockvermögens ausreichend ist.<br />

Im Rahmen der letztjährigen Änderung des BayStG wurde in der Begründung zum Gesetzentwurf<br />

klar ausgeführt, „dass das Grundstockvermögen der Stiftung grundsätzlich in seinem realen<br />

Wert und in seiner Ertragskraft“ zu erhalten ist. 5 Die rein nominelle Erhaltung des Grundstockvermögens<br />

(als Ertragsquelle für die Verwirklichung des Stiftungszwecks) ist nicht ausreichend,<br />

um die reale Leistungskraft einer Stiftung auf Dauer zu sichern. Es ist Aufgabe der<br />

Stiftungsorgane und der Stiftungsverwaltungen, diesem Erhaltungsauftrag durch entsprechende<br />

Maßnahmen nachzukommen. Zu diesem Zweck sollte von den Stiftungsverwaltungen (im<br />

Sinne einer „Kapitalerhaltungsrechnung“) jeweils dargelegt werden können, durch welche Konzepte<br />

und mit welchem Ergebnis die Vermögenserhaltung gewährleistet wurde. Die Rechnungsprüfungsorgane<br />

haben im Rahmen der Rechnungsprüfung zu beurteilen, ob das Ziel der<br />

Vermögenserhaltung erreicht wurde bzw. die getroffenen Maßnahmen dazu ausreichend und<br />

geeignet waren. Welche Grundsätze und Maßstäbe beim Vermögenserhalt unseres Erachtens<br />

zu beachten sind, stellen wir in den nachfolgenden Abschnitten dieses Beitrags – differenziert<br />

nach den jeweiligen Vermögenswerten – dar.<br />

Der Vollständigkeit halber weisen wir darauf hin, dass das Erhaltungsgebot jedoch nicht jede<br />

Änderung der Zusammensetzung des Grundstockvermögens ausschließt. Dies zeigt sich z. B.<br />

darin, dass die zunächst als Muss-Vorschrift, später als Soll-Vorschrift ausgestaltete Regelung,<br />

wonach der Erlös für veräußerte Grundstücke wieder in Grundstücken angelegt werden soll<br />

(vgl. Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BayStG i. d. F. vom 24.07.2001) mit der letzten Änderung des<br />

BayStG nunmehr gänzlich gestrichen wurde. Ein Austausch von (rentierenden) Vermögensgegenständen<br />

ist möglich und mag im Einzelfall im Rahmen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung<br />

sogar geboten sein (vgl. dazu auch Abschnitte 2.3.2.1 und 2.3.2.2). Wegen des<br />

sachlichen Zusammenhangs weisen wir an dieser Stelle ergänzend darauf hin, dass Erlöse<br />

aus der Veräußerung von Teilen des Grundstockvermögens (z. B. Kursgewinne, Buchgewinne)<br />

4 vgl. z. B. Carstensen, Die ungeschmälerte Erhaltung des Stiftungsvermögens, Die Wirtschaftsprüfung, Heft 22/<br />

1996, S. 781 ff.; Pohley/Backert, Bayerisches Stiftungsgesetz, Erl. 3.1 zu Art. 11 a. F.<br />

5 Begründung zu Nr. 2 des Änderungsantrags zum Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen<br />

Stiftungsgesetzes, LT-Drs. 15/10972; vgl. auch IMS vom 13.08.<strong>2008</strong>, Az.: IA6-1221.1-9<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

19


nach ganz h. M. dem Grundstockvermögen zuzuführen sind; 6 sie sind keine Erträge im Sinne<br />

des Art. 6 Abs. 3 Satz 1 BayStG und unterliegen auch gemeinnützigkeitsrechtlich nicht der<br />

Pflicht zur zeitnahen Verwendung für den Stiftungszweck.<br />

2.3.1 Allgemeine Grundsätze der Vermögenserhaltung<br />

2.3.1.1 Sichere und wirtschaftliche Vermögensverwaltung<br />

Aus dem Erhaltungsgebot lässt sich die Pflicht zur pfleglichen Behandlung des Grundstockvermögens<br />

ableiten. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayStG normiert den Grundsatz, dass das Vermögen<br />

einer Stiftung, und damit natürlich insbesondere das Grundstockvermögen, sicher und wirtschaftlich<br />

zu verwalten ist (vgl. auch Art. 74 Abs. 2 Satz 1 GO). Um dem Auftrag der Erhaltung<br />

des Grundstockvermögens nachkommen zu können, sind also zunächst entsprechende Maßnahmen<br />

der Vermögensverwaltung zu ergreifen. Dabei sind die Ziele der Erwirtschaftung von<br />

Erträgen zur Erfüllung des Stiftungszwecks und der Erhaltung des Vermögens (z. B. auch<br />

durch laufende Unterhaltsmaßnahmen an Gebäuden) gleichermaßen zu verfolgen. Neben den<br />

üblichen Sorgfaltsmaßstäben und allgemeinen Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, wie die Vereinbarung<br />

eines dem Wert entsprechenden Erbbauzinses oder von marktüblichen Mieten (vgl.<br />

auch Art. 75 Abs. 2 GO), ist dabei insbesondere auf eine Vermögensanlage zu achten, die einerseits<br />

unvertretbare Risiken vermeidet und andererseits möglichst hohe Erträge erbringt.<br />

Feste Renditeziele bergen in diesem Zusammenhang die Gefahr, in Niedrigzinsphasen den Sicherheitsaspekt<br />

der Anlage zu vernachlässigen.<br />

Während die allgemeinen und nicht ausschließlich kommunal verwalteten Stiftungen im Rahmen<br />

der Grundsätze einer sicheren und wirtschaftlichen Vermögensverwaltung in der Vermögensanlage<br />

frei sind, gelten für die kommunalen, kommunal verwalteten Stiftungen nach<br />

Art. 20 Abs. 3 Satz 3 BayStG die Vorschriften über die Gemeindewirtschaft (mit wenigen Ausnahmen)<br />

entsprechend. Dies wird nach unseren Erkenntnissen bisher vielfach übersehen. Das<br />

heißt bei der Vermögensanlage sind z. B. bei Städten und Gemeinden die Vorgaben des<br />

Art. 74 Abs. 2 Satz 2 GO, des § 21 Abs. 1 KommHV-Kameralistik und ergänzend die Hinweise<br />

im IMS vom 19.11.2001, Az. IB4-1514-5, zur Geldanlage von Kommunen in Aktien zu beachten.<br />

Aufgrund der restriktiven Vorschriften scheiden für diese Stiftungen Anlageformen mit spekulativem<br />

Charakter (einschließlich Aktien) grundsätzlich aus. War das Grundstockvermögen<br />

bereits ursprünglich mit spekulativen Finanzanlagen versehen, ist unter Berücksichtigung des<br />

Stifterwillens mittelfristig auf eine Reduzierung des Anlagerisikos hinzuwirken.<br />

2.3.1.2 Nichtausschüttung von Vermögenserträgen (Admassierung)<br />

Erträge des Vermögens einer Stiftung dürfen grundsätzlich nur zur Erfüllung des Stiftungszwecks<br />

verwendet werden (vgl. Abschnitt 3). Davon unberührt bleibt jedoch nach Art. 6 Abs. 3<br />

Satz 2 BayStG die Zuführung von Erträgen zum Grundstockvermögen, um dieses in seinem<br />

Wert zu erhalten. Mit dieser Regelung wurde die stiftungsrechtliche Grundlage für die Nichtausschüttung<br />

von Vermögenserträgen (sog. Admassierung) geschaffen (vgl. zur steuerrechtlichen<br />

Grundlage die nachfolgenden Ausführungen zur freien Rücklage nach § 58 Nr. 7 AO; ergänzend<br />

verweisen wir auf § 58 Nrn. 11 und 12 AO).<br />

6 vgl. Thiel, Die zeitnahe Mittelverwendung, V.1. in Der Betrieb 1992, S. 1900 ff.<br />

20<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


2.3.1.3 Steuerrechtliche Rahmenbedingungen<br />

Nach unserer Auffassung findet die stiftungsrechtliche Vorgabe zur realen Werterhaltung – zumindest<br />

bei den steuerbegünstigten Stiftungen – ihre Grenzen in den Vorgaben des steuerlichen<br />

Gemeinnützigkeitsrechts. Insbesondere bei der Rücklagenbildung (also der Nichtausschüttung<br />

von Vermögenserträgen) müssen die steuerlichen Vorgaben beachtet werden, da<br />

ansonsten die Steuerbegünstigung gefährdet würde.<br />

Nach § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO muss die steuerbegünstigte Körperschaft ihre Mittel grundsätzlich<br />

zeitnah für ihre steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke verwenden (vgl. Abschnitt 3.1.3).<br />

Die Bildung von Rücklagen ist grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen des § 58 Nrn. 6<br />

und 7 AO und Nr. 3 des Anwendungserlasses (AEAO) zu § 55 AO zulässig. 7<br />

─ Nach § 58 Nr. 6 AO kann eine Körperschaft ihre Mittel ganz oder teilweise einer Rücklage<br />

zuführen, soweit dies erforderlich ist, um ihre steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke<br />

nachhaltig erfüllen zu können. Die Vorschrift behandelt die Bildung von Rücklagen zur<br />

Erfüllung des Stiftungszwecks (vgl. Abschnitt 3.1.2). Sie ist im Zusammenhang mit der<br />

Erhaltung des Grundstockvermögens hier von Bedeutung soweit Vermögensgegenstände<br />

des Zweckvermögens Bestandteil des Grundstockvermögens sind.<br />

─ Nach § 58 Nr. 7 Buchst. a AO wird eine Steuerbegünstigung nicht dadurch ausgeschlossen,<br />

dass eine Körperschaft höchstens ein Drittel des Überschusses der Einnahmen über<br />

die Unkosten aus Vermögensverwaltung und darüber hinaus höchstens 10 v. H. der sonstigen<br />

nach § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO zeitnah zu verwendenden Mittel einer freien Rücklage (oft<br />

als Kapital- oder Werterhaltungsrücklage bezeichnet) zuführt. Mit dieser Regelung ist<br />

auch steuerrechtlich die Möglichkeit eröffnet, eine Rücklage zur Erhaltung der realen Leistungsfähigkeit<br />

einer Stiftung zu bilden.<br />

Bei der Ermittlung des Betrags, der der freien Rücklage zugeführt werden kann, ist Folgendes<br />

zu beachten:<br />

Vermögensverwaltung liegt nach § 14 Satz 3 AO in der Regel vor, wenn Vermögen genutzt,<br />

z. B. Kapitalvermögen verzinslich angelegt und unbewegliches nicht dem Zweckbetrieb<br />

dienendes Vermögen vermietet oder verpachtet wird. Einnahmen aus der Vermögensverwaltung<br />

sind folglich die Miet- und Pachterträge und die Zins- und gegebenenfalls<br />

Dividendeneinnahmen aus dem Grundstockvermögen, also z. B. nicht Spenden, öffentliche<br />

Zuschüsse, Einnahmen aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben oder Zweckbetrieben.<br />

Auch Erträge aus dem Verkauf von Wertpapieren (Kursgewinne; Erträge aus Abgang Finanzanlagen)<br />

sind keine Einnahmen aus der Vermögensverwaltung; sie sind dem Grundstockvermögen<br />

zuzuführen (vgl. Abschnitt 2.3). Auch Zinserträge aus der Anlage von<br />

Rücklagen nach § 58 Nr. 6 AO (Zweckrücklagen; vgl. Abschnitt 3.1.2) sind keine Einnahmen<br />

aus der Vermögensverwaltung im Sinne des § 58 Nr. 7 Buchst. a AO 8 .<br />

Unter Unkosten aus der Vermögensverwaltung sind alle Kosten zu verstehen, die in<br />

sachlichem Zusammenhang mit dem verwalteten Vermögen stehen, also z. B. Bankgebühren,<br />

Verwaltungskosten, öffentliche Abgaben, Versicherungen, Ausgaben für den lfd.<br />

Grundstücks- und Gebäudeunterhalt und Schuldzinsen (jeweils bezogen auf das Grundstockvermögen).<br />

Auch die Abschreibungen auf das Grundstockvermögen sind unseres Er-<br />

7<br />

vgl. Nr. 25 AEAO zu § 55 AO<br />

8<br />

vgl. Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Rz. 121 zu § 58 AO<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

21


achtens als Unkosten in diesem Sinne zu verstehen 9 . Nicht realisierte Kursverluste des<br />

Wertpapiervermögens (außerplanmäßige Abschreibungen auf Finanzanlagen) sind hingegen<br />

nicht als Unkosten anzusetzen. Nicht zu den Unkosten zählen ferner die Aufwendungen<br />

im Rahmen steuerlich unschädlicher Betätigungen im Sinne des § 58 Nrn. 1 bis 9 AO,<br />

also insbesondere die (zulässigen) Zuführungen an Rücklagen und die Ausgaben für die<br />

Pflege von Stiftergräbern.<br />

In die Bemessungsgrundlage der 10 %-Rücklage dürfen nur die „sonstigen nach § 55<br />

Abs. 1 Nr. 5 AO zeitnah zu verwendenden Mittel“ einbezogen werden. Mittel im Sinne dieser<br />

Vorschrift sind die Überschüsse bzw. Gewinne aus steuerpflichtigen wirtschaftlichen<br />

Geschäftsbetrieben und Zweckbetrieben sowie die Bruttoeinnahmen aus dem ideellen Bereich<br />

(also z. B. Spenden und Mitgliedsbeiträge; Nr. 14 AEAO zu § 58 AO). Die Überschüsse<br />

aus der Vermögensverwaltung dürfen zur Vermeidung einer „Doppelbegünstigung“<br />

nicht einbezogen werden. Auch die Zinserträge aus (allen) Rücklagemitteln sind unseres<br />

Erachtens hier nicht als „sonstige Mittel“ anzusetzen, da insoweit sonst eine „Überdotierung“<br />

der freien Rücklage erfolgen würde. Zinsen aus zur zweckentsprechenden Verwendung<br />

„zurückgelegten“ Mitteln müssen unmittelbar wieder dem Stiftungszweck zufließen<br />

und können nicht – über den „Umweg“ der freien Rücklage – zur „Vermögensmehrung“<br />

verwendet werden.<br />

─ Neben der Regelung in § 58 Nr. 7 AO dürfen im Bereich der Vermögensverwaltung nach<br />

steuerlichen Vorgaben Rücklagen nur noch für die Durchführung konkreter Reparatur- oder<br />

Erhaltungsmaßnahmen an Vermögensgegenständen im Sinne des § 21 EStG (nicht dem<br />

Zweckbetrieb zugeordnete vermietete oder verpachtete Gebäude) gebildet werden (Nr. 3<br />

AEAO zu § 55 AO; sog. Instandhaltungsrücklagen). Die Maßnahmen müssen notwendig<br />

sein, um den ordnungsgemäßen Zustand des Gebäudes zu erhalten oder wiederherzustellen,<br />

und in einem angemessenen Zeitraum durchgeführt werden können. In diesem<br />

Rahmen wird die Erhaltung und Pflege des Grundstockvermögens ermöglicht. Diese<br />

Rücklage ist aus den Überschüssen der Vermögensverwaltung zu bilden. 10 Für den Nachweis<br />

des erwarteten Reparatur- und Erhaltungsaufwands ist es regelmäßig erforderlich, für<br />

die dem Zweckbetrieb dienenden Gebäude des Grundstockvermögens mehrjährige Bauprogramme<br />

aufzustellen, die neben den erwarteten Kosten auch die Notwendigkeit der<br />

Maßnahme belegen und den zeitlichen Rahmen der Durchführung abstecken. Über diesen<br />

(konkretisierten) Reparatur- und Erhaltungsaufwand hinaus ist jedoch eine Rücklagenbildung<br />

zur Erhaltung des Gebäude(grundstock)vermögens rein aus steuerlichen Gesichtspunkten<br />

(z. B. in Höhe der gebuchten Abschreibungen) nicht möglich. 11<br />

Unter Berücksichtigung dieser allgemeinen Grundsätze und der steuerlichen Rahmenbedingungen<br />

wäre bei der Umsetzung des Erhaltungsauftrags – bezogen auf die häufigsten Arten<br />

des Grundstockvermögens – ferner von Folgendem auszugehen:<br />

9 vgl. auch Hübschmann/Hepp/Spitaler, a. a. O., Rz. 117 zu § 58 AO<br />

10 vgl. Hübschmann/Hepp/Spitaler, a. a. O., Rz. 99 zu § 58 AO<br />

11<br />

Unabhängig davon ist jedoch unseres Erachtens die Erwirtschaftung von Abschreibungen als „Verwendung ohne<br />

Mittelabfluss“ möglich (vgl. Abschnitt 3.1.2).<br />

22<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


2.3.2 Grundsätze und Maßnahmen der Vermögenserhaltung bei Liegenschaften<br />

2.3.2.1 Unbebaute Grundstücke<br />

Unbebaute Grundstücke unterliegen im Regelfall keinem Wertverlust. Sofern (noch) keine Bewertungen<br />

vorliegen, akzeptieren wir es grundsätzlich, wenn die unbebauten Grundstücke mit<br />

den Flächenangaben in Bestandsverzeichnissen erfasst sind. Laufend fortgeschriebene Bewertungen,<br />

z. B. in Form von Gutachten, sind unseres Erachtens auch im Hinblick auf die damit<br />

zusammenhängenden Kosten grundsätzlich nicht erforderlich.<br />

Die Stiftungsverwaltungen haben die allgemeinen Grundsätze einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung<br />

zu beachten (z. B. angemessene Pachten zu fordern; vgl. Abschnitt 2.3.1.1).<br />

Spezialgesetzliche Vorgaben wären gegebenenfalls zu berücksichtigen, so z. B. bei den vielfach<br />

im Grundstockvermögen beinhalteten Waldflächen. Dabei handelt es sich im Regelfall um<br />

Körperschaftswald im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 des Waldgesetzes für Bayern (BayWaldG).<br />

Für die Bewirtschaftung dieser Wälder gelten besondere, ergänzende Vorschriften des<br />

BayWaldG (Art. 19 Abs. 1 BayWaldG). Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass die Bewirtschaftung<br />

im Regelfall auf Forstwirtschaftspläne bzw. Forstbetriebsgutachten gestützt sein<br />

muss (Art. 19 Abs. 2 BayWaldG; Körperschaftswaldverordnung - KWaldV).<br />

Gerade bei unbebauten Grundstücken kann sich die Frage stellen, ob eine Vermögensumschichtung<br />

in eine Anlageform mit höherer Ertragskraft unter Beachtung des Grundsatzes der<br />

sicheren Vermögensverwaltung sinnvoll ist.<br />

2.3.2.2 Bebaute Grundstücke/Gebäude<br />

Wie die bisherige Prüfungspraxis zeigt, ist es für die Stiftungsverwaltungen oftmals schwierig<br />

nachzuweisen, wie sie dem Erhaltungsauftrag bei Gebäuden nachgekommen sind.<br />

─ Als „Mindestanforderung“ sehen wir es zunächst, dass erforderliche Unterhalts- und Instandhaltungsmaßnahmen<br />

laufend durchgeführt werden und sich der Gebäudezustand dadurch<br />

letztlich nicht verschlechtert (Stichwort „Substanzerhalt“ 12 ). Sofern die jährlichen Erträge<br />

dazu nicht ausreichen, können Instandhaltungsrücklagen (unter Beachtung der steuerrechtlichen<br />

Vorgaben; vgl. Abschnitt 2.3.1.3) gebildet werden.<br />

Wir mussten bei unseren Prüfungen schon feststellen, dass durch unterlassene bzw. unzureichende<br />

Unterhaltsmaßnahmen Wohnungen nicht mehr vermietbar waren und insoweit<br />

die Ertragskraft des Grundstockvermögens nicht erhalten wurde. Auch sind uns Fälle bekannt,<br />

bei denen die Erträge des Grundstockvermögens nicht ausreichen, um für einen<br />

ordnungsgemäßen Unterhalt der Gebäude zu sorgen bzw. die durchzuführenden Unterhaltsmaßnahmen<br />

die Stiftungserträge weitgehend aufzehren und für die Erfüllung des Stiftungszwecks<br />

kaum Mittel verbleiben. Es wäre hier Aufgabe der Stiftungsverwaltungen, in<br />

Abstimmung mit den Aufsichtsbehörden 13 ein Konzept zu entwickeln, wie die Ertragskraft<br />

12 vgl. auch Ziffer 7.3 des vom Bayerischen Staatsministerium des Innern gemeinsam mit den Bayerischen Staatsministerien<br />

für Wissenschaft, Forschung und Kunst und Unterricht und Kultus herausgegebenen „Merkblatts für die<br />

Errichtung einer Stiftung“ www.stmi.bayern.de/buerger/staat/stiftungen<br />

13 bei den kommunalen, kommunal verwalteten Stiftungen grundsätzlich die Rechtsaufsichtsbehörden (Art. 20 Abs. 3<br />

Satz 2 BayStG, Art. 110 GO); bei gegebenenfalls erforderlichen Änderungen der Stiftungssatzung die Anerkennungsbehörde<br />

(Art. 5 Abs. 4, Art. 3 Abs. 3 BayStG)<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

23


des Grundstockvermögens auf Dauer gesichert und der Stiftungszweck nachhaltig erfüllt<br />

werden kann (gegebenenfalls wären dabei auch Maßnahmen zur Vermögensumschichtung<br />

zu erwägen).<br />

Ergänzend ist anzumerken, dass bauliche Maßnahmen unter Umständen auch im Rahmen<br />

von Vermögensumschichtungen (Entnahmen aus dem Grundstock[kapital]vermögen) verwirklicht<br />

werden können. So kann z. B. bei einem Mietwohngebäude die Schaffung von zusätzlichem<br />

Wohnraum durch den Ausbau eines bisher ungenutzten Dachgeschosses durch<br />

Mittel aus dem Grundstock(kapital)vermögen finanziert werden. Hier steht der Verminderung<br />

der Kapitalien eine Erhöhung des Gebäudewertes mit entsprechend gesteigerter Ertragskraft<br />

gegenüber. Auch wenn das Grundstockvermögen insoweit „umgeschichtet“ wurde,<br />

ist es erhalten geblieben. 14<br />

─ Die Gebäude des Grundstockvermögens unterliegen durch Alterung, Verschleiß etc. einem<br />

stetigen Wertverzehr. Aus dem Erhaltungsauftrag des Grundstockvermögens ist unseres<br />

Erachtens abzuleiten, dass diesem Wertverlust eine entsprechende Erhöhung des sonstigen<br />

Vermögens (z. B. der Wertpapiere) gegenüberstehen muss. Zur Bestimmung des<br />

Wertverzehrs ist es regelmäßig erforderlich, dass auf der Grundlage eines Anlagenachweises<br />

Abschreibungen (in betriebswirtschaftlichem Sinn) ermittelt werden. Sinn von Abschreibungen<br />

ist es, Mittel zur Instandsetzung des vorhandenen Vermögens oder zur Anschaffung<br />

von Ersatzwirtschaftsgütern anzusammeln. Die erwirtschafteten Abschreibungen<br />

brauchen insoweit nicht für die unmittelbare Erfüllung des Stiftungszwecks verausgabt zu<br />

werden. 15 Sie stellen insoweit eine Mittelverwendung ohne Mittelabfluss dar (vgl. Abschnitt<br />

3.1.2). Werden keine Abschreibungen ermittelt und angespart, fehlen z. B. für eine<br />

erforderliche Generalsanierung regelmäßig die notwendigen Finanzmittel. Stiftungen sind<br />

dann oftmals gezwungen Kredite aufzunehmen; spätestens dann offenbart sich, dass das<br />

Grundstockvermögen insoweit geschmälert wurde.<br />

Aus unserer Sicht gibt es, um die reale Werterhaltung zu gewährleisten, keine Alternative<br />

zur Forderung nach der Erwirtschaftung von Abschreibungen - auch wenn dazu vereinzelt<br />

andere Auffassungen vertreten werden.<br />

Soweit ersichtlich wird die Auffassung des BKPV im Grundsatz auch von den obersten Stiftungsaufsichtsbehörden<br />

geteilt - auch wenn sie auf den Erlass entsprechender Richtlinien<br />

unter Verweis auf die „oft schwer zu vereinbarenden Ziele der wertmäßigen Erhaltung des<br />

Grundstockvermögens“ und der „kontinuierlichen, nachhaltigen Erfüllung des Stiftungszwecks“<br />

verzichtet haben. In den Ergebnisniederschriften der Dienstbesprechungen vom<br />

07.12.1999 und 11.07.2007, im IMS vom 12.08.2003, Az.: IA6-1222.4-2, und dem „Merkblatt<br />

für die Errichtung einer Stiftung“, Nrn. 7.1 und 7.3, kommt diese Auffassung zum Ausdruck.<br />

In der Ergebnisniederschrift vom 11.07.2007 heißt es dazu: „Der ungeschmälerte<br />

wertmäßige (nicht nur nominelle) Erhalt des Bestands des Grundstockvermögens (Art. 11<br />

Abs. 1 Satz 1 BayStG) 16 stellt einen elementaren Grundsatz bei der Vermögensverwaltung<br />

dar und erfordert zwingend je nach gewählter Art der Buchführung die Ansammlung<br />

14 vgl. zur Umschichtung der ursprünglichen Vermögensausstattung auch Pohley/Backert, a. a. O., Erl. 3.1 zu Art. 11<br />

a. F.; Carstensen, Vorgaben für die Vermögensverwaltung der Stiftung nach Gesetz, Satzung und Rechtsprechung,<br />

ZSt 4-5/2005, S. 90 ff.<br />

15 vgl. Thiel, a. a. O., V.4. und VIII.3.<br />

16 BayStG i. d. F. vom 24.07.2001; vgl. Art. 6 Abs. 2 BayStG i. d. F. der Bekanntmachung vom 26.09.<strong>2008</strong>, GVBl<br />

24<br />

S. 894<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


entsprechender Erhaltungsrücklagen bzw. ordnungsgemäße Abschreibungen nach den<br />

Grundsätzen kaufmännischer Bilanzierung.“<br />

Von den Stiftungsverwaltungen wäre sicherzustellen, dass die angesammelten Abschreibungen<br />

ausgewiesen (z. B. durch einen „Davon-Vermerk“ bei der Aufteilung der allgemeinen<br />

Rücklage) und nicht für andere Zwecke verausgabt werden. Aufwendungen für Instandsetzungen<br />

bzw. Ersatzbauten wären aus den angesparten Abschreibungen zu finanzieren.<br />

Kosten für laufende Unterhaltsmaßnahmen sind dagegen grundsätzlich aus den<br />

laufenden Erträgen zu decken.<br />

Wie bisherige Prüfungserfahrungen zeigen, haben Stiftungen – abgesehen von Anstaltsträgerstiftungen<br />

(z. B. für Altenheime) – oftmals noch keine Anlagenachweise für das Grundstock(gebäude)vermögen<br />

erstellt und folglich bisher auch keine Abschreibungen ermittelt<br />

und gebucht. Der Erhalt des Grundstockvermögens kann von uns dann im Regelfall (Ausnahmen<br />

denkbar evtl. bei erst kürzlich generalsanierten Gebäuden) künftig insoweit nicht<br />

mehr bestätigt werden. Wir empfehlen diesen Stiftungen daher, das Grundstockvermögen<br />

zu bewerten, Anlagenachweise zu erstellen und die ermittelten Abschreibungen zu erwirtschaften.<br />

2.3.3 Grundsätze und Maßnahmen der Vermögenserhaltung bei Kapitalvermögen<br />

Aus dem Erhaltungsgebot des Grundstockvermögens in seinem wirtschaftlichen Wert ergibt<br />

sich beim Kapitalvermögen die Forderung nach dem Ausgleich des allgemeinen Geldwertschwundes<br />

(Inflation). Dies wird in aller Regel nur durch die Nichtausschüttung von Vermögenserträgen<br />

zu erreichen sein und ist – unter Beachtung der steuerrechtlichen Vorgaben –<br />

nur im Rahmen der Bildung einer freien Rücklage nach § 58 Nr. 7 Buchst. a AO möglich (Kapital-<br />

oder Werterhaltungsrücklage; vgl. dazu Abschnitt 2.3.1.3). In der Literatur wird zwar<br />

– soweit ersichtlich – überwiegend die Meinung vertreten, dass damit (allein) der Vermögenserhalt<br />

nicht erreicht werden kann. Da jedoch zumindest gemeinnützigkeitsunschädlich grundsätzlich<br />

keine weiteren Möglichkeiten gegeben sind, empfehlen wir den Stiftungsverwaltungen, die<br />

Rücklagenbildung in voller steuerrechtlich zulässiger Höhe auszuschöpfen, und gehen dann<br />

folglich von Prüfungs wegen im Regelfall vom Erhalt des Kapitalvermögens aus. Wird die freie<br />

Rücklage nicht in der zulässigen Höhe gebildet, wäre von den Stiftungsverwaltungen nachzuweisen,<br />

ob bzw. wie sie dem Erhaltungsauftrag unter Umständen dennoch nachgekommen<br />

sind. Dabei sind meist an der Inflationsrate ausgerichtete Betrachtungen erforderlich. Zur Bestimmung<br />

der Inflationsrate kann in aller Regel auf den Verbraucherpreisindex für Deutschland<br />

zurückgegriffen werden.<br />

Auch die obersten Stiftungsaufsichtsbehörden gehen davon aus, dass eine Werterhaltung<br />

durch die Admassierung von Vermögenserträgen erforderlich ist. Im von ihnen herausgegebenen<br />

„Merkblatt für die Errichtung einer Stiftung“ (Fußnote 9 zu § 5 Abs. 3 des Musters einer<br />

Stiftungssatzung) 17 ist dazu ausgeführt, dass die sogenannte Werterhaltungsrücklage insbesondere<br />

bei Kapitalstiftungen zur wertmäßigen Erhaltung des Stiftungsvermögens dringend zu<br />

empfehlen sei.<br />

Um die mögliche Dotierung der Rücklage in vollem Umfang realisieren zu können, sollten die<br />

Stiftungen bereits Mittel im Haushaltsplan vorsehen, d. h. im Regelfall die für die Ausrichtung<br />

vorgesehenen Mittel entsprechend mindern.<br />

17 nachzulesen auch im Internet: www.stmi.bayern.de/buerger/staat/stiftungen<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

25


Die Mittel der Kapital- oder Werterhaltungsrücklage sollten auf Dauer zum Nachweis des Erhalts<br />

des Grundstockvermögens unangetastet bleiben und gegebenenfalls dem Grundstockvermögen<br />

zugeschlagen werden (vgl. Nr. 15 AEAO zu § 58 AO).<br />

Sofern Stiftungen ihr Kapital nur nominell erhalten oder die steuerrechtlichen Möglichkeiten zur<br />

Bildung der freien Rücklage nicht oder nur zu geringen Teilen ausgeschöpft haben, bestätigen<br />

wir den Werterhalt des Grundstock(kapital)vermögens künftig nicht mehr uneingeschränkt.<br />

3 Zweckentsprechende Verwendung der Erträge des Vermögens der Stiftung<br />

Nach Art. 6 Abs. 3 BayStG dürfen die Erträge des Vermögens der Stiftung und zum Verbrauch<br />

bestimmte Zuwendungen nur zur Erfüllung des Stiftungszwecks verwendet werden. Bei zum<br />

Verbrauch bestimmten Zuwendungen handelt es sich in der Stiftungspraxis in aller Regel um<br />

Spenden. Näher zu erörtern ist, was unter Erträgen des Vermögens, ihrer Verwendung und<br />

unter Erfüllung des Stiftungszwecks zu verstehen ist.<br />

3.1 Verwendung der Erträge des Vermögens<br />

Art. 6 Abs. 3 Satz 1 BayStG spricht von Erträgen des Vermögens der Stiftung; darunter fallen<br />

also die Erträge aller Vermögenswerte und nicht nur die des Grundstockvermögens. Keine<br />

Erträge im Sinne des Art. 6 Abs. 3 Satz 1 BayStG sind die (Mehr)Erlöse aus der Veräuße-<br />

rung von Teilen des Grundstockvermögens (z. B. auch Kursgewinne, Buchgewinne; vgl. Ab-<br />

schnitt 2.3) und die Erlöse aus einer übermäßigen oder ungewöhnlichen Nutzung des Vermögens<br />

(z. B. Rodung eines Waldes). 18<br />

Soweit Stiftungen den gemeinnützigkeitsrechtlichen Vorgaben des Steuerrechts unterliegen, ist<br />

darauf hinzuweisen, dass steuerrechtlich insoweit nicht vom Ertrag, sondern (weitergehend)<br />

von den „zeitnah zu verwendenden Mitteln“ der gemeinnützigen Körperschaften die Rede ist<br />

(§ 55 Abs. 1 AO). Von dieser Verwendungspflicht sind jedoch die sogenannten „gebundenen<br />

Mittel“ (insbesondere das Grundstockvermögen) ausgenommen. Da insoweit nur die „neu zugeflossenen“<br />

Mittel zeitnah zu verwenden sind, sind unseres Erachtens hier keine differenzierten<br />

Betrachtungen nach Steuerrecht und Stiftungsrecht anzustellen.<br />

Stiftungen erzielen ihre Einnahmen vorwiegend aus Zinsen, Mieten und Pachten, aus der<br />

Waldnutzung (Holzverkauf, Jagdpachten), aber teils auch aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben<br />

und aus laufenden Zahlungen, zu denen sich der Stifter verpflichtet hat.<br />

Der unmittelbaren Verwendungspflicht für den Stiftungszweck (also z. B. Ausreichung von Stipendien)<br />

unterliegt der Reinertrag, also der Rohertrag abzüglich der notwendigen Kosten der<br />

Verwaltung, des Aufwands für die Instandhaltung des Stiftungsbesitzes und der rechtlichen<br />

Verpflichtungen sowie der öffentlichen Lasten. 19<br />

18 vgl. Pohley/Backert, a. a. O., Erl. 1.1 zu Art. 13 a. F.<br />

19 vgl. Voll/Störle, Bayerisches Stiftungsgesetz, RdNr. 1 zu Art. 13 a. F.; Pohley/Backert, a. a. O., Erl. 1.1 zu Art. 13<br />

26<br />

a. F.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Von den erzielten Einnahmen sind also zunächst die (notwendigen) Ausgaben – oftmals Bankgebühren,<br />

Verwaltungskostenbeiträge an die verwaltende Kommune, Bewirtschaftungs-/Betriebskosten,<br />

Kosten für die Pflege des Stiftergrabes, laufender Gebäudeunterhalt – zu bestreiten.<br />

Ertragsverwendung ist unseres Erachtens nicht gleichzusetzen mit einem Abfluss der Finanzmittel,<br />

sondern meint grundsätzlich jede (zulässige) Disposition. Eine zweckentsprechende<br />

Verwendung kann danach neben der unmittelbaren Erfüllung des Stiftungszwecks (z. B. Gewährung<br />

von Stipendien, Beihilfen) auch in der Dotierung von Rücklagen (nach § 58 Nrn. 6 und<br />

7 AO) oder in der Beschaffung von Vermögensgegenständen, die satzungsgemäßen Zwecken<br />

dienen, gesehen werden. Art. 6 Abs. 3 Satz 2 BayStG führt aus, dass die Zuführung von Erträgen<br />

zum Grundstockvermögen, um dieses in seinem Wert zu erhalten, vom zweckentsprechenden<br />

Verwendungsgebot „unberührt bleibt“.<br />

Ausschüttung und Admassierung von Erträgen sind (unter Beachtung der stiftungs- und satzungsrechtlichen<br />

Vorgaben sowie gegebenenfalls der steuerrechtlichen Regelungen) unseres<br />

Erachtens gleichermaßen als Verwendung zur Erfüllung des Stiftungszwecks anzusehen. Wir<br />

stellen in Folgendem die wesentlichen Verwendungen – differenziert nach dem Mittelabfluss –<br />

dar:<br />

3.1.1 Verwendung mit Mittelabfluss<br />

─ Kosten der Verwaltung, laufende Ausgaben (teils auch als „mittelbare Verwendung“ bezeichnet)<br />

Den Stiftungen entstehen regelmäßig Kosten für ihre laufende Verwaltung (z. B. Verwaltungskostenbeiträge<br />

an die verwaltende Kommune), die Verwaltung (z. B. Bankgebühren) und den<br />

Unterhalt ihres Vermögens. Diese Ausgaben sind unter anderem notwendig, um die satzungsgemäßen<br />

Zwecke überhaupt umsetzen zu können. In diesem Zusammenhang ist von den<br />

Stiftungsverwaltungen das Gebot der sparsamen Mittelverwendung zu beachten (z. B. auch<br />

hinsichtlich unangemessen hoher Verwaltungskostenbeiträge).<br />

─ Ausrichtung, Ausschüttung („unmittelbare Verwendung“)<br />

In erster Linie haben Stiftungen ihre Mittel für die unmittelbare Verwirklichung des Stiftungszwecks<br />

auszugeben (meist als „Ausrichtung“ oder „Ausschüttung“ bezeichnet), also z. B. für<br />

die Gewährung von Stipendien, Zuschüssen oder einmaligen Beihilfen (vgl. Abschnitt 3.2).<br />

Aufgrund der bisherigen Prüfungserfahrungen möchten wir in diesem Zusammenhang besonders<br />

darauf hinweisen, dass die Stiftungsverwaltungen darauf achten sollten, dass jede Auszahlung<br />

von Erträgen ausreichend belegt ist, insbesondere auch jede Auszahlung von Bargeld<br />

durch Quittungen bestätigt ist (vgl. dazu auch die haushaltsrechtlichen Vorgaben in § 55 Abs. 1<br />

KommHV-Kameralistik). Sie sollten sich jeweils nachweisen lassen, dass die ausgeschütteten<br />

Erträge von den Empfängern auch tatsächlich zweckentsprechend verwendet wurden. Werden<br />

z. B. bedürftige Personen bei Anschaffungen finanziell unterstützt, sollte der Kauf durch Rechnungen<br />

und Zahlungsnachweise belegt werden. Auch bei der Förderung anderer (gemeinnütziger)<br />

Einrichtungen, z. B. durch Zuwendungen zu Baumaßnahmen (z. B. Anbau an eine Behindertenwerkstatt),<br />

sollten die Stiftungen die Empfänger insbesondere zur Vorlage von Verwendungsnachweisen<br />

verpflichten, sich Prüfungsrechte einräumen lassen und auch eine<br />

Rückzahlungsverpflichtung bei zweckwidriger Verwendung festlegen.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

27


─ Aufwendungen für den Stifter<br />

Auch als Verwendung mit Mittelabfluss sind die Ausgaben der Stiftung für den angemessenen<br />

Unterhalt des Stifters und seiner nächsten Angehörigen, die (häufig in den Stiftungssatzungen<br />

festgelegte) Erhaltung und Pflege ihrer Gräber und die Ehrung ihres Andenkens anzusehen<br />

(vgl. dazu auch § 58 Nr. 5 AO).<br />

3.1.2 Verwendung ohne Mittelabfluss<br />

─ Rücklagenbildung<br />

Bei unseren Ausführungen zum Erhaltungsauftrag des Grundstockvermögens sind wir bereits<br />

auf die Kapital- oder Werterhaltungsrücklage und die gegebenenfalls zu beachtenden steuerrechtlichen<br />

Vorgaben zur Zulässigkeit dieser Rücklage eingegangen (vgl. Abschnitte 2.3.1.2<br />

und 2.3.1.3). Die Einstellung von Erträgen in diese Rücklage ist letztlich eine Verwendung für<br />

den Stiftungszweck, da auch das Stiftungsvermögen ausschließlich dem Stiftungszweck dient.<br />

Teils benötigen Stiftungen für finanziell besonders aufwendige Vorhaben der Zweckerfüllung<br />

Beträge, die über die jährlich zur Verfügung stehenden Mittel hinausgehen. Sammelt eine Stiftung<br />

dafür Mittel in einer sogenannten Zweckrücklage an, ist dies stiftungsrechtlich grundsätzlich<br />

nicht zu beanstanden. Die dem Zweck entsprechende Verwendung der Erträge wird in diesen<br />

Fällen lediglich zeitlich hinausgeschoben („Zweckwidmung“). Stiftungsrechtlich wurden soweit<br />

ersichtlich keine eindeutigen Voraussetzungen definiert, die für die Bildung dieser Rücklage<br />

erfüllt sein müssen; es ist wohl jeweils eine auf den Eizelfall abgestellte Betrachtung erforderlich.<br />

Für Stiftungen, die (zusätzlich) den steuerrechtlichen Vorgaben des Abschnitts „Steuerbegünstigte<br />

Zwecke“ der AO unterliegen, sind bei der Bildung von Zweckrücklagen jedoch klare Vorgaben<br />

zu beachten:<br />

Nach § 58 Nr. 6 AO wird eine Steuerbegünstigung nicht dadurch ausgeschlossen, dass eine<br />

Körperschaft ihre Mittel ganz oder teilweise einer Rücklage zuführt, soweit dies erforderlich ist,<br />

um ihre steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke nachhaltig erfüllen zu können. Mittel in<br />

diesem Sinne sind nicht nur wie z. B. nach § 58 Nr. 7 AO die Einnahmen aus der Vermögensverwaltung,<br />

sondern alle Mittel, ohne Unterscheidung nach deren Herkunft (also z. B. auch<br />

Spenden; vgl. Nr. 9 AEAO zu § 58 AO). Nach Nr. 10 AEAO zu § 58 AO müssen die Mittel für<br />

bestimmte Vorhaben angesammelt werden, für deren Durchführung bereits konkrete Zeitvorstellungen<br />

bestehen. Das Bestreben, ganz allgemein die Leistungsfähigkeit der Stiftung zu erhalten,<br />

reicht für eine steuerunschädliche Rücklagenbildung nicht aus (dafür können nur freie<br />

Rücklagen nach § 58 Nr. 7 AO gebildet werden). § 58 Nr. 6 AO betrifft also lediglich den Ansammlungs-<br />

oder Ansparungsvorgang für eine spätere Mittelverwendung für den Stiftungszweck.<br />

Jeweils unter der Voraussetzung der „nachhaltigen Zweckerfüllung“ können hier folgende<br />

Rücklagen gebildet werden:<br />

Projekt- oder Fördermittelrücklagen: Diese Rücklagen sollen die Realisierung finanziell aufwendiger<br />

Vorhaben der Zweckerfüllung ermöglichen, für die die erforderlichen Mittel „angespart“<br />

werden müssen. Dies kann z. B. die Bezuschussung eines Investitionsvorhabens Dritter<br />

oder auch die Verwirklichung eines eigenen Projekts der Stiftung sein. Die Vorhaben müssen<br />

konkretisiert sein und in angemessenem Zeitrahmen verwirklicht werden.<br />

28<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Instandhaltungsrücklagen Zweckvermögen: Für die Instandhaltung des satzungsgemäß<br />

eingesetzten Vermögens (z. B. eines Altenheims) können angemessene Rücklagen gebildet<br />

werden. Hierzu ist ein Bauprogramm mit Angaben zur Notwendigkeit der Maßnahmen, den erwarteten<br />

Kosten und der zeitlichen Abwicklung erforderlich. Nach wohl h. M. ist für das zweckentsprechend<br />

eingesetzte Vermögen (nicht das „sonstige“ Stiftungsvermögen) hier auch eine<br />

Rücklagenbildung in Höhe der Regel-AfA-Beträge möglich. 20<br />

Investitions- oder Wiederbeschaffungsrücklagen: Auch für die erstmalige Anschaffung oder<br />

Ersatzbeschaffung von Wirtschaftsgütern, die für den Stiftungszweck eingesetzt sind (z. B. die<br />

Großküche des von der Stiftung betriebenen Altenheims, ein Anbau an ein Kinderheim), ist<br />

eine Rücklagenbildung zulässig (gewisse „Überschneidungen“ mit den Projektrücklagen sind<br />

möglich).<br />

Betriebsmittelrücklagen: Nach Nr. 10 AEAO zu § 58 Nr. 6 AO ist auch die Rücklagenbildung<br />

für periodisch wiederkehrende Ausgaben (z. B. Löhne, Gehälter, Mieten) in Höhe des Mittelbedarfs<br />

für eine angemessene Zeitperiode möglich. Finanziert sich eine Stiftung z. B. neben „sicheren“<br />

Einnahmen (wie z. B. Zinserträge, Mieten) zu einem nicht unerheblichen Teil auch aus<br />

„unsicheren“ Einnahmen (z. B. Spenden), können zur Deckung von „fixen Betriebskosten“ Mittel<br />

in einer Rücklage angesammelt werden.<br />

Es empfiehlt sich grundsätzlich, die Bildung von Rücklagen nach § 58 Nr. 6 AO im Vorfeld mit<br />

dem zuständigen Finanzamt abzustimmen.<br />

Bei Stiftungen, die diesen gemeinnützigkeitsrechtlichen Vorgaben nicht unterliegen, halten wir<br />

es jedoch grundsätzlich für praktikabel und angezeigt (auch um eine einheitliche Prüfungspraxis<br />

zu gewährleisten), die Zulässigkeit der Bildung von Zweckrücklagen an den Maßstäben der<br />

steuerrechtlichen Regelungen zu messen. Wir empfehlen daher diesen Stiftungen, die Bildung<br />

von Zweckrücklagen an den steuerrechtlichen Vorgaben auszurichten, und bestätigen bei entsprechendem<br />

Vorgehen grundsätzlich die zweckentsprechende Verwendung der Erträge.<br />

─ Zuführung zum Zweckvermögen (nutzungsgebundenes Kapital)<br />

Eine zweckentsprechende Verwendung der Erträge ist auch in der Anschaffung oder Herstellung<br />

von Vermögensgegenständen, die satzungsmäßigen Zwecken dienen, zu sehen (vgl. § 55<br />

Abs. 1 Nr. 5 AO). In Nr. 25 AEAO zu § 55 AO sind dazu als Beispiele u. a. der Bau eines Altenheims<br />

oder der Kauf von Sportgeräten genannt.<br />

─ Erwirtschaftung von Abschreibungen<br />

Unseres Erachtens sind auch Abschreibungen zu erwirtschaften; sie müssen nicht für die unmittelbare<br />

Erfüllung des Stiftungszwecks verausgabt werden (vgl. unsere Ausführungen in Abschnitt<br />

2.3.2.2).<br />

20 vgl. Hübschmann/Hepp/Spitaler, a. a. O., Rz. 109 zu § 58 AO; a. A. Buchna, Gemeinnützigkeit im Steuerrecht,<br />

§ 58, Ziffer 2.8.6 Beispiel d, soweit „laufende Instandhaltungsmaßnahmen“ durchgeführt werden - vgl. zur „Abschreibungsproblematik“<br />

die Ausführungen unter Abschnitt 2.3.2.2<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

29


3.1.3 Zeitliche Vorgaben zur Verwendung<br />

Art. 6 Abs. 3 Satz 1 BayStG fordert nicht, dass die gesamten Erträge des Vermögens der Stiftung<br />

im Jahr des Anfalls zur Erfüllung des Stiftungszwecks verwendet werden müssen. 21 In einem<br />

gewissen Umfang ist ein zeitliches Hinausschieben der Verwendung stiftungsrechtlich<br />

nicht zu beanstanden (vgl. z. B. die vorstehenden Ausführungen zu Zweckrücklagen unter Abschnitt<br />

3.1.2). Auch hier ist jedoch bei den steuerbegünstigten Stiftungen auf die grundlegenden<br />

Vorgaben der AO hinzuweisen: Nach § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO muss die steuerbegünstigte<br />

Körperschaft ihre Mittel grundsätzlich zeitnah für ihre steuerbegünstigten satzungsmäßigen<br />

Zwecke verwenden. Eine zeitnahe Mittelverwendung ist nach § 55 Abs. 1 Nr. 5 Satz 3 AO gegeben,<br />

wenn die Mittel spätestens in dem auf den Zufluss folgenden Kalender- oder Wirtschaftsjahr<br />

für die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke verwendet werden (vgl. in<br />

diesem Zusammenhang auch § 63 Abs. 4 Satz 1 AO).<br />

War es einer Stiftung – gleich aus welchen Gründen – nicht möglich, ihre gesamten Erträge<br />

des laufenden Jahres noch im selben Jahr für die Erfüllung des Stiftungszwecks einzusetzen,<br />

entsteht ein sogenannter Verwendungsrückstand. Die entsprechenden Mittel sollten grundsätzlich<br />

in einer Mittelverwendungsrücklage (teils auch als Verbrauchsrücklage bezeichnet) nachgewiesen<br />

werden. Die Stiftungsverwaltungen hätten dafür Sorge zu tragen, dass die angesammelten<br />

Erträge (zeitnah) für den Stiftungszweck eingesetzt werden. Sind sie dieser Verpflichtung<br />

nicht nachgekommen, können wir die zweckentsprechende Verwendung der Erträge<br />

nicht uneingeschränkt bestätigen.<br />

3.1.4 Nachweis der zweckentsprechenden Verwendung<br />

Es ist Aufgabe der Stiftungsorgane bzw. der Stiftungsverwaltungen, einen lückenlosen Nachweis<br />

der zweckentsprechenden Verwendung der Erträge des Vermögens zu erbringen. Die<br />

Verwendung lässt sich zwar meist aus den Jahresrechnungen/Jahresabschlüssen ablesen. Bei<br />

unübersichtlichen Vermögensverhältnissen (z. B. bei Erträgen aus vielen verschiedenen Vermögensanlagen,<br />

evtl. aus Zweckbetrieben und wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben; mehreren<br />

Rücklagen) oder auch Verwendungsrückständen, die über mehrere Jahre hinweg nachzuvollziehen<br />

sind, kann jedoch auf einen gesonderten rechnerischen Nachweis der zweckentsprechenden<br />

Verwendung der Erträge (z. B. durch eine Nebenrechnung zur Jahresrechnung) im<br />

Regelfall nicht verzichtet werden.<br />

Nach steuerrechtlichen Vorgaben sind die Stiftungen gehalten, im Rahmen der nach § 63<br />

Abs. 3 AO vorgeschriebenen Aufzeichnung der Einnahmen und Ausgaben den Nachweis der<br />

zeitnahen Mittelverwendung zu führen. Nr. 26 AEAO zu § 55 AO regelt, dass die zeitnahe Verwendung<br />

für Mittel, die nicht schon im Jahr des Zuflusses für die steuerbegünstigten Zwecke<br />

verwendet oder zulässigerweise dem Vermögen zugeführt werden, nachzuweisen ist, zweckmäßigerweise<br />

durch eine Nebenrechnung (Mittelverwendungsrechnung).<br />

Vereinfacht dargestellt haben die Stiftungsverwaltungen jährlich darzulegen, welche Erträge<br />

aus dem Vermögen der Stiftung erwirtschaftet bzw. welche sonstigen Einnahmen (z. B. Spenden)<br />

erzielt wurden (Rohertrag), welcher Betrag davon nach Deckung der Ausgaben für die<br />

Verwaltung und den Unterhalt des Vermögens verblieben ist (Reinertrag), wie dieser Betrag<br />

verwendet wurde (unmittelbare Zweckerfüllung, Rücklagenbildung), welcher Betrag gegebenenfalls<br />

noch als Verwendungsrückstand verblieben ist und wie dieser im Folgejahr verwendet<br />

wurde.<br />

21 vgl. Voll/Störle, a. a. O., RdNr. 5 zu Art. 13 a. F.<br />

30<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Auch wenn die Vorgabe des Art. 16 Abs. 1 Satz 4 BayStG (vgl. auch § 4 Abs. 2 Nr. 3<br />

AVBayStG) für die in diesem Beitrag behandelten Stiftungen nicht greift (vgl. Art. 20 Abs. 3<br />

Satz 1 BayStG), kann den Stiftungsverwaltungen zumindest empfohlen werden, jährlich einen<br />

Bericht über die Erfüllung des Stiftungszwecks mit einem Nachweis der zweckentsprechenden<br />

Verwendung der Erträge (gegebenenfalls auch im Rahmen des Rechenschaftsberichts zur/<br />

zum Jahresrechnung/Jahresabschluss) zu erstellen.<br />

3.2 Erfüllung des Stiftungszwecks<br />

Art. 2 Abs. 1 BayStG gibt als „oberste Richtschnur“ die Achtung des Stifterwillens vor. Ein wesentliches<br />

Element dieses Grundsatzes ist die strikte Beachtung des im Stiftungsgeschäft und<br />

der Stiftungssatzung verankerten Stiftungszwecks. Art. 6 Abs. 3 Satz 1 BayStG normiert, dass<br />

keine zweckfremden Ausgaben geleistet werden dürfen (vgl. zu den steuerrechtlichen Vorgaben<br />

insbesondere § 55 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 AO). Die Stiftungsverwaltungen müssen im Zweifelsfall<br />

darlegen können, dass die Erträge nicht für Zwecke verwendet wurden, die dem Stifterwillen<br />

widersprechen.<br />

Teilweise wird in den Stiftungssatzungen klar und eindeutig bestimmt, wer Begünstigter der<br />

Stiftung ist (oft als Destinatäre bezeichnet). Meist sind die Vorgaben jedoch allgemeiner gehalten<br />

(z. B. „bedürftige ältere Bürger“). Der begünstigte Personenkreis kann damit sehr groß<br />

sein und es ist Aufgabe der Stiftungsverwaltungen, eine „Auswahl“ zu treffen. Es empfiehlt sich<br />

in diesen Fällen (auch aus Gründen der „Transparenz“), die allgemeinen Voraussetzungen<br />

z. B. durch (Förder-/Vergabe-)Richtlinien zu konkretisieren und auch das Verfahren (z. B. Antragstellung,<br />

vorzulegende Unterlagen, gegebenenfalls Rangfolge nach Punktesystem) festzulegen.<br />

Dies erleichtert erfahrungsgemäß nicht nur die Vergabeentscheidungen, sondern auch<br />

die Prüfung der zweckentsprechenden Verwendung.<br />

Bei unseren Prüfungen ist immer wieder festzustellen, dass nur mehr ein Teil der Erträge zur<br />

Erfüllung des Stiftungszwecks verwendet werden kann und sich dadurch oftmals erhebliche<br />

Verwendungsrückstände ergeben. Ist Ursache dafür, dass der oft vor Jahrzehnten definierte<br />

Stiftungszweck in der vorgesehenen Art und Weise nicht mehr erfüllt werden kann bzw. nicht<br />

mehr „zeitgemäß“ ist, z. B. bei den heutigen sozialen Systemen nicht mehr greift oder auf eine<br />

Berufs- oder Personengruppe gerichtet ist, die in der zum Zeitpunkt der Stiftungsgründung<br />

bestehenden Form heute nicht mehr existiert (z. B. Dienstboten), sollte die Stiftungsverwaltung<br />

in Abstimmung mit den Aufsichtsbehörden prüfen, inwieweit eine Erweiterung des Stiftungszwecks<br />

durch eine Satzungsänderung angezeigt ist. 22<br />

22 vgl. Voll/Störle, a. a. O., RdNr. 4 zu Art. 13 a. F.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

31


Berechnung der Miete für Schulanlagen<br />

Verfasser: Herwig Morbitzer<br />

Martina Aschl<br />

Inhaltsübersicht Seite<br />

1 Vorbemerkungen 33<br />

2 Allgemeines 33<br />

3 Gesetzliche Regelungen 34<br />

4 Anzusetzende Kosten 34<br />

4.1 Kalkulatorische Kosten 34<br />

4.1.1 Ansatz nach kommunalhaushaltswirtschaftlichen Vorschriften 35<br />

4.1.2 Ansatz nach Nr. 3.2 der Anlage 1 AVBaySchFG 35<br />

4.2 Kosten des Gebäudeunterhalts 36<br />

4.3 Betriebskosten 37<br />

4.4 Verwaltungskosten 39<br />

5 Bestimmung der Miethöhe 39<br />

Anlage 40<br />

32<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


1 Vorbemerkungen<br />

Uns erreichten in letzter Zeit verstärkt Anfragen von Mitgliedern, wie Mieten für Schulanlagen<br />

zu berechnen seien. Wir verwiesen hierzu in der Regel auf unseren bereits 1982 zu diesem<br />

Thema veröffentlichten <strong>Geschäftsbericht</strong>sbeitrag, 1 der zwar als Orientierungshilfe durchaus<br />

noch verwendet werden kann, jedoch in weiten Teilen nicht mehr aktuell ist und einer grundlegenden<br />

Überarbeitung bedurfte. Wesentliche Änderungen seither sind insbesondere:<br />

─ Inkrafttreten des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes zum 01.01.1987 2<br />

─ Außerkrafttreten des Gesetzes zur Regelung der Miethöhe (MHG) zum 01.09.2001; die<br />

Regelungen wurden weitgehend inhaltsgleich in die §§ 557 ff. BGB aufgenommen.<br />

─ Ermittlung der Betriebskosten seit 01.01.2004 nach der Betriebskostenverordnung<br />

(BetrKV) vom 25.11.2003 (BGBl I S. 2346, 2347), nicht mehr nach § 27 II. BV mit deren<br />

Anlage 3<br />

Nachstehend wurden deshalb die noch geltenden Ausführungen dieses <strong>Geschäftsbericht</strong>s<br />

überarbeitet, zusammengefasst und an den derzeitigen Rechtsstand angepasst. In der Anlage<br />

zu diesem Beitrag wird als Richtschnur für die Praxis ein Muster für eine Bestimmung der Miethöhe<br />

(vgl. Abschnitt 5) zur Verfügung gestellt.<br />

2 Allgemeines<br />

Die Schulaufwandsträger haben die für den Unterricht erforderlichen Schulanlagen bereitzustellen<br />

(vgl. Art. 3 Abs. 2 Nr. 1 BaySchFG). Sie müssen dabei aber nicht immer eigene Schulanlagen<br />

errichten, sondern können entsprechend der von der Schulaufsichtsbehörde getroffenen<br />

organisatorischen Entscheidung bereits vorhandene Schulen oder andere geeignete Gebäude<br />

und Räumlichkeiten anmieten. In der Praxis ist dies häufig dann der Fall, wenn nach<br />

Art. 9 Abs. 1 BaySchFG ein Schulverband entsteht. Sofern ein Schulverband errichtet wird,<br />

geht nicht automatisch das Eigentum der Schulanlagen der Schulsitzgemeinde(n) auf den<br />

Schulverband über. Verfügt der Schulverband über kein eigenes Schulgebäude, mietet er es<br />

von der/den Gemeinde(n), die vor Errichtung des Schulverbandes Schulsitzgemeinde(n)<br />

war(en) an. Hierzu ist nach Art. 38 Abs. 2 GO ein schriftlicher Mietvertrag erforderlich. Der notwendige<br />

Mindestinhalt umfasst die Einigung über die Vertragsparteien, den Mietgegenstand,<br />

die Mietdauer und das Mietentgelt sowie darüber, dass die Überlassung zum Gebrauch<br />

erfolgt. 3<br />

1 A. Landsberger, Berechnung der Miete für Schulanlagen, S. 25 ff.<br />

2<br />

vgl. FSt 287 bis 289/1986 und 22/1987<br />

3<br />

vgl. Palandt, Kommentar BGB, 67. Aufl., <strong>2008</strong>, § 535 Rdn. 1<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

33


3 Gesetzliche Regelungen<br />

Die Miete ist ein Dauerschuldverhältnis zwischen Mieter und Vermieter. 4 Die Miete für Schulanlagen<br />

ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Es handelt sich um ein Mietverhältnis über<br />

Räume nach §§ 535 bis 548, 578 Abs. 2, Abs. 1 BGB. Der Gebäudeeigentümer und der Schulaufwandsträger<br />

sind bei den Vereinbarungen weitgehend frei.<br />

Die Höhe des Entgelts richtet sich auf dem freien Markt nach Angebot und Nachfrage, wobei<br />

der Wohnungsmarkt in der Bundesrepublik bis heute erheblichen Regularien unterworfen ist<br />

(Sozialmiete). Die Höhe der Mieten für gewerbliche Räume, für Flächen für Produktionsstätten<br />

und Bürogebäude und für (sonstige) Räume unterliegt dabei weniger Einschränkungen. Hier<br />

bestimmt der Markt den Preis für die Fläche.<br />

Die Vorstellung, auch im Bereich der Schulen Marktpreise zugrunde zu legen, wird sich nicht<br />

realisieren lassen. Stattdessen werden sich die Mieten an den aufgewendeten Kosten orientieren.<br />

Dies steht auch mit dem in Art. 74 Abs. 2 GO verankerten Grundsatz der wirtschaftlichen<br />

Verwaltung des Gemeindevermögens in Einklang, wonach für die Bereitstellung von Gemeindevermögen<br />

eine Gegenleistung in angemessener Höhe festgesetzt werden soll. Diesem Gebot<br />

wird entsprochen, wenn durch die vereinbarte Miete zumindest die Kosten für die Überlassung<br />

des Schulgebäudes gedeckt werden können.<br />

4 Anzusetzende Kosten<br />

Bei einer sich an den tatsächlichen Kosten für die Bereitstellung der Schulanlage orientierenden<br />

Miete wären unseres Erachtens im Hinblick auf Art. 74 Abs. 2 GO bei einer Berechnung<br />

folgende Kosten zu berücksichtigen:<br />

─ kalkulatorische Kosten<br />

○ Abschreibungen auf die Anschaffungs- und Herstellungskosten<br />

○ angemessene Verzinsung des Anlagekapitals<br />

─ Kosten des Gebäudeunterhalts<br />

─ Betriebskosten<br />

─ Verwaltungskosten<br />

4.1 Kalkulatorische Kosten<br />

Zu den in der Mietberechnung zu berücksichtigenden kalkulatorischen Kosten zählen Abschreibungen<br />

und kalkulatorische Zinsen. Diese können – eine Einigung der Vertragspartner vorausgesetzt<br />

– grundsätzlich nach den kommunalhaushaltswirtschaftlichen Vorschriften ermittelt<br />

werden. Bei Kommunen, die ihre Haushaltswirtschaft nach den Grundsätzen der Kameralistik<br />

führen, setzt dies jedoch voraus, dass für die Schulanlagen ordnungsgemäße Anlage-<br />

4 vgl. Palandt, a. a. O., § 314 Rdn. 2<br />

34<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


nachweise nach § 76 Abs. 2 KommHV-Kameralistik vorliegen, auf deren Grundlage die kalkulatorischen<br />

Kosten unter Beachtung des § 12 KommHV-Kameralistik und der VV hierzu ermittelt<br />

werden können. Nachdem für die Haushaltswirtschaft nach den Grundsätzen der doppelten<br />

kaufmännischen Buchführung unter anderem die vollständige Erfassung und Bewertung<br />

des kommunalen Vermögens Voraussetzung ist, können die zur Berechnung der kalkulatorischen<br />

Kosten notwendigen Angaben von doppisch buchenden Kommunen der Anlagebuchhaltung<br />

entnommen werden.<br />

Bemessungsgrundlage der kalkulatorischen Kosten sind die um Zuweisungen, Zuschüsse und<br />

ähnliche Entgelte bereinigten Anschaffungs- oder Herstellungskosten.<br />

4.1.1 Ansatz nach kommunalhaushaltswirtschaftlichen Vorschriften<br />

Die Abschreibungen sind nach der voraussichtlichen Nutzungsdauer der einzelnen Vermögensgegenstände<br />

zu ermitteln, wobei die planmäßige Abschreibung grundsätzlich in gleichen<br />

Jahresraten erfolgt (lineare Abschreibung, vgl. VV Nr. 4 zu § 12 KommHV, § 79 Abs. 1<br />

KommHV-Doppik).<br />

Der kalkulatorische Zinssatz ist bei kameral buchenden Kommunen nach VV Nr. 6 zu § 12<br />

KommHV zu ermitteln. Danach sollte sich der Zinssatz für die Verzinsung des Anlagekapitals<br />

am mehrjährigen Mittel der Kapitalmarktrenditen orientieren. Da die KommHV-Doppik vergleichbare<br />

Regelungen nicht enthält, erscheint es aus unserer Sicht für doppisch buchende<br />

Kommunen vertretbar, bei der Berechnung der kalkulatorischen Verzinsung des Anlagekapitals<br />

auf VV Nr. 6 zu § 12 KommHV abzustellen. Im Übrigen sind die Kosten aus der Buchführung<br />

nachprüfbar herzuleiten (vgl. § 14 Satz 3 KommHV-Doppik).<br />

4.1.2 Ansatz nach Nr. 3.2 der Anlage 1 AVBaySchFG<br />

Sollen die kalkulatorischen Kosten nach dem Willen der Vertragspartner unter Anwendung der<br />

in Nr. 3.2 der Anlage 1 AVBaySchFG für die Abschreibung und die Verzinsung des Anlagekapitals<br />

festgesetzten Prozentsätze ermittelt werden, können dabei jährlich folgende Werte angesetzt<br />

werden:<br />

Abschreibung vom unbeweglichen Vermögen (ohne Grundstücke) 1,5 %<br />

Abschreibung vom beweglichen Vermögen<br />

─ für informationstechnische Ausstattung 20 %<br />

─ für sonstige Ausstattung 6 %<br />

Verzinsung des Anlagekapitals 6 %<br />

Allerdings weisen wir in diesem Zusammenhang auf die bei einem Wert von 1,5 % angenommene<br />

lange Nutzungsdauer bei unbeweglichem Vermögen (66 2/3 Jahre) hin, die unseres Erachtens<br />

nicht realistisch ist. Sollte Nr. 3.2 der Anlage 1 AVBaySchFG zur Ermittlung der kalkulatorischen<br />

Kosten herangezogen werden, empfehlen wir den Vertragspartnern, sich bei der<br />

Abschreibung vom unbeweglichen Vermögen (Schulanlagen) auf die voraussichtliche Nutzungsdauer<br />

(die in der Regel zwischen 40 und 50 Jahren liegen dürfte) zu verständigen.<br />

Der Zinssatz von 6 % für die Verzinsung des Anlagekapitals (ohne Grundstück), wie er nach<br />

Ziffer 3.2.2 der Anlage 1 AVBaySchFG zugrunde gelegt wird, führt auch bei der Bemessung<br />

der Entschädigung für die Überlassungen einer Schulanlage zu einem Ergebnis, das mit dem<br />

Grundsatz der wirtschaftlichen Verwaltung von Gemeindevermögen in Einklang steht. Bei abzuschreibenden<br />

Anlagegegenständen sind die kalkulatorischen Zinsen zur Vereinfachung ent-<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

35


weder mit diesem Zinssatz aus der Hälfte des zu verzinsenden Kapitals oder aus dem gesamtverzinslichen<br />

Kapital mit dem halben Zinssatz von 3 % zu berechnen.<br />

Nachdem auch bei dieser Variante die Bemessungsgrundlage der kalkulatorischen Kosten die<br />

um Zuweisungen, Zuschüsse und ähnliche Entgelte bereinigten Anschaffungs- oder Herstellungskosten<br />

sind, setzt dies deren ordnungsgemäße Erfassung und Bewertung voraus (vgl.<br />

oben).<br />

4.2 Kosten des Gebäudeunterhalts<br />

Nach § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB ist der Vermieter verpflichtet, die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen<br />

Verbrauch geeigneten Zustand zu erhalten. Die Pflicht zur Instandhaltung (Erhaltung<br />

des vertrags- und ordnungsgemäßen Zustands) und Instandsetzung (Wiederherstellung<br />

des vertrags- und ordnungsgemäßen Zustands) der Mietsache obliegt daher dem Vermieter.<br />

Von dieser gesetzlichen Regelung wird jedoch üblicherweise vertraglich abgewichen und<br />

der Mieter zur Durchführung von bestimmten Renovierungs- und Reparaturarbeiten verpflichtet.<br />

Während bei Mietverhältnissen über Wohnraum (wohl) nur die sogenannten „Schönheitsreparaturen“<br />

und die sogenannten „Kleinreparaturen“ wirksam auf den Mieter übertragen werden<br />

können und üblicherweise übertragen werden, ist bei Mietverhältnissen über (sonstige) Räume,<br />

wozu Mietverhältnisse über Schulanlagen zählen, die Abwälzung der gesamten Instandhaltungs-<br />

und Instandsetzungsmaßnahmen bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) und<br />

der für (hier nicht einschlägigen) allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Einschränkungen<br />

(§§ 305 ff. BGB) auf den Mieter möglich.<br />

Abzugrenzen ist die Instandsetzung von der Modernisierung. Modernisierung sind bauliche<br />

Maßnahmen, die den Gebrauchswert der Mietsache nachhaltig erhöhen, die allgemeinen<br />

Wohn- bzw. hier die Nutzungsverhältnisse auf Dauer verbessern und nachhaltig Einsparungen<br />

von Energie und Wasser bewirken. 5 Im Übrigen verweisen wir zur Abgrenzung von Unterhaltsaufwand<br />

und (nachaktivierungsfähigen) Anschaffungs- oder Herstellungskosten auf die<br />

haushalts- und steuerrechtlichen Vorschriften (vgl. z. B. Nrn. 2 ff. AllgZVKommGrPl, Rundschreiben<br />

des Bundesministeriums der Finanzen vom 18.07.2003, BStBl I S. 386). 6 Nachaktivierungsfähige<br />

Anschaffungs- oder Herstellungskosten können ausschließlich über den Ansatz<br />

von erhöhten kalkulatorischen Kosten refinanziert werden (vgl. Abschnitt 4.1).<br />

Für die Miete von Schulanlagen insgesamt oder eines abgrenzbaren Teils der Anlage halten<br />

wir es, wie schon im <strong>Geschäftsbericht</strong> 1982, für eine beide Vertragsteile zufrieden stellende<br />

und die Interessen ausgleichende mietvertragliche Regelung, dem Mieter die Ausgaben für die<br />

laufende Instandhaltung und Instandsetzung zu übertragen. Die Ausgaben für größere Gebäudeinstandsetzungen<br />

und Modernisierungsmaßnahmen, die nur in größeren Zeitabständen notwendig<br />

werden und meist einen hohen Aufwand verursachen, sollten dagegen beim Vermieter<br />

verbleiben. Sie müssten aber zu entsprechenden Mieterhöhungen führen. Die Höhe richtet sich<br />

dabei nach der Summe der für die Modernisierung insgesamt angefallenen Kosten.<br />

Zur Erhaltung der Mietsache gehören die Reparaturen und die Renovierung aller nicht vertragsgemäßen,<br />

insbesondere beschädigten, verunstalteten oder abgenutzten Teile. Instandhal-<br />

5 vgl. Legaldefinition (für Wohnraum) in § 559 Abs. 1 BGB, § 11 Abs. 6 II. BV<br />

6 vgl. auch unseren <strong>Geschäftsbericht</strong> 2007, S. 59 ff.<br />

36<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


tungsreparaturen sind Maßnahmen zur Beseitigung der durch Abnutzung, Alterung und Witterungseinflüsse<br />

entstehenden Mängel. Das umfasst auch den Austausch von Geräten, insbesondere<br />

Zählern. 7 Bei den Schönheitsreparaturen handelt es sich nicht um Reparaturen im<br />

eigentlichen Sinn, sondern um Maßnahmen zur Erhaltung eines ansprechenden äußeren Erscheinungsbildes<br />

der Mieträume durch Beseitigung der Spuren des vertragsgemäßen Gebrauchs.<br />

Da es keine gesetzliche Definition gibt, wird für das Verständnis des Begriffs Schönheitsreparaturen<br />

nach übereinstimmender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur auf die<br />

Definition in § 28 Abs. 4 Satz 3 II. BV, der allerdings unmittelbar nur für den preisgebundenen<br />

Wohnraum gilt, zurückgegriffen. Danach umfassen Schönheitsreparaturen „nur das Tapezieren,<br />

Anstreichen oder Kalken der Wände und Decken, das Streichen der Fußböden, Heizkörper<br />

einschließlich Heizrohre, der Innentüren sowie der Fenster und Außentüren von innen".<br />

Von dieser Definition, die auch bei preisfreiem Wohnraum zugrunde gelegt wird, ist auch bei<br />

der Gewerberaummiete auszugehen 8 und damit auch bei Mietverhältnissen über nicht gewerbliche<br />

Räume. Zur Instandsetzung, also der Wiederherstellung des vertragsgemäßen Zustands,<br />

zählt auch die Erneuerung nicht reparaturfähiger oder reparaturbedürftiger Teile oder Einrichtungen.<br />

4.3 Betriebskosten<br />

Betriebskosten sind die Kosten, die dem Eigentümer des Schulgebäudes durch den bestimmungsgemäßen<br />

Gebrauch laufend entstehen (vgl. § 1 Abs. 1 Betriebskostenverordnung –<br />

BetrKV). Nicht zu den Betriebskosten gehören:<br />

─ Verwaltungskosten (vgl. Abschnitt 4.4), d. h. die Kosten der zur Verwaltung des Gebäudes<br />

erforderlichen Arbeitskräfte und Einrichtungen (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrKV)<br />

─ Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrKV, vgl. Abschnitt 4.2)<br />

Zum 01.01.2004 ist die neue Betriebskostenverordnung in Kraft getreten. Sie hat die umlagefähigen<br />

Betriebskosten gegenüber dem bisherigen Betriebskostenkatalog der Anlage 3 zu § 27<br />

II. BV (gültig bis 31.12.2003) um einige Positionen erweitert. Als umlagefähige Betriebskosten<br />

kommen nach § 2 BetrKV – soweit sie nicht vom Mieter außerhalb der Miete unmittelbar getragen<br />

werden – hauptsächlich in Betracht: 9<br />

─ die laufenden öffentlichen Lasten des Grundstücks (Grundsteuer)<br />

─ die Kosten<br />

○ der Wasserversorgung<br />

○ der Entwässerung<br />

○ des Betriebs der zentralen Heizungsanlage einschließlich der Abgasanlage<br />

○ der zentralen Warmwasserversorgungsanlage<br />

○ verbundener Heizungs- und Warmwasserversorgungsanlagen<br />

7 vgl. Palandt, a. a. O., § 535 Rdn. 41<br />

8 vgl. BGH, Urteil vom 08.10.<strong>2008</strong>, Az.: XII ZR 15/07, in Juris, NJW 2009, 510, der in dieser Entscheidung im Wege<br />

der Auslegung auch die Grundreinigung eines Teppichbodens zu den Schönheitsreparaturen zählt<br />

9<br />

Diese Aufzählung berücksichtigt aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht alle Alternativen. Eine abschließende<br />

Aufzählung mit entsprechenden Erläuterungen enthält § 2 BetrKV.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

37


○ des Betriebs des Personen- oder Lastenaufzugs<br />

○ der Straßenreinigung und Müllbeseitigung<br />

○ der Gebäudereinigung und Ungezieferbeseitigung<br />

○ der Gartenpflege<br />

○ der Beleuchtung<br />

○ der Schornsteinreinigung<br />

○ der Sach- und Haftpflichtversicherung<br />

○ des Hausmeisters<br />

○ der Gemeinschaftsantennenanlage<br />

○ des Betriebs der Einrichtungen für die Wäschepflege<br />

─ sonstige Betriebskosten (z. B. Kosten für Müllschlucker, Feuerlöschgeräte, Dachrinnenreinigung)<br />

Über den (mit Erlass der Betriebskostenverordnung hinfälligen) § 556 Abs. 1 Satz 2 BGB 10 hinausgehende<br />

Übergangsregelungen hatte der Gesetzgeber wegen der geringfügigen materiellen<br />

Änderungen der neuen Betriebskostenverordnung nicht bestimmt. Sofern in einem vor<br />

01.01.2004 abgeschlossenen Mietvertrag vereinbart wurde, „dass der Mieter Betriebskosten<br />

nach Anlage 3 zu § 27 II. BV trägt“, verbleibt es bei dieser Vereinbarung. Sofern in einem alten<br />

Mietvertrag hingegen lediglich die gesetzlich zulässigen „Betriebskosten“ – ohne Verweis auf<br />

die Anlage zu § 27 II. BV – auf den Mieter umgelegt werden, kann die Auffassung vertreten<br />

werden, dass in diesem Fall die jeweils geltende gesetzliche Definition, also nunmehr die neue<br />

Betriebskostenverordnung maßgebend ist. Die Umlagevereinbarung muss aber in jedem Fall<br />

hinreichend bestimmt sein, die pauschale Umlage der „Nebenkosten bzw. Betriebskosten“ genügt<br />

grundsätzlich nicht. 11<br />

Im Mietvertrag sollte nur der Begriff „Betriebskosten“ (nicht „Nebenkosten“) verwendet werden,<br />

wobei die Betriebskosten nicht einzeln aufgezählt werden müssen, sondern auf den Betriebskostenkatalog<br />

der BetrKV verwiesen werden darf. Ferner sollte – je nach örtlichen Gegebenheiten<br />

– geregelt werden,<br />

─ für welche Betriebskosten Vorauszahlungen in welcher Höhe mit späterer Abrechnung zu<br />

leisten sind,<br />

─ welche Betriebskosten mit einem zu bestimmenden Pauschalbetrag abgegolten sind,<br />

─ welche Betriebskosten der Mieter unmittelbar trägt.<br />

Wir empfehlen, von der zuletzt genannten Möglichkeit aus Vereinfachungsgründen weitgehend<br />

Gebrauch zu machen. Eine pauschale Abgeltung von Betriebskosten sollte nur in Betracht gezogen<br />

werden, wenn keine größeren Veränderungen zu erwarten sind oder es sich um unwesentliche<br />

Beträge handelt. Vorausleistungen auf Betriebskosten, über die jährlich spätestens<br />

bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Ende des Abrechnungszeitraums, in der Regel zum<br />

31.12. abzurechnen ist, werden – wenn man vereinbart, dass der Mieter die Betriebskosten<br />

weitgehend unmittelbar trägt – hauptsächlich bei den Heizkosten in Betracht kommen, wenn<br />

nur Teile einer Schulanlage vermietet werden, so dass der Mieter die Heizkosten nicht unmit-<br />

10 in der bis zum 31.12.2006 geltenden Fassung<br />

11 vgl. Palandt, a. a. O., § 535 Rdn. 87<br />

38<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


telbar tragen kann. Auf die Verordnung über die verbrauchsabhängige Abrechnung der Heiz-<br />

und Warmwasserkosten (HeizkostenV) vom 20.01.1989 (BGBl I S. 116) weisen wir in diesem<br />

Zusammenhang hin.<br />

4.4 Verwaltungskosten<br />

Verwaltungskosten sind die Kosten der zur Verwaltung eines Gebäudes erforderlichen Arbeitskräfte<br />

und Einrichtungen. 12 Bei einer sich an den Kosten orientierenden Miete im Sinne von<br />

Art. 74 Abs. 2 GO sind diese Kosten grundsätzlich einzubeziehen. Bei der Vermietung von<br />

Schulanlagen besteht jedoch die Besonderheit, dass für einen großen Gebäudekomplex in der<br />

Regel nur ein Mietverhältnis besteht und der Mieter 13 über sein Personal (Hausmeister) Verwaltungsleistungen<br />

erbringt. Außerdem zahlt der Schulverband an die Schulsitzgemeinde, der<br />

in der Regel die Verwaltung des Schulverbandes obliegt, ohnehin einen Verwaltungskostenbeitrag,<br />

in den auch die Kosten der Gebäudeverwaltung einbezogen werden können. Bei der<br />

Vermietung eines Schulgebäudes an einen Schulverband (an dem der Gebäudeeigentümer<br />

auch noch selbst beteiligt ist) kann in der Mietberechnung von einem Ansatz von Verwaltungskosten<br />

aus Vereinfachungsgründen abgesehen werden, wenn diese unbedeutend sind.<br />

5 Bestimmung der Miethöhe<br />

Die Miethöhe muss in einem schriftlichen Mietvertrag festgesetzt werden (Art. 38 Abs. 2 GO).<br />

Dabei sollten nicht nur die Berechnungsgrundlagen im Einzelnen festgelegt werden. Vielmehr<br />

sollte ein fester Mietbetrag vereinbart werden, dem eine Berechnung zur Miethöhe zugrunde<br />

liegt. Wesentliche Änderungen einzelner Faktoren der Berechnung (z. B. Kosten baulicher<br />

Maßnahmen) sollten zur Vereinbarung einer neuen Miete berechtigen. Im Übrigen sollte aus<br />

Vereinfachungsgründen die Miete an die Entwicklung der Kosten nur in bestimmten Zeitabständen<br />

angepasst werden. Für die Bestimmung der Miethöhe kann das Muster in der Anlage<br />

als Orientierungshilfe herangezogen werden. Die Ermittlung der Miethöhe sollte als Anlage Bestandteil<br />

des Mietvertrages werden.<br />

12<br />

vgl. § 26 Abs. 1 II. BV<br />

13<br />

In der Praxis wird es sich hierbei in der Regel um einen Schulverband handeln.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

39


Bestimmung der Miethöhe für die Schulanlage ................<br />

Aufwendungen insgesamt<br />

jährlich<br />

€<br />

1. Kalkulatorische Zinsen<br />

lt. gesonderter Berechnung 1<br />

2. Abschreibungen<br />

lt. gesonderter Berechnung 1<br />

3. Instandsetzungskosten/Instandhaltungskosten<br />

□ Kosten Instandsetzungs- und Instandhaltungsmaßnahmen<br />

bis zu einem Betrag von _________ € trägt der Mieter<br />

□ Große Instandsetzungen 2 (einschließlich Modernisierung)<br />

trägt der Vermieter<br />

Anteil für bereits entstandene Aufwendungen<br />

lt. gesondertem Nachweis<br />

4. Betriebskosten<br />

□ Der Mieter trägt sämtliche Betriebskosten nach der<br />

Betriebskostenverordnung<br />

□ Pauschale zur Abgeltung der bei Vertragsabschluss<br />

bekannten Betriebskosten nach der Betriebskosten-<br />

verordnung<br />

□ Vorauszahlung (mit jährlicher Abrechnung)<br />

für ______________________<br />

______________________<br />

5. Verwaltungskosten<br />

6. Aufwendungen insgesamt<br />

7. Miete ab ______________ mtl. _________________ €<br />

Anlage<br />

1 Ergebnisse von Seite 2 dieser Berechnung oder eigene Berechnung aufgrund der Ergebnisse eines Anlagennach-<br />

weises<br />

2 alle nicht von vorstehender Alternative 1 erfassten Beträge<br />

40<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Kalkulatorische Kosten für Schulanlage 1 ............<br />

Anschaffungs- oder Herstellungskosten Kalkulatorische Zinsen Abschreibungen<br />

insgesamt durch Zuver- verzinsl. Zins- Zinsen abschreibungs- AbAbschreiwendungenbleibende Kapital satz<br />

fähiges Kapital schr.bungs gedeckt Kosten<br />

satzbetrag € € € € % € € % €<br />

Ordn.<br />

Nr.<br />

1 Grundstücks- und<br />

Erschließungskosten<br />

2 Baukosten<br />

2.1 Gebäudekosten<br />

(reine Baukosten)<br />

2.2 Kosten der Außenanlagen<br />

2.3 Baunebenkosten _______ _______ _______ _______ _______<br />

Summe 2<br />

davon abschreibungsfähig<br />

nicht abschreibungsf.<br />

3 Kosten der beweglichen<br />

Einrichtung und Geräte<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

4 Außensportanlagen<br />

davon abschreibungsfähig<br />

nicht abschreibungsf.<br />

Summe 1 - 4<br />

Anlage<br />

1 Dieses Schema gibt nur eine grobe Richtschnur vor und müsste gegebenenfalls den örtlichen Gegebenheiten entsprechend ergänzt oder detaillierter untergliedert werden.<br />

41


Überprüfung der Angemessenheit des Stellenbestandes<br />

anhand von Stellenvergleichen für kreisangehörige Gemeinden<br />

und Verwaltungsgemeinschaften<br />

Verfasser: Mathias Hiebel<br />

Martin Götz<br />

Inhaltsübersicht Seite<br />

1 Einführung 43<br />

2 Finanzielle Aspekte einer zutreffenden personellen Ausstattung 43<br />

3 Vergleiche beeinflussende Faktoren 43<br />

4 Vergleichszahlen (Kennzahlen) 46<br />

4.1 Vorbemerkung 46<br />

4.2 Beschreibung der verwendeten Daten 46<br />

4.3 Beschreibung der Datenbasis 47<br />

4.4 Beschreibung der gebildeten Aufgabenbereiche 47<br />

4.4.1 Haupt- und Personalverwaltung 47<br />

4.4.2 Ordnung und Soziales 48<br />

4.4.3 Kämmerei 49<br />

4.4.4 Kasse 49<br />

4.4.5 Planen und Bauen 50<br />

4.4.6 Gebäudemanagement 51<br />

4.5 Tabelle der durchschnittlichen personellen Besetzung 51<br />

4.6 Tabelle der „Best-Werte“ 52<br />

5 Ausblick 52<br />

42<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


1 Einführung<br />

Mit Stellenvergleichen (Personalstandsvergleichen) zur Orientierung hinsichtlich der Angemessenheit<br />

der personellen Ausstattung haben wir uns erstmals im <strong>Geschäftsbericht</strong> für das Jahr<br />

1984 (S. 46 ff.) und später im <strong>Geschäftsbericht</strong> für das Jahr 1989 (S. 22 ff.) beschäftigt. Wie<br />

viele Anfragen zeigen, erfreut sich das Thema nach wie vor eines regen Interesses, obwohl<br />

sich überregionale Vergleiche nur für erste Hinweise auf einen möglichen Handlungsbedarf<br />

eignen. Die Vergleichszahlen (Kennzahlen) dürfen keinesfalls eins zu eins auf die jeweiligen<br />

örtlichen Verhältnisse übertragen werden. Zu groß sind nämlich die Unterschiede gerade bei<br />

Städten und Gemeinden hinsichtlich ihrer örtlichen Besonderheiten, als dass alleine das Ergebnis<br />

des zahlenmäßigen Vergleichs des Personalstandes mit einer überörtlichen Kennzahl<br />

schon personelle Konsequenzen veranlassen könnte.<br />

Weil die Erfahrung zeigt, dass unsere textlichen Hinweise in Berichten und Gutachten auf die<br />

eingeschränkte Aussagekraft „nackter“, nicht an besonderen örtlichen Faktoren verifizierter<br />

Vergleichszahlen zuweilen nicht ausreichend berücksichtigt werden und nach Kenntnisnahme<br />

des Tabellenteils rasch ans Werk gegangen wird, befassen wir uns vorab mit den Unwägbarkeiten<br />

und Risiken der Vergleichszahlen, aber auch mit den finanziellen Aspekten der Personalausstattung.<br />

2 Finanzielle Aspekte einer zutreffenden personellen Ausstattung<br />

Eine sparsame und wirtschaftliche Verwaltungsführung ist in hohem Maße von den organisatorischen<br />

und personellen Verhältnissen abhängig. Das bedingt ständige Rationalisierungsbemühungen,<br />

die jedoch nicht zwangsläufig darauf abzielen, die zur Erfüllung von Aufgaben eingesetzten<br />

Ressourcen (insbesondere Personal, Sachmittel) zu verringern und damit Einsparungen<br />

zu erreichen. Im Vordergrund steht dabei die Umsetzung des „Wirtschaftlichkeitsprinzips“.<br />

Handeln gemäß dem Wirtschaftlichkeitsprinzip besagt, dass mit dem vorgegebenen Mitteleinsatz<br />

(Kostenbudget) ein größtmöglicher Erfolg bzw. ein Erfolg mit dem geringstmöglichen<br />

Mitteleinsatz zu erreichen ist, wobei der Gesichtspunkt der Humanisierung des Arbeitsplatzes<br />

nicht außer Betracht bleiben darf.<br />

Dass eine zutreffende personelle Ausstattung von erheblicher Bedeutung ist, zeigt ein Blick auf<br />

die Kosten eines Arbeitsplatzes. So kostet ein Arbeitsplatz (Personalkosten + Verwaltungsgemeinkosten<br />

+ Sachkosten) für einen Sachbearbeiter der Entgeltgruppe 9 rd. 77.700 € pro Jahr<br />

(vgl. GK 212/<strong>2008</strong>).<br />

3 Vergleiche beeinflussende Faktoren<br />

Die Tätigkeitsfelder der Gemeinden und Städte und die hierfür vorgehaltene Personalausstattung<br />

sind zum Teil sehr unterschiedlich. Die Strukturen werden entscheidend geprägt von den<br />

vorhandenen, zum Teil überkommenen Einrichtungen und ihren Rechtsformen, von den finanziellen<br />

Möglichkeiten, örtlichen Faktoren (z. B. der Nähe zu zentralen Orten), dem Maß kommunaler<br />

Zusammenarbeit und von den „Service-Vorstellungen“ des Rates bzw. Bürgermeis-<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

43


ters. Das bedeutet, dass sich ein Vergleich, der für viele Kommunen in Bayern verlässliche<br />

Aussagen treffen soll, auf möglichst in allen Vergleichskommunen anzutreffende Tätigkeitsfelder<br />

beschränken muss. Für einen Vergleich bieten sich aus unserer Sicht zunächst die sogenannte<br />

Kernverwaltung und im Besonderen Teile daraus an.<br />

Der Begriff Kernverwaltung ist nicht allgemeingültig definiert.<br />

Der Verband Deutscher Städtestatistiker – Regionale Arbeitsgemeinschaft Ost – hat folgende<br />

Definition vorgeschlagen: „Die Kernverwaltung umfasst alle Organisationseinheiten im administrativen<br />

Kernbereich (Dezernate, Fachbereiche, Ämter, Abteilungen, Sachgebiete o. ä.)<br />

einer kommunalen Verwaltung mit Ausnahme der operativen Einrichtungen im nachgeordneten<br />

Bereich (Bauhof, Kindertageseinrichtungen, Theater, Bücherei, Schwimmbad u. a.) sowie der<br />

organisatorisch und/oder rechtlich verselbstständigten Einrichtungen (Eigenbetrieb, Eigengesellschaft,<br />

Stiftung u. a.).“ Diese Definition kommt unserer Auffassung sehr nahe. Zur Kernverwaltung<br />

gehören unseres Erachtens insbesondere nicht:<br />

─ der Bauhof<br />

─ die Gemeindewerke<br />

─ die Gärtnerei<br />

─ Jugendbegegnungsstätten<br />

─ der Kreisjugendring<br />

─ Kindergärten<br />

─ Schulen<br />

─ Schwimmbäder<br />

─ Sportplätze<br />

─ Fremdenverkehrseinrichtungen<br />

─ Fremdenverkehrsbüros<br />

─ Theater<br />

─ Museen<br />

─ Krankenhäuser<br />

─ Friedhöfe<br />

─ Altenheime<br />

─ der Personennahverkehr<br />

─ die Verkehrsüberwachung<br />

─ Tierkörperbeseitigungsanstalten<br />

Diese Aufstellung ist nicht abschließend. Sie hilft aber zu verdeutlichen, was wir nicht zur Kernverwaltung<br />

zählen. Insoweit wird ein Vergleich des eingesetzten Personals schon stark von<br />

relativierenden Einflüssen bereinigt.<br />

Dennoch wirken sich die örtlich vorhandenen oder eben nicht vorhandenen Einrichtungen auch<br />

auf den Personalstand einer Kernverwaltung aus, weil das Vorhalten einer Einrichtung den Arbeitsumfang<br />

in der Kernverwaltung tangiert, insbesondere bei den Organisationseinheiten mit<br />

Querschnittsaufgaben wie Haupt- und Personalverwaltung, Kämmerei, Kasse.<br />

Aber auch die operativen Organisationseinheiten der Kernverwaltung können von den politischen<br />

Vorgaben unterschiedlich belastet sein. Dies ist etwa dann der Fall, wenn in einer Ge-<br />

44<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


meinde sehr lange Öffnungszeiten angeordnet wurden und insoweit teilweise reine Präsenzzeiten<br />

ohne Arbeitsleistung anfallen oder die Beratung (weit) über den gesetzlichen Auftrag hinausgeht<br />

(Beispiel: Rentenberatung, vorbeugender Brandschutz).<br />

In den letzten Jahren ist auch ein Trend zur interkommunalen Zusammenarbeit zu beobachten.<br />

So lassen benachbarte kleinere Gemeinden die Standesamtsaufgaben bei der zentralen großen<br />

Gemeinde erledigen oder Landratsämter bieten an, die Bezügeberechnung für die Bediensteten<br />

kleinerer Gemeinden zu übernehmen.<br />

Schließlich kann es vorkommen, dass in einer Gemeinde überdurchschnittlich motiviertes,<br />

belastbares, leistungsfähiges und leistungsbereites Personal vorhanden ist. Dies kann einen<br />

niedrigeren Personalstand begründen. Das Gegenteil ist ebenso denkbar.<br />

Daraus ergeben sich Folgerungen für die Interpretation des Vergleichs überörtlicher mit örtlichen<br />

Kennzahlen. An Hand von drei Beispielen soll das verdeutlicht werden:<br />

a) In einer Gemeinde werden in einem Aufgabenbereich 0,52 Kräfte pro Tausend Einwohner<br />

beschäftigt. Die überörtliche Vergleichszahl ist auch 0,52. Das kann bedeuten, dass die<br />

personelle Ausstattung zutreffend ist; es ist aber auch nicht ausgeschlossen, dass sie zu<br />

hoch, aber auch zu niedrig sein kann. Jedenfalls ist ein unverzügliches Tätigwerden nicht<br />

ohne weiteres veranlasst.<br />

b) In einer Gemeinde werden in einem Aufgabenbereich 0,72 Kräfte pro Tausend Einwohner<br />

beschäftigt. Die überörtliche Vergleichszahl ist 0,52. Hier sollte die Gemeinde die Ursachen<br />

für den überdurchschnittlichen Personalaufwand aufklären. Lässt er sich etwa an<br />

Hand der oben genannten örtlichen Besonderheiten nicht begründen, sollte der Personalüberhang<br />

durch geeignete organisatorische Maßnahmen abgebaut werden.<br />

c) In einer Gemeinde werden in einem Aufgabenbereich 0,40 Kräfte pro Tausend Einwohner<br />

beschäftigt. Die überörtliche Vergleichszahl ist 0,52. Die Gemeinde sollte sich davor hüten,<br />

sogleich zusätzliches Personal einzustellen. Vielmehr sollte geprüft werden, ob aufgrund<br />

der örtlichen Verhältnisse die unterdurchschnittliche Stellenzahl gerechtfertigt ist.<br />

Allerdings können überdurchschnittlich viele Fehler in der Sachbearbeitung ein Indiz für zu<br />

wenig Personal sein.<br />

Denn es muss immer bedacht werden, dass die überörtliche Vergleichszahl das arithmetische<br />

Mittel aus den Werten einer Vielzahl von Gemeinden ist, was bedeutet, das typischerweise die<br />

meisten Gemeinden – begründet oder nicht – unter oder über diesem Mittelwert liegen müssen.<br />

Wir haben in den Beispielen bewusst Fallgestaltungen aus einer einzigen Organisationseinheit<br />

gewählt und auf eine Gegenüberstellung des Personalstandes der kompletten Kernverwaltung<br />

verzichtet, weil es nicht selten vorkommt, dass in einer Organisationseinheit einer Gemeindeverwaltung<br />

überdurchschnittlich viel, in einer anderen dagegen vergleichsweise wenig Personal<br />

beschäftigt wird. Würde in einem solchen Fall nur das Ergebnis der Kernverwaltung insgesamt<br />

gegenübergestellt werden, würden die beiden beschriebenen Auffälligkeiten nicht sichtbar werden.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

45


4 Vergleichszahlen (Kennzahlen)<br />

4.1 Vorbemerkung<br />

Wir haben uns trotz der in Abschnitt 3 genannten Gründe, die einen Vergleich erschweren, entschlossen,<br />

unsere überörtlichen Vergleichszahlen (Kennzahlen) zu veröffentlichen. Dies zum<br />

einen, weil wir dem starken Interesse der Kommunen an diesen Zahlen entgegenkommen<br />

wollen, und zum anderen, weil unsere jetzigen Vergleichszahlen auf einer wesentlich breiteren<br />

Basis stehen als alle anderen früher von uns veröffentlichten Werte.<br />

Bei den Zahlen handelt es sich um Istwerte, die wir bei unseren überörtlichen Rechnungsprüfungen<br />

mit Hilfe von sogenannten Stellenkurzbeschreibungen erhoben haben. Sie kommen<br />

den in den Aufgabengruppen mittels Fallzahlen und unserer mittleren Bearbeitungszeiten errechneten<br />

Sollwerten schon sehr nahe.<br />

4.2 Beschreibung der verwendeten Daten<br />

Die in den Abschnitten 4.5 und 4.6 dargestellten Tabellen beschreiben die personellen Verhältnisse<br />

in der Kernverwaltung insgesamt und heruntergebrochen auch in den Aufgabenbereichen<br />

„Haupt- und Personalverwaltung“, „Ordnung und Soziales“, „Kämmerei“, „Kasse“ und<br />

„Planen und Bauen“. Die Vergleichszahlen sind in Große Kreisstädte, Verwaltungsgemeinschaften<br />

und übrige kreisangehörige Gemeinden und in sich nochmals in Einwohnergrößenklassen<br />

gegliedert. Sie geben den Personaleinsatz je 1.000 Einwohner wieder.<br />

46<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


4.3 Beschreibung der Datenbasis<br />

Wie die nachstehende Tabelle zeigt, erfolgten die Auswertungen an Hand einer breiten,<br />

repräsentativen Basis.<br />

Größenklassen in Einwohnern Anzahl der erfassten Kommunen<br />

Große Kreisstädte<br />

10.000 bis unter 20.000<br />

20.000 und mehr<br />

insgesamt 20<br />

Verwaltungsgemeinschaften<br />

bis unter 10.000<br />

10.000 und mehr<br />

insgesamt 34<br />

übrige kreisangehörige Gemeinden<br />

bis unter 5.000<br />

5.000 bis unter 10.000<br />

10.000 bis unter 15.000<br />

15.000 bis unter 20.000<br />

20.000 und mehr<br />

insgesamt 338<br />

Alle Daten wurden nach der Erhebung verprobt.<br />

4.4 Beschreibung der gebildeten Aufgabenbereiche<br />

Bei unseren Erhebungen haben wir bei den gebildeten Aufgabenbereichen jeweils bestimmte<br />

Aufgabenblöcke vorgegeben und zugeordnet:<br />

4.4.1 Haupt- und Personalverwaltung<br />

─ Leitungstätigkeiten<br />

─ Grundsatzangelegenheiten, Sonderaufgaben (für die gesamte Verwaltung und in der Aufgabengruppe)<br />

─ Sitzungsdienste (Gremien, Bürgerversammlungen u. a.)<br />

─ allgemeine Hauptamtsaufgaben (u. a. Ortsrecht, Öffentlichkeitsarbeit, Empfänge, Ehrungen,<br />

Sachbearbeitung im Vorzimmer, Rechtsangelegenheiten)<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

10<br />

10<br />

26<br />

8<br />

48<br />

142<br />

89<br />

35<br />

24<br />

47


─ zentrale Dienste (u. a. Assistenztätigkeiten, Empfang, Registratur, Telefonvermittlung - soweit<br />

nicht im Bürgerbüro)<br />

─ Archivwesen<br />

─ Organisation<br />

─ Informationstechnik<br />

─ Personalwesen (komplett)<br />

─ Kultur- und Sportangelegenheiten, Schulwesen, Kindergartenangelegenheiten, Mittagsbetreuung<br />

─ örtliche Rechnungsprüfungseinrichtungen<br />

─ bei Großen Kreisstädten auch persönliche Mitarbeiter/Referenten der Oberbürgermeister<br />

Nicht berücksichtigt sind Hausmeister-, Boten- und Reinigungsdienste sowie Aufgaben des<br />

Fremdenverkehrs.<br />

4.4.2 Ordnung und Soziales<br />

─ Leitungstätigkeiten<br />

─ Sonderaufgaben, Grundsatzangelegenheiten (jeweils in der Aufgabengruppe)<br />

─ Sitzungsdienste<br />

─ zentrale Aufgaben (u. a. Assistenztätigkeiten, Auskünfte im Bürgerbüro über Zuständigkeiten,<br />

Formularausgaben, Telefonvermittlung - soweit im Bürgerbüro)<br />

─ allgemeine ordnungsrechtliche Aufgaben (u. a. Vollzug örtlicher Verordnungen, Vollzug des<br />

LStVG, Obdachlosenwesen, Veranstaltungsanzeigen, Kampfhunde, wilde Ablagerungen,<br />

Fischereischeine, Teilnahme an Hausdurchsuchungen)<br />

─ Fundwesen<br />

─ Landwirtschaft und Jagdangelegenheiten<br />

─ Gewerbewesen<br />

─ Gaststättenwesen<br />

─ Aufgaben als örtliche Straßenverkehrsbehörde<br />

─ Meldewesen<br />

─ Passwesen<br />

─ Lohnsteuerkarten<br />

48<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


─ Wahlen, Volks- und Bürgerbegehren sowie -entscheide<br />

─ Personenstandswesen<br />

─ Friedhofs- und Bestattungswesen<br />

─ Feuerwehr und Katastrophenschutz<br />

─ Sozialversicherungswesen<br />

─ Sozialwesen<br />

─ bei Großen Kreisstädten zusätzlich die im Ordnungsbereich übertragenen Aufgaben (u. a.<br />

gaststättenrechtliche Genehmigungen)<br />

Nicht berücksichtigt haben wir den Personaleinsatz für den Verkehrsüberwachungsdienst (ruhender<br />

und fließender Verkehr) sowie den Personaleinsatz, der für die Organisation von größeren<br />

Veranstaltungen von der Kernverwaltung geleistet wird.<br />

4.4.3 Kämmerei<br />

─ Leitungstätigkeiten<br />

─ Sonderaufgaben, Grundsatzangelegenheiten (jeweils in der Aufgabengruppe)<br />

─ Sitzungsdienst<br />

─ zentrale Aufgaben (Assistenztätigkeiten u. a.)<br />

─ allgemeine Kämmereiverwaltung (Haushaltsaufstellung, Haushaltsvollzug, Jahresrechnung,<br />

Zuwendungswesen, Vermögens- und Schuldenverwaltung, Aufgaben der Kommune<br />

als Steuerschuldnerin, Anlagenbuchhaltung – soweit vorhanden –, Berichtswesen, Kosten-<br />

und Leistungsrechnung und Controlling)<br />

─ Steuern und Abgaben<br />

─ Liegenschaftsverwaltung (Grundstücksverkehr, Mieten und Pachten u. a.) - siehe auch<br />

Abschnitt 4.4.6 Gebäudemanagement<br />

─ Versicherungsangelegenheiten der Kommune<br />

Nicht berücksichtigt haben wir Personalanteile von Mitarbeitern der Kernverwaltung für Aufgaben,<br />

die für Eigenbetriebe oder andere Betriebe mit eigener Rechtsform wahrgenommen werden.<br />

4.4.4 Kasse<br />

─ Leitungstätigkeiten<br />

─ grundsätzliche Angelegenheiten<br />

─ Sitzungsdienst<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

49


─ Barkasse, Nebenkassen, unbarer Zahlungsverkehr<br />

─ Buchhaltungsaufgaben<br />

─ Mahnwesen<br />

─ Vollstreckungsangelegenheiten<br />

4.4.5 Planen und Bauen<br />

─ Leitungstätigkeiten<br />

─ Sonderaufgaben, Grundsatzangelegenheiten<br />

─ Sitzungsdienst<br />

─ zentrale Aufgaben (Vorzimmer- und Assistenztätigkeiten u. a.)<br />

─ Beitragswesen (Erschließungs-, Straßenausbau- und Herstellungsbeiträge)<br />

─ Vollzug des Bayer. Straßen- und Wegegesetzes<br />

─ Grundstücksangelegenheiten (Vorkaufsrechte prüfen und ausüben, vereinfachte Umlegungsverfahren<br />

u. a.)<br />

─ Bauordnungsrecht der Kommunen<br />

─ Bauverwaltung<br />

─ Abwasserabgabe (auch Kleineinleiterabgabe)<br />

─ Wasserrecht, Umwelt- und Naturschutz<br />

─ technische Aufgaben (u. a. Kontakt zu eigenen Einrichtungen wie Bauhof)<br />

─ Aufgaben des Hochbaus (u. a. eigene Planungen, Mitwirken bei externen Planungen, Baudurchführung,<br />

Unterhaltsmaßnahmen, Maßnahmen im Bereich Energieeinsparung)<br />

─ Tiefbau (u. a. Planungen, Durchführung von Investitionsmaßnahmen und Unterhalt)<br />

─ Aufgaben im Bereich Wasserversorgung und Abwasserentsorgung (u. a. Planungen, Baumaßnahmen,<br />

Bauunterhalt)<br />

─ Gewässerschutz<br />

─ Bauleitplanung (eigene Planungen, Mitwirkung bei externen Planungen, Verwaltungsverfahren<br />

u. a.)<br />

─ Städtebauförderung<br />

─ bei Großen Kreisstädten zusätzlich weitere übertragene Aufgaben (u. a. Baugenehmigungsverfahren,<br />

Wohnungsbauförderung)<br />

50<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


4.4.6 Gebäudemanagement<br />

Die Aufgaben, die mittlerweile häufig im Bereich Gebäudemanagement zusammengefasst<br />

sind, haben wir wegen der besseren Vergleichbarkeit noch überwiegend bei den Aufgabenbereichen<br />

Kämmerei (Liegenschaftsverwaltung) bzw. Planen und Bauen (Hochbau) erfasst.<br />

4.5 Tabelle der durchschnittlichen personellen Besetzung<br />

Gebietskörperschaft/<br />

Größenklasse in Einwohnern<br />

Große Kreisstädte<br />

10.000 bis unter 20.000<br />

20.000 und mehr<br />

Verwaltungsgemeinschaften<br />

bis unter 10.000<br />

10.000 und mehr<br />

übrige kreisangehörige<br />

Gemeinden<br />

bis unter 5.000<br />

5.000 bis unter 10.000<br />

10.000 bis unter 15.000<br />

15.000 bis unter 20.000<br />

20.000 und mehr<br />

Kernverwaltung<br />

insgesamt<br />

3,14<br />

2,87<br />

1,96<br />

1,81<br />

2,30<br />

2,13<br />

2,16<br />

2,26<br />

2,27<br />

Haupt- und<br />

Personalverwaltung<br />

0,82<br />

0,81<br />

0,49<br />

0,44<br />

0,61<br />

0,54<br />

0,55<br />

0,59<br />

0,63<br />

Beamte/Beschäftigte<br />

„Durchschnittswerte“<br />

Ordnung<br />

und<br />

Soziales<br />

davon<br />

Personaleinsatz je 1.000 Einwohner<br />

0,70<br />

0,58<br />

0,49<br />

0,39<br />

0,58<br />

0,54<br />

0,52<br />

0,55<br />

0,55<br />

Kämmerei Kasse Planen<br />

und<br />

Bauen<br />

0,46<br />

0,42<br />

0,39<br />

0,36<br />

0,43<br />

0,36<br />

0,36<br />

0,34<br />

0,34<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

0,20<br />

0,16<br />

0,22<br />

0,19<br />

0,27<br />

0,21<br />

0,18<br />

0,16<br />

0,15<br />

0,96<br />

0,90<br />

0,37<br />

0,43<br />

0,41<br />

0,48<br />

0,55<br />

0,62<br />

0,60<br />

51


4.6 Tabelle der „Best-Werte“<br />

Gebietskörperschaft/<br />

Größenklasse in Einwohnern<br />

Große Kreisstädte<br />

10.000 bis unter 20.000<br />

20.000 und mehr<br />

Verwaltungsgemeinschaften<br />

bis unter 10.000<br />

10.000 und mehr<br />

übrige kreisangehörige<br />

Gemeinden<br />

bis unter 5.000<br />

5.000 bis unter 10.000<br />

10.000 bis unter 15.000<br />

15.000 bis unter 20.000<br />

20.000 und mehr<br />

Kernverwaltung<br />

insgesamt<br />

2,41<br />

2,09<br />

1,46<br />

1,54<br />

1,47<br />

1,34<br />

1,31<br />

1,52<br />

1,69<br />

Haupt- und<br />

Personalverwaltung<br />

0,58<br />

0,58<br />

0,32<br />

0,36<br />

0,40<br />

0,28<br />

0,27<br />

0,37<br />

0,36<br />

Beamte/Beschäftigte<br />

„Best-Werte“<br />

Ordnung<br />

und<br />

Soziales<br />

davon<br />

Kämmerei Kasse 1<br />

Personaleinsatz je 1.000 Einwohner<br />

0,52<br />

0,45<br />

0,32<br />

0,33<br />

0,35<br />

0,39<br />

0,35<br />

0,42<br />

0,36<br />

0,40<br />

0,28<br />

0,26<br />

0,29<br />

0,27<br />

0,22<br />

0,22<br />

0,26<br />

0,36<br />

0,17<br />

0,10<br />

0,15<br />

0,13<br />

0,12<br />

0,14<br />

0,14<br />

0,14<br />

0,13<br />

Planen<br />

und<br />

Bauen<br />

Bei den vorstehenden „Best-Practice-Werte“ haben wir uns (im Rahmen der Rechnungsprüfung)<br />

davon überzeugt, dass die jeweiligen Aufgabenbereiche mit der vergleichsweise geringsten<br />

personellen Ausstattung gut arbeiten. Verwaltungen, in denen alle Aufgabenbereiche<br />

„Best-Werte“ erzielen, haben wir nicht angetroffen. Die Zahlen für die „Kernverwaltung insgesamt“<br />

stellen deshalb eine fiktive „Best-Practice-Verwaltung“ dar.<br />

5 Ausblick<br />

Wir planen, in Zukunft auch für einzelne Einrichtungen Vergleichszahlen (Kennzahlen) zum<br />

Personalbedarf zu entwickeln. Sobald diese gefestigt sind, werden wir sie veröffentlichen.<br />

1 ohne Vollstreckungsaußendienst<br />

52<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

0,74<br />

0,68<br />

0,41<br />

0,43<br />

0,33<br />

0,31<br />

0,33<br />

0,33<br />

0,48


Stellenbemessung in der Kfz-Zulassungsstelle und im<br />

Führerscheinwesen<br />

(Stand 1. Januar 2009)<br />

Verfasser: Mathias Hiebel<br />

Martin Götz<br />

Inhaltsübersicht Seite<br />

1 Bedeutung einer zutreffenden personellen Ausstattung 54<br />

2 Allgemeines zur Stellenbemessung 54<br />

2.1 Begriffserläuterungen, Methoden zur Stellenbemessung 54<br />

2.2 Jahresarbeitszeit einer sogenannten Normalarbeitskraft 55<br />

3 Bearbeitungszeiten in der Kfz-Zulassungsstelle und im<br />

Führerscheinwesen 56<br />

3.1 Abkürzungsverzeichnis 56<br />

3.2 Bearbeitungszeiten in der Kfz-Zulassungsstelle 57<br />

3.3 Bearbeitungszeiten im Führerscheinwesen 60<br />

3.4 Beispielsberechnung 64<br />

4 Schlussbemerkungen 64<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

53


1 Bedeutung einer zutreffenden personellen Ausstattung<br />

Die angemessene personelle Ausstattung öffentlicher Verwaltungen und Einrichtungen ist<br />

Grundvoraussetzung für eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung. Bei der Vielfalt der öffentlichen<br />

Dienste für das Gemeinwohl und für den einzelnen Bürger ist es daher für die Kommunen<br />

geboten, entsprechend qualifiziertes Personal in ausreichendem Umfang zu beschäftigen.<br />

Allerdings sind bei der Personalausstattung einer Verwaltung oder Einrichtung die Grundsätze<br />

einer sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung zu beachten. Dies gilt in Zeiten vermehrten<br />

Steuer- und Gebührenaufkommens ebenso wie in Zeiten knapper werdender öffentlicher<br />

Mittel. Derzeit verursacht nämlich ein im „mittleren Bereich“ in Entgeltgruppe 7 eingruppierter<br />

Beschäftigter jährlich rd. 66.000 € Arbeitsplatzkosten (= durchschnittliche Personalkosten<br />

+ Sachkosten + Verwaltungsgemeinkosten) 1 . Ein im „gehobenen Bereich“ in Entgeltgruppe<br />

11 eingruppierter Beschäftigter verursacht jährlich rd. 93.000 € Arbeitsplatzkosten 2 .<br />

Aus diesen Gründen ist es geboten, die einzelnen Verwaltungen und Einrichtungen angemessen<br />

mit Personal auszustatten, d. h. es sollte weder zu wenig noch zu viel Personal beschäftigt<br />

werden.<br />

2 Allgemeines zur Stellenbemessung<br />

2.1 Begriffserläuterungen, Methoden zur Stellenbemessung<br />

Wegen der Begriffserläuterungen und wegen der Methoden zur Stellenbemessung verweisen<br />

wir auf Abschnitt 2 unseres Beitrags im <strong>Geschäftsbericht</strong> für das Jahr 2007, S. 88 ff.<br />

1 näheres hierzu siehe <strong>Geschäftsbericht</strong> für das Jahr 1992, S. 17 ff.<br />

2 siehe z. B. GK 23/2009<br />

54<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


2.2 Jahresarbeitszeit einer sogenannten Normalarbeitskraft 3<br />

Unserer Personalbemessung liegt die Jahresarbeitszeit einer sogenannten Normalarbeitskraft<br />

zugrunde, die wir bei Beamten und Angestellten 4 wie folgt errechnen:<br />

Zahl der Tage eines Jahres 365<br />

abzüglich<br />

Samstage und Sonntage 104<br />

Feiertage 12<br />

Krankheitstage, Heilkuren 10<br />

Urlaub, Dienstbefreiungen 33 159<br />

verbleiben mögliche Arbeitstage 206<br />

oder Jahresarbeitsstunden (multipliziert mit 7,8 5 ) 1.607<br />

abzüglich<br />

Rüstarbeiten und persönlich bedingte Ausfallzeiten<br />

(lt. KGSt 6 können diese pauschal mit 9 % angesetzt werden)<br />

verbleiben als Jahres-Nettoarbeitsstunden 1.462<br />

bzw. Jahres-Nettoarbeitsminuten 87.720<br />

Die Jahresarbeitszeit für Arbeiter unterscheidet sich demgegenüber durch die statistisch höhere<br />

Zahl der durchschnittlichen Krankheitstage (18). Danach verbleiben nach der üblichen Berechnung<br />

(siehe obige Tabelle) 1.405 Nettoarbeitsstunden bzw. 84.300 Nettoarbeitsminuten<br />

pro Jahr.<br />

3 Grundsätzliche Ausführungen enthält unser Beitrag im <strong>Geschäftsbericht</strong> für das Jahr 1995, S. 35 ff. Aktuelles<br />

kann der GK 237/2004 (mit weiteren Verweisungen) entnommen werden.<br />

4 Seit Inkrafttreten des TVöD zum 01.10.2005 gibt es den einheitlichen Begriff des Beschäftigten. Zwischen Angestellten<br />

und Arbeitern wird tariflich nicht mehr unterschieden. In Bezug auf die Stellenbemessung ist die Unterscheidung<br />

wegen der statistisch deutlich voneinander abweichenden durchschnittlichen Krankheitstage nach<br />

wie vor geboten. Solange bei der Eingruppierung noch die alten Tätigkeitsmerkmale für Angestellte und Arbeiter<br />

herangezogen werden, ist eine Unterscheidung ohne großen Aufwand möglich.<br />

5 Wochenstunden: 39 : 5 Arbeitstage pro Woche = 7,8 Arbeitsstunden täglich<br />

6 KGSt-Handbuch Organisationsmanagement, 1999, Kapitel 17, Abschnitt 3.3.4, Abs. 2<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

145<br />

55


Die Jahresarbeitszeit wird aus Gründen der Vergleichbarkeit einzelner Stellen auf der Basis der<br />

tariflichen Arbeitszeit eines vollbeschäftigten Angestellten ermittelt (39 Stunden wöchentlich).<br />

Demgegenüber wurden für Beamte seit 01.09.2004 in Abhängigkeit vom Lebensalter unterschiedliche<br />

Wochenarbeitszeiten eingeführt (siehe auch FSt 337/2004):<br />

Beamte Wochenarbeitszeit<br />

h<br />

im Verhältnis zum<br />

Beschäftigten 7<br />

%<br />

bis zur Vollendung des 50. Lebensjahres 42 108<br />

ab Beginn des 51. Lebensjahres bis zur<br />

Vollendung des 60. Lebensjahres<br />

ab Beginn des 61. Lebensjahres 40 103<br />

Für jugendliche Beamte unter 18 Jahren und für schwerbehinderte Beamte gilt generell eine<br />

Wochenarbeitszeit von 40 Stunden (§§ 11 und 12 AzV).<br />

Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Altersklassen ergibt sich für Beamte auf die Lebensarbeitszeit<br />

bezogen eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 41,6 Stunden. Im Vergleich<br />

zur 39-Stundenwoche im Tarifbereich sind dies 7 % mehr. Die unterschiedlichen Arbeitszeiten<br />

können mit einer erhöhten Aufgabenzuweisung (107 %) bei Planstellen für Beamte<br />

berücksichtigt werden (vgl. GK 148/<strong>2008</strong>).<br />

3 Bearbeitungszeiten in der Kfz-Zulassungsstelle und im Führerscheinwesen<br />

Die in diesem Abschnitt dargestellten Bearbeitungszeiten sind das Ergebnis aus Grundlagenarbeit,<br />

Organisationsgutachten und der Überprüfung des wirtschaftlichen Personaleinsatzes bei<br />

einer großen Zahl überörtlicher Rechnungsprüfungen. Dabei handelt es sich nur um einzelfallbezogene<br />

Tätigkeiten. Nicht dargestellt sind die einzelfallübergreifenden Tätigkeiten, wie Führungsaufgaben,<br />

Fortbildung oder Zeitschriftenumlauf lesen. Örtlich nachweislich gewünschte<br />

Aufgabenerledigungen, die über unsere – in nachstehenden Tabellen dargestellten – mittleren<br />

Bearbeitungszeiten hinausgehen, werden durch gesonderte Ansätze berücksichtigt. Das Gleiche<br />

gilt für örtliche Besonderheiten.<br />

3.1 Abkürzungsverzeichnis<br />

Nachfolgend erläutern wir im Wesentlichen die in den Tabellen verwendeten Abkürzungen:<br />

AK = Arbeitskraft<br />

AT = Arbeitstag<br />

BF17 = begleitetes Fahren zum Führerschein ab 17<br />

FaP = Führerschein auf Probe<br />

FeV = Fahrerlaubnis-Verordnung<br />

7 Die Rechenergebnisse sind gerundet.<br />

56<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

41<br />

105


h = Stunde<br />

JAS =Jahresarbeitsstunden<br />

KBA = Kraftfahrtbundesamt<br />

MA = Mitarbeiter<br />

mBZ = mittlere Bearbeitungszeit<br />

min = Minute<br />

MPU = medizinisch-psychologische Untersuchung<br />

MFT = Mehrfachtäter<br />

NK = Normalarbeitskraft (siehe Abschnitt 2.2)<br />

OE = Organisationseinheit<br />

Pfl = Pflichtiger<br />

SB = Sachbearbeiter<br />

StVZO = Straßenverkehrszulassungsordnung<br />

VZR = Verkehrszentralregister<br />

ZFER = Zentrales Fahrerlaubnisregister<br />

3.2 Bearbeitungszeiten in der Kfz-Zulassungsstelle<br />

Nachfolgend veröffentlichen wir die mittleren Bearbeitungszeiten des BKPV für üblicherweise in<br />

der Kfz-Zulassungsstelle anfallende Tätigkeiten.<br />

lfd.<br />

Nr.<br />

Aufgaben, Tätigkeiten mBZ, Richtwerte<br />

1 Zentrale Aufgaben<br />

Posteingang durchsehen 10 min/AT<br />

Haushaltsangelegenheiten und Haushaltsabwicklung,<br />

Budgetverwaltung<br />

örtlicher Wert<br />

Niederschlagung von Forderungen (soweit im Fachbereich) 15 min/Fall<br />

Rechnungen prüfen und anordnen 8 min/Fall<br />

Assistenztätigkeiten, Telefonverkehr, Terminverwaltung für Leiter,<br />

Urlaubskarteien, Posteingang verteilen und Postausgang,<br />

Büromaterial verwalten<br />

EDV-Betreuung, Benutzerbetreuung, Pilotprojekte, Vordrucke<br />

anpassen u. a.<br />

2 Aufgaben im Zulassungswesen<br />

1 %/MA<br />

1 %/MA<br />

Neuzulassungen allgemein 12 min/Fall 8<br />

Neuzulassungen von Händlern und Zulassungsdiensten 5 min/Fall<br />

Zuschlag für Ausstellung Zulassungsbescheinigungen bei<br />

Neufahrzeugen bei 15 % der Neuzulassungen<br />

3 min/Fall<br />

Erstzulassung eines Gebrauchtfahrzeuges 20 min/Fall<br />

Umschreibung von außerhalb mit Halterwechsel 14 min/Fall<br />

8 Mischwert mit Beratungszeit und Berücksichtigung der Arbeitszeit für die Bearbeitung atypischer Vorgänge<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

57


lfd.<br />

Nr.<br />

Aufgaben, Tätigkeiten mBZ, Richtwerte<br />

Umschreibung von außerhalb ohne Halterwechsel 12 min/Fall<br />

Umschreibung innerhalb eines Zulassungsbezirks 10 min/Fall<br />

Wiederzulassung auf den gleichen Halter 5 min/Fall<br />

Saisonkennzeichen 10 min/Fall<br />

Änderung der Halterdaten 5 min/Fall<br />

Änderung von technischen Daten 10 min/Fall<br />

Zuschlag für das Ausstellen von Zulassungsbescheinigungen II<br />

in den o. g. Fällen (50 % der Fälle) 9<br />

3 min/Fall<br />

Außerbetriebsetzungen (einschließlich Reservierung von Kennzeichen) 4 min/Fall<br />

Umkennzeichnungen 11 min/Fall<br />

Erstzulassungsbescheinigungen und Aufbietung<br />

Zulassungsbescheinigung II<br />

20 min/Fall<br />

externe Außerbetriebsetzung 8 min/Fall<br />

externe Außerbetriebsetzung mit automatischer Datenübernahme<br />

(u. a. Programm ZEVIS)<br />

4 min/Fall<br />

Korrekturen 10 min/Fall<br />

Kurzzeitkennzeichen 10<br />

Ausfuhrkennzeichen 11<br />

10 min/Fall<br />

12 min/Fall<br />

Rote Kennzeichen 10 min/Fall<br />

Rote Kennzeichen Ersterteilung mit Prüfung Zuverlässigkeit 20 min/Fall<br />

Zuschlag für allgemeine Auskünfte, Reservierungen von<br />

Wunschkennzeichen, Freistellung von Kennzeichen, Aufbietung<br />

von Briefen und Vorwegzuteilung, sonstige Tätigkeiten in<br />

Zusammenhang mit der o. g. Sachbearbeitung, Beratungen<br />

außerhalb der Sachbearbeitung, Telefonate u. a.<br />

3 Weitere Aufgaben im Zulassungsbereich<br />

Versicherungsanzeigen einschließlich Anordnungen bei fehlendem<br />

Versicherungsschutz<br />

12 % 12<br />

15 min/Fall<br />

Versicherungswechsel (manuelle Erfassung) 2 min/Fall<br />

Versicherungswechsel (elektronische Übermittlung) 1 min/Fall<br />

Mängelanzeigen bearbeiten 11 min/Fall<br />

Umschreibungsmitteilungen 4 min/Fall<br />

Adress- bzw. Veräußerungsanzeigen 10 min/Fall<br />

Sicherungsübereignungen 10 min/Fall<br />

9 ab Erstzulassung eines Gebrauchtfahrzeuges<br />

10 Bei hohen Fallzahlen, z. B. durch Händlerzulassungen, haben wir erheblich geringere Bearbeitungszeiten festge-<br />

stellt.<br />

11 siehe Fußnote 10<br />

12 auf die JAS in lfd. Nr. 2<br />

58<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


lfd.<br />

Nr.<br />

Aufgaben, Tätigkeiten mBZ, Richtwerte<br />

Aufforderung zur Ummeldung 5 min/Fall<br />

Zuschlag für zahlenmäßig nicht erfasste (erfassbare) Aufgaben,<br />

u. a. Erteilen von Betriebserlaubnissen, Steuerbefreiungen,<br />

Leerbriefe, Statistiken, Briefverwaltung, Vorführungen, Auskünfte<br />

an Versicherungen und Verbände, Vorwegzuteilungen,<br />

Plakettenverwaltung u. a.<br />

KBA-Änderungen, Bearbeitung von fehlerhaften KBA-<br />

Ablagenachrichten, Bestandsabgleiche mit Finanzamt, Kasse,<br />

Datentransfer, elektronische Versichererwechsel, Sonderdateien<br />

führen, KBA-Anfragen, Schuldnerdatei, Übermittlungssperren,<br />

Verschlusssachen, KBA-Ablagennachrichten<br />

10 % 13<br />

1 %/MA<br />

Abnahme eidesstattlicher Versicherungen 5 min/Fall<br />

Halteranfragen 6 min/Fall<br />

Zurückweisung von Anträgen bei bestehender Steuerschuld 5 min/Fall<br />

Verwaltung von Leasingbriefen 6 min/Fall<br />

Verkauf der Feinstaubplaketten 4 min/Fall 14<br />

Androhung zur Führung eines Fahrtenbuches 30 min/Fall<br />

Erteilung von Ausnahmegenehmigungen nach der StVZO 1 h/Fall<br />

4 Gebühren<br />

Kostenquittungen aufdrucken und Gebühreneinzug 2 min/Fall<br />

Karten für Kassenautomat vorbereiten 1 min/Fall<br />

Tagesabschlüsse einschließlich Nebenarbeiten (u. a. Übertragung<br />

EC-Terminal)<br />

13 auf die JAS für oben genannte Tätigkeiten in lfd. Nr. 3<br />

10 min/Abschluss<br />

14<br />

Ansatz wird nur für den Verkauf von Feinstaubplaketten gewährt, die nicht in Zusammenhang mit einer Zulassung<br />

durchgeführt werden.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

59


3.3 Bearbeitungszeiten im Führerscheinwesen<br />

Nachfolgend veröffentlichen wir die mittleren Bearbeitungszeiten des BKPV für üblicherweise<br />

im Führerscheinwesen anfallende Tätigkeiten.<br />

lfd.<br />

Nr.<br />

Aufgaben, Tätigkeiten mBZ, Richtwerte<br />

1 Zentrale Aufgaben<br />

Posteingang durchsehen 10 min/AT<br />

Haushaltsangelegenheiten und Haushaltsabwicklung,<br />

Budgetverwaltung<br />

örtlicher Wert<br />

Niederschlagung von Forderungen (soweit im Fachbereich) 15 min/Fall<br />

Rechnungen prüfen und anordnen 8 min/Fall<br />

Assistenztätigkeiten, Telefonverkehr, Terminverwaltung für Leiter,<br />

Urlaubskarteien, Posteingang verteilen und Postausgang,<br />

Büromaterial verwalten<br />

EDV-Betreuung, Benutzerbetreuung, Pilotprojekte, Vordrucke<br />

anpassen u. a.<br />

2 Fahrerlaubnisse<br />

Fahrerlaubnisse erteilen mit Beratung, Antrag erfassen, Prüfung<br />

des Antrags, Aushändigung, Ersterteilung (nur eine Klasse) mit<br />

Prüfauftrag TÜV<br />

1 %/MA<br />

1 % MA<br />

30 min/Fall<br />

wie oben, aber Doppelklassen, Erweiterung Doppelklassen 40 min/Fall<br />

Verlängerung von Fahrerlaubnissen 25 min/Fall<br />

Überprüfung BF17, Begleitperson wohnt im Zuständigkeitsbereich<br />

der Führerscheinstelle (ZFER-/VZR-Abfrage)<br />

Überprüfung BF17 Begleitperson wohnt nicht im<br />

Zuständigkeitsbereich der Führerscheinstelle (ZFER-/VZR-Abfrage,<br />

Dateneingaben, Karteikarte anfordern, prüfen)<br />

3 min/Fall<br />

15 min/Fall<br />

Ablehnung der Begleitperson 15 min/Fall<br />

Prüfung der Eignung des Antragstellers bei Ersterteilung (nur<br />

Prüfung, keine weitere Maßnahmen, u. a. bei Vorliegen von<br />

Verstößen) 15<br />

Prüfung der Eignung des Antragstellers bei Ersterteilung (mit<br />

schriftlicher Anordnung, Gutachten, MPU)<br />

15 min/Fall<br />

1 h/Fall<br />

Umtausch/Umschreibung ausländischer Führerschein ohne Prüfung 27 min/Fall<br />

Umtausch/Umschreibung ausländischer Führerschein mit Prüfung 30 min/Fall<br />

Umschreibung inländischer EU-Führerschein 20 min/Fall<br />

Umschreibung inländischer EU-Führerschein mit<br />

Erweiterung/Verlängerung<br />

30 min/Fall<br />

Umschreibung ausländischer EU-Führerschein 30 min/Fall<br />

15 Fallzahl wird zusätzlich bei Erteilung berücksichtigt<br />

60<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


lfd.<br />

Nr.<br />

Aufgaben, Tätigkeiten mBZ, Richtwerte<br />

Umschreibung Dienstfahrerlaubnis 25 min/Fall<br />

Verlust mit Antrag auf Ersatzführerschein bzw. Antrag auf<br />

Ersatzführerschein<br />

Verlust mit Antrag auf Ersatzführerschein bzw. Antrag auf<br />

Ersatzführerschein, zeitaufwendige Fälle<br />

vorzeitige Erteilung von Fahrerlaubnissen (bei Verlust,<br />

Erweiterung u. a. enthalten, daher nur Zeitansatz für Aushändigung)<br />

25 min/Fall<br />

50 min/Fall<br />

3 min/Fall<br />

Internationale Führerscheine 13 min/Fall<br />

Neuerteilungsantrag mit Beratung 45 min/Fall<br />

Neuerteilungsantrag MPU-Verfahren mit Beratung 1,5 h/Fall<br />

Neuerteilungsantrag mit mehrmaliger MPU mit Beratung 2,0 h/Fall<br />

Kursteilnahmen § 70 FeV (Zustimmung, Überwachung) 45 min/Fall<br />

Mitteilungen von Gerichten, Polilzei usw. erfassen 5 min/Fall<br />

Karteikartenabschnitte für andere Behörden erstellen 3 min/Fall<br />

Aktenversand an andere Behörden 5 min/Fall 16<br />

sonstige Tätigkeiten u. a. Ablagen allgemein, Kopien erstellen,<br />

Führungszeugnisse anfordern, Wiedervorlagen, Bestellungen<br />

Führerscheine, Datenabgleich KBA, Bereinigung Datenbestand,<br />

File Transfer TÜV einschließlich Bearbeitung Fehlermeldungen,<br />

KBA-Fremdauskünfte u. a.<br />

Zuschlag für Beratungen außerhalb der Sachbearbeitung<br />

(Telefonate, Mailverkehr u. a.)<br />

9 % Zuschlag 17<br />

4 %/MA<br />

förmliche eidesstattliche Versicherungen 5 min/Fall<br />

zentrale VZR- und ZFER-Meldung an KBA 5 min/AT<br />

3 Entzug der Fahrerlaubnis, Maßnahmen bei Inhabern von<br />

Führerscheinen auf Probe und bei Mehrfachtätern<br />

Überprüfung der Fahreignung (mit Beratung) nach Mitteilungen der<br />

Polizei, Unterbringungsstelle, Angehörigen usw. ohne Fälle des<br />

sofortigen Entzugs (z. B. harte Drogen), bei auffälligen Älteren,<br />

Krankheitsfällen, nach dem Betäubungsmittelgesetz oder Fällen mit<br />

Alkoholauffälligkeit mit Verzicht (ohne Anordnung Gutachten)<br />

mit Anordnung Gutachten/Facharztgutachten/kraftfahrtechnisches<br />

Gutachten (danach Verzicht oder für Überprüften positives<br />

Gutachtenergebnis)<br />

1,75 h/Fall<br />

2,5 h/Fall<br />

ohne weitere Maßnahmen (nach Aktenführung/Gespräch) 1,25 h/Fall<br />

Nachuntersuchungen (augenärztlich, psychisch Kranke) Normalfälle 0,5 h/Fall<br />

zeitaufwendigere Fälle 1 h/Fall<br />

gerichtliche Entzugsverfahren (Mitteilung Gericht und<br />

Informationsschreiben an Betroffenen)<br />

16<br />

soweit nicht von anderen OE erledigt<br />

17<br />

auf die JAS für die in lfd. Nr. 2 genannten Tätigkeiten<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

15 min/Fall<br />

61


lfd.<br />

Nr.<br />

Aufgaben, Tätigkeiten mBZ, Richtwerte<br />

Behördliches Entzugsverfahren<br />

(ohne freiwilligen Verzicht im Rahmen des Verfahrens), davon<br />

Entzug während der Probezeit 2 h/Fall<br />

Entzug wegen Punkten 2 h/Fall<br />

Entzug wegen negativen Gutachtens, Nichtvorlage von Gutachten,<br />

sofortiger Entzug (u. a. Drogen, Alkohol, auffällig gewordene ältere<br />

und kranke Personen)<br />

4 h/Fall<br />

Entzug wegen negativen Gutachtens, Nichtvorlage von Gutachten,<br />

sofortiger Entzug, zeitintensive Fälle, auch Aberkennung einer<br />

ausländischen Fahrerlaubnis<br />

8 h/Fall<br />

Verzicht im Rahmen des Entzugsverfahrens 1,5 h/Fall<br />

Widersprüche, Vorlagen an Regierung 3 h/Fall<br />

Klagen, Zwangsmaßnahmen, Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO<br />

(Stellungnahmen)<br />

3 h/Fall<br />

FaP-Maßnahmen<br />

Erstmaßnahme (Aufbauseminar mit Beratung und Abwicklung)<br />

45 min/Fall<br />

FaP-Maßnahmen<br />

Zweitmaßnahme (Verwarnung mit Beratung und Abwicklung)<br />

35 min/Fall<br />

FaP-Maßnahmen<br />

besonderes Aufbauseminar (bei Alkoholdelikten) 18<br />

Entzug der Fahrerlaubnis androhen 25 min/Fall<br />

Versand von Führerscheinakten 5 min/Fall<br />

Mehrfachtäter<br />

Mitteilung an KBA ohne nachfolgende Maßnahme (weitere Punkte) 4 min/Fall<br />

Erstmaßnahme (Verwarnung mit Beratung und Abwicklung)<br />

Zweitmaßnahme (Verwarnung oder Aufbauseminar, mit Beratung<br />

45 min/Fall<br />

und Abwicklung)<br />

1 h/Fall<br />

besonderes Aufbauseminar (bei Alkoholdelikten) 1,5 h/Fall<br />

freiwilliges Aufbauseminar (auch für Begleiter BF17) 45 min/Fall<br />

freiwillige Teilnahme an verkehrspsychologischer Beratung 45 min/Fall<br />

Entzug der Fahrerlaubnis androhen (Anhörung zum Entzugsverfahren) 25 min/Fall<br />

Versand von MFT-Akten (bei Wegzug) 5 min/Fall<br />

Versagung der Fahrerlaubnis<br />

Versagung der Ersterteilung 2,5 h/Fall<br />

Versagung/Ablehnung der Neuerteilung nach Entzug wegen Alkohol,<br />

Drogen, auf Probe, Punktetäter, auffällig gewordene ältere und<br />

kranke Personen u. a. oder Antragsrücknahme durch Antragsteller<br />

nach Gesprächen und evtl. mehrmaliger MPU<br />

2,5 h/Fall<br />

Widersprüche hierzu 2 h/Fall<br />

Klagen, Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO u. a. 3 h/Fall<br />

Vorzeitige Erteilung der Fahrerlaubnis<br />

(Ausnahmen vom Mindestalter)<br />

Erteilung nach Überprüfung (mit Beratung) 1,25 h/Fall<br />

Ablehnung nach Überprüfung (mit Beratung) 1,75 h/Fall<br />

Antragsrücknahme 1 h/Fall<br />

Beratung ohne Antragstellung 20 min/Fall<br />

18 siehe bei Mehrfachtäter<br />

62<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


lfd.<br />

Nr.<br />

Aufgaben, Tätigkeiten mBZ, Richtwerte<br />

Sonstige Aufgaben<br />

Auflagenbescheide fertigen 1 h/Fall<br />

Fahranfängerfortbildung (zur Verkürzung der Probezeit) 5 min/Fall<br />

Zuschlag für Anfragen anderer Behörden zu den Aufgaben Entzug,<br />

Maßnahmen, Versagung Fahrerlaubnis, Auskünfte ohne Fall-<br />

bearbeitung, Altakten aussondern, Registratur und sonstige Arbeiten<br />

4 Fahrgastbeförderung<br />

8 % 19<br />

Ersterteilung/Erteilung nach Ablauf der Gültigkeit mit Beratung 40 min/Fall<br />

Verlängerung mit Beratung 30 min/Fall<br />

Eignungsprüfung zur Erteilung 30 min/Fall<br />

Ablehnung der Erteilung 2,5 h/Fall<br />

Neuerteilung einer Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung 2,5 h/Fall<br />

Genehmigungen zum Verkehr mit Taxen und Mietwagen<br />

Neuerteilung 2 h/Fall<br />

Wiedererteilung 1,5 h/Fall<br />

Fahrzeugtausch und -wechsel 15 min/Fall<br />

vorübergehender Fahrzeugtausch 10 min/Fall<br />

Befreiung von der Betriebspflicht 20 min/Fall<br />

Ordnungswidrigkeitenverfahren, Vorlagen an Staatsanwaltschaft 45 min/Fall<br />

Ortskundeprüfung 1 h/Fall 20<br />

sonstige Aufgaben, u. a. Ausnahmegenehmigungen,<br />

Ausbildungsbescheinigungen bearbeiten, Ablagen allgemein,<br />

Rückfragen anderer Behörden, Auskünfte ohne Sachbearbeitung,<br />

Altaktenbereinigung<br />

5 Fahrlehrer und Fahrschulen<br />

8 % 21<br />

Fahrlehrererlaubnis erteilen (mit Überprüfung der Voraussetzungen) 5,25 h/Fall<br />

Umschreibung von Behörden-Fahrlehrererlaubnisscheinen 15 min/Fall<br />

Beschäftigungsverhältnisse ein- und austragen 15 min/Fall<br />

Punktemitteilungen des KBA gegen Fahrlehrer bearbeiten 30 min/Fall<br />

Nachschulerlaubnisse erteilen 30 min/Fall<br />

Überwachung der Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen 10 min/Fall<br />

Ordnungswidrigkeitenverfahren bei nicht durchgeführten<br />

notwendigen Fortbildungen<br />

45 min/Fall<br />

Fahrschulerlaubnis erteilen/versagen, Betriebssitzverlagerungen 1,5 h/Fall<br />

Zweigstellenerlaubnisse erteilen 1 h/Fall<br />

Verzicht auf Fahrschul- oder Zweigstellenerlaubnis 1 h/Fall<br />

19<br />

auf die JAS in lfd. Nr. 3<br />

20<br />

Örtliche Werte sind häufig unter dieser Sollzeit.<br />

21 auf die JAS in lfd. Nr. 4<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

63


lfd.<br />

Nr.<br />

Aufgaben, Tätigkeiten mBZ, Richtwerte<br />

Prüfberichte der Fahrschulüberwachung auswerten (ohne Mängel) 15 min/Fall<br />

Prüfberichte der Fahrschulüberwachung auswerten (mit Mängeln) 30 min/Fall<br />

Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen Mängeln 45 min/Fall<br />

sonstige Aufgaben, u. a. Ausnahmegenehmigungen,<br />

Ausbildungsbescheinigungen bearbeiten, Ablagen allgemein,<br />

Rückfragen anderer Behörden, Auskünfte ohne Sachbearbeitung,<br />

Altaktenbereinigung<br />

6 Gebühren<br />

8 % 22<br />

Kostenquittungen aufdrucken und Gebühreneinzug 2 min/Fall<br />

Karten für Kassenautomat vorbereiten 1 min/Fall<br />

Tagesabschlüsse einschließlich Nebenarbeiten (u. a. Übertragung<br />

EC-Terminal)<br />

3.4 Beispielsberechnung<br />

10 min/Abschluss<br />

Wegen einer Beispielsberechnung verweisen wir auf Abschnitt 4 unseres Beitrags im <strong>Geschäftsbericht</strong><br />

für das Jahr 2007, S. 87 ff.<br />

4 Schlussbemerkungen<br />

Die in den Abschnitten 3.2 und 3.3 dargestellten Bearbeitungszeiten und pauschalen Richtwerte<br />

entsprechen unseren Erkenntnissen Stand Januar 2009. Sie müssen in gewissen Zeitabständen<br />

überprüft werden, um sie den neuesten Entwicklungen anzupassen. Insoweit sind<br />

Änderungen in der Zukunft nicht auszuschließen.<br />

Wir werden in künftigen <strong>Geschäftsbericht</strong>en für weitere Aufgabenbereiche, in denen wir über<br />

gesicherte Bearbeitungszeiten verfügen, unsere Bearbeitungszeiten zur Stellenbedarfsberechnung<br />

veröffentlichen.<br />

22 auf die JAS in lfd. Nr. 5<br />

64<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Methoden zu Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen<br />

bei Investitionsmaßnahmen und Angeboten<br />

Verfasser: Herbert Gruschka<br />

Franz Schnitzenbaumer<br />

Inhaltsübersicht Seite<br />

1 Vorbemerkung 68<br />

2 Wirtschaftlichkeit einer Investitionsmaßnahme am Beispiel einer<br />

IT-Investition 69<br />

2.1 Vorbemerkung 69<br />

2.2 Rechtliche Grundlagen 71<br />

2.3 Methoden 72<br />

2.3.1 Kostenvergleichsrechnung 72<br />

2.3.2 Kapitalwertmethode 72<br />

2.3.3 Nutzwertanalyse 74<br />

2.3.3.1 Definition der Bewertungskriterien 74<br />

2.3.3.2 Beurteilung des Erfüllungsgrades eines Kriteriums pro<br />

Maßnahmenalternative 76<br />

2.3.3.3 Berechnung 76<br />

2.3.3.4 Sonstige Hinweise 76<br />

2.3.4 Nutzen-Kosten-Analyse 76<br />

2.4 Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen bei kleineren Maßnahmen 76<br />

2.5 Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen bei umfangreichen Maßnahmen 77<br />

2.6 Erfolgskontrolle 77<br />

2.7 Fazit 78<br />

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65


3 Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Angeboten am Beispiel eines<br />

66<br />

Seite<br />

Friedhofsverwaltungsverfahrens 78<br />

3.1 Rechtliche Grundlagen 78<br />

3.1.1 Liefer- und Dienstleistungsaufträge ab 206.000 € 79<br />

3.1.2 Liefer- und Dienstleistungsaufträge unterhalb 206.000 € 80<br />

3.2 Bewertungsverfahren und -spielraum 80<br />

3.2.1 Grundsätzliches 80<br />

3.2.2 Hilfsmittel für die Bewertung 82<br />

3.2.3 Ausschluss- und Bewertungskriterien 83<br />

3.2.3.1 A-Kriterien (k.o.-Anforderungen) 84<br />

3.2.3.2 B-Kriterien (Soll-Anforderungen) 85<br />

3.2.4 Zuschlagskriterien 86<br />

3.2.5 Wertungsschritte und -maßstab 87<br />

3.3 Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots 88<br />

3.3.1 Ermittlung der Gesamtkosten (monetäre Vergleichswerte) 88<br />

3.3.2 Leistungsbewertung 90<br />

3.3.3 Gewichtung von Anforderungen/Kriterien 90<br />

3.3.4 Einfache Richtwertmethode 91<br />

3.3.5 Erweiterte Richtwertmethode 91<br />

3.4 Abgestufte Verfahren bei bestimmten Wertgrenzen und/oder<br />

Beschaffungsgegenständen 92<br />

3.5 Wahl der wirtschaftlichsten Finanzierungsart 93<br />

3.6 Grenzen bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von IT-Angeboten 93<br />

3.7 Literaturverzeichnis 94<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Anlagenverzeichnis<br />

1 Fallbeispiel Investitionsmaßnahme Friedhofsverwaltung (FVW)<br />

2 Methoden der Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen in der Privatwirtschaft<br />

3 Methoden der Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen im öffentlichen Bereich<br />

4 Kapitalwertvergleich am Beispiel FVW-Investitionsmaßnahme (5-jähriger Betrachtungs-<br />

zeitraum)<br />

5 Kapitalwertvergleich am Beispiel FVW-Investitionsmaßnahme (10-jähriger Betrachtungs-<br />

zeitraum)<br />

6 Präferenzdreieck am Beispiel FVW-Investitionsmaßnahme<br />

7 Präferenzmatrix am Beispiel FVW-Investitionsmaßnahme<br />

8 Schematische Darstellung zur Gruppierung von Bewertungskriterien am Beispiel<br />

FVW-Investitionsmaßnahme<br />

9 Nutzwertanalyse von Maßnahmenalternativen am Beispiel FVW-Investitionsmaßnahme<br />

10 Fallbeispiel Angebote FVW-Verfahren<br />

11 Leistungsbeschreibung FVW-Verfahren (Auszug)<br />

12 Präferenzdreieck für die Gewichtung von Bewertungskriterien (FVW-Verfahren)<br />

13 Präferenzmatrix für die Gewichtung von Bewertungskriterien (FVW-Verfahren)<br />

14 Kapitalwertvergleich von Angeboten (Kauf/Miete) am Beispiel FVW-Verfahren<br />

15 Nutzwertanalyse von Angeboten am Beispiel FVW-Verfahren<br />

16 Einfache Richtwertmethode nach UfAB IV zum Vergleich von Angeboten am Beispiel<br />

FVW-Verfahren<br />

17 Erweiterte Richtwertmethode nach UfAB IV zum Vergleich von Angeboten am Beispiel<br />

FVW-Verfahren<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

67


1 Vorbemerkung<br />

Im Rahmen unserer Prüfungen und Beratungen müssen wir immer wieder feststellen, dass Investitionsmaßnahmen<br />

und/oder Beschaffungen ohne ausreichende Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen<br />

durchgeführt werden. Dies gilt sowohl für die Durchführung der Maßnahme selbst als<br />

auch für die Auswahl eines bestimmten Produkts oder Angebots. Ganz besonders im Argen<br />

liegt auch die Erfolgskontrolle, also die Nachschau, ob der durch eine bestimmte Maßnahme<br />

prognostizierte Nutzen auch tatsächlich eingetreten ist und die Vorgaben aus der Planungsphase<br />

konsequent umgesetzt wurden.<br />

Der verantwortungsvolle Umgang mit Haushaltsmitteln erfordert mehr und bessere Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen,<br />

als dies in der Vergangenheit der Fall war. 1<br />

Sehr häufig reagiert man auf unsere Feststellungen mit Unverständnis, glaubt doch jeder, dass<br />

er zum Wohle der Verwaltung und der Kommune gehandelt hat. Diese Absicht wollen wir auch<br />

nicht in Abrede stellen; allerdings ist die Unkenntnis der gesetzlichen Regelungen und der Folgen<br />

des Fehlverhaltens, die sich insbesondere aus Verstößen gegen das immer komplexer<br />

werdende Vergaberecht auf europäischer und nationaler Ebene ergeben können, weit verbreitet.<br />

Darüber hinaus sind kaum Kenntnisse über die möglichen Methoden zu Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen<br />

vorhanden und der Aufwand für die Durchführung (und Dokumentation) entsprechender<br />

Untersuchungen wird, insbesondere aus zeitlichen Gründen, gescheut.<br />

Mit den nachfolgenden Ausführungen soll eine Handlungsanweisung an die Hand gegeben<br />

werden, die es jedem Nutzer ermöglicht, den Nachweis der Wirtschaftlichkeit einer IT-Maßnahme<br />

zu führen und/oder die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Angeboten mit vertretbarem<br />

Aufwand im Rahmen der gesetzlichen Regelungen durchzuführen.<br />

Wir sind uns dabei bewusst, dass für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit eine Vielzahl weiterer<br />

Methoden und Berechnungen zur Verfügung stehen. Keinesfalls wollen wir zu den bekannten<br />

Alternativen in Konkurrenz treten oder hier eine weitere wissenschaftliche Ausarbeitung zu<br />

den alternativen Methoden abliefern. Wir haben für unseren Beitrag den Fokus vielmehr auf die<br />

praktische Umsetzung der von uns empfohlenen Methoden und eine ausreichende Dokumentation<br />

der durchgeführten Untersuchungen gelegt.<br />

Soweit möglich, haben wir Beispiele der aufgezeigten Methoden im MS-Excel-Format auf unserer<br />

Internetseite www.bkpv.de zum Download zur Verfügung gestellt. Wir möchten ausdrücklich<br />

darauf aufmerksam machen, dass diese Excel-Dateien als Hilfsmittel gedacht sind, um die<br />

beispielhafte Anwendung der aufgezeigten Methoden darzustellen. Eine Gewähr oder Haftung<br />

für Ergebnisse, die mit dem Einsatz dieser Dateien ermittelt werden, kann nicht übernommen<br />

werden. Die fehlerhafte Anwendung oder eine, gegebenenfalls auch unbeabsichtigte, Änderung<br />

der hinterlegten Formeln kann zu unrichtigen Ergebnissen führen.<br />

Im folgenden Beitrag haben wir uns an Hand von Beispielen aus dem Bereich der Informationstechnik<br />

(IT) mit Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen beschäftigt.<br />

1 siehe Nr. 3 des Jahresberichts 2007 des Bundesrechnungshofs (Bemerkungen 2007 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung<br />

des Bundes); abrufbar unter www.bundesrechnungshof.de<br />

68<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


2 Wirtschaftlichkeit einer Investitionsmaßnahme am Beispiel 2 einer IT-Investition<br />

2.1 Vorbemerkung<br />

Über die in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Bereich überwiegend eingesetzten Methoden<br />

haben wir in den Anlagen 2 und 3 eine Übersicht erstellt. Im Folgenden sollen nur die für<br />

den öffentlichen Bereich einschlägigen Methoden angesprochen werden. Ausführlich erläutert<br />

werden nur die von uns präferierten Methoden.<br />

Im Rahmen der Planung eines IT-Projekts muss als einer der ersten und wichtigsten Punkte<br />

die Wirtschaftlichkeit der geplanten Maßnahme im Vergleich zum Istzustand ermittelt werden.<br />

Diese Wirtschaftlichkeitsbetrachtung begleitet die komplette Projektabwicklung und ist, abhängig<br />

von der Größe des Projekts, in regelmäßigen Abständen (oder um im Projektjargon zu verbleiben:<br />

bei bestimmten Meilensteinen) zu wiederholen. Wir plädieren ausdrücklich dafür, bei<br />

negativen Ergebnissen der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung lieber mutig das Projekt zu stoppen<br />

(aus der Privatwirtschaft sind Beispiele bekannt, dass eingestellte Projekte ebenfalls zu Leistungsprämien<br />

geführt haben), als es „zum Erfolg zu verdammen“. Aus unserer Prüfungspraxis<br />

sind uns viele Beispiele bekannt, dass seit langem eingeführte Anwendungssoftware nicht oder<br />

nur unzureichend genutzt oder gar zum bisherigen manuellen Verfahren parallel eingesetzt<br />

wird, gleichwohl aber Pflegekosten und internen Aufwand verursachen. Auch wenn der Erfolg<br />

eines Projekts nicht allein von der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung abhängt, sollten solche „Leichen“<br />

nach Möglichkeit vermieden werden.<br />

Im privatwirtschaftlichen Bereich wird Wirtschaftlichkeit durch eine günstige Zweck-Mittel-Relation<br />

dargestellt, die folgendermaßen lautet:<br />

w =<br />

Leistungen<br />

Kosten (€)<br />

Dabei werden die Leistungen als die durch die Investition erwarteten Produktivitätszuwächse<br />

oder Gewinnoptimierung verstanden.<br />

Für die öffentliche Verwaltung ist Wirtschaftlichkeit jedoch anders zu definieren. Im Vordergrund<br />

steht die Aufgabenerfüllung mit möglichst geringem Ressourcenverbrauch. Demgemäß<br />

bestimmt Art. 61 Abs. 2 Satz 1 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (GO; inhaltsgleiche<br />

Regelungen finden sich auch in der Landkreis- und der Bezirksordnung) die sparsame<br />

und wirtschaftliche Haushaltsplanung und Haushaltsführung. Gewinnoptimierung ist nach der<br />

Gemeindeordnung nicht beabsichtigt und als Maßgabe kommunalen Handelns nicht zugelassen.<br />

Nicht explizit im Gesetz, in Verwaltungsvorschriften oder Arbeitsanleitungen findet sich der<br />

Begriff der Nachhaltigkeit. Es ist dennoch anzunehmen, dass eine Investition nur dann als wirtschaftlich<br />

gelten kann, wenn zumindest ökonomische Nachhaltigkeit 3 gegeben ist.<br />

2 Das Fallbeispiel wird in Anlage 1 erläutert.<br />

3 Nachhaltiges Wirtschaften bedeutet, die Bedürfnisse der heutigen Zeit so zu befriedigen, dass nachfolgende Generationen<br />

ein intaktes ökologisches, soziales und ökonomisches System vorfinden und somit dieselbe Möglichkeit<br />

haben, ihre Bedürfnisse zu befriedigen (Generationengerechtigkeit). Im Übrigen ist die Verpflichtung auf Nachhaltigkeit<br />

völkerrechtlich bindend von der Bundesrepublik übernommen worden. Definition lt. Wikipedia<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

69


Für die öffentliche Verwaltung ist Wirtschaftlichkeit also als das nachhaltig günstigste Verhältnis<br />

zwischen Nutzen und Kosten definiert:<br />

Nutzen<br />

w =<br />

Kosten (€)<br />

Der Nutzen ist als das Ausmaß der Zielerreichung definiert (Ziele sind also zu definieren); die<br />

Kosten spiegeln den Ressourcenverbrauch wider. Dieses Verhältnis ist für alle denkbaren<br />

(nicht nur alle bekannten oder gewünschten) Maßnahmenalternativen zu ermitteln.<br />

Ziele sind dabei durchaus diskussionswürdig und nicht nur vom Standpunkt des Betrachters,<br />

sondern auch von der finanziellen Lage der Kommune, ihren Pflichtaufgaben, aber auch ihren<br />

wünschenswerten freiwilligen Aufgaben sowie ihren Schwerpunkten (Fremdenverkehrsgemeinde<br />

oder Industriestandort) motiviert und sollten deshalb gegebenenfalls abhängig von der Bedeutung<br />

der Maßnahme von den Entscheidungsträgern der Verwaltung oder den politischen<br />

Gremien definiert werden. Diese Ziele dienen letztlich auch der Beurteilung des Erfolgs oder<br />

Misserfolgs nach Abschluss der Maßnahme.<br />

Wirtschaftlichkeit kann dabei grundsätzlich auf zweierlei Weise erreicht werden, entweder nach<br />

dem Maximalprinzip (Ergiebigkeitsprinzip) oder dem Minimalprinzip (Sparsamkeitsprinzip).<br />

Maximalprinzip bedeutet, mit einem bestimmten Mitteleinsatz (Ressourcenverbrauch) den maximalen<br />

Nutzen zu erzielen. Minimalprinzip bedeutet, mit dem geringsten möglichen Mitteleinsatz<br />

ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Zwar sind beide Prinzipien Ausdruck desselben Wirtschaftlichkeitsprinzips,<br />

jedoch kann grundsätzlich immer nur eine Alternative angestrebt werden.<br />

In der Literatur finden sich häufig Aussagen, die im kommunalen Bereich dem Minimalprinzip<br />

den Vorrang einräumen, da in der Gemeindeordnung (siehe hierzu auch Abschnitt 2.2<br />

unserer Ausführungen) der Sparsamkeit besondere Bedeutung beigemessen wird. Allerdings<br />

besteht hier ein weiter Beurteilungsspielraum.<br />

Meist als eigenes Prinzip, manchmal jedoch auch nur als Mischform von Minimal- und Maximalprinzip<br />

beurteilt, findet jedoch in der Praxis das Optimalprinzip die häufigste Anwendung.<br />

Das Optimalprinzip (auch: generelles Extremumprinzip) strebt zwischen einem vorgegebenem<br />

Rahmen aus Kosten und/oder Nutzen das günstigste Verhältnis zwischen diesen Parametern<br />

an.<br />

Neben den eigentlichen Betrachtungen zur Wirtschaftlichkeit gehören zu ihrer Dokumentation<br />

noch weitere Unterlagen und Ausführungen wie:<br />

─ eine Beschreibung des zu untersuchenden Problembereichs und eine Definition der verfolgten<br />

Ziele/Verbesserungen;<br />

─ eine kurze Darstellung der untersuchten Lösungsalternativen (inkl. der Beschreibung des<br />

Istzustands);<br />

─ eine Erläuterung der Berechnungsansätze, soweit diese nicht eindeutig nachvollziehbar<br />

sind (unseres Erachtens ist es jedoch sinnvoller, die Ansätze im Rahmen der Berechnungen<br />

eindeutig zu beschreiben);<br />

70<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


─ eine Zusammenfassung des Ergebnisses der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung (dabei ist auch<br />

darauf einzugehen, ob alle beabsichtigten Verbesserungen mit der empfohlenen Lösung<br />

auch erreichbar sind) und eine abschließende Empfehlung, welche Maßnahmenalternative<br />

dem Entscheidungsträger empfohlen wird (gegebenenfalls zusammengefasst im Sachvortrag<br />

zur Sitzung des zuständigen Gremiums).<br />

Auf diese Unterlagen wird im Folgenden nicht weiter eingegangen.<br />

2.2 Rechtliche Grundlagen<br />

Art. 61 Abs. 2 GO legt für die Haushaltsplanung und -ausführung Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit<br />

als oberste Grundsätze fest, die bei allen finanzwirksamen Aktivitäten zu beachten<br />

sind. 4 Für Investitionen (§ 87 Nr. 20 KommHV-Kameralistik) von erheblicher finanzieller Bedeutung<br />

konkretisiert § 10 Abs. 2 KommHV-Kameralistik bzw. § 12 Abs. 2 KommHV-Doppik<br />

die notwendigen Schritte zur Ermittlung der wirtschaftlichsten Lösung.<br />

Die Verwaltungsvorschriften zu § 10 KommHV verweisen hinsichtlich der Methoden zur Wirtschaftlichkeitsbetrachtung<br />

unmittelbar auf die Bestimmungen der BayHO, diese wiederum auf<br />

das Rundschreiben des BMF vom 31.08.1995, GMBl S. 764, Az.: II A 3 – H 1005 – 23/95, „Arbeitsanleitung<br />

Einführung in Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen“ 5 .<br />

Leider ist nicht näher definiert, welche Investitionen von erheblicher finanzieller Bedeutung<br />

sind. Dies kann auch nicht aus den Vergabegrundsätzen abgeleitet werden (z. B. Bekanntmachung<br />

des Bayerischen Staatsministerium des Innern vom 14.10.2005, Az.: I B 3 - 1512.4-138,<br />

AllMBl S. 424, Nr. 3). Wir plädieren deshalb dafür, dass die Wertgrenzen örtlich definiert werden,<br />

etwa in prozentualer Abhängigkeit vom IT-Investitionsvolumen, dem gesamten Investitionsvolumen,<br />

vom Gesamtvolumen des Haushalts oder am besten mit festen Wertgrenzen (siehe<br />

hierzu unsere Ausführungen unter Abschnitt 3.4). Wichtig erscheint uns an dieser Stelle,<br />

dass die Folgekosten in die Betrachtung mit einfließen. Abhängig von der gewählten Methode<br />

zur Wirtschaftlichkeitsbetrachtung sind entweder kalkulatorische Kosten oder der tatsächliche<br />

finanzielle Aufwand (Sach- und Personalaufwand) im Haus mit einzubeziehen (z. B. für Eigenprogrammierung<br />

von Schnittstellen, Parametrierung/Customizing der Anwendung, Installation<br />

der Updates usw.). Ausdrücklich möchten wir aber darauf hinweisen, dass die ersten Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen<br />

zu Beginn einer Maßnahme sich noch nicht auf konkrete Angebote,<br />

sondern nur auf Kostenschätzungen stützen können, die einen Vergleich der bisherigen<br />

Lösung (deren Kosten bekannt sein sollten oder zumindest leicht zu ermitteln sind) mit möglichen<br />

beabsichtigten Alternativlösungen zum Ziel haben.<br />

Für Maßnahmen, die nicht von erheblicher finanzieller Bedeutung sind, definiert das Haushaltsrecht<br />

keine festgelegten Verhaltensweisen. Aus den allgemeinen Grundsätzen von Sparsamkeit<br />

und Wirtschaftlichkeit kann jedoch abgeleitet werden, dass auch in diesen Fällen mehrere<br />

Alternativen zu untersuchen sind, denn wie sollte Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit sonst gewährleistet<br />

werden. Für nicht unter § 10 Abs. 2 KommHV fallende Maßnahmen empfehlen wir<br />

daher ebenfalls förmliche Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen und verweisen in diesem Zusam-<br />

4<br />

vgl. Schulz/Wachsmuth/Zwick in Praxis der Kommunalverwaltung, Kommentar zur Gemeindeordnung, Art. 61<br />

RdNr. 6.1 Haushaltsrechtliche Grundsätze<br />

5 abrufbar unter www.bkpv.de<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

71


menhang auf die Kommentierung zu Art. 61 GO 6 . Allerdings könnten hier noch einfachere Vergleiche<br />

(z. B. Kostenvergleichsrechnung) der möglichen Alternativen ausreichend sein.<br />

2.3 Methoden<br />

Im Folgenden beschränken wir uns auf die im Rundschreiben des BMF vom 31.08.1995 genannten<br />

Methoden für Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen während der Planungsphase. Methodisch<br />

bestehen zu Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen im Rahmen der Erfolgskontrolle keine Unterschiede.<br />

2.3.1 Kostenvergleichsrechnung<br />

Die Kostenvergleichsrechnung geht von einer Gleichwertigkeit des Nutzens bei den zu untersuchenden<br />

Maßnahmen aus. Es werden lediglich die Kosten der möglichen Maßnahmenalternativen<br />

je Zeitabschnitt (meist das Kalenderjahr) ermittelt und für eine Referenzperiode verglichen.<br />

Alternativ wäre auch die Ermittlung der Kosten pro Leistungseinheit (z. B. Bescheid, Vorgang)<br />

möglich.<br />

Die Gleichwertigkeit des Nutzens der möglichen Maßnahmenalternativen kann, wenn überhaupt,<br />

nur bei Maßnahmen von geringer finanzieller Bedeutung und ohne langfristige Auswirkungen<br />

zutreffend beurteilt werden. Wir gehen auf diese Methode im Folgenden deshalb nicht<br />

näher ein.<br />

2.3.2 Kapitalwertmethode<br />

Die von uns favorisierte Methode ist die Kapitalwertmethode 7 . Sie ist in unterschiedlicher Ausprägung<br />

sowohl für kleinere als auch umfangreichere Maßnahmen und auch für die Beurteilung<br />

der günstigsten Finanzierungsart einer Investition anwendbar.<br />

Die Kapitalwertmethode ist ein Verfahren der dynamischen Investitionsrechnung. Mit ihr wird<br />

der monetäre Nutzen einer Maßnahmenalternative dynamisch, also unter Beachtung des Zahlungszeitpunktes,<br />

ermittelt. Ein- und Auszahlungen mit unterschiedlichen Zahlungszeitpunkten<br />

werden dabei auf den gleichen Zeitpunkt (t0) hin abgezinst und dadurch als Kapitalwert (Summe<br />

der Barwerte) vergleichbar gemacht (die Formeln dazu sind im o. g. BMF-Rundschreiben<br />

dargestellt). Der Kapitalwert ist die Summe der Barwerte aller durch diese Investition verursachten<br />

Zahlungen. Der Barwert berechnet sich folgendermaßen:<br />

Barwert = Zeitwert x Abzinsungsfaktor<br />

6 vgl. Schulz/Wachsmuth/Zwick, a. a. O., Art. 61 RdNr. 6.2 Einzelbeispiele<br />

7<br />

vgl. Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 23. Aufl., <strong>2008</strong>, und Thommen, Managementorientierte<br />

Betriebswirtschaftslehre, 7. Aufl., 2004<br />

72<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Der Abzinsungsfaktor berechnet sich bei nachschüssigen Zahlungen folgendermaßen:<br />

wobei bei jährlicher Betrachtung gilt:<br />

1<br />

Abzinsungsfaktor = n<br />

⎛ p ⎞<br />

⎜1<br />

+ ⎟<br />

⎝ 100 ⎠<br />

p = Kalkulationszinssatz und<br />

n = Anzahl der Jahre zwischen Basisjahr und Zahlung. 8<br />

Die Kapitalwertmethode berücksichtigt dabei sowohl einmalige Ein- und Auszahlungen (z. B.<br />

Kauf Server) als auch laufende Ein- und Auszahlungen (beispielsweise Software-Pflege). Zur<br />

Vereinfachung wird auf Jahreswerte abgestellt.<br />

Es ist also notwendig, alle prognostizierten Ein- und Auszahlungen der zu untersuchenden Alternativen<br />

mit ihren Zahlungszeitpunkten zu ermitteln und dann abzuzinsen. Für Kosten, die<br />

vor dem Bezugsdatum liegen, könnte gegebenenfalls auch ein Aufzinsung in Betracht kommen.<br />

Darauf soll hier jedoch nicht näher eingegangen werden, da dies in der Regel nur bei umfangreicheren<br />

Maßnahmen eintritt.<br />

Eine Maßnahme ist nach der Kapitalwertmethode wirtschaftlich, wenn der Kapitalwert (= Barwert<br />

Einzahlungen minus Barwert Auszahlungen) gleich oder größer Null ist. Stehen mehrere<br />

Alternativen zur Verfügung, ist der Kapitalwert für jede Alternative zu bestimmen und die wirtschaftlichste<br />

Alternative ist die mit dem höchsten positiven Kapitalwert. Fallen nur Auszahlungen<br />

an oder errechnen sich nur negative Kapitalwerte, ist die wirtschaftlichste Alternative<br />

selbstverständlich die mit dem niedrigsten negativen Kapitalwert.<br />

Als Einzahlungen sind Einnahmen beispielsweise aus dem Verkauf von Altanlagen definiert.<br />

Auszahlungen sind die Kosten für den Kauf von Hard- oder Software und die Betriebskosten<br />

während der kalkulierten Laufzeit (Software-Pflege, Hardware-Wartung, Versicherungen, Strom<br />

usw.). Auch Personalkosteneinsparungen sind (soweit sie haushaltswirksam sind) grundsätzlich<br />

als Einzahlungen zu berücksichtigen. Aus Vereinfachungsgründen können diese jedoch<br />

auch von den Auszahlungen für die Personalkosten abgesetzt werden (siehe auch Anlagen 4<br />

und 5). Bei Personalkosten empfehlen wir, die Durchschnittskosten für den Arbeitsplatz anzusetzen,<br />

da eine Ermittlung der tatsächlichen Kosten der betreffenden Stelle und des Arbeitsplatzes<br />

zu aufwendig wäre. Die Personaldurchschnittskosten können für den kommunalen<br />

Bereich der Zeitschrift „Gemeindekasse“ (GK) entnommen werden (beispielsweise für Beamte<br />

GK 6/<strong>2008</strong> und für TVöD-Beschäftigte GK 212/<strong>2008</strong>).<br />

Für die Abzinsung kann der Nominalzinssatz für Rentenpapiere verwendet werden<br />

(http://www.bundesbank.de). Alternativ könnten auch aktuelle Konditionen für Kommunalkredite<br />

Verwendung finden.<br />

Von entscheidender Bedeutung ist auch der Betrachtungszeitraum (der Zeitraum der beabsichtigten<br />

Nutzung). Da die Unwägbarkeiten mit jedem zusätzlichen Jahr des Betrachtungszeitraums<br />

zunehmen, raten wir von langen Zeiträumen ab. Welche Auswirkungen der Betrachtungszeitraum<br />

hat, ist aus den Anlagen 4 und 5 bzw. aus unserer ausführlichen Beispieldatei<br />

8<br />

Aus Vereinfachungsgründen werden alle Zahlungen innerhalb eines Jahres so betrachtet, als ob sie am Ende der<br />

Periode fällig wären (nachschüssig).<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

73


im Vergleich der Tabellenblätter „4_KWV_Invest-5“ und „4_KWV_Invest-10“ im Detail nachzuvollziehen.<br />

Bei unserem Beispiel (Tabelle 4_KWV_Invest-5) kann beim gewählten Zeitraum von fünf Jahren<br />

für die Umstellung auf ein automatisiertes Verfahren die Wirtschaftlichkeit anhand der Kapitalwertmethode<br />

nicht nachgewiesen werden. Letztlich müssten also nichtmonetäre Gesichtspunkte<br />

(siehe hierzu Abschnitt 2.3.3) den Ausschlag geben.<br />

Sollten für die unterschiedlichen Maßnahmenalternativen differierende Nutzungszeiträume zu<br />

berücksichtigen sein, so sind die Kapitalwerte in eine Annuität (d. h. betragsgleiche Jahreszahlung)<br />

für den jeweiligen Nutzungszeitraum umzuwandeln und dann diese Annuitäten zu vergleichen.<br />

2.3.3 Nutzwertanalyse<br />

Nur in den seltensten Fällen sind die Nutzenerwartungen für alle möglichen Maßnahmenalternativen<br />

gleich hoch (möglicherweise bei einem reinen Hardwareprojekt mit detaillierten technischen<br />

Vorgaben; siehe hierzu auch Abschnitt 2.3.1). Ebenso selten sind alle Nutzenaspekte<br />

monetär bewertbar. Zur Ermittlung der wirtschaftlichsten Maßnahmenalternative ist deshalb zusätzlich<br />

zur Kapitalwertermittlung (oder Kostenvergleichsrechnung) eine Bewertung des Nutzens<br />

der Alternativen notwendig. Dies kann durch eine Nutzwertanalyse erfolgen. Die Bewertung<br />

des immateriellen Nutzens erfolgt dabei jedoch nicht dynamisch, sondern statisch, d. h.<br />

unterschiedliche Zeitpunkte der Nutzeneffekte bleiben unberücksichtigt. Sie wären gegebenenfalls<br />

verbal zu beschreiben.<br />

Die Methode der Nutzwertanalyse ist in den Unterlagen für Ausschreibung und Bewertung<br />

von IT-Leistungen (UfAB IV – veröffentlicht als Band 90 in der Schriftenreihe der Koordinierungs-<br />

und Beratungsstelle der Bundesregierung für Informationstechnik in der Bundesverwaltung<br />

[früher KBSt; jetzt „Beauftragter der Bundesregierung für Informationstechnik“ –<br />

www.cio.bund.de]) ausführlich beschrieben.<br />

Die Nutzwertanalyse erfolgt in drei Schritten:<br />

2.3.3.1 Definition der Bewertungskriterien<br />

Die Bewertungskriterien, also die Ziele der Maßnahme, sind festzulegen und zu gewichten.<br />

Dabei kommt es neben der Wahl der richtigen und voneinander unabhängigen Bewertungskriterien<br />

vor allem auf die Gewichtung der Hauptkriterien- und Kriteriengruppen an. Hierfür kommen<br />

von der Methodik her drei Vorgehensweisen in Betracht:<br />

a) freihändige Vergabe der Gewichtungen<br />

b) systematische Ermittlung der zutreffenden Gewichtungen anhand eines sogenannten Präferenzdreiecks<br />

c) systematische und differenzierte Ermittlung der zutreffenden Gewichtungen anhand einer<br />

Präferenzmatrix<br />

Die freihändige Vergabe der Gewichtungen ist nur bei wenigen Entscheidungskriterien und bei<br />

viel Erfahrung eine zuverlässige Methode. Sie erfordert auch eine gehörige Portion Selbstdisziplin,<br />

damit nicht diejenigen Kriterien/Ziele besonders hoch gewichtet werden, die man persön-<br />

74<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


lich favorisiert. Sie eignet sich also eher für die Vergabe von wiederkehrenden, standardisierten<br />

Leistungen, bei denen nur eine überschaubare Anzahl von (unabhängigen) Kriterien/Zielen für<br />

die Beurteilung des Nutzwertes eines Angebots maßgeblich sind. Die freihändige Vergabe der<br />

Gewichtungen hat den Nachteil, dass sie willkürlich sein kann, und es besteht deshalb die<br />

Gefahr, dass die Ergebnisse der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung durch die Gewichtung der Kriterien<br />

manipuliert werden. Wir raten deshalb grundsätzlich zu einem formalen, strukturierten<br />

Vorgehen.<br />

Da man bei einer zunehmenden Anzahl von Entscheidungskriterien (die einschlägige Literatur<br />

sieht hier die Grenze bei fünf Kriterien) schnell den Überblick über die Bedeutung und Rangfolge<br />

der jeweiligen Kriterien/Ziele verliert, spricht vieles für eine systematische Vorgehensweise<br />

bei der Gewichtung der Hauptkriterien- und Kriteriengruppen. In der Praxis hat sich dabei<br />

der paarweise Vergleich von Kriterien/Zielen anhand eines Präferenzdreiecks oder einer<br />

Präferenzmatrix bewährt.<br />

Bei der einfacheren Variante, dem sogenannten Präferenzdreieck, werden die Kriterien/Ziele<br />

paarweise miteinander verglichen und immer das jeweils wichtiger erscheinende Kriterium/Ziel<br />

in das sogenannte Präferenzdreieck eingetragen. Die Anzahl der Nennungen jedes Kriteriums/<br />

Ziels wird dann in einen entsprechenden Prozentwert bzw. eine Rangfolge umgerechnet. In<br />

Anlage 6 haben wir ein Beispiel für die maschinelle Umsetzung (MS-Excel) dieser Methode<br />

dargestellt. Aufgrund der wenig differenzierten Vergleichsmethode (man muss sich beim paarweisen<br />

Vergleich für das vermeintlich wichtigere Kriterium entscheiden) besteht die Gefahr,<br />

dass gerade bei wenigen Kriterien/Zielen ein oder mehrere Kriterien/Ziele keine Nennung erhalten<br />

und daher aus mathematischen Gründen (Faktor 0) aus dem Entscheidungsprozess<br />

ausscheiden. Dies bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass diese Kriterien/Ziele von vornherein<br />

unwichtig oder gar irrelevant wären. Sie wurden lediglich im direkten Vergleich mit den anderen<br />

Kriterien/Zielen als unwichtiger eingestuft.<br />

Eine Verbesserung in dieser Hinsicht verspricht die sogenannte Präferenzmatrix. Bei dieser<br />

Methode werden die Kriterien/Ziele zwar ebenfalls paarweise verglichen, hierbei wird der Vergleich<br />

aber sehr viel differenzierter als beim Präferenzdreieck 9 vorgenommen. In der Anlage 7<br />

haben wir ebenfalls ein Beispiel für die Umsetzung dieser etwas feineren Methode mit fünf<br />

Differenzierungsschritten dargestellt.<br />

Bei beiden paarweisen Vergleichsmethoden ist darauf zu achten, dass auf der jeweiligen Bewertungsebene<br />

(Hauptkriterien- oder Kriteriengruppe) wirklich gleichrangige und voneinander<br />

unabhängige Kriterien/Ziele aufgenommen werden, da es sonst zu Verzerrungen käme. Die jeweiligen<br />

Einzelkriterien sind deshalb dahingehend zu untersuchen, wie sie in Form einer hierarchischen<br />

Gliederung sinnvoll zu Kriteriengruppen zusammengefasst werden können. Als kleine<br />

Hilfestellung haben wir in Anlage 8 schematisch eine mögliche Gruppierung von Bewertungskriterien<br />

dargestellt.<br />

Wir empfehlen ausdrücklich, die Kriteriengewichtung mit der Präferenzmatrix durch mehrere<br />

der beteiligten Personen durchführen zu lassen (z. B. abhängig von der Bedeutung der Maßnahme<br />

politische Mandatsträger, Verwaltungsleitung, IT, Fachamt, Personalvertretung, Rechnungsprüfung<br />

usw.).<br />

9 Eine ausführliche Beschreibung dieser Methode mit einer Verfahrensbeschreibung findet sich in Abschnitt 6.5.2.2<br />

im „Handbuch für Organisationsuntersuchungen und Personalbedarfsermittlungen“ des Bundes<br />

(vgl. www.orghandbuch.de).<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

75


2.3.3.2 Beurteilung des Erfüllungsgrads eines Kriteriums pro Maßnahmenalternative<br />

Für jedes Beurteilungskriterium sind, abhängig vom gewählten Punktespektrum, je nach Grad<br />

der Erfüllung, für jede Maßnahmenalternative Punkte zu vergeben. In der Praxis hat es sich dabei<br />

bewährt, die Beurteilung von mehreren Personen unabhängig voneinander durchführen zu<br />

lassen und bei Abweichungen gegebenenfalls zu mitteln oder in einem weiteren Beurteilungsdurchgang<br />

eine endgültige Bewertung im Team zu treffen.<br />

2.3.3.3 Berechnung<br />

Der Nutzen einer Maßnahme ergibt sich aus der Multiplikation der Punkte jedes Beurteilungskriteriums<br />

mit dem vorher festgelegten Gewicht. Abhängig von der Größe der Maßnahme sind<br />

Beurteilungskriterien und Gewichte auch mehrstufig (Haupt- und Untergruppen) anzulegen und<br />

zu berechnen.<br />

2.3.3.4 Sonstige Hinweise<br />

Abschließend müssen wir auf ein in Literatur und Praxis nicht selten anzutreffendes (Miss-)<br />

Verständnis der Nutzwertanalyse hinweisen: In die Nutzwertanalyse sollten keine monetären<br />

Gesichtspunkte einfließen. Erstens würde dies zu einer „Verwässerung“ der tatsächlichen Verhältnisse<br />

führen, wenn die Preise der Angebote ebenfalls bewertet und nicht mit dem tatsächlichen<br />

Betrag in eine vergleichende Bewertung eingehen würden, zweitens würden die Preise<br />

damit „doppelt“ in die Angebotsbewertung einfließen, zumal ja der in einigen Fällen zu bildende<br />

Quotient Preis/Leistung (vgl. Ausführungen in Abschnitt 3.3.4) schon den Preis enthält.<br />

Als Anlage 9 und im Downloadbereich unseres Internetauftritts ist ein Beispiel für eine Nutzwertanalyse<br />

von Maßnahmenalternativen hinterlegt.<br />

2.3.4 Nutzen-Kosten-Analyse<br />

Beim bei weitem aufwendigsten Verfahren, der Nutzen-Kosten-Analyse 10 , findet eine gesamtwirtschaftliche<br />

Betrachtung statt. Im Gegensatz zu den bisher vorgestellten Methoden werden<br />

hier alle positiven und negativen Auswirkungen der Maßnahmenalternativen berücksichtigt, unabhängig<br />

davon, wo (und bei wem) diese zum Tragen kommen. Es sind also auch Effekte zu<br />

berücksichtigen, die nicht unmittelbar mit dem Projekt in Zusammenhang stehen oder nicht<br />

beim Maßnahmenträger anfallen. Spätestens hier wäre auch eine Unterscheidung zwischen<br />

Output und Outcome 11 notwendig (z. B. Maßnahme = Durchführung von Geschwindigkeitskontrollen;<br />

Output: durchgeführte Kontrollen; Outcome: Senkung der Unfallzahlen).<br />

Da die Nutzen-Kosten-Analyse nur bei wirklich großen und umfangreichen Projekten (siehe unsere<br />

Ausführungen unter Abschnitt 3.4) angewandt werden sollte, wollen wir an dieser Stelle<br />

auf diese Methode nicht näher eingehen.<br />

2.4 Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen bei kleineren Maßnahmen<br />

Wie bereits ausgeführt, kommt bei kleineren Maßnahmen/Projekten auch eine Kostenvergleichsrechnung<br />

in Betracht. Die Kapitalwertmethode verursacht jedoch auch bei kleineren<br />

10 im BMF-Rundschreiben als „Kosten-Nutzen-Analyse“ bezeichnet<br />

11 siehe www.olev.de<br />

76<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Maßnahmen keinen größeren Aufwand, wenn das Grundgerüst aus einer einmal durchgeführten<br />

Berechnung übernommen werden kann. Zudem wären bei einer Kostenvergleichsrechnung<br />

die kalkulatorischen Kosten (gegebenenfalls aus einem kameralen Haushalt) zu ermitteln, was<br />

bei der Kapitalwertmethode nicht notwendig ist. Wir empfehlen deshalb auch bei kleineren<br />

Maßnahmen die Anwendung der Kapitalwertmethode.<br />

Die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung selbst sollte in der Regel nicht mehr als 5 % des gesamten<br />

Projektaufwands (Personalaufwand, einmalige Kosten, lfd. Kosten über Nutzungszeitraum) verursachen.<br />

Beispielberechnungen sind als Anlagen 4 und 5 beigefügt und zum Download auf unserer<br />

Webseite bereitgestellt.<br />

2.5 Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen bei umfangreichen Maßnahmen<br />

Auch für umfangreichere Maßnahmen gilt selbstverständlich, dass die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung<br />

selbst in der Regel nicht mehr als 5 % des gesamten Projektaufwands verursachen<br />

sollte. Daneben sollte auch eine einheitliche Art und Weise sowie eine einheitliche Dokumentation<br />

von Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen über eine Reihe von Maßnahmen und mehrere Jahre<br />

hinweg gewährleistet sein. Aus diesem Grund empfehlen wir, für umfangreichere Maßnahmen<br />

für die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung die Software WiBe 4.0 - 2005 der KBSt einzusetzen.<br />

Hinter der Software WiBe 4.0 steht das Konzept WiBe 4.1 (Empfehlungen zur Durchführung<br />

von Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen in der Bundesverwaltung, insbesondere beim Einsatz der<br />

IT, Schriftenreihe der KBSt Band 92, Januar 2007; siehe auch www.cio.bund.de - hier finden<br />

sich Links zum Fachkonzept WiBe 4.1 und zur Software WiBe 4.0). Die Software kann von den<br />

Kommunen kostenfrei eingesetzt werden. Parallel dazu existiert die Software WiBe 2007, die<br />

jedoch privat angeboten wird und als Browserlösung monatliche Kosten verursacht. Noch 2009<br />

soll die Software WiBe 4.0 durch ein neues Produkt (voraussichtliche Bezeichnung „WiBe Calculator“)<br />

ersetzt werden. Zum Einsatz der Software werden auch entsprechende Seminare von<br />

der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt; www.kgst.de) angeboten.<br />

Die Software WiBe 4.0 beinhaltet sowohl die Kapitalwertmethode als auch eine Nutzwertanalyse.<br />

Durch die Einbindung in ein fixes Konzept können keine Kriterien vergessen werden und<br />

die Vergleichbarkeit untersuchter Maßnahmen ist ebenso wie die Dokumentation der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung,<br />

auch über mehrere Projekte hinweg, gewährleistet.<br />

2.6 Erfolgskontrolle<br />

Die Betrachtung der Wirtschaftlichkeit ist keine einmalige Aktion, die im Rahmen eines Projekts<br />

zum Projektstart durchgeführt und anschließend zu den Akten gelegt wird. Auch bei kleineren<br />

Projekten halten wir nach Umsetzung der Maßnahme eine Erfolgskontrolle (z. B. Vergleich der<br />

prognostizierten Nutzenpotentiale mit dem tatsächlich erreichten Nutzen oder in Form der Aktualisierung<br />

der bisherigen Wirtschaftlichkeitsbetrachtung) für notwendig. Bei umfangreicheren<br />

Projekten muss dagegen als Erfolgskontrolle eine nochmalige Wirtschaftlichkeitsbetrachtung<br />

durchgeführt werden. Darüber hinaus kann es bei umfangreicheren Projekten durchaus notwendig<br />

sein, die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung mehrfach im Projektverlauf den gewonnenen<br />

Erkenntnissen zu Kosten und Nutzen der geplanten Maßnahme anzupassen.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

77


Aus den weiteren Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen im Projektverlauf sind dann zuverlässig<br />

Konsequenzen zu ziehen. Je früher ein unwirtschaftliches Projekt gestoppt wird, desto weniger<br />

Schaden wird verursacht.<br />

In unserer Prüfungspraxis stoßen wir immer wieder auf Fälle, in denen eine gekaufte Anwendungssoftware<br />

oder auch Hardware nicht oder nur in geringem Umfang genutzt wird, die laufenden<br />

Pflege- bzw. Wartungskosten jedoch in vollem Umfang zu Buche schlagen.<br />

Gerade bei den Personalkosten bzw. dem Stellenbedarf wäre es aus unserer Sicht darüber<br />

hinaus notwendig, den für die möglichen Alternativen erforderlichen Stellenbedarf zu Projektbeginn<br />

unabhängig von der Istbesetzung zu beurteilen. Nur so kann nach Umsetzung der Maßnahme<br />

auch behauptet werden, dass der (womöglich) reduzierte Stellenbedarf auf die Maßnahme<br />

zurückzuführen ist und nicht etwa nur ein bereits vorher bestehender Personalüberhang<br />

abgebaut worden ist. Letzteres wäre Ausdruck einer zweigeteilten Erfolgskontrolle, nämlich der<br />

Zielerreichungskontrolle (wurden die gesteckten Ziele erreicht?) und der Wirkungskontrolle<br />

(war die Maßnahme für die Erreichung der Ziele ursächlich?) als Subkategorien der Wirtschaftlichkeitskontrolle<br />

der Maßnahme insgesamt.<br />

2.7 Fazit<br />

Die Betrachtung der Wirtschaftlichkeit einzelner Maßnahmen ist aus unserer Sicht, zumindest<br />

dann, wenn sie von erheblicher finanzieller Bedeutung sind, eine nicht zu umgehende kommunal-<br />

und haushaltsrechtliche Verpflichtung. Im Hinblick auf den allgemeinen Sparsamkeits- und<br />

Wirtschaftlichkeitsgrundsatz empfehlen wir dies auch bei kleineren Maßnahmen. Lediglich der<br />

Aufwand für den Nachweis der Wirtschaftlichkeit kann differieren. Wir hoffen, mit den aufgezeigten<br />

Methoden und den Beispieldateien Werkzeuge an die Hand geben zu können, die den<br />

Nachweis der Wirtschaftlichkeit (oder Unwirtschaftlichkeit) wesentlich erleichtern.<br />

3 Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Angeboten am Beispiel eines Friedhofsverwaltungsverfahrens<br />

12<br />

3.1 Rechtliche Grundlagen<br />

Für die Vergabe von Aufträgen im kommunalen Bereich gelten, je nach Auftragswert, zwei unterschiedliche<br />

Rechtsbereiche. Erreichen oder überschreiten Aufträge die sogenannten EU-<br />

Schwellenwerte (vgl. dazu Verordnung EG Nr. 1422/2007 vom 04.12.2007), gelten einheitliche<br />

europäische Regelungen, die im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (§§ 97 ff. GWB),<br />

in der Vergabeverordnung (VgV) und in den jeweiligen Verdingungsordnungen (VOL, VOB) in<br />

nationales Recht umgesetzt wurden. Bei Aufträgen unterhalb der sogenannten EU-Schwellenwerte<br />

sind dagegen nur die haushaltsrechtlichen Bestimmungen (§ 31 KommHV-Kameralistik,<br />

§ 30 KommHV-Doppik) in Verbindung mit allgemein gültigen Rechtsgrundsätzen (z. B. Diskriminierungsverbot,<br />

Transparenzgebot) und die einschlägigen Verwaltungsvorschriften zu beachten.<br />

Näheren Aufschluss über die bei „nationalen Vergabeverfahren“ jeweils anzuwendenden<br />

Rechtsnormen ergeben sich aus den vom StMI im Einvernehmen mit dem StMF bekanntgegebenen<br />

verbindlichen Vergabegrundsätzen (vgl. Bekanntmachung des StMI vom<br />

12 Fallbeispiel Angebote FVW-Verfahren - siehe Anlage 10<br />

78<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


14.10.2005, AllMBl S. 424) 13 . Einen Überblick über die sehr differenzierten Regelungen kann<br />

der Synopse in Ziffer 1 der Erläuterungen zu § 31 KommHV-Kameralistik in Schreml/Bauer/<br />

Westner, „Kommunales Haushalts- und Wirtschaftsrecht in Bayern“, entnommen werden. Hinzu<br />

kommen gegebenenfalls noch örtliche Vergabevorschriften, die die Verwaltungen zumindest im<br />

Innenverhältnis binden.<br />

Wie bereits im ersten Teil dieses Beitrags erwähnt, wollen wir die Methoden zur vergleichenden<br />

Betrachtung von Angeboten exemplarisch am Beispiel von IT-Beschaffungen aufzeigen.<br />

Da es sich bei Aufträgen im Bereich der IT überwiegend um Liefer- und/oder Dienstleistungsaufträge<br />

im Sinne von § 2 Nr. 3 VgV handelt, gehen wir aus Gründen der Übersichtlichkeit in<br />

den nachfolgenden Ausführungen nur auf diese Art von Aufträgen ein. Abhängig vom geschätzten<br />

Auftragswert (Nettobetrag ohne Umsatzsteuer) gilt für die Zuschlagserteilung grundsätzlich<br />

Folgendes:<br />

3.1.1 Liefer- und Dienstleistungsaufträge 14 ab 206.000 €<br />

Bei der Vergabe solcher Aufträge sind von Auftraggebern im Sinne von § 98 Nrn. 1 bis 3 GWB<br />

(z. B. kommunale Gebietskörperschaften) der Vierte Teil des GWB, die VgV und die Bestimmungen<br />

des 2. Abschnitts der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL/A) 15 zu beachten. Die<br />

entscheidende Aussage zum maßgeblichen Zuschlagskriterium für die auf dieser rechtlichen<br />

Grundlage eingeholten Angebote trifft § 97 Abs. 5 GWB. Danach ist nach dem in Deutschland<br />

geltenden Vergaberecht 16 der Zuschlag dem wirtschaftlichsten Angebot zu erteilen. Die<br />

Verdingungsordnung konkretisiert dies in § 25 Nr. 3 VOL/A, 2. Abschnitt, dahingehend, dass<br />

bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit eines Angebots alle Umstände zu berücksichtigen<br />

sind und der niedrigste Angebotspreis allein nicht entscheidend ist. Mithin wird damit bei der<br />

Angebotsbewertung das Angebot mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis 17 gesucht, also<br />

das wirtschaftliche Optimalprinzip 18 gegenüber den beiden Extrema, dem Minimalprinzip<br />

und dem Maximalprinzip 19 , favorisiert.<br />

13 Das Konjunkturpaket II sieht auch Elemente zur Beschleunigung investiver Maßnahmen, insbesondere Vereinfachungen<br />

im Vergabeverfahren (vereinfachte Möglichkeiten zur Durchführung beschränkter Ausschreibungen und<br />

freihändiger Vergaben) vor. Diese Maßnahmen sind jedoch bis 31.12.2010 befristet.<br />

14 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit haben wir darauf verzichtet auch auf Leistungen einzugehen, die nach der<br />

Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen zu behandeln wären (z. B. IT-Beratungsleistungen). Die hierfür<br />

maßgeblichen Schwellenwerte können ebenfalls der Verordnung EG Nr. 1422/2007 vom 04.12.2007 entnommen<br />

werden.<br />

15 VOL/A in der Fassung der Bekanntmachung vom 06.04.2006 (BAnz Nr. 100 a vom 30.05.2006, S. 4368)<br />

16 Inwieweit die Regelung in § 97 Abs. 5 GWB und § 25 Nr. 3 VOL/A im Hinblick auf Art. 53 der EU-Richtlinie<br />

2004/18/EG vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge,<br />

Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge so ausgelegt werden kann, dass neben dem Zuschlagskriterium „Wirtschaftlichkeit“<br />

als weiteres Zuschlagskriterium auch allein der „niedrigste Preis“ zulässig ist, soll hier nicht weiter<br />

vertieft werden. Der nationale Gesetzgeber hat sich jedenfalls dafür entschieden, das Zuschlagskriterium „Preis“<br />

nicht so stark in den Vordergrund zu rücken.<br />

17 In der BT-Drs. 13/9340 vom 03.12.1997 (§ 97 Abs. 5 GWB) wird dazu Folgendes ausgeführt: „In Deutschland ist<br />

das Zuschlagskriterium traditionell die Wirtschaftlichkeit. Das bedeutet, dass der Zuschlag unter den zur Wertung<br />

zuzulassenden mehreren Angeboten auf das Angebot zu erteilen ist, das unter Berücksichtigung aller im konkreten<br />

Fall wesentlichen und zuvor angegebenen Aspekte das beste Preis-Leistungs-Verhältnis bietet.“<br />

18 siehe Erläuterungen zum Optimalprinzip in Abschnitt 2.1<br />

19 siehe Erläuterungen zum Minimalprinzip und Maximalprinzip in Abschnitt 2.1<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

79


3.1.2 Liefer- und Dienstleistungsaufträge unterhalb 206.000 €<br />

Bei der Vergabe von Liefer- und/oder Dienstleistungsaufträgen, die den maßgebenden Schwellenwert<br />

unterschreiten, ist die Frage des ausschlaggebenden Zuschlagskriteriums nach den<br />

haushaltsrechtlichen Bestimmungen (§ 31 KommHV-Kameralistik/§ 30 KommHV-Doppik i. V.<br />

mit der Bekanntmachung des StMI vom 24.05.1995 und IMBek vom 14.10.2005) zu beurteilen.<br />

Obwohl dort nur die Vergabearten und die jeweils anzuwendenden Vergabebestimmungen dediziert<br />

geregelt sind, kann bei derartigen Auftragsvergaben schon im Hinblick auf die beiden<br />

haushaltsrechtlichen Grundsätze der „Sparsamkeit“ und „Wirtschaftlichkeit“ kein anderer Maßstab<br />

gelten. § 25 Nr. 3 VOL/A, 1. Abschnitt, ist deshalb in diesen Fällen analog anzuwenden. 20<br />

3.2 Bewertungsverfahren und -spielraum<br />

3.2.1 Grundsätzliches<br />

Wie bereits in Abschnitt 3.1 dargestellt, ist der Zuschlag dem unter Berücksichtigung aller<br />

Umstände wirtschaftlichsten Angebot zu erteilen. Dies bedeutet aber nicht, dass die Vergabestelle<br />

nach Eingang der Angebote frei über die Methode und die Kriterien zur Ermittlung des<br />

wirtschaftlichsten Angebots entscheiden kann. Die Vergabestelle hat alle Zuschlags-/Wertungskriterien,<br />

die sie für die Vergabeentscheidung heranziehen möchte, im Einzelnen in den<br />

Verdingungsunterlagen oder in der Vergabebekanntmachung aufzuführen. Besonders deutlich<br />

wird dies bei europaweiten Vergaben. Hier muss sich gemäß § 25 a Nr. 1 Abs. 1 VOL/A die<br />

Vergabestelle bereits bei der Veröffentlichung der Vergabebekanntmachung für die im Zusammenhang<br />

mit der Auftragsvergabe ausschlaggebenden Zuschlagskriterien (z. B. Qualität, Preis,<br />

technischer Wert, Ästetik, Zweckmäßigkeit, Umwelteigenschaften, Betriebskosten, Rentabilität,<br />

Kundendienst und technische Hilfe, Lieferzeitpunkt und Lieferungs- oder Ausführungsfrist) entscheiden.<br />

Dies bedeutet, dass die Vergabestelle von vornherein die Wertungsdetails, also die<br />

Methode zur Wirtschaftlichkeitsbetrachtung, weitere untergeordnete Zuschlagskriterien, deren<br />

Gewichtung oder Rangfolge sowie deren Bewertungsskala festlegen muss, wenn sie diese bei<br />

der letzten Stufe der Angebotsbewertung verwenden möchte. Zugleich ist sie aus rechtlichen<br />

Gründen an die einmal getroffene Festlegung gebunden, kann folglich bei der Angebotsbewertung<br />

nicht mehr abweichen, selbst wenn ihr dies im Nachhinein zweckmäßig erscheinen würde.<br />

Da bei nationalen Vergabeverfahren die übergeordneten Rechtsgrundsätze (z. B. Transparenzgebot,<br />

Diskriminierungsverbot, Willkürverbot) ebenfalls gelten, sollte die Vergabestelle bei Aufträgen<br />

unterhalb der EU-Schwellenwerte in ähnlicher Weise vorgehen, selbst wenn in diesen<br />

Fällen die VOL/A nicht unmittelbar anwendbar ist.<br />

20<br />

80<br />

In Ziffer 3 der verbindlichen Vergabegrundsätze wird darauf hingewiesen, dass auch bei Aufträgen unter den<br />

Schwellenwerten die aus den primärrechtlichen Vorgaben des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft<br />

(EG) vom 07.02.1992 in der Fassung vom 26.02.2001 abgeleiteten Grundsätze der Transparenz und der<br />

Gleichbehandlung zu beachten sind und damit insbesondere ein angemessener Grad von Öffentlichkeit und Dokumentation<br />

sowie ein diskriminierungsfreies Vorgehen bei der Auftragsvergabe sicherzustellen seien.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Folgende Grafik soll diese Zusammenhänge nochmals verdeutlichen:<br />

Zuschlagskriterium<br />

(§ 97 Abs. 5 GWB, §§ 25 und 25 a VOL/A)<br />

Wirtschaftlich günstigstes<br />

Angebot<br />

Bewertungskriterien<br />

z. B.<br />

- Qualität<br />

- Technischer Wert<br />

- Liefer- und Ausführungsfristen<br />

- Ästhetik<br />

Methoden<br />

z. B. einfache oder erweiterte<br />

Richtwertmethode<br />

Nutzwertanalyse Kapitalwertmethode<br />

Monetäre Vergleichswerte<br />

z. B.<br />

- Investitions- oder<br />

Herstellungskosten<br />

- Betriebs- und Folgekosten<br />

Dem Preis kommt allerdings nach der herrschenden Rechtsprechung bei der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung<br />

von Angeboten eine besondere Bedeutung zu. Es empfiehlt sich daher den<br />

Preis nicht zu schwach zu gewichten. Die in der UfAB IV und von uns vorgeschlagene Quotientenbildung<br />

nach der einfachen oder erweiterten Richtwertmethode (UfAB IV) trägt dem Rechnung.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

81


Bei n-Angeboten mit unterschiedlichen Leistungen und Preisen gilt daher in Bezug auf das<br />

Zuschlagskriterium „Wirtschaftlichkeit“:<br />

Aw = Max<br />

⎧L<br />

⎨<br />

⎩P<br />

A1<br />

A1<br />

L<br />

,<br />

P<br />

A2<br />

A2<br />

L<br />

,<br />

P<br />

A3<br />

A3<br />

L<br />

,<br />

P<br />

A4<br />

A4<br />

L<br />

, K<br />

P<br />

Aw = wirtschaftlichstes Angebot (Angebot mit bestem Preis-Leistungs-Verhältnis)<br />

LA = Gesamt-Nutzwert des jeweiligen Angebots<br />

PA = Gesamtpreis des jeweiligen Angebots<br />

Bei in der Leistung gleichwertigen Angeboten (LA1 = LA2 = LA3 = LAn) gilt dagegen auch beim<br />

Zuschlagskriterium „Wirtschaftlichkeit“:<br />

An<br />

An<br />

Aw = Min { P , P , P , P , K P }<br />

Aw = wirtschaftlichstes Angebot (Angebot mit günstigstem Preis)<br />

3.2.2 Hilfsmittel für die Bewertung<br />

A1<br />

A2<br />

In der Vorgehensweise und Methodik zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Angeboten lehnen<br />

wir uns in den weiteren Ausführungen aus folgenden Gründen sehr stark an die Unterlage<br />

für Ausschreibung und Bewertung von IT-Leistungen (UfAB IV, Version 1.0, Stand 11/2006,<br />

http://www.cio.bund.de) und die Methoden der Investitionsrechnung an:<br />

a) Bei den UfAB IV handelt es sich um eine anerkannte Orientierungshilfe zur Beurteilung<br />

vergaberechtlicher Fragestellungen bei IT-Aufträgen. Da diese Orientierungshilfe auch<br />

schon mehrfach von Gerichten und Vergabeprüfstellen anerkannt wurde, sind sowohl Vorgehensweise<br />

als auch Methodik für die Rechtsprechungsorgane transparenter und leichter<br />

nachvollziehbar.<br />

b) Die UfAB IV passen im Aufbau und von der Methodik sehr gut zu den „Empfehlung zur<br />

Durchführung von Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen in der Bundesverwaltung, insbesondere<br />

beim Einsatz der IT“ (WiBe 4.1). Insoweit würde eine andere Vorgehensweise zusätzliches<br />

Methodenwissen in den Verwaltungen erfordern und wohl auch mehr oder weniger<br />

stark von den projektbezogenen Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen abweichen.<br />

c) Sowohl die einfache als auch die erweiterte Richtwertmethode werden den kommunal-<br />

und haushaltsrechtlichen Grundsätzen, der Nachhaltigkeit der Aufgabenerfüllung und den<br />

Grundsätzen von Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit besser gerecht als eine andere, rein<br />

betriebswirtschaftlich orientierte Wirtschaftlichkeitsbetrachtung (z. B. TCO, ABC-Analyse<br />

etc.)<br />

d) Die vom BMF empfohlenen finanzmathematischen Methoden lassen sich auch sehr gut<br />

für die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots verwenden. Für die monetären Aspekte<br />

(Ermittlung des Gesamtpreises) eignet sich besonders die Kapitalwertmethode, da sie<br />

eine vergleichende Betrachtung der Zahlungsströme (Ein- und Auszahlungen) im Nutzungszeitraum<br />

zulässt. Die nicht monetären Aspekte eines Angebots lassen sich dagegen<br />

am Besten mit einer Nutzwertanalyse ermitteln. Beide Methoden waren schon mehrfach<br />

Gegenstand von Entscheidungen der Vergabekammern oder Gerichte und wurden dort<br />

als transparente, nicht diskriminierende Methoden bestätigt.<br />

82<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

A3<br />

A4<br />

An<br />

⎫<br />

⎬<br />


Aus vorstehenden Gründen empfehlen wir unseren Mitgliedern, sich nicht nur bei der Ausschreibung<br />

von IT-Leistungen, sondern auch bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots<br />

ebenfalls an den UfAB IV und den vom BMF empfohlenen Methoden zur Wirtschaftlichkeitsrechnung<br />

zu orientieren, zumal darin auch zahlreiche vergaberechtliche Hinweise (z. B. zur<br />

Vermeidung von Verfahrensfehlern und zur Dokumentation des Vergabeverfahrens bzw. der<br />

Vergabeentscheidungen) enthalten sind.<br />

3.2.3 Ausschluss- und Bewertungskriterien 21<br />

Die UfAB IV definieren die Anforderungen in der Leistungsbeschreibung als sogenannten Kriterienkatalog.<br />

Diese Definition ist aus Sicht der im Vergaberecht verwendeten Begrifflichkeiten<br />

nicht ganz unproblematisch, da die Verdingungsordnung das Wort „Kriterien“ vor allem im Zusammenhang<br />

mit der Eignung von Bietern (Eignungskriterien, Auswahlkriterien) oder bei der<br />

Angebotsbewertung (Zuschlagskriterien) verwendet.<br />

Um Verwechslungen und Missverständnisse zu vermeiden, müssen wir an dieser Stelle einige<br />

Begriffe klären.<br />

Kriterien sind entscheidungserhebliche Eigenschaften der angebotenen Leistung. So ist z. B.<br />

„technischer Wert“ ein Merkmal, das eine Leistung in bestimmtem Maße hat. Indem der Auftraggeber<br />

bestimmte Eigenschaften zu Kriterien erklärt, stellt er Anforderungen an die Angebote.<br />

Dies können Mindestanforderungen sein, die das Angebot einhält oder nicht, und damit<br />

im Verfahren bleibt oder ausscheidet, also Ausschlusskriterien 22 , oder Anforderungen, die jedes<br />

Produkt in unterschiedlichem Maße erfüllt und damit bei diesem Merkmal eine höhere oder<br />

niedrigere Punktzahl bekommt, also Bewertungskriterien. Typischerweise können sich bei<br />

Bewertungskriterien Nachteile bei einem Kriterium durch Vorteile bei einem anderen ausgleichen.<br />

Indem der Auftraggeber Anforderungen stellt, braucht er auch einen Maßstab, an dem er<br />

die Erfüllung der Anforderungen (= Zielerfüllungsgrad) messen kann. Wenn er z. B. das Zuschlagskriterium<br />

„technischer Wert“ angegeben hat, muss er auch wissen, woran er den technischen<br />

Wert messen will.<br />

Beispiel: ein Auftraggeber will Laptops für Außendienstmitarbeiter beschaffen. Die Geräte werden<br />

oft auf- und abgebaut und transportiert. Das entscheidungsrelevante Zuschlagskriterium<br />

„Außendiensttauglichkeit“ kann daher z. B. in die Einzelkriterien „Gewicht“ (möglichst gering),<br />

„Stabilität“ (möglichst hoch) und „Handling“ (möglichst wenige Handgriffe für die Herstellung<br />

der Betriebsbereitschaft und den Anschluss von Peripheriegeräten) aufgeteilt werden.<br />

Das Beispiel, das nur einen kleinen Ausschnitt aus dem Bewertungsprozess herausgreift, soll<br />

die Begriffe verdeutlichen und zeigt:<br />

a) Jeder im Leistungsverzeichnis enthaltenen Anforderung lassen sich in der Regel mehrere<br />

Zuschlagskriterien (z. B. Außendiensttauglichkeit, Rechenleistung, Ergonomie) zuordnen<br />

und jedem Zuschlagskriterium wiederum mehrere Anforderungen. In letzter Konsequenz<br />

müsste dies dazu führen, dass jede einzelne Anforderung des Leistungsverzeichnisses<br />

nach mehreren einschlägigen Zuschlagskriterien in unterschiedlich abgestuften Gewichtungen<br />

beurteilt wird, wobei das Gesamtgewichtungsverhältnis gewahrt bleiben muss. Eine<br />

solche Vielzahl von „Stellschrauben“ führt tatsächlich nicht zu mehr Transparenz. Das<br />

21 vgl. in diesem Zusammenhang auch Ziffern 4.17.1 und 4.17.5 UfAB IV<br />

22 Häufig werden die Ausschlusskriterien wegen ihrer Wirkung auch als k.o.-Kriterien bezeichnet. Gelegentlich findet<br />

sich der in der Mathematik gebräuchliche Begriff „notwendige Bedingung“.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

83


nachfolgend beschriebene UfAB-Modell stellt deshalb einen praxisgerechten Kompromiss<br />

dar, bei dem das Leistungsverzeichnis so gegliedert wird, dass jedes Leistungsmerkmal<br />

genau eine Bewertung mit einer bestimmten Gewichtung bekommt. Da wir uns in den<br />

nachfolgenden Ausführungen stark an die UfAB IV anlehnen, bleiben wir aus Gründen der<br />

besseren Verständlichkeit auch in der Wortwahl bei den vom Bund gewählten Begrifflichkeiten.<br />

b) Zwischen den Anforderungen kann es zu Zielkonflikten kommen. Transportfreundlichkeit<br />

bedeutet z. B. hohe Stabilität und geringes Gewicht, aber mehr Stabilität lässt sich mit<br />

mehr Gewicht erkaufen. Es ist daher sinnvoll, bestimmte Grenzwerte als k.o.-Kriterien<br />

festzulegen.<br />

c) Der Unterschied zwischen k.o.-Kriterien (A-Kriterien) und Bewertungskriterien (B-Kriterien)<br />

liegt nicht in dem, was bewertet wird, sondern in dem, wie es bewertet wird. Anhand der<br />

k.o.-Kriterien wird im ersten Durchgang „gesiebt“, wer im Verfahren bleibt und wer nicht. In<br />

einem weiteren Durchgang wird aus den im Sieb gebliebenen der beste, zweitbeste usw.<br />

ermittelt und die Qualitätsunterschiede durch Vergabe von Punkten innerhalb des Bewertungsrahmens<br />

ausgedrückt. Auf die Konsequenzen gehen wir im Folgenden ein.<br />

3.2.3.1 A-Kriterien (k.o.-Anforderungen)<br />

Die UfAB IV definieren ein A-Kriterium wie folgt:<br />

„Ausschlusskriterium = Die Nichterfüllung einer als Ausschlusskriterium gekennzeichneten<br />

Anforderung führt zum Ausschluss des Angebots (KO-Kriterium)“<br />

Die A-Kriterien stellen damit (absolute) Mindestanforderungen dar, die von allen Angeboten in<br />

vollem Umfang erfüllt werden müssen. Die Nichterfüllung oder eine einschränkende Bestätigung<br />

der Leistung führt zwangsläufig zum Ausschluss des Angebots von der weiteren Bewertung.<br />

Bei einer als A-Kriterium gekennzeichneten Anforderung/Fragestellung ist deshalb sorgfältig<br />

darauf zu achten, dass nur Antworten mit „ja/nein“ oder „erfüllt/nicht erfüllt“ möglich sind.<br />

Die als A-Kriterien gekennzeichneten (echten) Mindestanforderungen scheiden aus systematischen<br />

Gründen als Bewertungskriterium beim Wirtschaftlichkeitsvergleich der Angebote aus,<br />

dürfen dort also nicht nochmals gewertet werden (vgl. Ausführungen zu den Bewertungsstufen),<br />

mit der Konsequenz, dass eine Übererfüllung von A-Kriterien nicht berücksichtigt werden<br />

darf (z. B. A-Kriterium: 2 GB Hauptspeicher - Angebot: 3 GB Hauptspeicher). Hier verhält es<br />

sich ähnlich wie bei der Bietereignung. Alle Bieter, die nach § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A einmal als<br />

geeignet angesehen wurden, dürfen im Hinblick auf die grundlegende Wertungssystematik der<br />

VOL/A nicht in einem weiteren Wertungsschritten als besser oder schlechter geeignete Bieter<br />

gewertet werden, weil die VOL den zweiten Schritt hinsichtlich der Bietereignung nicht zulässt.<br />

23 Wird von der ausschreibenden Stelle eine differenzierte Bewertung der Übererfüllung<br />

von Mindestanforderungen trotzdem für zweckmäßig erachtet (hinsichtlich der Qualität der<br />

Leistung ist dies möglich), schlagen wir bei der Gestaltung der Leistungsbeschreibung 24 folgende<br />

Alternativen vor:<br />

a) Das A-Kriterium wird in ein B-Kriterium umgewandelt und ein entsprechendes Leistungsspektrum<br />

zugelassen. Nichterfüllung bedeutet bei diesem Kriterium 0 Punkte (und kann<br />

23 vgl. BGH-Urteile vom 08.09.1998, Az.: X ZR 109/96, und vom 15.04.<strong>2008</strong>, Az.: X ZR 129/06<br />

24 Nach der Veröffentlichung der Ausschreibung ist eine solche „Umwidmung“ aus rechtlichen Gründen nicht mehr<br />

84<br />

möglich.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


ei Punktevorsprung in anderen Kriterien ausgeglichen werden). Für zwingende Mindestanforderungen<br />

für die Brauchbarkeit der Leistung ist dieser Weg nicht geeignet.<br />

b) Zusätzlich zum A-Kriterium werden solche B-Kriterien in die Leistungsbeschreibung aufgenommen,<br />

die eine Bewertung der über die jeweilige Mindestanforderung hinausgehenden<br />

Leistungen ermöglichen. Wir empfehlen aufgrund unserer Erfahrung dringend, die Leistungsbeschreibung<br />

entsprechend zu gliedern. Die Bewertung in zwei verschiedenen Stufen<br />

und was in der jeweiligen Stufe bewertet wird, wird so als Verfahrensvorgabe transparent<br />

gemacht.<br />

Weitergehende Ausführungen zur Einteilung des Kriterienkatalogs in Ausschluss- und Bewertungskriterien<br />

und zur Gestaltung der Leistungsbeschreibung enthält Ziffer 4.17.5 UfAB IV.<br />

3.2.3.2 B-Kriterien (Soll-Anforderungen)<br />

Die UfAB IV definieren ein B-Kriterium wie folgt:<br />

„Bewertungskriterium = Die als B-Kriterium gekennzeichneten Anforderungen stellen die<br />

innerhalb der Bewertungsskala mit Punkten zu bewertenden Kriterien dar und erhalten<br />

eine Gewichtung“<br />

Bei der Formulierung der B-Kriterien ist neben der entsprechenden Kennzeichnung grundsätzlich<br />

darauf zu achten, dass sie dem Bieter eine differenzierte Antwort und der ausschreibenden<br />

Stelle eine differenzierte Bewertung ermöglichen. Weitere, sehr ausführliche Hinweise zur<br />

zweckmäßigen Gliederung und zum ausgewogenen Aufbau der Leistungsbeschreibung (= Kriteriensammlung),<br />

zur sinnvollen Einteilung der Leistungsanforderungen in A- und B-Kriterien<br />

und zur Unterscheidung zwischen den Zuschlags- und Bewertungskriterien enthalten die Zif-<br />

fern 4.17.2, 4.17.3 und 4.17.5 der UfAB IV, weshalb wir an dieser Stelle nicht weiter darauf eingehen<br />

wollen.<br />

Aus Gründen der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung wollen wir allerdings noch<br />

auf folgende „kostentreibende“ oder „wettbewerbsbeschränkende“ Aspekte bei der Gestaltung<br />

der Leistungsbeschreibung hinweisen:<br />

a) Die Anzahl der A-Kriterien sollte auf das erforderliche Minimum begrenzt werden, da sie<br />

möglicherweise die Anzahl der bewertbaren Angebote stark einschränken.<br />

b) Die Leistungsanforderungen sind am wirtschaftlichen Minimalprinzip auszurichten und<br />

sollten nur den tatsächlichen Bedarf widerspiegeln. Überzogene Leistungsanforderungen<br />

(z. B. Einhaltung nicht benötigter Standards) erhöhen zwangsläufig die Angebotspreise<br />

und schränken außerdem die Zahl der möglichen Angebote/Bieter ein.<br />

c) Bei der Festlegung von konstruktiven und funktionalen Leistungsanforderungen ist darauf<br />

zu achten, dass diese grundsätzlich keine „produktspezifische Wirkung“ haben, den Wettbewerb<br />

also nur auf ein Produkt beschränken.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

85


3.2.4 Zuschlagskriterien 25<br />

Wie bereits vorstehend erwähnt, sind die in der Verdingungsordnung erwähnten – übergeordneten<br />

– Zuschlagskriterien von den vorstehend erläuterten Eignungs-, Ausschluss- und Bewertungskriterien<br />

abzugrenzen. Um eine nachvollziehbare und korrekte Bewertung der Angebote<br />

sicherzustellen, ist darauf zu achten, dass sich sowohl die Zuschlagskriterien als auch deren<br />

Gewichtung in den Bewertungskriterien und der Bewertungsmatrix abbilden. Insoweit besteht<br />

eine Wechselwirkung zwischen der eigentlichen Bewertungsmatrix und den in der Bekanntmachung<br />

oder den Vergabeunterlagen anzugebenden Zuschlagskriterien.<br />

Eine nicht abschließende Aufzählung von möglichen Zuschlagskriterien enthalten § 25 a<br />

VOL/A, 2. Abschnitt, sowie die Veröffentlichung des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft,<br />

Verkehr und Technologie (StMWVT), „Das wirtschaftlichste Angebot - Hinweise zur richtigen<br />

Wertung im Vergabeverfahren“ (http://www.stmwivt.bayern.de), herausgegeben 02/2002.<br />

Hiervon kann die Vergabestelle auftragsbezogen abweichen.<br />

Die Vergabestelle ist allerdings bei der Wahl der Ausschluss- und Bewertungskriterien 26 nicht<br />

völlig frei. Damit diese Anforderungen/Kriterien von den Bietern nicht als willkürlich, diskriminierend<br />

oder intransparent empfunden werden, müssen sie in Bezug auf die ausgeschriebenen<br />

Leistungen gerechtfertigt sein. Die Anforderungen/Kriterien sollten daher folgende Gesichtspunkte<br />

berücksichtigen:<br />

a) Es darf sich nur um auftrags- und leistungsbezogene Anforderungen/Kriterien handeln. Insoweit<br />

scheiden all diejenigen Anforderungen/Kriterien der Projekt-/Maßnahmen-Wirtschaftlichkeitsbetrachtung<br />

aus, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der geforderten<br />

Leistung stehen.<br />

b) Die Anforderungen/Kriterien dürfen den Wettbewerb nicht ohne sachlichen Grund einschränken.<br />

c) Die Anforderungen/Kriterien müssen die Gleichbehandlung der Bieter gewährleisten.<br />

d) Die Anforderungen/Kriterien müssen in der Leistungsbeschreibung so eindeutig und erschöpfend<br />

beschrieben sein, dass alle sachkundigen Bieter die Kriterien in gleichem Sinne<br />

verstehen.<br />

e) Die Anforderungen/Kriterien müssen eine objektive Bewertung anhand der vorgegebenen<br />

Bewertungsskala ermöglichen. Der Spielraum für die Leistungserfüllung muss auch für<br />

den Bieter transparent sein.<br />

f) Unabdingbare Anforderungen (k.o.-Kriterien oder Mindestanforderungen) dürfen nicht<br />

gleichzeitig als Bewertungskriterien verwendet werden. Dies würde zu einer unzulässigen<br />

Doppelwertung führen.<br />

Der in § 25 Nr. 3 VOL/A, 1. Abschnitt, verwendete Zusatz „Berücksichtigung aller Umstände“<br />

gibt der auftragsvergebenden Stelle bei allen Vergabearten einen Gestaltungs- und Entscheidungsspielraum.<br />

Um diesen Beurteilungs- und Bewertungsspielraum zu nutzen, müssen die je-<br />

25 vgl. in diesem Zusammenhang Ziffer 4.17.6 UfAB IV<br />

26 Auf die sogenannten Eignungskriterien des Bieters braucht an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden, da<br />

sie in einer anderen Bewertungsstufe zu beurteilen sind. Wir verweisen insoweit auf Ziffer 4.15.3 UfAB IV.<br />

86<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


weilige Methode sowie die relevanten Zuschlagskriterien und deren Gewichtung bereits vor der<br />

Veröffentlichung der Ausschreibung und der Versendung der Verdingungsunterlagen oder vor<br />

der Einholung von Angeboten im freihändigen Verfahren/Verhandlungsverfahren festgelegt<br />

werden. Um Transparenz zu schaffen, sind diese Festlegungen allen Bietern bekannt zu geben.<br />

Es empfiehlt sich daher, diese in den Ausschreibungsunterlagen darzustellen und die<br />

Leistungsbeschreibung entsprechend zu gliedern (eine schematische Leistungsbeschreibung<br />

für unser Fallbeispiel findet sich in Anlage 11).<br />

In diesem Zusammenhang sei noch ein kleiner Hinweis zur Gestaltung der Leistungsbeschreibung<br />

gestattet:<br />

Sowohl die nachfolgend dargestellten A-Kriterien als auch die B-Kriterien sollten die von der<br />

ausschreibenden Stelle erwartete Leistung (Soll-Anforderung) so präzise wie möglich konstruktiv<br />

oder funktional beschreiben (vgl. § 8 VOL/A, 1. Abschnitt). Hierbei ist darauf zu achten, dass<br />

die Anforderungen/Kriterien grundsätzlich produktneutral 27 beschrieben werden. Eine Mischform<br />

von konstruktiver und funktionaler Leistungsbeschreibung ist allerdings ebenso möglich<br />

wie eine an Normen/Standards ausgerichtete Beschreibung. Je nach Komplexität und Umfang<br />

der ausgeschriebenen Leistungen kann eine Untergliederung der Leistungsbeschreibung bis<br />

zu drei Ebenen zweckmäßig sein (Hauptkriterium; Unterkriterium; Kriterium – vgl. Ziffer 4.17.2<br />

UfAB IV). Weitere Erläuterungen hierzu enthalten die UfAB IV (vgl. dort Ziffern 4.17.1 und<br />

4.17.5).<br />

3.2.5 Wertungsschritte und -maßstab<br />

Die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Angeboten ist vom Ablauf her immer im Gesamtkontext<br />

der Bewertung von Angeboten zu sehen. Nach der VOL/A gliedern wir diese in folgende<br />

vier (logische) Wertungsstufen:<br />

a) formale Prüfung (vgl. §§ 23, 25 Nr. 1 VOL/A und Ziffer 4.23.4 UfAB IV)<br />

b) Eignungsprüfung des Bieters (vgl. § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A und Ziffer 4.23.5 UfAB IV)<br />

c) Prüfung der Angemessenheit der Preise (vgl. § 25 Nr. 2 Abs. 2 und 3 VOL/A und Zif-<br />

fer 4.23.6 UfAB IV)<br />

d) Wirtschaftlichkeitsvergleich (vgl. § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOL/A und Ziffer 4.23.7 UfAB IV)<br />

Die vorstehende Reihenfolge bringt zum Ausdruck, dass nur diejenigen Angebote in der Wirtschaftlichkeitsprüfung<br />

miteinander verglichen werden dürfen, die alle vorhergehenden Wertungsstufen<br />

(Buchstaben a bis c) erfolgreich gemeistert haben. Eine Orientierung an diesen<br />

von der Verdingungsordnung vorgegebenen Wertungsstufen und den einschlägigen Vorschriften<br />

der VOL/A empfiehlt sich aus Gründen der Rechtssicherheit auch bei solchen Vergabeverfahren,<br />

bei denen die VOL/A nach den haushaltsrechtlichen Vorschriften nicht anzuwenden ist.<br />

27 Natürlich muss bei IT-Produkten die oftmals so problematische Kompatibilität und im Hinblick auf den Betreuungs-/<br />

Wartungsaufwand auch eine einfache Administrierbarkeit sichergestellt sein. Diese Aspekte können unseres Erachtens<br />

in der Regel durch entsprechende Leistungsanforderungen berücksichtigt werden, ohne zwangsläufig nur<br />

bestimmte Produkte eines bestimmten Herstellers zuzulassen. Bei komplexen technischen Komponenten (z. B.<br />

zentrale Serversysteme, Netzwerk-Switches, Firewalls oder Datenbanken) kann dies aber aus Gründen der Standardisierung,<br />

Konsolidierung und Kompatibilität zu durchaus begründbaren produktspezifischen Spezifikationen<br />

führen. Diese müssen allerdings objektiv nachvollziehbar sein.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

87


Eine Besonderheit stellen in diesem Zusammenhang die in der Leistungsbeschreibung festgelegten<br />

vom Bieter zu erfüllenden Mindestanforderungen (k.o.-Kriterien bzw. Ausschlusskriterien)<br />

dar. Obwohl es sich streng genommen um leistungsbezogene Anforderungen/Kriterien<br />

handelt, die erst bei der Stufe 4 zu beurteilen wären, können diese unseres Erachtens bereits<br />

bei der formalen Prüfung der Angebote (also schon bei Stufe 1) mit berücksichtigt werden. Ein<br />

Angebot, das die von der Vergabestelle geforderten Mindestanforderungen nicht erfüllt, ist von<br />

der weiteren Wertung auszuschließen.<br />

Beim Wirtschaftlichkeitsvergleich selbst empfehlen wir folgende Vorgehensweise:<br />

a) Ermittlung der Gesamtkosten (z. B. Kapitalwertmethode, vgl. Abschnitt 2.3.2 dieses Beitrags)<br />

b) Leistungsvergleich (z. B. Nutzwertanalyse, vgl. Abschnitt 2.3.3 dieses Beitrags)<br />

c) Ermittlung der Wirtschaftlichkeitskennzahl (einfache oder erweiterte Richtwertmethode,<br />

vgl. Abschnitte 3.3.4 und 3.3.5 dieses Beitrags und Ziffern 4.21.3 und 4.21.4 UfAB IV)<br />

d) Zuschlagsentscheidung<br />

3.3 Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots<br />

3.3.1 Ermittlung der Gesamtkosten (monetäre Vergleichswerte)<br />

Im ersten Schritt sind die Kosten eines Angebots vollständig zu ermitteln. Hierbei sind neben<br />

den Anschaffungs- oder Herstellungskosten auch die mit dem Auftrag verbundenen Betriebskosten<br />

oder die aus dem jeweiligen Angebot resultierenden Folgekosten zu beziffern. Es hängt<br />

von der gewählten finanzmathematischen Rechenmethode (z. B. Kostenvergleichsrechnung<br />

oder Kapitalwertmethode) ab, ob nur die auftragsbezogenen Ein- und Auszahlungen oder aber<br />

auch kalkulatorische Kosten (z. B. Kapitalkosten, Abschreibungen) berücksichtigt werden. Wir<br />

sprechen uns an dieser Stelle ausdrücklich dafür aus, die für das jeweilige Angebot ermittelbaren<br />

Preise sowie dessen konkret bezifferbare Betriebs- und Folgekosten ausschließlich in<br />

der finanzmathematischen Vergleichsrechnung zu berücksichtigen. Die in der einschlägigen Literatur<br />

zu findenden Vorschläge, die Preise, Betriebs- und Folgekosten jeweils als eigenes Kriterium<br />

zu gewichten und mit einer Note zu bewerten, führen unseres Erachtens zu vermeidbaren<br />

Ungenauigkeiten und sind – streng genommen – systemwidrig, da die Preise/Kosten bei<br />

der Quotientenbildung nochmals berücksichtigt werden. Außerdem ist eine derartige Vermischung<br />

in der betriebswirtschaftlichen Investitionsrechnung nicht üblich.<br />

Während die Ermittlung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten in der Regel relativ unproblematisch<br />

ist, werden in der Praxis die Betriebs- und Folgekosten (z. B. Kosten für Hotline-<br />

oder Vor-Ort-Unterstützung) oftmals nicht oder nicht im notwendigen Umfang berücksichtigt.<br />

Unsere Prüfungserfahrungen zeigen, dass gerade bei größeren oder komplexen Projekten unter<br />

anderem die Kosten für die mit der Lieferung in Zusammenhang stehende Projektierung<br />

(z. B. Projektbetreuung durch den Anbieter), für das sogenannte Customizing (Parametrierung<br />

der Standardsoftware), für etwaige Anpassungen (z. B. Individualprogrammierung) und den eigenen<br />

Personalaufwand (z. B. Erfassung von maschinell nicht übernehmbaren Daten) unterschätzt<br />

und nur unzureichend bei der Ermittlung des Gesamtpreises eines Angebots berücksichtigt<br />

werden. Um die Betriebs- und Folgekosten genau zu ermitteln und die Bieter hierüber<br />

zu informieren, müssen die Preisblätter des Angebots (vgl. EVB-IT System) so gestaltet wer-<br />

88<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


den, dass alle sie beeinflussenden Umstände feststehen (vgl. § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A, Abschnitt<br />

1). Bei der Berücksichtigung von angebotsbedingten Folgekosten, die bei der Vergabestelle<br />

entstehen, darf nur auf tatsächlich eintretende und nicht nur mögliche Ereignisse abgestellt<br />

werden (Prognosesicherheit).<br />

Bei Dauerschuldverhältnissen (z. B. Pflege oder Wartung) oder absehbaren Folgekosten stellt<br />

sich zudem die Frage, welcher Zeitraum beim Angebotsvergleich zugrunde gelegt werden soll,<br />

wenn eine Methode der dynamischen Finanzrechnung angewendet wird. Aus Sicht einer möglichst<br />

objektiven Vergleichsrechnung ist hier die voraussichtliche Einsatz-/Nutzungsdauer zugrunde<br />

zu legen. Lässt sich diese nicht mit hinreichender Sicherheit abschätzen, können bei<br />

der Festlegung des maßgeblichen Vergleichszeitraums hilfsweise auch die zur Schätzung des<br />

Auftragswertes geltenden Regelungen (§ 3 Nrn. 3 und 4 VgV) herangezogen werden. Entscheidend<br />

ist, dass der bei der Berechnung zugrunde gelegte Zeitraum nicht willkürlich gewählt<br />

und bei allen Angeboten zugrunde gelegt wird. Aus rechtlichen Gründen wird empfohlen, diese<br />

Rechengröße ebenfalls in der Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen zu veröffentlichen.<br />

In der Praxis werden bei der Preisermittlung der Angebote meist die im Preisblatt angegebenen<br />

Nominalpreise angesetzt. Die Fälligkeit der jeweiligen Zahlung bleibt dabei unberücksichtigt<br />

(statische Vergleichsrechnung). Während dies bei kleineren Beschaffungsmaßnahmen kaum<br />

ins Gewicht fällt, kann bei größeren Aufträgen ein Vergleich der reinen Nominalwerte, insbesondere<br />

aus finanzmathematischer Sicht, zu fehlerhaften Aussagen führen. Wir empfehlen daher,<br />

den Gesamtpreis grundsätzlich mit Hilfe der Kapitalwertmethode 28 zu ermitteln, da diese<br />

folgende Vorteile bietet:<br />

─ Die zu unterschiedlichen Zeitpunkten anfallenden Ein- und Auszahlungen lassen sich damit<br />

sehr gut darstellen und auf den Bezugszeitpunkt t0 vergleichen.<br />

─ Kalkulatorische Kosten, wie sie bei der Kostenvergleichsrechnung anfallen, müssen nicht<br />

gesondert ermittelt werden.<br />

─ Auch Ratenzahlungen oder regelmäßig wiederkehrende Zahlungen lassen sich mit dieser<br />

Methode leicht auf den Bezugszeitpunkt t0 umrechnen.<br />

─ Die Ermittlung der zutreffenden Barwerte wird von gängigen Tabellenkalkulationsprogrammen<br />

(z. B. MS-Excel) gut unterstützt.<br />

Welche der bei der Investitionsrechnung dargestellten Methoden bei kleineren, mittleren oder<br />

größeren Projekten zweckmäßig erscheint, muss die Verwaltung für sich selbst entscheiden.<br />

Aus den vorstehend aufgeführten Gründen, wegen der leichten Anwendbarkeit und zur Standardisierung<br />

von Wirtschaftlichkeitsrechnungen in den Verwaltungen empfehlen wir, beim<br />

Preisvergleich stets die Kapitalwertmethode zu verwenden. Die bisher aufwendige Ermittlung<br />

der jeweiligen Abzinsungsfaktoren aus umfangreichen Tabellenblättern entfällt mit der Nutzung<br />

von modernen Tabellenkalkulationsprogrammen.<br />

28 Ein Kapitalwertvergleich für unser Fallbeispiel ist in Anlage 14 dargestellt.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

89


3.3.2 Leistungsbewertung<br />

In einem zweiten Schritt sind bei Angeboten mit unterschiedlichem Leistungsumfang im Rahmen<br />

einer Nutzwertanalyse 29 die Nutzenaspekte der Angebote miteinander zu vergleichen.<br />

Eine ausführliche Darstellung der Methode ist in diesem Beitrag und in den Ziffern 4.22.2 und<br />

4.22.3 der UfAB IV zu finden, weshalb wir an dieser Stelle nicht weiter darauf eingehen. Nachfolgend<br />

wollen wir aber die wesentlichen Aussagen der UfAB IV zur Nutzenbewertung eines<br />

Angebots kurz darstellen und mit eigenen Anmerkungen ergänzen, soweit wir das von der Vorgehensweise<br />

und aus vergaberechtlicher Sicht für besonders wichtig halten:<br />

a) Die zu bewertenden Anforderungen/Kriterien müssen sich aus Transparenzgründen aus<br />

den B-Kriterien des Leistungsverzeichnisses herleiten lassen. Andernfalls besteht die Gefahr,<br />

dass bestimmte Bieter benachteiligt werden.<br />

b) Mindestanforderungen (sog. A-Kriterien) dürfen nicht bewertet werden.<br />

c) Die Benotung einer angebotenen Leistung anhand der Bewertungsskala muss objektiv<br />

und nachvollziehbar sein.<br />

In allen Fällen, in denen dies aus technischen Gründen möglich ist und die dafür erforderlichen<br />

Messgeräte oder Prüfsoftware hierfür verfügbar sind, sollte die von subjektiven Empfindungen<br />

abhängige persönliche Beurteilung durch eine Messung oder maschinelle Ermittlung der angebotenen<br />

Leistung ersetzt werden. Gerade bei Hardwareprodukten bieten sich diverse Benchmarktests<br />

30 an, die aus unserer Sicht bei gleichen Umgebungsbedingungen eher zu objektiven<br />

und transparenten Ergebnissen als die persönliche Beurteilung der Leistung führen. Soweit die<br />

Werkzeuge und die Kompetenz hierfür bei der Vergabestelle nicht verfügbar sind, können solche<br />

Werte aus vergleichenden Untersuchungen unabhängiger Institute (z. B. Stiftung Warentest,<br />

c’t, ix etc.), gegebenenfalls durch entsprechend überwachte Leistungsnachweise der Bieter,<br />

erlangt werden. Wie schon bei der Leistungsbeschreibung ist bei der Bewertung ebenfalls<br />

eine Mischform zwischen mess-, wieg- und zählbaren Größen und der persönlichen fachlichen<br />

Beurteilung denkbar. 31<br />

Bei der Ermittlung des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses von Angeboten geht es primär darum,<br />

Angebote, die sich in Preis und Nutzwert unterscheiden, vergleichbar zu machen. In der<br />

Regel wird die ausgeschriebene IT-Leistung nur einen Teil der geplanten Gesamtlösung darstellen<br />

und diese beispielsweise in Form einer IT-Anwendung unterstützen. Insoweit unterscheidet<br />

sich der Betrachtungshorizont grundsätzlich erheblich von der umfassenden, maßnahmenbezogenen<br />

Sicht, kann sich aber bei reinen IT-Maßnahmen in Ausnahmefällen auch überlappen<br />

oder gar decken.<br />

3.3.3 Gewichtung von Anforderungen/Kriterien<br />

Die einer Ausschreibung zugrunde liegenden Anforderungen/Kriterien unterscheiden sich naturgemäß<br />

in ihrer Bedeutung. Eine objektive Gesamtbeurteilung der angebotenen Leistung<br />

setzt daher eine entsprechende, sachlich begründete Gewichtung der Hauptkriteriengruppen,<br />

Kriteriengruppen und Einzelkriterien voraus. Da es dem Menschen bereits bei mehr als fünf<br />

Kriterien schwer fällt, den Überblick zu bewahren und die Kriterien ins korrekte Verhältnis zu<br />

29 Eine Nutzwertanalyse zu unserem Fallbeispiel finden Sie in Anlage 15.<br />

30<br />

z. B. Vista-Hardwaretest; vgl. Tests aus PC-Zeitschriften etc.<br />

31<br />

vgl. die gängigen Produktvergleiche Stiftung Warentest, c't, ix etc.<br />

90<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


setzen, empfehlen wir, hierfür ebenfalls die bereits in diesem Bericht vorgestellten Entscheidungshilfemethoden<br />

(Präferenzdreieck 32 oder Präferenzmatrix 33 ) zu verwenden. Zudem dokumentieren<br />

diese nachvollziehbar die jeweilige Entscheidung, was bei einer freihändigen Gewichtung<br />

nicht der Fall ist.<br />

3.3.4 Einfache Richtwertmethode 34<br />

Die in Ziffer 4.21.3 UfAB IV beschriebene einfache Richtwertmethode stellt die praktische Umsetzung<br />

der in Abschnitt 3.2.1 dieses Berichts dargestellten Formel zur Ermittlung des wirtschaftlichsten<br />

Angebots (Aw) dar.<br />

Nach den Empfehlungen der UfAB IV soll diese Rechenmethode vor allem dann angewendet<br />

werden, wenn die zu vermutende Ungenauigkeit bei der Qualitätsbeurteilung (Nutzwertanalyse)<br />

gering und damit der Schwankungsbereich zu vernachlässigen ist. Hiervon ist nach den<br />

UfAB IV vor allem bei<br />

─ einfachen Beschaffungen mit standardisierten Gegenständen (z. B. Standard-Hardware),<br />

─ vorwiegend konstruktiven Leistungsbeschreibungen mit genauen Vorgaben,<br />

─ Leistungsbeschreibungen mit zahlreichen A-Kriterien und wenigen B-Kriterien<br />

auszugehen.<br />

Hinsichtlich der weiteren Details zu dieser Methode wird auf Anlage 16 und die UfAB IV a. a. O.<br />

verwiesen.<br />

3.3.5 Erweiterte Richtwertmethode 35<br />

Die in Ziffer 4.21.4 UfAB IV beschriebene erweiterte Richtwertmethode setzt auf die vorstehend<br />

beschriebene Richtwertmethode auf und definiert einen Schwankungsbereich, der Unschärfen<br />

oder Ungenauigkeiten bei der Qualitätsbeurteilung der Angebote ausgleichen soll. Nach den<br />

UfAB IV ist dies tendenziell bei<br />

─ komplexen Beschaffungsvorgängen (z. B. Programmierung von Individualsoftware),<br />

─ vorwiegend funktionalen Leistungsbeschreibungen,<br />

─ Leistungsbeschreibungen mit zahlreichen B-Kriterien<br />

der Fall.<br />

Bei nahezu gleichwertigen Angeboten innerhalb des Schwankungsbereichs soll dann ein vorher<br />

festgelegtes einzelnes Entscheidungskriterium den Ausschlag geben. Die UfAB IV empfehlen,<br />

hierfür regelmäßig das Kriterium „Preis“ zu verwenden. Offenbar soll dadurch in besonderem<br />

Maße dem Grundsatz der „Sparsamkeit“ Rechnung getragen werden.<br />

Im Hinblick auf die bayerischen Verhältnisse und die in der Regel einfachen und überschaubaren<br />

Beschaffungsmaßnahmen von IT-Standard-Produkten halten wir die erweiterte Richtwert-<br />

32<br />

siehe hierzu Anlage 12<br />

33<br />

siehe hierzu Anlage 13<br />

34<br />

Eine Anwendung dieser Methode zu unserem Fallbeispiel finden Sie in Anlage 16.<br />

35 Eine Anwendung dieser Methode zu unserem Fallbeispiel finden Sie in Anlage 17.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

91


methode grundsätzlich nicht für erforderlich. Diese hat aus unserer Sicht zwar durchaus ihre<br />

Berechtigung bei Projekten entsprechender Größenordnung und Komplexität, um etwaige Ungenauigkeiten<br />

bei der Wertung auszugleichen. Bei einer Vielzahl von bayerischen Kommunen<br />

wird die einfache Richtwertmethode aus unserer Sicht hingegen ausreichend zuverlässige Ergebnisse<br />

liefern.<br />

Hinsichtlich der weiteren Details zu dieser Methode wird auf Anlage 17 und die UfAB IV a. a. O.<br />

verwiesen.<br />

3.4 Abgestufte Verfahren bei bestimmten Wertgrenzen und/oder Beschaffungsgegenständen<br />

Bei allem Streben nach einer transparenten und objektiven Wirtschaftlichkeitsbewertung der<br />

Angebote sollte der dafür nötige Aufwand in einem angemessenen Verhältnis zum Auftragswert<br />

stehen. Es liegt auf der Hand, dass hierbei der reine Preisvergleich gegenüber einem objektiven<br />

und nachvollziehbaren Leistungsvergleich deutlich weniger Aufwand verursacht. Es gilt<br />

also schon vor Ausschreibung der Leistung abzuwägen, welchen zusätzlichen Nutzen ein<br />

mehr oder weniger detaillierter Leistungsvergleich bietet und inwieweit sich der dafür notwendige<br />

interne Aufwand bei der Gestaltung der Leistungsbeschreibung und bei der Bewertung der<br />

Angebote rechtfertigen lässt. Natürlich ist es an dieser Stelle wegen der Vielzahl von denkbar<br />

möglichen Fallgestaltungen schwer, hierfür ein geeignetes Differenzierungsmerkmal oder gar<br />

eine allgemein gültige Formel zu finden. Wir wollen dennoch in nachfolgender Tabelle anhand<br />

bestimmter Wertgrenzen einen Vorschlag für eine Kommune mittlerer Größenordnung beispielhaft<br />

für IT-Beschaffungen versuchen:<br />

Wert (netto) Methode zum Wirtschaftlichkeitsvergleich<br />

5.000 € und<br />

10.000 € und<br />

50.000 € und<br />

< 206.000 €<br />

Grundlage für die Kosten- bzw. die<br />

Leistungsermittlung<br />

Kapitalwertmethode Angebotspreise mit Betriebs- und<br />

Folgekosten<br />

Preis-Leistungs-Vergleich Angebotspreise mit Betriebs- und<br />

Folgekosten; Nutzwertanalyse mit<br />

den wichtigsten 36 B-Kriterien<br />

(max. 1 Kriterien-Ebene)<br />

Preis-Leistungs-Vergleich Angebotspreise mit Betriebs- und<br />

Folgekosten; detaillierte Nutzwert-<br />

analyse mit allen wesentlichen 37<br />

B-Kriterien (max. 2 Kriterien-Ebenen)<br />

>= 206.000 € Preis-Leistungs-Vergleich Angebotspreise mit Betriebs- und<br />

Folgekosten; umfassende Nutzwertanalyse<br />

(max. 3 Kriterien-Ebenen)<br />

36 deren Gewichtung mindestens 30 % beträgt<br />

37 deren Gewichtung mindestens 10 % beträgt<br />

92<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Weitere Differenzierungsmerkmale hinsichtlich der Methode zur Leistungsermittlung und zur<br />

Gewichtung der Zuschlags-/Bewertungskriterien könnten sein:<br />

a) Gegenstand des Auftrags (z. B. Standard-Hardware, Standard-Bürokommunikationssoftware)<br />

b) Leistungsbeschreibung besteht überwiegend aus A-Kriterien und wenigen, unwesentlichen<br />

B-Kriterien.<br />

c) eigene oder fremde Erfahrungswerte (z. B. bei wiederkehrenden Ersatzbeschaffungen, Ergebnisse<br />

von Nutzenbewertungen anderer öffentlicher Stellen)<br />

d) Für die Leistung kommen nur wenige Produkte in Betracht, die nutzenäquivalente Lösungen<br />

liefern.<br />

3.5 Wahl der wirtschaftlichsten Finanzierungsart<br />

Will die Vergabestelle neben dem Kauf der ausgeschriebenen Lieferungen auch Alternativen<br />

zulassen, die anstelle des Erwerbs eine Nutzung/Finanzierung der Produkte über Miete, Mietkauf<br />

oder Leasing vorsehen, muss sie entsprechende Nebenangebote zulassen. Damit die zugelassenen<br />

Nebenangebote mit den Hauptangeboten vergleichbar bleiben, wären dieselben<br />

Leistungsanforderungen an das Nebenangebot zu stellen und darauf abgestimmte Liefer-/Vertragsbedingungen<br />

38 der Ausschreibung zugrunde zu legen.<br />

Ein Vergleich der Angebote ist, trotz der unterschiedlichen Zahlungsmodalitäten, mit Hilfe der<br />

dynamischen Investitionsrechnung (Kapitalwertmethode) unproblematisch. Für die bei den<br />

Miet-, Mietkauf- oder Leasingangeboten anfallenden laufenden Zahlungen werden einfach deren<br />

Barwerte zum Bezugszeitpunkt t0 ermittelt. Somit sind diese unmittelbar mit den einmaligen<br />

Zahlungen der Kaufangebote vergleichbar.<br />

Die Unterschiede, die sich aus den unterschiedlichen Finanzierungsformen ergeben, sind unter<br />

Umständen bei der Nutzwertanalyse entsprechend zu berücksichtigen.<br />

3.6 Grenzen bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von IT-Angeboten<br />

Aufgrund unserer Erfahrungen im Rahmen der überörtlichen Prüfung möchten wir darauf aufmerksam<br />

machen, dass die Aussagen der Bieter zu den Leistungsmerkmalen ihrer Angebote,<br />

insbesondere bei funktionalen Leistungsbeschreibungen, kritisch betrachtet und gegebenenfalls<br />

hinterfragt werden müssen. Gerade die fehlende Standardisierung von IT-Leistungen oder<br />

Unschärfen in den Leistungsbeschreibungen machen es für die Vergabestelle schwer, den<br />

wahren Leistungsumfang zu ermitteln und diesen objektiv zu bewerten. Abhilfe verspricht hier<br />

eine entsprechende Vorführung, Teststellung, Bemusterung der angebotenen Leistungen oder<br />

die Recherche bei kommunalen Referenzkunden.<br />

38 siehe hierzu auch §§ 305 ff. BGB<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

93


3.7 Literaturverzeichnis<br />

Schulz/Wachsmuth/Zwick Praxis der Kommunalverwaltung – Kommunalverfassungs-<br />

recht Bayern – Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern<br />

Kommentare/Texte ;<br />

Herausgeber: Bauer/Hauth/Mühlbauer/Nitsche/Oehler/<br />

Schulz/Stanglmayr/Wachsmuth/Winkler/Zwick;<br />

6. Nachlieferung; ISBN 978-3-89382-212-6<br />

Schreml/Bauer/Westner Kommunales Haushalts- und Wirtschaftsrecht<br />

in Bayern -<br />

Textausgabe mit Erläuterungen;<br />

Herausgeber: Bauer/Westner/Duschl/Grill/Rothenfußer;<br />

Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH;<br />

93. Aktualisierung; ISBN 978-3-7825-0150-7<br />

Olfert - Investition Kompendium der praktischen Betriebswirtschaft;<br />

Herausgeber: Prof. Dipl.-Kfm. Klaus Olfert;<br />

Friedrich Kiehl Verlag GmbH;<br />

7. Auflage; ISBN 3 470 70477 5<br />

StMWIVT - Wertungshinweise Das wirtschaftlichste Angebot - Hinweise<br />

zur richtigen<br />

Wertung im Vergabeverfahren;<br />

Herausgeber: Bayerisches Staatsministerium<br />

für Wirtschaft,<br />

Infrastruktur, Verkehr und Technologie;<br />

http://www.stmwivt.bayern.de/wirtschaft/oeffentlichesauftragswesen/publikationen<br />

UfAB IV Unterlage für die Ausschreibung und Bewertung von IT-<br />

Leistungen (UfAB IV Version: 1.0);<br />

Herausgeber: Der Beauftragte der Bundesregierung<br />

für<br />

Informationstechnik;<br />

http://www.cio.bund.de<br />

Daub/Eberstein Kommentar zur VOL/A - Verdingungsordnung<br />

für Leistungen<br />

(ausgenommen Bauleistungen);<br />

Herausgeber: Daub/Eberstein; Werner Verlag;<br />

4. Auflage; ISBN 3-98041-1361-3<br />

Kulartz/Marx/Portz/Prieß<br />

Kommentar zur VOL/A;<br />

Herausgeber: Kulartz/Marx/Portz/Prieß;<br />

Werner Verlag;<br />

1. Auflage; ISBN 978-3-8041-5180-2<br />

Müller-Wrede Verdingungsordnung für Leistungen VOL/A<br />

Kommentar;<br />

Herausgeber: Müller-Wrede;<br />

2. Auflage; ISBN 978-3898174831<br />

WiBe WiBe - Software für Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen<br />

von<br />

Investitionen; Version: 4.0 - 2005 1.3.1;<br />

Herausgeber: Bundesverwaltungsamt - Bundesstelle<br />

für<br />

Informationstechnik;<br />

http://www.bit.bund.de<br />

Internetverweise (Links) Soweit wir in unserem Beitrag<br />

auf Fundstellen im Internet<br />

verweisen, wurden diese am 31.01.2009 letztmals überprüft.<br />

Leitfaden IT-Beschaffungen Leitfaden für die Beschaffung von DV-Leistungen;<br />

Herausgeber: Bayerisches<br />

Landesamt für Statistik und<br />

Datenverarbeitung<br />

Arbeitsanleitung<br />

Rundschreiben des BMF vom 31.08.1995, GMBl S. 764,<br />

Wirtschaftlichkeits- Az.: II A 3 - H 1005 - 23/95, „Arbeitsanleitung Einführung in<br />

untersuchungen Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen“<br />

94<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Fallbeispiel Investitionsmaßnahme Friedhofsverwaltung (FVW)<br />

Anlage 1<br />

Bei einer kreisangehörigen Gemeinde mit 17.500 Einwohnern werden das Bestattungswesen<br />

und die Verwaltung der drei gemeindlichen Friedhöfe noch manuell und unter Zuhilfenahme<br />

von Grabkarten abgewickelt. Zu untersuchen sind nun in erster Linie nicht konkrete Angebote<br />

über ein automatisiertes Verfahren, sondern die Wirtschaftlichkeit des bisherigen manuellen<br />

Friedhofswesens im Vergleich zu einem automatisierten Verfahren.<br />

In Zahlen ausgedrückt stellt sich unser Beispiel (Nominalwerte, Beträge fiktiv) wie folgt dar:<br />

Alternative 1<br />

manuelle Aufgabenerledigung<br />

Jahr 1<br />

€<br />

Jahr 2<br />

€<br />

Jahr 3<br />

€<br />

Jahr 4<br />

€<br />

Jahr 5<br />

€<br />

1.1 Personalkosten Friedhofsverwaltung 41.825 41.825 41.825 41.825 41.825<br />

1.2 Sachkosten (Schränke) 2.500<br />

1.3 Sachkosten (Karteikarten,<br />

sonstiges Verbrauchsmaterial) 1.000 1.000 1.000 1.000 1.000<br />

Summe 45.325 42.825 42.825 42.825 42.825<br />

Alternative 2<br />

Umstellung auf Friedhofsverfahren<br />

2.1 Personalkosten Friedhofsverwaltung<br />

(Reduzierung ab dem 3. Jahr durch<br />

Ruhestand Mitarbeiter) 41.825 41.825 13.942 13.942 13.942<br />

2.2 Zeitarbeitskraft Ersterfassung 12.000<br />

2.3 Personalkosten IT 7.243 7.243 7.243 7.243 7.243<br />

2.4 Mehrkosten IT-Ausstattung 1.500<br />

2.5 Kostenanteil zentrale IT 5.000 5.000 5.000 5.000 5.000<br />

2.6 Beschaffung<br />

Software Friedhofswesen 8.400<br />

2.7 lfd. Kosten Software-Pflege 1.008 1.008 1.008 1.008 1.008<br />

2.8 Beschaffung<br />

Schnittstelle Finanzwesen 430<br />

2.9 lfd. Kosten Software-Pflege<br />

Schnittstelle 52 52 52 52 52<br />

2.10 Verbrauchsmaterial (Toner, Papier) 250 250 250 250 250<br />

Summe 77.708 55.378 27.495 27.495 27.495<br />

In die monetären Gesichtspunkte können nur solche Aspekte einfließen, die tatsächlich umsetzbar<br />

sind; z. B. können mögliche Personaleinsparungen dann nicht umgesetzt werden,<br />

wenn durch Aufgabenverlagerungen, gegebenenfalls sogar verwaltungsweit, nicht tatsächlich<br />

eine Entlastung des Personalbudgets für die Friedhofsverwaltung möglich ist oder diese Entlastung<br />

erst später (z. B. durch Ruhestandsversetzung) eintritt.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

95


Methoden der Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen in der Privatwirtschaft<br />

96<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

Anlage 2


Anlage 3<br />

Methoden der Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen im öffentlichen Bereich<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

97


Kapitalwertvergleich am Beispiel FVW-Investitionsmaßnahme<br />

(5-jähriger Betrachtungszeitraum)<br />

Anlage 4<br />

kalkulatorischer Zinssatz: 2,50% (Quelle: Nominalzinssatz für Rentenpapiere der Deutschen Bundesbank)<br />

Dauer der Nutzung in Jahren<br />

Zeitraum/Position 0 1 2 3 4 5 Gesamt<br />

a) Maßnahmenalternative 1<br />

€ € € € € € €<br />

Personalkosten 0,75 Kräfte in EGr. 8 41.825 43.080 44.372 45.704 47.075<br />

Schränke für Karteikarten (Erweiterung<br />

wäre notwendig) 2.500<br />

Karteikarten, sonst. Verbrauchsmaterial 1.000 1.000 1.000 1.000 1.000<br />

Gesamtsumme nominal 2.500 42.825 44.080 45.372 46.704 48.075 229.556<br />

Abgezinste Summe (Barwert) 2.500 41.781 41.956 42.133 42.311 42.491 213.172<br />

b) Maßnahmenalternative 2<br />

Personalkosten 0,75 Kräfte in EGr. 8, ab<br />

dem 4. Jahr 0,25 Kräfte durch Ruhestandsversetzung<br />

einer Kraft möglich<br />

Zeitarbeitskraft für Datenersterfassung 12.000<br />

41.825 43.080 44.372 15.235<br />

15.692<br />

Personalkosten IT (0,10 Kräfte in EGr. 10) 7.243 7.460 7.684 7.915 8.152<br />

Mehrkosten IT-Ausstattung am Arbeitsplatz<br />

(höherwertiger Drucker, größerer<br />

Monitor usw.); Ersatzinvestition nach<br />

fünf Nutzungsjahren 1.500<br />

Kostenanteil zentrale IT<br />

(Server, Datensicherung usw.)<br />

5.000 5.150 5.305 5.464<br />

5.628<br />

Software Friedhofswesen<br />

- einmalig 8.400<br />

- Verfahrenspflege 1.008 1.038 1.069 1.101 1.135<br />

Schnittstelle zum Finanzwesen<br />

- einmalig 430<br />

- Verfahrenspflege 52 53 55 56 58<br />

Verbrauchsmaterial (Toner usw.) 250 258 265 273 281<br />

Gesamtsumme 10.330 67.378 57.039 58.750 30.044 30.945 254.486<br />

Abgezinste Summe (Barwert) 10.330 65.734 54.291 54.556 27.218 27.351 239.480<br />

Zusammenfassung:<br />

- Abgezinste Summen -<br />

a) Maßnahmenalternative 1 2.500 44.281 86.237 128.370 170.681 213.172 213.172<br />

b) Maßnahmenalternative 2 10.330 76.064 130.355 184.911 212.129 239.480 239.480<br />

Differenz a) - b) - 26.308<br />

98<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Erläuterungen:<br />

Anlage 4<br />

─ Alle Werte sind fiktiv und teilweise bewusst überhöht gewählt, um den Einbezug der Faktoren<br />

zu verdeutlichen.<br />

─ Der kalkulatorische Zinssatz wurde auf 2,5 % bei einer Laufzeit der Maßnahme von 5 Jahren<br />

und auf 3,25 % bei 10 Jahren festgelegt.<br />

─ Die Personalkosten wurden in Höhe von 0,75 Kräften mit den Personaldurchschnittskosten<br />

der Entgeltgruppe (EGr.) 8 angesetzt.<br />

─ Bei Maßnahmenalternative 2 reduzieren sich ab dem 4. Jahr die Personalkosten von<br />

0,75 Kräften auf 0,25 Kräfte, da erst dann wegen der Ruhestandsversetzung eines Mitarbeiters<br />

eine haushaltswirksame Reduzierung des Stellenplans erfolgen kann. Hätte man<br />

die freiwerdenden Kapazitäten mit anderen Aufgaben belegen können, wäre eine Reduzierung<br />

gegebenenfalls auch schon ab dem 1. Nutzungsjahr möglich geworden (beispielsweise<br />

bei Erstbestandserfassung durch eigenes Personal und anschließender Übernahme<br />

von Aufgaben in einem anderen Fachbereich).<br />

─ Sowohl bei den Personal- als auch bei den Sachkosten wurde eine jährliche Steigerung um<br />

3 % unterstellt, ebenso wurde bei den Kosten für die zentrale IT und den Softwarepflegekosten<br />

verfahren.<br />

─ Für jedes Jahr der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung wurde die Summe der Kosten als Nominalwert<br />

und abgezinst als Barwert ausgewiesen.<br />

─ Die Spalte „Gesamt“ weist die Summen über den gesamten Zeitraum der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung<br />

aus.<br />

─ In der Zusammenfassung werden die abgezinsten (Bar-)Werte pro Jahr kumuliert (daraus<br />

wird ersichtlich, in welchem Jahr die Maßnahmenalternative 2 wirtschaftlicher wird – vergleichbar<br />

„Return on Invest“).<br />

─ Da keine Einzahlungen zu verzeichnen sind, ist die Maßnahmenalternative mit dem geringsten<br />

negativen Barwert die wirtschaftlichste Alternative.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

99


Kapitalwertvergleich am Beispiel FVW-Investitionsmaßnahme<br />

(10-jähriger Betrachtungszeitraum)<br />

100<br />

kalkulatorischer Zinssatz: 3,25% (Quelle: Nominalzinssatz für Rentenpapiere der Deutschen Bundesbank)<br />

Dauer der Nutzung in Jahren<br />

Zeitraum/Position 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Gesamt<br />

€ € € € € € € € € € € €<br />

a) Maßnahmenalternative 1<br />

Personalkosten 0,75 Kräfte in EGr. 8 41.825 43.080 44.372 45.704 47.075 48.487 49.942 51.440 52.983 54.572<br />

2.500<br />

2.500<br />

Schränke für Karteikarten<br />

(Erweiterung wäre notwendig)<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

1.305<br />

1.267<br />

1.230<br />

1.194<br />

1.159<br />

1.126<br />

1.093<br />

1.061<br />

1.030<br />

1.000<br />

Karteikarten, sonstiges<br />

Verbrauchsmaterial<br />

Gesamtsumme nominal 2.500 42.825 44.110 45.433 46.796 48.200 52.146 51.136 52.670 54.250 55.877 495.943<br />

Abgezinste Summe (Barwert) 2.500 41.477 41.377 41.277 41.177 41.077 43.041 40.878 40.779 40.681 40.582 414.846<br />

Anlage 5


Dauer der Nutzung in Jahren<br />

Zeitraum/Position 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Gesamt<br />

€ € € € € € € € € € € €<br />

b) Maßnahmenalternative 2<br />

18.191<br />

17.661<br />

17.147<br />

16.647<br />

16.162<br />

15.692<br />

15.235<br />

44.372<br />

43.080<br />

41.825<br />

Personalkosten 0,75 Kräfte in EGr. 8,<br />

ab dem 4. Jahr 0,25 Kräfte durch<br />

Ruhestandsversetzung einer Kraft<br />

möglich<br />

Zeitarbeitskraft für Datenersterfassung 12.000<br />

9.450<br />

9.175<br />

8.908<br />

8.649<br />

8.397<br />

8.152<br />

7.915<br />

7.684<br />

7.460<br />

7.243<br />

Personalkosten IT<br />

(0,10 Kräfte in EGr. 10)<br />

Mehrkosten IT-Ausstattung am<br />

Arbeitsplatz (höherwertiger Drucker,<br />

größerer Monitor usw.); Ersatzinvestition<br />

nach fünf Nutzungsjahren<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

1.500<br />

1.500<br />

Kostenanteil zentrale IT<br />

(Server, Datensicherung usw.)<br />

5.000 5.150 5.305 5.464 5.628 5.796 5.970 6.149 6.334 6.524<br />

Software Friedhofswesen<br />

- einmalig 8.400<br />

- Verfahrenspflege 1.008 1.038 1.069 1.101 1.135 1.169 1.204 1.240 1.277 1.315<br />

Schnittstelle zum Finanzwesen<br />

- einmalig 430<br />

- Verfahrenspflege 52 53 55 56 58 60 62 63 65 67<br />

Verbrauchsmaterial (Toner usw.) 250 258 265 273 281 290 299 307 317 326<br />

Gesamtsumme 10.330 67.378 57.039 58.750 30.044 30.945 33.373 32.830 33.815 34.829 35.874 425.207<br />

Abgezinste Summe (Barwert) 10.330 65.257 53.505 53.375 26.436 26.372 27.546 26.244 26.181 26.117 26.054 367.418<br />

Anlage 5<br />

101


Dauer der Nutzung in Jahren<br />

Zeitraum/Position 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Gesamt<br />

102<br />

€ € € € € € € € € € € €<br />

Zusammenfassung:<br />

- Abgezinste Summen -<br />

a) Maßnahmenalternative 1 2.500 43.977 85.354 126.631 167.807 208.884 251.925 292.804 333.583 374.264 414.846 414.846<br />

b) Maßnahmenalternative 2 10.330 75.587 129.092 182.467 208.903 235.275 262.821 289.066 315.246 341.364 367.418 367.418<br />

47.428<br />

Differenz a) - b)<br />

Erläuterungen:<br />

─ Alle Werte sind fiktiv und teilweise bewusst überhöht gewählt, um den Einbezug der Faktoren zu verdeutlichen.<br />

─ Der kalkulatorische Zinssatz wurde auf 2,5 % bei einer Laufzeit der Maßnahme von 5 Jahren und auf 3,25 % bei 10 Jahren festgelegt.<br />

─ Die Personalkosten wurden in Höhe von 0,75 Kräften mit den Personaldurchschnittskosten der Entgeltgruppe 8 angesetzt.<br />

─ Bei Maßnahmenalternative 2 reduzieren sich ab dem 4. Jahr die Personalkosten von 0,75 Kräften auf 0,25 Kräfte, da erst dann wegen der Ruhestandsversetzung<br />

eines Mitarbeiters eine haushaltswirksame Reduzierung des Stellenplans erfolgen kann. Hätte man die freiwerdenden Kapazitäten<br />

mit anderen Aufgaben belegen können, wäre eine Reduzierung gegebenenfalls auch schon ab dem 1. Nutzungsjahr möglich geworden (beispielsweise<br />

bei Erstbestandserfassung durch eigenes Personal und anschließender Übernahme von Aufgaben in einem anderen Fachbereich).<br />

─ Sowohl bei den Personal- als auch bei den Sachkosten wurde eine jährliche Steigerung um 3 % unterstellt, ebenso wurde bei den Kosten für die<br />

zentrale IT und den Softwarepflegekosten verfahren.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

─ Für jedes Jahr der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung wurde die Summe der Kosten als Nominalwert und abgezinst als Barwert ausgewiesen.<br />

─ Die Spalte „Gesamt“ weist die Summen über den gesamten Zeitraum der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung aus.<br />

Anlage 5<br />

─ In der Zusammenfassung werden die abgezinsten (Bar-)Werte pro Jahr kumuliert (daraus wird ersichtlich, in welchem Jahr die Maßnahmenalternative<br />

2 wirtschaftlicher wird – vergleichbar „Return on Invest“).<br />

Da keine Einzahlungen zu verzeichnen sind, ist die Maßnahmenalternative mit dem geringsten negativen Barwert die wirtschaftlichste Alternative.<br />


Präferenzdreieck am Beispiel FVW-Investitionsmaßnahme<br />

(5 Kriteriengruppen)<br />

Kennbuchstabe<br />

Präferenzdreieck<br />

Kriterien<br />

Qualität<br />

a<br />

Raumbedarf<br />

b<br />

Flexibilität<br />

c<br />

Abrechnung<br />

d<br />

IT<br />

e<br />

f<br />

g<br />

h<br />

i<br />

j<br />

Nennungen<br />

Anlage 6<br />

Prozent<br />

Rang<br />

a Qualität X a a d a 3 30 2<br />

b Raumbedarf X X c d e 0 0 5<br />

c Flexibilität X X X d c 2 20 3<br />

d Abrechnung X X X X d 4 40 1<br />

e IT X X X X X 1 10 4<br />

f X X X X X X 0 0 5<br />

g X X X X X X X 0 0 5<br />

h X X X X X X X X 0 0 5<br />

i X X X X X X X X X 0 0 5<br />

j X X X X X X X X X X 0 0 5<br />

Anwendung:<br />

Summe: 10 100<br />

Vorstehende Tabelle eignet sich für 3 bis 10 Kriterien.<br />

Das Wertedreieck in blauer Farbe wird von links nach rechts und von oben nach unten ausgefüllt.<br />

Im Schnittpunkt zweier Kriterien ist der Kennbuchstabe für das wichtigere der beiden aktuell<br />

verglichenen Kriterien einzutragen.<br />

Die Kriterienzeilen sind von oben nach unten (2. Spalte) auszufüllen. Die Übernahme in die jeweiligen<br />

Kriterienspalten erfolgt automatisch.<br />

Wertungsskala:<br />

Keine, da beim paarweisen Vergleich nur das wichtigere Kriterium zählt<br />

Vergleichsreihenfolge (5 Kriteriengruppen):<br />

Qualität mit Raumbedarf (Zelle: D8)<br />

Qualität mit Flexibilität (Zelle: E8)<br />

Qualität mit Abrechnung (Zelle: F8)<br />

Qualität mit IT (Zelle: G8)<br />

Raumbedarf mit Flexibilität (Zelle: E9)<br />

Raumbedarf mit Abrechnung (Zelle: F9)<br />

Raumbedarf mit IT (Zelle: G9)<br />

Flexibilität mit Abrechnung (Zelle: F10)<br />

Flexibilität mit IT (Zelle: G10)<br />

Abrechnung mit IT (Zelle: G11)<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

103


Präferenzmatrix am Beispiel FVW-Investitionsmaßnahme<br />

(5 Kriteriengruppen)<br />

Präferenzmatrix<br />

Kriterien<br />

Qualität<br />

Raumbedarf<br />

Flexibilität<br />

Abrechnung<br />

IT<br />

Summe<br />

der<br />

Bewertungen<br />

je<br />

Kriterium<br />

Anlage 7<br />

Pro-<br />

zent Rang<br />

Qualität X 3 3 2 3 11 27,5 1<br />

Raumbedarf 1 X 1 1 1 4 10 5<br />

Flexibilität 1 3 X 1 1 6 15 4<br />

Abrechnung 2 3 3 X 3 11 27,5 1<br />

IT 1 3 3 1 X 8 20 3<br />

X 0 0 6<br />

X 0 0 6<br />

X 0 0 6<br />

X 0 0 6<br />

X 0 0 6<br />

Summe: 40 100<br />

Wertungsskala:<br />

4 : 0 erstes Kriterium wesentlich wichtiger als zweites Kriterium<br />

3 : 1 erstes Kriterium wichtiger als zweites Kriterium<br />

2 : 2 erstes Kriterium gleich wichtig wie zweites Kriterium<br />

1 : 3 erstes Kriterium weniger wichtig als zweites Kriterium<br />

0 : 4 erstes Kriterium wesentlich weniger wichtig als zweites Kriterium<br />

Vergleichsreihenfolge:<br />

Qualität mit Raumbedarf (Zelle: C7)<br />

Qualität mit Flexibilität (Zelle: D7)<br />

Qualität mit Abrechnung (Zelle: E7)<br />

Qualität mit IT (Zelle: F7)<br />

Raumbedarf mit Flexibilität (Zelle: D8)<br />

Raumbedarf mit Abrechnung (Zelle: E8)<br />

Raumbedarf mit IT (Zelle: F8)<br />

Flexibilität mit Abrechnung (Zelle: E9)<br />

Flexibilität mit IT (Zelle: F9)<br />

Abrechnung mit IT (Zelle: F10)<br />

104<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Schematische Darstellung zur Gruppierung von Bewertungskriterien am Beispiel FVW-Investitionsmaßnahme<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

Anlage 8<br />

105


Nutzwertanalyse von Maßnahmenalternativen am Beispiel FVW-Investitionsmaßnahme<br />

(Kriteriengruppen und Kriterien)<br />

106<br />

Bewertungsschema<br />

Gewichtung in % Gewichtete Maßnahmen- Maßnahmenauf<br />

Stufe Leistungspunkte (LP) alternative 1 alternative 2<br />

gew.<br />

gew.<br />

Nr. Anforderung 1 2 Maximum Minimum LP Pkt. Pkt. Pkt.<br />

1 Qualität der Aufgabenerledigung in der Verwaltung 28<br />

1.1 Qualitätssteigerung 50 5,00 3 1,50 8 4,00<br />

1.2 Aufwandsminimierung 35 3,50 6 2,10 7 2,45<br />

1.3 ……. 15 1,50 2 0,30 3 0,45<br />

Summe LP auf Stufe 2: 100 10,00 2,00 3,90 6,90<br />

Wert LP auf Stufe 1: 2,80 1,09 1,93<br />

2 Raumbedarf 10<br />

2.1 Raumbedarf für Grabkarten und Grabbücher 80 8,00 2 1,60 8 6,40<br />

2.2 …… 20 2,00 1 0,20 4 0,80<br />

Summe LP auf Stufe 2: 100 10,00 2,00 1,80 7,20<br />

Wert LP auf Stufe 1: 1,00 0,18 0,72<br />

3 Flexibilität am Friedhof 15<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

3.1 Eingabe von Informationen am Friedhof 60 6,00 1 0,60 6 3,60<br />

3.2 Nutzung mit mobiler Datenerfassung 30 3,00 3 0,90 5 1,50<br />

3.3 ….. 10 1,00 3 0,30 6 0,60<br />

Anlage 9<br />

Summe LP auf Stufe 2: 100 10,00 3,00 1,80 5,70<br />

Wert LP auf Stufe 1: 1,50 0,27 0,86


Bewertungsschema<br />

Gewichtung in % Gewichtete Maßnahmen- Maßnahmenauf<br />

Stufe Leistungspunkte (LP) alternative 1 alternative 2<br />

gew.<br />

gew.<br />

Nr. Anforderung 1 2 Maximum Minimum LP Pkt. Pkt. Pkt.<br />

4 Abrechnung der Leistungen 27<br />

4.1 autom. Integration ins Finanzwesen 60 6,00 0 0,00 10 6,00<br />

4.2 flexibile Kostenarten, flexible Zeiträume 25 2,50 10 2,50 3 0,75<br />

4.3 …… 15 1,50 4 0,60 4 0,60<br />

Summe LP auf Stufe 2: 100 10,00 2,00 3,10 7,35<br />

Wert LP auf Stufe 1: 2,70 0,84 1,98<br />

5 IT-technische Gesichtspunkte 20<br />

5.1 Nutzung vorhandener IT-Ausstattung am Arbeitsplatz 40 4,00 8 3,20 5 2,00<br />

5.2 Energieverbrauch 40 4,00 5 2,00 7 2,80<br />

5.3 …… 20 2,00 3 0,60 3 0,60<br />

Summe LP auf Stufe 2: 100 10,00 2,00 5,80 5,40<br />

Wert LP auf Stufe 1: 2,00 1,16 1,08<br />

Gesamtsumme LP Stufe 1: 100 10,00 3,54 6,57<br />

Skalierte LP (Summe*1.000): 10.000 3.539 6.572<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

Rang: 2 1<br />

Legende:<br />

Anlage 9<br />

= Eingabefelder<br />

= Kontrollfelder (automatisch)<br />

Bewertungsskala LP: 8 bis 10 = Hoher Zielerfüllungsgrad; 4 bis 7 = Durchschnittlicher Zielerfüllungsgrad; 0 bis 3 = Geringer Zielerfüllungsgrad<br />

107


Fallbeispiel Angebote FVW-Verfahren<br />

1 Vorbemerkungen<br />

Anlage 10<br />

Nach der Markterkundung und Wirtschaftlichkeitsuntersuchung (vgl. Anlage 1) hat die Gemeinde<br />

eine beschränkte Ausschreibung durchgeführt, bei der sieben Anbieter aufgefordert wurden,<br />

ein Angebot für den Erwerb eines Friedhofsverwaltungsprogramms abzugeben. Nebenangebote<br />

auf Leasingbasis waren zugelassen; diese Lösungen sollten lt. Leistungsverzeichnis (LV) die<br />

gleiche Funktionalität wie das Hauptangebot aufweisen und auch sämtliche k.o.-Kriterien der<br />

ausgeschriebenen Lösung erfüllen.<br />

Von den sieben aufgeforderten Bietern haben sechs Bieter jeweils ein Hauptangebot (Kauf der<br />

Software) abgegeben. Vom Bieter A wurde ein Nebenangebot auf Mietbasis eingereicht, dem<br />

die gleiche Software wie beim Hauptangebot zugrunde lag.<br />

Ein Bieter musste wegen fehlender fachlicher Qualifikation ausgeschlossen werden. Zwei andere<br />

Bieter haben mit der angebotenen Lösung verschiedene fachliche Mindestanforderungen<br />

(A-Kriterien) nicht erfüllt, so dass deren Angebote von der weiteren Wertung ausgeschlossen<br />

werden mussten. Das vom Bieter A eingereichte Nebenangebot erfüllt sämtliche im LV geforderten<br />

Mindestanforderungen.<br />

Die Gemeinde setzt als zentrale Datenbank ORACLE ein. Soweit die angebotene Lösung eine<br />

andere SQL-Datenbank benötigt, war den Bietern aufgegeben, die Lizenz- und Pflegekosten<br />

hierfür anzugeben. Die Datenhaltung unter ORACLE war zwar aus strategischen Gründen von<br />

der Gemeinde gewünscht, jedoch kein k.o.-Kriterium, zumal die beiden Systemadministratoren<br />

der Gemeinde auch über ausreichende Kenntnisse mit anderen SQL-Datenbanksystemen<br />

verfügen.<br />

Wegen der damit verbundenen Rationalisierungspotentiale wollte die Kommune auch Schnittstellen<br />

in das HKR-Verfahren und die bereits vorhandene GIS-Lösung nutzen. Die dadurch<br />

möglichen Einsparungen wurden von der Gemeinde mit 0,05 AK/Jahr im Bereich der Kasse<br />

und mit 1.000 € Sachkosten/Jahr im Ordnungsamt beziffert. Beide Schnittstellen waren im LV<br />

zwar beschrieben, aber als B-Kriterien gekennzeichnet, da die Markterkundung der Gemeinde<br />

ergeben hatte, dass die Funktionalität der Schnittstellen sich stark unterschied und die Schnittstellen<br />

auch nicht bei jedem Friedhofsverwaltungsprogramm verfügbar waren.<br />

2 Anmerkungen zu den einzelnen Angeboten<br />

Zu den Angeboten 1 und 2 (Bieter A):<br />

Die beiden Angebote bieten die gleiche Leistung und unterscheiden sich nur durch die Finanzierungsalternative.<br />

Die jeweils angebotene Softwarelösung deckt alle fachlichen Leistungsanforderungen<br />

(A-Kriterien und B-Kriterien) der Gemeinde in vollem Umfang ab und bietet darüber<br />

hinaus funktionierende Schnittstellen in das bei der Gemeinde vorhandene HKR-Verfahren<br />

sowie das GIS-System. Die Software ist plattformunabhängig (Windows, Linux), mit verschiedenen<br />

Datenbanksystemen einsetzbar (z. B. Oracle, MS-SQL-Server, MySQL) und bietet<br />

sowohl einen WIN32-Client als auch einen WEB-Client.<br />

108<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Zu Angebot 3 (Bieter B):<br />

Anlage 10<br />

Die Lösung deckt zwar alle Mindestanforderungen in vollem Umfang ab, kann aber verschiedene<br />

Leistungsanforderungen nicht so gut abdecken wie die Lösung des Anbieters A. Die Lösung<br />

bietet auch keine Schnittstelle in das HKR-Verfahren der Gemeinde und ist nur für Windows-Betriebssysteme<br />

verfügbar. Als Datenbank ist vom Hersteller nur der MS-SQL-Server<br />

freigegeben, für den die Gemeinde keine Lizenz besitzt. Gleichwohl bietet die Lösung ebenfalls<br />

sowohl einen WIN32-Client als auch einen WEB-Client.<br />

Zu Angebot 4 (Bieter C):<br />

Die Lösung deckt ebenfalls alle Mindestanforderungen (A-Kriterien) in vollem Umfang ab, kann<br />

aber verschiedene Leistungsanforderungen (B-Kriterien) nicht so gut abdecken wie die Lösungen<br />

der Bieter A und B. Sie ist darüber hinaus teilweise umständlich in der Bedienerführung<br />

und bietet dem Anwender insgesamt einen deutlich geringeren Komfort. Die Software ist nur<br />

für Windows-Betriebssysteme verfügbar und setzt bei der Datenhaltung auf MySQL auf. Freigaben<br />

des Herstellers für Oracle und MS-SQL-Server sind noch nicht erteilt. Außerdem bietet<br />

die Software nur einen WEB-Client.<br />

3 Ergebnisse der Preisermittlung (Nominalwerte):<br />

Bieter A<br />

Angebot 1<br />

Kauf<br />

€<br />

Bieter A<br />

Angebot 2<br />

Miete<br />

€<br />

Bieter B<br />

Angebot 3<br />

Kauf<br />

€<br />

1 Systemsoftware<br />

1.1 DB-Lizenz 800,00<br />

1.2 Pflege DB 160,00<br />

Bieter C<br />

Angebot 4<br />

Kauf<br />

€<br />

2 Software<br />

2.1 Lizenz 8.400,00 - 6.000,00 4.500,00<br />

2.2 Pflege/Jahr 1.008,00 1.008,00 1.200,00 1.125,00<br />

2.3 Miete/Jahr 1.834,18<br />

2.4 Installation 1.200,00 1.200,00 900,00 800,00<br />

2.5 Lizenz HKR-Schnittstelle 430,00 - - -<br />

2.6 Pflege HKR-Schnittstelle/Jahr 51,60 51,60 - -<br />

2.7 Miete HKR-Schnittstelle/Jahr 93,89<br />

2.8 Lizenz GIS-Schnittstelle 1.500,00 - 750,00 -<br />

2.9 Pflege GIS-Schnittstelle/Jahr 180,00 180,00 150,00 -<br />

2.10 Miete GIS-Schnittstelle/Jahr 327,53<br />

3 Folgekosten/Einsparungen<br />

3.1 Personaleinsparung Kasse/Jahr (0,05 AK) 2.091,25 2.091,25 - -<br />

3.2 Sachkosteneinsparung wegen GIS/Jahr 1.000,00 1.000,00 1.000,00 -<br />

Summe Investitionskosten 11.530,00 1.200,00 8.450,00 5.300,00<br />

Summe lfd. Kosten/Jahr 1.239,60 3.495,20 1.510,00 1.125,00<br />

Summe Einsparungen/Jahr 3.091,25 3.091,25 1.000,00 -<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

109


Leistungsbeschreibung FVW-Verfahren (Auszug) 1<br />

Wichtiger Hinweis:<br />

nur schematischer Aufbau 2 (ohne konkrete Formulierungshilfe 3 )<br />

dargestellt werden nur die bewertungsfähigen Kriterien 4 (B-Kriterien)<br />

für zwei Ebenen (Kriteriengruppe und Kriterium)<br />

1 Softwaretechnik<br />

1.1 Datenbank (relationales DBMS, transaktionsorientiert, skalierbar; SQL:2006)<br />

1.2 Programmiertechnik (32-Bit-Compiler, Bildschirmauflösung, OOP, XML)<br />

1.3 Plattformunabhängigkeit (Windows, Linux)<br />

1.4 Mehrplatzfähigkeit<br />

1.5 Benutzerverwaltung (Benutzer, Gruppen, Rollen)<br />

1.6 Mandantenfähigkeit<br />

... (gegebenenfalls weitere Kriterien)<br />

2 Funktionsumfang Software<br />

2.1 Verwaltung Gräber (Erwerb bzw. Verlängerung des Nutzungsrechts)<br />

2.2 Überwachung Grabpflege (Standfestigkeit Denkmäler)<br />

2.3 Verwaltung Sterbefälle (Aufbahrung, Bestatter, Abrechnung)<br />

2.4 Verwaltung Überführungen (Freigabe, Zustimmung)<br />

2.5 Verwaltung Umbettungen (Grund, Zustimmung, Abrechnung)<br />

2.6 Verwaltung Grabnutzungsberechtigungen (Nutzungszeiten, Ruhefrist)<br />

2.7 Gebührenabrechnung und Bescheid-/Anordnungsdruck (Bestattungen,<br />

Verwaltungsgebühren)<br />

2.8 Auswertungen/Statistiken (lose Denkmäler, Belegung, Gebühren)<br />

2.9 Schnittstellen (GIS, HKR-Programme)<br />

2.10 Mobile Erfassungsgeräte für Grabpflege (Import und Export von Daten,<br />

Bearbeitungsfunktionen)<br />

... (gegebenenfalls weitere Kriterien)<br />

3 Support<br />

3.1 Hotline (Erreichbarkeit, Anzahl Mitarbeiter, sachkundiger Ansprechpartner)<br />

3.2 Pflege Software (Patches, Updates, Major- und Minor-Releases)<br />

3.3 Reaktionszeiten (Mängelbeseitigung, Anwenderbetreuung, Eskalationsstufen)<br />

... (gegebenenfalls weitere Kriterien)<br />

Anlage 11<br />

4 Installation<br />

4.1 Umfang und Dauer<br />

4.2 Schulung (Vor-Ort, mit Daten des Kunden, Anzahl der teilnehmenden Personen)<br />

... (gegebenenfalls weitere Kriterien)<br />

5 ... weitere Kriteriengruppe<br />

... (gegebenenfalls weitere Kriterien)<br />

1 ohne Anspruch auf Vollständigkeit, da dies nur der Erläuterung der Bewertungsmethode dienen soll<br />

2 soweit dies zum Verständnis der Bewertung von Angeboten notwendig ist<br />

3 Konkrete Hinweise zur vergaberechtlich korrekten Formulierung finden sich in Ziffer 4.17 UfAB IV.<br />

4 Die A-Kriterien sind aus Gründen der Übersichtlichkeit in einem separaten Teil des LV darzustellen.<br />

110<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Anlage 12<br />

Präferenzdreieck für die Gewichtung von Bewertungskriterien (FVW-Verfahren)<br />

(4 Kriteriengruppen)<br />

Kennbuchstabe<br />

Präferenzdreieck<br />

Kriteriengruppen<br />

Softwaretechnik<br />

a<br />

Funktionsumfang<br />

b<br />

Support<br />

c<br />

Installation<br />

d<br />

e<br />

f<br />

g<br />

h<br />

i<br />

j<br />

Nennungen <br />

Prozent<br />

Rang<br />

a Softwaretechnik X b a a 2 33 2<br />

b Funktionsumfang X X b b 3 50 1<br />

c Support X X X c 1 17 3<br />

d Installation X X X X 0 0 4<br />

e X X X X X 0 0 4<br />

f X X X X X X 0 0 4<br />

g X X X X X X X 0 0 4<br />

h X X X X X X X X 0 0 4<br />

i X X X X X X X X X 0 0 4<br />

j X X X X X X X X X X 0 0 4<br />

Anwendung:<br />

Summe: 6 100<br />

Vorstehende Tabelle eignet sich für 3 bis 10 Kriterien.<br />

Das Wertedreieck in blauer Farbe wird von links nach rechts und von oben nach unten ausgefüllt.<br />

Im Schnittpunkt zweier Kriterien ist der Kennbuchstabe für das wichtigere der beiden aktuell<br />

verglichenen Kriterien einzutragen.<br />

Die Kriterienzeilen sind von oben nach unten (2. Spalte) auszufüllen. Die Übernahme in die jeweiligen<br />

Kriterienspalten erfolgt automatisch.<br />

Wertungsskala:<br />

Keine, da beim paarweisen Vergleich nur das wichtigere Kriterium zählt.<br />

Vergleichsreihenfolge (4 Kriteriengruppen):<br />

Softwaretechnik mit Funktionsumfang (Zelle: D8)<br />

Softwaretechnik mit Support (Zelle: E8)<br />

Softwaretechnik mit Installation (Zelle: F8)<br />

Funktionsumfang mit Support (Zelle: E9)<br />

Funktionsumfang mit Installation (Zelle: F9)<br />

Support mit Installation (Zelle: F10)<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

111


Kennbuchstabe<br />

Präferenzdreieck<br />

Kriterien<br />

Softwaretechnik<br />

Datenbank<br />

a<br />

Programmiertechnik<br />

b<br />

Plattformunabhängigkeit<br />

c<br />

Mehrplatzfähigkeit<br />

d<br />

Benutzerverwaltung<br />

e<br />

Mandantenfähigkeit<br />

f<br />

g<br />

h<br />

i<br />

j<br />

Nennungen<br />

Anlage 12<br />

Prozent<br />

Rang<br />

a Datenbank X a a d e a 3 20 3<br />

b Programmiertechnik X X c d e b 1 7 5<br />

c Plattformunabhängigkeit X X X d e c 2 13 4<br />

d Mehrplatzfähigkeit X X X X e d 4 27 2<br />

e Benutzerverwaltung X X X X X e 5 33 1<br />

f Mandantenfähigkeit X X X X X X 0 0 6<br />

g X X X X X X X 0 0 6<br />

h X X X X X X X X 0 0 6<br />

i X X X X X X X X X 0 0 6<br />

j X X X X X X X X X X 0 0 6<br />

Vergleichsreihenfolge (6 Kriterien):<br />

Datenbank mit Programmiertechnik (Zelle: D43)<br />

Datenbank mit Plattformunabhängigkeit (Zelle: E43)<br />

Datenbank mit Mehrplatzfähigkeit (Zelle: F43)<br />

Datenbank mit Benutzerverwaltung (Zelle: G43)<br />

Datenbank mit Mandantenfähigkeit (Zelle: H43)<br />

Programmiertechnik mit Plattformunabhängigkeit (Zelle: E44)<br />

Programmiertechnik mit Mehrplatzfähigkeit (Zelle: F44)<br />

Programmiertechnik mit Benutzerverwaltung (Zelle: G44)<br />

Programmiertechnik mit Mandantenfähigkeit (Zelle: H44)<br />

Plattformunabhängigkeit mit Mehrplatzfähigkeit (Zelle: F45)<br />

Plattformunabhängigkeit mit Benutzerverwaltung (Zelle: G45)<br />

Plattformunabhängigkeit mit Mandantenfähigkeit (Zelle: H45)<br />

Mehrplatzfähigkeit mit Benutzerverwaltung (Zelle: G46)<br />

Mehrplatzfähigkeit mit Mandantenfähigkeit (Zelle: H46)<br />

Benutzerverwaltung mit Mandantenfähigkeit (Zelle: H47)<br />

112<br />

Summe: 15 100<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Kennbuchstabe<br />

Präferenzdreieck<br />

Kriterien<br />

Funktionsumfang<br />

Software<br />

Verwaltung Gräber<br />

a<br />

Überwachung Grabpflege<br />

b<br />

Verwaltung Sterbefälle<br />

c<br />

Verwaltung Überführungen<br />

d<br />

Verwaltung Umbettungen<br />

e<br />

Verwaltung Grabnutzungsberechtigungen<br />

f<br />

Gebührenabrechnung und Druck<br />

g<br />

Auswertungen/Statistiken<br />

h<br />

Schnittstellen<br />

i<br />

Mobile Erfassungsgeräte<br />

j<br />

Nennungen<br />

Anlage 12<br />

Prozent<br />

Rang<br />

a Verwaltung Gräber X a a a a a a a a a 9 20 1<br />

b Überwachung Grabpflege X X c d e f g h i b 1 3 10<br />

c Verwaltung Sterbefälle X X X c c c c c c c 8 18 2<br />

d<br />

Verwaltung<br />

Überführungen<br />

X X X X e d g h i d 3 7 6<br />

e Verwaltung Umbettungen X X X X X f g h i j 2 4 8<br />

f<br />

g<br />

Verwaltung Grabnutzungsberechtigungen<br />

Gebührenabrechnung<br />

und Druck<br />

X X X X X X f f f f 6 13 3<br />

X X X X X X X g g g 6 13 3<br />

h Auswertungen/Statistiken X X X X X X X X i j 3 7 6<br />

i Schnittstellen X X X X X X X X X i 5 11 5<br />

j Mobile Erfassungsgeräte X X X X X X X X X X 2 4 8<br />

Vergleichsreihenfolge (10 Kriterien):<br />

Summe: 45 100<br />

Verwaltung Gräber mit Überwachung Grabpflege (Zelle: D77)<br />

Verwaltung Gräber mit Verwaltung Sterbefälle (Zelle: E77)<br />

Verwaltung Gräber mit Verwaltung Überführungen (Zelle: F77)<br />

Verwaltung Gräber mit Verwaltung Umbettungen (Zelle: G77)<br />

Verwaltung Gräber mit Verwaltung Grabnutzungsberechtigungen (Zelle: H77)<br />

Verwaltung Gräber mit Gebührenabrechnung und Druck (Zelle: I77)<br />

Verwaltung Gräber mit Auswertungen/Statistiken (Zelle: J77)<br />

Verwaltung Gräber mit Schnittstellen (Zelle: K77)<br />

Verwaltung Gräber mit Mobile Erfassungsgeräte (Zelle: L77)<br />

Überwachung Grabpflege mit Verwaltung Sterbefälle (Zelle: E78)<br />

Überwachung Grabpflege mit Verwaltung Überführungen (Zelle: F78)<br />

Überwachung Grabpflege mit Verwaltung Umbettungen (Zelle: G78)<br />

Überwachung Grabpflege mit Verwaltung Grabnutzungsberechtigungen (Zelle: H78)<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

113


Anlage 12<br />

Überwachung Grabpflege mit Gebührungabrechnung und Druck (Zelle: I78)<br />

Überwachung Grabpflege mit Auswertungen/Statistiken (Zelle: J78)<br />

Überwachung Grabpflege mit Schnittstellen (Zelle: K78)<br />

Überwachung Grabpflege mit Mobile Erfassungsgeräte (Zelle: L78)<br />

Verwaltung Sterbefälle mit Verwaltung Überführungen (Zelle: F79)<br />

Verwaltung Sterbefälle mit Verwaltung Umbettungen (Zelle: G79)<br />

Verwaltung Sterbefälle mit Verwaltung Grabnutzungsberechtigungen (Zelle: H79)<br />

Verwaltung Sterbefälle mit Gebührenabrechnung und Druck (Zelle: I79)<br />

Verwaltung Sterbefälle mit Auswertungen/Statistiken (Zelle: J79)<br />

Verwaltung Sterbefälle mit Schnittstellen (Zelle: K79)<br />

Verwaltung Sterbefälle mit Mobile Erfassungsgeräte (Zelle: L79)<br />

Verwaltung Überführungen mit Verwaltung Umbettungen (Zelle: G80)<br />

Verwaltung Überführungen mit Verwaltung Grabnutzungsberechtigungen (Zelle: H80)<br />

Verwaltung Überführungen mit Gebührenabrechnung und Druck (Zelle: I80)<br />

Verwaltung Überführungen mit Auswertungen/Statistiken (Zelle: J80)<br />

Verwaltung Überführungen mit Schnittstellen (Zelle: K80)<br />

Verwaltung Überführungen mit Mobile Erfassungsgeräte (Zelle: L80)<br />

Verwaltung Umbettungen mit Verwaltung Grabnutzungsberechtigungen (Zelle: H81)<br />

Verwaltung Umbettungen mit Gebührenabrechnung und Druck (Zelle: I81)<br />

Verwaltung Umbettungen mit Auswertungen/Statistiken (Zelle: J81)<br />

Verwaltung Umbettungen mit Schnittstellen (Zelle: K81)<br />

Verwaltung Umbettungen mit Mobile Erfassungsgeräte (Zelle: L81)<br />

Verwaltung Grabnutzungsberechtigungen mit Gebührenabrechnung und Druck (Zelle: I82)<br />

Verwaltung Grabnutzungsberechtigungen mit Auswertungen/Statistiken (Zelle: J82)<br />

Verwaltung Grabnutzungsberechtigungen mit Schnittstellen (Zelle: K82)<br />

Verwaltung Grabnutzungsberechtigungen mit Mobile Erfassungsgeräte (Zelle: L82)<br />

Gebührenabrechnung und Druck mit Auswertungen/Statistiken (Zelle: J83)<br />

Gebührenabrechnung und Druck mit Schnittstellen (Zelle: K83)<br />

Gebührenabrechnung und Druck mit Mobile Erfassungsgeräte (Zelle: L83)<br />

Auswertungen/Statistiken mit Schnittstellen (Zelle: K84)<br />

Auswertungen/Statistiken mit Mobile Erfassungsgeräte (Zelle: L84)<br />

Schnittstellen mit Mobile Erfassungsgeräte (Zelle: L85)<br />

114<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Anlage 13<br />

Präferenzmatrix für die Gewichtung von Bewertungskriterien (FVW-Verfahren)<br />

(4 Kriterien)<br />

Präferenzmatrix<br />

Kriterien-<br />

gruppen<br />

Softwaretechnik<br />

Funktionsumfang<br />

Support<br />

Installation<br />

Summe<br />

der<br />

Bewertungen<br />

je<br />

Kriterium<br />

Prozent<br />

Rang<br />

Softwaretechnik X 0 1 1 2 8 4<br />

Funktionsumfang 4 X 3 3 10 42 1<br />

Support 3 1 X 3 7 29 2<br />

Installation 3 1 1 X 5 21 3<br />

Wertungsskala:<br />

X 0 0 5<br />

X 0 0 5<br />

X 0 0 5<br />

X 0 0 5<br />

X 0 0 5<br />

X 0 0 5<br />

Summe: 24 100<br />

4 : 0 erstes Kriterium wesentlich wichtiger als zweites Kriterium<br />

3 : 1 erstes Kriterium wichtiger als zweites Kriterium<br />

2 : 2 erstes Kriterium gleich wichtig wie zweites Kriterium<br />

1 : 3 erstes Kriterium weniger wichtig als zweites Kriterium<br />

0 : 4 erstes Kriterium wesentlich weniger wichtig als zweites Kriterium<br />

Vergleichsreihenfolge:<br />

Softwaretechnik mit Funktionsumfang (Zelle: C7)<br />

Softwaretechnik mit Support (Zelle: D7)<br />

Softwaretechnik mit Installation (Zelle: E7)<br />

Funktionsumfang mit Support (Zelle: D8)<br />

Funktionsumfang mit Installation (Zelle: E8)<br />

Support mit Installation (Zelle: E9)<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

115


Präferenzmatrix<br />

Kriterien<br />

Datenbank<br />

Programmiertechnik<br />

Plattformunabhängigkeit<br />

Mehrplatzfähigkeit<br />

Benutzerverwaltung<br />

Mandantenfähigkeit<br />

Summe<br />

der<br />

Bewertungen<br />

je<br />

Kriterium<br />

Anlage 13<br />

Prozent<br />

Rang<br />

Datenbank X 4 3 3 2 3 15 25 1<br />

Programmiertechnik <br />

Plattformunabhängigkeit<br />

0 X 2 1 1 1 5 8 6<br />

1 2 X 1 1 1 6 10 5<br />

Mehrplatzfähigkeit 1 3 3 X 1 1 9 15 4<br />

Benutzerverwaltung<br />

2 3 3 3 X 3 14 24 2<br />

Mandantenfähigkeit 1 3 3 3 1 X 11 18 3<br />

Vergleichsreihenfolge (6 Kriterien):<br />

Datenbank mit Programmiertechnik (Zelle: C36)<br />

Datenbank mit Plattformunabhängigkeit (Zelle: D36)<br />

Datenbank mit Mehrplatzfähigkeit (Zelle: E36)<br />

Datenbank mit Benutzerverwaltung (Zelle: F36)<br />

Datenbank mit Mandantenfähigkeit (Zelle: G36)<br />

Programmiertechnik mit Plattformunabhängigkeit (Zelle: D37)<br />

Programmiertechnik mit Mehrplatzfähigkeit (Zelle: E37)<br />

Programmiertechnik mit Benutzerverwaltung (Zelle: F37)<br />

Programmiertechnik mit Mandantenfähigkeit (Zelle: G37)<br />

Plattformunabhängigkeit mit Mehrplatzfähigkeit (Zelle: E38)<br />

Plattformunabhängigkeit mit Benutzerverwaltung (Zelle: F38)<br />

Plattformunabhängigkeit mit Mandantenfähigkeit (Zelle: G38)<br />

Mehrplatzfähigkeit mit Benutzerverwaltung (Zelle: F39)<br />

Mehrplatzfähigkeit mit Mandantenfähigkeit (Zelle: G39)<br />

Benutzerverwaltung mit Mandantenfähigkeit (Zelle: G40)<br />

116<br />

X 0 0 7<br />

X 0 0 7<br />

X 0 0 7<br />

X 0 0 7<br />

Summe: 60 100<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Anlage 14<br />

Kapitalwertvergleich von Angeboten (Kauf/Miete) am Beispiel FVW-Verfahren<br />

kalkulatorischer Zinssatz: 2,50 %<br />

Dauer der Nutzung in Jahren Gesamt<br />

Zeitraum/Position 0 1 2 3 4 5 Nominal Barwert Rang<br />

a) Angebot 1<br />

Investitionskosten (t0) 11.530<br />

€ € € € € € € €<br />

Lfd. Kosten 1.240 1.240 1.240 1.240 1.240<br />

Einsparungen - 3.091 - 3.091 - 3.091 - 3.091 - 3.091<br />

Gesamtsumme<br />

nominal<br />

Abgezinste Summe<br />

(Barwert)<br />

b) Angebot 2<br />

11.530<br />

11.530<br />

- 1.852<br />

- 1.806<br />

- 1.852<br />

- 1.762<br />

- 1.852<br />

- 1.719<br />

- 1.852<br />

- 1.678<br />

- 1.852<br />

- 1.637<br />

Investitionskosten (t0) 1.200<br />

Lfd. Kosten/Jahr 3.495 3.495 3.495 3.495 3.495<br />

Einsparungen/Jahr - 3.091 - 3.091 - 3.091 - 3.091 - 3.091<br />

Gesamtsumme<br />

nominal<br />

Abgezinste Summe<br />

(Barwert)<br />

c) Angebot 3<br />

1.200<br />

1.200<br />

404<br />

394<br />

Investitionskosten (t0) 8.450<br />

Lfd. Kosten/Jahr 1.510 1.510 1.510 1.510 1.510<br />

Einsparungen/Jahr - 1.000 - 1.000 - 1.000 - 1.000 - 1.000<br />

Gesamtsumme<br />

nominal<br />

Abgezinste Summe<br />

(Barwert)<br />

d) Angebot 4<br />

8.450<br />

8.450<br />

510<br />

498<br />

Investitionskosten (t0) 5.300<br />

Lfd. Kosten/Jahr<br />

Einsparungen/Jahr<br />

1.125 1.125 1.125 1.125 1.125<br />

Gesamtsumme<br />

nominal<br />

Abgezinste Summe<br />

(Barwert)<br />

5.300<br />

5.300<br />

1.125<br />

1.098<br />

404<br />

384<br />

510<br />

485<br />

1.125<br />

1.071<br />

404<br />

375<br />

510<br />

474<br />

1.125<br />

1.045<br />

404<br />

366<br />

510<br />

462<br />

1.125<br />

1.019<br />

404<br />

357<br />

510<br />

451<br />

1.125<br />

994<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

2.272<br />

3.220<br />

11.000<br />

10.925<br />

2.928<br />

3.077<br />

10.819<br />

10.527<br />

1<br />

2<br />

4<br />

3<br />

117


Nutzwertanalyse von Angeboten am Beispiel FVW-Verfahren<br />

118<br />

Bewertungsschema<br />

Gewichtung in % Gewichtete Bieter A Bieter A Bieter B Bieter C<br />

auf Stufe Leistungspunkte (LP) Angebot 1 Angebot 2 Angebot 3 Angebot 4<br />

gew.<br />

gew.<br />

gew.<br />

gew.<br />

Nr. Anforderung 1 2 Maximum Minimum LP Pkt. Pkt. Pkt. Pkt. Pkt. Pkt. Pkt.<br />

1 Softwaretechnik 8<br />

1.1 Datenbank 25 2,50 10 2,50 10 2,50 5 1,25 2 0,50<br />

1.2 Programmiertechnik 8 0,80 9 0,72 9 0,72 6 0,48 2 0,16<br />

1.3 Plattformunabhängigkeit 10 1,00 9 0,90 9 0,90 5 0,50 5 0,50<br />

1.4 Mehrplatzfähigkeit 15 1,50 9 1,35 9 1,35 7 1,05 5 0,75<br />

1.5 Benutzerverwaltung 23 2,30 9 2,07 9 2,07 5 1,15 5 1,15<br />

1.6 Mandantenfähigkeit 19 1,90 9 1,71 9 1,71 8 1,52 0 0,00<br />

1.7 Auswertungsgenerator 0,00 8 0,00 8 0,00 5 0,00 2 0,00<br />

1.8 gegebenenfalls weitere Kriterien 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00<br />

Summe LP auf Stufe 2: 100 10,00 2,00 9,25 9,25 5,95 3,06<br />

Wert LP auf Stufe 1: 0,80 0,74 0,74 0,48 0,24<br />

Bewertungsskala LP: 8 bis 10 = Hoher Zielerfüllungsgrad; 4 bis 7 = Durchschnittlicher Zielerfüllungsgrad; 0 bis 3 = Geringer Zielerfüllungsgrad<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

Anlage 15


Bewertungsschema<br />

Gewichtung in % Gewichtete Bieter A Bieter A Bieter B Bieter C<br />

auf Stufe Leistungspunkte (LP) Angebot 1 Angebot 2 Angebot 3 Angebot 4<br />

gew.<br />

gew.<br />

gew.<br />

gew.<br />

Nr. Anforderung 1 2 Maximum Minimum LP Pkt. Pkt. Pkt. Pkt. Pkt. Pkt. Pkt.<br />

2 Funktionsumfang Software 42<br />

2.1 Verwaltung Gräber 10 1,00 10 1,00 10 1,00 5 0,50 4 0,40<br />

2.2 Überwachung Grabpflege 10 1,00 9 0,90 9 0,90 5 0,50 4 0,40<br />

2.3 Verwaltung Sterbefälle 10 1,00 10 1,00 10 1,00 5 0,50 3 0,30<br />

2.4 Verwaltung Überführungen 10 1,00 7 0,70 7 0,70 5 0,50 3 0,30<br />

2.5 Verwaltung Umbettungen 10 1,00 7 0,70 7 0,70 5 0,50 4 0,40<br />

2.6 Verwaltung Grabnutzungsberechtigungen 10 1,00 9 0,90 9 0,90 5 0,50 4 0,40<br />

2.7 Gebührenabrechnung und Bescheid-/<br />

AO-Druck 10 1,00 7 0,70 7 0,70 5 0,50 3 0,30<br />

2.8 Auswertungen/Statistiken 10 1,00 8 0,80 8 0,80 5 0,50 2 0,20<br />

2.9 Schnittstellen 10 1,00 9 0,90 9 0,90 5 0,50 0 0,00<br />

2.10 Mobile Erfassungsgeräte für Grabpflege 10 1,00 9 0,90 9 0,90 5 0,50 0 0,00<br />

2.11 gegebenenfalls weitere Kriterien 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00<br />

Summe LP auf Stufe 2: 100 10,00 3,00 8,50 8,50 5,00 2,70<br />

Wert LP auf Stufe 1: 4,20 3,57 3,57 2,10 1,13<br />

3 Support 29<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

3.1 Hotline 30 3,00 7 2,10 7 2,10 5 1,50 5 1,50<br />

3.2 Pflege Software 30 3,00 8 2,40 8 2,40 5 1,50 5 1,50<br />

3.3 Reaktionszeiten 40 4,00 8 3,20 8 3,20 5 2,00 5 2,00<br />

3.4 gegebenenfalls weitere Kriterien 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00<br />

Anlage 15<br />

Summe LP auf Stufe 2: 100 10,00 2,00 7,70 7,70 5,00 5,00<br />

Wert LP auf Stufe 1: 2,90 2,23 2,23 1,45 1,45<br />

119


Bewertungsschema<br />

Gewichtung in % Gewichtete Bieter A Bieter A Bieter B Bieter C<br />

120<br />

auf Stufe Leistungspunkte (LP) Angebot 1 Angebot 2 Angebot 3 Angebot 4<br />

gew.<br />

gew.<br />

gew.<br />

gew.<br />

Nr. Anforderung 1 2 Maximum Minimum LP Pkt. Pkt. Pkt. Pkt. Pkt. Pkt. Pkt.<br />

4 Installation 21<br />

4.1 Umfang und Dauer 50 5,00 8 4,00 8 4,00 5 2,50 5 2,50<br />

4.2 Schulung 50 5,00 7 3,50 7 3,50 5 2,50 5 2,50<br />

4.3 gegebenenfalls weitere Kriterien 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00<br />

Summe LP auf Stufe 2: 100 10,00 2,00 7,50 7,50 5,00 5,00<br />

Wert LP auf Stufe 1: 2,10 1,58 1,58 1,05 1,05<br />

Gesamtsumme LP Stufe 1: 100 10,00 8,12 8,12 5,08 3,88<br />

Skalierte LP (Summe*1.000): 10.000 8.118 8.118 5.076 3.879<br />

Rang: 1 1 3 4<br />

Legende:<br />

= Eingabefelder<br />

= Kontrollfelder<br />

= bedingte Formatierung bei Unterschreiten der vorgegebenen Minimalwerte<br />

Bewertungsskala LP: 8 bis 10 = Hoher Zielerfüllungsgrad; 4 bis 7 = Durchschnittlicher Zielerfüllungsgrad; 0 bis 3 = Geringer Zielerfüllungsgrad<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

Anlage 15


Einfache Richtwertmethode nach UfAB IV zum Vergleich von Angeboten am Beispiel FVW-Verfahren<br />

Bewertungsmatrix nach UfAB IV - Einfache Richtwertmethode<br />

Legende Eingabefeld<br />

Ergebnisfeld<br />

Beschränkte Ausschreibung<br />

(National)<br />

Verfahrensart<br />

Geschäftszeichen<br />

Bieter/Nr. 1 2 3 4<br />

Leistungspunkte 8.118 8.118 5.076 3.879<br />

Preis (netto) 2.928 € 3.077 € 10.819 € 10.527 €<br />

Kennzahl = L/P 2,77254 2,63828 0,46917 0,36848<br />

Kennzahl skaliert * 100 277 264 47 37<br />

Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots (L/P) 1 2 3 4<br />

* Wichtiger Hinweis: Die angezeigten skalierten Kennzahlen sind gerundete Werte, die Errechnung der Platzierung erfolgt jedoch aufgrund der Einbeziehung von Nachkommastellen.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

Anlage 16<br />

121


Erweiterte Richtwertmethode nach UfAB IV zum Vergleich von Angeboten am Beispiel FVW-Verfahren<br />

122<br />

Bewertungsmatrix nach UfAB IV - Erweiterte Richtwertmethode<br />

Legende Eingabefeld<br />

Ergebnisfeld<br />

Beschränkte Ausschreibung<br />

(National)<br />

Verfahrensart<br />

Geschäftszeichen<br />

Schwankungsbereich (SB) in % 10<br />

Entscheidungskriterium (EK) Preis<br />

277 bis 250<br />

Errechneter SB<br />

(ausgehend von Kennzahl des führenden Angebots)<br />

Bieter/Nr. 1 2 3 4<br />

Leistungspunkte 8.118 8.118 5.076 3.879<br />

Preis (netto) 2.928 € 3.077 € 10.819 € 10.527 €<br />

Kennzahl = L/P 2,77254 2,63828 0,46917 0,36848<br />

Kennzahl skaliert<br />

100 277 264 47 37<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

Anlage 17


Angebot außerhalb<br />

SB<br />

Angebot außerhalb<br />

SB<br />

Angebot innerhalb<br />

SB<br />

Angebot innerhalb<br />

SB<br />

Prüfung des Angebots nach Schwankungsbereich<br />

Leistung gültiger Angebote 8.118 8.118 --- ---<br />

Preis gültiger Angebote 2.928 € 3.077 € --- ---<br />

1 2 --- ---<br />

Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots nach<br />

Entscheidungskriterium *<br />

* Wichtiger Hinweis: Die Rundungsregeln des Excel-Programms können zu einer Beeinflussung der Ergebnisse führen, d. h. bei gleichem angezeigten Kennzahlenwert kann aufgrund<br />

der Abrundung das Angebot innerhalb des Schwankungsbereichs und die gleiche Kennzahl eines anderen Angebots aufgrund einer Aufrundung außerhalb des Schwankungsbereiches<br />

liegen, z. B. bei einem SB-Minimum von 250 kann ein Angebot innerhalb des SB (250,09) und ein anderes Angebot außerhalb des SB liegen (249,95). In einem solchen Fall basiert die<br />

Aussage „Prüfung des Angebots nach SB“ auf den exakten Zahlenwerten und ist der Anzeige „Kennzahl skaliert“ vorzuziehen.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

Anlage 17<br />

123


Unzuverlässigkeit des Bieters durch bewusstes Ausnutzen von<br />

Fehlern im Leistungsverzeichnis mittels spekulativer<br />

Preisgestaltungen<br />

124<br />

Verfasser: Johann Rohrmüller<br />

Inhaltsübersicht Seite<br />

1 Problemstellung 126<br />

2 Rechtsprechungsübersicht 127<br />

3 Literaturmeinungen 130<br />

3.1 Literaturmeinungen, die eine Unzuverlässigkeit des Bieters verneinen 130<br />

3.2 Literaturmeinungen, die eine Unzuverlässigkeit des Bieters bejahen 132<br />

4 Entwicklung eines Lösungsansatzes mit Diskussion der Meinungen 133<br />

4.1 Begriff der „spekulativen Preisgestaltung“ 134<br />

4.1.1 Der Begriff der Spekulation 134<br />

4.1.2 Spekulation auf die Zuschlagschance 134<br />

4.1.3 Spekulation auf Umstände bei der Vertragsabwicklung<br />

4.1.3.1 Spekulation auf Mengenveränderungen ohne Eingriff<br />

135<br />

des Bauherrn (Anwendungsbereich des § 2 Nr. 3 VOB/B)<br />

4.1.3.2 Spekulation auf erwartete Anordnungen des Auftrag-<br />

135<br />

gebers zu Änderungen oder zusätzlichen Leistungen 137<br />

4.2 Abgrenzung der Mengenspekulation von der Mischkalkulation 139<br />

4.2.1 Grundsätze 139<br />

4.2.2 Mögliche Fallgestaltungen von Spekulation und Mischkalkulation 140<br />

4.2.2.1 Nur Mengenspekulation 140<br />

4.2.2.2 Nur Mischkalkulation 140<br />

4.2.2.3 Mengenspekulation und Mischkalkulation 140<br />

4.3 Zivilrechtliche Ausgangssituation 142<br />

4.3.1 Kein geheimer Vorbehalt 142<br />

4.3.2 Keine Falschbezeichnung 142<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


4.4 Vergaberechtliche Situation 143<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

Seite<br />

4.4.1 Grundsatz<br />

4.4.2 Unzuverlässigkeit wegen Verschuldens bei Vertragsschluss und<br />

143<br />

wegen Rechtsmissbrauchs 144<br />

4.4.2.1 Hinweispflicht des Bieters 144<br />

4.4.2.2 Rechtsmissbrauch durch Bieter 145<br />

4.4.3 Vergaberecht stellt Auftraggeber gegenüber Rechtsverstoß bzw.<br />

Rechtsmissbrauch durch Bieter nicht rechtlos 149<br />

4.4.4 Zu den Argumenten der bislang vertretenen Meinungen 150<br />

5 Zum Beurteilungsspielraum des Auftraggebers bei der Prüfung der<br />

Zuverlässigkeit des Bieters 153<br />

6 Zusammenfassung 156<br />

125


1 Problemstellung<br />

Bei spekulativen Preisgestaltungen der Bieter müssen öffentliche Bauherren sowohl im Vergabeverfahren<br />

als auch bei der Vertragsabwicklung höchste Vorsicht walten lassen. In der Beratungspraxis<br />

für öffentliche Auftraggeber, welche die VOB/A zwingend zu beachten haben, sind<br />

in vielen Fällen große Unsicherheiten im Umgang mit spekulativen Preisgestaltungen der Bieter<br />

festzustellen. Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit der Fragestellung, wie mit einem<br />

Einheitspreisangebot bei der Eignungsprüfung auf der zweiten Wertungsstufe 1 umzugehen ist,<br />

das spekulative Auf- bzw. Abpreisungen der Einheitspreise enthält, weil das Leistungsverzeichnis<br />

(LV), wie sich zeigt, fehlerhafte Mengenvordersätze enthält, der Bieter diese Fehler offensichtlich<br />

erkannte und – anstatt den Auftraggeber hiervon in Kenntnis zu setzen – seine Preise<br />

an der sicheren Erwartung der Mengenänderungen ausrichtete.<br />

Der öffentliche Bauherr ist in der zugrunde liegenden Ausgangssituation in dem Dilemma, dass<br />

er sogar schon vor der Zuschlagserteilung weiß, dass sich infolge der spekulativen Preisgestaltung<br />

des Mindestnehmenden dessen voraussichtliche Abrechnungssumme wesentlich erhöhen<br />

2 wird und ihm Verhandlungen mit den Bietern zum Leistungsumfang und den Preisen<br />

verwehrt sind. Die Krux liegt darin, dass die Wertung über die Gesamtangebotssumme erfolgt,<br />

der einzelne Einheitspreis hierbei grundsätzlich egal ist. Bei der Bauabrechnung verhält es sich<br />

genau anders herum. Die Gesamtangebotssumme interessiert beim Einheitspreis-Vertrag<br />

überhaupt nicht mehr; sie ist nur noch Teil der Vertragsgeschichte, denn maßgeblich sind gemäß<br />

§ 2 Nr. 2 VOB/B die vertraglichen Einheitspreise und die tatsächlich ausgeführten Leistungen.<br />

Hätte der Bauherr den eigentlich vom Bieter zu erwartenden Hinweis auf den Fehler in der<br />

Leistungsbeschreibung noch vor der Submission bekommen, hätte er, gegebenenfalls nach<br />

Verlängerung der Zuschlagsfrist, den Bietern, welche die Vergabeunterlagen angefordert haben,<br />

noch rechtzeitig ein korrigiertes Leistungsverzeichnis zukommen lassen können (siehe<br />

§ 17 Nr. 7 Abs. 2 VOB/A). Bis zum Eröffnungstermin hat der Auftraggeber die Möglichkeit, etwaige<br />

Fehler im Leistungsverzeichnis zu korrigieren, das heißt, er kann Teile des Leistungsverzeichnisses<br />

zurückziehen oder Änderungen am Leistungsverzeichnis vornehmen, sofern<br />

diese die Grundlagen des Wettbewerbs und der Preisbildung nicht grundlegend verändern und<br />

den Entschluss der Unternehmen zur Beteiligung oder Nichtbeteiligung am Wettbewerb nicht<br />

berühren. 3<br />

Der öffentliche Auftraggeber darf aber nach der Angebotsöffnung die Wertung grundsätzlich<br />

nicht mit korrigierten Mengen durchführen, auch wenn dadurch der nicht spekulierende Zweitbieter<br />

oder ein folgender Bieter mit korrigierten Mengen an die erste Stelle gelangen würde, da<br />

die Vergabestelle damit Einwirkungsmöglichkeiten hätte, den Wettbewerb zu manipulieren.<br />

Der Weg über eine rechtmäßige und deshalb nicht zur Schadensersatzverpflichtung führende<br />

Aufhebung der Ausschreibung wegen des Fehlers im Leistungsverzeichnis erfordert einen<br />

schwerwiegenden Grund im Sinne von § 26 Nr. 1 VOB/A, der nur in Ausnahmefällen 4 vorliegt.<br />

1 siehe § 25 Nr. 2 VOB/A<br />

2 Es geht hierbei nur um eine Erhöhung der Abrechnungssumme gegenüber den Sowieso-Kosten, also um eine Erhöhung,<br />

die nicht auch bei vor der Submission berichtigten Mengenansätzen (Vordersätzen) angefallen wäre.<br />

3 VK Sachsen, Beschluss vom 21.04.<strong>2008</strong>, Az.: 1/SVK/021-08, IBR <strong>2008</strong>, 413<br />

4 siehe Ingenstau/Korbion/Portz, VOB-Kommentar, 16. Aufl., 2007, VOB/A § 26 Rdn. 31 ff.<br />

126<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Die Frage ist nun, ob der Auftraggeber den Mindestnehmenden als unzuverlässig nach § 25<br />

Nr. 2 VOB/A ausschließen darf, weil dieser den von ihm erkannten Fehler nicht aufgedeckt und<br />

ihn zu eigenen Gunsten auszunutzen versucht hat.<br />

Hat der Bauherr den Zuschlag bereits (aus anderen Gründen) nicht an den spekulierenden<br />

Mindestnehmenden erteilt und macht der Mindestnehmende vor Zuschlagserteilung an einen<br />

Dritten im Bereich über den Schwellenwerten ein Nachprüfungsverfahren anhängig oder macht<br />

der Mindestnehmende später vor einem Zivilgericht Schadensersatz geltend, stellt sich die<br />

Frage, ob der Mindestnehmende ein zum Zeitpunkt der Zuschlagserteilung zuschlagsfähiges<br />

Angebot abgegeben hatte. Denn hätte der Auftraggeber den Mindestnehmenden wegen des<br />

unterlassenen Hinweises und der spekulativen Preisgestaltung auch als unzuverlässig ausschließen<br />

dürfen, hat dieser keinen Anspruch auf Erteilung des Zuschlags gehabt und ein Vergabenachprüfungsverfahren<br />

bzw. ein Schadensersatzprozess hat keine Aussicht auf Erfolg. 5<br />

2 Rechtsprechungsübersicht<br />

Die Rechtsprechung hat zu dieser Fragestellung bislang im Wesentlichen nachfolgend kurz<br />

dargestellte Entscheidungen 6 getroffen:<br />

OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.07.1993 7<br />

Ein Bieter, der erkenne, dass einzelne Positionen mit weit überhöhten Massenansätzen ausgeschrieben<br />

sind und entgegen den Bewerbungsbedingungen auf die Unrichtigkeit der Leistungsbeschreibung<br />

nicht hinweise, sondern versuche, durch aus dem Rahmen fallende niedrige Einheitspreise<br />

in diesen Positionen eine günstige Stelle im Ausschreibungsverfahren zu erlangen,<br />

sei nicht ausreichend zuverlässig im Sinne des § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A. Das OLG führt in<br />

seinem Urteil weiter aus, dass die Klägerin (die Bieterin) pflichtwidrig eine von ihr erkannte<br />

Unrichtigkeit der Leistungsbeschreibung nicht offenbart und versucht habe, durch eine willkürliche<br />

Preisgestaltung in den mit überhöhten Massenansätzen ausgeschriebenen Positionen<br />

eine ungerechtfertigt günstige Stellung im Ausschreibungsverfahren zu erlangen. Die<br />

Klägerin habe den Fehler der Ausschreibung bewusst zu ihrem Vorteil auszuschlachten<br />

versucht.<br />

BGH, Urteil vom 14.10.1993 8<br />

Die Frage nach der Zuverlässigkeit bzw. Unzuverlässigkeit eines Anbieters dürfe nicht auf den<br />

rein betriebstechnischen Bereich verkürzt werden. Der BGH weiter: „Gerade weil es bei größeren<br />

Bauvorhaben in aller Regel zu Abweichungen von der ursprünglichen Planung kommt und<br />

5 Schadensersatzansprüche wegen Verletzung eines durch die Ausschreibung begründeten vorvertraglichen schutzwürdigen<br />

Vertrauensverhältnisses kommen nicht nur dann nicht in Betracht, wenn das Angebot des Schadensersatz<br />

begehrenden Bieters zwingend von der Wertung der Angebote auszuschließen war (siehe hierzu zuletzt BGH,<br />

Urteil vom 07.06.2005, Az.: X ZR 19/02, VergabeR 2005, 617, BauR 2005, 1618), sondern auch dann, wenn der<br />

Auftraggeber den Bieter in Ausübung seines ihm zustehenden Beurteilungsspielraums wegen Unzuverlässigkeit<br />

gemäß § 25 Nr. 2 VOB/A hätte ausschließen können.<br />

6 Hervorhebungen durch den Verfasser<br />

7 Az.: 22 U 55/93, BauR 1994, 240, NJW-RR 1994, 224<br />

8 Az.: VII ZR 96/92, BauR 1994, 98<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

127


deshalb Mehr- und Minderleistungen abzurechnen sind, darf auch der Abrechnungsbereich<br />

nicht aus dem vertraglichen ‚Grundvertrauen’ herausgenommen werden.“<br />

BayObLG, Beschluss vom 18.09.2003 9<br />

Das Unterangebot eines Bieters, welches in mehreren Einzelpositionen Einheitspreise von<br />

0,01 Euro bzw. 0,05 Euro enthalte, könne dann von der Wertung ausgeschlossen werden,<br />

wenn der Bieter die niedrigen Preise deshalb aufgenommen habe, weil nach seiner Auffassung<br />

die betreffenden Leistungspositionen nicht erforderlich und nicht auszuführen seien, er die<br />

Vergabestelle nicht über seine Zweifel an diesen ausgeschriebenen Leistungspositionen in<br />

Kenntnis gesetzt habe und deshalb das Risiko einer nicht vertragsgerechten und nicht<br />

ordnungsgemäßen Leistungserbringung bestehe. Erkenne ein Bieter, dass einzelne Positionen<br />

im Leistungsverzeichnis mit weit überhöhten Mengenansätzen ausgeschrieben seien und<br />

gebe er deshalb für diese Positionen weit aus dem Rahmen fallende niedrige Einheitspreise<br />

an, ohne den Auftraggeber entgegen den Bewerbungsbedingungen auf die Unrichtigkeit des<br />

Leistungsverzeichnisses hinzuweisen, sei er nicht ausreichend zuverlässig im Sinne von § 25<br />

Nr. 2 Abs. 1 VOB/A. Das Spekulationsangebot wecke Zweifel an der Zuverlässigkeit der Antragstellerin<br />

(Ast.) und berge für die Antragsgegnerin das konkrete Risiko, dass die Ast. die<br />

Leistung nicht entsprechend dem Leistungsverzeichnis vollständig und korrekt erbringen werde.<br />

Bedenken gegen die Vorgaben im Leistungsverzeichnis habe der einzelne Bieter im Ausschreibungsverfahren<br />

dem Auftraggeber mitzuteilen, damit dieser noch vor Zuschlag den Fehler<br />

beheben und zu einem ordnungsgemäßen Ende des Ausschreibungsverfahrens kommen<br />

könne. So weise bereits der erste Satz der Bewerbungsbedingungen darauf hin, dass der Bieter<br />

bei Unklarheiten des Leistungsverzeichnisses den Auftraggeber zu informieren habe. Dies<br />

müsse erst recht für eine vom Bieter als fehlerhaft oder zweifelhaft angesehene Position des<br />

Leistungsverzeichnisses gelten. Der Bieter dürfe den Vertrag nicht unter dem geheimen Vorbehalt<br />

schließen, eine bestimmte Leistung gar nicht erbringen zu wollen. Erbringe er sie tatsächlich<br />

nicht, begehe er eine Vertragsverletzung, da er nach dem objektiven Erklärungswert<br />

seines Angebots eine Leistung angeboten habe, welche dem Leistungsverzeichnis entspreche.<br />

Müsse er sie aus irgendwelchen Gründen doch erbringen, z. B. weil sich die Witterungsverhältnisse<br />

anders entwickeln oder der Untergrund doch schlechter ist als angenommen, sei der<br />

Auftrag für ihn unwirtschaftlich.<br />

Dies zeige auch der vorliegende Fall. Gerade weil die Ast. überhaupt nicht damit rechnete, die<br />

betreffenden Leistungen zu erbringen, habe sie folgerichtig die entstehenden Kosten auch in<br />

keinem anderen Titel untergebracht. Unter diesen Umständen bestehe für den öffentlichen<br />

Auftraggeber eine ganz konkrete Gefahr, dass die ausgeschriebene Leistung nicht so ausgeführt<br />

werde, wie er dies wünsche, und dass der Bieter alles daran setzen werde, um eine für<br />

ihn günstige und wirtschaftliche Abwicklung des Auftrags zu erreichen und die gewünschten<br />

Leistungspositionen eben nicht oder nicht in dem ausgeschriebenen Umfang zu erbringen.<br />

Diese Gefahr bestehe unabhängig davon, ob an der grundsätzlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit<br />

der Ast. Zweifel bestehen oder nicht.<br />

OLG Brandenburg, Beschluss vom 13.09.2005 10<br />

Lasse sich eine Spekulationsabsicht des Bieters ausmachen, so könne dieser auf der Stufe<br />

zwei der Wertung bei der Prüfung der Zuverlässigkeit des Bieters Relevanz zukommen. Auf die<br />

Unzuverlässigkeit des Bieters könne z. B. geschlossen werden, wenn dieser die Unrichtigkeit<br />

9<br />

Az.: Verg 12/03, NZBau 2004, 294, 295<br />

10<br />

Az.: Verg W 9/05, VergabeR 2005, 770, BauR 2006, 160, NZBau 2006, 126<br />

128<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


des vom Auftraggeber aufgestellten Leistungsverzeichnisses erkenne, welches in einer Position<br />

weit überhöhte Mengenansätze enthalte, auf diese Unrichtigkeit nicht hinweise, sondern<br />

statt dessen durch aus dem Rahmen fallende niedrige Einheitspreise eine günstige Stelle<br />

im Ausschreibungsverfahren zu erlangen suche. Spekulationspreise seien nicht per se geeignet,<br />

den Bieter wegen Unzuverlässigkeit auszuschließen. Nur wenn besondere Umstände<br />

hinzukämen, etwa der Bieter missbräuchlich Fehler im Leistungsverzeichnis des Auftraggebers<br />

ausnutze, um sich günstig zu positionieren und daher sehenden Auges dem Auftraggeber<br />

Schaden zufüge, komme ein Ausschluss wegen Unzuverlässigkeit in Betracht.<br />

OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss vom 18.07.2007 11<br />

Ein Bieter, der Unrichtigkeiten des Leistungsverzeichnisses erkenne und bei seiner Preisgestaltung<br />

nutze, sei unzuverlässig. Ein Bieter erweise sich schon dann als unzuverlässig im<br />

Sinne des § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A, wenn er eine in der Leistungsbeschreibung vorhandene<br />

Unrichtigkeit erkenne und diese durch eine willkürliche Preisgestaltung für sich auszunutzen<br />

versuche.<br />

Dem Beschluss lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Leistungsverzeichnis war die Andeckung<br />

von lediglich 350 qm Oberboden ausgeschrieben, der zuvor innerhalb der Baustelle gelagert<br />

werden sollte. Diese Mengenangabe stand im Widerspruch zu dem ebenfalls ausgeschriebenen<br />

Abtrag von 780 qm und dessen Anlagerung im Baustellenbereich. Diese offensichtlich<br />

unrichtige Mengenangabe nutzte der Unternehmer aus, indem er die Positionen für<br />

das Abtragen des Oberbodens mit spekulativ niedrigen Einheitspreisen (0,05 DM und 0,09 DM)<br />

anbot, dagegen aber für das Andecken von 350 qm Oberboden einen Einheitspreis von<br />

22,56 DM vorsah.<br />

Zum Vergleich stellt das OLG fest, dass die stimmige Preisgestaltung eines Mitbewerbers<br />

für den Oberbodenabtrag 7,57 DM bzw. 9,95 DM und für das Andecken 10,88 DM vorgesehen<br />

habe. Das OLG führt aus, dass der Senat unter diesen Umständen keine Zweifel daran habe,<br />

dass die Firma den Mengenfehler bei der Ausschreibung erkannt und ihre Gestaltung<br />

der angebotenen Einheitspreise allein daran orientiert habe. Sie habe sich dadurch einen<br />

Wettbewerbsvorteil verschafft, ohne tatsächlich günstiger zu sein. Ob allein die Vielzahl<br />

der in dem Angebot enthaltenen Spekulationspreise geeignet sei, die Zuverlässigkeit der Firma<br />

in Zweifel zu ziehen, könne bei dieser Sachlage offen bleiben.<br />

OLG Hamm, Urteil vom 29.04.<strong>2008</strong> 12<br />

Das OLG Hamm entschied in einem Haftungsfall, dass der Architekt im Rahmen der dem Bauherrn<br />

bei der Auftragsvergabe geschuldeten umfassenden Unterstützung diesem das Ergebnis<br />

der Angebotsbewertung mitzuteilen und ihn bei der Vergabe der Entscheidung zu beraten<br />

habe. Dies umfasse auch die Pflicht, dass sich der Architekt gegenüber dem Bauherrn gegen<br />

eine Vergabe an einen unzuverlässigen Bieter ausspricht bzw. gegen eine Vergabe an einen<br />

solchen Bieter, dessen Angebot wegen einer offenkundig auf einer Mischkalkulation beruhenden<br />

Preisgestaltung auszuschließen war (vgl. OLG Nürnberg, Baurecht <strong>2008</strong>, 387 ff.). Die Annahme<br />

der Unzuverlässigkeit eines Bieters beruhe in diesen Fällen darauf, dass der Bieter eine<br />

Unrichtigkeit des Leistungsverzeichnisses erkenne und eine solche durch eine willkürliche<br />

Preisgestaltung für sich auszunutzen suche.<br />

11 Az.: 1 U 970/07, IBR <strong>2008</strong>, 103, BauR <strong>2008</strong>, 387 ff.<br />

12 Az.: 24 U 99/06 (rechtskräftig), Volltext bei ibr-online<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

129


3 Literaturmeinungen<br />

3.1 Literaturmeinungen, die eine Unzuverlässigkeit des Bieters verneinen<br />

Nach Ansicht von Leinemann 13 sei es fraglich, ob (wie vom OLG Brandenburg 14 entschieden)<br />

auf Unzuverlässigkeit geschlossen werden könne, wenn ein Bieter die Unrichtigkeit des vom<br />

Auftraggeber aufgestellten Leistungsverzeichnisses erkenne, welches in einer Position weit<br />

überhöhte Mengenansätze enthalte, auf diese Unrichtigkeit nicht hinweise, sondern statt dessen<br />

durch aus dem Rahmen fallende niedrige Einheitspreise eine günstige Stelle im Ausschreibungsverfahren<br />

zu erlangen suche. Denn es sei gemäß § 9 Nrn. 1 bis 3 VOB/A originäre<br />

Aufgabe des jeweiligen öffentlichen Auftraggebers, ein inhalts- und mengengenaues Leistungsverzeichnis<br />

aufzustellen. Hiermit lasse es sich schwerlich vereinbaren, die bei der Mengenermittlung<br />

von einem Auftraggeber gemachten Fehler einem Bieter anlasten zu wollen, der sein<br />

Angebot auf diesbezüglich eigene Annahmen – freilich ohne eine Veränderung der Verdingungsunterlagen<br />

– im Rahmen der bloß internen Kalkulation stütze. Richtigerweise trage ein<br />

öffentlicher Auftraggeber das Risiko der von ihm vorgenommenen Mengenermittlung. Demgegenüber<br />

würden die Bieter das Risiko tragen, dass sich die von ihnen getroffenen kalkulatorischen<br />

Annahmen realisieren. Aus einer wettbewerblichen Angebotskalkulation auf eine fehlende<br />

Zuverlässigkeit schließen zu wollen, verkenne diese Risikoverteilung. Im Rahmen der<br />

Eignung ließe sich im Fall eines auffälligen Spekulationspreises möglicherweise lediglich konstatieren,<br />

dass der betreffende Bieter zur Bauausführung besonders geeignet sei. Würden sich<br />

seine der Kalkulation zugrunde gelegten Annahmen als richtig erweisen, dürfte seine Fachkunde<br />

außer Frage stehen. Hiermit decke es sich, dass auch Kalkulationsfehler einen Rückschluss<br />

auf eine fehlende Zuverlässigkeit nicht ohne weiteres zulassen würden.<br />

Nicht eindeutig äußern sich Kapellmann/Schiffers. Zum einen sei die Frage, ob bereits im Ausschreibungsstadium,<br />

also vor Vertragsschluss, eine Pflicht zu Hinweisen auf eine falsche Planung<br />

bestehen könne, als allgemeiner Grundsatz zu verneinen. 15 Denn § 4 Nr. 3 VOB/B begründe<br />

eine (Prüfungs- und) Hinweispflicht erst dann, wenn ein Vertrag geschlossen sei. 16 Die<br />

Autoren räumen jedoch ein, dass aus dem allgemeinen Gesichtspunkt der Pflicht zu korrektem<br />

Verhalten 17 im Angebotsstadium im Ausnahmefall eine solche Hinweispflicht folgen könne. 18<br />

Ausnahmsweise wollen sie eine Hinweispflicht dann bejahen, wenn die Mengendiskrepanzen<br />

sehr erheblich und offensichtlich seien, wenn also auf den ersten Blick ins Auge falle, dass die<br />

Vordersätze bestimmter A-Positionen (Anm.: Dies sind Positionen, die als Gesamtheit die wesentliche<br />

Angebotssumme bilden sollen. 19 ) nicht richtig sein können und wenn damit gleichzeitig<br />

ein Schluss auf schwere Rechen- oder Denkfehler des Ausschreibenden gezogen werden<br />

13 Leinemann, VergabeR <strong>2008</strong>, 346, 349<br />

14 Beschluss vom 13.09.2005, Az.: Verg W 9/05, NZBau 2006, 126<br />

15 Kapellmann/Schiffers, Vergütung, Nachträge und Behinderungsfolgen beim Bauvertrag, Bd. 1, Einheitspreisver-<br />

130<br />

trag, 5. Aufl., 2006, Rdn. 157<br />

16 Kapellmann/Schiffers, a. a. O., Rdn. 226<br />

17 Kapellmann/Schiffers, a. a. O., Rdn. 157, sprechen vom korrekten „Verhandeln“. Wie sich aus dem Inhalt der Ausführungen<br />

zu Rdn. 185 ergibt, dürfte aber der Begriff „Verhalten“ gemeint sein.<br />

18 Kapellmann/Schiffers, a. a. O., Rdn. 157 und 185<br />

19 Drees, Analyse der Kalkulation und Kapazitätsplanung, Bauwirtschaft 1990, 72 ff.<br />

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könnten. 20 An anderer Stelle führen Kapellmann/Schiffers bei der Diskussion über Prüfpflichten<br />

des Bieters (Anm.: Zur Klarstellung: Vorliegend geht es um Hinweispflichten, nicht um Prüfpflichten.<br />

Bestehen aber sogar Prüfpflichten, resultiert hieraus erst recht eine Hinweispflicht,<br />

wenn ein Fehler im LV bei der Prüfung entdeckt wurde.) jedoch sehr deutlich aus, dass die<br />

Auslegung des Angebotsblanketts nach dem „Empfängerhorizont“ keineswegs bedeute, dass<br />

der Bieter den Erklärungen des Auftraggebers einfach den für ihn günstigen Sinn – sei es auch<br />

ein objektiv zu verstehender Sinn – geben dürfe. 21 Der Auftragnehmer dürfe sich nicht dumm<br />

stellen und den Auftraggeber nicht „in ein offenes Messer laufen“ lassen. 22 Der objektive Empfängerhorizont<br />

sei kein „Horizont der Blinden“. 23 Der Bieter sei vielmehr nach Treu und Glauben<br />

verpflichtet, unter Berücksichtigung aller für ihn erkennbaren Umstände mit gehöriger Aufmerksamkeit<br />

zu prüfen, was der Auftraggeber gemeint habe. 24 Diese Prüfpflichten des Bieters<br />

(Auftragnehmers) würden aus den gegenseitigen Pflichten zur korrekten Verhaltensweise im<br />

Stadium von Vertragsverhandlungen folgen. 25 Dieser für das ganze Zivilrecht geltende Satz<br />

habe im Baurecht eine große praktische Bedeutung. 26 Für den Fall, dass der Bieter die Mängel<br />

der Leistungsbeschreibung erkannt hat, sich aber „vorsätzlich blind gestellt hat“, also zum „vorsätzlich<br />

vom Bieter unterlassenen Hinweis“ verweisen Kapellmann/Schiffers 27 auf die auch aus<br />

ihrer Sicht zutreffende Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25.02.1988 28 zum „frivolen<br />

Bieter“. 29<br />

Nach Ansicht von Thormann 30 sei maßgeblich, dass der Auftraggeber durch den Fehler im LV<br />

Veranlassung für die Spekulation gegeben habe. Der Bieter sei nicht verpflichtet, die einzelnen<br />

Einheitspreise jeweils kostendeckend zu kalkulieren. Rechtsvorschriften, die regeln würden,<br />

wie die Angebotspreise von den Firmen zu ermitteln seien, existierten nicht. Deshalb gäbe es<br />

auch keinen Maßstab, anhand dessen man prüfen könnte, ob ein Einheitspreis „ordnungsgemäß“<br />

kalkuliert sei. Die Behauptung des OLG Düsseldorf 31 , die Preisgestaltung des Bieters im<br />

genannten Fall sei „willkürlich“ gewesen, überzeuge nicht. Denn einen sachlichen Grund für die<br />

aus dem Rahmen fallenden niedrigen Einheitspreise gebe es durchaus. Dieser Grund sei die<br />

Fehlerhaftigkeit der Leistungsbeschreibung. Eine Pflicht des Bieters, sein Wissen um die Mängel<br />

des Leistungsverzeichnisses bei der Angebotsabgabe nicht zu verwerten, lasse sich, da es<br />

keine verbindlichen Kalkulationsregeln gebe, rechtlich nicht begründen. Der Bieter verhalte sich<br />

regelgerecht, wenn er versuche, die erkannten Fehler bei der Preisgestaltung auszunutzen.<br />

Dem Ansatz des OLG Düsseldorf könne nicht gefolgt werden. Spekulationsangebote, die darauf<br />

zurückgehen würden, dass der Bieter versuche, tatsächliche oder vermeintliche Mängel<br />

der Leistungsbeschreibung auszunutzen, dürften nicht gemäß § 25 Nr. 2 VOB/A wegen Unzuverlässigkeit<br />

ausgeschieden werden. Der Bieter dürfe jedoch dann wegen Unzuverlässigkeit<br />

ausgeschieden werden, wenn der Auftraggeber für die Spekulation keinen Anlass geboten habe.<br />

Bei einer „völlig willkürlichen Preisgestaltung“ sei der Betrieb auf der Baustelle vom Auftrag-<br />

20<br />

Kapellmann/Schiffers, a. a. O., Rdn. 226<br />

21<br />

Kapellmann/Schiffers, a. a. O., Rdn. 185<br />

22<br />

Kapellmann/Schiffers, a. a. O., Rdn. 185<br />

23<br />

Kapellmann/Schiffers, a. a. O., Rdn. 185, siehe auch Rdn. 251<br />

24<br />

Kapellmann/Schiffers, a. a. O., Rdn. 185<br />

25<br />

Kapellmann/Schiffers, a. a. O., Rdn. 185<br />

26<br />

Kapellmann/Schiffers, a. a. O., Rdn. 185<br />

27<br />

Kapellmann/Schiffers, a. a. O., Rdn. 251<br />

28<br />

Urteil vom 25.02.1988, Az.: VII ZR 310/86, BauR 1988, 338<br />

29<br />

Kapellmann/Schiffers, a. a. O., Rdn. 251<br />

30<br />

Thormann, BauR 2000, 953 ff.<br />

31<br />

OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.07.1993, Az.: 22 U 55/93, BauR 1994, 240, NJW-RR 1994, 224<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

131


geber kaum noch beherrschbar, da Änderungen bezüglich Art oder Menge der zu erbringenden<br />

Leistung ganz unerwartete Auswirkungen auf die Abrechnung der Maßnahme haben könnten.<br />

Deshalb könne es nur einen Grund dafür geben, dass ein Bieter von einer an den Kosten<br />

orientierten Preisgestaltung abgehe, und das ist seine Erwartung, in der Bauphase die auszuführenden<br />

Mengen in seinem Sinne beeinflussen zu können. Folglich seien die Spekulationsangebote<br />

der genannten Art von vornherein darauf angelegt, den Auftraggeber im Rahmen der<br />

Bauausführung zu übervorteilen; diese Angebote seien tatsächlich manipulativ.<br />

3.2 Literaturmeinungen, die eine Unzuverlässigkeit des Bieters bejahen<br />

Die Unzuverlässigkeit eines Bieters könne lt. Brinker/Ohler 32 dann angenommen werden, wenn<br />

er Schwächen eines Leistungsverzeichnisses erkenne und versuche, diese durch Manipulationen<br />

auszunutzen. Regelmäßig sei ein Bieter zur Gewährleistung eines fairen Bauwettbewerbs<br />

gehalten, die Vergabestelle auf grobe und offensichtliche Fehler im Leistungsverzeichnis hinzuweisen.<br />

Eine solche Aufklärungspflicht des Bieters bestehe jedenfalls, wenn dies in den Verdingungsunterlagen<br />

so festgelegt sei. Versuche ein Bieter, ein offensichtlich fehlerhaftes Leistungsverzeichnis<br />

durch Manipulationen für eigene Zwecke auszunutzen, indem er versuche,<br />

durch eine willkürliche Preisgestaltung in den mit überhöhten Massenansätzen ausgeschriebenen<br />

Positionen eine ungerechtfertigt günstige Stellung im Vergabeverfahren zu erlangen, sei er<br />

nicht hinreichend zuverlässig.<br />

Kratzenberg 33 meint, ein Bieter, der erkenne, dass einzelne Positionen mit weit überhöhten<br />

Mengenansätzen ausgeschrieben seien und entgegen den Bewerbungsbedingungen auf diese<br />

Unrichtigkeit der Leistungsbeschreibung nicht hinweise, sondern versuche, durch aus dem<br />

Rahmen fallende niedrige Einheitspreise in diesen Positionen eine günstige Stellung im Ausschreibungsverfahren<br />

zu erlangen, sei nicht hinreichend zuverlässig im Sinne von § 25 Nr. 2<br />

Abs. 1 VOB/A.<br />

Nach Ansicht von Dicks 34 seien „aufgepreiste“ Leistungspositionen, die mit der Urkalkulation<br />

nicht übereinstimmten, unzutreffend, daher unvollständig und führten zum Angebotsausschluss.<br />

35 Der zugrunde liegende Gesichtspunkt der Erlösmaximierung sei anstößig. Er laufe<br />

auf eine Übervorteilung des Auftraggebers hinaus, ohne dass im Vergabeverfahren oder in einem<br />

Nachprüfungsverfahren freilich über das Motiv aufgeklärt werden müsse. 36<br />

Reineke 37 meint, die Entscheidung des OLG Düsseldorf mache – im Ergebnis richtig – deutlich,<br />

dass das durch die Ausschreibung und Angebotsabgabe entstehende vertragsähnliche Vertrauensverhältnis<br />

keine Pflichteneinbahnstraße für den Ausschreibenden sei.<br />

Laut Stemmer 38 sei ein Bieter unzuverlässig, wenn er die Unrichtigkeit des vom Auftraggeber<br />

aufgestellten Leistungsverzeichnisses erkenne und dies durch aus dem Rahmen fallende niedrige<br />

oder überhöhte Einheitspreise auszunutzen suche. Auch bestehe bei unauskömmlichen<br />

Preisen die Gefahr, dass der Bieter im Rahmen der Ausführung jede Gelegenheit wahrnehmen<br />

32<br />

Brinker/Ohler, Beck’scher VOB-Kommentar, 1. Aufl., 2001, VOB/A § 25 Rdn. 46<br />

33<br />

Ingenstau/Korbion/Kratzenberg, VOB-Kommentar, 16. Aufl., 2007, VOB/A § 25 Rdn. 50<br />

34<br />

Dicks, ibr-online Langaufsatz, II., Rdn. 120<br />

35<br />

Gesichtspunkt der ersten Stufe der Wertung<br />

36<br />

Gesichtspunkt der zweiten Stufe der Wertung, hier: Zuverlässigkeitsprüfung<br />

37<br />

Reineke, IBR 1993, 458<br />

38<br />

Stemmer, ZfBR 2006, 130, 134<br />

132<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


werde, seiner Spekulation zum Erfolg zu verhelfen. Die nach objektiven und nicht nach subjektiven<br />

Kriterien zu entscheidende Frage, ob ein Bieter zuverlässig im Sinne des § 25 Nr. 2<br />

Abs. 1 VOB/A sei, hänge nicht von der Gestaltung der Leistungsbeschreibung durch den Bauherrn<br />

ab, sondern davon, was der Bieter aus dieser Leistungsbeschreibung mache. Nehme er<br />

in der Erwartung, dass sich die ausgeschriebenen Mengen ändern, Preisgestaltungen zu seinen<br />

Gunsten vor, so sei sein Bestreben schlicht, sich einen nicht durch seine Leistung begründeten<br />

Vorteil und dem Bauherrn einen entsprechenden Nachteil zu verschaffen. Wenn ein Bieter<br />

aus seiner Fachkunde heraus Fehler im Leistungsverzeichnis erkenne und die Preise bewusst<br />

so gestalte, dass er für künftige Mehrleistungen, zusätzliche oder geänderte Leistungen<br />

im Verhältnis zum nicht spekulierenden Mitbieter einen wirtschaftlich nicht gerechtfertigten Vorteil<br />

erhalten wolle, stelle er sich als unzuverlässig heraus. Dass der Bieter erkannte Ausschreibungsfehler<br />

zu Lasten des Bauherrn ausnutzen wolle, mache ihn als loyalen Vertragspartner<br />

ungeeignet. Zusätzlich bestehe die Gefahr, dass er jede Gelegenheit wahrnehmen werde, seiner<br />

Spekulation im Rahmen der Ausführung zum Erfolg zu verhelfen.<br />

Schulze-Hagen 39 hält der Ansicht von Thormann entgegen, dass es nicht darauf ankomme, ob<br />

die unzutreffenden Mengenangaben aufgrund einer schuldhaft fehlerhaften Ausschreibung ins<br />

Leistungsverzeichnis gelangt seien oder nicht. Die Frage, ob ein Bieter zuverlässig im Sinne<br />

des § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A sei, entscheide sich – unter Bezugnahme auf die Meinung von<br />

Stemmer – nach objektiven Kriterien und hänge nicht von der Gestaltung der Leistungsbeschreibung<br />

durch den Auftraggeber ab, sondern davon, was der Bieter aus der Leistungsbeschreibung<br />

mache. Entscheidend sei, dass der Bieter erkannte oder vermeintliche Ausschreibungsfehler<br />

zu Lasten des Auftraggebers ausnutzen wolle. Das mache ihn als loyalen Vertragspartner<br />

ungeeignet.<br />

4 Entwicklung eines Lösungsansatzes mit Diskussion der Meinungen<br />

Für eine Entwicklung eines Lösungsansatzes ist darzulegen, was mit dem Begriff der spekulativen<br />

Preisgestaltungen gemeint ist. Es ist zudem eine Abgrenzung der Mengenspekulation von<br />

der Mischkalkulation vorzunehmen, weil hier unterschiedliches Verhalten und andere Fragestellungen<br />

40 vorliegen. Zudem ist es in der bisherigen Diskussion im Anschluss an den Beschluss<br />

des BGH vom 14.05.2004 41 zu erheblichen Verwirrungen über die von der Rechtsprechung<br />

und der Literatur verwendeten Begriffe gekommen. Für den vergaberechtlichen Lösungsansatz<br />

ist der zeitliche Bereich der Vertragsanbahnung mit den zivilrechtlichen Grundzügen<br />

zu beleuchten.<br />

39 Rechtshandbuch des ganzheitlichen Bauens, Festschrift für Ganten, S. 309, 314<br />

40 Die Mischkalkulation betrifft die erste, die spekulative Preisgestaltung betrifft die zweite und vierte Wertungsstufe.<br />

Mengenspekulation und Mischkalkulation können auch zusammen auftreten. Siehe die Struktur in Abschnitt 4.2.2.<br />

41 Az.: X ZB 7/04, VergabeR 2004, 473<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

133


4.1 Begriff der „spekulativen Preisgestaltung“<br />

4.1.1 Der Begriff der Spekulation<br />

Dem Begriff der Spekulation ist eine Prognose immanent. Prognostiziert wird entweder, dass<br />

die Umstände so bleiben wie sie sind oder dass sie sich ändern, sei es durch eigene Beeinflussung<br />

oder durch Dritte. Erfolgreiche Spekulationen sind z. B. auf das frühzeitige Erkennen<br />

und Ausnutzen vermuteter Fehleinschätzungen des Marktes durch Marktbeteiligte über künftige<br />

Kursentwicklungen zurückzuführen, die sich wiederum durch ungleich verteiltes Wissen<br />

und Können zwischen Käufern und Verkäufern erklären lassen. Damit ist zunächst ein Bereich<br />

der Geschäftstüchtigkeit von Marktteilnehmern angesprochen, der grundsätzlich im Rahmen<br />

unserer wirtschaftspolitisch neutralen Ordnung 42 des Grundgesetzes 43 durch die Grundsätze<br />

der Vertragsfreiheit geschützt ist und im volkswirtschaftlichen Sinne eine Leistung darstellt, da<br />

ohne Marktungleichgewichte der Austausch im Güter- und Warenverkehr, jedenfalls nach unserer<br />

Wirtschaftsordnung, nicht funktionieren würde.<br />

Im Bereich des Bau- bzw. Vergaberechts wird der Bauunternehmer/Bieter Prognosen in mehrerer<br />

Hinsicht aufstellen.<br />

4.1.2 Spekulation auf die Zuschlagschance<br />

Der Unternehmer wird für seine im Unternehmen angebotenen betrieblichen Leistungen die am<br />

Markt erzielbare Vergütung prognostizieren. Er wird mit dem Gesamtangebotspreis für die ausgeschriebene<br />

Leistung darauf spekulieren, dass er eine Chance hat, den Auftrag zu bekommen.<br />

Die Spekulation auf die Zuschlagschance durch die Preisgestaltung des Gesamtangebotspreises<br />

liegt grundsätzlich im alleinigen Verantwortungs- und Einflussbereich des Unternehmers.<br />

Dies ist derjenige Bereich unternehmerischer Tätigkeit, der von Dritten, insbesondere<br />

von der staatlichen Ordnung, grundsätzlich nicht hinterfragt werden kann und darf. 44 Grenzen<br />

werden der unternehmerischen Tätigkeit in Ausnahmefällen aufgrund besonderer Umstände<br />

gezogen, etwa nach § 138 BGB 45 .<br />

Um auf Dauer am Markt bestehen zu können, wird der Unternehmer seinen Gesamtangebotspreis<br />

schon aus rein praktischen Gründen nicht losgelöst von kalkulatorischen Überlegungen,<br />

diese geleitet durch Gesichtspunkte der Kosten-/Leistungsrechnung, festlegen. Er wird für seine<br />

am Markt anzubietenden betrieblichen Leistungen den voraussichtlich anfallenden betrieblichen<br />

Aufwand (Kosten) mit den Mitteln der Kalkulation prognostizieren und hierbei auch das<br />

generelle Unternehmenswagnis sowie spezielle mit dem Auftrag verbundene unternehmeri-<br />

42 Zwar enthält das Grundgesetz keine Entscheidung für ein bestimmtes Wirtschaftssystem, sondern geht prinzipiell<br />

von einer wirtschaftspolitischen Neutralität aus, doch müssen sich wirtschaftslenkende Maßnahmen gleichwohl an<br />

den in den Art. 2, 3, 12, 14 und 15 GG enthaltenen Grundsätzen, den „Wirtschaftsgrundrechten“ und den Staatszielbestimmungen,<br />

insbesondere dem Rechts- und Sozialstaatsprinzip, ausrichten.<br />

43<br />

siehe BVerfGE 4, 7, 17 ff.; 12, 354, 363 ff.; 50, 290, 336 ff.; Badura, Grundprobleme des Wirtschaftsverfassungsrechts,<br />

JuS 1976, 205 ff.<br />

44 Eine Baupreisprüfung findet nicht mehr statt. Die BauPreisVO 1/72 wurde am 16.06.1999 aufgehoben. Zur alten<br />

Rechtslage siehe BVerwG, Urteil vom 21.02.1995, Az.: 1 C 36.92, BauR 1997, 111, DÖV 1996, 753, und Reineke,<br />

IBR 1995, 329. Die VO PR 30/53, die noch in Kraft ist, betrifft ausdrücklich nicht Baupreise! Zumindest missverständlich<br />

deshalb die Ausführungen von Berstermann/Petersen in ZfBR <strong>2008</strong>, 22 ff.<br />

45 siehe BGH, Urteil vom 25.01.2006, Az.: VIII ZR 398/03, NZBau 2006, 590, MDR 2006, 799; BGH, Urteil vom<br />

23.02.2005, Az.: VIII ZR 129/04, NJW 2005, 1490; BGH, Urteil vom 06.12.1989, Az.: VIII ZR 310/88, NJW 1990,<br />

567, 568; BGH, Urteil vom 09.10.1991, Az.: VIII ZR 19/91, NJW 1992, 310; BGH, Urteil vom 15.03.1990, Az.: III ZR<br />

248/88, NJW-RR 1990, 750; BGHZ 36, 395, 398; OLG Dresden, Urteil vom 05.01.1998, Az.: 17 U 1652/97; OLG<br />

Naumburg, Urteil vom 19.05.1998, Az.: 9 U 1189/97; Erman/Palm, BGB, 11. Aufl., § 138 Rdn. 143<br />

134<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


sche Wagnisse mitberücksichtigen. Ergeben die am Markt erzielbaren Preise anhand der konkreten<br />

Angebots- und Nachfragesituation (je nach Konjunkturlage) nach der Einschätzung des<br />

Unternehmers ein Preisniveau des Gesamtangebotspreises, das über den kalkulatorischen<br />

Kosten einschließlich des unternehmerischen Wagnisses liegt, kann der Unternehmer einen<br />

Gewinn einkalkulieren. Liegen die am Markt erzielbaren Preise nur im Bereich des anhand der<br />

Vollkostenrechnung ermittelten Kostenniveaus inkl. des unternehmerischen Wagniszuschlags<br />

46 , kann der Unternehmer keinen Gewinn einkalkulieren, wenn er seine Zuschlagschance<br />

nicht einbüßen will. Allerdings ist für den Unternehmer ein Verbleib auf dem Markt auf<br />

Dauer ohne Gewinnerzielung nur schwer vorstellbar, auch wenn der betriebliche Werteverzehr<br />

im Rahmen der Abschreibungen vollständig in der Kosten-/Leistungsrechnung berücksichtigt<br />

ist. Liegen die am Markt erzielbaren Preise sogar unter dem anhand der Vollkostenrechnung<br />

ermittelten Kostenniveau inkl. des unternehmerischen Wagnisses und bietet der Unternehmer<br />

auf diesem nicht kostendeckenden Preisniveau seine betrieblichen Leistungen an, so hat der<br />

Unternehmer eine Kostenunterdeckung einkalkuliert, die im Ergebnis aus der Sicht der Kalkulation<br />

einen betrieblichen Werteverzehr ohne unmittelbaren Ausgleich erwarten lässt. Eine solche<br />

Kalkulation nach Teilkosten kann nur für eine vorübergehende Zeitdauer betriebswirtschaftlich<br />

sinnvoll sein, und auch nur dann, wenn zumindest die variablen Kosten der Leistung<br />

vollständig gedeckt sind und gegebenenfalls noch Deckungsbeiträge 47 auf die nicht abbaubaren<br />

Fixkosten erwirtschaftet werden können. 48<br />

4.1.3 Spekulation auf Umstände bei der Vertragsabwicklung<br />

Es gibt zahlreiche Umstände, hinsichtlich derer ein Unternehmer bei der Erstellung des Angebots<br />

Prognosen anstellt, z. B. hinsichtlich der Gestehungskosten der Leistungen, wie Subunternehmer-<br />

oder Materialkosten. Dies ist der unternehmerischen Tätigkeit und dem damit verbundenen<br />

betrieblichen Risiko immanent. Für das hier zu behandelnde Thema werden insbesondere<br />

Spekulationen des Bieters auf Abrechnungsmengen in das Blickfeld genommen. Eine<br />

Spekulation auf Abrechnungsmengen kann sich beim Einheitspreisvertrag auf automatisch<br />

während der Bauausführung ergebende Mengenänderungen (§ 2 Nr. 3 VOB/B) beziehen oder<br />

auf Mengenauswirkungen aus zu erwartenden Anordnungen des Auftraggebers wegen zu ändernder<br />

oder wegen zusätzlich notwendiger Leistungen.<br />

4.1.3.1 Spekulation auf Mengenveränderungen ohne Eingriff des Bauherrn (Anwendungsbereich<br />

des § 2 Nr. 3 VOB/B)<br />

a) Spekulation auf eine erheblich niedrigere Menge einer Position oder auf den gänzlichen<br />

Entfall der Position<br />

Erkennt der Bieter, dass der Mengenvordersatz einer Position weit überhöht ist oder dass die<br />

ausgeschriebene Position nicht kommen wird und will er dies für sich ausnutzen, wird er bei<br />

46 Die Strukturgleichheit von Wagnis und Gewinn wird hier nicht verkannt. Jedoch kommt es auf den Betrachtungszeitpunkt<br />

an. Nur das nicht realisierte Wagnis wandelt sich zum Gewinn.<br />

47 Werden positive Deckungsbeiträge der nicht abbaubaren Fixkosten erwirtschaftet, steigert sich das Gesamtbetriebsergebnis<br />

gegenüber der Situation, dass der Auftrag nicht angenommen worden wäre, wenn ansonsten keine<br />

Kapazitätsauslastung und damit Fixkostendeckung erzielbar wäre.<br />

48 siehe Rohrmüller, BauR <strong>2008</strong>, 9, 14<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

135


dieser Position einen niedrigen Einheitspreis anbieten. Dies hat zur Folge, dass er zumindest<br />

seine Chance auf den Zuschlag potenziell verbessert. 49 Allerdings nimmt er für eine evtl. tatsächlich<br />

doch noch notwendig werdende Menge in Höhe des Differenzbetrags zwischen dem<br />

kalkulierten und dem spekulativ niedrig angesetzten Einheitspreis seines Angebots eine Unterdeckung<br />

der Einzelkosten der Teilleistung 50 hin (Spekulation ohne Preisverlagerung).<br />

Beispiel:<br />

Der Elektroplaner des Auftraggebers hat im Leistungsverzeichnis für den Neubau einer Stadthalle<br />

zehn verschiedene Kabeltypen an Kabeln NYM mit jeweils der Menge 2000 m beschrieben.<br />

Der Bieter X erkennt anhand der beigefügten Pläne, dass drei der ausgeschriebenen Kabeltypen<br />

in keinem Falle benötigt werden. Für diese insgesamt 6000 m nicht benötigte Kabel,<br />

die für ihn über den Großhandel unter Abzug aller Rabatte einen Einkaufswert von ca. 70.000 €<br />

haben würden, trägt er einen Einheitspreis von jeweils 0,12 €/lfdm ein, so dass in seinem Angebot<br />

für die Vordersatzmengen dieser drei Positionen insgesamt 720,00 € eingetragen sind.<br />

Der Zweitbieter verlangt für diese drei Positionen insgesamt 76.000,00 €. Der Preisabstand im<br />

Gesamtangebot von Mindestnehmendem X und Zweitbieter beträgt nur 1.000 €.<br />

Der spekulativ niedrige Preis des Bieters X verschafft ihm gegenüber dem Zweitbieter einen<br />

Puffer in der Wertung. Würden in diesem Beispielsfall die oben genannten drei Positionen nicht<br />

in die Wertung einfließen, wäre der bislang Zweitnehmende um 74.280 € günstiger als der<br />

bislang Erstbietende. Dass der Mindestnehmende X um nur 1.000 € billiger anbietet zeigt, dass<br />

sein Preisniveau in Wahrheit erheblich höher ist als dasjenige des Zweitbietenden. Der Mindestnehmende<br />

versucht also, durch diesen Trick spekulativer Preisgestaltung sein Angebot als<br />

besonders günstig erscheinen zu lassen, obwohl es das – bei Eliminierung des Ausschreibungsfehlers<br />

– nicht ist. Es ist sogar wesentlich teurer. 51<br />

b) Spekulation auf eine erheblich höhere Menge einer Position<br />

Will der Bieter für sich ausnutzen, dass der Mengenvordersatz einer Position weit untersetzt ist,<br />

wird er dem Bauherrn seine Erkenntnisse über den Fehler im Leistungsverzeichnis nicht unterbreiten<br />

und in der betreffenden Position einen wesentlich höheren Einheitspreis anbieten als er<br />

dies auf der Basis der Kalkulation der Position mit der Vordersatzmenge tun würde.<br />

Beispiel:<br />

Der Bieter erkennt bei der Ausschreibung des Gewerks Innenausbau für den Neubau eines<br />

Gymnasiums anhand der beigefügten Pläne, dass die Vordersatzmenge der ausgeschriebenen<br />

Türzargen für die Klassenzimmer falsch ist. Während aus den Plänen ersichtlich ist, dass für<br />

50 Klassenzimmer insgesamt 50 Türblätter und 50 Türzargen zu liefern und einzubauen sind,<br />

ist bei der Erstellung des Leistungsverzeichnisses anscheinend ein Übertragungsfehler geschehen<br />

und es sind im Leistungsverzeichnis bei der Position Türzargen nur fünf Stück vorgesehen.<br />

49 Wenn ein Bieter in dieser Situation meint, die Zuschlagschance seines Angebots nicht zu gefährden, wird er den in<br />

seinem Gesamtangebot entstehenden preislichen Puffer dadurch nutzen, dass er das Vertragspreisniveau der anderen<br />

Positionen oder die Einheitspreise nur einzelner Positionen anhebt (Fallgruppe der Spekulation auf die<br />

Menge bei einer Position, verbunden mit einer dadurch ermöglichten Preisverlagerung).<br />

50 Der Ausgleich der Gemeinkostenunterdeckung erfolgt über § 2 Nr. 3 Abs. 3 VOB/B.<br />

51 Nicht nur der Auftraggeber wird vom Bieter X getäuscht, auch der Wettbewerb wird gestört, da bei einer Wertung<br />

anhand der Vordersatzmenge der eigentlich günstigere Konkurrent den Auftrag nicht bekommt.<br />

136<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Dem Auftraggeber macht der Bieter keine Mitteilung, sondern trägt anstelle des von ihm kalkulierten<br />

Einheitspreises von 320,00 € pro Zarge in das Leistungsverzeichnis einen Einheitspreis<br />

von 1.320,00 € pro Zarge ein.<br />

Die vom Bieter beabsichtigte Auswirkung liegt auf der Hand. 52 Der Bieter will gegenüber dem<br />

Angebotsgesamtpreis für die ausgeschriebene Menge von nur fünf Stück und dem kalkulierten<br />

Preis für die Mehrmenge 45.000 € mehr erhalten. 53 Je nach Preisunterschied zu den Angeboten<br />

der Mitbewerber kann sich im Falle seiner Beauftragung ergeben, dass der in der Angebotssituation<br />

nur Zweitnehmende bei der Abrechnung um fast 45.000,00 € billiger gewesen<br />

wäre.<br />

4.1.3.2 Spekulation auf erwartete Anordnungen des Auftraggebers zu Änderungen oder zusätzlichen<br />

Leistungen<br />

Der Bieter kann auch darauf spekulieren, dass der Auftraggeber während der Baumaßnahme<br />

gezwungen sein wird, Anordnungen nach § 1 Nrn. 3 oder 4 Satz 1 VOB/B zu treffen. Er wird in<br />

diesem Fall versuchen, sogenannte Leitpositionen im Leistungsverzeichnis so zu bepreisen,<br />

dass hinsichtlich der zu erwartenden Änderung bzw. der zu erwartenden zusätzlichen Leistung<br />

ähnliche Positionen ein weit höheres Preisniveau ausweisen, als dies aus dem Vertragspreisniveau<br />

des gesamten Vertrages herleitbar wäre. Ein solches Vorgehen entspricht zwar nach<br />

materiellem Recht und der herrschenden Meinung nicht dem System der Preisfortschreibung<br />

nach § 2 VOB/B, da nach der herrschenden Meinung nach § 2 Nrn. 5 bzw. 6 VOB/B die<br />

Grundlagen des Positionspreises bzw. die Grundlagen der Preisermittlung für die vertragliche<br />

Leistung (d. h. für den gesamten Vertrag) heranzuziehen sind. Ähnliche Positionen (sog. Bezugsleistungen)<br />

dürfen nur im Wege einer Annäherung herangezogen werden, wenn sie das<br />

Vertragspreisgefüge repräsentieren. 54 Grundsätzlich bleibt das bisherige Preisgefüge bestehen,<br />

soweit es durch die Leistungsänderung nicht berührt wird. 55<br />

Sogenannte „Bezugsleistungen“ sind weder hinsichtlich der Höhe der Einheitspreise noch ihrer<br />

isolierten kalkulatorischen Herleitung der Einheitspreise per se geeignet, das für eine Preisfortschreibung<br />

maßgebliche Vertragspreisgefüge und insbesondere die zugrunde liegenden kalkulatorischen<br />

Herleitungen des Gesamtangebots insgesamt zu repräsentieren.<br />

Ein gegebenenfalls „fetter“ Einheitspreis einer sogenannten „Bezugsposition“ war bei isolierter<br />

Betrachtung nämlich nicht kausal für den Vertragsabschluss und das im Vertrag fixierte Äquivalenzverhältnis,<br />

denn er führte nur im kalkulatorischen Querverbund mit dem nivellierenden<br />

Ausgleich der Kostenunterdeckung bei einer anderen Position zum Vertragsschluss. 56<br />

52<br />

Will der Bieter seine Zuschlagschance nicht gefährden, muss er den Mehrpreis von 1.000 € je Einheit der Vordersatzmenge<br />

in seinem Angebot in einer anderen Position verstecken.<br />

53 Wenn unterstellt wird, dass der Einheitspreis zivilrechtlich nicht angepasst werden kann. Zu einer beginnenden<br />

Diskussion hierüber siehe Luz, BauR 2005, 1391 ff.; Stemmer, VergabeR 2004, 549, 557 ff. und ZfBR 2006, 130,<br />

135 ff.; Rohrmüller IBR <strong>2008</strong>, 491, 492 und IBR 2009, 2<br />

54 Zu einer Kritik am Prinzip der „deterministischen“ Fortschreibung des Preises, wenn sowohl eine Position mit einem<br />

relativ niedrigen Preis als auch eine mit einem relativ hohen Preis in der Angebotskalkulation als Bezugsleistung<br />

zur Diskussion stehen und die Positionen als Bezugsleistungen gleich gut geeignet sind, siehe Kapellmann/<br />

Schiffers, a. a. O., Rdn. 1003, dann versagt die deterministische Fortschreibung.<br />

55 Ingenstau/Korbion/Keldungs, 16. Aufl., 2007, VOB/B § 2 Nr. 5 Rdn. 33<br />

56<br />

siehe Rohrmüller, Preisfortschreibung nach § 2 Nrn. 5 und 6 VOB/B mittels Bezugsleistungen?, Langaufsatz bei<br />

ibr-online<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

137


Manche Instanzgerichte sind mit dieser Rechtslage aber nicht ausreichend vertraut, so dass<br />

Auftragnehmer und ihre Berater oft darauf setzen, durch einzelne sehr hohe Einheitspreise in<br />

änderungsverdächtigen Positionen oder denjenigen Positionen, die zusätzlich notwendigen<br />

Leistungen ähnlich sein werden, zusätzliche Gewinne zu realisieren.<br />

Beispiel:<br />

Ausgeschrieben sind die Beschichtungsarbeiten für ein Parkhaus. Beim Grundierungsaufbau<br />

für den Bereich der 5.000 qm umfassenden Parkflächen entdeckt der Bieter im Leistungsverzeichnis<br />

einen Fehler: Es fehlt die erste Lage mit dem Material X, wie der Bieter unschwer aus<br />

dem Systemaufbau des Herstellers und aus der Beschreibung für die anderen Lose erkennen<br />

kann. Er weiß, dass diese Leistung, die im Vertrag noch nicht beschrieben ist, jedoch über das<br />

einseitige Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers nach § 1 Nr. 4 Satz 1 VOB/B bei der<br />

Ausführung nachträglich gefordert werden muss. Für den Fall der Beauftragung vermerkt er<br />

bereits jetzt intern, dass er unmittelbar nach Auftragsvergabe Bedenken gemäß § 4 Nr. 3<br />

VOB/B anzeigen wird. Den Ausschreibungsfehler selbst teilt er dem Bauherrn nicht mit. Für<br />

den Bereich der Einfahrt ist in einem sehr kleinen Umfang, nämlich für nur 5 qm, der korrekte<br />

Systemaufbau im LV vorgesehen und die spezielle Grundierung mit dem Material X sogar mit<br />

einer eigenen, mit einem Einheitspreis anzubietenden Position ausgeschrieben. Anhand des<br />

ansonsten angebotenen Preisniveaus (auf der Basis der kalkulierten Zuschlagssätze) ergäbe<br />

sich für die sehr kleine Fläche von nur 5 qm ein Einheitspreis von 37,50 €/qm. (Bei einer<br />

großen Fläche, z. B. 5.000 qm ergäbe sich auf dieser Kalkulationsbasis des Bieters wegen der<br />

größeren Gebindeeinheiten und des einfacheren Arbeitsaufwands ein Einheitspreis von nur<br />

28,60 €/qm, wie auch ein Gutachter gegebenenfalls bestätigen würde.) Der Bieter nutzt den<br />

Fehler im LV aber aus, indem er bei der Position für die Grundierung der Einfahrt einen Einheitspreis<br />

von 390,00 €/qm einträgt.<br />

Der zu erwartende Nachtrag sieht aus der Sicht des Bieters so aus, dass er später als Auftragnehmer<br />

für die bisher nicht erfasste Grundierung der Parkflächen mit dem Material X anstatt<br />

eines aus der Urkalkulation herzuleitenden Betrags von 143.000,00 € (5.000 qm x 28,60 €/qm)<br />

den Betrag von 1,55 Millionen € fordern wird [5.000 qm x (390,00 €/qm ./. Minderkosten für die<br />

erhebliche Mehrmenge von z. B. 80 €/qm)]. Der Auftragnehmer wird später argumentieren, die<br />

Position für die Einfahrt sei als „Bezugsposition“ technisch absolut mit den zusätzlich anfallenden<br />

Leistungen im Bereich der Parkflächen vergleichbar und vertragsrechtlich nach § 2 Nr. 6<br />

VOB/B zwingend heranzuziehen. Wegen der erheblich größeren Menge sei zugestanden, dass<br />

der als Bezugsposition heranzuziehende Einheitspreis um Minderkosten in Höhe von 80 €/qm<br />

57 58 59<br />

reduziert werde.<br />

57 Ob bei solchen spekulativen Preisgestaltungen der viel zitierte Seminarspruch „Guter Preis bleibt guter Preis,<br />

schlechter Preis bleibt schlechter Preis“ für den Fall der Preisfortschreibungen nach § 2 Nrn. 5 bzw. 6 VOB/B angesichts<br />

der sich in den letzten Jahren häufenden spekulativen Preisgestaltungen, die bei manchen Bauverträgen<br />

eher einer Wette auf die Abrechnungsmenge als der Bestimmung der werkvertraglichen Vergütung im Rahmen<br />

eines Leistungsvertrags ähnelt, auch weiterhin unreflektiert herangezogen werden kann, erscheint mehr als fraglich,<br />

siehe Rohrmüller, IBR 2009, 2 entgegen Drittler, IBR 2009, 1.<br />

58 siehe Kniffka, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand 03.06.<strong>2008</strong>, § 631 Rdn. 434: „Das Dogma des guten<br />

Preises und des schlechten Preises, die solche bleiben, wird zunehmend in Frage gestellt.“<br />

59 siehe auch aktuell BGH, Urteil vom 18.12.<strong>2008</strong>, Az.: VII ZR 201/06, Volltext bei ibr-online und IBR 2009, 127, mit<br />

Besprechung durch Rohrmüller. Der BGH sah berechtigten Anlass zu der Prüfung, ob die Preisvereinbarung gegen<br />

die guten Sitten verstößt. Eine Vereinbarung, die den üblichen Preis um das 800-Fache übersteigt, verstoße gegen<br />

das Anstandsgefühl, wenn der Preisbildung ein sittlich vorwerfbares Gewinnstreben zugrunde liege.<br />

138<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


4.2 Abgrenzung der Mengenspekulation von der Mischkalkulation<br />

4.2.1 Grundsätze<br />

Mit dem Begriff der Mengenspekulation ist etwas völlig anderes gemeint als mit dem Begriff der<br />

Mischkalkulation. Die unterschiedlichen Phänomene werden jedoch in der im Anschluss an den<br />

Beschluss des BGH zur Mischkalkulation vom 18.05.2004 60 geführten Diskussion vermengt. 61<br />

a) Ein Spekulationspreis ist im vorliegenden Zusammenhang ein Preis, der nicht anhand der<br />

Vordersatzmenge, sondern schon in der Erwartung einer Mengenveränderung kalkuliert<br />

wird, der also das Kalkül der Mengenveränderung (deshalb auch der Begriff Mengenspekulation)<br />

in sich trägt und je nach Richtung der prognostizierten Mengenveränderung signifikant<br />

höher oder niedriger ist als ein Preis, der mit der Vordersatzmenge innerhalb der<br />

positionsbezogenen Bandbreite von +/- 10 v. H. für Mengenveränderungen kalkuliert<br />

wird. 62 Der Einheitspreis ist mit Vertragsschluss fix, veränderlich ist die Menge, zu der eine<br />

Einschätzung getroffen wird. Nach dem System der Abrechnung nach ausgeführter<br />

Menge (§ 2 Nr. 2 VOB/B) verändert sich aber der Gesamtabrechnungspreis einer Position<br />

entsprechend der Mengenveränderung. Deshalb wird sprachlich verkürzt von einem spekulativen<br />

Preis und spekulativer Preisgestaltung gesprochen.<br />

b) Die Mischkalkulation ist meistens Mittel zum Zweck (siehe nachfolgend 4.2.2.3) und soll<br />

spekulative Preisgestaltungen verdecken. Soweit der BGH in dem Zusammenhang von einem<br />

Verdecken des „tatsächlich geforderten Preises“ sprach, ist dies zumindest missverständlich<br />

formuliert. Selbstverständlich „fordert“ der Bieter den im LV bei der jeweiligen<br />

Position genannten Einheitspreis auch tatsächlich. Dieser ist der zuletzt und abschließend<br />

(vordergründig) für die Leistung geforderte Betrag. Schließlich hat der Bieter mit Rechtsbindungswillen<br />

ein definitives Angebot abgegeben. Den „tatsächlich geforderten Preis“ im<br />

Sinne der Vergaberechtsprechung für eine Position hat der Bieter aber zuvor aufgeteilt<br />

und benennt in der Position, in der er die Preisangabe für die dort beschriebene Leistung<br />

machen soll, nur einen Teil dieses „tatsächlichen geforderten Preises“. 63 Der andere Teil<br />

des „tatsächlich geforderten Preises“ wird in eine nicht für diese Leistung vorgesehene<br />

Position hineingerechnet und somit im Sinne der Vergaberechtsprechung „versteckt“. Daran<br />

ändert die Tatsache nichts, dass der Bieter erklärt, der in der Position ausgewiesene<br />

(Teil-)Betrag sei der geforderte Betrag. Das weiß der Auftraggeber längst; er kann ja lesen,<br />

welchen Preis der Bieter bei der Position angegeben hat. Was der Auftraggeber nicht<br />

weiß, ist die Verlagerung.<br />

60 Az.: X ZB 7/04, VergabeR 2004, 473<br />

61<br />

Spekulative Preisgestaltungen waren nicht Gegenstand der BGH-Entscheidung, worauf bereits Stemmer in<br />

VergabeR 2004, 549, 554 ff. hinwies.<br />

62 Für eine Preisfortschreibung ist nur eine solche Urkalkulation maßgeblich, mit der die vertragliche Leistung auf der<br />

Basis der Vordersatzmengen im Rahmen der Toleranz des § 2 Nr. 3 VOB/B (+/- 10 v. H.) kalkuliert ist. Enthält eine<br />

vom späteren Auftragnehmer vorgelegte Kalkulation bereits das Kalkül von Änderungen der Menge außerhalb der<br />

Toleranz von +/- 10 v. H. bzw. von Änderungen der Leistungen, ist sie für eine Preisfortschreibung nach § 2<br />

Nr. 3 ff. VOB/B nicht geeignet.<br />

Siehe hierzu Rohrmüller, Zur Bedeutung der Vordersatzmenge bei Preisfortschreibungen auf der Basis der Urkalkulation<br />

und zum Problem spekulativ hoher Einheitspreise, Langaufsatz bei ibr-online und Rohrmüller, Kurzaufsatz:<br />

Bedeutung der Vordersatzmenge für Preisfortschreibung anhand der Urkalkulation, IBR <strong>2008</strong>, 703.<br />

63 Weil der Bieter in der einen Position z. B. nur noch 0,01 € verlangt, hat er den tatsächlich geforderten Preis zuvor<br />

aufgeteilt (0,01 € + x € = tatsächlich geforderter Preis in €) und einen Teil dann in die andere, durch Mischkalkulation<br />

verknüpfte Position verlagert.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

139


4.2.2 Mögliche Fallgestaltungen von Spekulation und Mischkalkulation<br />

Drei Situationen sind möglich und sollen nachfolgend veranschaulicht werden.<br />

4.2.2.1 Nur Mengenspekulation<br />

Erwartet der Bieter erhebliche Mengenveränderungen, wird er seine Preisgestaltung, wie oben<br />

beschrieben, danach ausrichten. Sieht der Bieter bei zu erwartenden Mengenmehrungen durch<br />

die Erhöhung des Gesamtangebotspreises wegen des auch für die Vordersatzmenge höheren<br />

Preises seine Zuschlagschancen nicht gefährdet, belässt er es bei der Preisspekulation in der<br />

Position. Einer Verlagerung von Preiselementen auf andere Positionen bedarf es aus seiner<br />

Sicht nicht. Jeder von ihm ausgewiesene Einheitspreis wird dann von ihm tatsächlich im Sinne<br />

der BGH-Rechtsprechung gefordert.<br />

Der Bieter kann spekulative Einheitspreise bei Fehlern in mehreren Positionen im LV mehrfach<br />

einsetzen und dies unabhängig voneinander in der sicheren Erwartung entsprechender Mengenveränderungen.<br />

4.2.2.2 Nur Mischkalkulation<br />

Mischkalkulationen als Kalkulationsart können vorkommen, ohne dass der Bieter spekulativ auf<br />

eine Veränderung der Ausschreibungsmengen setzt. Typischerweise werden Mischkalkulationen<br />

nämlich seit jeher zur Kalkulationsvereinfachung gewählt. Aus der kalkulatorischen Sicht<br />

des Bieters spricht grundsätzlich nichts dagegen, wenn z. B. bei einfachen Kanalbauten neben<br />

dem Preis für die Baustelleneinrichtung lediglich ein Einheitspreis für die Einheit lfdm Rohrverlegung<br />

kalkuliert und angeboten wird. Der private Bauherr, der kleinere Aufträge auf der Basis<br />

der von Handwerkern eingereichten Angebote vergibt, kennt diese Art der Mischkalkulation.<br />

Ungewöhnlich ist dies nicht, auch nicht unredlich.<br />

Für den öffentlichen Bauauftrag gilt jedoch: Der Bieter muss sich in jedem Falle an die im<br />

Leistungsverzeichnis vorgesehene Aufgliederung in einzelne Positionen halten (siehe § 9<br />

Nr. 14 VOB/A), will er nicht das Risiko des zwingenden Ausschlusses seines Angebots nach<br />

§ 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b i. V. mit § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A wegen einer Mischkalkulation in<br />

Kauf nehmen. Im Übrigen ist zu beachten: Die Aufgliederung in Positionen, für die ein eigener<br />

Einheitspreis anzugeben ist, gibt Sinn. Mischkalkulationen stören die Preisfortschreibung nach<br />

§ 2 Nrn. 3 ff. VOB/B. Zudem stören sie z. B. die Ermittlung der zu mindernden Vergütung<br />

gemäß § 634 Nr. 3 i. V. mit § 638 BGB. 64<br />

4.2.2.3 Mengenspekulation und Mischkalkulation<br />

Bei der Mengenspekulation mit Mischkalkulation wählt der Bieter ein dreistufiges Vorgehen:<br />

1. Schritt:<br />

Der Bieter kalkuliert zunächst auf der Basis der Mengenvordersätze des Leistungsverzeichnisses<br />

die Einheitspreise für alle Positionen („tatsächlich geforderte Preise“).<br />

64 siehe Rohrmüller, IBR <strong>2008</strong>, 492<br />

140<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


a) Ausgangsbasis sind zunächst allgemeingültige Kalkulationsansätze und vor allem betriebliche<br />

Kostenkennwerte sowie betriebliche Erfahrungswerte aus früheren Bauabwicklungen.<br />

b) Der Bieter nivelliert das sich in der Summe der Einheitspreise ergebende Preisniveau<br />

und passt sein Gesamtpreisgefüge an die reelle Zuschlagschance an (siehe oben Abschnitt<br />

4.1.2).<br />

2. Schritt:<br />

In einem zweiten Schritt modifiziert der Bieter seine Preisgestaltung dadurch, dass er das<br />

Mengenveränderungsrisiko bewertet. Erkennt er einen Mengenfehler im Leistungsverzeichnis,<br />

wird er, wie oben dargestellt, auf die sichere Veränderung der Menge spekulieren, d. h. seine<br />

diesbezüglichen Einheitspreise an die Mengenveränderungen anpassen.<br />

3. Schritt:<br />

Durch den vorstehenden zweiten Schritt hat der Bieter, da er keine Preisverhandlungsmöglichkeit<br />

hat, seine Zuschlagschance verändert. Bleibt ihm durch eine Preisreduzierung bei der<br />

Spekulation auf eine Mindermenge ein preislicher Puffer zu dem von ihm prognostizierten Gesamtangebotspreis,<br />

kann er den Preis einzelner Positionen, die auf jeden Fall kommen werden<br />

(z. B. die Baustelleneinrichtung), signifikant erhöhen; er kann das Vertragspreisniveau über das<br />

gesamte Angebot hinweg oder den Preis ausgewählter Positionen, bei denen er eine Mengenmehrung<br />

erwartet, erhöhen.<br />

Den Preis einer Position zu erhöhen, deren Menge sich nicht erhöht (z. B. der Baustelleneinrichtung),<br />

bringt dem Bieter lediglich einen Liquiditätsvorteil, wenn diese Position schnell ausgeführt<br />

und dafür eine Abschlagsrechnung gestellt wird. Am effektivsten ist es für den Bieter,<br />

den erhöhten Preis bei Positionen anzusetzen, deren Menge größer wird.<br />

Bei der Spekulation auf eine sicher zu erwartende Mehrmenge wird der Bieter den diesbezüglichen<br />

Einheitspreis signifikant erhöhen. Ist die Vordersatzmenge im Leistungsverzeichnis sehr<br />

gering, verschlechtert er seine Zuschlagschance gegebenenfalls nur unmerklich, so dass der<br />

Bieter den auf den ursprünglich kalkulierten Einheitspreis aufgeschlagenen Preisanteil nicht<br />

noch in irgendeiner Stelle des Leistungsverzeichnisses verlagern muss, um seine Zuschlagschance<br />

zu wahren.<br />

Ist der aufgeschlagene Preisanteil des Einheitspreises multipliziert mit der Vordersatzmenge<br />

jedoch so groß, dass der Bieter seine Zuschlagschance gefährdet sieht, ist er gezwungen, andere<br />

Positionen im Leistungsverzeichnis um diesen Anteil zu reduzieren. Diese Verlagerung<br />

deckt er nicht auf, er versteckt sie. Der Bieter hält damit den in die Wertung eingehenden Gesamtpreis<br />

gleich hoch. Unter dem Strich mindert er durch Preisreduzierungen bei einzelnen<br />

Positionen zwar das zu erwartende Gesamtabrechnungsergebnis etwas, gleicht dies aber<br />

durch die sicher zu erwartende überproportionale Mengenmehrung bei denjenigen Positionen<br />

aus, bei denen er den Preis signifikant erhöht hat. 65<br />

65 Die optimale „Kunst“ der Mischkalkulation besteht darin, Mengen, die weniger werden, niedrig zu bepreisen und<br />

Mengen, die mehr werden, hoch zu bepreisen.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

141


4.3 Zivilrechtliche Ausgangssituation<br />

Enthält das Leistungsverzeichnis Fehler, stellt sich unter zivilrechtlichen Gesichtspunkten die<br />

Frage, wie diese Fehler die rechtsgeschäftliche Ausgangssituation im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses<br />

beeinflussen.<br />

4.3.1 Kein geheimer Vorbehalt<br />

Will der Bieter einen von ihm erkannten Fehler im Leistungsverzeichnis für spekulative Preisgestaltungen<br />

ausnutzen, wird er die Tatsache, dass das Leistungsverzeichnis einen Fehler hat,<br />

dem öffentlichen Auftraggeber gegenüber nicht aufdecken und das Leistungsverzeichnis unverändert<br />

lassen. 66 Er wird jedoch seine Preisgestaltung in der sicheren Erwartung vornehmen,<br />

dass sich z. B. die Abrechnungsmengen gegenüber den Vordersatzmengen erheblich ändern.<br />

Der Bieter verspricht bei unveränderten Angebotsunterlagen die Leistung so, wie im LV beschrieben,<br />

auszuführen und benennt seinen Preis hierfür. Die Spekulation fußt auf der Erwartung,<br />

dass über § 2 Nr. 2 VOB/B nach den tatsächlich ausgeführten Mengen und im wesentlichen<br />

unveränderten Einheitspreisen (siehe aber § 2 Nr. 3 VOB/B wegen der Gemeinkostendeckung)<br />

abgerechnet wird. Deshalb liegt – entgegen der Ansicht des BayObLG 67 – nicht etwa<br />

ein geheimer Vorbehalt vor. 68 Der Bieter will den Vertrag mit dem Inhalt, wie im LV beschrieben,<br />

und gerade auch mit den darin enthaltenen Fehlern zustande bringen, da er sich dadurch<br />

Vorteile verspricht.<br />

4.3.2 Keine Falschbezeichnung<br />

Beim öffentlichen Auftrag wendet sich der Auftraggeber mit einem vom Bieter mit Preisen auszufüllenden<br />

Leistungsverzeichnis (zum Leistungsverzeichnis siehe § 9 Nr. 14 VOB/A) an den<br />

Bieterkreis. Die Bieter kalkulieren anhand dieser vom Bauherrn gemachten Angaben ihr Angebot.<br />

Sie reichen dieses Angebot als rechtsverbindlich 69 spätestens zum Ende der Angebotsfrist<br />

ein (siehe § 18 Nr. 2 VOB/A). Nach Prüfung und Wertung der Angebote erfolgt auf dasjenige<br />

Angebot, das als wirtschaftlichstes erscheint (§ 25 Nr. 3 Abs. 3 Satz 2 VOB/A), der Zuschlag<br />

(§ 28 VOB/A). Dadurch, dass der öffentliche Auftraggeber den Bietern die Angebotsunterlagen<br />

(Verdingungsunterlagen) zur Verfügung stellt, fordert er sie im Sinne des Zivilrechts zur Angebotsabgabe<br />

auf (sog. invitatio ad offerendum). Erst der Bieter gibt mit seinem Angebot eine<br />

Willenserklärung im Sinne der Vorschriften des BGB, §§ 116 ff., ab. Sodann erfolgen Prüfung<br />

und Wertung der Angebote beim öffentlichen Auftraggeber. Die interne Zuschlagsentscheidung<br />

als solche bringt den Vertrag noch nicht zustande, sondern erst der Zugang der Annahmeerklärung<br />

beim Bieter gemäß § 130 BGB. Die Annahmeerklärung eines öffentlichen Auftraggebers<br />

ist ebenso wie das rechtsverbindliche Angebot des Bieters eine Willenserklärung, die dem Zivilrecht<br />

unterliegt.<br />

66 Der vom Bieter erkannte Fehler im Leistungsverzeichnis darf von ihm vergaberechtlich ohnehin nicht abgeändert,<br />

der Fehler nicht korrigiert werden, da Änderungen an den Verdingungsunterlagen zum Ausschluss nach § 25 Nr. 1<br />

Abs. 1 lit. b i. V. mit § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A führen. Nur wenn vom öffentlichen Auftraggeber noch vor dem<br />

Submissionstermin Berichtigungen an dem Leer-LV erfolgen und den Bewerbern zur Verfügung gestellt werden,<br />

dürfen und müssen die neuen Unterlagen für das Angebot verwendet werden, siehe VK Baden-Württemberg,<br />

Beschluss vom 30.04.<strong>2008</strong>, Az.: 1 VK 12/08, IBR <strong>2008</strong>, 537.<br />

67 NZBau 2004, 294, 295<br />

68 Selbst wenn ein geheimer Vorbehalt vorläge, wäre dieser nach § 116 BGB unbeachtlich.<br />

69 siehe aber auch indikatives Angebot, Rohrmüller, IBR <strong>2008</strong>, 594<br />

142<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


In dem Sonderfall eines vom Bieter erkannten Schreib- bzw. Übertragungsfehlers des Auftraggebers<br />

bei der Erstellung des Leistungsverzeichnisses ist fraglich, welchen Einfluss der Fehler<br />

im Leistungsverzeichnis (z. B. falsch übertragene Massen) auf die Annahmeerklärung des öffentlichen<br />

Auftraggebers hat, da bei einem Vertragsschluss Willensübereinstimmung mit dem<br />

Inhalt des beabsichtigen Vertrages vorhanden sein muss. Die Willenserklärung (Annahme des<br />

Angebots des Bieters) des öffentlichen Auftraggebers ist nach den allgemeinen Regeln des<br />

BGB der Auslegung zugänglich (§§ 133 und 157 BGB).<br />

Die §§ 119 ff. BGB wären leer laufend, wenn die Auslegung in allen Fallgruppen einen dem<br />

wirklichen Willen des Erklärenden entsprechenden Erklärungsinhalt herzustellen hätte. Läge<br />

jedoch nur eine bloße Falschbezeichnung 70 durch beide – den öffentlichen Auftraggeber und<br />

den Bieter – vor, hätte das übereinstimmend Gewollte Vorrang vor einer Falschbezeichnung<br />

(Grundsatz, dass die Falschbezeichnung nicht schadet: falsa demonstratio non nocet). Der<br />

Fehler könnte sozusagen im Wege der rechtsgeschäftlichen Auslegung eliminiert werden. Allerdings<br />

kann vorliegend ein abweichend vom Vertragstext übereinstimmend Gewolltes nicht<br />

festgestellt werden, da es gerade im Kalkül des Bieters liegt, das fehlerhafte LV und nicht das<br />

erkennbar vom öffentlichen Auftraggeber Gewollte zum Vertragsinhalt zu machen. 71<br />

4.4 Vergaberechtliche Situation<br />

4.4.1 Grundsatz<br />

Bei einer öffentlichen Ausschreibung ist die Eignung der Bieter zu prüfen (§ 25 Nr. 2 Abs. 1<br />

Satz 1 VOB/A). Für den Fall der beschränkten Ausschreibung und der Freihändigen Vergabe<br />

gilt, dass aufgrund der Vorauswahl nur Umstände zu berücksichtigen sind, die nach der Aufforderung<br />

zur Angebotsabgabe Zweifel an der Eignung des Bieters begründen (siehe §§ 25<br />

Nr. 2 Abs. 2 und 8 Nr. 4 VOB/A). Eignungskriterien sind die Fachkunde, die Leistungsfähigkeit<br />

und die Zuverlässigkeit (siehe auch § 97 Abs. 4 GWB).<br />

Ein Bieter erweist sich als unzuverlässig, wenn er nicht die Gewähr dafür bietet, dass er die für<br />

die Vertragsdurchführung relevanten gesetzlichen und vertraglichen Verpflichtungen einhält. Es<br />

darf nicht die konkret begründete Gefahr bestehen, dass er seinen gesetzlichen bzw. vertraglichen<br />

Verpflichtungen nicht nachkommt bzw. nicht nachkommen wird. § 24 VOB/A erlaubt mit<br />

Hilfe des Vergabegesprächs eine Aufklärung über die Eignung des Bieters. Verweigert ein<br />

Bieter die geforderten Aufklärungen und Angaben, so kann sein Angebot unberücksichtigt bleiben<br />

(§ 24 Nr. 2 VOB/A). Verbleiben nach Durchführung des Vergabegesprächs Zweifel an der<br />

Eignung des Bieters, wird der Auftraggeber diese im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums<br />

bei seiner Entscheidung berücksichtigen. Die Prüfung der Zuverlässigkeit erfolgt<br />

im Wesentlichen auf der Grundlage einer Analyse des in der Vergangenheit liegenden Geschäftsverhaltens<br />

des Bieters. Ein Geschäftsgebaren, das sich als Verletzung vorvertraglicher<br />

Pflichten oder sogar als Rechtsmissbrauch darstellt, rechtfertigt bei der Prüfung der Eignung<br />

des Bieters, ihn aus der Sicht des Auftraggebers als unzuverlässig einzuschätzen.<br />

70 siehe Palandt/Heinrichs/Ellenberger, Kommentar BGB, 67. Aufl., <strong>2008</strong>, § 133 Rdn. 8<br />

71 unklar bei Kleine-Möller/Merl, Handbuch des privaten Baurechts, 3. Aufl., § 10 Rdn. 359, zur Geltung des Gewoll-<br />

ten bei erkanntem Irrtum<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

143


4.4.2 Unzuverlässigkeit wegen Verschuldens bei Vertragsschluss und wegen Rechtsmissbrauchs<br />

Wer als Bieter Mängel im LV erkennt, sich aber vorsätzlich blind stellt und den Fehler durch<br />

Mengenspekulation und Preisverlagerungen für sich auszunutzen gedenkt, verletzt seine vorvertragliche<br />

Hinweispflicht und handelt rechtsmissbräuchlich. Ein derartiges Verhalten des<br />

Bieters ist nicht nur bloße Geschäftstüchtigkeit an der Grenze zur Sittenwidrigkeit, sondern<br />

eine Verletzung vorvertraglicher Pflichten, auf welche unmittelbar §§ 241 Abs. 2, 249 ff., 280,<br />

311 sowie 242 BGB Anwendung finden. 72<br />

4.4.2.1 Hinweispflicht des Bieters<br />

Den Bieter trifft eine Hinweispflicht auf den von ihm erkannten Fehler im LV. 73 Die Rechtspflicht<br />

zu redlichem Verhalten bei Vertragsverhandlungen und zur Mitteilung von Umständen,<br />

die für den anderen Teil im Rahmen der Verhandlungen mutmaßlich von Bedeutung sein können,<br />

trifft jeden Beteiligten. 74 Sie ist darum nicht nur vom Auftraggeber, sondern auch vom Bieter<br />

zu erfüllen. 75 Wenn der Bieter wesentliche Unstimmigkeiten oder Fehler in der Leistungsbeschreibung<br />

entdeckt oder wenn er Mängel des Entwurfs erkennt, ist er verpflichtet, dem Auftraggeber<br />

die Unzulänglichkeit mitzuteilen. 76<br />

Diese Hinweispflicht darf nicht mit einer Prüfpflicht verwechselt werden. Eine Prüfpflicht im Interesse<br />

des Auftraggebers existiert nicht. Den Bieter trifft aber die kalkulationsbezogene Obliegenheit,<br />

unter Berücksichtigung aller für den Bieter erkennbaren Umstände mit gehöriger Aufmerksamkeit<br />

zu prüfen, was der Auftraggeber gemeint hat, um später bei abgeschlossenem<br />

Vertrag Nachtragsforderungen noch mit Erfolg durchsetzen zu können. 77<br />

Zur Hinweispflicht des Auftraggebers bei einem erkannten Kalkulationsirrtum hat der BGH mit<br />

Urteil vom 04.10.1979 78 in der Fallgestaltung eines vom Auftraggeber positiv erkannten Kalkulationsfehlers<br />

des Bieters entschieden, dass ein Anspruch aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen<br />

auf dem Erfordernis des Vertrauensschutzes beruht. Da die Klägerin Bauleistungen<br />

ausgeschrieben und der Beklagte ein Angebot abgegeben habe, habe für beide<br />

nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte (§ 242 BGB) die Rechtspflicht<br />

zu redlichem Verhalten bestanden. Deshalb müsse ein Auftraggeber, der einen Kalkulationsirrtum<br />

des Anbieters vor Vertragsschluss erkenne, den Anbieter darauf hinweisen.<br />

72 zu den zivilrechtlichen Folgen siehe auch Rohrmüller, IBR <strong>2008</strong>, 491<br />

73 siehe Wettke, BauR 1989, 297<br />

74 Hereth/Naschold, Kommentar VOB/A, 2. Aufl., 1960, Ez A 9.135<br />

75 Hereth/Naschold, a. a. O.<br />

76 Hereth/Naschold, a. a. O.<br />

77 siehe z. B. BGH, Urteil vom 06.02.2002, Az.: X ZR 185/99, BauR 2002, 1082, und schon Hereth/Naschold, a. a. O.:<br />

„Obwohl keine Rechtspflicht des Bieters besteht, die Verdingungsunterlagen auf Unstimmigkeiten und Mängel zu<br />

prüfen, muss er später als Auftragnehmer doch gegebenenfalls gegen sich gelten lassen, dass er Widersprüche<br />

und Unstimmigkeiten hätte zur Sprache bringen können.“<br />

78 Az.: VII ZR 11/79, BauR 1980, 63, 65<br />

144<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Der BGH bestätigte diese Rechtsprechung mit Urteil vom 07.07.1998 79 indem er ausführte,<br />

dass das Berufungsgericht bei seinen Ausführungen an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes<br />

anknüpfe, wonach den Auftraggeber aufgrund des mit der Ausschreibung und der<br />

Abgabe von Angeboten entstehenden, Vertrauensschutz fordernden Rechtsverhältnisses unter<br />

dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen (culpa in contrahendo) eine<br />

Verpflichtung treffen könne, den Bieter auf einen von ihm, dem Auftraggeber, erkannten Kalkulationsfehler<br />

hinzuweisen.<br />

Mit Urteil vom 07.06.2005 80 bestätigte der BGH diese Rechtsprechung erneut. Spätestens mit<br />

der Anforderung der Ausschreibungsunterlagen durch die Bieter werde zwischen diesen und<br />

dem Ausschreibenden ein vorvertragliches Vertrauensverhältnis begründet, aus dessen<br />

Verletzung durch eine nicht den Vergabevorschriften entsprechende Vergabe des Auftrags<br />

Schadensersatzansprüche aus culpa in contrahendo entstehen können, die regelmäßig auf<br />

den Ersatz des negativen Interesses gerichtet sind, unter besonderen Voraussetzungen sogar<br />

auch auf den Ersatz des positiven Interesses gerichtet sein können. Ein Anspruch aus Verschulden<br />

bei Vertragsverhandlungen beruhe auf dem Erfordernis des Vertrauensschutzes. Für<br />

den Ausschreibenden und den Bieter, also für beide, bestehe nach Treu und Glauben (§ 242<br />

BGB) die Rechtspflicht zu redlichem Verhalten (siehe BGHZ 60, 221, 224).<br />

4.4.2.2 Rechtsmissbrauch durch Bieter<br />

Der Bieter, der eine vorvertragliche Hinweispflicht verletzt, stellt sich gegen die Rechtsordnung.<br />

Dass er dem Auftraggeber eine Berichtigung der Mengenangabe gegenüber allen Bewerbern<br />

nicht ermöglicht und vielmehr den von ihm positiv erkannten Fehler im LV zu spekulativer<br />

Preisgestaltung nutzt, ist ein weiterer Verstoß gegen die Rechtsordnung, nämlich ein rechtsmissbräuchliches,<br />

doloses Vorgehen.<br />

In dem zuvor genannten Urteil vom 07.07.1998 entwickelte der BGH seine Rechtsprechung<br />

weiter. Es könne eine unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB) darstellen, wenn der Empfänger<br />

ein Vertragsangebot annehme und auf der Durchführung des Vertrages bestehe, obwohl<br />

er weiß, dass das Angebot auf einem Kalkulationsirrtum des Erklärenden beruht. Allein<br />

die positive Kenntnis von einem Kalkulationsirrtum des Erklärenden genüge für die Annahme<br />

einer unzulässigen Rechtsausübung jedoch noch nicht. Ob ein Verhalten des Erklärungsempfängers<br />

treuwidrig sei, lasse sich nur anhand aller Umstände des Einzelfalls beurteilen. Dabei<br />

komme dem Ausmaß des Kalkulationsirrtums wesentliche Bedeutung zu. Als mit den Grundsätzen<br />

von Treu und Glauben unvereinbar werde man die Annahme eines fehlerhaft berechneten<br />

Angebots nur dann ansehen können, wenn die Vertragsdurchführung für den Erklärenden<br />

schlechthin unzumutbar sei, etwa weil er dadurch in erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten<br />

geriete.<br />

Woraus leitet sich nun in der vorliegenden Fallgestaltung eine vergleichbare rechtsmissbräuchliche<br />

Situation ab?<br />

Es geht hier – um Missverständnissen vorzubeugen – nicht darum, dass die finanziellen Folgen<br />

für den öffentlichen Bauherrn – quasi spiegelbildlich – eine untragbare Härte mit dessen Existenzgefährdung<br />

sein müssten. Auch „kalkuliert“ der Auftraggeber bei der Erstellung des Leistungsverzeichnisses<br />

nicht im betriebswirtschaftlichen Sinne. Die Fallgruppe ist in der Tat nicht<br />

spiegelbildlich gleich, muss es aber auch nicht sein. Es geht vielmehr in beiden Fallgestaltun-<br />

79<br />

Az.: X ZR 17/97, BauR 1998, 1089, 1091, 1092<br />

80<br />

Az.: X ZR 19/02, BauR 2005, 1618, VergabeR 2005, 617<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

145


gen um den darin steckenden gedanklichen Kern, dass einer der Vertragsanbahnenden eine<br />

zum Vertragsschluss führende Situation, in der er einen Fehler des anderen Partners erkannt<br />

hat, nicht wider Treu und Glauben für sich ausnutzen darf. Das eigentliche Problem liegt in der<br />

hier zu betrachtenden Fallgestaltung, der positiven Kenntnis von einem Fehler im LV, darin,<br />

dass der Bieter durch eigenes aktives Tun, durch die spekulativen Preisgestaltungen, dem ursprünglichen<br />

Fehler im LV des Auftraggebers eine vorher nicht vorhandene Schärfe gibt. Der<br />

Fehler im LV würde sich nämlich bei einer Preisgestaltung, die sich im Rahmen des ansonsten<br />

vorliegenden Vertragspreisgefüges des Bieters bewegt, also ohne spekulative Auf- bzw.<br />

Abpreisungen, nicht auswirken. Gravierende Mengenveränderungen würden allenfalls Sowieso-Kosten<br />

verursachen, die auch im Falle zutreffend geschätzter Mengen angefallen wären.<br />

Um solche Sowieso-Kosten geht es vorliegend nicht. Der Bieter will mehr als er im Leistungswettbewerb<br />

mit seinen Mitkonkurrenten erzielen könnte. Er baut auf dem Fehler im LV auf, um<br />

sich außerhalb des Leistungswettbewerbs und außerhalb des Leistungsvertrages zu Lasten<br />

des öffentlichen Bauherrn 81 einen Vorteil zu verschaffen.<br />

Im Unterschied zu normalen „claims“, die auf dem grundsätzlich nicht zu beanstandenden Gedanken<br />

beruhen, dass im Geschäftsleben niemand etwas zu verschenken hat und jeder bestrebt<br />

sein darf, seine gesetzlichen und vertraglichen Rechte und Ansprüche zu wahren, nutzt<br />

der Bieter nicht nur eine vorhandene Situation ohne eigenen Handlungsanteil aus, sondern er<br />

tut aktiv etwas, nämlich das genaue Gegenteil dessen, was von ihm als redlichem Verhandlungspartner<br />

von der Rechtsordnung erwartet wird. In der vorliegenden Gestaltung versteckt er<br />

das in Wahrheit vorliegende wesentlich höhere Preisniveau der späteren Abrechnung. Darin<br />

liegt ein rechtsmissbräuchliches und damit treuwidriges aktives Verhalten.<br />

Dieses Vorgehen ist arglistig. Grundsätzlich, auch außerhalb des zivilen Baurechts, gilt, dass<br />

besonders wichtige Umstände, die für die Willensbildung des anderen Teils offensichtlich von<br />

ausschlagender Bedeutung sind, ungefragt offenbart werden müssen. 82 So darf ein Verkäufer<br />

z. B. wesentliche Mängel der Kaufsache nicht verschweigen. 83<br />

Die vom Bieter geschaffene Problematik liegt insbesondere auch in dem vorsätzlichen und<br />

vorvertrags- bzw. vertragswidrigen Kalkül, sich einen Vermögensvorteil außerhalb des<br />

Preisfortschreibungssystems von § 2 VOB/B unter bewusstem Ausnutzen eines Fehlers des<br />

Verhandlungspartners zu verschaffen. Die Vorschriften in § 2 VOB/B dienen im Gegensatz zu<br />

den Absichten des Bieters der Befriedung der Interessen beider Vertragspartner während der<br />

Vertragsabwicklung. Mit seinen Preisspekulationen unter Ausnutzung des Fehlers im Leistungsverzeichnis<br />

stellt sich der Bieter bewusst außerhalb des Bereichs, für den die Regelungen<br />

in § 2 VOB/B geschaffen wurden und von den Vertragsparteien vereinbart sind. Der Streit über<br />

eine übliche Vergütung, wie bei § 632 Abs. 2 BGB, soll insbesondere während der Bauzeit<br />

nicht durchgefochten werden müssen, da sonst die Gefahr wechselseitiger Erpressungsmöglichkeiten<br />

über evtl. Bau- bzw. Zahlungseinstellungen bestünde. Den Vertragsparteien soll mit<br />

dem Vertragsschluss auf Grundlage der VOB/B ein auf Interessenausgleich abgestimmtes Instrumentarium<br />

an die Hand gegeben werden, um auch im Streitfalle den Baufortschritt einerseits<br />

und die Liquidität des Auftragnehmers andererseits nicht einzuschränken. Zudem erspart<br />

sich der Auftragnehmer Kosten der Akquisition, der Auftraggeber profitiert von dem vertraglich<br />

81 gegebenenfalls auch zu Lasten seiner Mitkonkurrenten um den Auftrag, wenn z. B. der Zweitnehmende mit einer<br />

Wertung anhand vor der Submission berichtigter Mengenangaben den Auftrag bekommen hätte<br />

82<br />

BGH, Urteil vom 28.04.1971, Az.: VII ZR 258/69, NJW 1971, 1799, Palandt/Heinrichs/Ellenberger, a. a. O., § 123<br />

Rdn. 5 b<br />

83 BGH, Urteil vom 08.12.1989, Az.: V ZR 246/87, NJW 1990, 975<br />

146<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


nach § 1 Nrn. 3 und 4 Satz 1 VOB/B gegebenen Zugriff auf die betrieblichen Kapazitäten. 84<br />

Deshalb stehen den einseitigen, mit der Geltung der VOB/B eingeräumten Leistungsbestimmungsrechten<br />

des Bauherrn nach § 1 Nrn. 3 und 4 Satz 1 VOB/B 85 die Vergütungsansprüche<br />

des Auftragnehmers nach § 2 Nrn. 5 und 6 VOB/B gegenüber.<br />

Im Falle der Anordnung von Leistungen nach § 1 Nrn. 3 und 4 Satz 1 VOB/B erfolgt kein<br />

Preiswettbewerb wie bei der ursprünglichen Beauftragungssituation. Dafür soll nach den in § 2<br />

Nrn. 5 und 6 VOB/B verankerten Grundprinzipien mit der Anknüpfung an die vertraglichen<br />

Grundlagen des Preises bzw. an die Preisermittlungsgrundlagen, Begriffe die synonym für die<br />

Kalkulation gebraucht werden, erreicht werden, dass das im Wettbewerb ursprünglich gefundene<br />

Preisniveau beibehalten wird. Es soll sich wegen des damit aufrechterhaltenen Äquivalenzverhältnisses<br />

gegenüber dem Preisgefüge bei Vertragsschluss weder zu Lasten des Auftragnehmers<br />

noch des Auftraggebers ein Nachteil ergeben, mithin das ursprüngliche Äquivalenzverhältnis<br />

beibehalten bleiben. In einem Streit über die Nachtragsvergütung unterliegen die<br />

Parteien nach der Rechtsprechung des BGH einer Kooperationsverpflichtung. 86 Danach sind<br />

die Vertragspartner grundsätzlich verpflichtet, durch Verhandlungen eine einvernehmliche Beilegung<br />

von Meinungsverschiedenheiten zu versuchen, wenn solche während der Vertragsdurchführung<br />

über die Notwendigkeit oder die Art und Weise einer Vertragsanpassung entstehen.<br />

87 Auch dies zeigt, dass die Rechtsprechung die in § 2 VOB/B enthaltenen Vertragsanpassungsregelungen<br />

nicht als Einfallstor einseitiger Interessenswahrnehmung ansieht.<br />

Der Bieter will zum Zuschlag kommen und deshalb bei der Prognoseentscheidung des Auftraggebers<br />

günstiger erscheinen, aber im Ergebnis – wie er weiß – nicht sein. Mit Blick auf den<br />

Wertungsvorgang beabsichtigt der Bieter, sein letztlich höheres Preisniveau der Abrechnung<br />

für den Wertungsvorgang zu verstecken. Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass der<br />

Wertungsvorgang grundsätzlich nur mit den Vordersatzmengen zu erfolgen habe. 88 Denn darin<br />

liegt gerade das rechtsmissbräuchliche Kalkül des so agierenden Bieters. Der Wertungsvorgang<br />

ist eine Prognose. Die zutreffende Prognoseentscheidung, also eine Prognose ohne die<br />

Auswirkungen des Fehlers im LV, hat der Bieter vereitelt, weil er den Auftraggeber entgegen<br />

vorvertraglicher Verpflichtung nicht auf den Fehler im LV hingewiesen und zudem seine Absicht,<br />

wesentlich höher abzurechnen, versteckt hat. Dies muss nunmehr im Verhältnis zum<br />

dolos handelnden Bieter, zumindest bei der Entscheidung über dessen Zuverlässigkeit, hinweggedacht<br />

werden.<br />

Auf unsere Fallkonstellation gemünzt, will der Bieter das Entdecken des im Falle der Abrechnung<br />

wesentlich höheren Preisniveaus durch aktives Tun verhindern. Im Widerspruch zu dem<br />

auch in § 162 BGB zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgedanken, dass niemand<br />

84 siehe Rohrmüller, IBR 2005, 303<br />

85 zum einseitigen Leistungsbestimmungsrecht siehe BGH, BauR 2004, 495 ff., Quack, ZfBR 2004, 107<br />

86 zum Leistungsverweigerungsrecht bei verweigerten Nachtragsverhandlungen siehe Kuffer, ZfBR 2004, 110 ff.<br />

87 siehe BGH, Urteil vom 28.10.1999, Az.: VII ZR 393/98, BauR 2000, 409, NJW 2000, 807, NZBau 2000, 130<br />

88 Zu der Frage, ob im Rahmen der vierten Wertungsstufe das Angebot eines Bieters, der sich bei der Angebotsabgabe<br />

rechtsmissbräuchlich verhalten hat und das im Rahmen des dem Auftraggeber zustehenden Beurteilungsspielraums<br />

nicht ohnehin wegen Unzuverlässigkeit ausgeschlossen wurde, mit korrigierten Vordersätzen in die<br />

Wertung (vierte Wertungsstufe, siehe § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A) eingehen kann, bedarf es noch einer eingehenden<br />

Diskussion. Meines Erachtens wäre das Angebot des rechtsmissbräuchlich handelnden bisherigen Mindestnehmenden<br />

mit denjenigen korrigierten Mengenvordersätzen zu werten, die bei einer rechtzeitigen und sachgerechten<br />

Korrektur des Leistungsverzeichnisses bei gegebenem Hinweis auf den Fehler im LV von den Bietern zur Grundlage<br />

der Kalkulation gemacht worden wären (Sicht ex ante bei der Angebotsabgabe). Der Wettbewerb wird dadurch<br />

nicht beeinträchtigt, da der bisherige Zweitbieter allenfalls besser gestellt wird, weil er den Auftrag bekommt.<br />

Alle weiteren Bieter werden, mangels Zuschlagschance, ohnehin nicht benachteiligt.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

147


aus seinem treuwidrigen Verhalten Vorteil ziehen darf, würde sich die zuvor erfolgte doppelte 89<br />

Rechtsverletzung durch den dolos handelnden Bieter perpetuieren, könnte er sich im Ergebnis<br />

sogar zu seiner „Entlastung“ auf die von ihm begangenen Rechtsverletzungen berufen, was<br />

eine dritte Rechtsverletzung darstellen würde.<br />

Ein weiterer Gesichtspunkt:<br />

Zur Frage, inwieweit sich ein Auftragnehmer bei unvollständigen Angaben in den Ausschreibungsunterlagen<br />

von vornherein nicht auf „enttäuschtes Vertrauen“ berufen könne und ihm<br />

schon deshalb kein Schadensersatzanspruch gegen den Auftraggeber wegen Verschuldens<br />

bei Vertragsverhandlungen zustehe, entschied der BGH mit Urteil vom 25.02.1988 90 : Grundlage<br />

für einen Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo sei stets enttäuschtes Vertrauen.<br />

Davon könne, in dem vom BGH entschiedenen Fall, schon deshalb keine Rede sein,<br />

weil die Auftragnehmerinnen bei ihrem Angebot – nach den eigenen Feststellungen des Berufungsgerichts<br />

– „frivol“ kalkuliert und die vorliegende Auseinandersetzung über die entstehenden<br />

Mehrkosten in Kauf genommen hätten. Wie richtig diese Feststellung sei, zeige sich – lt.<br />

BGH – vor allem daran, dass die Auftragnehmerinnen in ihrem Angebot für die Wasserhaltungskosten<br />

zu Los 2 lediglich 2 DM/lfdm angesetzt hätten, während die Auftragnehmerin (Klägerin<br />

zu 1) im Los 1 kurz zuvor noch 75 DM/lfdm gefordert habe. Die unverhältnismäßig große,<br />

sachlich nicht zu rechtfertigende Differenz zeige, dass die Auftragnehmerinnen hier ohne jeden<br />

vernünftigen Bezug zur Ausschreibung letztlich doch mehr oder weniger „ins Blaue“ – wenn<br />

nicht sogar „spekulativ“ – kalkuliert hätten. Dadurch hätten sie die Gefahr, dass später in ihrem<br />

Umfang unabsehbare „Nachforderungen“ gestellt würden (hier rund das Hundertfache des für<br />

die Wasserhaltung ausgewiesenen Angebotspreises), nicht nur wesentlich erhöht, sondern geradezu<br />

heraufbeschworen, ohne ihre Aussichten auf Erteilung des Zuschlags aufs Spiel zu setzen.<br />

Wer so handle, könne sich nicht auf „enttäuschtes Vertrauen“ berufen.<br />

Wenn einem frivol kalkulierenden Bieter ein Nachtragsanspruch verwehrt wird, weil er sich – so<br />

der BGH – nicht auf enttäuschtes Vertrauen berufen kann, dann darf ein dolos handelnder Bieter<br />

erst recht nicht von seinem dolosen Vorgehen profitieren.<br />

Der BGH betrachtete den Auftragnehmer schon in seiner Situation als kalkulierenden Bieter,<br />

angewandt wurde die Rechtsprechung aber mit Blick auf spätere Nachtragsforderungen des<br />

Auftragnehmers. Die Problematik der entschiedenen Sachverhalte lag aber bereits im Vergabeverfahren.<br />

Es wäre nun inkonsequent, wenn ein solcher Sachverhalt nicht schon im Vergabeverfahren<br />

gewürdigt werden dürfte. 91<br />

Erstens wird der frivole Bieter nicht erst durch den Zuschlag frivol; er ist es bereits vor der Zuschlagserteilung.<br />

Zweitens darf ein Bieter erst recht wegen Unzuverlässigkeit ausgeschlossen werden, wenn er<br />

nicht nur frivol kalkuliert, der Bieter also keine positive Kenntnis von einem Ausschreibungsfehler<br />

hat, diesen als möglich ansieht und entsprechend kalkuliert, sondern wenn er sogar in<br />

Kenntnis eines Ausschreibungsfehlers diesen für sich auszunutzen versucht und deshalb nicht<br />

89 Verstoß gegen die Hinweispflicht und Verstecken des höheren Preisniveaus<br />

90 Az.: VII ZR 310/86, BauR 1988, 338, 340<br />

91 zumal dem öffentlichen Auftraggeber bei öffentlicher und beschränkter Ausschreibung Preisverhandlungen unter-<br />

148<br />

sagt sind<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


auf den Fehler hinweist, er also „noch frivoler“ ist, als die Rechtsprechung bislang im Nachtragsbereich<br />

erkannte.<br />

Im Einzelnen können folgende Fallgruppen unterschieden werden:<br />

a) In dem oben genannten (in der Praxis leider vermehrt anzutreffenden) Sonderfall, dass<br />

ein Bieter erkennt, dass eine zusätzliche Leistung notwendig sein wird und er spekulative<br />

Preisvorsorge durch Aufpreisungen bei tatsächlich oder vermeintlich ähnlichen Positionen<br />

trifft, um diese verteuerten Positionen 92 später als „Bezugspositionen“ für die Bestimmung<br />

der Vergütung für die zusätzlich notwendige Leistung vorweisen zu können, liegt nicht nur<br />

ein treuwidriges, sondern sogar ein sittenwidriges Verhalten. Es geht hier nicht um eine<br />

Einschränkung der zu schützenden und zu bewahrenden Kalkulationsfreiheit des Bieters,<br />

da sich die Kalkulationsfreiheit naturgemäß nur auf die zu kalkulierenden Umstände bezieht,<br />

93 zu denen insbesondere die mitgeteilten Vordersätze gehören.<br />

b) Im Fall der als sicher erwarteten Mindermenge gibt der vom Bieter für diese Position<br />

angebotene spekulativ niedrige Einheitspreis die Möglichkeit, das Vertragspreisgefüge der<br />

anderen Positionen anzuheben und den für die erwartete Mindermenge kalkulierten Betrag<br />

in eine andere Position einzurechnen. Damit erweckt der Bieter nur den Anschein eines<br />

günstigen Angebots. In Wirklichkeit, unter Zugrundelegung der tatsächlich zu erwartenden<br />

Mengen, schwindet sein Abstand zum Zweitbieter bzw. ist der Zweitbieter billiger.<br />

Im in der Praxis durchaus anzutreffenden Extremfall erweist sich der ursprünglich Mindestnehmende<br />

im Vergleich zu den anderen Bietern als Höchstnehmender. Der Bieter<br />

versteckt sein höheres Preisniveau der anderen Positionen mit dem niedrigen Einheitspreis<br />

der Position, die nicht oder nur in erheblich niedrigerem Umfang kommen wird. Dieser<br />

Täuschungsvorgang macht das Vorgehen des Bieters unredlich.<br />

c) Im Fall der als sicher erwarteten Mehrmenge versteckt der Bieter die mit der Aufpreisung<br />

verbundene Kostenüberdeckung der Vordersatzmenge, die in die Wertung mit eingeht,<br />

durch entsprechende Kostenunterdeckungen in anderen Positionen, indem er mischkalkuliert<br />

oder gegenläufig auf eine Mindermenge bei einer anderen Position spekuliert. Auch<br />

hier versteckt der Bieter treuwidrig sein höheres Preisniveau in der sicheren Erwartung der<br />

gegenüber dem Angebot wesentlich höheren Abrechnung.<br />

4.4.3 Vergaberecht stellt Auftraggeber gegenüber Rechtsverstoß bzw. Rechtsmissbrauch<br />

durch Bieter nicht rechtlos<br />

Die Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers zur Beschreibung der Leistung nach § 9<br />

VOB/A schränkt die Verpflichtung des Bieters zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und<br />

Interessen des Auftraggebers als des anderen Teils gemäß § 241 Abs. 2 BGB nicht ein 94 ,<br />

ebenso wenig wie dies § 97 GWB im Bereich des Kartellvergaberechts tut. Mit dem Rechtsanspruch<br />

der Unternehmen darauf, dass der öffentliche Auftraggeber die Bestimmungen des<br />

Vergabeverfahrens einhält, werden erkennbar keine rechtsfreien Räume für den Bieter ge-<br />

92 Die Verteuerung bezieht sich darauf, dass diese Einheitspreise nicht mit dem Vertragspreisgefüge des gesamten<br />

Angebots des Bieters in Einklang stehen.<br />

93 zur Bedeutung der Vordersatzmenge siehe Rohrmüller, IBR <strong>2008</strong>, 703<br />

94 Rohrmüller, IBR <strong>2008</strong>, 491<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

149


schaffen. Es wäre abwegig, für den Bereich des Zeitraums vor dem Vertragsschluss 95 Normen<br />

anderer einschlägiger Rechtsgebiete 96 nicht anwenden zu wollen.<br />

Die Vertragsfreiheit der Bieter, und damit auch die Kalkulationsfreiheit der Bieter, wird durch<br />

die Rechtsordnung beschränkt. Diese Beschränkung erfolgt nicht unmittelbar, sondern über die<br />

Einwirkung mittels Generalklauseln (z. B. §§ 138, 242, 826 BGB). Letztlich folgt dies sogar aus<br />

der verfassungsmäßigen Ordnung, die zwar keine unmittelbar wirkende Schranke der Vertragsfreiheit<br />

beinhaltet, aber mittelbar über die sogenannten Generalklauseln in das Privatrecht<br />

einwirkt. Die Generalklauseln sind uneingeschränkt Teil der privatautonomen Ordnung unseres<br />

Wirtschaftssystems, auch im Rechtsverkehr mit dem Fiskus. Ein Sonderrecht, dass die öffentliche<br />

Hand im fiskalischen Bereich weniger schutzwürdig sei, was einer Einladung zum Rechtsmissbrauch<br />

gleichkäme, existiert nicht. Die allgemein mit der Privatrechtsordnung aufgestellten<br />

Regeln 97 gelten für und gegen alle.<br />

4.4.4 Zu den Argumenten der bislang vertretenen Meinungen<br />

Das Argument des OLG Düsseldorf 98 , dass der Bieter in der vorliegenden Fallkonstellation eine<br />

vorvertragliche Pflicht verletzt habe, hat sich – wie oben dargelegt – als richtig erwiesen. Der<br />

Bieter wäre zum einen verpflichtet gewesen, auf den Fehler der Ausschreibung hinzuweisen<br />

und zum anderen hätte er den Mengenfehler im LV nicht zur spekulativen Preisgestaltung ausnutzen<br />

dürfen, was sich darüber hinaus sogar als rechtsmissbräuchlich darstellt und vom OLG<br />

Brandenburg bereits im Ansatz erkannt wurde („… wenn ... der Bieter missbräuchlich Fehler im<br />

Leistungsverzeichnis des Auftraggebers ausnutze …“).<br />

Der Bieter will sich, wie das OLG Nürnberg 99 zutreffend erkannte, einen Wettbewerbsvorteil<br />

verschaffen, ohne tatsächlich günstiger zu sein. Das vom OLG Düsseldorf erkannte bewusste<br />

Ausschlachten des Fehlers im LV durch den Bieter zu seinem Vorteil durch eine willkürliche<br />

Preisgestaltung entspricht dem aufgezeigten Vorgang des Versteckens des in Wahrheit höheren<br />

Preisniveaus. Der Bieter versucht damit, wie das OLG Düsseldorf erkannte und auch von<br />

Brinker/Ohler 100 betont wird, eine ungerechtfertigt günstige Stellung im Ausschreibungsverfahren<br />

zu erlangen. Daraus folgt: Der Bieter ist unzuverlässig. Zu ergänzen ist an dieser Stelle,<br />

dass sich eine Hinweispflicht regelmäßig aus den Bewerbungsbedingungen der öffentlichen<br />

Hand ergibt. Dem vom OLG Düsseldorf entschiedenen Fall lagen solche Bewerbungsbedingungen<br />

zugrunde. Wegen der geschilderten Rechtslage ist die darin enthaltene Hinweisverpflichtung<br />

letztlich nur deklaratorisch und auch das etwaige Fehlen derartiger Bewerbungsbedingungen<br />

verändert deshalb die Rechtslage nicht.<br />

95 zur Rechtsnatur des Zuschlags und der Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung an den Bieter siehe OVG<br />

Niedersachsen, Beschluss vom 26.07.2006, Az.: 7 OB 65/06, IBR 2006, 512<br />

96 Selbstverständlich ist in diesem zeitlichen Bereich z. B. ein Betrugsversuch eines Bieters auch bei der Anwendung<br />

des Vergaberechts für eine durch Täuschung und Irrtumserregung bedingte Vergabeentscheidung strafrechtlich<br />

nach §§ 263, 22 StGB sanktioniert.<br />

97 insbesondere der Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB<br />

98 OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.07.1993, BauR 1994, 240<br />

99 OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss vom 18.07.2007, IBR <strong>2008</strong>, 103<br />

100 Brinker/Ohler, a. a. O.<br />

150<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Wird eine Hinweispflicht durch den Bieter verletzt, geht es nicht mehr um die von Leinemann 101<br />

angesprochene Risikoverteilung. § 9 VOB/A schränkt, wie oben dargelegt, nicht die vorvertragliche<br />

Pflichtenstellung der Bieter ein und gibt erst recht keine Legitimation zum Rechtsmissbrauch.<br />

Vorvertragliche Pflichten bestehen auch gegenüber der öffentlichen Hand. Die öffentliche<br />

Hand ist im Bereich der Vertragsanbahnung nicht gegen Rechtsmissbrauch rechtlos<br />

gestellt. Natürlich trägt der öffentliche Auftraggeber das Risiko der Mengenermittlung, wie<br />

Leinemann betont. Aber erkennt der Bewerber, dass der Auftraggeber hierbei einen Fehler<br />

gemacht hat, kommen die allgemeinen Grundsätze redlichen Verhaltens zum Zuge, die von jedem<br />

erwartet werden, der sich im geschäftlichen Bereich bewegt, auch von einem Bieter, der<br />

sich um einen öffentlichen Bauauftrag bemüht. Dem weiteren Argument von Leinemann 102 ,<br />

dass der Bieter zur Bauausführung besonders geeignet sei, wenn sich seine der Kalkulation<br />

zugrunde gelegten Annahmen als richtig erweisen, kann schon deshalb nicht gefolgt werden,<br />

weil bei der Prüfung der Eignung eine fehlende Zuverlässigkeit nicht durch ein mehr an Fachkunde<br />

kompensiert werden kann.<br />

Sogar Kapellmann/Schiffers 103 räumen ein, dass aus dem allgemeinen Gesichtspunkt der<br />

Pflicht zu korrektem Verhalten im Angebotsstadium eine Hinweispflicht folgen könne, wenn die<br />

Mengendiskrepanzen sehr erheblich und offensichtlich seien, wenn also auf den ersten Blick<br />

ins Auge falle, dass die Mengenangaben nicht richtig sein können und wenn damit gleichzeitig<br />

ein Schluss auf schwere Rechen- oder Denkfehler des Ausschreibenden gezogen werden<br />

könne. Dass § 4 Nr. 3 VOB/B erst für den zeitlichen Bereich nach Vertragsschluss gilt, wie<br />

Kapellmann/Schiffers 104 zu recht anführen, zwingt nicht zu deren Schluss, eine Pflicht zu Hinweisen<br />

auf eine falsche Planung im Ausschreibungsstadium zu verneinen. Die VOB/B gilt erst<br />

für die Zeit ab dem Vertragsschluss. Dass redliches Verhalten im Rahmen der Gesetze auch<br />

zuvor verlangt wird, ist eine Selbstverständlichkeit. Wenn eine Hinweispflicht auch für den zeitlichen<br />

Bereich vor Vertragsschluss zu konstatieren ist, folgt dies nicht aus einer Anwendung<br />

des § 4 Nr. 3 VOB/B, sondern daraus, dass Schuldverhältnisse innerhalb und außerhalb von<br />

Verträgen bestehen können sowie aus der Pflicht zur Rücksichtnahme bei Vertragsanbahnungen.<br />

Was Kapellmann/Schiffers 105 im Übrigen für die Prüfpflichten und die Auslegung des Angebotsblanketts<br />

aus der Sicht des Bieters anführen „… darf sich nicht dumm stellen ...“, „…<br />

darf den Auftraggeber nicht in ein offenes Messer laufen lassen …“ gilt selbstverständlich umso<br />

mehr, wenn es sogar darum geht, dass ein Fehler im LV tatsächlich vom Bieter erkannt wurde.<br />

Dann müssen diese Grundsätze erst recht gelten. Dann lässt der Bieter, um im Bild<br />

Kapellmann/Schiffers zu bleiben, den Auftraggeber „in eine Falle laufen“, die der Bieter aufgestellt<br />

hat.<br />

Ein Bieter, der den gebotenen Hinweis unterlässt und stattdessen seine Preisgestaltung an der<br />

Erwartung von Mengenveränderungen ausrichtet, versucht darüber hinaus sogar den Auftraggeber<br />

zu täuschen, wenn er die zusätzliche Vergütung durch kompensatorische Preisgestaltung<br />

versteckt. Er täuscht, um den Auftraggeber zu übervorteilen. Zutreffend ist deshalb die<br />

Ansicht von Dicks. 106 Es handelt sich nicht etwa nur um eine Täuschung durch Unterlassen,<br />

die z. B. in strafrechtlicher Hinsicht nur bei Vorliegen einer Garantenpflicht erheblich und nur<br />

schwerlich begründbar wäre; es handelt sich um ein Täuschen durch aktives Tun, nämlich konkludentes<br />

Handeln. Wenn zwei Parteien einen Vertrag schließen, erklären sie einander konklu-<br />

101<br />

Leinemann, a. a. O.<br />

102<br />

Leinemann, a. a. O.<br />

103<br />

Kapellmann/Schiffers, a. a. O.<br />

104 Kapellmann/Schiffers, a. a. O.<br />

105 Kapellmann/Schiffers, a. a. O.<br />

106 Dicks, a. a. O.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

151


dent, dass diejenigen Tatsachen zutreffen, die die Geschäftsgrundlage des Vertrages ausmachen<br />

und somit den Vertragstyp charakterisieren. 107 Ein klassisches Beispiel, das in der jüngeren<br />

Rechtsprechung des BGH 108 bestätigt wurde, ist die konkludente Täuschung im Bereich<br />

von Submissionsabsprachen: Da das Ausbleiben von unlauteren Absprachen eine zentrale<br />

Grundregel für Ausschreibungsverfahren ist, geht mit dem Einreichen eines Angebots die konkludente<br />

Erklärung einher, dass das Angebot nicht auf einer solchen Absprache beruht. 109 Entsprechend<br />

verhält es sich z. B. im Bereich der Sportwetten mit dem Ausschalten des Zufalls. 110<br />

Geschäftsgrundlage derartiger Verträge ist, dass nur die für eine redliche sportliche Auseinandersetzung<br />

typischen Faktoren auf den Spielausgang einwirken. 111 Die Beteiligten erklären einander<br />

konkludent, nicht über Sonderwissen hinsichtlich unlauterer Einflussnahmen auf den<br />

Spielausgang zu verfügen. 112<br />

Redliches Verhalten im Geschäftsverkehr hängt entgegen Thormann 113 nicht davon ab, ob der<br />

Auftraggeber durch einen Fehler im LV Veranlassung zur Verletzung einer Hinweispflicht durch<br />

den Bieter gegeben hat. Die Theorie von Thormann würde dazu führen, dass schutzlos gestellt<br />

werden würde, wer einmal einen Fehler macht. Zudem greift Stemmer 114 zu Recht einen Wertungswiderspruch<br />

in der Argumentation Thomanns auf, da selbst Thormann für den Fall, dass<br />

der Auftraggeber keine Veranlassung für die Spekulation gegeben hat, den Bieter als unzuverlässig<br />

ansieht, wenn der Bieter „völlig willkürliche Einheitspreise“ ansetzt. Dass der Auftraggeber<br />

dem Bieter durch den Fehler im LV eine Gelegenheit zur Manipulation gegeben hat,<br />

macht den Bieter gegenüber der Situation, dass er ohne diese Gelegenheit manipuliert, nicht<br />

zuverlässiger. Thormann verwechselt hier den objektiven Kausalzusammenhang mit einem<br />

objektiv normativen Bewertungsmaßstab. Ohne den Fehler im LV gäbe es vorliegende Fall-<br />

107 Lackner, in Jescheck/Ruß/Willms (Hrsg.), Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch, 10. Aufl., 1988, § 263<br />

Rdn. 28, 43; Cramer/Perron, in Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 27. Aufl., 2006, § 263 Rdn. 16 e; Hefendehl,<br />

in Hefendehl/Hohmann (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Bd. 4, 2006, § 263 Rdn. 113;<br />

Kindhäuser, Strafgesetzbuch, Lehr- und Praxiskommentar, 3. Aufl., 2006, § 263 Rdn. 80<br />

108 BGHSt 47, 83, 87<br />

109<br />

BGHSt 47, 83, 87; Grützner, Die Sanktionierung von Submissionsabsprachen, 2003, S. 165 f.; Satzger, Der Submissionsbetrug,<br />

1994, S. 60<br />

110 Krack, Betrug durch Wettmanipulationen, Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik (ZIS) 2007, 103, 105<br />

111 Krack, a. a. O.<br />

112 Nach der sogenannten normativen Methode soll eine konkludente Täuschung dann vorliegen, wenn der Täter<br />

durch sein Verhalten eine Aufklärungspflicht verletzt (Seelmann, NJW 1980, 245, 246; Tiedemann, in Jähnke/<br />

Laufhütte/Odersky [Hrsg.], Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch, 11. Aufl., 2005, § 263 Rdn. 29). Aufgrund<br />

des Gesamtverhaltens kommt es zu einer auf Tatsachen bezogenen Assoziation, die eine Fehlvorstellung, also einen<br />

Irrtum ausmacht. Im klassischen Beispielsfall der Bestellung eines Hotelzimmers assoziiert der Hotelier, dass<br />

der Gast bereit und in der Lage ist, die Hotelrechnung zu begleichen. Derartige Assoziationen beruhen auf dem<br />

gegebenen Vorwissen. Eine konkludente Täuschung liegt dann vor, wenn die der Assoziation zugrunde liegende<br />

Hypothese keine bloße Hoffnung, sondern eine im spezifischen Kommunikationsbereich verbindliche Norm darstellt.<br />

Auf unsere Fallgruppe angewandt heißt dies, dass der Bieter nicht verschweigen darf, dass er einen Fehler<br />

des Leistungsverzeichnisses entdeckt und mittels seiner manipulativen Preisgestaltung das aus seiner jetzigen<br />

Sicht wesentlich höhere Preisniveau der späteren Abrechnung versteckt hat, dass er den Wertungsvorgang insoweit<br />

manipuliert, als er vorhat, mit einer nur vordergründigen Preisgestaltung anhand der Vordersatzmenge den<br />

Wettbewerb zu gewinnen und in Wahrheit mit den sicher zu erwartenden Mengen wesentlich teurer sein wird, in<br />

aller Regel wesentlich teurer als die Mitkonkurrenten. Darin liegt eine konkludente Täuschungshandlung. Ein Schaden<br />

kann dadurch eintreten, dass der öffentliche Auftraggeber mehr bezahlen muss als er beim zuschlagsfähigen<br />

Angebot des Zweitbieters hätte bezahlen müssen. Kommt ein Vertrag zustande, kann dies nach Maßgabe der<br />

§§ 123, 826 und 823 Abs. 2 BGB i. V. mit § 263 StGB Weiterungen haben. Auch hieraus folgt im Vergabeverfahren<br />

unmittelbar die Unzuverlässigkeit des Bieters.<br />

113 Thormann, a. a. O.<br />

114 Stemmer, a. a. O.<br />

152<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


gestaltung nicht. Dies ist objektiv Fakt und kausal für das Geschehen. Doch damit ist noch<br />

keine Erkenntnis darüber gewonnen, wie der Bieter in seiner Eignung, hier Zuverlässigkeit,<br />

einzuschätzen ist. Die Frage, ob ein Bieter ein redlicher Vertragspartner sein wird, entscheidet<br />

sich nach dem Verhalten des Bieters, nicht nach dem des Auftraggebers! Wer vorsätzlich eine<br />

sittenwidrige Schädigung des Vertragspartners beabsichtigt, ist ohne weitere Begründung als<br />

unzuverlässig einzustufen. Wer Fehler im Leistungsverzeichnis erkennt, den Auftraggeber aber<br />

nicht darauf hinweist, sondern diese Fehler für spekulative Preisgestaltungen für sich auszunutzen<br />

versucht, lässt zudem die für die Vertragsdurchführung unabdingbar notwendige loyale<br />

Grundeinstellung vermissen. Es geht dabei nicht um Gesinnungsschnüffelei, sondern darum,<br />

dass der Bauvertrag über ein in der Zeit erst herzustellendes Werk, das meist jeweils ein Prototyp<br />

ist, Kooperationsverpflichtungen beinhaltet. Von einem Bieter, der sich schon während<br />

der Vertragsanbahnung derart illoyal verhalten hat, wird eine kooperative Vertragsabwicklung<br />

nicht zu erwarten sein. Wie der BGH 115 deshalb völlig zu Recht betont hat, ist auch ein Grundvertrauen<br />

in die kaufmännische Abwicklung bei der Zuverlässigkeitsprüfung maßgeblich. Hat<br />

der Bieter dieses Grundvertrauen durch seine manipulativen Preisgestaltungen zum Verdecken<br />

seines in Wahrheit wesentlich höheren Preisniveaus zerstört, ist er auch deshalb als unzuverlässig<br />

einzustufen. Zudem besteht mit der Beauftragung eines solchen Bieters, der sich schon<br />

gegen die Rechtsordnung gestellt hat, ein Risiko nicht vertragsgerechter und nicht ordnungsgemäßer<br />

Leistung.<br />

5 Zum Beurteilungsspielraum des Auftraggebers bei der Prüfung der Zuverlässigkeit<br />

des Bieters<br />

Bei den Begriffen Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit handelt es sich um unbestimmte<br />

Rechtsbegriffe. 116 Die Prüfung der Eignung ist ein wertender Vorgang, in den zahlreiche<br />

Einzelumstände einfließen. 117 Deshalb ist davon auszugehen, dass diese Begriffe den Auftraggebern<br />

einen Beurteilungsspielraum einräumen, der nur einer eingeschränkten Kontrolle<br />

durch die Nachprüfungsinstanzen zugänglich ist. 118 Geprüft werden kann nur, ob die rechtlichen<br />

Grenzen des Beurteilungsspielraums überschritten sind.<br />

Bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit des Bieters hält sich der Auftraggeber in den Grenzen<br />

dieses Beurteilungsspielraums, wenn er aus den objektiv vorliegenden Tatsachen logische<br />

Schlussfolgerungen zieht und wie folgt eine sachlich nachvollziehbare Bewertung trifft:<br />

Ein betriebswirtschaftlich nicht ausreichend begründbarer, signifikant gegenüber dem<br />

Vertragspreisniveau niedriger bzw. hoher Einheitspreis indiziert, dass der Bieter einen<br />

offensichtlichen Fehler erkannt hat und für sich ausnutzen will, wenn die Position einen<br />

115 Urteil vom 14.10.1993, Az.: VII ZR 96/92, BauR 1994, 98<br />

116 BayObLG, Beschluss vom 03.07.2002, Az.: Verg 13/02, VergabeR 2002, 631, BauR 2003, 149, NZBau 2003, 105<br />

117 Im Übrigen lassen sich Rückschlüsse zur Frage, ob eine ausreichende Zuverlässigkeit vorhanden ist, auch aus Erfahrungen<br />

mit dem betreffenden Bieter bei früheren Aufträgen gewinnen, auch durch Rückfrage bei anderen<br />

Auftraggebern. Gegebenenfalls ergeben sich hieraus, wie in der Praxis oft festzustellen, vergleichbare „Strickmuster“,<br />

die auf ein planmäßiges Vorgehen zur Ausnutzung von Ausschreibungsfehlern mittels spekulativer Preisgestaltungen<br />

schließen und den Bieter im kaufmännischen Vertrauensbereich um so mehr als unzuverlässig erscheinen<br />

lassen.<br />

118 OLG München, Beschluss vom 21.04.2006, Az.: Verg 08/06; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.10.2005, Az.:<br />

Verg 55/05<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

153


objektiv und aus der ex-ante-Sicht eines Bieters fehlerhaften, weil offensichtlich zu hohen<br />

bzw. zu niedrigen Vordersatz ausweist.<br />

Es stellen sich demnach folgende Fragen:<br />

a) Was ist ein betriebswirtschaftlich nicht ausreichend begründbarer, signifikant hoher oder<br />

niedriger Einheitspreis?<br />

aa) Signifikant niedrige Einheitspreise sind in diesem Sinne in jedem Fall solche Einheitspreise,<br />

bei denen die Gestehungskosten des variablen Teils der direkten Kosten der Teilleistung<br />

wesentlich höher sind als der vom Bieter eingetragene Einheitspreis und die nicht<br />

mit kalkulatorischen Überlegungen des Bieters nachvollziehbar erklärbar sind.<br />

154<br />

Ist ein Einheitspreis festzustellen, der sich im Bereich unter den Gestehungskosten inkl.<br />

der Gemeinkosten bewegt, liegt betriebswirtschaftlich eine Kostenunterdeckung vor. Mitunter<br />

liegt bei einer Position sogar nur ein Kostendeckungsgrad vor, der noch nicht einmal<br />

die variablen Kosten der Teilleistung abdeckt.<br />

Vorliegend wird auf die variablen Gestehungskosten der direkten Kosten der Teilleistung<br />

abgestellt, da diesen die augenfälligste Indizwirkung zukommt. Dies rührt daher, dass es<br />

im Bereich der betriebswirtschaftlichen Überlegungen zur Teilkostenrechnung mitunter<br />

sinnvoll sein kann, vorübergehend auf Gemeinkostendeckung zu verzichten, wenn zumindest<br />

die variablen Kosten gedeckt werden. 119 Ein Einheitspreis unter diesem Niveau bedarf<br />

einer besonderen Begründung, da er mit normalen betriebswirtschaftlichen Mitteln<br />

nicht erklärbar ist. Gängige Erläuterungen sind in der Praxis für solche extremen Ausreißer<br />

von Einheitspreisen z. B., dass der Auftragnehmer Boni von Lieferanten bekommen<br />

habe, die an den Auftraggeber weitergegeben werden könnten, oder dass das Material<br />

ohne Berechnung angesetzt werde, weil es von der letzten Baustelle übrig geblieben sei,<br />

mithin also keine Kosten verursachen würde. Bei Lichte betrachtet sind dies fadenscheinige<br />

Ausreden, die bei betriebswirtschaftlicher Betrachtung in sich zusammenfallen. Entgegen<br />

der im Baubereich geltenden Rentabilitätsvermutung 120 wird mit Hilfe solcher Argumentationen<br />

einem Bauunternehmen blauäugig geglaubt, dass er dem Auftraggeber<br />

Werte zu verschenken habe. Entscheidend ist, ob durch den zu kalkulierenden Einsatz<br />

von Gütern, denen auf dem Markt im Drittvergleich ein realer Wert zukommt, ein betrieblicher<br />

Werteverzehr stattfinden wird oder nicht.<br />

Für die Frage, ob betriebswirtschaftlich zu kalkulierende Kosten vorliegen, ist nicht entscheidend,<br />

wie dieser Werteverzehr finanziert wird, ob das Material also z. B. schon bezahlt,<br />

abgeschrieben oder von irgendeinem Dritten unentgeltlich zur Verfügung gestellt<br />

wurde. Kosten im Sinne der Begriffsbildung der Betriebswirtschaft sind in Geld bewertete<br />

Mengen an Produktionsfaktoren (Arbeitsleistungen, Betriebsmittel und Werkstoffe) sowie<br />

in Geld bewertete Dienstleistungen Dritter und öffentliche Abgaben, die bei der Erstellung<br />

betrieblicher Leistungen verbraucht werden. 121 Dass die VOB sowohl in ihren Teilen A und<br />

B in ihrer Begrifflichkeit (siehe z. B. § 24 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A: „vorzulegenden Preisermittlungen<br />

(Kalkulationen)“, § 2 Nr. 5 VOB/B: „Grundlagen des Preises“, § 2 Nr. 6 Abs. 2<br />

119 siehe hierzu Rohrmüller, BauR <strong>2008</strong>, 9, 14<br />

120 BGH, Urteil vom 20.02.1986, Az.: VII ZR 286/84, BauR 1986, 347, 348; Olshausen, Planung und Steuerung als<br />

Grundlage für einen zusätzlichen Vergütungsanspruch bei gestörtem Bauablauf, Festschrift für Korbion, S. 323,<br />

331<br />

121 Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 12. Aufl., 1976, S. 330<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


VOB/B: „Grundlagen der Preisermittlung“, § 2 Nrn. 3 und 5 VOB/B: „Berücksichtigung der<br />

Mehr- oder Minderkosten“ oder § 2 Nr. 6 VOB/B: „besondere Kosten der geforderten<br />

Leistung“) auf diese betriebswirtschaftlichen Grundlagen zurückgegriffen hat, und insbesondere<br />

der Begriff der „Kosten“ auf dieser Begrifflichkeit fußt, wird leicht erkennbar, wenn<br />

die frühe Literatur zur Preisermittlung 122 herangezogen wird.<br />

Kosten sind also ein Verzehr von Gütermengen und damit zugleich ein Verzehr von Werten<br />

zur Erstellung anderer Güter. Verzehr bedeutet hier nicht Vernichtung, sondern Umformung,<br />

Eingehen in andere Güter, die ebenso wie die Produktionsfaktoren einen Preis<br />

am Markt erzielen können, also einen Wert haben. 123 Vorliegend heißt dies, dass mit jedem<br />

vorgesehenen Einsatz von Produktionsmitteln, die einen auf dem Markt erzielbaren<br />

Preis haben, denen also ein Marktwert beigemessen wird, betriebswirtschaftlich zu kalkulierende<br />

Kosten bestehen. Bleibt der in der Kalkulation enthaltene Ansatz für diese Produktionsmittel<br />

hinter diesem erzielbaren Marktwert zurück, ergibt sich ein Kostendeckungsgrad<br />

kleiner eins. Ein niedriger Kostendeckungsgrad bei derjenigen Position, die<br />

einen Vordersatzfehler aufweist, ist dann auffällig und kann betriebswirtschaftlich nicht erklärt<br />

werden, wenn bei den anderen Positionen, die objektiv und offensichtlich keinen<br />

Fehler aufweisen, ein wesentlich höherer Kostendeckungsgrad gegeben ist.<br />

bb) Signifikant hohe Einheitspreise in diesem Sinne sind in jedem Falle solch hohe Einheitspreise,<br />

die sich nicht mehr mit dem ansonsten vorzufindenden Preisniveau des gesamten<br />

Angebots in Einklang bringen und auch sonst nicht betriebswirtschaftlich erklären lassen.<br />

Ein ausreichender Anhaltspunkt dafür ist gegeben, wenn die konkret vom Bieter gewählte<br />

Preisgestaltung der einzelnen hoch bepreisten Positionen deren Zuschlagschance bei isolierter<br />

Wertung praktisch ausschließen würde. Dies wird meist der Fall sein.<br />

Erst recht liegt ein signifikant hoher Einheitspreis in diesem Sinne vor, wenn er eine Größenordnung<br />

erreicht, die bei isolierter Betrachtung von Preis und Gegenleistung die Sittenwidrigkeit<br />

(§ 138 BGB) nahe legt. 124<br />

In der Praxis werden derartige Ausreißer nach oben gerne von Bietern und deren Anwälten<br />

mit dem Argument eines Sondergewinns in dieser Position und der diesbezüglichen<br />

Kalkulationsfreiheit des Bieters begründet. Für den Bereich außerhalb der VOB/A mag so<br />

kalkuliert und verhandelt werden. Im Bereich submittierter Angebote nach VOB/A gilt, dass<br />

der Bieter nur eine reale Zuschlagschance hat, wenn er zur Submission – ohne Preisverhandlungsmöglichkeit<br />

– seine definitiv letzten Einheitspreise benennt. Er legt also mit der<br />

Submission sein Angebotspreisniveau in nur einem „Schuss“ fest. Macht der Bieter geltend,<br />

in einer Position einen Sondergewinn oder überhaupt Gewinn kalkuliert zu haben<br />

und kann aufgezeigt werden, dass in irgendeiner anderen Position im Leistungsverzeichnis<br />

eine Kostendeckung kleiner eins vorliegt, liegt im Übrigen ohnehin eine Mischkal-<br />

122 Z. B. bei Opitz, Preisermittlung für Bauleistungen, 1949, folgt die Darstellung der Gliederung der Kosten der betriebswirtschaftlichen<br />

Kosten- und Leistungsrechnung, die bei den Kosten untergliedert nach Kostenarten, Kostenstellen<br />

und Kostenträgern. Derartige frühe Darstellungen befassen sich in Übereinstimmung mit der früheren und<br />

auch jetzigen betriebswirtschaftlichen Nomenklatur z. B. mit den betrieblichen Aufwendungen, dem Wagnis und<br />

dem Gewinn eines Bauunternehmens.<br />

123 Wöhe, a. a. O.<br />

124 zur Sittenwidrigkeit bei Rechtsgeschäften mit der öffentlichen Hand siehe BGH, Urteil vom 25.01.2006, Az.: VIII ZR<br />

398/03, NZBau 2006, 590; BGH, Urteil vom 23.02.2005, Az.: VIII ZR 129/04, NJW 2005, 1490; BGH, Urteil vom<br />

06.12.1989, Az.: VIII ZR 310/88, NJW 1990, 567, 568; BGH, Urteil vom 09.10.1991, Az.: VIII ZR 19/91, NJW 1992,<br />

310; BGH, Urteil vom 15.03.1990, Az.: III ZR 248/88, NJW-RR 1990, 750<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

155


156<br />

kulation (eine kalkulatorische Quersubventionierung zwischen Positionen) vor, die den<br />

Ausschluss sogar auf der ersten Wertungsstufe begründet. 125 Denn der angebliche Gewinn<br />

der einen Position ist solange kein Gewinn, sondern nur Quersubventionierung, solange<br />

nicht alle Positionen im Leistungsverzeichnis einen Kostendeckungsgrad von gleich<br />

bzw. größer eins aufweisen. Die Ausrede mit dem „Sondergewinn“ führt in diesem Fall<br />

letztlich nur dazu, dass ein weiterer Ausschlussgrund, ein Ausschluss auf der ersten Wertungsstufe<br />

wegen unzulässiger Mischkalkulation, zu prüfen ist.<br />

b) Wann liegt objektiv ein Fehler der Ausschreibung vor und wann ist ein objektiv vorliegender<br />

Fehler im LV für den Bieter offensichtlich?<br />

Die Feststellungen können sich unmittelbar aus dem LV ergeben, etwa in der Art und Weise,<br />

wie das OLG Nürnberg im oben geschilderten Fall 126 die LV-Mengen für Abtrag und Andeckung<br />

des Oberbodens, also korrespondierende Mengen, miteinander verglichen hat. Der Senat hatte<br />

angesichts der gegebenen Umstände keinen Zweifel daran, dass die Firma den Mengenfehler<br />

bei der Ausschreibung erkannt und ihre Gestaltung der angebotenen Einheitspreise alleine<br />

daran orientiert hat. Die Feststellungen können sich z. B. auch aus dem Vergleich des Leistungsverzeichnisses<br />

mit den der Ausschreibung beiliegenden Plänen ergeben. Ergibt sich z. B.<br />

hieraus ein Übertragungsfehler und sind genau in den betreffenden Positionen signifikant hohe<br />

bzw. niedrige Einheitspreise angegeben, lässt dies ebenfalls den Schluss auf die Kenntnis des<br />

Bieters von dem Ausschreibungsfehler zu.<br />

6 Zusammenfassung<br />

Wer als Bieter Mängel im LV erkennt, sich aber dem Auftraggeber gegenüber vorsätzlich blind<br />

stellt und den Fehler durch Mengenspekulation und Preisverlagerungen für sich auszunutzen<br />

gedenkt, verletzt seine vorvertragliche Hinweispflicht und handelt rechtsmissbräuchlich. Der<br />

Bieter will mehr als er im Leistungswettbewerb mit seinen Mitkonkurrenten erzielen könnte. Er<br />

baut auf dem Fehler im LV auf, um sich außerhalb des Leistungswettbewerbs und außerhalb<br />

des Leistungsvertrages zu Lasten des öffentlichen Bauherrn einen Vorteil zu verschaffen. Die<br />

vom Bieter durch seine Preisgestaltung geschaffene Problematik liegt insbesondere in dem<br />

vorsätzlichen und vorvertrags- und vertragswidrigen Kalkül, sich einen Vermögensvorteil außerhalb<br />

des Preisfortschreibungssystems des § 2 VOB/B unter bewusstem Ausnutzen eines<br />

Fehlers des Verhandlungspartners zu verschaffen. Mit Blick auf den Wertungsvorgang beabsichtigt<br />

der Bieter, sein letztlich höheres Preisniveau der Abrechnung für den Wertungsvorgang<br />

zu verstecken. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass der Wertungsvorgang grundsätzlich<br />

nur mit den Vordersatzmengen zu erfolgen habe. Denn darin liegt gerade das rechtsmissbräuchliche<br />

Kalkül des so agierenden Bieters. Dass der Bieter den Auftraggeber nicht auf<br />

den Fehler im LV hingewiesen hat und zudem seine Absicht, wesentlich höher abzurechnen,<br />

durch seine Preisgestaltung vorbereitet und dem Auftraggeber gegenüber versteckt hat, muss<br />

beim dolos handelnden Bieter bei der Wertung berücksichtigt werden. Dies folgt auch aus dem<br />

§ 162 BGB zugrunde liegenden allgemeinen Rechtsgedanken, dass niemand aus seinem<br />

treuwidrigen Verhalten Vorteil ziehen darf. Der BGH betrachtete den Auftragnehmer bisher bei<br />

dessen Verhalten als Bieter und zog daraus Schlüsse für die Frage der Berechtigung von<br />

Nachtragsforderungen. Es wäre inkonsequent, wenn das Bieterverhalten als solches nicht<br />

125<br />

siehe BGH, Beschluss vom 18.05.2004, Az.: X ZB 7/04, VergabeR 2004, 473<br />

126<br />

Hinweisbeschluss vom 18.07.2007, Az.: 1 U 970/07, IBR <strong>2008</strong>, 103<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


auch im Wertungszeitpunkt gewürdigt werden dürfte. Der frivol kalkulierende Bieter wird nicht<br />

erst durch den Zuschlag frivol. Er ist es bereits vor der Zuschlagserteilung. Ein Bieter darf insbesondere<br />

aber auch wegen Unzuverlässigkeit ausgeschlossen werden, wenn er nicht nur frivol<br />

kalkuliert, sondern Kenntnisse eines Ausschreibungsfehlers bewusst für sich auszunutzen<br />

versucht und deshalb nicht auf den Fehler hinweist. Er ist angesichts seiner Preisgestaltung<br />

„noch frivoler“ als die Rechtsprechung für Nachtragsforderungen festgestellt hat. Die Verpflichtung<br />

des öffentlichen Auftraggebers zur Beschreibung der Leistung nach § 9 VOB/A schränkt<br />

die Verpflichtung des Bieters zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des<br />

Auftraggebers als des anderen Teils gemäß § 241 Abs. 2 BGB nicht ein.<br />

Ein betriebswirtschaftlich nicht ausreichend begründbarer, signifikant gegenüber dem Vertragspreisniveau<br />

niedriger bzw. hoher Einheitspreis indiziert, dass der Bieter einen offensichtlichen<br />

Fehler erkannt hat und für sich ausnutzen will, wenn die Position einen objektiv und aus der exante-Sicht<br />

eines Bieters fehlerhaften, weil offensichtlich zu hohen bzw. zu niedrigen Vordersatz<br />

ausweist.<br />

Signifikant niedrig sind Einheitspreise, bei denen die Gestehungskosten des variablen Teils der<br />

direkten Kosten der Teilleistung wesentlich höher sind als der vom Bieter eingetragene Einheitspreis<br />

und die nicht mit kalkulatorischen Überlegungen des Bieters nachvollziehbar erklärbar<br />

sind.<br />

Signifikant hoch sind Einheitspreise, die sich nicht mehr mit dem ansonsten vorzufindenden<br />

Preisniveau des gesamten Angebots in Einklang bringen und auch nicht betriebswirtschaftlich<br />

erklären lassen. Ein ausreichender Anhaltspunkt dafür ist gegeben, wenn die konkret vom<br />

Bieter gewählte Preisgestaltung der einzelnen hoch bepreisten Positionen deren Zuschlagschance<br />

bei isolierter Wertung praktisch ausschließen würde. Der als Rechtfertigung angeführte<br />

angebliche Sondergewinn in einzelnen Positionen ist solange kein Gewinn, sondern nur Quersubventionierung<br />

von Kosten, also Mischkalkulation, solange nicht alle Positionen des Leistungsverzeichnisses<br />

einen Kostendeckungsgrad gleich bzw. größer eins aufweisen. Erst recht<br />

liegt ein signifikant hoher Einheitspreis in diesem Sinne vor, wenn er eine Größenordnung erreicht,<br />

die bei isolierter Betrachtung von Preis und Gegenleistung die Sittenwidrigkeit (§ 138<br />

BGB) nahe legt.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

157


Bauvertrag nach VOB: Außerordentlich überhöhte<br />

Einheitspreise sind nichtig, gehen Spekulationen bis zu dieser<br />

Grenze auf?<br />

Verfasser: Michael Stemmer<br />

Inhaltsübersicht Seite<br />

Gedanken zum Urteil des BGH vom 18.12.<strong>2008</strong>, Az.: VII ZR 201/06 160<br />

1 Einleitung 160<br />

2 Wesentlicher Sachverhalt der BGH-Entscheidung 161<br />

3 Wesentliche Aussagen im Urteil des BGH vom 18.12.<strong>2008</strong> 162<br />

158<br />

3.1 Grundsätzliches 162<br />

3.2 Prüfung der Sittenwidrigkeit, bezogen auf einzelne Einheitspreise 163<br />

3.3 Sittenwidrigkeit eines Preises bei auffälligem Missverhältnis zur<br />

Gegenleistung 164<br />

3.4 Eine außerordentlich überhöhte Vergütung begründet die widerlegbare<br />

Vermutung verwerflichen Gewinnstrebens 164<br />

3.4.1 Der Ansatz des BGH 164<br />

3.4.2 Die Besonderheiten des konkreten Falles 164<br />

3.4.3 Besonderheiten bei Mischkalkulation, bezogen auf die im<br />

Leistungsverzeichnis enthaltenen Mengen 165<br />

3.4.4 Nicht 800-fach, sondern rd. 34.000-fach überhöhter Preis 166<br />

3.4.5 Zur spezifischen Sittenwidrigkeit des Preisansatzes beim<br />

VOB/B-Vertrag 168<br />

3.4.6 Sittenwidrigkeit der Preisfortschreibung als solcher 168<br />

3.5 Häufige, jedoch nicht tragfähige Argumente zur Ausräumung des<br />

vermuteten verwerflichen Gewinnstrebens 169<br />

3.5.1 Üblicher Preis und Beweislast 169<br />

3.5.2 Argumente gegen verwerfliches Gewinnstreben 169<br />

3.5.2.1 Freie Preisgestaltung und Kompensation durch<br />

unauskömmliche Einheitspreise 169<br />

3.5.2.2 Kalkulationsfreiheit und spekulativ überhöhte Einheitspreise 170<br />

3.5.2.3 Unterlassene Preisaufklärung bei der Wertung 170<br />

3.5.2.4 Sittenwidriger Einheitspreis und Gesamtpreis 170<br />

3.5.2.5 Ausschreibungsfehler und Spekulationspreise 171<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Seite<br />

3.5.3 Sonderfall Mischkalkulation 172<br />

3.5.4 Weitere Argumente der Praxis gegen sittenwidrige Preisgestaltung 173<br />

3.5.4.1 Argument hoher Wagniszuschlag 173<br />

3.5.4.2 Einbeziehung künftiger Schwierigkeiten 174<br />

3.6 Die Nichtigkeit der Preisvereinbarung ändert nicht die Ausführungspflicht 174<br />

3.7 Spekulationen, wie sie in der Baupraxis zunehmend üblich sind, sind sittlich<br />

verwerflich 174<br />

3.8 An die Stelle der nichtigen Preisvereinbarung tritt der übliche Einheitspreis 176<br />

3.9 Der Umstand, dass es zu Mengenmehrungen kommt, führt nicht zu einem<br />

Wegfall der Geschäftsgrundlage 176<br />

3.10 Für Preisvereinbarungen nach § 2 Nrn. 3 und 5 VOB/B hat die Baufirma<br />

ihren Anspruch schlüssig darzulegen und dazu die dem Vertrag zugrunde<br />

liegende Kalkulation vorzulegen 178<br />

3.10.1 Grundlegende Struktur der VOB/B 178<br />

3.10.2 Unplausible, nicht nachvollziehbare Positionskalkulation 179<br />

4 Fallgestaltungen, die nicht Gegenstand des BGH-Urteils waren 180<br />

4.1 Unzutreffende Kalkulation der Einheitspreisposition 180<br />

4.2 Plausible, aber den Wettbewerb verzerrende Kalkulation 181<br />

4.3 Preisfortschreibung und Verbrauchervertrag 183<br />

5 Zusammenfassung 184<br />

5.1 Besonderheit des Bauvertrages 184<br />

5.2 Unauskömmlich niedriger Einheitspreis 185<br />

5.3 Signifikant hoher Einheitspreis 185<br />

5.3.1 Sittenwidrig überhöhter Einheitspreis 185<br />

5.3.2 Unplausibel hohe Kalkulation 186<br />

6 Abschließende Gedanken 187<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

159


Gedanken zum Urteil des BGH vom 18.12.<strong>2008</strong>, Az.: VII ZR 201/06 1<br />

§ 2 Nr. 3 Abs. 2 und Nr. 5 VOB/B tragen dem Umstand Rechnung, dass es bei Baumaßnahmen<br />

häufig zu Mehrmengen oder zu Leistungsänderungen kommt. Für die Mehrmengen und<br />

für die Leistungsänderungen ist auf der Grundlage des in der jeweiligen Position ausgewiesenen<br />

Einheitspreises ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu<br />

vereinbaren. Ist der ursprüngliche Einheitspreis hoch, eventuell sogar außerordentlich hoch,<br />

und liegt der Preis weit, eventuell sehr weit über den beim Auftragnehmer entstehenden Kosten,<br />

könnte dieser bei umfangreichen Veränderungen eine Vergütung erlösen, die das Äquivalenzverhältnis<br />

von Leistung und Gegenleistung weit übersteigt. Baufirmen sind daher nicht<br />

selten bestrebt, durch entsprechende Preisgestaltung erhebliche Vorteile für künftige Veränderungen<br />

zu platzieren. Die Diskussion läuft unter dem Stichwort „fetter Preis bleibt fett, magerer<br />

bleibt mager“. Gibt es Grenzen für den „fetten“ Preis, gibt es nur die Grenze des sittenwidrig<br />

überhöhten Einheitspreises, ist darunter alles zulässig?<br />

1 Einleitung<br />

Mit Urteil vom 25.01.1996 2 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Auftragnehmer<br />

bei einer Preisbildung nach § 2 Nr. 5 VOB/B an einen unauskömmlichen Einheitspreis der Vertragsposition<br />

gebunden bleibt. Bei der Preisbildung nach § 2 Nr. 5 Satz 1 VOB/B „sind grundsätzlich<br />

die alten Preise zum Ausgangspunkt für die Neuberechnung zu nehmen ... Der Auftragnehmer,<br />

der sich bei Abgabe seines Angebotes der Möglichkeit einer Änderung des Bauentwurfes<br />

oder einer sonstigen Anordnung des Bauherrn bewusst sein muss, hat es in der<br />

Hand, seine Preise gründlich und auskömmlich zu kalkulieren; davon darf sein Vertragspartner<br />

regelmäßig auch ausgehen. Es ist daher nicht unangemessen, den Auftragnehmer daran festzuhalten.“<br />

Bei dieser Vorgabe war es aus der Sicht der Auftragnehmer nicht fernliegend, eine Kompensation<br />

des Nachteils zu niedriger Kalkulation durch „gute“, d. h. weit über den eigenen Kosten liegende<br />

Preise zu erlangen. Daraus entstand wohl die Ansicht: Wer Nachteile tragen muss, soll<br />

auch Vorteile abschöpfen dürfen. Zusammengefasst wurde dies in der These: „Schlechter<br />

Preis bleibt schlecht, guter Preis bleibt gut.“ Das Dilemma bei dieser Argumentation ist nur: Ist<br />

das Risiko guter bzw. schlechter Preise in gleicher Weise auf die Vertragsparteien verteilt?<br />

Sind die Preise, deren Höhe man die dahinter stehende Motivation nicht ansieht, für künftige,<br />

bei Vertragsabschluss noch ungewisse weitere Leistungen geeignet? 3 Können Motive für die<br />

Preisgestaltung überhaupt eine Rolle spielen oder kommt es allein auf die jeweilige Preishöhe<br />

an? Bestehen durch das Vergabeverfahren der VOB/A zulässige Vorgaben, die die grundsätzliche<br />

Freiheit des Unternehmers, wie er seine Preise kalkuliert, einschränken? Wirken derartige<br />

Erwartungen oder Vorgaben, z. B. die Erwartung, dass jeder Einheitspreis nur den tatsächlich<br />

verlangten, im Wettbewerb gefundenen Preis ausweist, oder die Vorgabe, dass nicht mischkal-<br />

1 veröffentlicht im Internet unter www.bundesgerichtshof.de/Entscheidungen und unter ibr-online<br />

2 Az.: VII ZR 233/94, BauR 1996, 378, 381<br />

3 Nur mit dem Gesamtpreis liegt für den Umfang der ausgeschriebenen Mengen (+/- 10 %) ein Preis vor, bei dem<br />

kompensatorische Überlegungen und das Motiv für die Preisgestaltung der einzelnen Positionen grundsätzlich<br />

keine Rolle spielen. Zu Ausnahmen bei niedrig spekulierten Preisen für Leistungen, deren Umfang geringer wird<br />

oder die später wegfallen, siehe unten Abschnitt 4.4.<br />

160<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


kuliert wird 4 , nach Vertragsabschluss fort, und wenn ja, wie? Wie stellt sich die Rechtsprechung,<br />

die den Auftragnehmern die Verantwortung für unauskömmlich niedrige Preise auf<br />

Dauer belässt, zu guten/fetten Preisen?<br />

Es ist kein Wunder, dass das Urteil des BGH angesichts all dieser Fragen, die alle in die eine<br />

münden: bleibt guter Preis gut, kann weiterhin spekulativ kalkuliert werden, und wenn ja, bis zu<br />

welcher Grenze, mit Spannung erwartet wurde.<br />

Ist das nun vollständig vorliegende Urteil des VII. Senats vom 18.12.<strong>2008</strong> ein ähnlicher Paukenschlag<br />

wie es seinerzeit der Beschluss des X. Senats vom 18.05.2004 zur Unzulässigkeit<br />

von Mischkalkulationen war? 5 Bis dahin war es unerschütterliche Meinung der Auftragnehmer,<br />

die Freiheit der Preiskalkulation erlaube selbstverständlich die kalkulatorische Verschiebung<br />

von Preiselementen von einer Position in eine andere. Bringt das Urteil des VII. Senats Klarheit<br />

für die in der Praxis häufig notwendigen Preisfortschreibungen, die durch spekulative Preisgestaltungen<br />

zu mannigfachen Streitpunkten mit erheblichen finanziellen Ausmaßen geworden<br />

sind? 6<br />

Erste Kommentare und Meinungen bei einer Vortragsveranstaltung 7 sehen lediglich eine Einzelfallentscheidung,<br />

bei der die Baufirma den Bogen kalkulatorischer Freiheit in der Tat überspannt<br />

habe. Sittenwidrig überhöht angesetzte Preise seien aber sowohl der Anzahl als auch<br />

der Preishöhe nach extreme, selten vorkommende Ausnahmefälle. Spekulative Preisgestaltung<br />

unter der Grenze der Sittenwidrigkeit sei wie bisher möglich. 8 Ist das so? Was hatte der BGH<br />

zu entscheiden?<br />

2 Wesentlicher Sachverhalt der BGH-Entscheidung<br />

Die Klägerin (eine Baufirma) verlangte von der beklagten Auftraggeberin Restwerklohn in Höhe<br />

von rd. 1,7 Mio. €. Sie hatte im Leistungsverzeichnis (LV) für die Position 32.5.120 für 200 kg<br />

Betonstahl und ebenso für die Position 32.5.130 für 100 kg Betonstahlmatten jeweils<br />

2.210 DM/kg eingetragen. Der von einem gerichtlichen Sachverständigen bundesweit ermittelte,<br />

statistische, angemessene Preis betrug 2,47 DM/kg. Die Mengen erhöhten sich auf<br />

1.429,20 kg bzw. 302,50 kg. Die Klägerin verlangte für die über 110 % der ausgeschriebenen<br />

Mengen hinausgehenden Mengen einen geringfügig auf 2.045,15 DM/kg verringerten Preis.<br />

Das Berufungsgericht hielt den rd. 800-fach überhöhten Preis für nicht gerechtfertigt, meinte<br />

jedoch, ein 200-fach überhöhter Preis führe noch nicht zu einem schlichtweg unerträglichen<br />

Ergebnis. Es sprach der Baufirma deshalb 692.439,80 DM zu. Der BGH sah für den Ansatz<br />

des Berufungsgerichts keine Rechtsgrundlage im Gesetz, hob das Urteil auf und verwies den<br />

Rechtsstreit zurück. Die Zurückverweisung war erforderlich, um der Klägerin Gelegenheit zu<br />

geben, zur erstmals in der Revisionsinstanz thematisierten Vermutung verwerflicher Gesinnung<br />

4 BGH, Beschluss vom 18.05.2004, Az.: X ZB 7/04, BauR 2004, 1433<br />

5 a. a. O. (= Fußnote 4)<br />

6<br />

Spekulativ kalkulierte Angebote sind für den Wettbewerb der VOB ein Gräuel, so zu Recht Quack, Festschrift für<br />

Steffen Kraus, Werner Verlag, 2003, S. 217<br />

7 eines Auftragnehmerverbandes<br />

8<br />

„Spekulationspreise gibt es nicht!“ - so das Thema bei einem Symposium einer niederbayerischen Hochschule im<br />

Oktober <strong>2008</strong> und im März 2009<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

161


ei der Preisgestaltung Stellung zu nehmen und diese Gesinnung zu widerlegen. Außerdem<br />

hatte das Berufungsgericht keine Ausführungen dazu gemacht, wie es die neuen Preise für die<br />

Mehrmengen nach § 2 Nr. 3 Abs. 2 bzw. Nr. 5 VOB/B berechnete.<br />

3 Wesentliche Aussagen im Urteil des BGH vom 18.12.<strong>2008</strong><br />

3.1 Grundsätzliches<br />

Das Urteil des VII. Senats geht umfassend auf die Voraussetzungen und die Folgen ein, die<br />

sich aus der Sittenwidrigkeit und damit Nichtigkeit eines Einheitspreises für Preisfortschreibungen<br />

nach § 2 Nr. 3 Abs. 2 oder Nr. 5 VOB/B ergeben. Wann Sittenwidrigkeit im Einzelfall vorliegt,<br />

wann eine „außerordentlich überhöhte Vergütung“ zu bejahen ist, kann dabei nicht allgemein<br />

verbindlich beschrieben werden. Bei einem 800-fach überhöhten Preis lag die vom Auftragnehmer<br />

zu widerlegende Vermutung der Sittenwidrigkeit auf der Hand.<br />

Das Urteil erschöpft sich nicht in der Betrachtung eines signifikant auffälligen Einheitspreises<br />

nach § 138 Abs. 1 BGB. Unter der Prämisse, dass der im Rechtsstreit geltend gemachte Einheitspreis<br />

der Klägerin nicht sittenwidrig ist, gibt der BGH Hinweise, wie dieser Preis dann nach<br />

den vertraglich vereinbarten Regelungen des § 2 Nr. 3 Abs. 2 oder Nr. 5 VOB/B fortzuschreiben<br />

ist. Er stützt dabei die Auffassung des Landgerichts, die zum Ausgangspreis von<br />

2.210 DM/kg Betonstahl vorgelegte Kalkulation sei unplausibel. Die eingesetzten Kosten von<br />

720 DM/kg für Lohn, 1.319,52 DM/kg für Material und 170,48 DM/kg für Gerät seien – so führte<br />

das Landgericht aus – „willkürlich, lebensfremd und grotesk überhöht“ (BGH, Randnummer 39<br />

– RdNr. 39 – seines Urteils).<br />

Ist die Kalkulation für den im Vertrag vereinbarten Einheitspreis 9 unplausibel, können die ihm<br />

(angeblich) zugrunde liegenden Kalkulationsansätze für die Preisfortschreibung nach § 2<br />

Nrn. 3 oder 5 VOB/B für die Feststellung von Mehr- oder Minderkosten nicht herangezogen<br />

werden 10 . Entscheidend ist für den BGH, „ob die vorgelegte Kalkulation der Preisbildung tatsächlich<br />

zugrunde liegt“ (RdNr. 39). Ist das nicht der Fall, müssen die für die Mehrmenge entstehenden<br />

Kosten nach § 287 ZPO geschätzt werden (RdNr. 36). Dazu hat die Baufirma „die<br />

dem Vertrag zugrunde liegende Kalkulation vorzulegen“ (RdNr. 37).<br />

Wie ist es aber, wenn die vorgelegte Kalkulation zwar plausibel, aber im Verhältnis zu üblichen<br />

Wettbewerbsansätzen völlig verzerrt ist? Beispiel: Die Firma setzt den Stahlpreis nicht, wie im<br />

Fall des BGH, um das 894-Fache überhöht an, sondern „nur“ um das 8,94-Fache. Sie schlüsselt<br />

den Preis von 22,10 DM/kg unter Bezug auf den statistisch als angemessen festgestellten<br />

Preis von 2,47 DM/kg wie folgt auf: 1 DM Stoffkosten, 1 DM Lohnkosten, 0,05 DM Gerätekosten,<br />

0,15 DM Allgemeine Geschäftskosten (AGK), 0,15 DM Baustellengemeinkosten (BGK)<br />

sowie 0,06 DM Wagnis und 0,06 DM Gewinn. Die Firma trägt vor, sie habe alle diese Kalkulationsparameter<br />

mit den angegebenen Werten zugrunde gelegt. Nur den Gewinn habe sie statt<br />

mit 0,06 DM/kg mit weiteren 19,63 DM/kg kalkuliert (19,63 + 0,06 + 2,41 ergibt 22,10 DM/kg).<br />

Unterstellt, der „nur“ um das 8,94-Fache überhöhte Preis von 22,10 DM/kg sei nicht sittenwidrig,<br />

sind dann die über 110 % der ausgeschriebenen Mengen hinausgehenden Mengen mit<br />

diesem Gewinnansatz unverändert fortzuschreiben? Anders formuliert: Darf der Bieter unter-<br />

9<br />

im Folgenden auch als „Ausgangspreis“ bezeichnet<br />

10<br />

vgl. auch OLG München, Urteil vom 14.07.1993, Az.: 27 U 191/92, BauR 1993, 726<br />

162<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


halb einer (hier mit 22,10 DM/kg unterstellten) Grenze der sittenwidrigen Preisgestaltung seine<br />

Kalkulationsparameter der Einzelposition mit Blick auf Mengenmehrungen und Leistungsänderungen<br />

aufwands- und wettbewerbsfern völlig frei gestalten? Gibt es nur die Grenze der Sittenwidrigkeit<br />

oder enthält die VOB/B in § 2 Nr. 3 Abs. 2 bzw. Nr. 5 immanente Regelungsmechanismen?<br />

Die in der Praxis immer häufiger anzutreffende Argumentation, dass alle oder<br />

wesentliche Teile des mit dem Auftrag kalkulierten Gewinns in eine Position eingerechnet<br />

worden seien, hatte der BGH nicht zu beurteilen. Darauf wird am Ende der Ausführungen zurückzukommen<br />

sein. 11 Zunächst zu den wesentlichen Aussagen des BGH:<br />

3.2 Prüfung der Sittenwidrigkeit, bezogen auf einzelne Einheitspreise<br />

Kommt es während einer Baumaßnahme zu Mengenmehrungen, weil die erforderlichen Mengen<br />

nicht exakt vorausgeschätzt worden sind oder werden konnten, oder kommt es infolge ändernder<br />

Eingriffe des Bauherrn zu Mehrungen, so ist dafür ein neuer Preis nach § 2 Nr. 3<br />

Abs. 2 bzw. Nr. 5 VOB/B zu vereinbaren. Diese Vereinbarung kann isoliert auf Sittenwidrigkeit<br />

untersucht werden. Entscheidend ist, welcher Preis ursprünglich im Vertrag vereinbart war und<br />

wie er sich aufgrund der Regelungsmechanismen der VOB/B, wonach nur die durch die Änderung<br />

entstehenden Mehr- oder Minderkosten hinzuzurechnen bzw. abzuziehen sind, entwickelt<br />

(siehe BGH, RdNr. 9).<br />

Die VOB/B stellt ersichtlich auf einzelne Positionen, auf die in ihnen tatsächlich enthaltenen<br />

Preisermittlungsgrundlagen und auf die preislichen Auswirkungen von Leistungs- oder Mengenänderungen<br />

auf die jeweilige Position ab. Zu Recht untersucht deshalb der BGH die Preisfortschreibungsvereinbarungen<br />

der VOB/B ausschließlich mit Blick auf die jeweils betroffene<br />

Position (RdNr. 22).<br />

In der Praxis wird demgegenüber häufig, insbesondere im Zusammenhang mit Preisvereinbarungen<br />

für hinzukommende Leistungen nach § 2 Nr. 6 Abs. 2 VOB/B, unzutreffend so vorgegangen,<br />

dass im Vertrag eine vergleichbare Leistungsposition gesucht und deren Preis zugrunde<br />

gelegt wird. Das berücksichtigt nicht, dass sich die Vergütung nach § 2 Nr. 6 Abs. 2<br />

VOB/B nicht auf der Grundlage einzelner Einheitspreise, sondern nach den Grundlagen der<br />

Preisermittlung für den gesamten Vertrag und den besonderen Kosten der geforderten Leistung<br />

bestimmt. Auch im Zusammenhang mit Preisvereinbarungen nach § 2 Nr. 5 VOB/B ist es<br />

entgegen Kapellmann/Schiffers 12 für den Fall, dass im Leistungsverzeichnis mehrere vergleichbare<br />

Leistungen mit unterschiedlichen Preisen vorliegen, unzulässig, von einem gemittelten<br />

Preis auszugehen. Damit wird gegen das System der positionsbezogenen Mehr- oder Minderkosten<br />

verstoßen, dem Bieter wird ein von ihm nicht kalkulierter mittlerer Preis aufoktroyiert,<br />

der Bauherr wird an eine willkürliche Kalkulationsgrundlage gebunden. Zutreffend ist es, in einem<br />

derartigen Fall auf die Gesamtvertragskalkulation abzustellen.<br />

Ergänzend ist zum BGH auszuführen: Werden durch eine technische Veränderung mehrere<br />

Positionen berührt, ist die Auswirkung jeweils innerhalb der betroffenen Positionen zu untersuchen.<br />

Ohne Bedeutung ist der Preis des Gesamtvertrages (RdNr. 22).<br />

11 siehe Abschnitt 4.2<br />

12<br />

Kapellmann/Schiffers, Vergütung, Nachträge und Behinderungsfolgen beim Bauvertrag, Bd. 1, Einheitspreisvertrag,<br />

5. Aufl., 2006, Rdn. 1003<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

163


3.3 Sittenwidrigkeit eines Preises bei auffälligem Missverhältnis zur Gegenleistung<br />

Der BGH weist darauf hin, dass für die Sittenwidrigkeit eines Preises nach § 138 Abs. 1 BGB<br />

sowohl ein objektiv auffälliges, wucherähnliches Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung<br />

als auch das Hinzutreten subjektiver Umstände vorliegen müssen. Dabei sind die subjektiven<br />

Umstände häufig einem direkten Nachweis nicht zugänglich. Art und Ausmaß der objektiven<br />

Umstände können aber eine Vermutung für das Vorliegen der subjektiven Tatbestandsmerkmale<br />

begründen (RdNr. 11).<br />

Bei einem gegenüber üblichen Preisen 800-fach überhöhten Preis bedarf das Vorliegen eines<br />

auffälligen Missverhältnisses – so der BGH – keiner weiteren Erörterung. Entscheidend ist<br />

stets das Missverhältnis der einzelnen Position. Auf das Preisverhältnis des Gesamtvertrages<br />

kommt es nicht an (RdNrn. 13 und 14).<br />

Ergänzend ist zu den Ausführungen des BGH anzumerken, dass es für die Frage der Sittenwidrigkeit<br />

der Preisvereinbarung ohne Bedeutung ist, ob der Auftraggeber die VOB/B, gegebenenfalls<br />

die Klauseln des § 2 Nr. 3 Abs. 2 oder Nr. 5 VOB/B isoliert, selbst gestellt hat. Sittenwidrigkeit<br />

wird von der Rechtsordnung generell missbilligt.<br />

3.4 Eine außerordentlich überhöhte Vergütung begründet die widerlegbare Vermutung<br />

verwerflichen Gewinnstrebens<br />

3.4.1 Der Ansatz des BGH<br />

Der BGH stellt auf die Besonderheiten des Bauvertrages ab: „Die Vereinbarung eines außerordentlich<br />

überhöhten Preises für Mehrmengen fußt auf der Vereinbarung eines außerordentlich<br />

überhöhten Einheitspreises in der dem Preisanpassungsverlangen zugrunde liegenden Position<br />

des Leistungsverzeichnisses“ (RdNr. 15). Gibt der Bieter in der Ausgangsposition einen<br />

außerordentlich überhöhten Einheitspreis an, besteht die widerlegbare Vermutung, dass er in<br />

dieser Position auf eine Mengenmehrung und damit auf einen außerordentlichen Gewinn ohne<br />

entsprechenden Gegenwert für den Auftraggeber hofft. Die Hoffnung bzw. Erwartung des Bieters<br />

kann auf einem Informationsvorsprung, auf Erfahrungssätzen oder sogar auf der Gewissheit<br />

von Mengenmehrungen beruhen. Das Verhalten widerspricht dem für Bauverträge typischen,<br />

von Treu und Glauben geprägten Leistungsaustausch. Die Spekulation auf deutlich<br />

überhöhte Einheitspreise ist „vertragsuntypisch“ (RdNr. 15) und mit einem fairen Umgang der<br />

Vertragsparteien miteinander nicht zu vereinbaren. Es ist Sache des Auftragnehmers, die<br />

durch die Preisgestaltung begründete Vermutung sittlich verwerflichen Gewinnstrebens auszuräumen<br />

(RdNr. 16).<br />

3.4.2 Die Besonderheiten des konkreten Falles<br />

Ergänzend zu den Ausführungen des BGH ist für den untersuchten Fall auf Folgendes hinzuweisen:<br />

Der vom Auftragnehmer mit 2.210 DM/kg in die streitbetroffenen Positionen eingesetzte<br />

Preis entspricht (auch insoweit noch überhöht) allenfalls einem Preis pro Tonne. Dem<br />

Handeln des Auftragnehmers können aus der Sicht der Praxis zwei Ursachen zugrunde liegen:<br />

Da die Mengen für die Betonstahlarbeiten regelmäßig in Tonnen ausgeschrieben werden,<br />

könnte der Auftragnehmer übersehen haben, dass es in der konkreten Position um die Gewichtsangabe<br />

Kilogramm ging. Möglich wäre auch, dass der Auftragnehmer darauf setzte,<br />

dass der eingetragene, einem Tonnen-Preis entsprechende Preis bei der Wertung übersehen<br />

werden würde, weil auch der Ausschreibende von Tonnen-Preisen ausging, wie sich mögli-<br />

164<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


cherweise aus anderen Positionen des Leistungsverzeichnisses ergab. Zudem konnte der<br />

Bieter angesichts der in anderen Positionen ausgeschriebenen Mengen an Beton evtl. mit<br />

Mehrungen beim Stahl rechnen. Beton und Stahl stehen regelmäßig in einem Mengenverhältnis.<br />

Dem Preis sieht man das Motiv für die festgesetzte Höhe nicht an. Der BGH stellt auf Folgendes<br />

als Wesentlich ab: Ein außerordentlich überhöhter Einheitspreis der ursprünglichen Vertragsposition<br />

begründet die Vermutung sittenwidrigen Gewinnstrebens für den Fall künftig erforderlicher<br />

Preisanpassungen für Mehrmengen. Dabei kann es nach hiesiger Ansicht die Vermutung<br />

verwerflichen Gewinnstrebens verstärken, wenn es nicht nur um geringfügige, sondern<br />

um deutliche Mehrmengen geht.<br />

Aus dem Ansatz des Bundesgerichtshofs, dass es für die Vermutung der Sittenwidrigkeit auf<br />

den ursprünglichen überhöhten Preisansatz ankommt, kann allerdings nicht geschlossen werden,<br />

dass der Auftragnehmer die Vermutung eines sittenwidrigen Vorteils bereits ausräumen<br />

kann, indem er einen Irrtum bei der Preisbildung vorträgt, weil er versehentlich selbst von Tonnen-<br />

und nicht von Kilogramm-Preisen ausgegangen sei. Das verwerfliche Handeln liegt in der<br />

Perpetuierung seines unabsichtlichen (oder gegebenenfalls absichtlichen) Vorteils, der dem<br />

Bauherrn einen außerordentlichen Nachteil beschert.<br />

Im konkreten Fall wurde vorgetragen, dass nicht mischkalkuliert worden sei (RdNr. 17). Sollte<br />

die Baufirma tatsächlich, wofür einiges spricht, versehentlich den Tonnenpreis statt des Kilogrammpreises<br />

als Positionspreis eingetragen haben, so entstand für sie ein Dilemma besonderer<br />

Art: Gab sie ihren Irrtum zu, so war ihr die Geltendmachung des überhöhten Preises hiesigen<br />

Erachtens nicht nur für die Mehrmenge abgeschnitten, sondern auch für die Ausgangsmenge.<br />

Denn durch ihre Erklärung wurde dokumentiert, dass der Positionspreis 1.000-fach<br />

überhöht war. Ihn geltend zu machen wäre im konkreten Fall, da keinerlei Gegenleistung und<br />

keinerlei kompensatorischer Vorteil für den Bauherrn erkennbar sind, angesichts der Größenordnung<br />

des geforderten Betrags bereits bei irrtümlicher Preisgestaltung (und erst Recht bei<br />

absichtlicher Preisgestaltung) sittenwidrig gewesen. Für die ausgeschriebenen 300 kg erhielt<br />

die Firma 663.000 DM (300 kg x 2.210 DM/kg) statt 663 DM. Der Bauherr hat den Unterschiedsbetrag<br />

nicht geltend gemacht. Der BGH musste nicht entscheiden, ob die Vereinbarung<br />

eines derart überhöhten Preises für die im Leistungsverzeichnis geschätzte Menge wegen<br />

Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig sein kann (RdNr. 8). Bemerkenswert ist aber, dass<br />

der BGH diesen Aspekt, obwohl nicht entscheidungserheblich, anspricht (siehe auch den folgenden<br />

Abschnitt).<br />

3.4.3 Besonderheiten bei Mischkalkulation, bezogen auf die im Leistungsverzeichnis enthaltenen<br />

Mengen<br />

Das Urteil behandelt diesen Fall nicht. Es enthält aber Hinweise zum Aspekt des sittenwidrig<br />

überhöhten Preises für eine bereits im LV enthaltene Menge in den RdNrn. 30 ff. Der BGH<br />

stellt in RdNr. 30 klar, dass eine nichtige Preisvereinbarung auch dann durch eine mit der<br />

Rechtsordnung vereinbare Preisvereinbarung ersetzt werden kann, wenn sie lediglich ein Bestandteil<br />

einer Gesamtpreisvereinbarung ist und die Nichtigkeit der Vereinbarung dem von beiden<br />

Seiten verfolgen Zweck der Parteien zuwiderliefe, der Sittenverstoß sich eindeutig auf einen<br />

abtrennbaren Teil beschränkt und im Übrigen gegen Inhalt und Zustandekommen des Vertrages<br />

keine Bedenken bestehen.<br />

Da sich der Einheitspreisvertrag aus einzelnen Positionen mit eigenständiger Bedeutung zusammensetzt<br />

(vgl. RdNr. 22), steht nach hiesiger Auffassung nichts dagegen, auch die im Aus-<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

165


gangsvertrag enthaltenen Positionen je für sich auf sittenwidrig überhöhte Preise zu untersuchen.<br />

Die Sittenwidrigkeit, ein verwerfliches Gewinnstreben, wird dabei allerdings nicht stets<br />

festzustellen sein. Die überhöhten Preise werden durch unauskömmliche Preise kompensiert.<br />

Dem im Wettbewerb Preisgünstigsten kann kaum verwerfliches Gewinnstreben vorgehalten<br />

werden. Die Situation ist allerdings ganz anders, wenn der Auftragnehmer erkannt oder zu<br />

Recht vermutet hat, dass die von ihm billig bepreisten Positionen nicht oder nur in geringerer<br />

Menge anfallen, die überaus hoch bepreisten aber in vollem Umfang gebraucht werden. Dann<br />

erspart sich der Bauherr, anders als bei einem positionsbezogen korrekt kalkulierenden Bieter<br />

und entgegen dem vereinbarten System des § 2 Nr. 2 VOB/B, das auf eine Abrechnung der<br />

tatsächlichen Mengen mit dem je Position tatsächlich verlangten Preis abstellt, nicht den Betrag,<br />

den er sich bei positionsbezogen korrekten Preisen der wegfallenden Mengen erspart<br />

hätte. Den überaus hohen Preis der verbleibenden Positionen, der beim Auftragnehmer nur<br />

durch das „Sahnehäubchen“ der mischkalkulierenden Preisverknüpfungen mit den unauskömmlichen<br />

Preisen der wegfallenden Positionen möglich war, soll der Bauherr bezahlen -<br />

ohne auch nur annähernd eine entsprechende Gegenleistung zu erhalten? Auch in diesen<br />

Fällen wird künftig bei extremem Auseinanderfallen von Leistung und Gegenleistung § 138<br />

Abs. 1 BGB anzuwenden sein. 13, 14 Das gilt umso mehr, wenn der Auftragnehmer billig angebotene<br />

Leistungen vertragswidrig nicht ausführt, z. B. eine mit unauskömmlichen Preisen angesetzte<br />

Spundwand nicht herstellt, sondern statt dessen die Baugrube oder den Kanal geböscht<br />

ausführt. 15<br />

3.4.4 Nicht 800-fach, sondern rd. 34.000-fach überhöhter Preis<br />

Der BGH sieht eine Vermutung für ein sittlich verwerfliches Gewinnstreben des Auftragnehmers,<br />

wenn der nach § 2 Nr. 3 Abs. 2 oder Nr. 5 VOB/B zu vereinbarende Einheitspreis für<br />

Mehrmengen zu einer außerordentlich überhöhten Vergütung führt (im konkreten Fall zu einer<br />

800-fachen Überhöhung), weil der Auftragnehmer bereits in der betreffenden Position des Leistungsverzeichnisses<br />

einen ähnlich überhöhten Einheitspreis für die ausgeschriebene Menge<br />

angeboten hat. Erste Kommentierungen in der Literatur 16 wollen zur Frage der Sittenwidrigkeit<br />

offenbar auf den LV-Positionspreis abstellen: Ein um das 894-fach über dem üblichen Einheitspreis<br />

liegender Preis führe zur Vermutung der Sittenwidrigkeit der Preisbildung für die anfallenden<br />

Mehrmengen (2.210 DM/kg geteilt durch 2,47 DM/kg = 894). Der BGH spricht gerundet<br />

vom 800-fach überhöhten Preis (2.045,15 DM/kg [= für die Mehrmenge verlangter Preis] geteilt<br />

durch 2,47 DM/kg = 828).<br />

Der Preis ist jedoch in Wirklichkeit nicht um das rd. 800-Fache überhöht, sondern um das rd.<br />

34.000-Fache. Denn der Preis von 2,47 DM/kg setzt sich, wie wir mit üblichen Kalkulations-<br />

ansätzen nachvollzogen haben, aus durchschnittlich 1 DM Stoffkosten, 1 DM Lohnkosten,<br />

0,05 DM Gerätekosten, 0,15 DM AGK, 0,15 DM BGK, 0,06 DM Wagnis und 0,06 DM Gewinn<br />

zusammen. Wenn die Baustellengemeinkosten bereits durch die ausgeschriebenen Mengen<br />

13 Vgl. auch RdNr. 9: „Die Prüfung der Sittenwidrigkeit kann auf die Vereinbarung einzelner Einheitspreise und auch<br />

auf die Vereinbarung der Preisbildung für den Fall der Mengenmehrung beschränkt werden.“<br />

14 Wenn der spekulativ kalkulierende Bieter wegen Unzuverlässigkeit hätte ausgeschlossen werden können und der<br />

nächste, nicht spekulierende Bieter günstiger abgerechnet hätte, kann die Nichtinformation des Bauherrn über die<br />

Mischkalkulation im Übrigen zu einem Schadensersatzanspruch des Bauherrn gegen den Architekten führen.<br />

15 Gerade bei Baubehelfen ist ein derartiges Vorgehen nicht selten. Es wird gepaart mit dem (unzutreffenden) Argument,<br />

da der Baubehelf nicht in das Bauwerk eingehe, entstünden auch keine Mängelansprüche. Für eine Minderung<br />

der Vergütung sei zudem kein Raum, da der Aufwand für die Böschung ohnehin größer gewesen sei als der<br />

für die Spundung angesetzte Preis.<br />

16 siehe Leinemann, ibr-online 2009, 128<br />

166<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


erwirtschaftet sind, sind die tatsächlichen Kosten der Firma für die Mehrmengen der Einheitspreispositionen<br />

2,26 DM/kg (DM 1 + 1 + 0,05 + 0,15 + 0,06 für Wagnis). Bei insgesamt<br />

1.731,70 kg (1.429,20 kg [Pos. 32.5.120] + 302,50 kg [Pos. 32.5.130] abzüglich 110 % ausgeschriebener<br />

Menge [= 330 kg]) verbleiben ausgeführte 1.401,70 kg, für die Kosten von<br />

3.167,84 DM (1.401,70 kg x 2,26 DM/kg) entstanden sind. 17 Der Unterschiedsbetrag zur geltend<br />

gemachten Abrechnungssumme für die Mehrmengen bei den beiden Positionen beträgt<br />

2.863.518,91 DM (2.866.686,76 DM [1.401,70 kg x 2.045,15 DM/kg] minus 3.167,84 DM). Dies<br />

ist der Vorteil, den die Firma tatsächlich verlangt hat. Sie hat ihren Gewinn, der bei 1.401,70 kg<br />

x 0,06 DM/kg bei 84,10 DM lag, um das rd. 34.000-Fache erhöht (2.863.518,91 DM geteilt<br />

durch 84,10 DM = 34.048). Da eine Baufirma im Bauhauptgewerbe im Durchschnitt 3 % bis<br />

5 % Gewinn pro Auftrag erwirtschaftet, bedeutet eine 800-fache Überhöhung des ursprünglichen<br />

Positionspreises bei 5 % Gewinnansatz einen 16.000-fachen Vorteil. Der gegenüber<br />

einem üblichen Preis verdoppelte Positionspreis enthält 20 zusätzliche Gewinneinheiten zu<br />

5 %. Bei 800-facher Überhöhung ergibt sich ein 16.000-facher Vorteil (20 Gewinnanteile x<br />

800) 18 .<br />

Eine regulär kalkulierende Firma muss also, bezogen auf einen verdoppelten Positionspreis,<br />

einen Mehrumsatz in Höhe des 20-fachen Gewinns machen, wofür sie erst einmal entsprechende<br />

Aufträge braucht, um zum gleichen Ergebnis zu kommen wie der spekulierende Auftragnehmer.<br />

Dieser Ansatz macht deutlich, dass der Auftragnehmer über seine Preisgestaltung zum einen<br />

vom Bauherrn einen durch den Verdacht verwerflichen Gewinnstrebens geprägten, überhöhten<br />

Preis verlangt. Zugleich wird etwas anderes deutlich: Der gesamte Sinn des Wettbewerbs wird<br />

pervertiert. Der Auftragnehmer verschafft sich durch seine (bei Mischkalkulation zudem verdeckte)<br />

Preisgestaltung auch zu Lasten aller weiteren Firmen einen nicht gerechtfertigten Vorteil.<br />

Während der Gesamtangebotspreis als preiserhebliches Zuschlagskriterium den Eindruck<br />

erweckt, der Bieter sei der preisgünstigste, ist in Bezug auf die bei Bauaufträgen unvermeidlichen<br />

Veränderungen (weshalb § 2 Nrn. 3, 5 und 6 VOB/B gerade geschaffen wurden) durch<br />

die Einheitspreisgestaltung das Einfallstor für inadäquate Preissteigerungen geöffnet. Mit diesem<br />

Verhalten, das ein weiteres Gepräge der Sittenwidrigkeit hat, werden entgegen § 2 Nr. 1<br />

Satz 3 VOB/A, der Verhaltensweisen sowohl auf der Nachfrager- als auch auf der Anbieterseite<br />

betrifft 19 , die konkurrierenden Firmen im Einzelfall und gegebenenfalls auf Dauer verdrängt. Mit<br />

§ 2 Nr. 1 Satz 3 VOB/A wurde an alle Auswüchse des Wettbewerbs gedacht, auch an unlautere<br />

Konkurrenzmittel. 20 Wer sich an Vergabeverfahren der VOB/A beteiligt, erhält Rechte zugesprochen,<br />

er muss andererseits Verhaltensregeln beachten, z. B. keine Absprachen zu treffen,<br />

nicht mischzukalkulieren, je Einheitspreisposition den tatsächlich verlangten Preis anzugeben<br />

und die Kalkulationsansätze der Einheitspreispositionen bei Preisfortschreibungen im<br />

Verhältnis zur Vertragskalkulation plausibel zu machen. § 2 Nr. 1 Satz 3 VOB/A betrifft die<br />

Vertragsanbahnung. Sein Inhalt ist aber nicht auf den Zeitraum bis zum Vertragsabschluss begrenzt.<br />

Die VOB sieht in ihren Teilen A und B von Anfang an später notwendige Vertragserweiterungen<br />

oder Vertragsänderungen mit Auswirkungen auf die Vergütung vor. Das wird bei<br />

17<br />

Sind die Baustellengemeinkosten noch nicht erwirtschaftet, ergeben sich Kosten von 3.378,10 DM (1.401,70 kg x<br />

2,41 DM/kg).<br />

18 Beim Positionspreis von 2,47 DM/kg und einem Gewinnanteil von 0,06 DM/kg beträgt der Gewinnansatz im Fall<br />

des BGH 2,4 %. Deshalb ergibt sich die mehr als doppelte, nämlich die oben ermittelte 34.000-fache Gewinnverbesserung.<br />

19 siehe Heiermann, Riedl, Rusam, Handkommentar zur VOB, 10. Aufl., 2003, VOB/A § 2 Rdn. 23<br />

20 siehe Ingenstau/Korbion/Schranner, 15. Aufl., 2004, VOB/A § 2 Rdn. 33<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

167


Mengenveränderungen, die sich ohne Eingriff des Bauherrn ergeben, unmittelbar über § 2<br />

Nr. 3 VOB/B abgewickelt. Entsprechendes geschieht über die einseitigen Leistungsbestimmungsrechte<br />

des Bauherrn nach § 1 Nrn. 3 und 4 VOB/B, die Vergütungsfolgen nach § 2<br />

Nrn. 5 und 6 VOB/B auslösen. Folge ist, dass die oben genannten Verhaltensregelungen zum<br />

Vertragsabschluss, daneben z. B. auch das Preisverhandlungsverbot, in dieser weiteren Stufe<br />

unmittelbar fortwirken.<br />

3.4.5 Zur spezifischen Sittenwidrigkeit des Preisansatzes beim VOB/B-Vertrag<br />

Die Besonderheit des Bauvertrages nach VOB/B ist, dass der ursprüngliche, die Mengen des<br />

Leistungsverzeichnisses +/- 10 % zugrunde legende Vertrag und der so berechnete Angebotsgesamtpreis<br />

nicht sittenwidrig, vielmehr als Ergebnis des Preiswettbewerbs ein für beide Parteien<br />

sachgerechter Preis ist. Erst durch die Aufteilung in einzelne Positionspreise, die als solche<br />

– anders als bei Firmen untereinander oder bei Verträgen mit nicht-öffentlichen Auftraggebern<br />

– nicht verhandelbar sind, entstehen die Verzerrungen durch Kalkulationsansätze, die<br />

dem Gesamtvertrag gerade nicht zugrunde liegen.<br />

Aus dem Urteil des BGH ergibt sich nicht, ab welcher Grenze ein Einheitspreis sittenwidrig<br />

überhöht ist. Das musste der BGH schon bei der von ihm angenommenen 800-fachen Erhöhung<br />

nicht entscheiden. Die Zurückverweisung an das Berufungsgericht, damit die Baufirma<br />

die Gelegenheit erhält, die Vermutung sittenwidriger Preisgestaltung zu widerlegen, beruht<br />

ausschließlich auf dem verfassungsrechtlichen Recht auf rechtliches Gehör, weil die Thematik<br />

sittenwidriger Preisgestaltung im Berufungsverfahren nicht angesprochen worden war. Der<br />

BGH nennt in diesem Zusammenhang eine Reihe von Gründen, die überhöhter Preisgestaltung<br />

zugrunde liegen können, z. B. Informationsvorsprung des Bieters, Spekulation, Erfahrungssatz<br />

oder Tatsachen (RdNr. 15).<br />

3.4.6 Sittenwidrigkeit der Preisfortschreibung als solcher<br />

Die Preisbildung bei den Positionen des Ausgangsvertrages ist nur Indiz. Da die je Position<br />

vereinbarte Preisfortschreibung einen eigenständigen Charakter hat (RdNr. 9), kann es auf das<br />

Motiv der ursprünglichen Preisbildung nicht ausschließlich ankommen. Auch die im Zeitpunkt<br />

der Preisfortschreibung manifestierte Erkenntnis, einen außerordentlichen Gewinn zu erzielen,<br />

der zu nicht eingeplanten Mehrkosten beim Auftraggeber führt, denen insbesondere kein entsprechender<br />

Gegenwert gegenübersteht, muss nach hiesiger Ansicht genügen.<br />

Es ist geboten, dass alle billig und gerecht Denkenden darüber nachdenken, ob Gewinnmaximierungen<br />

im mehr als zehnfachen Bereich gegenüber der Ausgangskalkulation (was bei 5 %<br />

Gewinn bereits beim 1,5-fachen des üblichen Preises vorliegt) in der Rechtsordnung hingenommen<br />

werden können, sollen oder müssen. Denn die Rechtsordnung kann kein Verständnis<br />

dafür aufbringen, dass ein Unternehmer aufgrund eines Ausschreibungsfehlers 21 einen völlig<br />

unangemessenen Gewinn für eine Position erlangen kann und dabei gleichzeitig gegen die<br />

Prinzipien der öffentlichen Vergabe verstößt, die jedenfalls im Grundsatz gewährleisten sollen,<br />

dass der Bauauftrag zu angemessenen Preisen vergeben werden soll (RdNr. 24). Wobei zu<br />

ergänzen ist, dass der Auftrag nicht nur so vergeben, sondern insgesamt (auch für notwendige<br />

Mehrleistungen und Veränderungen) auch so abgewickelt werden soll. Dies bekräftigt nicht<br />

nur, wie vom BGH erwähnt, § 2 Nr. 1 Satz 2 VOB/A, sondern noch viel mehr § 2 Nr. 6 VOB/B,<br />

der gerade für die Notwendigkeit bei der Ausschreibung nicht zu sehender oder übersehener<br />

21 Wobei es nicht einmal um eine Vorwerfbarkeit dieses „Fehlers“ geht. Der Fehler kann auch auf technisch nicht<br />

weiter aufklärbaren Bauumständen, beispielsweise im Baugrundbereich (Notwendigkeit von Bodenaustausch etc.)<br />

oder bei Umbaumaßnahmen, beruhen.<br />

168<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Leistungen auf das Preis- und Kalkulationsgefüge des gesamten Vertrages abstellt, also sicherstellt,<br />

dass der Wettbewerbspreis wettbewerbsgerecht fortgeschrieben wird. Da der Gewinnanteil<br />

von Baufirmen im Bauhauptgewerbe durchschnittlich 5 % des Positionspreises ausmacht,<br />

enthält ein im Verhältnis zum üblichen Preis doppelt so hoch angesetzter Einheitspreis<br />

nicht nur, wie bereits dargestellt, 22 weitere zwei, sondern weitere 20 Gewinnanteile, denen bei<br />

Mengenmehrungen und geänderten Leistungen keinerlei Gegenleistung gegenübersteht. Das<br />

Auseinanderklaffen von Leistung und Gegenleistung ist dabei umso größer, je größer die zusätzliche<br />

Menge ist.<br />

3.5 Häufige, jedoch nicht tragfähige Argumente zur Ausräumung des vermuteten<br />

verwerflichen Gewinnstrebens<br />

3.5.1 Üblicher Preis und Beweislast<br />

Es ist Sache des Auftraggebers darzulegen, dass der Einheitspreis der Position, deren Preis<br />

nach § 2 Nrn. 3 oder 5 VOB/B fortzuschreiben ist, außerordentlich überhöht ist. Maßstab ist der<br />

übliche Preis im Sinne des § 632 Abs. 2 BGB. Üblich ist der Einheitspreis, der zur Zeit des Vertragsschlusses<br />

für nach Art, Güte und Umfang gleiche Leistungen nach allgemeiner Auffassung<br />

der beteiligten Kreise am Ort der Werkleistung gewährt zu werden pflegt (RdNr. 33). Anhaltspunkte<br />

für den üblichen Preis können sich aus der Kostenberechnung des Architekten,<br />

aus vergleichbaren Leistungen, aus Kalkulationshandbüchern oder aus den Angeboten der<br />

weiteren Bieter ergeben. 23<br />

Ist der angesetzte Preis außerordentlich überhöht, ist es Sache des Auftragnehmers, die Umstände<br />

darzulegen, die die Vermutung des sittlich verwerflichen Gewinnstrebens ausräumen.<br />

Aus der Sicht der Praxis ist es erfreulich, dass der VII. Senat damit die Beweislastverteilung für<br />

die widerstreitenden Parteiinteressen klar strukturiert hat. 24<br />

3.5.2 Argumente gegen verwerfliches Gewinnstreben<br />

Der BGH untersucht eine Reihe von Argumenten, mit denen die Baufirma die Vermutung der<br />

Sittenwidrigkeit widerlegen wollte:<br />

3.5.2.1 Freie Preisgestaltung und Kompensation durch unauskömmliche Einheitspreise<br />

Die Baufirma trug vor: Die Vergabe- und Vertragsordnung eröffne den Baufirmen die Möglichkeit,<br />

ihre Preise beliebig zu bilden. Die Korrektur dieser Preise nach einer Mengen- oder Leistungsänderung<br />

sei nicht möglich, auch wenn sie deutlich überhöht seien. So wie die Firmen bei<br />

Mengenmehrungen oder Leistungsänderungen an niedrigen Preisen festgehalten würden,<br />

müssten sie auch hohe Preise nach den entsprechenden Tatbeständen durchsetzen können.<br />

Dies lässt der BGH mit dem Argument nicht gelten, die Darlegung räume nicht aus, dass der<br />

hohe Preis in den betreffenden Positionen allein deshalb gebildet worden ist, um aus diesen<br />

Positionen einen überaus hohen, jedenfalls positionsbezogen völlig unangemessenen, speku-<br />

22 siehe oben Abschnitt 3.4.4<br />

23 Diese sind allerdings nur hilfreich, wenn ihnen nicht ebenfalls Spekulationsabsichten zugrunde liegen.<br />

24<br />

Zum Mischkalkulationsbeschluss des X. Senats (Az.: X ZB 7/04, BauR 2004, 1433) ist bis heute leider umstritten,<br />

wen die Beweislast für das Vorliegen einer Mischkalkulation trifft.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

169


lativen Gewinn zu Lasten des Bauherrn zu erwirtschaften (RdNr. 18). Der BGH stellt damit auf<br />

den perpetuierenden Erfolg der ursprünglichen, überhöhten Einheitspreisposition ab. Weder<br />

lässt er das Argument der Freiheit zur Preisgestaltung noch als kompensatorischen Ansatz die<br />

Bindung an unauskömmlich niedrige Einheitspreise genügen.<br />

3.5.2.2 Kalkulationsfreiheit und spekulativ überhöhte Einheitspreise<br />

Der BGH lässt sich nicht auf den Verweis der Baufirma auf die Rechtsprechung zum Vergaberecht<br />

ein, nach der es in der Natur des Wettbewerbs um die Vergabe von Bauaufträgen liege,<br />

dass Unternehmen in unterschiedlicher Art und Weise und auch in unterschiedlichen Positionen<br />

ihre Gewinnerwartung realisierten (RdNr. 19).<br />

In der Tat geht es darum nicht. Jeder Unternehmer kann kalkulieren, wie es seinem Geschäftsbetrieb,<br />

seinen Gestehungskosten, seinen Vorteilen aus know-how oder seiner Gewinnerwartung<br />

usw. entspricht. Er steht damit im Vergabeverfahren im Wettbewerb. Dieser auf die Gesamtangebotssumme<br />

abstellende Wettbewerb zeigt (und ist insoweit Korrektiv), ob sich der<br />

Unternehmer durchsetzen kann. Ganz anders steht es um die Preisfortschreibung, die aufgrund<br />

späterer Veränderungen erforderlich ist. Für diesen Teil findet kein Wettbewerb statt.<br />

Äußerster Rahmen muss deshalb sein, dass es nicht zur Bildung anstößiger, weil spekulativ<br />

überhöhter Einheitspreise kommt, die das Maß dessen sprengen, was von der Rechtsordnung<br />

hingenommen werden kann (RdNr. 19). Dieser Rahmen begrenzt in jedem Fall den neu entstehenden<br />

Einheitspreis.<br />

3.5.2.3 Unterlassene Preisaufklärung bei der Wertung<br />

Die Beurteilung eines Rechtsgeschäfts als sittenwidrig wegen des einseitig motivierten übersteigerten<br />

Gewinnstrebens einer der Vertragsparteien scheitert nicht daran, dass die Gegenpartei<br />

diese Motivation im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung oder bei der Angebotswertung<br />

oder -prüfung erkennen konnte oder dass sie das Geschäft hätte verhindern können<br />

(RdNrn. 20 und 21).<br />

Die objektiv verwerfliche Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts hängt nicht vom Kenntnisstand<br />

des Vertragspartners ab. Hinzu kommt, dass es um künftige, im Zeitpunkt des Vertragsschlusses<br />

für den Bauherrn gerade noch nicht erkannte oder erkennbare Umstände geht, nämlich ob<br />

Mengenmehrungen oder Leistungsveränderungen erforderlich sein werden und wenn ja, in<br />

welchem Umfang.<br />

3.5.2.4 Sittenwidriger Einheitspreis und Gesamtpreis<br />

Unerheblich nach BGH ist es, dass die betroffenen Einheitspreispositionen lediglich einen Teil<br />

des Gesamtauftrags bilden und möglicherweise der Gesamtpreis auch nach der Mengenmehrung<br />

nicht anstößig ist. Das Wesen des Einheitspreisvertrages ist es, dass für einzelne<br />

Positionen Preise gebildet werden, die rechtsgeschäftlich vereinbart sind. Die Bedeutung dieser<br />

Preise erschöpft sich nicht darin, dass sie Teil einer Gesamtpreisbildung sind. Die Einheitspreise<br />

haben vielmehr eine eigenständige Bedeutung (RdNr. 22).<br />

Diesen Ausführungen des BGH ist uneingeschränkt zuzustimmen. Die Preisfortschreibungsregelungen<br />

der VOB/B (§ 2 Nrn. 3, 5 und 6 VOB/B) wollen sicherstellen, dass es bei Mehrmengen,<br />

Leistungsänderungen und zusätzlichen Leistungen nicht zu neuen Preisverhandlungen,<br />

losgelöst vom ursprünglichen Wettbewerb und mit der unerwünschten Folge eines vorübergehenden<br />

Baustillstands oder von Behinderungsschäden, kommt. Deshalb soll grundsätzlich an<br />

170<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


das angeknüpft werden, was schon vereinbart ist. An Sittenwidriges und damit Nichtiges kann<br />

nicht angeknüpft werden. 25<br />

3.5.2.5 Ausschreibungsfehler und Spekulationspreise<br />

Die Rechtsordnung kann kein Verständnis dafür aufbringen, dass ein Unternehmer aufgrund<br />

eines Ausschreibungsfehlers einen völlig unangemessenen Gewinn in einer Position erlangen<br />

kann und dabei gleichzeitig gegen die Prinzipien der öffentlichen Vergabe verstößt, die jedenfalls<br />

im Grundsatz gewährleisten sollen, dass der Bauauftrag zu angemessenen Preisen vergeben<br />

werden soll (RdNr. 24).<br />

Der BGH stellt damit die weit verbreitete Auffassung, dass es der Auftraggeber selbst ist, der<br />

wegen der von ihm gefertigten VOB-widrigen Ausschreibung die Ursache für diese Preiskalkulation<br />

der Baufirma gesetzt hat, zu Recht vom Kopf wieder auf die Füße. Häufig geht es nicht<br />

einmal um einen Ausschreibungsfehler. Denn oft ist es im Zeitpunkt der Ausschreibung gerade<br />

noch nicht klar, vielmehr völlig unsicher, ob und in welchem Umfang eine Leistung, z. B. Bodenaustausch<br />

oder Verbesserungsmaßnahmen bei einer Bodenstabilisierung, erforderlich sein<br />

wird. Kommt es zu größeren Mengen oder zu geänderten Leistungen, soll an eine ursprünglich<br />

korrekte Kalkulation, jedenfalls nicht an einen in der Erwartung weiterer Mengen oder eventuell<br />

notwendiger Leistungsänderungen gestalteten, das angemessene Maß ersichtlich übersteigenden<br />

Preis angeknüpft werden müssen. Müsste nach den Regelungen der VOB/B jeder Preis<br />

bis geringfügig unter die Grenze der Sittenwidrigkeit für Preisfortschreibungen akzeptiert werden,<br />

so wäre der Bauherr – zum Nachteil der Firma – besser beraten, derartige Leistungen gar<br />

nicht auszuschreiben. Denn für nicht vereinbarte Leistungen berechnet sich ein an den Gesamtwettbewerbspreis<br />

anbindender Preis nach § 2 Nr. 6 VOB/B. Oder der Bauherr weicht auf<br />

die Ausschreibung von Bedarfspositionen aus, was für die Firmen von erheblichem Nachteil ist,<br />

weil sie ihre Umlagen regelmäßig nicht in die Bedarfspositionen einkalkulieren können. 26<br />

Im Übrigen ist es illoyal und widerspricht dem Kooperationsgedanken des Bauvertrages, wenn<br />

der Bieter einen Fehler der Ausschreibung erkennt oder vermutet und ihn zu seinen Gunsten<br />

ausnutzt. Vergaberechtlich macht er sich damit unzuverlässig und kann ausgeschlossen werden,<br />

vertragsrechtlich ist sein Verhalten nicht schutzwürdig (vgl. RdNr. 24). Der BGH (vgl.<br />

RdNr. 23) geht davon aus, dass es die bauvertragsspezifische kooperative Zusammenarbeit<br />

gebietet, dass der Bieter erkannte Ausschreibungsmängel nicht zu Positionspreisen nutzt, die<br />

das angemessene Maß deutlich übersteigen.<br />

Wer wollte diesem Kooperationsgedanken des BGH widersprechen? Die Praxis sieht allerdings<br />

anders aus. Das EU-Vergaberecht hat den Firmen einen einklagbaren Anspruch darauf eingeräumt,<br />

dass der Bauherr die nachgefragte Leistung eindeutig und erschöpfend beschreibt (§ 97<br />

Abs. 7 GWB, § 9 VOB/A). Derartige Forderungen werden aber höchst selten erhoben. Die Firmen<br />

scheinen lieber darauf zu spekulieren, dass sich die Mengen und die Leistungen in der<br />

von ihnen erwarteten Richtung entwickeln und ihnen die Preisgestaltung über die These „fetter<br />

Preis bleibt fett“ bei Nachträgen Vorteile vermittelt. Das schadet nicht nur dem öffentlichen<br />

25 Ob es der auf fairen Leistungsaustausch (RdNr. 15) angelegten Vertragsordnung entspricht, dass der Auftraggeber<br />

an einen 1 Cent unter einem sittenwidrigen Preis liegenden Preis gebunden sein soll, wird noch zu hinterfragen<br />

sein (vgl. hierzu Abschnitte 3.10 und 4 sowie BGH, RdNr. 23, in der der BGH andeutet - was für seinen Fall<br />

nicht entscheidungserheblich war -, dass es bedenklich wäre, Positionspreise zu erzielen, „die das angemessene<br />

Maß deutlich überschreiten“).<br />

26 vgl. dazu Stemmer, Vergaberecht, Grundsätzliches und ausgewählte Fragen, Boorberg Verlag, S. 55 ff.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

171


Bauherrn und damit dem Steuerzahler, sondern auch den korrekt bietenden Firmen. 27 Auch<br />

unterhalb der EU-Schwellenwerte bestehen Einspruchsmöglichkeiten der Firmen. So sind in<br />

Bayern bei den Rechtsaufsichtsbehörden die sogenannten VOB-Stellen angesiedelt, die bei<br />

unkorrekten, lückenhaften, unklaren oder missverständlichen Ausschreibungen angerufen<br />

werden können. Zudem hat die Nichtbeachtung der Vergabevorschriften gegebenenfalls<br />

erhebliche Zuwendungskürzungen zur Folge.<br />

Wer als Bieter seine Rechte nicht durchsetzt, kann allerdings nicht erwarten, dass die Rechtsordnung<br />

sein spekulatives Verhalten akzeptiert oder schützt.<br />

3.5.3 Sonderfall Mischkalkulation<br />

Vom BGH nicht zu untersuchen war eine Fallgestaltung mischkalkulierter Einheitspreise.<br />

Mischkalkulationen sind bekanntlich verdeckte Preisverlagerungen von einer Position in eine<br />

andere. Erwartet der Bieter, dass ausgeschriebene Einheitspreispositionen wegfallen oder nur<br />

in geringerem Umfang anfallen, setzt er niedrige Preise ein. Hohe Preise werden eingesetzt,<br />

wenn Mengenmehrungen zu erwarten sind oder erhofft werden. Die Mischkalkulation dient<br />

dazu, durch Preisreduzierungen bei den korrespondierenden Positionen die Auftragschance,<br />

die durch ausschließlich hohe Preise in Positionen mit voraussichtlichen Mengenmehrungen<br />

reduziert wird, aufrechtzuerhalten. Da jede Einheitspreisposition für den Fall von Mehrmengen<br />

oder Leistungsänderungen für sich zu betrachten ist, bleibt der Auftragnehmer an den unauskömmlich<br />

niedrigen Preisansatz gebunden, wenn es in der dortigen Position überraschenderweise<br />

zu Mehrmengen kommt. Den Vorteil der hoch bepreisten Position kann der Auftragnehmer<br />

bei nachgewiesener Mischkalkulation nicht nutzen: Die Preisverlagerung, um einen nicht<br />

im Äquivalenzverhältnis stehenden Vorteil zu erhalten, ist bei außerordentlich überhöhter Preisfolge<br />

sittenwidrig, im Übrigen ausschreibungs- und vertragswidrig. Der Bieter, der sich am Ausschreibungsverfahren<br />

nach der VOB/A beteiligt, weiß, dass er keine mischkalkulierten Preise<br />

angeben darf, sondern je Position den tatsächlich verlangten Preis anzugeben hat. Der mischkalkulierte<br />

Preis ist gerade nicht der Preis, den er für die betreffende Position tatsächlich<br />

verlangt (siehe Beschluss des X. Senats vom 18.05.2004, Az.: X ZB 7/04, BauR 2004, 1433).<br />

Für die Preisfortschreibung von Mehr- oder Minderkosten nach § 2 Nr. 3 Abs. 2 und Nr. 5<br />

VOB/B ist es erforderlich zu wissen, wie der ursprüngliche Positionspreis kalkuliert wurde<br />

(RdNr. 37). Ergibt sich, dass der Auftragnehmer positionsfremde Preisbestandteile in die fortzuschreibende<br />

Einheitspreisposition einbezogen hat, kann der angegebene Preis generell nicht<br />

als Ausgangspunkt für die Berechnung der Mehr- oder Minderkosten verwendet werden. Die<br />

Kosten für die Mehrmenge bzw. für die geänderte Leistung sind dann nach § 287 ZPO zu er-<br />

27 Das Firmenverhalten spekulativer Preisgestaltung ist bei unseren Prüfungen häufig anzutreffen. Das Verhalten<br />

der Firmen ist nachvollziehbar, aber in der Sache nicht zu billigen: Die ausgeschriebenen Mengen und Leistungen<br />

stehen im Preiswettbewerb. Verdient wird häufig erst mit den Nachträgen. Bezeichnend ist die Antwort eines<br />

mittelständischen Unternehmers, der uns ansonsten als kompetent, zuverlässig und fair bekannt ist. Auf die<br />

Frage, warum er bei einer bestimmten Ausschreibung nicht angeboten habe, war die Antwort: Das Leistungsverzeichnis<br />

war zu korrekt. Da war nichts zu holen ...<br />

172<br />

Auch der Grundsatz der kooperativen Zusammenarbeit ist in der Praxis bei weitem nicht in der gewünschten<br />

Weise umgesetzt. Auf Auftraggeberseite wird viel zu wenig Wert auf umfassende und korrekte Leistungsbeschreibungen<br />

gelegt. Das sollte und darf von Auftragnehmerseite aber nicht dadurch pariert werden, dass man<br />

auf Nachfragen und den Anspruch auf Aufklärung verzichtet und stattdessen sein Heil oder seinen Vorteil in<br />

spekulativer Preisgestaltung sucht. Auch hierzu ist ein bezeichnendes Beispiel möglich: Ende der 90er Jahre<br />

wurden eine Reihe von Absprachen aufgedeckt. Die Bauwirtschaft gab sich daraufhin „Ethikmanagement-Regelungen“.<br />

Abgesehen davon, dass man ethische Gesinnung hat oder nicht hat, jedenfalls nicht managen kann, erwiderte<br />

man mir im Rahmen einer entsprechenden Veranstaltung auf die Frage, wie sich Bieter bei erkannten<br />

Fehlern des Leistungsverzeichnisses verhalten müssten: Es sei keinesfalls Sache der Auftragnehmer, den Auftraggeber<br />

auf Fehler hinzuweisen und so eigene Kalkulationsfreiheiten einzuschränken. Der Auftraggeber müsse<br />

sich an seinen Architekten oder Ingenieur halten. Wenn Ethikmanagement nur bedeutet, dass man keine Absprachen<br />

trifft und nicht falsch abrechnet, hat der Kooperationsgedanke des BGH nicht die Chance und nicht die<br />

Wirkung, die er verdient.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


mitteln, wenn der Auftragnehmer die notwendigen Grundlagen für eine Kostenschätzung benannt<br />

hat. Anders ausgedrückt: Die durch Mischkalkulation, d. h. durch verdeckte Preisverlagerung,<br />

hoch bepreiste Einheitspreisposition fällt aus dem üblichen Gefüge von Preis und Gegenleistung<br />

heraus und damit bei der Preisfortschreibung auf. Ihre Kalkulationsansätze sind bei<br />

einem Vergleich mit den Kalkulationsansätzen des Vertrages nicht plausibel zu erklären. Ohne<br />

dass es auf den Charakter der Preisposition als mischkalkulierte Position noch ankäme, muss<br />

der neue Preis, anknüpfend an BGH RdNrn. 36 ff. 28 , über § 287 ZPO ermittelt werden. Mischkalkulierten<br />

Angeboten kommt eine Indizwirkung zu, dass sie nicht den tatsächlichen je Position<br />

verlangten Preis ausweisen.<br />

3.5.4 Weitere Argumente der Praxis gegen sittenwidrige Preisgestaltung<br />

Über das Urteil des BGH hinaus sind weitere Fallgestaltungen denkbar.<br />

3.5.4.1 Argument hoher Wagniszuschlag<br />

Die Kalkulation eines signifikant hohen Preises einer Position kann plausibel sein, etwa wenn<br />

sich gerade in dieser Position ein besonderes technisches Risiko verwirklicht, wenn die Leistung<br />

unter erschwerten Rahmenbedingungen auszuführen ist, etwa im Winter, oder wenn Terminvorgaben<br />

einzuhalten sind, die vertragsstrafenbewehrt sind. Bei derartigen Fallgestaltungen<br />

stellt sich allerdings die Frage, ob es einer VOB-gemäßen Kalkulation entspricht, alle Risikoaspekte<br />

in eine Preisposition zu verlegen. Für die ausgeschriebenen Mengen mag das dahinstehen,<br />

denn der Risikoansatz allein in einer Einheitspreisposition egalisiert sich durch die notwendig<br />

knappe Kalkulation aller oder eines Teils der anderen Positionen angesichts der Notwendigkeit,<br />

dass der Wettbewerb gewonnen werden muss, bzw. des Umstands, dass der Wettbewerb<br />

gewonnen wurde.<br />

Kommt es gerade bei der mit hohem Wagniszuschlag bepreisten Position zu Mengenmehrungen<br />

oder zu geänderten Leistungen, ist als erstes zu prüfen, ob der (behauptete) Wagnisansatz<br />

sittenwidrig überhöht ist, sich jedenfalls für den vertragserweiternden Bereich der Mengenmehrung<br />

oder der Leistungsänderung sittenwidrig überhöht auswirkt. Dann ist der Wagnisansatz<br />

nichtig. Für das Hinzukommende oder Geänderte ist der Wagnisansatz nach § 287<br />

ZPO zu bestimmen. Ist der Wagnisansatz nicht sittenwidrig überhöht, ist als weiterer Schritt zu<br />

prüfen, ob sich die Mengen- oder Leistungsänderungen in Form von Mehr- oder Minderkosten<br />

auf den kalkulierten Wagnisansatz auswirken. Mehrmengen können bei entsprechender Vereinbarung<br />

den Termindruck erhöhen, so dass der hohe Ansatz für Wagnis weiterhin gerechtfertigt<br />

sein kann. Mehrmengen oder Veränderungen können gegenläufig dazu aber auch zu einer<br />

Verringerung des Wagnisses führen, beispielsweise wenn durch die Mehrmenge die Termin-<br />

und Vertragsstrafenvereinbarung obsolet wird oder wenn durch technische Veränderungen<br />

das ursprüngliche Risiko entfällt, beispielsweise weil eine andere Bodenart angetroffen<br />

wird oder weil sich der Bauherr für eine risikoärmere Gründung etc. entscheidet. 29<br />

Eine spezielle Situation ergibt sich, wenn der Auftragnehmer einen im Verhältnis zum Wert der<br />

in der Einheitspreisposition beschriebenen Leistung signifikant überhöhten Preis damit rechtfertigt,<br />

er habe gerade in dieser Position den gesamten Wagnisansatz für den Gesamtvertrag<br />

angesetzt, und es nun zu Mehrmengen kommt. Dann ist dieser Preis nicht geeignet, der hinzukommenden<br />

Menge zugrunde gelegt zu werden. In diesem Fall liegt zugestandenermaßen<br />

eine Konzentration von Wagnisanteilen in eine Position vor, die (nur) für die Preisfortschrei-<br />

28<br />

siehe dazu auch unten Abschnitt 3.10.2<br />

29<br />

Entsprechendes gilt generell bei jeder Reduzierung oder Erhöhung des ursprünglich kalkulierten Aufwands.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

173


ung im Sinne des § 2 Nr. 3 Abs. 2 oder Nr. 5 VOB/B nicht aufrechtzuerhalten ist. Oder man<br />

stellt mit dem BGH (was den Vorteil hat, dass die Mischkalkulation nicht thematisiert werden<br />

muss) darauf ab, dass der ausgewiesene Preis nicht die Kalkulationsansätze enthält, mit denen<br />

der Preis für die konkrete Leistung tatsächlich kalkuliert wurde. Dann liegt für die Mehrmenge<br />

oder die geänderte Leistung kein Positionspreis, kein „Grundpreis“ vor, der um Mehr-<br />

oder Minderkosten fortzuschreiben ist. Die Situation ist dem Fall des § 2 Nr. 6 VOB/B vergleichbar,<br />

bei dem kein Preis vorliegt, weil die Leistung ursprünglich nicht nachgefragt wurde.<br />

Es ist gerechtfertigt, in diesem Fall VOB/B-konform den Grundpreis analog § 2 Nr. 6 Abs. 2<br />

VOB/B zu ermitteln. Daraus ergibt sich die für beide Seiten faire Situation, dass der unverzerrte<br />

Wettbewerbspreis nach Maßgabe der Gesamtwettbewerbskalkulation ermittelt wird. Anknüpfend<br />

an diesen Preis sind die Mehr- oder Minderkosten festzustellen.<br />

3.5.4.2 Einbeziehung künftiger Schwierigkeiten<br />

Ein Argument, das die vermutete Sittenwidrigkeit einer Preisgestaltung nicht widerlegt, vielmehr<br />

verstärkt, ist folgendes in der Praxis anzutreffende: Es sei aus technischer Sicht von Anfang<br />

an erkennbar gewesen, dass die ausgeschriebene Menge oder Leistungsart nicht ausreichen<br />

werde. Im Vorgriff auf dadurch entstehenden Termindruck, höheren Aufwand, Umstellungsschwierigkeiten<br />

etc. sei der Ausgangspreis höher angesetzt worden.<br />

Wer derartige Sachkunde besitzt, handelt doppelt sitten- bzw. vertragswidrig. Zum einen bezieht<br />

er in die Ausgangsmenge bewusst Umstände ein, die als künftige dort nicht hingehören.<br />

Er erhöht damit unzulässig den Preis für die LV-Mengen. Zum anderen verschafft er sich die<br />

Möglichkeit, den bereits überhöhten Preis im Fall der Mehrmengen oder der Leistungsänderungen<br />

nochmals um die dann tatsächlich entstehenden Mehrkosten zu erhöhen. Ob tatsächlich<br />

sittenwidriges oder nur vertragswidriges Verhalten vorliegt, ist im Einzellfall zu entscheiden.<br />

Liegt Sittenwidrigkeit vor, ist auch der Preis für die LV-Mengen zu korrigieren. In jedem Fall<br />

sind die Mehrkosten für die geänderten Leistungen oder Mengen nicht anzusetzen, da sie bereits<br />

in die Ausgangsposition eingerechnet sind. 30<br />

3.6 Die Nichtigkeit der Preisvereinbarung ändert nicht die Ausführungspflicht<br />

Die Nichtigkeit einer Einheitspreisposition und die Nichtigkeit der Preisvereinbarung nach § 2<br />

Nr. 3 Abs. 2 bzw. Nr. 5 VOB/B wegen eines sittenwidrig überhöhten Einheitspreises führen<br />

nicht zur Gesamtnichtigkeit des Vertrages. Die Nichtigkeit bezieht sich jeweils auf einen abtrennbaren<br />

Teil. Gegen Inhalt und Zustandekommen des Vertrages bestehen im Übrigen keine<br />

Bedenken. Hätte die Nichtigkeit der Preisvereinbarung die Nichtigkeit der Leistungsvereinbarungen<br />

zur Folge, würde das den von beiden Parteien verfolgten Gesamterfolg des Bauvorhabens<br />

gefährden und zu Schwierigkeiten bei der Baudurchführung wegen des Erfordernisses<br />

neuer Preisvereinbarungen oder der Beauftragung eines dritten Unternehmers führen<br />

(RdNrn. 30 und 31).<br />

3.7 Spekulationen, wie sie in der Baupraxis zunehmend üblich sind, sind sittlich verwerflich<br />

Ab wann eine sittliche Verwerflichkeit mit der Folge der Nichtigkeit der Preisabredevereinbarung<br />

vorliegt, musste der BGH angesichts der angetroffenen Größenordnung nicht entschei-<br />

30 zur Problematik extrem hoher Gewinnansätze in einzelnen Positionen siehe Abschnitt 4.2<br />

174<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


den. Eine für die Praxis allgemein gültige Aussage wird sich auch nicht treffen lassen. Der<br />

Streit, ob ein angegebener Positionspreis bereits die „Qualität der Sittenwidrigkeit“ erreicht oder<br />

ob es sich um eine noch zulässige(!?) Spekulation handelt, ist vorprogrammiert. Die Frage<br />

muss mit dieser Pointierung gestellt werden, denn der BGH stellt in RdNr. 15 Mitte für die Vermutung<br />

der Sittenwidrigkeit auf einen „außerordentlich überhöhten“ Einheitspreis ab. Er fährt<br />

dann allerdings fort: „Diese Spekulation ist jedenfalls dann sittlich verwerflich, wenn sie zu<br />

dermaßen überhöhten Preisen führt, wie das hier der Fall ist.“ Durch das Wort „jedenfalls“ ist<br />

zum Ausdruck gebracht, dass Sittenwidrigkeit auch deutlich darunter vorliegen kann. Mit dem<br />

nächsten Satz: „Die vertragsuntypische Spekulation des Bieters durch Einsatz ‚deutlich überhöhter’<br />

Einheitspreise …“ relativiert der BGH den ursprünglichen Ansatz des „außerordentlich<br />

überhöhten“ Preises durch die Worte „deutlich überhöht.“ Bezieht sich das „außerordentlich“<br />

also nur auf den konkreten, in der Tat außerordentlichen Fall 31 und reicht der „deutlich überhöhte“<br />

Einheitspreis im Regelfall bereits aus? In RdNr. 32 führt der BGH aus: „Es kann bereits<br />

keine Rede davon sein, dass ein um das Zweihundertfache überhöhter Einheitspreis die Grenze<br />

einer sittlich verwerflichen Preisbildung nicht überschreitet. Das Berufungsgericht lässt sich<br />

offenbar von der Feststellung des Sachverständigen leiten, Spekulationen seien in der Baupraxis<br />

zunehmend üblich. Das belegt nicht, dass sie nicht sittlich verwerflich sind. Spekulationen<br />

mit derartigen Einheitspreisen führen zu erheblichen Verwerfungen bei der Beurteilung<br />

von Leistung und Vergütung in der entsprechenden Position und sind – wie auch der Senat aus<br />

eigener Erfahrung beurteilen kann – die Quelle von häufigen Auseinandersetzungen zwischen<br />

den Bauvertragsparteien, falls eine Mengenmehrung eintritt. Diese Auseinandersetzungen können<br />

die kooperative Abwicklung des Bauvertrags erheblich beeinträchtigen.“<br />

Die Argumentation des BGH, Spekulationen führen zu erheblichen Verwerfungen bei der Beurteilung<br />

von Leistung und Vergütung für die Mehrmengen, sie beeinträchtigen den kooperativen<br />

Bauvertrag und sie zerstören das notwendige Grundvertrauen, gilt nicht nur für sittenwidrig<br />

überhöhte Preise, sondern für jede Art von Preisverzerrung mit der Absicht, das im konkreten<br />

Wettbewerb gefundene Ergebnis im Verlauf der Baumaßnahme zum eigenen Vorteil und zum<br />

Nachteil des Bauherrn zu verändern. Außerordentlich oder deutlich überhöhte Einheitspreise<br />

begründen die vom Auftragnehmer zu widerlegende Vermutung sittenwidriger Übervorteilung.<br />

Unterhalb dieser Schwelle gibt es zwar keine zu Lasten der Baufirma sprechende Vermutung.<br />

Es muss dem Bauherrn aber unbenommen bleiben, den Beweis dafür anzutreten, dass die<br />

Preisgestaltung den Effekt hat, einen wettbewerbswidrigen Vorteil zu erlangen. Dafür kann<br />

z. B. sprechen, dass in einer Vielzahl von Positionen spekuliert wurde, dass die Spekulationen<br />

aufgehen und/oder dass tatsächlich Unrichtigkeiten im Leistungsverzeichnis vorliegen, die der<br />

Bieter bereits aus weiteren Angaben im Leistungsverzeichnis oder als fachkundige Firma erkannt<br />

hat. Unabhängig davon erschweren es die vorstehenden Gesichtspunkte dem Auftragnehmer,<br />

bei einem außerordentlich überhöht angesetzten Preis die Vermutung der Sittenwidrigkeit<br />

zu widerlegen. Im Übrigen ist daran zu erinnern, dass sich die Frage der Sittenwidrigkeit<br />

nicht erst bei einem vielfach überhöhten Positionspreis, sondern bereits bei einer vielfachen<br />

Gewinnsteigerung innerhalb einer z. B. mit 5 % Gewinn kalkulierten Einheitspreisposition ergibt.<br />

31 Focus Online titelte am 18.12.<strong>2008</strong>: „Ein Bauunternehmer wollte den Staat abzocken …“ Im Bericht heißt es: „Der<br />

Bund sollte als Auftraggeber mehr als 1,46 Mio. € nachzahlen. Bei einem Durchschnittspreis wären es dagegen nur<br />

1.766 € gewesen …“<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

175


3.8 An die Stelle der nichtigen Preisvereinbarung tritt der übliche Einheitspreis<br />

Die Auftragnehmer müssen sich darauf einstellen, dass sie entsprechend dem Urteil des BGH<br />

vom 25.01.1996 32 an unauskömmlich kalkulierten Einheitspreisen festgehalten werden und<br />

dass sie außerordentlich überhöhte Einheitspreise bei Mengenmehrungen und Leistungsänderungen<br />

nicht fortschreiben können. Statt der Fortschreibung des „fetten“ Preises schuldet der<br />

Bauherr den üblichen Preis.<br />

Die Anwendung des „üblichen Preises“ begründet der BGH mit folgenden Überlegungen: Dass<br />

die Parteien die Leistungsposition bepreisen wollten, steht fest (RdNr. 32). Verstößt eine Preisvereinbarung<br />

gegen ein gesetzliches Verbot, das eine Höchstgrenze vorsieht, tritt an die Stelle<br />

der nichtigen Vereinbarung der gesetzlich zulässige Höchstsatz. So ist es bei unzulässigen<br />

Höchstsatzüberschreitungen der HOAI. 33 Für Bauverträge gibt es aber keine derartige Höchstgrenze.<br />

Deshalb bietet sich nach dem BGH eine entsprechende Anwendung des § 632 Abs. 2<br />

BGB an, wonach die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen ist, wenn die Höhe der Vergütung<br />

nicht bestimmt ist (RdNr. 32). Infolge Nichtigkeit der Vergütungsvereinbarung ist eine<br />

Vergütung nicht bestimmt. Deshalb werde die übliche Vergütung geschuldet.<br />

Die übliche Vergütung ist allerdings etwas anderes als eine im Wettbewerb gefundene Vergütung.<br />

Die Parteien haben sich über die VOB/A zur Preisfindung auf die Durchführung eines<br />

Wettbewerbs verständigt, der, abgesehen von der nichtigen Vereinbarung, zu wirksamen<br />

Wettbewerbspreisen geführt hat. Deshalb liegt die analoge Anwendung des § 2 Nr. 6 Abs. 2<br />

VOB/B näher als die des § 632 Abs. 2 BGB. § 2 Nr. 6 Abs. 2 VOB/B stellt auf die Grundlagen<br />

der Preisermittlung für die vertragliche Leistung ab. Der Auftragnehmer muss sich hinsichtlich<br />

der nichtigen Preisvereinbarung so behandeln lassen, als habe er die begehrte Leistung korrekt<br />

in den Wettbewerb einbezogen. 34 Für die Mehrmenge muss sich der Auftragnehmer so behandeln<br />

lassen, als sei die erhöhte Ausführungsmenge zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses<br />

bereits bekannt gewesen und der Einheitspreis auf dieser Grundlage kalkuliert worden. 35<br />

Dem „üblichen Preis“ fehlt der dem vereinbarten Ausschreibungsverfahren zugrunde liegende<br />

Wettbewerbsaspekt. Beiden Parteien ist bewusst, dass sie sich in einem Ausschreibungsverfahren<br />

befinden. Die spekulative, sogar sittenwidrige Kalkulation wird mit dem Zugeständnis<br />

des üblichen Preises günstiger als die Wettbewerbskalkulation. Den Nachweis, dass der verlangte<br />

Preis der vertragsgerechte Preis im Sinne des § 2 Nr. 6 Abs. 2 VOB/B analog (bzw.<br />

nach dem BGH der übliche Preis im Sinne des § 632 Abs. 2 BGB) ist, hat der Auftragnehmer<br />

zu führen.<br />

3.9 Der Umstand, dass es zu Mengenmehrungen kommt, führt nicht zu einem Wegfall<br />

der Geschäftsgrundlage<br />

Im Rahmen der Revision unterstellt der BGH, dass der von der Baufirma geltend gemachte<br />

Preis von 2.045,15 DM/kg nicht sittenwidrig ist.<br />

32 Az.: VII ZR 233/94, BauR 1996, 378, 381<br />

33 Allerdings kann ein in Honorarfragen unkundiger Bauherr gegebenenfalls geltend machen, dass ihn der Architekt<br />

über die Strukturen der HOAI falsch informiert hat. Dann kann er sich im Einzelfall auf culpa in contrahendo und<br />

darauf berufen, dass er nur zu den Mindestsätzen abgeschlossen hätte.<br />

34<br />

Der 2. Halbsatz des § 2 Nr. 6 Abs. 2 VOB/B „und die besonderen Kosten der geforderten Leistung“ ist im Rahmen<br />

der analogen Anwendung nicht anzusetzen.<br />

35 ebenso Jansen, Beck´scher VOB-Kommentar, VOB/B § 2 Nr. 3 Rdn. 24<br />

176<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Das Berufungsgericht hatte angesichts der Höhe des ursprünglichen Positionspreises von<br />

2.210 DM/kg die Auffassung vertreten, dieser Preis müsse nach den Grundsätzen des Wegfalls<br />

der Geschäftsgrundlage auf das 200-Fache des üblichen Preises reduziert werden. Der<br />

BGH sieht für diesen Ansatz keine rechtliche Grundlage. Er kann nicht erkennen, was nach<br />

Auffassung des Berufungsgerichts die Geschäftsgrundlage ist, die weggefallen sein soll. Der<br />

BGH führt zutreffend aus: Die Positionspreise sind keine Geschäftsgrundlage des Vertrages,<br />

sondern Bestandteil der vertraglichen Preisvereinbarung. Gleiches gilt für die Mengenmehrung<br />

und den sich hierfür ergebenden Preis. Der Umstand allein, dass es zu einer Mengenmehrung<br />

gekommen ist, kann nicht die Anwendung der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage<br />

begründen. Denn insoweit enthält der Vertrag in § 2 Nrn. 3 und 5 VOB/B spezielle Regelungen,<br />

die den Regelungen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage und eine Anpassung<br />

des Vertrages vorgehen.<br />

Geschäftsgrundlage kann allerdings ein weiterer, vom BGH nicht angesprochener Gesichtspunkt<br />

sein, nämlich folgende wesentliche Vorstellung beider Parteien, die zur Grundlage des<br />

Vertrages geworden ist: Ausgangspunkt und Sinn des gesamten Vertrages ist, dass der Auftragnehmer<br />

den Preis je Position des Leistungsverzeichnisses angibt, den er tatsächlich verlangt.<br />

Das Vergabeverfahren findet nach vorgegebenen Regeln statt, zu deren Einhaltung der<br />

Auftraggeber verpflichtet ist und deren Einhaltung der Auftragnehmer durchsetzen kann. Die<br />

Ausschreibung wird in einzelne Positionen gegliedert, damit der Auftragnehmer seine Preise<br />

leichter und zutreffend kalkulieren kann und nicht dem Risiko eines Pauschalvertrages ausgesetzt<br />

ist. Die Preise sind nicht nur für die Ausgangsmenge +/- 10 % anzubieten. Beiden Parteien<br />

ist bekannt, dass sie auch Grundlage für Mehrmengen nach § 2 Nr. 3 Abs. 2 und für<br />

Leistungsänderungen nach § 2 Nr. 5 VOB/B sind. Die einzelnen Einheitspreise (im Übrigen<br />

auch der Gesamtpreis) sind nicht verhandelbar. Der Auftraggeber vertraut darauf, und dem<br />

Auftragnehmer ist dies als Vertragsgrundlage bekannt, dass der einzelne Einheitspreis zutreffend<br />

und im Wettbewerb kalkuliert ist, so dass die Preisfortschreibung kein anderes Ergebnis<br />

hat als sich ergeben hätte, wenn der Auftraggeber die tatsächlich erforderlichen Mengen und<br />

Leistungen von vorneherein gekannt und in seine auf Wettbewerbskalkulation ausgelegte Leistungsbeschreibung<br />

einbezogen hätte. 36 Das zeigt zum einen § 2 Nr. 6 VOB/B, der für vergessene<br />

Leistungen auf die Gesamtvertragskalkulation abstellt. Das zeigen auch § 2 Nrn. 3 und 5<br />

VOB/B, die von einem im Wettbewerb kalkulierten Preis ausgehen und auf dieser Basis den<br />

Ausgleich von Mehr- und Minderkosten sicherstellen. Anders formuliert: Die Geschäftsgrundlage<br />

des Bauvertrages nach VOB/B ist,<br />

─ dass (insoweit bewusst rechtsuntechnisch und nur bildhaft formuliert) der angebotene Einheitspreis<br />

nicht wegen sittenwidriger Überhöhung nichtig ist,<br />

─ dass keine nach den Ausschreibungsregeln unzulässige Mischkalkulation vorliegt,<br />

─ dass der einzelne Einheitspreis den vom Bieter tatsächlich kalkulierten (den wahren) Einheitspreis<br />

ausweist.<br />

Da der sittenwidrig überhöhte Preis als Preisfortschreibungsgrundlage ohnehin ausscheidet<br />

und der unzulässig mischkalkulierte Einheitspreis lediglich ein – allerdings ins Auge fallender –<br />

Unterfall des Falles ist, dass der Einheitspreis nicht den für die Position tatsächlich verlangten<br />

Preis ausweist, bleibt es bei folgender Geschäftsgrundlage: Ein Einheitspreis ist für eine Preis-<br />

36 vgl. hierzu Rohrmüller ibr-online 2009, 125, unter Verweis auf das - vor der fehlinterpretierten These von den guten<br />

Preisen, die gut bleiben - selbstverständliche und zutreffende Verständnis der Regelungen des § 2 VOB/B<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

177


fortschreibung nach § 2 Nr. 3 Abs. 2 und Nr. 5 VOB/B nur geeignet, wenn er den für diese Position<br />

tatsächlich verlangten Preis ausweist. 37<br />

Auf diese, dem gesamten Bauvertrag nach der VOB/B allgemein innewohnenden Grundlagen<br />

braucht aber – mit dem BGH – nicht abgestellt zu werden, wenn die Preisfortschreibungsregelungen<br />

des § 2 Nr. 3 Abs. 2 und Nr. 5 VOB/B diese Regelungsstruktur bereits selbst enthalten,<br />

bei der Preisfortschreibung ihre Anwendung sicherstellen und insoweit die beiden Parteien<br />

bekannte und dem Vertrag zugrunde liegende spezielle Regelung sind. Hinweise, wie § 2 Nr. 3<br />

Abs. 2 und Nr. 5 VOB/B unter Einbeziehung des § 287 ZPO in der Praxis bei spekulativer<br />

Preisgestaltung vertrags- und beiderseits interessengerecht anzuwenden sind, gibt der BGH in<br />

den RdNrn. 36 ff. Darauf ist im nächsten Abschnitt einzugehen.<br />

3.10 Für Preisvereinbarungen nach § 2 Nrn. 3 und 5 VOB/B hat die Baufirma ihren Anspruch<br />

schlüssig darzulegen und dazu die dem Vertrag zugrunde liegende Kalkulation<br />

vorzulegen<br />

3.10.1 Grundlegende Struktur der VOB/B<br />

Bei Preisvereinbarungen nach VOB/B wegen Mehrmengen über 10 % der Ausgangsmenge<br />

hinaus oder wegen geänderter Leistungen sind zwei Prüfungsschritte erforderlich. In einem<br />

ersten Schritt ist die Frage zu klären, ob die vom Auftragnehmer gewünschte Preisvereinbarung<br />

zu den Mehrmengen bzw. zu den geänderten Leistungen angesichts der Preishöhe, die er<br />

verlangt, überhaupt wirksam vereinbart werden kann. Ist der Preis sittenwidrig überhöht, kann<br />

der Auftraggeber die Forderung zurückweisen. Dem Auftragnehmer steht nur die übliche, nach<br />

hiesiger Ansicht eine Vergütung analog § 2 Nr. 6 Abs. 2 VOB/B zu. Den Nachweis der üblichen<br />

bzw. der vertragsgerechten Vergütung hat der Auftragnehmer zu führen.<br />

Ist der verlangte Preis nicht sittenwidrig überhöht, ist in einem zweiten Prüfungsschritt zu untersuchen,<br />

ob der Auftragnehmer seinen Anspruch schlüssig dargelegt hat. Dabei können bei<br />

der Prüfung zwei Fallgestaltungen unterschieden werden. Ist der ursprüngliche Positionspreis<br />

nicht spekulativ, sondern (auch aus der Sicht des Bauherrn) wettbewerbsbezogen kalkuliert<br />

worden („reguläre Kalkulation“), ist lediglich darüber zu befinden, ob die angesetzten Mehr-<br />

oder Minderkosten zutreffen. Problematisch ist die Fallgestaltung zwischen „regulärer Kalkulation“<br />

und gerade noch nicht sittenwidrig überhöhter Kalkulation. In diesem Bereich spekulativ<br />

hoch angesetzter Einheitspreise, von Rohrmüller 38 plakativ als „Kalkülkalkulation“ bezeichnet,<br />

ist die Bandbreite groß: von geringfügig spekulierter Höhe bis zu „einem Euro unter Sittenwidrigkeit“.<br />

Der ursprüngliche Positionspreis (im Folgenden auch Ausgangspreis genannt) ist bei dieser<br />

Fallgestaltung wirksam vereinbart. Die Wirksamkeit der Vereinbarung hat insbesondere zur<br />

Folge, dass der Preis im Umfang der ausgeschriebenen Menge +/- 10 % verbindlich feststeht<br />

(pacta sunt servanda). Im Ausgangspunkt steht er auch für die Preisfortschreibung fest, aller-<br />

37 Zur Mischkalkulation ist noch klarstellend auf Folgendes hinzuweisen: Ein zu niedrig kalkulierter Preis ist, gleich<br />

aus welchem Grund der Preis unauskömmlich ist, Risiko des Auftragnehmers. Ein mischkalkuliert zu hoch angesetzter<br />

Preis gibt nicht den Preis wieder, den der Auftragnehmer tatsächlich für diese Position verlangt. Da es<br />

isoliert auf die jeweilige Einheitspreisposition ankommt, ist bei dem hoch angesetzten Preis der tatsächlich verlangte<br />

Positionspreis festzustellen (der hineinverlagerte Teil also auszusondern), bevor der bereinigte Preis um<br />

Mehr- oder Minderkosten ergänzt wird. Ist der hineinverlagerte Teil nicht feststellbar oder bleibt er strittig, ist der<br />

Positionspreis nicht fortschreibungsfähig. Dann ist für die Mehrmenge oder für die geänderte Leistung der Preis<br />

nach § 287 ZPO festzulegen.<br />

38 ibr-online <strong>2008</strong>, 703 und 2009, 125<br />

178<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


dings nicht in dem Sinne, dass „fetter Preis“ unverrückbar „fett bleibt“. Das würde dem bereits<br />

mehrfach betonten System der Äquivalenz von Preis und Leistung, dem dem Bauvertrag<br />

zugrunde liegenden Wettbewerbssystem und dem fairen Umgang der Vertragsparteien miteinander<br />

widersprechen. Es wäre systemwidrig, wenn im Bereich zwischen „regulärer Kalkulation“<br />

und sittenwidrig überhöhter Kalkulation ein beliebiger, geradezu willkürlicher Freiraum für den<br />

Auftragnehmer bestünde, so dass es zu Gewinnen käme, die zu Mehrkosten beim Auftraggeber<br />

führen, denen kein entsprechender Gegenwert gegenübersteht. Die Argumentation des<br />

BGH in RdNr. 15 für „außerordentliche Gewinne“ gilt hier entsprechend.<br />

Sicherzustellen ist, und das legen die Regelungen des § 2 Nrn. 3 und 5 VOB/B selbst vertraglich<br />

fest 39 , dass der Auftragnehmer die Preisansätze, die der fortzuschreibenden Position tatsächlich<br />

zugrunde liegen, fortführen kann. Mit denjenigen Kosten, mit denen der Auftragnehmer<br />

den Einheitspreis tatsächlich gebildet hat, darf er – unter Berücksichtigung der Mehr- und<br />

Minderkosten – auch die weiteren und die geänderten Leistungen bepreisen. Der BGH stützt<br />

die Auffassung des Landgerichts, dass es Sache der Baufirma ist, ihren Anspruch schlüssig<br />

darzulegen. Wörtlich fährt er fort (RdNr. 37): „Im Ansatz zutreffend geht das Landgericht davon<br />

aus, dass es zur Ermittlung des unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu bildenden<br />

neuen Preises für die Mehrmengen notwendig sein kann, auf die dem Vertrag zugrunde<br />

liegende Kalkulation des Auftragnehmers zurückzugreifen 40 . Denn diese Kalkulation<br />

weist aus, mit welchen Kosten der Auftragnehmer den Preis 41 gebildet hat. Auf dieser<br />

Grundlage lässt sich beurteilen, inwieweit Mehr- oder Minderkosten entstanden sind.“ Dazu ist<br />

es Sache des Auftragnehmers, „die dem Vertrag zugrunde liegende Kalkulation vorzulegen.“<br />

3.10.2 Unplausible, nicht nachvollziehbare Positionskalkulation<br />

Im Fall des BGH legte die Baufirma ihren Vergütungsanspruch für die Mehrmengen bisher<br />

nicht schlüssig dar. Die vorgelegte Kalkulation war unplausibel. Dass ihre willkürlichen Preisansätze<br />

der tatsächlichen Preisbildung der Einheitspreisposition zugrunde lagen, war nicht<br />

nachzuvollziehen. Der BGH referiert dazu die unverschnörkelte und erfreulich klare Haltung<br />

des Landgerichts und stützt sie damit: „Die eingesetzten Kosten von 720 DM/kg für Lohn,<br />

1.319,52 DM/kg für Material und 170,48 DM/kg für Gerät seien – so das Landgericht – willkürlich,<br />

lebensfremd und grotesk überhöht. 42 Es handle sich um einen willkürlichen Sachvortrag<br />

ins Blaue hinein.“ Diese Würdigung des Landgerichts ist – so der BGH – naheliegend und lässt<br />

keinen Verstoß gegen § 286 ZPO erkennen.<br />

Bleibt es im zurückverwiesenen Verfahren vor dem Berufungsgericht dabei, dass die Baufirma<br />

(unterstellt, ihr Preisansatz ist nicht nichtig) den geltend gemachten Preis kalkulatorisch weiterhin<br />

nicht plausibel aufschlüsselt oder aufschlüsseln kann, so ist ihre Klage als unschlüssig abzuweisen.<br />

Der BGH stellt in diesem Zusammenhang klar, dass es Sache des Unternehmers<br />

ist, wie er seine Preise kalkuliert. Er kann die üblichen Kalkulationsansätze ansetzen, z. B.<br />

39<br />

Und da sie selbst Teil der vertraglichen Vereinbarung sind, können sie nicht gegen den Grundsatz pacta sunt<br />

servanda verstoßen.<br />

40 Fettdruck durch den Verfasser. Dass der BGH hier auf „die dem Vertrag zugrunde liegende Kalkulation des Auftragnehmers“<br />

zurückgreift und gerade nicht auf die willkürlich angegebenen Lohn-, Material- und Gerätekosten<br />

(siehe RdNr. 39) zeigt, dass es für die Preisfortschreibung auf die tatsächlichen ursprünglichen Kalkulationsüberlegungen<br />

ankommt. Der Auftragnehmer soll seinen Aufwand und seinen Gewinn so erwirtschaften, wie er<br />

sich das im Rahmen der Wettbewerbsmengen vorgestellt hat. Nachträgliche Veränderungen der Bauausführung<br />

sind nicht dazu da, seine im Wettbewerb gefundene Vertragsposition einseitig und ohne Gegenleistung zu verbessern.<br />

41 angesprochen ist der Einheitspreis<br />

42 Der bundesdurchschnittliche Preis für die Leistung betrug bekanntlich 2,47 DM/kg.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

179


Stoff-, Personal-, Gerätekosten, AGK, BGK, Wagnis und Gewinn. Er kann einzelne Kalkulationsansätze<br />

weglassen, z. B. nur mit den direkten Herstellungskosten kalkulieren, also ohne<br />

Geschäftskostenzuschlag oder Zuschlag für die Gewinnerwartung (siehe RdNr. 38), der Unternehmer<br />

kann auch einzelne der üblichen Kalkulationsansätze zusammenfassen. Das macht<br />

seine Kalkulation nicht unschlüssig. Unschlüssig ist die Kalkulation aber, wenn die Preisermittlung<br />

für die Mehrmenge andere Kalkulationsparameter oder andere Kalkulationshöhen ausweist<br />

als die Kalkulation des Ausgangspreises. Im Fall des BGH waren für die Mehrmenge<br />

Aufschläge für Gewinn und Allgemeine Geschäftskosten abgezogen, die die Kalkulation der<br />

Ausgangsposition gar nicht enthielt. Entscheidend ist für die Frage der Schlüssigkeit, ob die<br />

vorgelegte Kalkulation der Preisbildung tatsächlich zugrunde liegt.<br />

Folge der vorgelegten, doppelt unplausiblen Kalkulation (keine Übereinstimmung der angegebenen<br />

Kalkulationsparameter, willkürliche Preisangaben) ist, dass ihr nicht die Kalkulationsansätze<br />

entnommen werden können, die dem Einheitspreis tatsächlich zugrunde liegen. Sind die<br />

tatsächlichen Kalkulationsansätze des Einheitspreises auf Dauer nicht bekannt, ist es des Weiteren<br />

nicht möglich, auf dieser Grundlage die Mehr- oder Minderkosten zu bestimmen. Die<br />

Klage ist als unschlüssig abzuweisen. Auf die Frage, wie im VOB-Vertrag mit spekulativ hohen<br />

oder mischkalkulierten Preisen umzugehen ist, kommt es nicht mehr an.<br />

4 Fallgestaltungen, die nicht Gegenstand des BGH-Urteils waren<br />

4.1 Unzutreffende Kalkulation der Einheitspreisposition<br />

Im Gegensatz zu der vom BGH vorgefundenen unplausiblen, nicht nachvollziehbaren Kalkulation<br />

der Einheitspreisposition sind häufig auf den ersten Blick plausible, aber inhaltlich unzutreffende<br />

Kalkulationen anzutreffen. Zu denken ist an Fälle, in denen einzelne Preisparameter<br />

in der verschlossen hinterlegten oder in der nachträglich schriftlich niedergelegten Kalkulation<br />

im Verhältnis zu den sonstigen Preisparametern des Vertrages ungewöhnlich hoch angesetzt<br />

sind. Beispielsweise die Ansätze für Stoffkosten, für Lohn- oder für Lohnnebenkosten oder für<br />

Wagnis. Entsprechendes gilt, wenn der Auftragnehmer in seinen Kalkulationsnachweisen hohe<br />

Stundenlöhne ausweist, die ausschließlich darauf beruhen, dass er die erforderliche Arbeitszeit<br />

z. B. auf 70 % reduziert hat. 43 Die im verschlossenen Umschlag hinterlegten oder nachträglich<br />

vorgelegten Kalkulationen sind – schon mangels ursprünglicher Offenlegung – kein verbindlicher<br />

Vertragsinhalt. Der Auftraggeber muss diese Angaben nicht unbesehen hinnehmen. Beruht<br />

der einzelne Einheitspreis auf Preisparametern, die ersichtlich den Preis nicht tragen, kann<br />

sich der Auftraggeber für die Mehrmengen darauf berufen, dass die mitgeteilte Kalkulation<br />

nicht die der Preisbildung tatsächlich zugrunde liegende ist.<br />

Folge ist, dass eine Preisfortschreibung für die Mehrmengen auf der Basis der Kalkulationsangaben<br />

– ebenso wie im Fall des BGH, bei dem die Umstände lediglich deutlicher waren – nicht<br />

möglich ist. Jedenfalls ist in derartigen Fällen zu prüfen, ob es im Verhältnis zu den unplausibel<br />

hoch angesetzten einzelnen Kosten der Teilleistung zu Minderkosten kommt, beispielsweise<br />

weil der Stundenlohn für einen Facharbeiter doppelt so hoch wie üblich angesetzt ist und die<br />

Arbeit von einem Helfer erledigt werden kann.<br />

43 siehe dazu Stemmer in Kapellmann/Vygen, Jahrbuch Baurecht <strong>2008</strong>, S. 311, und ausführlicher: <strong>Geschäftsbericht</strong><br />

des Bayerischen Kommunalen <strong>Prüfungsverband</strong>es für das Jahr 1992, abzurufen unter www.bkpv.de, Veröffentlichungen.<br />

Erfolgt diese Art der Preisangabe mit der Absicht, für Mehrmengen etc. einen überhöhten Preis durchzusetzen,<br />

kann dies strafbar sein.<br />

180<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


4.2 Plausible, aber den Wettbewerb verzerrende Kalkulation<br />

Mit dieser dritten Fallgestaltung (die beiden anderen Fallgestaltungen sind in den Abschnit-<br />

ten 3.10.2 und 4.1 geschildert) ist eine Kalkulation gemeint, die bis auf einen alle Preisparameter<br />

der fortzuschreibenden Einheitspreisposition zutreffend angibt. Signifikant überhöht ist<br />

nur der Ansatz für den Gewinn mit dem Argument des Bieters, er sei bei seiner Kalkulation frei.<br />

Um den Gewinn geht es, weil die anderen Preisparameter aufwandsorientiert und damit grundsätzlich,<br />

wie im Fall des BGH, auf willkürliche Ansätze hin nachprüfbar sind, während der Gewinn<br />

grundsätzlich (allerdings eingeschränkt durch den Wettbewerb und die Notwendigkeit, ihn<br />

zu gewinnen) frei festgelegt werden kann. Angelehnt an den Fall des BGH könnte die Kalkulation<br />

für die Stahlpreispositionen – wie eingangs geschildert – z. B. so aussehen: Positionspreis<br />

= 22,10 DM/kg. Davon sind 1 DM Stoffkosten, 1 DM Lohnkosten, 0,05 DM Gerätekosten,<br />

0,15 DM AGK, 0,15 DM BGK, 0,06 DM Wagnis und 19,69 DM Gewinn. Bei 19,69 DM/kg<br />

Gewinn statt üblicher 0,06 DM/kg ist ohne jeden Zweifel von einem sittenwidrig überhöhten Gewinnansatz<br />

auszugehen. Die Sittenwidrigkeit drängt sich dabei besonders auf, weil der Gewinn<br />

üblicherweise nicht in eine Position eingerechnet, sondern prozentual auf den ganzen Auftrag<br />

verteilt wird. Der Auftragnehmer beabsichtigt mit seiner Preisgestaltung einen außerordentlichen<br />

Gewinn für Mehrmengen. Die erste Stufe der Prüfung in Fällen, in denen der Auftragnehmer<br />

seine Kalkulationsansätze für signifikant hohe Einheitspreise durch die Ausweisung eines<br />

ungewöhnlich hohen, mit dem Gesamtvertragsgefüge nicht übereinstimmenden Gewinnansatzes<br />

plausibel machen will (und das wird künftig in deutlich mehr Fällen als bisher passieren),<br />

muss sein, ob mit dem (vielfach) überhöhten Gewinnansatz ein sittenwidrig überhöhter Vorteil<br />

für den Bereich von Mehrmengen und Leistungsänderungen vorliegt. Zur Vermeidung von Wiederholungen<br />

wird darauf verwiesen, dass ein doppelt so hoher wie der übliche Einheitspreis bei<br />

5 % Gewinnansatz für den Gesamtvertrag bereits den 20-fachen Gewinn bei der nach § 2<br />

Nrn. 3 oder 5 VOB/B fortzuschreibenden Einheitspreisposition bewirkt. Bei einem nicht spekulativ<br />

kalkulierenden Bieter ist dazu ein 20-facher Umsatz erforderlich, um zum gleichen Ergebnis<br />

zu kommen.<br />

Das soll aber hier nicht das Thema sein: Unterstellt, der Gewinnansatz ist nicht sittenwidrig<br />

überhöht: Sind die Mehrmengen dann mit diesen Kalkulationsansätzen fortzuschreiben? Anders<br />

als in dem in Abschnitt 3.10.2 geschilderten Fall, in dem die Kalkulationsansätze nicht so<br />

ausgewiesen sind, wie sie tatsächlich anfallen, könnte man für den Gewinnansatz die Auffassung<br />

vertreten, dass die Firma diesen frei und nach eigenem Gutdünken gestalten kann. Ein<br />

ersichtlich über dem Vertragsdurchschnitt liegender hoher Gewinnansatz in einer Position erfordert<br />

aus Kosten- und Wettbewerbsgründen aber, dass der Gewinnansatz in anderen Positionen<br />

reduziert und in die infrage stehende Einheitspreisposition verlagert wurde. Insoweit<br />

muss betriebswirtschaftlich von einer Mischkalkulation ausgegangen werden, deren vermutetes<br />

Vorliegen der Auftragnehmer, der allein über die Kalkulationsansätze Bescheid weiß, zu widerlegen<br />

hätte. Selbst wenn ihm dies gelänge, ist noch Folgendes zu bedenken: Die Fortschreibung<br />

des den gesamten Vertrag oder Teile des Vertrages betreffenden Gewinns in einer<br />

Position, bei der Mehrmengen auftreten, verzerrt nachträglich das gesamte System des Wettbewerbs.<br />

Insofern ist (wie in den beiden anderen oben dargestellten Fällen) davon auszugehen,<br />

dass ein Auftragnehmer, der den gesamten Gewinn in eine Position einrechnet, nicht, wie<br />

dies die VOB/B für Preisfortschreibungen voraussetzt, den für diese Position tatsächlich geforderten<br />

Preis angibt. Der Gewinnansatz in der Ausgangsposition betrifft in der Tat nicht allein<br />

diese Position, er bezieht sich typischerweise auf den Gesamtauftrag und damit auf die Vielzahl<br />

aller anderen Positionen. Eine mit einem derartigen Gewinnansatz versehene Einheitspreisposition<br />

kann daher nicht der Preisfortschreibung für Mehrmengen und geänderte Leistungen<br />

zugrunde gelegt werden. Dies ergibt sich unmittelbar aus den Preisfortschreibungsregelungen<br />

des § 2 Nrn. 3 und 5 VOB/B, denn diese knüpfen an den je Position tatsächlich aus-<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

181


gewiesenen Preis an, also an den Preis, den der Auftragnehmer für die konkrete Position wirklich<br />

verlangt. Das ist bei dem in eine Position verlagerten Gewinn nicht der Fall. Denn der Gewinnansatz<br />

betrifft den gesamten Vertrag. Er ist nur möglich, weil die Einheitspreisposition Teil<br />

des Gesamtvertrages ist und auf die isolierte Einheitspreisposition angesichts ihrer Höhe niemals<br />

der Zuschlag erteilt worden wäre. Für den Bereich der Preisfortschreibung wegen Mehrmengen<br />

und Leistungsänderungen muss dieser Zusammenhang, anders als für die in der Ausschreibung<br />

enthaltenen Mengen, für die unmittelbar ein Preiswettbewerb stattgefunden hat, mit<br />

berücksichtigt werden. Denn für die hinzukommenden Mengen hat es keinen unmittelbaren<br />

Wettbewerb gegeben und gibt es keinen. Der Ansatz der VOB und das Wesen des Einheitspreisvertrages,<br />

dass für einzelne Positionen Preise gebildet werden, die rechtsgeschäftlich<br />

vereinbart sind und die auch für Mehrmengen und Leistungsänderungen zugrunde zu legen<br />

sind, wird durchbrochen, wenn Gewinnansätze abweichend vom Gesamtpreisgefüge geballt in<br />

eine Position gelegt werden. Das führt bei diesen Positionen zu unangemessenen Ergebnissen,<br />

wenn es bei ihnen zu Mehrmengen kommt. Die Preisgestaltung wächst sich entgegen § 2<br />

Nr. 1 Satz 3 VOB/A zum unlauteren Konkurrenzmittel aus 44 .<br />

Der VII. Senat hat das Problem derartiger Preisgestaltungen gesehen. Er musste es nicht entscheiden.<br />

Allerdings führt er in RdNr. 23 aus: „Der Bauvertrag ist ein auf Austausch von Leistungen<br />

und Vergütung gerichteter Vertrag, der für längere Zeit eine kooperative Zusammenarbeit<br />

erfordert. Es wäre bedenklich, wenn es vergabe- und vertragsrechtlich ohne weiteres zulässig<br />

wäre, die Kooperation in der Weise zu beginnen, dass der Unternehmer über erkannte<br />

Ausschreibungsmängel nicht aufklärt, sondern diese dazu nutzt, über von ihm vorausgesehene<br />

oder vermutete Nachtragssachverhalte Positionspreise zu erzielen, die das angemessene Maß<br />

deutlich überschreiten.“<br />

Auch wenn es vorliegend um das Vertrags- und nicht um das Vergaberecht geht, darf doch an<br />

den Beschluss des X. Senats vom 18.05.2004 45 erinnert werden. Denn in der Sache geht es<br />

darum, ob ein um mehrfache Gewinnanteile erhöhter Positionspreis tatsächlich den Einheitspreis<br />

benennt, der für eine wettbewerbsgetreue, nur um Mehr- oder Minderkosten ergänzte<br />

Preisfortschreibung im Sinne des § 2 Nrn. 3 und 5 VOB/B geeignet ist. Der X. Senat hat formuliert:<br />

„Ein Bieter, der in seinem Angebot die von ihm tatsächlich für einzelne Leistungspositionen<br />

geforderten Einheitspreise auf verschiedene Einheitspreise anderer Leistungspositionen<br />

verteilt, benennt nicht die von ihm geforderten Preise im Sinne des § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3<br />

VOB/A, sondern ‚versteckt’ die von ihm geforderten Angaben zu den Preisen der ausgeschriebenen<br />

Leistungen in der Gesamtheit seines Angebots.“ Wer die über den Gesamtvertrag verteilten<br />

Gewinnansätze oder Teile davon in eine einzelne Position einbezieht, verhält sich<br />

ebenso. Der so gestaltete Preis ist für die Preisfortschreibung nach § 2 Nrn. 3 und 5 VOB/B<br />

– und nur um diese geht es, nicht um die in der Ausschreibung ausgewiesenen Mengen und<br />

Leistungen – nicht geeignet.<br />

Die Vorinstanz zum Beschluss des X. Senats hatte in diesem Zusammenhang formuliert, der<br />

Bieter nenne nicht den „wahren“ Preis. Auch wenn der X. Senat diesen Begriff durch den wertneutralen<br />

Begriff des „tatsächlichen“ Preises ersetzte, bleibt es inhaltlich dabei, dass es um<br />

den wirklich gewollten Preis geht. Übertragen auf die bisher besprochene Problematik bedeutet<br />

das, dass die Kalkulation von Einheitspreispositionen nur dann der Preisfortschreibung nach<br />

den Regeln des § 2 Nrn. 3 oder 5 VOB/B zugrunde gelegt werden kann, wenn der Ausgangspreis<br />

den von der Firma tatsächlich angesetzten, ihrer wirklichen Kalkulation entsprechenden<br />

44 siehe hierzu auch die Ausführungen unter Abschnitt 3.4.4<br />

45 Az.: X ZB 7/04, BauR 2004, 1433<br />

182<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Kalkulationsparametern entspricht und nicht wettbewerbsverzerrend gestaltet ist, sei es mit<br />

Kalkül oder auch nur mit der wettbewerbsverzerrenden Folge.<br />

Auf den weiteren Gesichtspunkt, dass die vom Auftragnehmer angegebene Kalkulation in Bezug<br />

auf Mehrmengen und Leistungsänderungen den Wettbewerb fortsetzend fortschreibungsfähig<br />

sein muss mit der Folge, dass ein Auftragnehmer, der den gesamten oder wesentliche<br />

Teile seines Gewinns in eine einzelne Einheitspreisposition einbezieht, die Geschäftsgrundlage<br />

verletzt (siehe oben Abschnitt 3.9) kommt es demzufolge nicht mehr an.<br />

4.3 Preisfortschreibung und Verbrauchervertrag<br />

Es ist nicht ungewöhnlich, dass auch Verbraucher Wert darauf legen, dass die VOB/B in den<br />

Bauvertrag einbezogen wird. Sie können nach der Rechtsprechung davon ausgehen, dass die<br />

Preisfortschreibungsregelungen des § 2 Nrn. 3 und 5 VOB/B zu einem angemessenen Interessenausgleich<br />

führen. 46 Dies wäre allerdings dann nicht mehr gewährleistet, wenn Preisfortschreibungen<br />

spekulativ hoch angesetzter Einheitspreise nur für den Fall sittenwidriger Überhöhung<br />

ausgeschlossen wären und der Auftraggeber im Bereich zwischen „regulärer Kalkulation“<br />

und sittenwidrig überhöhter Kalkulation im Fall unplausibler, unzutreffender oder wettbewerbsverzerrender<br />

Preisgestaltung für die Preisfortschreibung nicht geschützt wäre. Die<br />

VOB/B will durch den Ausgleich nur der Mehr- und Minderkosten sicherstellen, dass es infolge<br />

Mehrmengen und Änderungen nicht zu völlig neuen Preisverhandlungen kommt, sondern dass<br />

sich der Wettbewerb auf der Basis der tatsächlichen Kalkulationsansätze fortsetzt. Es ist der<br />

Auftragnehmer, der die Einheitspreise festsetzt und wegen der Höhe des von ihm eingesetzten<br />

Einheitspreises die als solche ausgewogene Regelung des § 2 Nr. 3 Abs. 2 und Nr. 5 VOB/B in<br />

die Nichtigkeit führen oder durch seine Preisgestaltung zu Lasten des Auftraggebers für die<br />

Mehrmengen das Äquivalenzverhältnis von Preis und Gegenleistung ausschalten kann. Der<br />

Auftragnehmer hat es in der Hand, dort, wo er unsicher ist, auskömmlich zu kalkulieren und<br />

dort, wo er Schwachstellen der Leistungsbeschreibung erkennt oder Veränderungen erwartet<br />

oder erhofft, spekulativ zu kalkulieren. 47 Wenn Spekulationspreise nur durch die Grenze sittenwidriger<br />

Preisgestaltung über § 138 Abs. 1 BGB begrenzt wären (ohnehin nur mit der Folge,<br />

dass der Bieter dann den üblichen Preis erhält), wären Spekulationen bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit<br />

und darüber hinaus nicht einzudämmen. Dies kann im Interesse eines fairen Umgangs<br />

beider Bauvertragsparteien, insbesondere da Nachverhandlungen über den Preis ausgeschlossen<br />

sind, und auch zum Schutz der korrekt kalkulierenden Mitbewerber von der auf<br />

Interessenausgleich angelegten VOB/B nicht hingenommen werden. Für den Fall unplausibler<br />

Kalkulationsangaben hat der BGH zutreffend und über den Einzelfall hinaus wegweisend auf<br />

§ 286 ZPO abgestellt. Das Gleiche ist in der Praxis erforderlich, wenn der Preis einer Position<br />

künstlich erhöht wird, indem erhebliche Gewinnanteile in sie hineinverlagert werden. Das<br />

Schutzbedürfnis besteht nicht nur für private, es besteht für jeden Auftraggeber.<br />

46 siehe BGH, Urteil vom 25.01.1996, Az.: VII ZR 233/94, BauR 1996, 378, 381<br />

47<br />

Das Risiko spekulativer Preisansätze steuert also allein der Auftragnehmer, nicht der Auftraggeber. Der Auftragnehmer<br />

hat zur Preisgestaltung das letzte Wort.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

183


5 Zusammenfassung<br />

5.1 Besonderheit des Bauvertrages<br />

Besonderheit des Bauvertrages ist, dass es entgegen den Angaben im Leistungsverzeichnis<br />

bei der Ausführung zu Mehr- oder Mindermengen oder zum Erfordernis von Leistungsänderungen<br />

kommen kann. Im Vorgriff darauf enthält die VOB/B interessengerechte Lösungen. Kommt<br />

es ohne Eingriff des Bauherrn zu Mehr- oder Mindermengen, so ist der Positionspreis ab der<br />

Schwelle von 110 % bzw. 90 % der ausgeschriebenen Menge nach § 2 Nr. 3 Abs. 2 oder 3<br />

VOB/B unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten anzupassen. Kommt es aufgrund<br />

des einseitigen Leistungsbestimmungsrechts des Bauherrn nach § 1 Nr. 3 VOB/B zu Leistungsänderungen,<br />

zu denen auch Mehrmengen gehören, so ist i. V. mit § 2 Nr. 5 VOB/B ein<br />

neuer Preis unter Ansatz der Mehr- oder Minderkosten zu vereinbaren.<br />

Klare Aussage im Urteil des BGH ist, dass für die Preisfortschreibungen nach § 2 Nrn. 3 und 5<br />

VOB/B ausschließlich an den Preis der durch die Veränderung jeweils konkret betroffenen<br />

Einheitspreisposition anzuknüpfen ist (RdNr. 8). Denn jeder im Vertrag vereinbarte Einheitspreis<br />

hat eine eigenständige Bedeutung (RdNr. 22).<br />

Ideal für die Ermittlung des neuen Preises ist, und davon geht die VOB/B als selbstverständlich<br />

aus, dass der für die ausgeschriebene Menge und Leistung angegebene Preis die tatsächlichen<br />

im Wettbewerb gefundenen Preisanteile enthält, die die Baufirma für die konkrete Position<br />

wirklich verlangt. Die Praxis sieht anders aus. Die Positionspreise enthalten zum Teil unauskömmlich<br />

niedrige Preisansätze, zum Teil sind sie unplausibel hoch; so hoch, dass der Wettbewerb<br />

mit diesen Preisansätzen, lägen sie allen Positionen zugrunde, keinesfalls hätte gewonnen<br />

werden können. Das Problem unplausibel hoher Preisansätze liegt darin, dass mit ihnen<br />

das System wettbewerbsgerechter Preisfortschreibung unter Anknüpfung an die im Wettbewerb<br />

gefundenen, grundsätzlich günstigen Einheitspreise und unter Ansatz der tatsächlich entstehenden<br />

Mehr- oder Minderkosten verlassen wird.<br />

Unauskömmlich niedrigen und unplausibel hohen Preisansätzen liegen häufig Spekulationsüberlegungen<br />

zugrunde. Unauskömmlich niedrige Preise werden angesetzt, wenn der Auftragnehmer<br />

erwartet, dass die entsprechende Position entweder völlig entfällt oder lediglich in<br />

deutlich geringerer Menge zur Ausführung kommt. Das Motiv für unauskömmlich niedrige Einheitspreise<br />

kann entweder sein, auf diese Weise den Wettbewerbsgesamtpreis zu senken, und<br />

so den Zuschlag zu erhalten, oder auf diese Weise einen Preisspielraum zu erhalten, der zur<br />

Erhöhung des Preises in anderen Positionen genutzt wird. Der unauskömmlich niedrige Preis<br />

kann auch schlicht auf einem Kalkulationsirrtum beruhen.<br />

Ein hoher Preis wird angesetzt, wenn Mehrmengen erwartet werden. Auf diese Weise soll bei<br />

den Preisfortschreibungen nach § 2 Nrn. 3 oder 5 VOB/B, die ja an den Ausgangspreis anknüpfen,<br />

ein weiterwirkender, über den Wettbewerbsansatz, der nur die ausgeschriebene<br />

Menge betrifft, hinausreichender Vorteil erwirtschaftet werden. Auch der unplausibel hohe Preis<br />

kann – ganz unspektakulär – auf einem Kalkulationsfehler beruhen. Auf das regelmäßig unbekannte<br />

Motiv für die Preisbildung abzustellen, hilft in der Praxis nicht weiter und ist rechtlich<br />

ohne Bedeutung. 48 Die Lösungen ergeben sich aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen und aus<br />

der VOB/B selbst:<br />

48 siehe hierzu bereits Stemmer, ZfBR 2006, 128 ff., 136 re. Spalte Mitte<br />

184<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


5.2 Unauskömmlich niedriger Einheitspreis<br />

Die Thematik unauskömmlich niedriger Einheitspreise spricht der BGH im vorliegenden Urteil<br />

nur kurz an zwei Stellen an: Einheitspreise weit unter üblichen Preisen rechtfertigen es nicht, in<br />

anderen Positionen außerordentlich überhöhte Einheitspreise anzusetzen (RdNr. 24). Keine<br />

Rechtfertigung eines außergewöhnlich hohen Preises ist es auch, dass der Auftragnehmer<br />

spekulativ einen besonders niedrigen Preis einsetzt, ohne dass eine Mischkalkulation vorliegt<br />

(RdNr. 26), also ohne dass er den unauskömmlichen Preis zur bewussten Verlagerung von<br />

Preisbestandteilen in eine andere Position nutzt.<br />

Für unauskömmlich niedrig angesetzte Einheitspreise bleibt es beim Urteil des BGH vom<br />

25.01.1996. 49 Das bedeutet, dass der Auftragnehmer weder bei Mengenmehrungen noch bei<br />

Leistungsänderungen von seinem unauskömmlichen Einheitspreis loskommt, gleich aus welchem<br />

Grund er ihn angesetzt hat. Nur Mehr- oder Minderkosten können berücksichtigt werden.<br />

Eine vom ursprünglichen Preis losgelöste, neue Kalkulation ist nicht möglich. Da es auf den<br />

Preis der jeweiligen Einheitspreisposition ankommt, spielen mischkalkulierende Preisverlagerungen<br />

in andere Positionen keine Rolle. Sie sind, bezogen auf die Mehrmengen, schon aus<br />

diesem Grund nicht rückgängig zu machen. Der Auftragnehmer ist unabhängig von dem<br />

Grund, warum es zu unauskömmlichen Preisen gekommen ist, an den von ihm angesetzten<br />

Positionspreis gebunden. Er hat es im Bewusstsein, dass es zu Mehrmengen oder zu Änderungen<br />

des Bauentwurfs kommen kann, in der Hand, seine Preise gründlich und auskömmlich<br />

zu kalkulieren.<br />

Dieses Ergebnis ist sachgerecht und insbesondere nicht mit dem häufig anzutreffenden Argument<br />

zu erschüttern, dass es zu Mengenmehrungen und Änderungen der Ausführung nur deshalb<br />

komme, weil der Bauherr seine Pflicht zur korrekten Ausschreibung nach § 9 VOB/A nicht<br />

erfüllt habe. Die Regelungen der VOB/B stellen gerade sicher, dass der Auftragnehmer unabhängig<br />

vom Eingriffsgrund des Bauherrn für die dadurch entstehenden Folgen einen Preisausgleich<br />

erhält. Die Ursprungskalkulation ist deshalb Sache des Auftragnehmers. Dafür trägt er,<br />

wie auch sonst bei jeder Kalkulation, das Kalkulationsrisiko. Insofern kommt es nicht mehr darauf<br />

an, dass ein Auftragnehmer, der den Wegfall von Positionen erwartet und deshalb dort unauskömmliche<br />

Preise einträgt, zudem nicht schutzwürdig ist, wenn es nicht zum Wegfall oder<br />

entgegen seiner Erwartung zu Mehrmengen kommt. Zur Preisbildung hat der Auftragnehmer<br />

„das letzte Wort“. Er trägt dementsprechend die Verantwortung. „Schlechter Preis bleibt<br />

schlecht.“<br />

Eine Ausnahme deutet der BGH in seinem Urteil vom 18.12.<strong>2008</strong> allerdings an: Hat der Auftragnehmer<br />

spekulativ einen besonders niedrigen Preis angesetzt, ohne dass eine Mischkalkulation<br />

vorliegt, kann es im Einzelfall verwerflich und damit sittenwidrig im Sinne des § 138<br />

Abs. 1 BGB sein, wenn der Auftraggeber seinerseits den Auftragnehmer aus verwerflichem<br />

Gewinnstreben auf Dauer an einem nicht auskömmlichen Preis festhält (vgl. RdNr. 26).<br />

5.3 Signifikant hoher Einheitspreis<br />

5.3.1 Sittenwidrig überhöhter Einheitspreis<br />

Einheitspreise können nicht nur unplausibel hoch, sie können im Einzelfall sittenwidrig überhöht<br />

und damit nichtig sein. Ob ein signifikant hoher Einheitspreis sittenwidrig überhöht ist, ist<br />

49 Az.: VII ZR 233/94, BauR 1996, 378, 381<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

185


als erstes zu prüfen. Ein derartiger Preis ist nichtig. Er kann den Preisfortschreibungen nach<br />

§ 2 Nrn. 3 und 5 VOB/B nicht zugrunde gelegt werden. Der Preis für die Mehrmenge bzw. für<br />

die geänderte Leistung ist nach § 632 Abs. 2 BGB bzw. nach § 2 Nr. 6 Abs. 2 VOB/B analog zu<br />

ermitteln.<br />

Der BGH zieht mit diesem Ansatz eine klare Trennungslinie. Wie beim unauskömmlichen Preis,<br />

bei dem ohne Motivsuche auf das Kalkulationsrisiko des Auftragnehmers abgestellt wird,<br />

kommt es beim sittenwidrig überhöhten Preis auf den objektiven Umstand des überhöhten<br />

Preises an. Das sittenwidrige Handeln des Auftragnehmers wird vermutet. Er hat die Beweislast<br />

dafür, dass und warum sein Preis nicht sittenwidrig ist. Die Sittenwidrigkeit kann sich bereits<br />

aus dem Ausgangspreis ergeben, sie kann hiesigen Erachtens auch darin liegen, dass<br />

eine unabsichtlich geschaffene Gelegenheit (z. B. eine Verwechslung von Tonnen- und Kilogrammpreis)<br />

in verwerflicher Weise ausgenutzt wird.<br />

Wann im Einzelfall Sittenwidrigkeit vorliegt, hängt vom Vorteil ab, den sich der Auftragnehmer<br />

ohne Gegenleistung verschaffen will. Dabei ist hiesigen Erachtens nicht allein darauf abzustellen,<br />

dass der verlangte Preis ein Vielfaches des üblichen Preises beträgt, sondern auf den<br />

Vorteil, den der Auftragnehmer mit seinem Preisansatz erzielt. Bei hohem Aufwand und geringer<br />

Gewinnmarge kann bereits das Doppelte des üblichen Preises sittenwidrig sein, weil der<br />

Auftragnehmer seinen Gewinn im Verhältnis zu einer Abrechnung mit sonstigen Bietern ohne<br />

jede Gegenleistung um ein Vielfaches steigert. Bei einem Gewinnansatz von 5 % führt der gegenüber<br />

dem üblichen Preis doppelte Preis zu Lasten des Auftraggebers zu einem zusätzlichen<br />

20-fachen Gewinn. Zudem ist die Preisgestaltung unlauteres Konkurrenzmittel im Verhältnis<br />

zu den anderen Bietern. Die Vermutung des sittlich verwerflichen Gewinnstrebens kann<br />

sich verstärken, wenn mit dem außerordentlich hohen Preis erhebliche Mehrmengen einhergehen.<br />

Ist der Preis sittenwidrig überhöht und damit nichtig, schuldet der Auftraggeber nach § 632<br />

Abs. 2 BGB die Vergütung des üblichen Preises, nach hiesiger Ansicht unter Ansatz des Wettbewerbsgedankens<br />

die geringere Vergütung analog § 2 Nr. 6 Abs. 2 VOB/B.<br />

5.3.2 Unplausibel hohe Kalkulation<br />

Ist der vom Auftragnehmer verlangte Peis nicht sittenwidrig überhöht, ist er der Preisfortschreibung<br />

nach § 2 Nrn. 3 oder 5 VOB/B grundsätzlich zugrunde zu legen.<br />

Um die Mehr- oder Minderkosten feststellen zu können, hat der Auftragnehmer die Preisparameter<br />

der fortzuschreibenden Position anzugeben. Diese Preisparameter können der Preisfortschreibung<br />

nur zugrunde gelegt werden, wenn sie dem vom Auftragnehmer für die konkrete<br />

Position tatsächlich verlangten Preis entsprechen. Um dies festzustellen, kann es notwendig<br />

sein, auf die dem Vertrag zugrunde liegende Kalkulation des Auftragnehmers zurückzugreifen.<br />

Reine Phantasieangaben wie im Fall des BGH, hiesigen Erachtens aber auch nachweislich unzutreffende<br />

Preisangaben (z. B. zu Materialkosten oder zu Arbeitszeitansätzen sowie ein im<br />

Verhältnis zum Gesamtvertrag unplausibler Gewinnansatz - vgl. dazu Abschnitte 4.1 und 4.2<br />

der Darstellung) müssen nicht hingenommen werden. Der Auftragnehmer soll von dem ausgehen<br />

dürfen, was er im Wettbewerb tatsächlich kalkuliert hat, nicht von dem, was er abweichend<br />

vom Wettbewerbsansatz – und diesen für die Preisfortschreibung verzerrend – in einzelne Positionen<br />

eingefügt hat. Passen die Kalkulationsangaben für den Vertrag und für den Einheitspreis<br />

nicht plausibel zusammen, können die Kalkulationsansätze nicht verwendet werden, um<br />

den Einheitspreis nach § 2 Nrn. 3 oder 5 VOB/B fortzuschreiben. Der Preis für die Mehrmenge<br />

oder für die geänderte Leistung ist bei schlüssigem Sachvortrag nach § 287 ZPO zu ermitteln.<br />

Zugrunde zu legen ist § 2 Nr. 6 Abs. 2 VOB/B analog.<br />

186<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


6 Abschließende Gedanken<br />

Die VOB/A und die VOB/B wollen als ineinandergreifende 50 , jedenfalls in § 9 VOB/A und in § 2<br />

VOB/B interessengerechte Vergabe- und Vertragsregelung sicherstellen, dass der Auftraggeber<br />

Leistungsart und Menge in einzelnen, inhaltlich gleichartigen Positionen so genau wie<br />

möglich beschreibt 51 und dass der Auftragnehmer den je Position tatsächlich gewollten Preis<br />

angibt. Preisangaben unter Wert, mischkalkulierte, spekulativ hohe oder aus sittlich verwerflichem<br />

Gewinnstreben außerordentlich überhöhte Einheitspreise sind nicht gewünscht. Sie stören<br />

das System der VOB/B, das auf eine Fortführung des je Einheitspreisposition im Wettbewerb<br />

gefundenen Preises, ergänzt um Mehr- oder Minderkosten, ausgelegt ist. Im Wettbewerb<br />

gefunden ist ein Preis, der die bei der jeweiligen Firma nach ihrem speziellen Geschäftsbetrieb<br />

anfallenden Gestehungskosten (Material, Lohn, AGK etc.) und die von ihr für den speziellen<br />

Gesamtvertrag angesetzten weiteren Preisparameter (BGK, Wagnis und Gewinn) enthält.<br />

Demzufolge kann der Einheitspreis firmenspezifisch bei einzelnen Positionen höher oder niedriger<br />

sein als bei der Konkurrenz, je nachdem welches Personal und welches Gerät die Firma<br />

einsetzt, über welches Know-how und über welche Organisation sie verfügt. Diese ihre tatsächlichen<br />

Preise soll die Firma als Ausfluss ihrer Kalkulationsfreiheit, mit der sie sich im Wettbewerb<br />

durchgesetzt hat, weiterhin erhalten. An sie soll ohne inhaltliche Änderung oder Neuverhandlung,<br />

nur unter Berücksichtigung der für Mehr- oder Mindermengen oder für Leistungsänderungen<br />

tatsächlich verändernd anfallenden Kosten angeknüpft werden. Enthält der Positionspreis<br />

– die Kostenansätze verändernd oder verzerrend – nicht die tatsächlich für die jeweilige<br />

Position kalkulierten Preisansätze, ist er für eine Preisfortschreibung nicht geeignet. Der<br />

Preis für die geänderte Leistung oder für die Mehrmenge kann mangels tatsächlich angegebenen<br />

Positionspreises nur mehr über § 287 ZPO geschätzt werden.<br />

Ist wegen Mehrmengen oder Leistungsänderungen ein neuer Preis nach § 2 Nrn. 3 oder 5<br />

VOB/B zu vereinbaren, ist als Grundlage dafür zunächst festzustellen, wie sich der bisherige<br />

Positionspreis tatsächlich zusammensetzt. Eine derartige Untersuchung ist allerdings in zwei<br />

Fällen nicht erforderlich: Ist der Einheitspreis unauskömmlich niedrig, bleibt der Auftragnehmer<br />

daran gebunden, ohne dass es auf den Grund für die Unauskömmlichkeit (z. B. Kalkulationsirrtum<br />

oder Spekulation) ankommt. Nur tatsächliche Mehrkosten sind anzusetzen. Die Bindung<br />

an den unauskömmlichen Preis ist Folge des Kalkulationsrisikos, das alleine der Auftragnehmer<br />

trägt. Schlechter Preis bleibt schlecht bis zur Grenze sittenwidrigen Gewinnstrebens auf<br />

Seiten des Auftraggebers.<br />

Ist der Einheitspreis außerordentlich überhöht und kann der Auftragnehmer die damit verbundene<br />

Vermutung sittlich verwerflichen Gewinnstrebens nicht widerlegen, ist dieser Preis als<br />

Ausgangspreis für Preisfortschreibungen nach § 2 Nrn. 3 oder 5 VOB/B ebenfalls ungeeignet,<br />

die darauf gerichtete Vereinbarung ist nichtig. Der Preis für die geänderten Leistungen oder<br />

Mengen ist über § 632 Abs. 2 BGB bzw. über § 2 Nr. 6 Abs. 2 VOB/B zu ermitteln.<br />

In den Fällen, in denen keine sittenwidrige Überhöhung des nach § 2 Nrn. 3 oder 5 VOB/B fortzuschreibenden<br />

Einheitspreises vorliegt, ist der Positionspreis in die zugrunde liegenden Kalkulationsansätze<br />

aufzuschlüsseln, um die Mehr- oder Minderkosten feststellen zu können.<br />

Dazu kann es notwendig sein, auf die dem Vertrag zugrunde liegende Kalkulation des Auftragnehmers<br />

zurückzugreifen. Denn diese Kalkulation weist aus, mit welchen Kosten der Auftrag-<br />

50<br />

Siehe § 10 Nr. 1 Abs. 2 und Nr. 2 Abs. 1 VOB/A, wonach der Bauherr verpflichtet ist, dem Vertrag die unveränderte<br />

VOB/B zugrunde zu legen.<br />

51 siehe § 9 Nr. 14 VOB/A<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

187


nehmer den Preis gebildet hat (BGH, RdNr. 37). Ist der fortzuschreibende Positionspreis nicht<br />

mit den Kalkulationsansätzen des Vertrages in Einklang zu bringen, ist der Positionspreis für<br />

eine wettbewerbskorrekte Preisfortschreibung ungeeignet. Der Preis für die weitere Menge<br />

oder die geänderte Leistung ist bei entsprechenden Anknüpfungspunkten über § 287 ZPO zu<br />

ermitteln.<br />

Das Urteil des BGH verbessert die Bauvertragskultur. Leider war der Bereich zwischen „regulärer<br />

Kalkulation“ und sittenwidrig überhöhter Preisgestaltung nicht in allen Facetten Gegenstand<br />

des Urteils. Die Argumentation, dass wesentliche Teile des Gewinns gerade in die eine, wegen<br />

Mengen- oder Leistungsänderungen fortzuschreibende Preisposition einbezogen wurden, wird<br />

das Thema der Zukunft sein. Dieses Thema ist nicht nur akademisch, es geht um viel, nicht<br />

selten um sehr viel Geld. Die öffentlichen Auftraggeber können und müssen zum Themenkreis<br />

der Preisfortschreibungen nach § 2 Nrn. 3 und 5 VOB/B ihren Beitrag leisten, indem sie mehr<br />

Wert auf korrekte und lückenlose Leistungsbeschreibungen legen. Je genauer die Leistungsbeschreibung<br />

ist, desto mehr dient sie im Interesse aller Beteiligten dem Wettbewerb und desto<br />

weniger Streit kann es geben. Die Auftragnehmer sind aufgefordert, die Umsetzung dieser<br />

Verpflichtung des öffentlichen Bauherrn zu korrekter Leistungsbeschreibung einzufordern und<br />

schon im Vergabeverfahren die aus ihrer Sicht konkret notwendigen Informationen rechtzeitig<br />

zu erfragen. Tun sie das nicht, ergibt sich für sie nach dem Urteil des BGH ein deutlich größeres<br />

Risiko als das bisher angesichts der These von der „Bestandskraft fetter Preise“ zumeist<br />

der Fall war.<br />

188<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Leistungen und Honorierung des Architekten für den<br />

Brandschutznachweis<br />

Verfasser: Johann Rohrmüller<br />

Inhaltsübersicht Seite<br />

1 Einleitung und Problemstellung 191<br />

2 Zu den Schutzzielen des Brandschutzes 191<br />

3 Grundlagen für den Brandschutz 192<br />

3.1 Vorbeugender und abwehrender Brandschutz 192<br />

3.2 Standard- und Sonderbauten 193<br />

3.3 Brandschutznachweis 194<br />

3.3.1 Was ist ein Brandschutznachweis? 194<br />

3.3.2 Wer darf den Brandschutznachweis erstellen? 196<br />

3.3.2.1 Gebäudeklassen 1 bis 3, ohne Sonderbauten 197<br />

3.3.2.2 Gebäudeklasse 4, ohne Sonderbauten 197<br />

3.3.2.3 Gebäudeklasse 5 und Sonderbauten (sowie Mittel- und<br />

Großgaragen) 198<br />

3.3.3 In welchen Fällen wird der Brandschutznachweis noch<br />

bauaufsichtlich überprüft? 199<br />

3.3.4 Brandschutzkonzept 200<br />

3.4 Brandschutzgutachten 201<br />

4 Leistungen des Architekten für den Brandschutznachweis 202<br />

4.1 Geschuldeter werkvertraglicher Erfolg 202<br />

4.2 Die Leistungen des Architekten im Ablauf einer Baumaßnahme 204<br />

4.2.1 Grundlagenermittlung 204<br />

4.2.2 Vor- und Entwurfsplanung 204<br />

4.2.3 Genehmigungsplanung 206<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

189


Seite<br />

5 Honorierung des Architekten für Leistungen für den Brandschutz-<br />

nachweis 207<br />

5.1 Allgemeines 207<br />

5.2 Vertragsgemäßer Planungsablauf 207<br />

6 Zusammenfassung 210<br />

7 Glossar 210<br />

190<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


1 Einleitung und Problemstellung<br />

Der Architekt ist nicht nur architektonischer Gestalter von Bauwerken, sondern auch Sachwalter<br />

des Bauherrn in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht. Es ist eine unabdingbare Grundlage<br />

eines jeden Planungsauftrags für ein Gebäude, dass dieses spätestens ab seiner Fertigstellung<br />

verkehrssicher ist. 1 In unserer Beratungspraxis stellen wir eine große Unsicherheit der<br />

bayerischen Kommunen in ihrer Rolle als Bauherrn im Zusammenhang mit Brandschutzthemen,<br />

insbesondere im Zusammenhang mit dem Brandschutznachweis fest. Dies beginnt schon<br />

damit, dass die in der Praxis gebrauchten Fachbegriffe (z. B. Brandschutznachweis, Brandschutzkonzept,<br />

Brandschutzgutachten etc.) vermengt werden und damit Missverständnisse<br />

entstehen. Dies setzt sich in der häufig an uns gestellten Frage fort, welche Leistungen tatsächlich<br />

notwendig sind und wer sie zu erbringen hat: Der Architekt, ein Prüfsachverständiger,<br />

ein spezieller Brandschutzplaner - oder gar der Bauherr selbst? Nicht zuletzt geht es auch um<br />

die Frage, wer die Kosten zu tragen hat, bzw. ob die betreffenden Leistungen mit dem Grundhonorar<br />

der HOAI abgegolten oder mit einem besonderen Honorar zu vergüten sind. Mit diesem<br />

Beitrag soll für die Praxis der Bauämter, im Anschluss an die Veröffentlichung in den<br />

BKPV-Mitteilungen 2007, eine weiterführende Handreichung gegeben werden.<br />

2 Zu den Schutzzielen des Brandschutzes<br />

Zwei Ziele des Brandschutzes stehen aus der Bauherrnsicht im Vordergrund: Die Reduzierung<br />

von Brandentstehungsrisiken und die Verringerung der Folgen im Brandfall.<br />

Dementsprechend sieht Art. 12 Bayerische Bauordnung (BayBO) 2 vor, dass bauliche Anlagen<br />

so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten sind, dass der Entstehung eines<br />

Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch (Brandausbreitung) vorgebeugt wird und<br />

bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich<br />

sind. Am effektivsten ist es, einem Brand vorzubeugen, beispielsweise durch die Verwendung<br />

von nicht brennbaren oder schwer entflammbaren Baustoffen.<br />

Einige Großbrände mit schlimmsten Folgen für die Betroffenen (z. B. der Brand am Düsseldorfer<br />

Flughafen am 11.04.1996, bei dem 17 Menschen starben und viele Menschen verletzt<br />

wurden) trugen dazu bei, dass nicht nur die bautechnische Fachwelt, sondern darüber hinaus<br />

auch eine breite Öffentlichkeit für die Gefahren durch brandgefährliche Materialien sensibilisiert<br />

wurden.<br />

Aufgrund des mittlerweile erreichten technischen Standards beim vorbeugenden Brandschutz<br />

konnten – sachgerechte Nutzung der Gebäude durch die Nutzer vorausgesetzt – Brandentstehungsrisiken<br />

auf ein geringes Maß reduziert werden. Wenn in heutiger Zeit Brände entstehen,<br />

hat dies meist seine Ursache im fahrlässigen Umgang mit Brandgefahren bei der Gebäudenutzung<br />

oder im fahrlässigen Umgang mit Brandgefahren bei Unterhalts- oder Umbaumaßnahmen<br />

(z. B. bei Schweißarbeiten). Angesichts der leidvollen Erfahrung vergangener Jahrzehnte ist es<br />

1 Die Pflichtenkreise der Beteiligten im Rahmen der baulichen Verkehrssicherungspflichten aus den verschiedensten<br />

Rechtsgebieten sind umfassend. Neben dem Zivilrecht mit dem Recht der Schuldverhältnisse und dem zivilrechtlichen<br />

Deliktsrecht sind vor allem noch das öffentliche Baurecht, hierbei insbesondere das Bauordnungsrecht,<br />

sowie das Strafrecht angesprochen.<br />

2 GVBl 2007 S. 588, BayRS 2132-1-I<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

191


in unserem Kulturkreis undenkbar geworden, Gebäude zu planen ohne von Anfang an Brandvorbeugung<br />

zu betreiben. Es gilt aber, diesen über die Jahrzehnte nunmehr erreichten Fortschritt,<br />

der nur durch vorausschauende Planung erreicht werden konnte und nicht zuletzt durch<br />

sich verschärfende technische Regelwerke begründet war, aufrecht zu erhalten.<br />

Dieser erreichte Standard ist vergleichbar mit den Anforderungen, die mittlerweile in vielen Bereichen<br />

des täglichen Lebens selbstverständlich sind. Zum Beispiel bekommt in Europa grundsätzlich<br />

kein reguläres Kraftfahrzeug eine Betriebserlaubnis und damit eine amtliche Zulassung,<br />

wenn die Sitzplätze nicht mit Sicherheitsgurten ausgestattet sind. Auch muss z. B. bei<br />

jedem in Deutschland betriebenen Aufzug sichergestellt sein, dass die Aufzugsschachttüre in<br />

den Etagen nur geöffnet werden kann, wenn die Aufzugskabine in das betreffende Stockwerk<br />

eingefahren ist, um ein lebensgefährliches Herabstürzen von Menschen in den Schacht zu<br />

verhindern. Diese Beispiele machen anschaulich, wie selbstverständlich wir mittlerweile in unserer<br />

täglichen Lebensumwelt davon ausgehen, dass technische, insbesondere auch bautechnische<br />

Anlagen und Gebäude so konstruiert, hergestellt und unterhalten werden, dass Gefahren,<br />

die durch die Inbetriebnahme und Bereitstellung für den Verkehr drohen, gar nicht erst<br />

entstehen bzw. auf ein sozialadäquates Minimum reduziert werden (vgl. die sogenannten Verkehrssicherungspflichten).<br />

Der Brandschutz, um den es sich hier handelt, bezieht sich auf mehrere Gefahrenquellen. Im<br />

Brandfall geht es vor allem um Feuer und Rauch. Rauchvergiftungen mit Kohlenmonoxid (CO)<br />

sind die häufigste Todesursache im Zusammenhang mit Bränden. Sehr oft entstehen im<br />

Brandfall noch zusätzlich giftige Gase (etwa wenn die Möblierung in den Gebäuden verbrennt).<br />

3 Grundlagen für den Brandschutz<br />

3.1 Vorbeugender und abwehrender Brandschutz<br />

Entsprechend den zwei oben genannten Schutzzielen des Brandschutzes kann zwischen dem<br />

vorbeugenden Brandschutz, mit dem Schutzziel der Reduzierung von Brandentstehungsrisiken,<br />

und dem abwehrenden Brandschutz, mit dem Schutzziel der Verringerung der Folgen im<br />

Brandfall, differenziert werden.<br />

a) Der vorbeugende Brandschutz ist die Summe aller Präventivmaßnahmen, die notwendig<br />

sind, um einen Brandfall zu verhindern (z. B. durch die Verwendung feuerhemmender<br />

oder nicht brennbarer Materialien) oder um im Brandfall dessen Folgen zu mildern bzw.<br />

ein Übergreifen auf andere Bauteile (Brandüberschlag) zu verhindern (z. B. mittels Brandschotts,<br />

Sprinkler, Rettungswegen, Entrauchung von Fluchtwegen, Fluchtwegebeschilderung,<br />

Sicherheitsbeleuchtung etc.).<br />

b) Der abwehrende Brandschutz ist das Handeln der Rettungskräfte, z. B. das Löschen<br />

durch die Feuerwehr.<br />

192<br />

Zwischen vorbeugendem und abwehrendem Brandschutz bestehen planerische Wechselwirkungen.<br />

Wenn z. B. aufgrund der Gebäudehöhe eine Rettung mittels Leitern ausscheidet,<br />

müssen höhere Anforderungen an die Fluchtwegesituation gestellt werden.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


3.2 Standard- und Sonderbauten<br />

Das Bauordnungsrecht unterscheidet Standardbauten von Sonderbauten. Viele kommunale<br />

Baumaßnahmen, z. B. Kindergärten und Schulen, sind Sonderbauten im Sinne der BayBO:<br />

a) Sonderbauten sind in der BayBO enumerativ in Art. 2 Abs. 4 aufgezählt, alle anderen Bauvorhaben<br />

sind Standardbauten.<br />

„Sonderbauten sind Anlagen und Räume besonderer Art oder Nutzung, die einen der<br />

nachfolgenden Tatbestände erfüllen:<br />

1. Hochhäuser (Gebäude mit einer Höhe nach Art. 2 Abs. 3 Satz 2 von mehr als 22 m),<br />

2. bauliche Anlagen mit einer Höhe von mehr als 30 m,<br />

3. Gebäude mit mehr als 1.600 m 2 Fläche des Geschosses mit der größten Ausdehnung,<br />

ausgenommen Wohngebäude und Garagen,<br />

4. Verkaufsstätten, deren Verkaufsräume und Ladenstraßen eine Fläche von insgesamt<br />

mehr als 800 m 2 haben,<br />

5. Gebäude mit Räumen, die einer Büro- oder Verwaltungsnutzung dienen und einzeln<br />

mehr als 400 m 2 haben,<br />

6. Gebäude mit Räumen, die einzeln für eine Nutzung durch mehr als 100 Personen bestimmt<br />

sind,<br />

7. Versammlungsstätten<br />

a) mit Versammlungsräumen, die insgesamt mehr als 200 Besucher fassen, wenn<br />

diese Versammlungsräume gemeinsame Rettungswege haben,<br />

b) im Freien mit Szenenflächen und Freisportanlagen, deren Besucherbereich jeweils<br />

mehr als 1000 Besucher fasst und ganz oder teilweise aus baulichen Anlagen<br />

besteht,<br />

8. Gaststätten mit mehr als 40 Gastplätzen, Beherbergungsstätten mit mehr als zwölf<br />

Betten und Spielhallen mit mehr als 150 m 2 ,<br />

9. Krankenhäuser, Heime und sonstige Einrichtungen zur Unterbringung oder Pflege<br />

von Personen,<br />

10. Tageseinrichtungen für Kinder, behinderte und alte Menschen,<br />

11. Schulen, Hochschulen und ähnliche Einrichtungen,<br />

12. Justizvollzugsanstalten und bauliche Anlagen für den Maßregelvollzug,<br />

13. Camping- und Wochenendplätze,<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

193


14. Freizeit- und Vergnügungsparks,<br />

15. fliegende Bauten, soweit sie einer Ausführungsgenehmigung bedürfen,<br />

16. Regale mit einer Oberkante Lagerguthöhe von mehr als 7,50 m,<br />

17. bauliche Anlagen, deren Nutzung durch Umgang mit oder Lagerung von Stoffen mit<br />

Explosions- oder erhöhter Brandgefahr verbunden ist,<br />

18. Anlagen und Räume, die in den Nrn. 1 bis 17 nicht aufgeführt und deren Art oder Nutzung<br />

mit vergleichbaren Gefahren verbunden sind.“<br />

b) Für bestimmte Sonderbauten, sogenannte geregelte Sonderbauten, sind weitere Regelungen<br />

zu beachten, wie z. B. die Versammlungsstätten-, die Verkaufsstätten-, die Beherbergungsstättenverordnung,<br />

die Hochhaus-, die Schulbau-, die Industriebaurichtlinie.<br />

c) Für Standardbauten sind die Brandschutzanforderungen abschließend in der BayBO benannt.<br />

3.3 Brandschutznachweis<br />

Nach dem öffentlichen Bauordnungsrecht müssen Nachweise zum Brandschutz erbracht werden.<br />

In Bayern ist bei jedem nicht verfahrensfreien Bauvorhaben ein Brandschutznachweis erforderlich.<br />

3.3.1 Was ist ein Brandschutznachweis?<br />

Der Nachweis über die Einhaltung der Anforderungen an den Brandschutz wird als „Brandschutznachweis“<br />

bezeichnet. Gemäß Art. 62 Abs. 1 Satz 1 BayBO ist die Einhaltung der Anforderungen<br />

an die Standsicherheit, den Brand-, Schall-, Wärme- und Erschütterungsschutz nach<br />

näherer Maßgabe der Verordnung aufgrund des Art. 80 Abs. 4 BayBO nachzuweisen (bautechnische<br />

Nachweise).<br />

Ausgangspunkt der inhaltlichen Anforderungen an den Brandschutznachweis ist die allgemeine<br />

Anforderung an die Bauausführung in Bezug auf den Brandschutz nach Art. 12 BayBO,<br />

wonach bauliche Anlagen so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten sind,<br />

dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch (Brandausbreitung)<br />

vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie<br />

wirksame Löscharbeiten möglich sind.<br />

Der Brandschutznachweis ist aufgrund der Ermächtigung in Art. 80 Abs. 4 BayBO in § 11 der<br />

Verordnung über Bauvorlagen und bauaufsichtliche Anzeigen (Bauvorlagenverordnung -<br />

BauVorlV) vom 10.11.2007 3 geregelt.<br />

3 GVBl 2007 S. 792, BayRS 2132-1-2-I<br />

194<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


§ 11 BauVorlV lautet wie folgt:<br />

„(1) Für den Nachweis des Brandschutzes sind im Lageplan, in den Bauzeichnungen und in<br />

der Baubeschreibung, soweit erforderlich, anzugeben:<br />

1. das Brandverhalten der Baustoffe (Baustoffklasse) und die Feuerwiderstandsfähigkeit der<br />

Bauteile (Feuerwiderstandsklasse) entsprechend den Benennungen nach Art. 24 BayBO<br />

oder entsprechend den Klassifizierungen nach den Anlagen zur Bauregelliste A Teil 1,<br />

2. die Bauteile, Einrichtungen und Vorkehrungen, an die Anforderungen hinsichtlich des<br />

Brandschutzes gestellt werden, wie Brandwände und Decken, Trennwände, Unterdecken,<br />

Installationsschächte und -kanäle, Lüftungsanlagen, Feuerschutzabschlüsse und Rauchschutztüren,<br />

Öffnungen zur Rauchableitung, einschließlich der Fenster nach Art. 33 Abs. 8<br />

Satz 2 BayBO,<br />

3. die Nutzungseinheiten, die Brand- und Rauchabschnitte,<br />

4. die aus Gründen des Brandschutzes erforderlichen Abstände innerhalb und außerhalb des<br />

Gebäudes,<br />

5. der erste und zweite Rettungsweg nach Art. 31 BayBO, insbesondere notwendige Treppenräume,<br />

Ausgänge, notwendige Flure, mit Rettungsgeräten der Feuerwehr erreichbare<br />

Stellen einschließlich der Fenster, die als Rettungswege nach Art. 31 Abs. 2 Satz 2<br />

BayBO dienen, unter Angabe der lichten Maße und Brüstungshöhen,<br />

6. die Flächen für die Feuerwehr, Zu- und Durchgänge, Zu- und Durchfahrten, Bewegungsflächen<br />

und die Aufstellflächen für Hubrettungsfahrzeuge,<br />

7. die Löschwasserversorgung.<br />

(2) 1 Bei Sonderbauten, Mittel- und Großgaragen müssen, soweit es für die Beurteilung erforderlich<br />

ist, zusätzlich Angaben gemacht werden, insbesondere über:<br />

1. brandschutzrelevante Einzelheiten der Nutzung, insbesondere auch die Anzahl und Art<br />

der die bauliche Anlage nutzenden Personen sowie Explosions- oder erhöhte Brandgefahren,<br />

Brandlasten, Gefahrstoffe und Risikoanalysen,<br />

2. Rettungswegbreiten und -längen, Einzelheiten der Rettungswegführung und -ausbildung<br />

einschließlich Sicherheitsbeleuchtung und -kennzeichnung,<br />

3. technische Anlagen und Einrichtungen zum Brandschutz, wie Branderkennung, Brandmeldung,<br />

Alarmierung, Brandbekämpfung, Rauchableitung, Rauchfreihaltung,<br />

4. die Sicherheitsstromversorgung,<br />

5. die Bemessung der Löschwasserversorgung, Einrichtungen zur Löschwasserentnahme<br />

sowie die Löschwasserrückhaltung,<br />

6. betriebliche und organisatorische Maßnahmen zur Brandverhütung, Brandbekämpfung<br />

und Rettung von Menschen und Tieren wie Feuerwehrplan, Brandschutzordnung, Werkfeuerwehr,<br />

Bestellung von Brandschutzbeauftragten und Selbsthilfekräften.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

195


2 Anzugeben ist auch, weshalb es der Einhaltung von Vorschriften wegen der besonderen Art<br />

oder Nutzung baulicher Anlagen oder Räume oder wegen besonderer Anforderungen nicht<br />

bedarf (Art. 54 Abs. 3 Satz 2 BayBO).<br />

3Der<br />

Brandschutznachweis kann auch gesondert in Form eines objektbezogenen Brandschutzkonzepts<br />

dargestellt werden.“<br />

Der Brandschutznachweis kann gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 BauVorlV auch in Form eines<br />

„objektbezogenen Brandschutzkonzepts“ erbracht werden. Das „objektbezogene Brandschutzkonzept“<br />

nach Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BauVorlV ist nichts anderes als ein Brandschutznachweis,<br />

in dem dargestellt ist, wie bei Abweichungen von gesetzlichen Brandschutzvorschriften<br />

(z. B. Verordnungen für besondere Arten von Sonderbauten) die Schutzziele des Brandschutzes<br />

dennoch über Kompensationsmaßnahmen erreicht werden. 4 Die Abweichungen sind<br />

der Bauaufsichtsbehörde oder dem verantwortlichen Sachverständigen in Form eines schriftlichen<br />

Abweichungsantrags mit entsprechender Begründung vorzulegen (Art. 63 Abs. 3 BayBO).<br />

Ein fehlender Abweichungsantrag führt in der Regel zu einem verbotswidrigen Zustand. Der<br />

Brandschutznachweis von Sonderbauten wird meist in der Form eines solchen „objektbezogenen<br />

Brandschutzkonzepts“ dargestellt, was insbesondere bei den oben genannten sogenannten<br />

ungeregelten Sonderbauten nötig ist, für die es keine spezielle Verordnung gibt, aber auch<br />

bei geregelten Sonderbauten, für die es zwar eine Verordnung gibt, bei denen aber wegen ihrer<br />

Komplexität noch Einzelfallentscheidungen nötig sind. 5 Die Schutzziele des Art. 12 BayBO<br />

bilden auch den Rahmen für Ermessensentscheidungen über den Brandschutznachweis von<br />

Sonderbauten (Art. 54 Abs. 3 BayBO).<br />

Zum Begriff des Brandschutzkonzepts siehe im Übrigen noch die Ausführungen im Ab-<br />

schnitt 3.3.4.<br />

3.3.2 Wer darf den Brandschutznachweis erstellen?<br />

Die Person, welche berechtigt ist, den Brandschutznachweis zu erstellen, wird von der BayBO<br />

als „Brandschutzplaner“ bezeichnet. 6<br />

4 Denn der Brandschutznachweis kann gemäß Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BauVorlV i. V. mit Art. 62 Abs. 1 BayBO auch<br />

gesondert in Form eines solchen „objektbezogenen Brandschutzkonzepts“ dargestellt werden.<br />

5 vgl. Famers in Koch/Molodovsky/Famers, Kommentar BayBO, Stand 01.11.<strong>2008</strong>, Art. 12 Rdn. 69<br />

6 vgl. Molodovsky in Koch/Molodovsky/Famers, Kommentar BayBO, Stand 01.11.<strong>2008</strong>, Art. 62 Rdn. 24<br />

196<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Nach Art. 62 der BayBO wird für die Berechtigung, den Brandschutznachweis zu erstellen,<br />

nach der Gebäudeschwierigkeit 7, 8 wie folgt unterschieden:<br />

3.3.2.1 Gebäudeklassen 1 bis 3, ohne Sonderbauten<br />

Die Bauvorlageberechtigung nach Art. 61 Abs. 2, 3 und 4 Nrn. 2 bis 6 BayBO 9 schließt die Berechtigung<br />

zur Erstellung der bautechnischen Nachweise für Gebäude der Gebäudeklassen 1<br />

bis 3 10 , mit Ausnahme von Sonderbauten (und Mittel- und Großgaragen) ein (siehe Art. 62<br />

Abs. 1 Satz 2 BayBO).<br />

3.3.2.2 Gebäudeklasse 4, ohne Sonderbauten<br />

Besondere Anforderungen an die Person des Brandschutzplaners werden durch die BayBO<br />

nur bei Gebäuden der Gebäudeklasse 4 11 gestellt. 12<br />

Für Gebäude der Gebäudeklasse 4 (Gebäude mit einer Höhe bis zu 13 m und Nutzungseinheiten<br />

mit jeweils nicht mehr als 400 m 2 , wenn nicht Gebäudeklasse 1 bis 3 vorliegt), ausgenommen<br />

Sonderbauten, muss den Brandschutznachweis ein sogenannter qualifizierter<br />

Brandschutzplaner erstellen (Art. 62 Abs. 2 Satz 3 BayBO).<br />

Sogenannte qualifizierte Brandschutzplaner 13 erfüllen folgende besondere oder zusätzliche<br />

Qualifikationsmerkmale:<br />

─ Der Brandschutzplaner nach Art. 62 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 BayBO ist ein für das Bauvorhaben<br />

Bauvorlageberechtigter, der die erforderlichen Kenntnisse des Brandschutzes nach-<br />

7 Nach der Konzeption der BayBO sind die bautechnischen Nachweise abhängig vom jeweiligen Vorhaben, nicht<br />

von der Art des für das Vorhaben maßgeblichen bauaufsichtlichen Verfahrens. Wenn bautechnische Nachweise für<br />

das Vorhaben erforderlich sind, kommt es nicht darauf an, ob das Vorhaben im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren<br />

(Art. 59 Satz 2 BayBO), im Baugenehmigungsverfahren für Sonderbauten (Art. 60 Satz 2 BayBO) oder<br />

im Verfahren der Genehmigungsfreistellung (Art. 58 Abs. 5 Satz 1 BayBO) behandelt wird; siehe Molodovsky,<br />

a. a. O., Art. 62 Rdn. 14.<br />

8 Die Anforderungen an den baulichen Brandschutz werden z. B. umso größer, je höher das Gebäude ist, weil mit<br />

zunehmender Höhe die Rettung durch die Feuerwehr schwieriger wird.<br />

9 Eine nur beschränkte Bauvorlageberechtigung des Fachplaners nach Art. 61 Abs. 4 Nr. 1 BayBO und die Bauvorlageberechtigung<br />

der Unternehmen nach Art. 61 Abs. 6 BayBO schließen die Nachweisberechtigung nicht ein.<br />

Diese Fallgruppen sind von der Verweisung in Art. 62 Abs. 1 Satz 2 auf Art. 61 BayBO ausgenommen.<br />

10<br />

siehe Art. 2 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 BayBO:<br />

„1. Gebäudeklasse 1:<br />

a) freistehende Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m und nicht mehr als zwei Nutzungseinheiten von insgesamt<br />

nicht mehr als 400 qm und<br />

b) land- oder forstwirtschaftlich genutzte Gebäude<br />

2. Gebäudeklasse 2:<br />

Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m und nicht mehr als zwei Nutzungseinheiten von insgesamt nicht mehr als<br />

400 qm<br />

3. Gebäudeklasse 3:<br />

sonstige Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m“<br />

11 siehe Art. 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 BayBO:<br />

„4. Gebäudeklasse 4:<br />

Gebäude mit einer Höhe bis zu 13 m und Nutzungseinheiten mit jeweils nicht mehr als 400 qm“<br />

12 Werden im Fall der Gebäudeklasse 4 besondere Anforderungen an den Brandschutzplaner gestellt, kann der<br />

Brandschutzplaner auch als „qualifizierter Brandschutzplaner“ bezeichnet werden. Damit ist aber keine Abwertung<br />

der anderen Brandschutzplaner/Bauvorlageberechtigten im Sinne von Art. 62 Abs. 1 BayBO verbunden.<br />

13 zum Begriff siehe amtliche Begründung zum Änderungsgesetz <strong>2008</strong><br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

197


gewiesen hat und in einer von der Bayerischen Architektenkammer oder der Bayerischen<br />

Ingenieurekammer-Bau zu führenden Liste eingetragen ist. 14 Die Kammern veranstalten<br />

entsprechende Lehrgänge zum Nachweis der Kenntnisse.<br />

─ Der Brandschutzplaner nach Art. 62 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayBO hat die Qualifikation eines<br />

Prüfsachverständigen für Brandschutz. 15 Der Brandschutzplaner mit dieser Qualifikation<br />

darf auch bei anderen Bauvorhaben als der Gebäudeklasse 4 den Brandschutznachweis<br />

erstellen (ohne dass es also auf die allgemeine Bauvorlageberechtigung ankommt).<br />

Nach der Übergangsvorschrift in Art. 83 Abs. 4 BayBO gelten als Brandschutzplaner im Sinne<br />

des Art. 62 Abs. 2 Satz 3 BayBO die im Sinne des Art. 68 Abs. 7 Satz 3 BayBO a. F. Nachweisberechtigten<br />

sowie die aufgrund der früheren SVBau 16 anerkannten Sachverständigen für<br />

vorbeugenden Brandschutz.<br />

3.3.2.3 Gebäudeklasse 5 und Sonderbauten (sowie Mittel- und Großgaragen)<br />

Für Gebäude der Gebäudeklasse 5 17 und für Sonderbauten sind keine speziellen Anforderungen<br />

wie für Gebäude der Gebäudeklasse 4 vorgesehen. Es verbleibt hier für die Erstellung<br />

des Brandschutznachweises beim Regelfall des Art. 62 Abs. 1 Satz 2 BayBO, dass der für<br />

diese Gebäude Bauvorlageberechtigte den Brandschutznachweis erstellen darf.<br />

Dieses auf den ersten Blick merkwürdige Ergebnis findet seine Begründung darin, dass bis<br />

einschließlich Gebäudeklasse 4, außer bei Sonderbauten, keine Überprüfung mehr stattfindet<br />

(siehe zur Überprüfung nachfolgend Abschnitt 3.3.3). Deshalb hat es der Gesetzgeber für nötig<br />

erachtet, dass der den Brandschutznachweis für Gebäude der Gebäudeklasse 4 Erstellende<br />

eine besondere Qualifizierung haben muss. Bei der Gebäudeklasse 5 und bei Sonderbauten ist<br />

eine Überprüfung vorgeschrieben (bauaufsichtlich oder durch einen Prüfsachverständigen),<br />

sodass zwar nicht bei der Erstellung, aber im Ergebnis für die schwierigeren Bauvorhaben<br />

doch strengere Vorschriften gelten.<br />

Soweit behauptet wird, dass bei Sonderbauten ein „Brandschutzgutachter“ oder ein „Prüfsachverständiger<br />

für Brandschutz“ den Brandschutznachweis bzw. den Brandschutznachweis in der<br />

Form eines objektbezogenen Brandschutzkonzepts (siehe § 11 Abs. 2 Satz 3 BauVorlV) zu<br />

erstellen habe, stimmt dies mit der Rechtslage nach der BayBO nicht überein. Art. 62 Abs. 3<br />

Satz 3 BayBO darf nicht dahingehend missverstanden werden, dass bei Sonderbauten oder<br />

Gebäuden der Gebäudeklasse 5 der Ersteller des Brandschutznachweises ein Prüfsachverständiger<br />

sein müsse. In diesen Fällen ist vielmehr als Prüfer die Bauaufsicht bzw. alternativ<br />

nach Wahl des Bauherrn ein Prüfsachverständiger einzuschalten, der den von einer anderen<br />

Person erstellten Brandschutznachweis prüft bzw. bescheinigt (siehe auch nachfolgen Abschnitt<br />

3.3.3).<br />

14 Art. 13 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Baukammerngesetz - BauKaG<br />

15 zum Prüfsachverständigen für Brandschutz siehe §§ 16 ff. PrüfVBau (BayRS 2132-1-10-I)<br />

16<br />

Verordnung über die verantwortlichen Sachverständigen im Bauwesen (Sachverständigenverordnung Bau), zum<br />

01.01.<strong>2008</strong> abgelöst durch die PrüfVBau<br />

17<br />

Gebäude der Gebäudeklasse 5 sind sonstige Gebäude einschließlich unterirdischer Gebäude, siehe Art. 2 Abs. 3<br />

Satz 1 Nr. 5 BayBO.<br />

198<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


3.3.3 In welchen Fällen wird der Brandschutznachweis noch bauaufsichtlich überprüft?<br />

Der von einem Bauvorlageberechtigten erstellte Brandschutznachweis wird grundsätzlich<br />

nicht überprüft. Dies ergibt sich aus Art. 62 Abs. 4 Satz 1 BayBO. Die Vorschrift des Art. 62<br />

zieht für die Entwurfsfertigung die Folgerung daraus, dass nach der neuen BayBO bautechnische<br />

Nachweise in privater Verantwortung erstellt und grundsätzlich nur noch in beschränktem<br />

Umfang überprüft werden. 18<br />

Hat der Bauvorlageberechtigte für die Gebäudeklassen 1 bis 3 bzw. der qualifizierte Brandschutzplaner<br />

für die Gebäudeklasse 4, ausgenommen Sonderbauten, einen Brandschutznachweis<br />

für ein solches Gebäude erstellt, wird dieser von der Bauaufsichtsbehörde nicht überprüft<br />

und es bedarf keiner Bescheinigung des Brandschutznachweises durch einen Prüfsachverständigen.<br />

Nur bei Sonderbauten, bei Mittel- und Großgaragen im Sinne der Verordnung nach Art. 80<br />

Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayBO und bei Gebäuden der Gebäudeklasse 5 muss der Brandschutznachweis<br />

a) durch einen Prüfsachverständigen bescheinigt oder<br />

b) bauaufsichtlich geprüft werden.<br />

Der Bauherr kann wählen, ob er anstelle der bauaufsichtlichen Prüfung den Nachweis durch<br />

einen Prüfsachverständigen prüfen und bescheinigen lässt.<br />

Mit der bauaufsichtlichen Prüfung des Brandschutznachweises ist selbstverständlich nicht verbunden,<br />

dass die Bauaufsicht (Behörde) den Brandschutznachweis erstellt. Die Prüfung setzt<br />

voraus, dass der Brandschutznachweis vollständig vom Brandschutzplaner erstellt wurde.<br />

Nicht anders ist es, wenn der Bauherr einen Prüfsachverständigen mit der Prüfung beauftragt.<br />

Die Bescheinigung setzt auch hier voraus, dass der Brandschutznachweis vollständig vom<br />

Brandschutzplaner erstellt wurde. Hat der Brandschutzplaner ausnahmsweise selbst die Qualifikation<br />

eines Prüfsachverständigen, dürfen die gesetzlichen Rollen nicht vermengt werden.<br />

Der Brandschutzplaner darf dann nach allgemeinen Befangenheitsgrundsätzen 19 nicht<br />

zugleich in die Rolle des Prüfsachverständigen schlüpfen, den von ihm selbst erstellten<br />

Brandschutznachweis überprüfen und die Einhaltung der Brandschutzziele bescheinigen (siehe<br />

§ 5 Abs. 3 PrüfVBau).<br />

Bei gemischten Vorhaben (z. B. Geschäftshaus mit Tiefgarage) ist grundsätzlich insgesamt auf<br />

das strengere Kriterium abzustellen. Lassen sich einzelne Vorhabensteile selbstständig beurteilen,<br />

ohne sich auf andere Teile konstruktiv auszuwirken, können sie aus der Prüfpflicht herausfallen.<br />

Diese Bewertung hat die prüfende Stelle – Bauaufsicht oder Prüfsachverständiger –<br />

vorzunehmen. 20<br />

18<br />

Molodovsky, a. a. O., Art. 62 Rdn. 2<br />

19<br />

siehe Molodovsky, a. a. O., Art. 62 Rdn. 66<br />

20 siehe Molodovsky, a. a. O., Art. 62 Rdn. 76<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

199


3.3.4 Brandschutzkonzept<br />

Der Begriff des Brandschutzkonzepts wird in unterschiedlichem Sinne verwendet.<br />

a) Brandschutzkonzept im allgemeinen Sinn<br />

Ein Brandschutzkonzept ist das zusammengefasste, strukturierte und fachübergreifende Bündel<br />

derjenigen Maßnahmen,<br />

─ mit denen die (o. g.) Schutzziele des vorbeugenden und abwehrenden Brandschutzes<br />

während der Bauerrichtung und der Nutzungsdauer eines Gebäudes durch die Planer, den<br />

Bauherrn, die Nutzer und die Feuerwehr umgesetzt werden soll und<br />

─ mit dem die Effizienz dieser Maßnahmen in regelmäßigen zeitlichen Abständen hinterfragt<br />

und nachgewiesen werden soll.<br />

b) Bauordnungsrechtliches Brandschutzkonzept im Sinne der BayBO<br />

Soweit ein Bauvorhaben den konkreten Brandschutzanforderungen im Gesetz und den zu beachtenden<br />

Verordnungen 21 sowie den relevanten technischen Regeln entspricht, gelten damit<br />

die in Art. 12 BayBO genannten und oben in Abschnitt 2 aufgeführten Schutzziele als eingehalten.<br />

Das Brandschutzkonzept der BayBO besteht mithin grundsätzlich darin, dass die gesetzlichen<br />

Vorschriften, gegebenenfalls auch mittels genehmigten kompensatorischen Abweichungen von<br />

Vorschriften nach Art. 63 BayBO, eingehalten werden. Denn die sich aus dem Zusammenspiel<br />

dieser Vorschriften ergebenden Anforderungen an ein Gebäude sind aufeinander abgestimmt<br />

und können als bauordnungsrechtliches Brandschutzkonzept bezeichnet werden.<br />

Für Standardbauten befinden sich die Brandschutzanforderungen abschließend in der BayBO.<br />

Für weitergehende bauaufsichtliche Anforderungen (siehe Art. 54 Abs. 2 BayBO), gestützt auf<br />

Art. 12 BayBO, besteht in den genormten Fällen auch bei „geregelten Sonderbauten“ kein<br />

Raum. Bei nicht in speziellen Vorschriften geregelten Sonderbauten können zur Abwehr von<br />

Nachteilen im Einzelfall weitergehende Anforderungen gestellt werden, außer wenn diese wegen<br />

der besonderen Art oder Nutzung oder wegen besonderer Anforderungen nicht erforderlich<br />

sind (Art. 54 Abs. 3 BayBO).<br />

Weicht die Planung eines Bauvorhabens von den konzeptionellen Vorgaben der BayBO ab,<br />

muss der bauvorlageberechtigte Entwurfsverfasser mit dem Brandschutznachweis den ergänzenden<br />

Nachweis führen, mit welchen Maßnahmen die Schutzziele des Art. 12 BayBO in vergleichbarer<br />

Qualität erreicht werden. 22 Ob der ergänzende Nachweis erforderlich ist, hängt von<br />

der Planung des Architekten, nicht aber vom prüfenden Sachverständigen bzw. der Bauaufsichtsbehörde<br />

ab. Ursache und Wirkung dürfen nicht verwechselt werden.<br />

21 siehe für bestimmte Sonderbauten, sogenannte „geregelte Sonderbauten“, weitere Regelungen, wie z. B. die Versammlungsstättenverordnung,<br />

die Verkaufsstättenverordnung, die Beherbergungsstättenverordnung, die Hochhausrichtlinie,<br />

die Schulbaurichtlinie, die Industriebaurichtlinie<br />

22 siehe Famers, a. a. O., Art. 12 Rdn. 26<br />

200<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Maßstab für das zu erreichende Sicherheitsniveau sind die quantitativ und qualitativ beschriebenen<br />

Maßnahmen des Gesetzes für den Standardfall. 23 Die Schutzziele des Art. 12 BayBO<br />

bilden den Rahmen für Ermessensentscheidungen über Abweichungen im Einzelfall (siehe<br />

Art. 63 BayBO). Die Bauaufsichtsbehörde kann gemäß Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO Abweichungen<br />

von Anforderungen dieses Gesetzes und aufgrund dieses Gesetzes erlassener<br />

Vorschriften zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung<br />

und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den<br />

öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 BayBO vereinbar<br />

sind. Art. 3 Abs. 2 Satz 3 BayBO 24 bleibt dabei unberührt. Der Zulassung einer Abweichung<br />

bedarf es nicht, wenn bautechnische Nachweise durch einen Prüfsachverständigen bescheinigt<br />

werden.<br />

3.4 Brandschutzgutachten<br />

Manchmal wird von Bauherrnseite ein Brandschutzgutachter eingeschalten, um z. B. bestehende<br />

Bauten auf ihre Übereinstimmung mit den aktuellen Anforderungen zu überprüfen oder<br />

um im Vorfeld eines Regressprozesses gegen den Architekten fachkundige Unterstützung zu<br />

erlagen.<br />

So kann es sinnvoll sein, vor einer beabsichtigten kostenintensiven Planungsbeauftragung für<br />

eine Umbaumaßnahme nach der gründlichen Bestandsaufnahme des Gebäudes noch einen<br />

Brandschutzgutachter einzuschalten, um überhaupt eine angemessene wirtschaftliche Entscheidungsgrundlage<br />

im Vorfeld der Maßnahme (Umbau/Sanierung oder Neubau) zu haben.<br />

Nicht selten sind die Aufwendungen für Brandschutzmaßnahmen im Zusammenhang mit der<br />

Sanierung von Gebäuden nämlich so kostenintensiv, dass ein Neubau weitaus günstiger käme.<br />

Auch ist mit Terminproblemen während der Bauausführung zur rechnen, wenn zusätzliche<br />

Brandschutzmaßnahmen – entgegen ursprünglicher Annahme – doch notwendig werden.<br />

Fälschlicherweise wird im Zusammenhang mit dem Brandschutznachweis oft von einem<br />

Brandschutzgutachten gesprochen. Ein Brandschutzgutachten ist ein Gutachten einer Person<br />

oder Institution, in dem zu einzelnen brandschutztechnischen Fragen fachlich Stellung genommen<br />

wird. Zumeist lässt sich ein bauvorlageberechtigter Entwurfsverfasser für seine gegenüber<br />

dem Bauherrn zu erbringende Leistung von einem Sachverständigen beraten und beauftragt<br />

diesen mit einem Gutachten. Im Rechtssinne liegt dann eine Leistung durch einen<br />

Subplaner vor. Dies entlastet den beauftragten Planer aber nicht von seiner Verantwortung<br />

dem Bauherrn gegenüber. Zu honorieren ist diese Leistung durch den Bauherrn nicht, da der<br />

Entwurfsverfasser mit der Beauftragung seines Subplaners lediglich seine eigenen Kenntnisse<br />

und Erfahrungen auf ein gegenüber dem Bauherrn erfüllungstaugliches Maß hebt.<br />

23 siehe Famers, a. a. O., Art. 12 Rdn. 26<br />

24 „Von den Technischen Baubestimmungen kann abgewichen werden, wenn mit einer anderen Lösung in gleichem<br />

Maße die allgemeinen Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 BayBO erfüllt werden.“<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

201


4 Leistungen des Architekten für den Brandschutznachweis<br />

4.1 Geschuldeter werkvertraglicher Erfolg<br />

Die vom Architekten zu erbringenden Leistungen zur Planung eines verkehrssicheren Gebäudes<br />

sind werkvertragliche Leistungen.<br />

a) Der geschuldete Leistungsumfang wird hierbei durch den Vertrag und nicht etwa durch<br />

die HOAI bestimmt.<br />

Es ist deshalb unerheblich, ob in der Auflistung der Grundleistungen der HOAI Leistungen<br />

des vorbeugenden Brandschutzes gesondert aufgeführt sind oder nicht. Die HOAI ist nur<br />

öffentlich-rechtliches Preisrecht und regelt nicht den vertraglich geschuldeten Umfang. 25<br />

b) Der Architektenvertrag hat einen werkvertraglichen Erfolg zum Inhalt. 26 Der werkvertragliche<br />

Erfolg besteht beim Architektenvertrag in der Planung eines für den Besteller nutzbaren<br />

Gebäudes nach dessen Anforderungen.<br />

Mindestanforderung für die mit den Mitteln der Planung herbeizuschaffende Nutzungsmöglichkeit<br />

durch den Besteller ist, dass das zu planende und zu errichtende Gebäude<br />

verkehrssicher sein muss. Auch wenn dies nicht ausdrücklich beim Vertragsschluss mit<br />

dem Architekten ausgesprochen wird oder im schriftlichen Architektenvertrag niedergeschrieben<br />

ist, gilt, dass sich das Werk für die nach dem Vertrag vorausgesetzte (§ 633<br />

Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BGB) bzw. für die gewöhnliche Verwendung eignen und eine Beschaffenheit<br />

aufweisen muss, die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die der Besteller<br />

nach der Art des Werks erwarten kann (§ 633 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BGB). Die gewöhnliche<br />

Verwendung eines Bauwerks ist, dass der Bauherr die mit der Bauerrichtung intendierte<br />

Nutzung verwirklichen kann. Dies ist bei Werken dieser Art üblich und darf vom Besteller<br />

erwartet werden (siehe § 633 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BGB). Der Bauherr darf deshalb in jedem<br />

Fall erwarten, dass der Architekt ein verkehrssicheres Gebäude plant.<br />

Ist der Planer nicht in der Lage, ein verkehrssicheres Bauwerk zu planen, entlastet ihn<br />

sein Defizit zivilrechtlich nicht. Die Verpflichtung des Architekten zu verkehrssicherem Planen<br />

und Bauen ergibt sich primär aus der zivilrechtlichen Rechtsbeziehung zum Bauherrn<br />

und den in dessen Schutzbereich einbezogenen Dritten 27 , nicht erst aus der Tatsache,<br />

dass bauordnungsrechtliche Vorschriften dasselbe Schutzziel verfolgen.<br />

Der Brandschutz wird nicht erst dadurch zur Aufgabe des Architekten, dass (auch) bei der<br />

Genehmigungsplanung öffentlich-rechtliche Vorschriften, z. B. gemäß Art. 12 BayBO, zu<br />

beachten sind, wonach bauliche Anlagen so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand<br />

zu halten sind, dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer<br />

und Rauch (Brandausbreitung) vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von<br />

Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind. Dass aus öffentlichrechtlicher<br />

Sicht Nachweise zum Brandschutz zu erbringen sind, begründet nicht erst die<br />

Verpflichtung des Architekten zu verkehrssicherem Planen.<br />

25 vgl. BGH, Urteil vom 24.10.1996, Az.: VII ZR 283/95, BauR 1997, 154<br />

26<br />

grundlegend schon BGH, NJW 1960, 431<br />

27<br />

sowie mittelbar auch aus strafrechtlichen Normen<br />

202<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 27.09.2001 28 entschieden, dass aus Vorschriften,<br />

die im öffentlichen Bauordnungsrecht für die Erteilung einer Baugenehmigung im vereinfachten<br />

Genehmigungsverfahren gelten, nicht geschlossen werden könne, dass eine<br />

von einem Architekten vertraglich geschuldete Planungsleistung nur die dort geregelten<br />

Anforderungen umfasse. Der Umfang der für das vereinfachte Genehmigungsverfahren<br />

erforderlichen Planung erlaube hinsichtlich der Angaben zum Brandschutz keinen Rückschluss<br />

auf den Umfang der Vertragspflichten, so der BGH ausdrücklich. Er hob das Urteil<br />

der Vorinstanz auf und verwies die Sache an dieses mit dem Hinweis zurück, dass das<br />

Berufungsgericht zunächst den Inhalt des Vertrages der Parteien festzustellen habe.<br />

Sollte der Architekt umfassend mit der Planung der Bauvorhaben beauftragt gewesen<br />

sein, so werde das Berufungsgericht festzustellen haben, ob der Architekt die Vorgaben<br />

für den Brandschutz im Rahmen der Entwurfsplanung, bei der regelmäßig auch bauphysikalische<br />

Anforderungen zu beachten sind, zu berücksichtigen hatte. Jedenfalls könne<br />

aus den Vorschriften, die im öffentlichen Bauordnungsrecht für die Erteilung einer Baugenehmigung<br />

im vereinfachten Genehmigungsverfahren gelten, nicht geschlossen werden,<br />

die vom Architekten vertraglich geschuldete Leistung umfasse nur die dort geregelten<br />

Anforderungen. Das vereinfachte Genehmigungsverfahren stelle eine Erleichterung des<br />

formellen Rechts und zugleich den Abbau staatlicher Bauaufsicht unter gleichzeitiger bewusster<br />

Verstärkung der Verantwortung der am Bau Beteiligten dar.<br />

Soweit sich der Staat aus der kontrollierenden Tätigkeit der Bauaufsicht zurückzieht, wie<br />

in den letzten Jahren geschehen 29 , ist damit keine Einschränkung des vertraglichen Leistungsumfangs<br />

verbunden. Zum einen stammt die Leistungsverpflichtung originär bereits<br />

aus dem zivilrechtlichen Werkvertragsrecht und begründet sich aus diesem. Zum anderen<br />

haben die formalen Erleichterungen nicht die materiell-rechtlichen Anforderungen entschärft.<br />

Kann ein Bauwerk deshalb z. B. im vereinfachten Genehmigungsverfahren errichtet<br />

werden, „winkt der Staat dieses Bauvorhaben“ bildlich gesprochen „durch“, so sind<br />

dennoch vom planenden Architekten die materiell-rechtlichen Vorgaben der Bauordnung<br />

und die Regeln der Technik sowie die Verkehrssicherungspflichten zu beachten, auch<br />

wenn dies nicht ausdrücklich vereinbart sein sollte. Gerade weil sich der Staat immer mehr<br />

aus der Kontrolle zurückzieht, darf ein Planer um so weniger darauf vertrauen, dass seine<br />

Planung noch einer behördlichen Überprüfung unterzogen wird und gegebenenfalls seine<br />

Leistungsdefizite von den Bauordnungsbehörden kompensiert werden.<br />

Dies heißt, dass der Architekt sich hinsichtlich seiner Leistung nicht auf das aus öffentlichrechtlichen<br />

Gründen gegenüber den Behörden Nachzuweisende beschränken darf. Die<br />

öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften sind einzuhalten, egal, ob dies von einer Behörde<br />

noch kontrolliert wird oder nicht. Selbst wenn der Staat keine Kontrolle mehr ausüben würde,<br />

wären die Vorschriften einzuhalten. 30<br />

28 BGH, Urteil vom 27.09.2001, Az.: VII ZR 391/99, BauR 2002, 114<br />

29 Nach der Rechtsordnung herrscht ohnehin grundsätzliche Baufreiheit als Unterfall der allgemeinen Handlungsfreiheit.<br />

Diese Freiheiten sind grundgesetzlich geschützt und eine Einschränkung dieser Freiheiten bedarf der<br />

Rechtfertigung staatlicher Kontrolle. Zum Rollenverständnis der Bauaufsicht vor dem Hintergrund der Zielsetzungen<br />

der Bauordnungsreform siehe Jäde, BauR <strong>2008</strong>, 52, 53.<br />

30<br />

Im Straßenverkehr wird ein Temposünder auch nicht damit gehört, dass er sich nur dort an die Geschwindigkeitsregelungen<br />

zu halten habe, wo dies kontrolliert wird.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

203


4.2 Die Leistungen des Architekten im Ablauf einer Baumaßnahme<br />

4.2.1 Grundlagenermittlung<br />

Häufig wird eingewandt, dass der Bauherr bei Sonderbauten für Fragen des vorbeugenden<br />

Brandschutzes externe Fachleute heranziehen müsse, da die damit verbundenen Anforderungen<br />

für Architekten zu schwierig seien. Aber es ist eindeutig auch bei sogenannten Sonderbauten<br />

(die meisten öffentlichen Bauten sind im übrigen Sonderbauten, z. B. Schulen, Krankenhäuser<br />

etc.) die Vertragspflicht des Architekten, sich über Einzelheiten der beabsichtigten<br />

Nutzung, insbesondere auch über die Anzahl und die Art der die bauliche Anlage nutzenden<br />

Personen sowie Brandgefahren, Brandlasten etc. vor der planerischen Leistung ein Bild zu<br />

verschaffen. Die entsprechenden Klärungen hat der Architekt bereits bei der Grundlagenermittlung<br />

herbeizuführen.<br />

4.2.2 Vor- und Entwurfsplanung<br />

a) Grundsatz<br />

Zum werkvertraglichen Erfolg gehört, dass in logischen Zwischenschritten Leistungserfolge<br />

gemäß dem Ablauf eines Bauprojekts erbracht werden. 31 Eine kostengünstige Integration von<br />

Brandschutzmaßnahmen ist meist nur in der frühen Planungsphase möglich. Zu einem späteren<br />

Zeitpunkt kann der Brandschutz nur noch durch teure anlagentechnische Kompensationsmaßnahmen<br />

„geheilt“ werden 32 , etwa wenn im Baugenehmigungsverfahren um Ausnahmen<br />

nach Art. 63 BayBO von bauordnungsrechtlichen Anforderungen mittels Kompensationsmaßnahmen<br />

gerungen wird.<br />

Der entscheidende werkvertragliche Erfolg in Bezug auf den Brandschutz ist bereits lange vor<br />

der späteren Zusammenstellung der Unterlagen für eine evtl. nötige Baugenehmigung erforderlich<br />

und werkvertraglich geschuldet. Eine Vorplanung bzw. eine Entwurfsplanung ohne Berücksichtigung<br />

des Brandschutzes ist generell nicht erfüllungstauglich.<br />

Sofern erst im Baugenehmigungsverfahren diesbezügliche Leistungsdefizite, gegebenenfalls<br />

mittels Auflagen, kompensiert werden, ist dies allenfalls eine Nacherfüllung, die zumeist mit erheblichem<br />

finanziellen Aufwand verbunden ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs<br />

schuldet der Planer eine auf Dauer genehmigungsfähige Planung. 33<br />

Mit der Vorplanung hat der Architekt die wesentliche Lösung, mit der Entwurfsplanung die<br />

endgültige Lösung vorzulegen.<br />

In der Vorplanung wird das Konzept des Gebäudes mit seinen wesentlichen Lösungen („Entwurfsidee“)<br />

erarbeitet, d. h. das Raumprogramm wird auf dem Grundstück in eine Form gebracht.<br />

Dafür sind unter anderem die Geländegeometrie, die Anordnung der äußeren Erschließung<br />

und Versorgung (z. B. Einfahrten und Stellplätze), die Baulinien und Abstandsflächen als<br />

äußere Bedingungen zu beachten. Als innere Bedingung ist die Gliederung in mögliche Kon-<br />

31 Diese Zwischenschritte könnten theoretisch jeweils in einzelnen Verträgen verschiedenen Planern übertragen werden.<br />

Eine zweckmäßige Vertragsgestaltung sieht regelmäßig eine nur stufenweise Beauftragung des Architekten<br />

vor.<br />

32<br />

Veröffentlichung der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen vom 15.08.2005 (www.aknw.de/aktuell) mit dem<br />

Titel: „Brandschutz: Eine Aufgabe für den Architekten!“<br />

33 siehe BGH, Urteil vom 25.03.1999, Az.: VII ZR 397/97, BauR 1999, 1195<br />

204<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


struktionsraster mit möglichen Brandabschnitten mit den nötigen Fluchtwegen vorzusehen,<br />

ebenfalls die Erschließungs- und Versorgungsachsen.<br />

Mit der endgültigen Lösung im Entwurf werden die Materialien und sonstige Eigenschaften der<br />

Bauteile festgelegt, d. h. ob Wände, Decken und Dächer aus Beton oder Ziegel, Holz oder<br />

Stahl bestehen und in welchen Dimensionen und Abständen sie angeordnet werden, zudem,<br />

wie sie z. B. vor Nässe geschützt werden und ihre Standfestigkeit gewährleistet wird. Zu den<br />

Eigenschaften, die dabei aufeinander abgestimmt werden müssen, gehört natürlich auch das<br />

Brandverhalten der vorgesehenen Baustoffe und deren Feuerwiderstandsdauer (siehe § 11<br />

Abs. 1 Nr. 1 BauVorlV). 34 Der Architekt muss unter dem Gesichtspunkt des vorbeugenden<br />

Brandschutzes schon bei der Auswahl der Baustoffe grundsätzlich den sichersten Weg wählen.<br />

Das OLG Frankfurt entschied mit Urteil vom 11.03.<strong>2008</strong> 35 , dass der Architekt eine Entwurfs-<br />

und Ausführungsplanung schuldet, die die Anforderungen des Brandschutzes berücksichtigt.<br />

Am Beispiel der Notwendigkeit, Fluchtwege zu berücksichtigen (siehe § 11 Abs. 1 Nr. 5<br />

BauVorlV) wird deutlich, dass es eine originäre vertragliche Aufgabe des Gebäudeplaners ist,<br />

Rettungswege, Treppenhäuser, Treppen und, allgemein gesprochen, Verkehrswege so zu planen,<br />

dass mit der Inbenutzungnahme des Gebäudes keine Gefahren für Leib und Leben von<br />

Personen bestehen. Dies ist eine originäre Aufgabe des Architekten, zumeist der Vorplanung,<br />

und keine Leistung, deretwegen der Architekt vom Bauherrn die Einschaltung eines Sonderfachmanns<br />

fordern kann, damit dessen Ergebnisse als „Leistung von anderen an der Planung<br />

fachlich Beteiligten“ in seine Planung integriert werden können. Allerspätestens am Ende der<br />

Entwurfsplanung muss der Planer die Fluchtwegesituation geklärt haben. 36 Selbst wenn keine<br />

Baugenehmigung notwendig wäre, wäre er schon nach Werkvertragsrecht hierzu verpflichtet,<br />

da er den Bauherren die Planung für ein verkehrssicheres Bauwerk schuldet.<br />

b) Keine Ausnahme bei Sonderbauten<br />

Für Sonderbauten wird vereinzelt argumentiert, dass diese in ihrer planerischen Schwierigkeit<br />

des Brandschutzes die Fähigkeiten von Architekten übersteigen würden.<br />

Zum Teil wird im Zusammenhang mit Sonderbauten der Ruf nach Sonderfachleuten laut, welche<br />

der Bauherr beauftragen müsse, um die Fragen des Brandschutzes abklären zu lassen,<br />

und deren Leistungen der Architekt, wie bei den anderen Fachplanern, in seine Leistungen zu<br />

integrieren habe. Dies ist sachlich nicht gerechtfertigt.<br />

─ Zum einen ist mit dem Begriff Sonderbau nicht automatisch verbunden, dass dieses Bauwerk<br />

„besonders“ schwierig zu planen ist. Nach der Konzeption der BayBO ist jede Schule<br />

ein Sonderbau, egal ob sich mit der Planung schwierige oder leichte Fragestellungen für<br />

den Brandschutz ergeben oder nicht.<br />

─ Es ist Sache des Architekten (als Schuldner der Leistungen im Sinne des BGB), den werkvertraglichen<br />

Erfolg zu bewirken. Alles was hierfür notwendig ist, muss der Architekt leis-<br />

34 Hinsichtlich der Verwendung von Bauprodukten und der Bauarten finden sich in der BayBO umfangreiche Vorschriften<br />

in den Art. 15 bis 23. Im Abschnitt IV der BayBO sind speziell Vorschriften enthalten, die sich mit dem<br />

Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen befassen (Art. 24 bis 30 BayBO).<br />

35 Az.: 10 U 118/07, NZBau <strong>2008</strong>, 516 ff.<br />

36 Z. B. kann die Bestimmung eines Flures als Fluchtweg zu höheren Anforderungen an die Feuerwiderstandsdauer<br />

der umgebenden Bauteile führen, mit dem Ergebnis, dass bestimmte Gestaltungsabsichten nicht mehr oder nur<br />

noch mit erhöhten Kosten verwirklicht werden können.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

205


ten. Davon unabhängig ist, ob ein Auftragnehmer objektiv oder subjektiv in seiner Person<br />

in der Lage ist, den werkvertraglichen Erfolg herbeizuführen. Das Bauen mag insgesamt<br />

komplexer und schwieriger geworden sein. Der Architekt muss aber dennoch diejenigen<br />

Fachkenntnisse haben, die für die Durchführung seiner Aufgaben erforderlich sind. Für<br />

Architekten gilt insofern nichts anderes als z. B. für Ärzte, Rechtsanwälte oder Steuerberater.<br />

Deshalb kann sich ein Architekt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht darauf<br />

berufen, dass ihm während seiner Ausbildung an der Universität die für die Erfüllung der<br />

Aufgaben notwendigen Fachkenntnisse nicht vermittelt worden seien. 37 Der Entwurfsverfasser<br />

muss gemäß Art. 51 Abs. 1 BayBO nach Sachkunde und Erfahrung zur Vorbereitung<br />

des jeweiligen Bauvorhabens geeignet sein. Er ist für die Vollständigkeit und Brauchbarkeit<br />

seines Entwurfs verantwortlich.<br />

Der Bauherr schuldet dem Architekten keine Überprüfung der Leistung, auch nicht der<br />

Planung in brandschutztechnischer Hinsicht für Sonderbauten, sodass der Architekt vom<br />

Bauherrn nicht die Einschaltung oder Beistellung eines „Sonderfachmanns Brandschutz“<br />

verlangen kann.<br />

Wenn im Einzelfall schwierige Fragestellungen bei der Planung von Sonderbauten entstehen<br />

können, liegt das eigentliche Problem nicht selten im Bereich noch nicht ausgereifter<br />

Planungslösung. Zumindest treffen den Architekten frühzeitig Hinweispflichten auf eine<br />

noch nicht ausgereifte Planung. Der Architekt muss sich frühzeitig damit auseinandersetzen,<br />

welche Anforderungen die gesetzlichen Schutzziele an den vorbeugenden Brandschutz<br />

stellen.<br />

4.2.3 Genehmigungsplanung<br />

Der Begriff der Genehmigungsplanung ist zumindest missverständlich. Es bedarf zur „Genehmigungsplanung“<br />

keiner eigentlichen Planungsleistung mehr. Planung ist die gedankliche und<br />

darstellende Vorwegnahme derjenigen Schritte, die zur Zielerreichung notwendig sind. Dies<br />

muss bereits als Ergebnis der vorhergehenden Leistungsphasen (Entwurf) vorliegen, und zwar<br />

vollständig. Das redaktionelle Darstellen der gefundenen Planungslösungen einschließlich<br />

kompensatorischer Brandschutzmaßnahmen zur Verwirklichung der Brandschutzziele ist keine<br />

besondere Leistung, sondern Teil des werkvertraglich geschuldeten Erfolgs.<br />

Der Bauherr hat als Auftraggeber gegenüber dem Entwurfsverfasser dasselbe Informationsinteresse<br />

wie die Bauaufsicht gegenüber dem Bauherrn. Diese Informationen schuldet der Architekt<br />

als Auftragnehmer dem Bauherrn bereits aus dem Werkvertrag. Denn der Werkvertrag<br />

(§§ 631 ff. BGB) über eine als Prototyp anzufertigende Gebäudeplanung, der insoweit an den<br />

Vertrag über den Auftrag (§§ 662 ff. BGB) angenähert ist, sieht nach seiner in Leistungsabschnitte<br />

aufgeteilten Leistungsabfolge eine Billigung des Entwurfs durch den Bauherrn vor,<br />

dessen Voraussetzung die gehörige Information und Aushändigung von aus der Geschäftsbesorgung<br />

Erlangtem über die Leistungsergebnisse ist (§§ 662, 666 und 667 BGB).<br />

37 BGH, Urteil vom 10.07.2003, Az.: VII ZR 392/02, BauR 2003, 1613<br />

206<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


5 Honorierung des Architekten für Leistungen für den Brandschutznachweis<br />

5.1 Allgemeines<br />

Leistungen des Architekten für den Brandschutznachweis sind mit dem Architektenvertrag<br />

beauftragte Grundleistungen, für die über das für die Grundleistungen vereinbarte Honorar hinaus<br />

keine zusätzliche Vergütung zusteht. Dies gilt auch für das sogenannte objektbezogene<br />

Brandschutzkonzept. Dieses ist nichts anderes als ein Brandschutznachweis, in dem noch<br />

dargestellt ist, wie die Brandschutzziele kompensatorisch eingehalten werden können, wenn<br />

die normalen gesetzlichen Anforderungen des Brandschutzes nicht eingehalten werden. Auch<br />

diese Leistung ist mit dem Werkvertrag geschuldet, der die Planung eines verkehrssicheren<br />

Gebäudes umfasst. Es ist nur ein anderer Weg, wie der Architekt sein planerisches Werk erfüllungstauglich<br />

macht. Dass bei Gebäuden der Gebäudeklasse 4 ein qualifizierter Brandschutzplaner<br />

den Brandschutznachweis erstellen muss (also ein Bauvorlageberechtigter mit<br />

nachgewiesenen Kenntnissen und Listeneintrag bzw. ein Brandschutzplaner mit der Qualifikation<br />

eines Prüfsachverständigen), wirkt sich honorarrechtlich nicht aus. Denn sogar bei Gebäuden<br />

der Gebäudeklasse 5 und bei Sonderbauten kann ein Bauvorlageberechtigter, der kein<br />

sogenannter „qualifizierter Brandschutzplaner“ 38 ist, den Brandschutznachweis erstellen. Immerhin<br />

ist bei den Gebäuden der Gebäudeklasse 5 bzw. Sonderbauten der Brandschutznachweis<br />

nicht weniger schwierig. Nur wird der Brandschutznachweis in diesen zuletzt genannten<br />

Fällen überprüft. Ob eine vertraglich geschuldete Leistung aber noch überprüft wird, kann keinen<br />

honorarrechtlichen Unterschied machen. Schließlich schuldet der Bauherr dem Architekten<br />

keine Überprüfung der Planung, sodass die möglicherweise angestellte Überlegung, es sei<br />

schwieriger zu planen, wenn sich keine Überprüfung anschließe, vertrags- und honorarrechtlich<br />

unbeachtlich ist.<br />

5.2 Vertragsgemäßer Planungsablauf<br />

a) Vor- bzw. Entwurfsplanung<br />

Die Leistungen für den Brandschutznachweis sind überwiegend Leistungen, die bereits in der<br />

Vor- bzw. in der Entwurfsplanung zu leisten sind. Dies gilt auch für Sonderbauten.<br />

Will der Entwurfsplaner bei Standard- oder Sonderbauten eine Entwurfsplanung anfertigen,<br />

die nur mittels Ausnahmen nach Art. 63 BayBO durch Kompensationsmaßnahmen genehmigungsreif<br />

werden kann, muss er dies mit dem Auftraggeber, dem Bauherrn, rechtzeitig vereinbaren<br />

und hierbei auf die Kostenfolgen (Erhöhung der Baukosten, Beachtung der Folgekosten<br />

38<br />

Es soll mit dieser Unterscheidung anhand der gesetzlichen Begriffsbildung nicht heißen, dass der nicht „qualifizierte<br />

Brandschutzplaner“ unqualifiziert sei.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

207


und wegen höherer anrechenbarer Baukosten auch Auswirkungen auf das Honorar) hinweisen.<br />

39 Für den Fall, dass mit dem Bauherrn Abweichungen von den üblichen gesetzlichen<br />

Brandschutzbestimmungen abgestimmt sein sollten, ist honorarrechtlich zu beachten, dass der<br />

damit verbundene Aufwand 40 wegen des auf den Werkvertrag bezogenen aufwandsneutralen<br />

Vergütungssystems der HOAI grundsätzlich nicht zu einer Mehrhonorierung führen kann. Der<br />

Architekt muss nicht nur über die Erfordernisse üblicher Genehmigungsanforderungen informiert<br />

sein. Mit dem Honorar für die Grundleistungen ist auch grundsätzlich abgedeckt, dass er<br />

einschätzen muss, welche Genehmigungshindernisse für die in seiner Planung vorgesehene<br />

Bauausführung enthalten sind und darüber hinaus, ob diese überhaupt durch Ausnahmegenehmigungen,<br />

Befreiungen oder Kompensationsmaßnahmen beseitigt werden können sowie<br />

auf welche Weise. 41 Unterlässt der Entwurfsplaner diese auch bei Sonderbauten notwendige<br />

Abstimmung mit seinem Auftraggeber, ist der Entwurf nicht erfüllungstauglich. Der auftraggebende<br />

Bauherr hat einen Nacherfüllungsanspruch. Ein zusätzliches Honorar ist für die Nacherfüllung<br />

nicht geschuldet. Zudem sind die anrechenbaren Kosten auf den Betrag zu kürzen, der<br />

bei ordnungsgemäßer Leistung entstanden wäre. 42<br />

Wenn der Entwurfsplaner bei Sonderbauten im Vorfeld des Baugenehmigungsverfahrens mit<br />

der Bauaufsicht oder dem Prüfsachverständigen um Ausnahmen zu Brandschutzvorschriften<br />

ringt, um seinen Entwurf mit den Brandschutzzielen konform werden zu lassen, handelt es sich<br />

nicht um ein Ändern der Genehmigungsunterlagen infolge von Umständen, die der Auftragnehmer<br />

nicht zu vertreten hat (§ 15 Abs. 2 Nr. 4 HOAI, Besondere Leistungen, vierter Spiegelstrich).<br />

Die Änderung als Besondere Leistung bezieht sich nur auf den Fall, dass die Genehmigungsunterlagen<br />

schon komplett erfüllungstauglich vorlagen.<br />

Soweit der Entwurfsplaner fehlende Kenntnisse durch spezielle Fragestellungen an gesondert<br />

von ihm beauftragte Brandschutzgutachter kompensiert und ein Brandschutzgutachten (siehe<br />

oben Abschnitt 3.5) erstellen lässt, ist dieser Aufwand, wie jeder andere Aufwand für den<br />

Einsatz eines Subplaners, nicht honorierungsfähig.<br />

Ein zusätzliches Honorar kann dem Architekten im Einzelfall zustehen, wenn er nach vorheriger<br />

schriftlicher Vereinbarung mit dem Bauherrn über diese oben dargestellten, nach dem<br />

Werkvertrag ohnehin zur Erreichung der Planung eines verkehrssicheren Bauwerks geschuldeten<br />

Leistungen hinaus eine technisch-wirtschaftliche Lösungsmöglichkeit im Bereich des<br />

39 Selbst wenn der Entwurfsplaner den Bauherrn auf die infolge des Entwurfs notwendigen Kompensationsmaßnahmen<br />

hinweist, ergibt sich für den Auftraggeber stets die Notwendigkeit, die finanziellen Auswirkungen seiner Entscheidung<br />

zu bedenken. In einer im Internet veröffentlichen Bekanntmachung der Architektenkammer Nordrhein-<br />

Westfalen vom 15.08.2005 (www.aknw.de/aktuell), „Brandschutz: Eine Aufgabe für den Architekten!“, heißt es zutreffend:<br />

„Die baulichen Maßnahmen beinhalten im Wesentlichen die Schaffung von Rettungswegen sowie die Unterteilung<br />

des Gebäudes in Brandabschnitte. Diese Vorkehrungen erfordern in der Regel keinen Unterhalt und überleben<br />

ohne große Investitionen die übliche Nutzungsdauer des Bauwerks. Im Gegensatz dazu sind technische Maßnahmen<br />

oft mit erheblichem Unterhalts- und Wartungsaufwand verbunden. Eine Erneuerung der Gebäudetechnik<br />

ist unter Umständen schon nach einem Bruchteil der Lebenserwartung des Gebäudes notwendig. Außerdem führen<br />

die jeweils neuesten technischen Erkenntnisse zu häufigen Neufassungen der technischen Regelwerke. Dies<br />

verursacht einen zusätzlichen ‚Alterungsprozess’ bei der Gebäudetechnik.“<br />

40 Mit der nach der HOAI vorgesehenen Honorierung anhand der anrechenbaren Kosten des Bauwerks knüpft die<br />

HOAI grundsätzlich nicht an den individuell zu betreibenden Aufwand für die Planungsleistungen an.<br />

41 vgl. Korbion jun. in Korbion/Mantscheff/Vygen, HOAI, 6. Aufl., 2004, § 15 Rdn. 101<br />

42<br />

Zusätzlich notwendige Baukosten durch erforderliche Kompensationsmaßnahmen und Folgekosten sind gegebenenfalls<br />

als Schadensersatz geltend zu machen.<br />

208<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Brandschutzes anbietet, die im Sinne von § 5 Abs. 4 a HOAI zu einer wesentlichen Kostensenkung<br />

führt. Auch der Entwurf zur HOAI 2009, Stand 29.04.2009 (Kabinettsbeschluss), sieht in<br />

§ 7 Abs. 7 die Möglichkeit einer solchen Honorarvereinbarung vor.<br />

b) Genehmigungsplanung<br />

Die Leistungen im Zusammenhang mit der Baugenehmigung (Genehmigungsplanung genannt)<br />

sind im Wesentlichen nur noch redaktioneller Natur und dokumentieren für die Bauaufsicht<br />

nach außen, wie in der vollständigen Planung des Entwurfs die Brandschutzziele erreicht<br />

werden.<br />

In der Praxis geht es im Baugenehmigungsverfahren meist um Nachbesserungen der Entwurfsplanung<br />

oder darum, dass mit der Genehmigungsplanung vorausgeeilt wurde, obwohl die<br />

Entwurfsplanung noch nicht erfüllungstauglich vorliegt. Typische Fallgestaltungen sind das Ringen<br />

mit der Baugenehmigungsbehörde um Kompensationsmaßnahmen, weil mit dem Entwurf<br />

die Brandschutzziele nicht eingehalten werden können. Das Einhalten der Brandschutzziele ist<br />

zivilrechtlich aber Inhalt des Vertrages über die Architektenleistung und mit der Entwurfsplanung<br />

zu erbringen.<br />

Sollte die Entwurfsplanung noch nicht so ausgereift sein, dass eine genehmigungsreife Planeingabe<br />

gemacht werden kann, sind die entsprechenden Abstimmungen mit der Bauaufsicht<br />

(bzw. dem an ihre Stelle tretenden Prüfsachverständigen für den Brandschutz) bei Lichte betrachtet<br />

keine Leistungen der „Genehmigungsplanung“.<br />

Stellt der bauvorlageberechtigte Architekt erst bei der Erstellung des Brandschutznachweises<br />

fest, dass Kompensationsmaßnahmen nötig sind, erkennt er (zu spät) lediglich eigene Leistungsdefizite:<br />

Es ist nicht veranlasst, derartige Planungen von Kompensationsmaßnahmen als<br />

Besondere Leistungen anzusehen. Der komplette erfüllungstaugliche Entwurf ist Grundleistung.<br />

Er wird mit dem Honorar für die Leistungsphase 3 vollständig bezahlt. Ein zusätzliches<br />

Honorar für Kompensationsplanungen würde zu einer Doppelhonorierung führen.<br />

Soweit Ausnahmen nach Art. 63 BayBO mit der Bauaufsicht abzuklären sind, sind dies nachgeholte<br />

Leistungen der Entwurfsplanung und nicht die Genehmigungsplanung. Selbst wenn<br />

keine Baugenehmigung erforderlich ist, hat der Bauherr gegenüber dem Architekten Anspruch<br />

auf Darlegung, wie die Schutzziele des Brandschutzes erreicht werden, ob durch Einhaltung<br />

der im Normalfall geltenden Regelungen oder durch zusätzliche bzw. ersetzende (kompensatorische)<br />

Brandschutzleistungen. Dieselben Fragen, die mit dem zur Bauaufsicht einzureichenden<br />

Formular zu beantworten sind, darf und kann der Bauherr selbst an den Architekten stellen.<br />

Zum Beispiel darf ein Bauherr, ohne dass dies einen Mehrhonoraranspruch begründen<br />

würde, den Architekten fragen, ob der Architekt alle brandschutztechnischen Anforderungen<br />

mit seiner Planung eingehalten hat und nachfragen, welche Materialen nach dem Entwurf verwendet<br />

werden sollen. Denn vor der Abnahme des Architektenwerks hat der Architekt darzulegen<br />

und nachzuweisen, dass sein Werk erfüllungstauglich ist. Will der Architekt in seinem<br />

Entwurf z. B. von dem Prinzip der Brandabschnitte, die alle 40 m zu machen sind, abweichen,<br />

darf der Bauherr selbstverständlich fragen, wie der Architekt meint, die Schutzziele des Brandschutzes<br />

durch andere Planungen einhalten zu können und welche Kosten dadurch entstehen.<br />

Es wäre sogar Sache des Architekten, nicht erst eine solche Frage abzuwarten, sondern auf<br />

den Bauherrn zuzugehen und seinerseits zu fragen, ob er überhaupt eine solche Planung ins<br />

Werk setzen darf, die von den üblichen gesetzlichen Brandschutzbestimmungen abweicht.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

209


Leistungen für den Brandschutznachweis sind auch keine Besonderen Leistungen 43 im Sinne<br />

eines „Erarbeitens von Unterlagen für besondere Prüfverfahren“ (Genehmigungsplanung, § 15<br />

Abs. 2 Nr. 4 HOAI, Fassung 1996, Besondere Leistung, zweiter Spiegelstrich bzw. Anlage 2 zu<br />

§ 3 Abs. 3 Nr. 2.6.4, zweiter Spiegelstrich, siehe Kabinettsbeschluss vom 29.04.2009). Die<br />

Erstellung des Brandschutznachweises ist kein Erarbeiten von Unterlagen für ein besonderes<br />

Prüfverfahren. Bei solchen besonderen Prüfverfahren handelt es sich nach einhelliger Mei-<br />

nung z. B. um Verfahren der Gewerbeaufsicht, nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz<br />

(BImSchG) oder um Prüfungen durch Materialprüfungsämter. 44 Es handelt sich um Tätigkeiten<br />

außerhalb des Planungsvorgangs.<br />

c) Ausführungsplanung<br />

Manchmal werden sogar erst in der Phase der Ausführungsplanung brandschutztechnische<br />

Detailfragen geklärt, die bereits mit dem Entwurf hätten geklärt werden können oder müssen.<br />

Wird mit dem Entwurf eine Planung vorgelegt, die noch keine ausgereifte Lösung bezüglich<br />

des Brandschutzes enthält, greift der Planer mit der Ausführungsplanung unzulässig vor. Aus<br />

diesem Grund erforderliche Umplanungsleistungen sind Planungsnachbesserungen, die weder<br />

als wiederholte Grundleistung noch als Besondere Leistung honorierungsfähig sind. Werden<br />

bis dahin unterlassene Planungsleistungen nachgeholt (erstmals erbracht), sind sie Teil der<br />

Grundleistungen und mit dem Grundhonorar abgegolten.<br />

6 Zusammenfassung<br />

Leistungen des Architekten für den Brandschutznachweis sind mit dem Architektenvertrag beauftragte<br />

Grundleistungen, für die über das für die Grundleistungen vereinbarte Honorar hinaus<br />

keine zusätzliche Vergütung zusteht. Der geschuldete werkvertragliche Erfolg besteht beim Architektenvertrag<br />

in der Planung eines für den Besteller nutzbaren Gebäudes nach dessen Anforderungen.<br />

Mindestanforderung ist hierbei, dass das Gebäude verkehrssicher sein muss.<br />

Dies folgt nicht erst aus bauordnungsrechtlichen Vorschriften. Der Architekt schuldet diesen Erfolg<br />

aus dem Zivilrecht dem Besteller gegenüber. Eine Vor- bzw. Entwurfsplanung ohne Berücksichtigung<br />

des Brandschutzes ist nicht erfüllungstauglich. Sofern erst im Baugenehmigungsverfahren<br />

diesbezügliche Defizite, gegebenenfalls mittels Auflagen, kompensiert werden,<br />

ist dies eine Nacherfüllung.<br />

7 Glossar<br />

Brandschutznachweis<br />

Der Nachweis über die Einhaltung der Anforderungen an den Brandschutz wird als „Brandschutznachweis“<br />

bezeichnet. Auch das sogenannte objektbezogene Brandschutzkonzept ist<br />

ein Brandschutznachweis.<br />

43 Der Verordnungsgeber ist mit der Neufassung der HOAI, vgl. Kabinettsbeschluss vom 29.04.2009, den Vorstellungen<br />

der Architektenkammern, welche die im Grundleistungsbereich geschuldeten Leistungen für den Brandschutznachweis<br />

in die Liste der Besonderen Leistungen aufgenommen wissen wollten, nicht gefolgt.<br />

44 siehe Korbion jun., a. a. O.<br />

210<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Brandschutzgutachten<br />

Ein Brandschutzgutachten ist ein Gutachten, in dem zu einzelnen brandschutztechnischen Fragen<br />

fachlich Stellung genommen wird.<br />

Brandschutzplaner<br />

Die BayBO bezeichnet den Ersteller des Brandschutznachweises auch als Brandschutzplaner.<br />

45<br />

Qualifizierter Brandschutzplaner<br />

Ein sogenannter qualifizierter Brandschutzplaner ist ein Brandschutzplaner, der die bei der Gebäudeklasse<br />

4 notwendigen erforderlichen Kenntnisse nach Art. 62 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 BayBO<br />

nachgewiesen hat und in Listen eingetragen oder ein Prüfsachverständiger für Brandschutz<br />

ist. 46<br />

Prüfsachverständiger für Brandschutz<br />

Der Prüfsachverständige ist ein privater Sachverständiger, der im Auftrag des Bauherrn oder<br />

des sonstigen nach Bauordnungsrecht Verantwortlichen die Einhaltung bauordnungsrechtlicher<br />

Anforderungen prüft und bescheinigt. Die Bescheinigung entspricht der bisherigen Bescheinigung<br />

durch den „Verantwortlichen Sachverständigen“ nach der früheren SVBau. Er steht in einem<br />

zivilrechtlichen Rechtsverhältnis zum Bauherrn. Der Prüfsachverständige ist allerdings im<br />

Rahmen der ihm obliegenden Pflichten (siehe § 2 Abs. 2 Satz 2 PrüfVBau) unabhängig und an<br />

Weisungen des Auftraggebers nicht gebunden. Der Prüfsachverständige wird in der Sphäre<br />

der Aufsichtsbehörde tätig. Die behördliche Prüftätigkeit wird durch seine Sachverständigentätigkeit<br />

ersetzt. Ziel des Gesetzgebers ist es, die bauaufsichtliche Prüfung zu privatisieren und<br />

die behördliche Kontrolltätigkeit zurückzunehmen. 47 Hat derjenige, der den Brandschutznachweis<br />

erstellt, die Qualifikation eines Prüfsachverständigen für Brandschutz, ist er für den<br />

Brandschutznachweis dennoch ein „Brandschutzplaner“ (siehe Art. 62 Abs. 2 Satz 4 BayBO).<br />

Der Prüfsachverständige darf im Fall des Art. 62 Abs. 3 Satz 3 BayBO nach dem Vier-Augen-<br />

Prinzip nicht zugleich der Brandschutzplaner sein und seinen von ihm erstellten Brandschutznachweis<br />

überprüfen und bescheinigen.<br />

Verantwortlicher Sachverständiger für den vorbeugenden Brandschutz<br />

Mit der neuen Rechtslage durch die BayBO <strong>2008</strong> treten die „Prüfsachverständigen“ an die Stelle<br />

der bisherigen „Verantwortlichen Sachverständigen im Bauwesen“. Es gilt die Übergangsvorschrift<br />

in Art. 83 Abs. 4 BayBO. Die anerkannten verantwortlichen Sachverständigen für vorbeugenden<br />

Brandschutz gelten damit als qualifizierte Brandschutzplaner.<br />

45 siehe Molodovsky, a. a. O., Art. 62 Rdn. 24 und 60<br />

46 siehe Molodovsky, a. a. O., Art. 62 Rdn. 60 und 64<br />

47 Molodovsky, a. a. O., Art. 62 Rdn. 3<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

211


Energieausweise nach der EnEV 2007 und energetische<br />

Verbesserungen<br />

Verfasser: Thomas Knipfer<br />

Hans-Joachim Schönung<br />

Inhaltsübersicht Seite<br />

1 Welche Gebäudearten unterscheidet die EnEV? 213<br />

2 In welchen Fällen ist ein Energieausweis auszustellen? 213<br />

3 Welche Arten von Energieausweisen gemäß EnEV gibt es? 217<br />

4 Welche Art von Ausweis ist auszustellen? 219<br />

5 Welche Fristen gibt es für (unverändert) bestehende Gebäude? 220<br />

6 Welche Sanktionen drohen bei Zuwiderhandlung? 220<br />

7 Wer ist zur Ausstellung von Energieausweisen im Gebäudebestand<br />

berechtigt? 221<br />

8 Was ist bei der Beauftragung und Vergütung von Leistungen für<br />

das Ausstellen von Energieausweisen zu beachten? 222<br />

9 Hilfestellungen durch den <strong>Prüfungsverband</strong> 225<br />

212<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Für Neubauten bestand schon nach der zum 01.01.1995 eingeführten Wärmeschutzverordnung<br />

die Pflicht, einen sogenannten Wärmebedarfsausweis auszustellen. Mit der Novellierung<br />

der Wärmeschutzverordnung durch die Energieeinsparverordnung - EnEV zum 01.02.2002<br />

wurde der Wärmebedarfsausweis durch den Energiebedarfsausweis abgelöst, der bei Neubauten<br />

und wesentlichen Änderungen an Gebäuden verpflichtend war. Die zum 01.10.2007<br />

in Kraft getretene novellierte Energieeinsparverordnung - EnEV vom 24.07.2007, BGBl<br />

S. 1519 ff., setzt die Richtlinie 2002/91/EG vom 16.12.2002 über die Gesamtenergieeffizienz<br />

von Gebäuden in nationales Recht um und regelt unter anderem die Pflicht zur Ausstellung von<br />

Energieausweisen auch für unverändert bestehende Gebäude in bestimmten Fällen. Die hierzu<br />

vorgeschriebenen Zeitpunkte, ab denen Energieausweise zu erstellen sind, sind zum Teil<br />

schon verstrichen oder liegen in naher Zukunft. 1<br />

Unter Verweis auf diese Fristen wird den Kommunen in letzter Zeit vermehrt die Erstellung von<br />

Energieausweisen für bestehende Gebäude angeboten. Die Hintergründe, in welchen Fällen<br />

ein Energieausweis für bestehende Gebäude überhaupt notwendig ist bzw. welche Art des<br />

Ausweises gefordert ist, bleiben dabei oftmals unerwähnt oder unberücksichtigt. Deshalb soll<br />

den Kommunen nachfolgend ein Überblick zu den Voraussetzungen und Fristen, zu den Arten<br />

der Energieausweise, zur Qualifikation der Aussteller sowie zur Beauftragung und Honorierung<br />

gegeben werden. Unter Energieeinsparverordnung - EnEV (nachfolgend kurz EnEV genannt)<br />

ist, sofern nichts anderes erwähnt ist, die EnEV 2007 gemeint.<br />

1 Welche Gebäudearten unterscheidet die EnEV?<br />

Die EnEV unterscheidet generell zwischen Wohngebäuden und Nichtwohngebäuden. Wohngebäude<br />

sind Gebäude, die nach ihrer Zweckbestimmung überwiegend dem Wohnen dienen,<br />

einschließlich Wohn-, Alten- und Pflegeheimen sowie ähnlichen Einrichtungen. Nichtwohngebäude<br />

sind Gebäude, die nicht unter die Rubrik „Wohngebäude“ fallen (vgl. § 2 Nrn. 1 und 2<br />

EnEV).<br />

1 Mit der Verkündung der „Verordnung zur Änderung der Energieeinsparverordnung vom 29. April 2009“ im Bundesgesetzblatt<br />

(Teil I S. 954) erfolgte – kurz nach Redaktionsschluss für diesen Beitrag – die erwartete Novellierung<br />

der EnEV 2007. Die neue Fassung der Energieeinsparverordnung wird, soweit im Folgenden noch kurz darauf<br />

eingegangen wird, als EnEV 2009 bezeichnet.<br />

Eine der wesentlichen Änderungen der EnEV 2009 ist die Verschärfung der primärenergetischen Anforderungen<br />

bei Neubauten und Sanierungen um rd. 30 % sowie an Außenbauteile im Falle wesentlicher Änderungen im Gebäudebestand<br />

um rd. 15 %. Darüber hinaus enthält die Verordnung neue Berechnungsverfahren für den Primärenergiebedarf<br />

von Wohngebäuden sowie zahlreiche weitere Änderungen, auf die hier aus Zeitgründen noch nicht<br />

näher eingegangen werden kann. Die Regelungen zum Energieausweis bleiben im Wesentlichen unverändert.<br />

Die Verordnung tritt nach ihrem Art. 3 am 01.10.2009 in Kraft. Sie gilt damit (öffentlich-rechtlich) für alle Vorhaben,<br />

für die ab diesem Zeitpunkt der Bauantrag gestellt wird oder die Bauanzeige erfolgt (§ 28 EnEV 2009). Der Bauherr<br />

ist nicht gehindert, mit seinem Architekten schon heute für eine zu planende Baumaßnahme die energetischen<br />

Anforderungen der EnEV 2009 zu vereinbaren. Näheres hierzu sowie zu weiteren wichtigen Änderungen der EnEV<br />

2009 werden wir vor ihrem Inkrafttreten auf unserer Homepage unter „Aktuelles“ veröffentlichen.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

213


2 In welchen Fällen ist ein Energieausweis auszustellen?<br />

a) Neubauten<br />

Für Neubauten ist nach § 16 Abs. 1 Satz 1 EnEV immer ein Energieausweis auszustellen.<br />

b) Änderungen oder Ergänzungen an bestehenden Gebäuden<br />

Für bestehende Gebäude ist nach § 16 Abs. 1 Satz 2 EnEV ein Energieausweis auszustellen,<br />

wenn an dem Gebäude<br />

─ Änderungen (z. B. der Außenwände in Form von Bekleidungen, Dämmungen, neuem Putz,<br />

bei Ersatz der alten Fenster oder Verglasungen, Erneuerung von Außentüren usw.) vorgenommen<br />

werden oder<br />

─ die beheizte oder gekühlte Nutzfläche um mehr als die Hälfte erweitert wird<br />

und dabei für das gesamte Gebäude Berechnungen nach § 9 Abs. 2 EnEV, d. h. des Jahresprimärenergiebedarfs<br />

2 und des Transmissionswärmeverlustes 3 nach den von der EnEV festgelegten<br />

Verfahren, durchgeführt werden.<br />

Beschränkt sich der Bauherr aber z. B. bei einer Fenstersanierung darauf, lediglich die bauteilbezogenen<br />

Vorgaben des § 9 Abs. 3 i. V. mit Anlage 3 der EnEV hinsichtlich der Wärmedurchgangskoeffizienten<br />

zu beachten (d. h. die neuen Fenster erfüllen bestimmte technische Vorgaben),<br />

so ist keine Berechnung durchzuführen und damit greift auch die Ausweispflicht des § 16<br />

Abs. 1 Satz 2 EnEV nicht. In diesen Fällen ist also kein Energieausweis wegen der Änderung<br />

auszustellen.<br />

Bei Erweiterungen sind die Berechnungen nach § 9 Abs. 6 Satz 1 i. V. mit § 3 Abs. 2 oder § 4<br />

Abs. 3 EnEV nur für die Erweiterung (also nicht für den Bestand) verpflichtend durchzuführen.<br />

In solchen Fällen greift deshalb die Ausweispflicht des § 16 Abs. 1 Satz 2 EnEV nur dann auch<br />

für den Bestand, wenn der Bauherr darüber hinaus freiwillig für das gesamte Gebäude einschließlich<br />

des Innenausbaus oder des Erweiterungsbaus Berechnungen zum Jahresprimärenergiebedarf<br />

bzw. Transmissionswärmeverlust nach den in der EnEV vorgegebenen Verfahren<br />

durchführen lässt.<br />

c) Bestehende Gebäude ohne Änderungen oder Ergänzungen<br />

Für bestehende Gebäude, die nicht verändert oder erweitert werden, ist nach § 16 Abs. 2<br />

EnEV ein Energieausweis nur bei Verkauf, Neuvermietung bzw. -verpachtung oder beim<br />

(Neu)Leasing eines Gebäudes, einer Wohnung oder einer sonstigen selbstständigen Nut-<br />

2 Der Jahresprimärenergiebedarf gibt diejenige Energiemenge an, die zur Deckung des Endenergiebedarfs benötigt<br />

wird, also unter Berücksichtigung der Energiemenge, die vorgelagerte Prozesse außerhalb des Gebäudes benötigen.<br />

Bei Wohngebäuden beispielsweise handelt es sich um die für Heizen, Lüften und Warmwasserbereitung benötigte<br />

Energie zuzüglich der Energie für die Gewinnung, Umwandlung und Verteilung der eingesetzten Brennstoffe.<br />

3 Der Transmissionswärmeverlust ist der Wärmestrom durch die wärmeübertragende Umfassungsfläche (Außenwände<br />

etc.) eines Gebäudes. Bestimmungsgröße ist der Wärmedurchgangskoeffizient eines Bauteils (U-Wert,<br />

früher k-Wert).<br />

214<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


zungseinheit auszustellen. Solange das Gebäude (oder Teile davon) also weder verkauft noch<br />

neu vermietet oder verpachtet wird, ist ein Energieausweis nicht notwendig (Ausnahme: Aushangpflicht<br />

in öffentlichen Gebäuden, siehe dazu unten Abschnitt 2 d).<br />

Sobald aber (z. B. in einem kommunalen Wohngebäude) eine Einheit neu vermietet wird, muss<br />

ein Energieausweis ausgestellt werden. Der Energieausweis ist in der Regel für das gesamte<br />

Gebäude, nicht für einzelne Wohn- oder Nutzungseinheiten auszustellen. Bei gemischter<br />

Wohn- und Nichtwohnnutzung gibt es Sonderregelungen, nach denen gegebenenfalls getrennte<br />

Ausweise auszustellen sind (§ 17 Abs. 3 EnEV).<br />

Der Energieausweis muss den potenziellen Käufern, Mietern, Pächtern und Leasingnehmern<br />

nicht ausgehändigt werden. Die EnEV schreibt lediglich vor, dass dieser „zugänglich“ zu machen<br />

ist (z. B. durch Einsichtnahme), und zwar spätestens unverzüglich dann, wenn der potenzielle<br />

Käufer, Mieter etc. dies verlangt.<br />

d) Öffentliche (Nichtwohn-)Gebäude mit mehr als 1.000 m² Nutzfläche<br />

Für die Kommunen besonders wichtig ist die Regelung des § 16 Abs. 3 EnEV, nach der für<br />

Gebäude mit mehr als 1.000 m² Nutzfläche, in denen Behörden und sonstige Einrichtungen für<br />

eine große Anzahl von Menschen öffentliche Dienstleistungen erbringen und die deshalb von<br />

diesen Menschen häufig aufgesucht werden, ein Energieausweis auszustellen und an einer für<br />

die Öffentlichkeit gut sichtbaren Stelle auszuhängen ist. Dies soll die besondere Vorbildfunktion<br />

der öffentlichen Hand hervorheben. Diese Verpflichtung gilt unabhängig von einem Anlass,<br />

d. h. sie setzt weder Verkauf, Vermietung oder Verpachtung noch eine bauliche Änderung oder<br />

Erweiterung voraus. Sie kann aber mit einem solchen Anlass zusammenfallen.<br />

Zur Beurteilung der Ausweis- und Aushangpflicht in öffentlichen Gebäuden sind folgende Kriterien<br />

maßgebend, die alle zugleich zutreffen müssen:<br />

─ Nutzfläche mehr als 1.000 m²<br />

─ Behörden und sonstige Einrichtungen erbringen öffentliche Dienstleistungen für eine<br />

─ große Anzahl von Menschen, die deshalb das Gebäude<br />

─ häufig aufsuchen.<br />

Das Kriterium „Nutzfläche“ lässt sich in der Regel anhand der Bauunterlagen relativ leicht beurteilen.<br />

Zu den übrigen Kriterien ist der Begründung zum Kabinettsentwurf vom 25.04.2007 folgendes<br />

zu entnehmen:<br />

„Typische (öffentliche) Dienstleistungen im Sinne des Absatzes 3 sind die Leistungen der Sozialämter<br />

und ähnlicher gemeindlicher Ämter mit erheblichem Publikumsverkehr, Arbeitsagenturen,<br />

Schulen, Universitäten u. ä. Die Europäische Kommission hat in einem Schreiben dargelegt,<br />

dass nach Sinn und Zweck des Art. 7 Abs. 3 RL mit „sonstigen Einrichtungen“, die öffentliche<br />

Dienstleistungen für eine große Anzahl von Menschen erbringen, nur die Fälle der Privatisierung<br />

von ehemals öffentlich-rechtlich wahrgenommenen Aufgaben mit dem Charakter einer<br />

öffentlichen Dienstleistung gemeint seien. Deswegen seien z. B. Kaufhäuser, Einzelhandelsgeschäfte,<br />

Bankgebäude und ähnliche Gebäude für private Dienstleistungen nicht von der Aushangpflicht<br />

erfasst. Ebenfalls nicht gemeint sind die Öffnung von Gebäuden zu Besichtigungs-<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

215


zwecken (z. B. Museen, Kulturdenkmäler usw.) und die Bereitstellung von Räumlichkeiten zur<br />

Nutzung durch Dritte, ohne dass zugleich „öffentliche Dienstleistungen“ im oben erläuterten<br />

Sinne erbracht werden (z. B. Nutzung von Turn- und Sporthallen durch Vereine u. ä.).“<br />

Die Begründung definiert die Kriterien „öffentliche Dienstleistungen“ sowie „Behörden und<br />

sonstige Einrichtungen“. Sie legt auch dar, was nicht gemeint ist und schafft insofern eine Abgrenzungsmöglichkeit.<br />

Zur Frage, welche Maßstäbe an die weiteren Kriterien „große Anzahl<br />

von Menschen“ und „häufig aufgesucht“ anzulegen sind, kann der Begründung neben dem beispielhaften<br />

Verweis auf Sozialämter entnommen werden, dass bei ähnlichen kommunalen<br />

Ämtern ein „erheblicher Publikumsverkehr“ herrschen soll. Kommunale Gebäude, in denen<br />

ausschließlich Büroräume untergebracht sind, bei denen kein oder nur zeitweise ein Publikumsverkehr<br />

üblich ist, werden daher nicht von der Regelung erfasst.<br />

Wie oben erwähnt, soll die Pflicht zum Aushang eines Energieausweises die besondere Vorbildfunktion<br />

der öffentlichen Hand hervorheben. Diese Vorbildfunktion erschöpft sich allerdings<br />

nicht im Aushang um seiner selbst willen. Denn für die Besucher eines Gebäudes mag es wenig<br />

vorbildlich erscheinen, wenn in einem alten, unsanierten Gebäude ein Energieausweis mit<br />

Werten im gerade noch gelben oder sogar roten Bereich des sogenannten Bandtachos 4<br />

ausgehängt ist. Vielmehr kann es in solchen Fällen zielführender sein, sich zunächst mit dem<br />

energetischen Zustand der Liegenschaften zu beschäftigen und innerhalb der von der EnEV<br />

vorgegebenen Fristen (dazu unten Abschnitt 5) möglicherweise aufgeschobene Maßnahmen<br />

anzugehen, bevor ein Ausweis ausgestellt und ausgehängt wird. In diesem Zusammenhang<br />

bietet sich die Chance, gegebenenfalls schrittweise den Einstieg in ein kommunales<br />

Energiemanagement zu vollziehen.<br />

Dies ist auch ein Anliegen der EU-Kommission, die in ihrem aktuellen Vorschlag zur Neufassung<br />

der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (Fassung 16.01.2009) folgendes<br />

ausführt: „Die Mitgliedstaaten sollten die führende Rolle öffentlicher Behörden bei der<br />

Festlegung spezifischer Ziele für die von ihnen genutzten Gebäude nachweisen.“ Vor diesem<br />

Hintergrund schlägt die Kommission vor, die oben genannte Grenze von 1.000 m² zum einen<br />

auf 250 m² zu reduzieren; zum anderen sollen die oben genannten Kriterien wie „große Anzahl<br />

von Menschen, die deshalb das Gebäude häufig aufsuchen“ entfallen. Somit könnte künftig<br />

auch kleinere Behördengebäude ohne Publikumsverkehr die Verpflichtung zum Aushang eines<br />

Energieausweises treffen.<br />

Die Entscheidung der Kommune, welche Gebäude in die energetischen Betrachtungen einbezogen<br />

werden, sollte sich deshalb nicht ausschließlich an den derzeitigen gesetzlichen Vorgaben<br />

zur Aushangpflicht orientieren. Gerade vor dem Hintergrund der Verschärfungen der<br />

Grenzwerte für den Energiebedarf (EnEV 2009, weitere Verschärfungen sind für die EnEV<br />

2011/2012 geplant) ist es sinnvoll, sich bereits zum heutigen Zeitpunkt insgesamt mit dem<br />

energetischen Zustand der Liegenschaften zu beschäftigen, auch wenn im konkreten Fall derzeit<br />

(noch) keine Verpflichtung zur Erstellung oder zum Aushang eines Ausweises bestehen<br />

sollte.<br />

In allen Fällen gilt aber: Bevor einem externen Berater, der an die Kommune mit dem Angebot,<br />

einen Energieausweis zu erstellen, herantritt, der Auftrag dazu erteilt wird, sollten von der Ver-<br />

4 Bestandteil jedes Energieausweises nach den von der EnEV vorgeschriebenen Mustern ist ein sogenannter „Bandtacho“<br />

mit fließenden Farbübergängen, auf dem die ermittelten Energiekennwerte des Gebäudes leicht ablesbar<br />

mit Pfeilen eingetragen werden. Die Farben des „Bandtachos“ wechseln von Grün über Gelb und Orange nach<br />

Rot. Werte im grünen Bereich stehen für niedrige Verbrauchs- bzw. Bedarfswerte. Rot weist auf eher nachteilige<br />

energetische Eigenschaften hin.<br />

216<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


waltung die grundsätzlichen Fragen zum Ausweis (Ausweis verpflichtend? Ausweis sinnvoll?<br />

Welche Art des Ausweises? Welches Gesamtkonzept soll mit der Ausweiserstellung verfolgt<br />

werden? etc.) geklärt werden.<br />

e) Denkmalgeschützte Gebäude<br />

Nach Landesrecht geschützte bestehende Gebäude oder Gebäudemehrheiten (Baudenkmäler)<br />

sind gemäß § 16 Abs. 4 EnEV von der Verpflichtung des § 16 Abs. 2 EnEV zur Ausweiserstellung<br />

bei Verkauf, Vermietung, Verpachtung oder Leasing ausgenommen. Die Verpflichtung<br />

zum Aushang in öffentlichen Gebäuden nach § 16 Abs. 3 EnEV besteht derzeit auch bei Baudenkmälern,<br />

allerdings nicht mehr ab Inkrafttreten der EnEV 2009.<br />

3 Welche Arten von Energieausweisen gemäß EnEV gibt es?<br />

Die EnEV 2007 unterscheidet zwischen Energieausweisen auf Grundlage des berechneten<br />

Energiebedarfs (Bedarfsausweis) und solchen auf Grundlage des erfassten Energieverbrauchs<br />

(Verbrauchsausweis).<br />

Der Energieausweis ist in der Regel für das gesamte Gebäude auszustellen. Bei gemischter<br />

Wohn- und Nichtwohnnutzung gibt es Sonderregelungen. Abhängig vom Anteil der „artfremden“<br />

Nutzung und der gebäudetechnischen Ausstattung ist gegebenenfalls eine Aufspaltung<br />

nach den jeweiligen Nutzungsarten vorzunehmen; unter Umständen sind getrennte Energieausweise<br />

auszustellen (vgl. § 17 Abs. 3 EnEV).<br />

a) Der Bedarfsausweis (§ 18 EnEV)<br />

Der Bedarfsausweis gibt den unter normierten Bedingungen errechneten theoretischen Energiebedarf<br />

eines Gebäudes wieder. Zur Berechnung müssen alle geometrischen, konstruktiven,<br />

energetischen und anlagentechnischen Gebäudedaten erfasst werden. Für Wohn- und Nichtwohngebäude<br />

sind unterschiedliche Berechnungsweisen vorgeschrieben. Bei Wohngebäuden<br />

wird der Energiebedarf für Heizung, Lüftung und Warmwasserbereitung errechnet, bei Nichtwohngebäuden<br />

zusätzlich für Beleuchtung und Kühlung. Wegen der standardisierten Randbedingungen<br />

erlauben die im Ausweis angegebenen Werte für den Primärenergiebedarf nicht<br />

zwangsläufig Rückschlüsse auf den tatsächlichen Energieverbrauch, da dieser auch vom Nutzerverhalten<br />

und der Witterung abhängig ist. Am einfachsten lässt sich dies mit dem jedermann<br />

bekannten Unterschied zwischen Normverbrauch und tatsächlichem Kraftstoffverbrauch eines<br />

Kraftfahrzeugs vergleichen.<br />

Der Vorteil des Bedarfsausweises liegt darin, dass er das Gebäude mit allen technischen<br />

Komponenten detailliert abbildet. So können Schwachpunkte in der Gebäudehülle oder der<br />

technischen Ausrüstung leichter identifiziert werden. Zugleich kann das den Berechnungen zugrunde<br />

gelegte Gebäudemodell als Grundlage für die Sanierungsplanung und Variantenberechnungen<br />

verwendet werden.<br />

Allerdings sind die Kosten für einen bedarfsorientierten Ausweis wegen des Aufwands für die<br />

Daten- und Gebäudeaufnahme sowie für die Berechnung nicht zu unterschätzen. Bei Wohnge-<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

217


äuden halten sich die Kosten, insbesondere wenn die von der EnEV zugelassenen Vereinfachungen<br />

vorgenommen werden, noch in Grenzen. Bei Nichtwohngebäuden können die Kosten<br />

jedoch leicht mehrere Tausend Euro betragen, insbesondere wenn die Berechnung gegebenenfalls<br />

nach unterschiedlich genutzten Zonen erfolgen muss.<br />

Der Bedarfsausweis bietet sich beispielsweise an, wenn bei einem Gebäude ohnehin bekannt<br />

ist, dass Sanierungsbedarf besteht. Die Gebäudeaufnahme könnte dann als Grundlage für die<br />

Sanierungsplanung verwendet werden, um die Schwachstellen ausfindig zu machen. Sinnvollerweise<br />

sollte der Ausweis erst nach erfolgter Sanierung ausgestellt werden.<br />

b) Der Verbrauchsausweis (§ 19 EnEV)<br />

Verbrauchsausweise werden auf der Grundlage des tatsächlich gemessenen Energieverbrauchs<br />

(z. B. der letzten drei Jahre) eines Gebäudes ausgestellt. Für Wohngebäude wird der<br />

Energieverbrauch für Heizung und Warmwasser erfasst und witterungsbereinigt, für Nichtwohngebäude<br />

zusätzlich der Stromverbrauch. Auf der Grundlage dieses tatsächlichen Verbrauchs<br />

werden Energieverbrauchskennwerte errechnet, die somit nutzerabhängig sind. Als<br />

Vergleichsmaßstab dient der statistisch ermittelte Energieverbrauchswert aus einer Reihe von<br />

vergleichbaren Bestandsgebäuden, die in Bekanntmachungen des Bundesministeriums für<br />

Verkehr, Bau und Stadtentwicklung veröffentlicht sind. Die aus den gemessenen Verbräuchen<br />

ermittelten Energieverbrauchskennwerte liefern indirekt Hinweise auf die energetische Qualität<br />

des Gebäudes. Eine Prognose über den künftig zu erwartenden Verbrauch ermöglichen die<br />

ermittelten Energieverbrauchskennwerte nur bedingt, da dieser von der künftigen Witterung<br />

und dem sich gegebenenfalls ändernden Nutzerverhalten abhängig ist.<br />

Der Vorteil des Verbrauchsausweises liegt darin, dass er relativ kostengünstig zu erstellen ist.<br />

Dies setzt allerdings das Vorliegen einer guten Verbrauchsdokumentation voraus, was in der<br />

Regel im Verantwortungsbereich des Gebäudeeigentümers liegt. Liegen keine Verbrauchswerte<br />

vor oder hat der Gebäudeeigentümer keinen Zugriff auf diese (z. B. als Vermieter beim<br />

Stromverbrauch der Nutzungseinheiten), kann die Erstellung eines Verbrauchsausweises<br />

schwierig werden. In diesem Fall kann es notwendig werden, anstelle des Verbrauchsausweises<br />

einen Bedarfsausweis zu erstellen.<br />

Nachteilig für die Beurteilung des energetischen Zustands eines Gebäudes an Hand des Energieverbrauchs<br />

sind mögliche starke Schwankungen beim Energieverbrauch der Nutzer. So<br />

kann z. B. ein sparsames und sehr energiebewusstes Nutzerverhalten über den tatsächlichen<br />

Zustand des Gebäudes hinwegtäuschen. Umgekehrt gilt das Gleiche. Zudem ist die Beurteilung<br />

einzelner Komponenten aufgrund der Daten kaum möglich, da das Gebäude als „Summe“<br />

ausgewertet wird. Modernisierungshinweise kann der Aussteller des Ausweises deshalb nur<br />

dann fundiert geben, wenn er auch eine Gebäudebegehung durchgeführt hat. Verbrauchsausweise,<br />

die ohne Begehung ausgestellt werden, können daher nur allgemeine Empfehlungen<br />

enthalten, die die Besonderheiten des Gebäudes nicht berücksichtigen und daher für den Gebäudeeigentümer<br />

deutlich weniger wert sind.<br />

Der Verbrauchsausweis bietet sich beispielsweise an, wenn schnell und kosteneffizient ein<br />

Ausweis erstellt werden soll (gute Datenlage vorausgesetzt), um einer Ausweispflicht anlässlich<br />

eines Verkaufs oder einer Vermietung nachzukommen, oder wenn sich die Kommune einen<br />

Überblick über ihre Gebäude verschaffen will, um vorerst ohne großen Aufwand die „größten<br />

Energieverschwender“ zu identifizieren.<br />

218<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


c) Modernisierungsempfehlungen (§ 20 EnEV)<br />

Mit jedem Energieausweis sind vom Aussteller Modernisierungsempfehlungen abzugeben.<br />

Dies ist allerdings nicht so zu verstehen, dass ausgereifte Planungen oder Kostenangaben<br />

vorgelegt werden müssten. Die EnEV verlangt lediglich „kurz gefasste fachliche Hinweise“; die<br />

Empfehlungen sind somit kein Ersatz für eine Energieberatung.<br />

Die Modernisierungsempfehlungen sind in ein Formblatt nach dem Muster der EnEV einzutragen<br />

(Anlage 10 zur EnEV). Sollen die Empfehlungen umfassend sein, empfiehlt es sich, vom<br />

Aussteller zu verlangen, diese sowohl für die Gebäudehülle als auch für die Anlagentechnik<br />

gesondert abzugeben.<br />

Sind Modernisierungsempfehlungen nicht möglich, hat der Aussteller dies dem Gebäudeeigentümer<br />

mitzuteilen. Wir empfehlen, sich dies schriftlich begründen zu lassen.<br />

Darüber hinaus sieht das Formblatt einen Variantenvergleich der unterschiedlichen Modernisierungsempfehlungen<br />

vor. Diese können in zwei verschiedenen Maßnahmenpaketen kombiniert<br />

werden, für die dann im Vergleich zum Ist-Zustand die Einsparung an Primärenergie, Endenergie<br />

und CO2 ausgewiesen wird. Da die Angaben freiwillig sind, sollten sie dem Aussteller bei<br />

Beauftragung ausdrücklich aufgetragen werden.<br />

4 Welche Art von Ausweis ist auszustellen?<br />

Für Neubauten ist nur die Ausstellung eines Bedarfsausweises zulässig (§ 17 Abs. 2 Satz 1<br />

EnEV).<br />

Für Änderungen und Erweiterungen an Gebäuden ist ebenfalls ein Bedarfsausweis vorgeschrieben,<br />

wenn (auf freiwilliger Basis) für das gesamte Gebäude Berechnungen des Jahresprimärenergiebedarfs<br />

und des Transmissionswärmeverlustes nach den von der EnEV festgelegten<br />

Verfahren durchgeführt wurden (vgl. oben Abschnitt 2 b).<br />

Für (unverändert) bestehende Gebäude, die gemäß § 16 Abs. 2 EnEV (gegebenenfalls in Teilen)<br />

verkauft, neu vermietet oder neu verpachtet werden gilt:<br />

─ Bei kleineren Wohngebäuden mit weniger als 5 Wohneinheiten, für die der Bauantrag vor<br />

dem 01.11.1977 gestellt wurde, ist nur der Bedarfsausweis zulässig (§ 17 Abs. 2 Satz 2<br />

EnEV). Hat ein solches Gebäude schon bei der Baufertigstellung das Anforderungsniveau<br />

der Wärmeschutzverordnung vom 11.08.1977 eingehalten oder wurde es durch spätere<br />

Änderungen auf mindestens dieses Niveau gebracht, so besteht ausnahmsweise Wahlfreiheit<br />

zwischen Bedarfs- und Verbrauchsausweis (§ 17 Abs. 2 Satz 3 EnEV). Ist das Gebäude<br />

jünger (Bauantrag am 01.11.1977 oder später), so besteht ebenfalls Wahlfreiheit.<br />

─ Bei größeren Wohngebäuden mit mehr als 5 Wohneinheiten und bei Nichtwohngebäuden<br />

besteht generell Wahlfreiheit zwischen Bedarfs- und Verbrauchsausweis.<br />

Für öffentliche (Nichtwohn-)Gebäude mit mehr als 1.000 m² Nutzfläche, in denen ein Energieausweis<br />

auszuhängen ist (vgl. oben Abschnitt 2 d), besteht grundsätzlich Wahlfreiheit zwischen<br />

Bedarfs- und Verbrauchsausweis.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

219


5 Welche Fristen gibt es für (unverändert) bestehende Gebäude?<br />

Für Gebäude, die gemäß § 16 Abs. 2 EnEV (gegebenenfalls in Teilen) verkauft, neu vermietet,<br />

verpachtet usw. werden, müssen Energieausweise gemäß § 29 EnEV zugänglich gemacht<br />

werden:<br />

─ seit dem 01.07.<strong>2008</strong> für Wohngebäude der Baufertigstellungsjahre bis 1965<br />

─ seit dem 01.01.2009 für später errichtete Wohngebäude<br />

─ ab dem 01.07.2009 für Nichtwohngebäude<br />

Nochmals: Solange das Gebäude (oder Teile davon) weder verkauft noch neu vermietet oder<br />

verpachtet wird, ist auch nach Ablauf dieser Fristen kein Energieausweis vorgeschrieben. Sobald<br />

allerdings ein Verkauf, eine Neuvermietung oder eine Neuverpachtung erfolgt, ist ein<br />

Ausweis unverzüglich vorzulegen (vgl. oben Abschnitt 2 c). Schon aus diesem Grund sollte<br />

seitens der Verwaltung geprüft werden, ob es sinnvoll ist, einen Energieausweis für das Gebäude<br />

„vorzuhalten“.<br />

Als Frist für die anlassunabhängige Ausweis- und Aushangpflicht des § 16 Abs. 3 EnEV in Gebäuden<br />

mit mehr als 1.000 m² Nutzfläche, in denen Behörden und sonstige Einrichtungen für<br />

eine große Anzahl von Menschen öffentliche Dienstleistungen erbringen und die deshalb von<br />

diesen Menschen häufig aufgesucht werden, ist der 01.07.2009 festgelegt.<br />

Energieausweise sind gemäß § 17 Abs. 6 EnEV zehn Jahre lang gültig. Danach müssen sie<br />

neu ausgestellt werden.<br />

Gebäude, für die bereits ein Wärmebedarfsausweis nach der früheren Wärmeschutzverordnung<br />

oder ein Energiebedarfsausweis nach einer älteren Energieeinsparverordnung (EnEV<br />

2002 oder EnEV 2004) vorliegt, benötigen auch nach Verstreichen der oben genannten Fristen<br />

noch keinen neuen Ausweis, wenn der vorliegende Ausweis nicht älter als zehn Jahre ist.<br />

Solange kann der „alte“ Ausweis zur Erfüllung einer Ausweispflicht nach § 16 Abs. 2 oder 3<br />

EnEV verwendet werden.<br />

Das Gleiche gilt, wenn für ein Gebäude bereits vor dem Inkrafttreten der EnEV 2007 zum<br />

01.10.2007 freiwillig ein Energieausweis nach einheitlichen Regeln oder in Anwendung des<br />

Entwurfs der EnEV 2007 ausgestellt worden ist.<br />

6 Welche Sanktionen drohen bei Zuwiderhandlung?<br />

Wer entgegen der Vorschrift des § 16 Abs. 2 EnEV bei Verkauf, Neuvermietung bzw. Neuverpachtung<br />

oder beim (Neu-)Leasing eines Gebäudes, einer Wohnung oder einer sonstigen<br />

selbstständigen Nutzungseinheit vorsätzlich oder fahrlässig einen Energieausweis nicht, nicht<br />

vollständig oder nicht rechtzeitig zugänglich macht, handelt ordnungswidrig im Sinne des § 8<br />

Abs. 1 Nr. 2 Energieeinsparungsgesetz - EnEG, das in diesen Fällen eine Geldbuße bis zu<br />

15.000 € vorsieht.<br />

220<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


7 Wer ist zur Ausstellung von Energieausweisen im Gebäudebestand berechtigt?<br />

a) Für Wohn- und Nichtwohngebäude dürfen Hoch- und Fachhochschulabsolventen<br />

─ der Fachrichtungen Architektur, Hochbau, Bauingenieurwesen, Technische Gebäudeausrüstung,<br />

Bauphysik, Maschinenbau, Elektrotechnik oder<br />

─ einer anderen technischen oder naturwissenschaftlichen Fachrichtung mit einem Ausbildungsschwerpunkt<br />

auf den genannten Gebieten<br />

Energieausweise im Gebäudebestand ausstellen, wenn sie zusätzlich entweder<br />

─ während des Studiums einen Ausbildungsschwerpunkt im Bereich des energiesparenden<br />

Bauens oder<br />

─ nach einem Studium ohne einen solchen Schwerpunkt eine mindestens zweijährige<br />

Berufserfahrung in wesentlichen bau- oder anlagentechnischen Tätigkeitsbereichen<br />

des Hochbaus oder<br />

─ eine erfolgreiche Fortbildung im Bereich des energiesparenden Bauens nach den wesentlichen<br />

Inhalten der in Anlage 11 zur EnEV gestellten Anforderungen oder<br />

─ eine öffentliche Bestellung als vereidigter Sachverständiger für ein Sachgebiet im Bereich<br />

des energiesparenden Bauens oder in wesentlichen bau- oder anlagentechnischen<br />

Tätigkeitsbereichen des Hochbaus<br />

vorweisen können.<br />

b) Nur für bestehende Wohngebäude dürfen darüber hinaus Energieausweise ausstellen:<br />

─ Hoch- und Fachhochschulabsolventen der Fachrichtung Innenarchitektur<br />

─ Personen, die für ein zulassungspflichtiges Bau-, Ausbau- oder anlagentechnisches<br />

Gewerbe oder für das Schornsteinfegerwesen die Voraussetzungen zur Eintragung in<br />

die Handwerksrolle erfüllen sowie Handwerksmeister der zulassungsfreien Handwerke<br />

dieser Bereiche und Personen, die aufgrund ihrer Ausbildung berechtigt sind, ein solches<br />

Handwerk ohne Meistertitel selbstständig auszuüben<br />

─ staatlich anerkannte oder geprüfte Techniker, deren Ausbildungsschwerpunkt auch<br />

die Beurteilung der Gebäudehülle oder die Beurteilung von Heizungs- oder Lüftungs-<br />

bzw. Klimaanlagen erfasst<br />

Voraussetzung für die Ausstellungsberechtigung sind dabei entweder<br />

─ eine erfolgreiche Fortbildung im Bereich des energiesparenden Bauens nach den wesentlichen<br />

Inhalten der in Anlage 11 zur EnEV gestellten Anforderungen oder<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

221


─ eine öffentliche Bestellung als vereidigter Sachverständiger für ein Sachgebiet im Bereich<br />

des energiesparenden Bauens oder in wesentlichen bau- oder anlagentechnischen<br />

Tätigkeitsbereichen des Hochbaus.<br />

Ergänzend dazu gibt es zur Ausstellung von Energieausweisen für Wohngebäude noch Sonderregelungen<br />

für bestimmte Personengruppen, wie z. B. für Baustoff-Kaufleute mit Fortbildung<br />

zum Energiefachberater im Baustoff-Fachhandel oder für „fachfremde“ Handwerksmeister mit<br />

Weiterbildung zum Energieberater des Handwerks, wenn diese Weiterbildung vor dem<br />

25.04.2007 absolviert oder begonnen und erfolgreich abgeschlossen wurde.<br />

Unabhängig davon dürfen Personen Energieausweise für bestehende Gebäude ausstellen, die<br />

über eine Bauvorlage- oder Nachweisberechtigung für Neubauten nach Landesrecht verfügen.<br />

Die Befugnis besteht innerhalb der jeweiligen Bauvorlageberechtigung. Die Bauvorlageberechtigung<br />

ersetzt die oben genannte Grund- und Zusatzqualifikation.<br />

Für die Ausstellungsberechtigung ist keine gesonderte behördliche Zulassung oder Eintragung<br />

erforderlich. Es wird deshalb empfohlen, sich vor Auftragserteilung die Qualifikation des Ausstellers<br />

nachweisen zu lassen und Referenzen zur Ausweiserstellung bei Gebäuden ähnlicher<br />

Art und Größe einzuholen.<br />

Im Übrigen empfehlen wir den Kommunen zu prüfen, ob ein Energieausweis für bestehende<br />

Gebäude durch einen Mitarbeiter der eigenen Verwaltung ausgestellt werden kann bzw. darf,<br />

sofern dieser die entsprechende Qualifikation (vgl. § 21 EnEV) besitzt.<br />

8 Was ist bei der Beauftragung und Vergütung von Leistungen für das Ausstellen<br />

von Energieausweisen zu beachten?<br />

Das Ausstellen eines Energieausweises für bestehende Gebäude ist nicht von der Honorarordnung<br />

für Architekten und Ingenieure (HOAI) erfasst. Die Vergütung hierfür ist frei vereinbar.<br />

Treten planerische Leistungen nach Teil II (Gebäude) oder Teil IX (Technische Ausrüstung) im<br />

Sinne der HOAI hinzu, z. B. konkrete Planungen oder Kostenermittlungen für Modernisierungsmaßnahmen,<br />

so ist für diese Leistungen ein Honorar nach Maßgabe der HOAI zu vereinbaren.<br />

Es ist allerdings zu beachten, dass dabei Grundleistungen (z. B. der Leistungsphasen<br />

Grundlagenermittlung, Vorplanung, Entwurfsplanung und Genehmigungsplanung) ganz oder<br />

teilweise entfallen können, wenn hierfür Daten, Berechnungen oder Ergebnisse aus einem zuvor<br />

erstellten Energieausweis (Bedarfsausweis) verwendet werden können oder lediglich überarbeitet<br />

werden müssen. Hier wäre entsprechend dem konkreten Einzelfall eine Honorarminderung<br />

nach § 5 Abs. 2 HOAI zu vereinbaren.<br />

Die Höhe der Vergütung zum Ausstellen eines Energieausweises für bestehende Gebäude<br />

sollte sich nach dem zu erwartenden Aufwand entweder als Pauschalvergütung oder nach den<br />

anfallenden Stunden mit Höchstbegrenzung bemessen.<br />

Richtgrößen für den Aufwand können derzeit nicht angegeben werden, da dieser je nach Gebäude<br />

und Art des Ausweises stark differiert. So können die Kosten von wenigen Hundert Euro<br />

222<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


für den Verbrauchsausweis eines einfachen Wohngebäudes bis zu mehreren Tausend Euro für<br />

einen Bedarfsausweis bei einem komplexen Nichtwohngebäude betragen. In der Regel<br />

─ sind Ausweise für Nichtwohngebäude aufwendiger als Ausweise für Wohngebäude und<br />

─ Bedarfsausweise erheblich aufwendiger als Verbrauchsausweise.<br />

Letztlich hängt der Aufwand auch von der Erfahrung des Ausstellers mit vergleichbaren Gebäuden<br />

ab.<br />

Die Architektenkammer Niedersachsen führt in ihrem Beitrag „Und was kostet das? - Honorar<br />

für Leistungen nach der EnEV“ (Stand 8/<strong>2008</strong>) zutreffend aus, dass „die Leistungen der EnEV<br />

sehr vielschichtig und kaum über eine Honorartabelle abschließend zu erfassen [sind]“. Insofern<br />

sind Honorarempfehlungen, wie sie beispielsweise im Heft 23 der Schriftenreihe des AHO<br />

(Ausschuss der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten für die Honorarordnung<br />

e. V.) – Leistungen nach der EnEV 2007 – gegeben werden, mit Vorsicht zu betrachten.<br />

Abgesehen davon, dass es sich hier im Gegensatz zur HOAI nicht um gesetzliches Preisrecht,<br />

sondern um unverbindliche Empfehlungen eines Interessenverbandes handelt, beziehen sich<br />

die Empfehlungen ausschließlich auf (neu) zu errichtende, nicht aber auf bestehende Gebäude.<br />

Die Honorartafeln des AHO führen bei Wohngebäuden zu den 2- bis 2,7-fachen Sätzen<br />

der Honorare nach der derzeitigen Tafel des § 78 HOAI (Wärmeschutz), bei Nichtwohngebäuden<br />

zu den 3- bis 5,4-fachen Sätzen. Die Verwaltungen sollten in eigener Verantwortung abschätzen,<br />

ob diese Empfehlungen im jeweiligen konkreten Fall zu einer leistungsgerechten<br />

Vergütung führen. Anstatt eine Vergütung nach unverbindlichen Honorartabellen zu vereinbaren,<br />

sollten sich die Kommunen von mehreren qualifizierten Ausstellern konkrete Angebote<br />

unterbreiten lassen, um einen Überblick über die herrschende Marktsituation zu bekommen.<br />

Denn Preiswettbewerb ist hier - anders als nach bestimmten Regelungen der HOAI - ohne<br />

Weiteres möglich.<br />

In den Anfragen wären die Leistungen des Ausstellers möglichst konkret zu definieren, um tatsächlich<br />

preislich vergleichbare Angebote zu erhalten. Am wichtigsten ist dabei die Frage, welcher<br />

Ausweis nach den Vorschriften der EnEV ausgestellt werden soll (Bedarfs- oder Verbrauchsausweis).<br />

Für beide Ausweisarten sollte vom Aussteller eine Dokumentation zum Energieausweis gefordert<br />

werden. Sie muss in übersichtlicher Form<br />

─ die den Berechnungen zur Ausweiserstellung zugrunde liegenden Daten und Parameter<br />

und<br />

─ die zum Ergebnis des Ausweises führenden Berechnungen<br />

beinhalten.<br />

Dies hat den Vorteil, dass im Fall einer Weiterverfolgung der im Energieausweis ausgewiesenen<br />

Modernisierungsempfehlungen gegebenenfalls auch ein anderer Planer auf diesen Grundlagen<br />

aufbauen könnte.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

223


Für einen Bedarfsausweis sollten darüber hinaus mindestens folgende Leistungen gefordert<br />

werden:<br />

─ Ermittlung der Grundlagendaten (z. B. Flächen, Bauteilqualitäten, Anlagentechnik) zur Ausweiserstellung<br />

durch persönliche Aufnahme vor Ort<br />

─ Liegen aussagekräftige Pläne oder andere Bestandsunterlagen vor, kann die Datenaufnahme<br />

anhand dieser Unterlagen durchgeführt werden, wenn vor Ort die Übereinstimmung<br />

mit dem Gebäude bzw. der Anlagentechnik überprüft wird.<br />

─ Können einzelne Daten zur Erstellung eines Bedarfsausweises weder vor Ort noch aus<br />

den Unterlagen erhoben werden, so ist für diese die Anwendung des vereinfachten Verfahrens<br />

zur Datenaufnahme gemäß den jeweils aktuellen Bekanntmachungen der Regeln zur<br />

Datenaufnahme und Datenverwendung im Wohngebäudebestand bzw. Nichtwohngebäudebestand<br />

des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zulässig, wenn<br />

die Übereinstimmung mit den Vorschriften der EnEV und den vorgenannten Bekanntmachungen<br />

sichergestellt ist.<br />

─ Der Aussteller hat den Auftraggeber über die Verwendung von Vereinfachungen und über<br />

die daraus entstehenden Ungenauigkeiten zu informieren und dies auch im Rahmen der<br />

Dokumentation zum Energieausweis schriftlich anzugeben.<br />

Für einen Verbrauchsausweis sind folgende Mindestleistungen erforderlich:<br />

─ Der Aussteller hat die vom Auftraggeber erhaltenen Verbrauchsdaten zumindest auf Plausibilität<br />

zu überprüfen. Geben sie begründeten Anlass zu Zweifeln an ihrer Richtigkeit, so<br />

darf er sie seinen Berechnungen nicht zugrunde legen (vgl. § 17 Abs. 5 EnEV).<br />

─ Vor Ausarbeitung der Modernisierungsempfehlungen hat der Aussteller das Gebäude und<br />

die Anlagentechnik eingehend zu besichtigen.<br />

Ergänzend zu den vorstehenden Mindestleistungen können optional noch weitere bei der Beauftragung<br />

zu definierende Leistungen hinzukommen, je nachdem, welche Informationstiefe<br />

sich die Kommune vom Ausweis erwartet, z. B.<br />

─ ob Modernisierungsempfehlungen sowohl für die Gebäudehülle als auch für die Anlagentechnik<br />

abzugeben sind,<br />

─ ob der im Formblatt mit den Modernisierungsempfehlungen vorgesehene Variantenvergleich<br />

(zwei Varianten) ausgefüllt werden muss,<br />

─ ob der Aussteller dem Auftraggeber die Ergebnisse des Energieausweises einschließlich<br />

der Modernisierungsempfehlungen persönlich mündlich zu erläutern hat usw.<br />

Die erste Option kann sowohl beim Bedarfsausweis als auch beim Verbrauchsausweis sinnvoll<br />

sein, wenn die Modernisierungsempfehlungen nicht einseitig auf nur einen Bereich eingehen,<br />

sondern umfassend alle möglichen Maßnahmen abdecken sollen.<br />

Die zweite Option ist besonders beim Bedarfsausweis zu empfehlen, denn es ist Sinn und<br />

Zweck der dem Bedarfsausweis zugrunde liegenden Berechnungen, das Gebäude möglichst<br />

genau abzubilden. So können Schwachpunkte im Gebäude leichter identifiziert und gezielter<br />

224<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Modernisierungsempfehlungen abgegeben werden. Mit der verwendeten Software können in<br />

der Regel auf Grundlage der einmal eingegebenen Daten verschiedene Varianten mit vergleichsweise<br />

geringem Aufwand gerechnet werden. Fordert man die Varianten in der Form,<br />

dass zwei verschiedene Maßnahmenpakete darzustellen sind, von denen das erste einfach<br />

umsetzbare oder besonders kostengünstige Maßnahmen enthalten soll, während das zweite<br />

Maßnahmenpaket eine möglichst umfassende, wirtschaftlich sinnvolle energetische Modernisierung<br />

des Gebäudes umfassen soll, so können auf der Grundlage dieser Alternativen weitere<br />

Überlegungen zur Umsetzung der Maßnahmen erfolgen.<br />

Die Verwaltung hat dafür Sorge zu tragen, dass sämtliche ihr verfügbaren Unterlagen dem<br />

Ersteller des Ausweises zur Verfügung gestellt werden. Beim Bedarfsausweis sind dies alle der<br />

Verwaltung vorliegenden Unterlagen des Gebäudes, wie z. B. Baupläne, Wärmebedarfsberechnungen<br />

oder Wärmeschutznachweis, Bestandsunterlagen der Heizungs-, Lüftungs-, Sanitär-<br />

und Elektroanlagen usw.<br />

Beim Verbrauchsausweis müssen<br />

─ Verbrauchsdaten aus Abrechnungen von Heizkosten nach der Heizkostenverordnung für<br />

das gesamte Gebäude oder<br />

─ andere geeignete Verbrauchsdaten, insbesondere Abrechnungen von Energielieferanten<br />

oder sachgerecht durchgeführte Verbrauchsmessungen oder<br />

─ eine Kombination aus den beiden vorgenannten Arten von Verbrauchsdaten<br />

für mindestens die drei der Ausweiserstellung vorangehenden Kalender- oder Abrechnungsjahre<br />

bekannt sein.<br />

9 Hilfestellungen durch den <strong>Prüfungsverband</strong><br />

Der BKPV bietet seinen Mitgliedern auf diesem vergleichsweise neuen Feld der Energieausweise,<br />

aber auch in grundsätzlichen Fragen der Energieeinsparung seine Unterstützung an.<br />

Selbstverständlich können wir keine Sachbearbeitung leisten; diese ist Sache der Verwaltung<br />

oder privater Dienstleister. Im Rahmen unserer Prüfungs- und Beratungstätigkeit können wir<br />

aber Impulse geben, bei Vertragsabschlüssen mit privaten Dienstleistern Hilfestellung leisten<br />

und bei Konfliktsituationen helfen.<br />

Bei Interesse wenden Sie sich bitte an Herrn Schönung, Tel. 089/1272-265.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

225


Steuerlicher Querverbund nun gesetzlich verankert<br />

Verfasser: Gerhard Himmelstoß<br />

Martin Entsfellner<br />

Inhaltsübersicht Seite<br />

1 Einleitung 227<br />

2 Zusammenfassung von Betrieben gewerblicher Art 228<br />

3 Betrieb gewerblicher Art setzt auch weiterhin keine Gewinnerzielungs-<br />

absicht voraus 229<br />

4 Zusammenfassung von Betrieben gewerblicher Art in einer Kapital-<br />

gesellschaft 230<br />

5 Bestimmte Dauerverlustgeschäfte führen nicht generell zu einer<br />

verdeckten Gewinnausschüttung 230<br />

6 Verlustausgleich/-vortrag und -rücktrag bei zusammengefassten<br />

Betrieben gewerblicher Art 233<br />

7 Ausgleich von Gewinnen mit Verlusten innerhalb einer GmbH 236<br />

8 Zusammenfassung 239<br />

226<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


1 Einleitung<br />

Bereits in der Vorjahresausgabe unseres <strong>Geschäftsbericht</strong>s haben wir darüber berichtet, dass<br />

Bundesregierung und Bundesfinanzministerium weiterhin am steuerlichen Querverbund festhalten<br />

wollen. Nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22.08.2007 (Az.: I R<br />

32/06, BStBl 2007 II S. 961) war zunächst das Ende des Querverbunds zu befürchten. Der<br />

BFH entschied in diesem Streitfall wie folgt:<br />

„Die Begründung einer Organschaft zwischen verschiedenen kommunalen Eigenbetrieben in<br />

der Rechtsform einer GmbH als Organgesellschaften und einer kommunalen Holding-GmbH<br />

als Organträgerin ist grundsätzlich nicht als missbräuchliche Gestaltung i.S. von § 42 Abs. 1<br />

AO anzusehen.“<br />

„Das Unterhalten eines strukturell dauerdefizitären kommunalen Eigenbetriebes in der Rechtsform<br />

einer GmbH (hier: das Unterhalten eines Bäderbetriebs) ohne Verlustausgleich und ggf.<br />

ohne angemessenen Gewinnaufschlag durch die Gesellschafterin (Trägerkörperschaft) führt<br />

regelmäßig zur Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA).“<br />

Die Anwendung dieser Entscheidung auf sämtliche dauerdefizitäre kommunale Einrichtungen<br />

wie z. B. Verkehrs- oder Bäderbetriebe hätte bedeutet, dass aus den handelsrechtlichen Verlusten<br />

dieser Einrichtungen aufgrund der Hinzurechnung einer verdeckten Gewinnausschüttung<br />

in Höhe dieser Verluste steuerlich ein ausgeglichenes Ergebnis entstanden wäre, wenn<br />

man den vom BFH zusätzlich noch geforderten Gewinnaufschlag außer Acht lässt. Die vom<br />

BFH nicht in Frage gestellte Möglichkeit der Zusammenfassung der „auf Null gestellten“ Verlustbetriebe<br />

mit Gewinnbetrieben bliebe dann steuerlich ohne Auswirkung, d. h. aus den handelsrechtlichen<br />

Verlusten können dann keine Vorteile mehr in Form einer Steuerersparnis für<br />

die Gewinnbetriebe gezogen werden.<br />

Doch bereits mit Schreiben vom 07.12.2007 (sog. Nichtanwendungserlass) signalisierte das<br />

Bundesfinanzministerium, dass es eine allgemeine Anwendung der Urteilsgrundsätze nicht beabsichtige.<br />

Dieses Schreiben lautete:<br />

„Bis zum Veranlagungszeitraum 2003 war nach Abschn. 5 Abs. 11 a KStR 1995 die Zusammenfassung<br />

von Gewinn- und Verlusttätigkeiten in Eigengesellschaften unter dem Gesichtspunkt<br />

des § 42 AO zu beurteilen. Ab dem Veranlagungszeitraum 2004 ist nach R 7 Abs. 2<br />

KStR 2004 bei der Einkommensermittlung der Eigengesellschaft das Vorliegen einer vGA nach<br />

den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, wenn Tätigkeiten zusammengefasst werden, die<br />

in einem Betrieb gewerblicher Art (BgA) nicht hätten zusammengefasst werden können. Diese<br />

Grundsätze gelten entsprechend bei der Zusammenfassung von Tätigkeiten durch sonstige<br />

Gestaltungen, z.B. in Form von Organschaften.<br />

Die Grundsätze des BFH-Urteils vom 22.8.2007 (a.a.O.) sind für die Beurteilung der Zusammenfassung<br />

von Tätigkeiten in einer Eigengesellschaft oder in vergleichbaren Gestaltungen,<br />

die in einem BgA hätten zusammengefasst werden können, nicht allgemein anzuwenden. Das<br />

gilt insbesondere auch in Fällen, in denen eine Eigengesellschaft eine Verlusttätigkeit der Trägerkörperschaft<br />

übernimmt, ohne sonst eine weitere Tätigkeit auszuüben, und bei der Besteuerung<br />

von BgA.“<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

227


Bereits zu diesem Zeitpunkt war angesichts der Tatsache, dass noch mehrere ähnlich gelagerte<br />

Verfahren beim BFH anhängig waren, ersichtlich, dass es nunmehr einer gesetzlichen<br />

Regelung bedurfte.<br />

Mit dem Jahressteuergesetz 2009 (BGBl <strong>2008</strong> I S. 2794) wurde nun die langjährige Rechtsprechung<br />

des Bundesfinanzhofs und die Auffassung der Finanzverwaltung zur Zusammenfassung<br />

mehrerer Betriebe gewerblicher Art zu einem neuen einheitlichen Betrieb gewerblicher<br />

Art (vgl. R 6 bis R 10 KStR 2004) gesetzlich geregelt.<br />

2 Zusammenfassung von Betrieben gewerblicher Art<br />

Eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig,<br />

soweit sie einen Betrieb gewerblicher Art unterhält (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG). Hat die juristische<br />

Person des öffentlichen Rechts mehrere Betriebe gewerblicher Art, so ist sie Subjekt der Körperschaftsteuer<br />

grundsätzlich wegen jedes einzelnen Betriebs. Eine Zusammenfassung bzw.<br />

Verrechnung von Gewinnen mit Verlusten aus anderen Betrieben gewerblicher Art kann daher<br />

grundsätzlich nicht erfolgen, auch nicht in analoger Anwendung des § 64 Abs. 2 AO. Jedoch ist<br />

seit jeher unstreitig, dass eine Zusammenfassung dann zulässig ist, wenn es sich um gleichartige<br />

Betriebe, insbesondere Versorgungsbetriebe, handelt (Querverbund im engeren Sinne).<br />

Die Möglichkeit der Zusammenfassung ungleichartiger Betriebe (Querverbund im weiteren<br />

Sinne) war nur eingeschränkt möglich; regelmäßig bedurfte es dabei einer engen wechselseitigen<br />

technisch-wirtschaftlichen Verflechtung von einigem Gewicht. Diese althergebrachten<br />

Grundsätze finden sich nun in der gesetzlichen Regelung wieder.<br />

Demnach kann gemäß § 4 Abs. 6 KStG i. d. F. des JStG 2009 (im Folgenden KStG n. F.)<br />

„ein Betrieb gewerblicher Art mit einem oder mehreren anderen Betrieben gewerblicher Art zusammengefasst<br />

werden, wenn<br />

1. sie gleichartig sind,<br />

2. zwischen ihnen nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse objektiv eine enge<br />

wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht besteht oder<br />

3. Betriebe gewerblicher Art im Sinne des Absatzes 3 vorliegen.<br />

Ein Betrieb gewerblicher Art kann nicht mit einem Hoheitsbetrieb zusammengefasst werden.“<br />

Betriebe gewerblicher Art „im Sinne des Absatzes 3“ sind Betriebe, die der Versorgung der Bevölkerung<br />

mit Wasser, Gas, Strom oder Wärme, dem öffentlichen Verkehr oder dem Hafenbetrieb<br />

dienen.<br />

Nach der Gesetzesbegründung sollte „lediglich“ die bisherige Rechtslage wegen der abweichenden<br />

höchstrichterlichen Rechtsprechung (BFH, a. a. O.) gesetzlich kodifiziert werden. Das<br />

bedeutet unseres Erachtens, dass über den Gesetzeswortlaut hinaus Betriebe, die bisher bereits<br />

zusammengefasst werden konnten, auch weiterhin zusammenfassbar sind.<br />

228<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Dies gilt vor allem für die „Zusammenfassung von gleichartigen Einrichtungen, die mangels<br />

Gewicht keinen Betrieb gewerblicher Art darstellen, zu einem Betrieb gewerblicher Art, und die<br />

Zusammenfassung solcher Einrichtungen mit Betrieben gewerblicher Art.“ (vgl. R 7 Abs. 1<br />

KStR 2004).<br />

Beispiel 1:<br />

Zusammenfassung eines Freibades und eines Hallenbades mit einem Umsatz von jeweils<br />

20.000 Euro zu einem einzigen Betrieb mit einem Umsatz von 40.000 Euro, der damit die<br />

Grenze gemäß R 7 KStR erreicht bzw. überschreitet und somit als wirtschaftlich bedeutsam im<br />

Sinne des § 4 KStG gilt.<br />

Nicht gesetzlich geregelt ist, wie die Zusammenfassung nach der gesetzlichen Neuregelung im<br />

Einzelnen zu erfolgen hat. Unseres Erachtens ist, entsprechend der bisherigen Regelung, weiterhin<br />

auch eine gewisse organisatorische Zusammenfassung notwendig. Eine Zusammenfassung<br />

mehrerer im Haushalt getrennt geführter Betriebe lediglich in einer gemeinsamen Gewinnermittlung<br />

und Körperschaftsteuererklärung oder in Form einer sonstigen Erklärung gegenüber<br />

dem Finanzamt dürfte nicht ausreichen.<br />

Im ersten Gesetzesentwurf war noch beabsichtigt, aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung<br />

die Zusammenfassung von öffentlichen Bäderbetrieben mit Versorgungsbetrieben ohne Vorliegen<br />

einer engen wechselseitigen technisch-wirtschaftlichen Verflechtung von einigem Gewicht<br />

zu erlauben. Die Gesetzesbegründung zum ersten Entwurf lautete:<br />

„Aus Gründen der Rechtssicherheit werden die Zusammenfassungsgrundsätze nunmehr gesetzlich<br />

verankert. Dabei wird künftig auf das streitanfällige und administrativ aufwändige<br />

Merkmal der engen wechselseitigen technisch-wirtschaftlichen Verflechtung verzichtet. Damit<br />

wird im Grundsatz der status quo bewahrt. Unter dieses Merkmal fiel in der Vergangenheit als<br />

praktisch wichtigste Verbundform die Zusammenfassung mit Bäderbetrieben.“<br />

Hiervon hat man nun, möglicherweise aus EU-beilhilferechtlichen Überlegungen, wieder Abstand<br />

genommen.<br />

3 Betrieb gewerblicher Art setzt auch weiterhin keine Gewinnerzielungsabsicht<br />

voraus<br />

Der Bundesfinanzhof hielt in dem oben genannten Urteil die sogenannten Liebhabereigrundsätze<br />

für anwendbar. Dies hätte zur Folge, dass ein dauerdefizitärer BgA bei Anwendung dieser<br />

Grundsätze kein negatives Einkommen erzielen kann. Aus diesem Grund wurde zusätzlich<br />

zur bereits in § 4 Abs. 1 Satz 2 KStG bestehenden Regelung auch in § 8 KStG, der zentralen<br />

Vorschrift für die Einkommensermittlung im Bereich des KStG, nochmals ausdrücklich festgelegt,<br />

dass bei Betrieben gewerblicher Art keine Gewinnerzielungsabsicht bestehen muss und<br />

somit auch ein negatives Einkommen festzustellen ist:<br />

„Bei Betrieben gewerblicher Art im Sinne des § 4 sind die Absicht, Gewinn zu erzielen, und die<br />

Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr nicht erforderlich.“<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

229


Dies ist zum einen von Bedeutung, wenn ein solcher BgA später einmal nachhaltig Gewinne<br />

erzielen sollte (z. B. bei der Aufdeckung stiller Reserven im Zusammenhang mit Grundstücksentnahmen)<br />

und ihm dann die Verlustvorträge fehlen würden und zum anderen dann, wenn die<br />

Verluste mit Gewinnen aus anderen Bereichen verrechnet werden sollen (siehe weitere Ausführungen).<br />

4 Zusammenfassung von Betrieben gewerblicher Art in einer Kapitalgesellschaft<br />

In der oben genannten Entscheidung hat der BFH zum Ausdruck gebracht, dass seiner Auffassung<br />

nach die Zusammenfassung von kommunalen Gewinn- und Verlustbetrieben in einer Kapitalgesellschaft<br />

nicht gestaltungsmissbräuchlich sei, auch dann nicht, wenn eine Zusammenfassung<br />

als Betrieb gewerblicher Art nicht zulässig gewesen wäre. Dies sieht der Gesetzgeber<br />

ebenso und nimmt bei unerwünschten Gestaltungen Korrekturen gegebenenfalls über das Instrumentarium<br />

der vGA vor. Wie die weiteren Ausführungen zeigen werden, möchte der Gesetzgeber<br />

im Gegensatz zum BFH nicht in jeder Verlusttätigkeit eine verdeckte Gewinnausschüttung<br />

sehen.<br />

5 Bestimmte Dauerverlustgeschäfte führen nicht generell zu einer verdeckten<br />

Gewinnausschüttung<br />

Im besagten Urteil entschied der Bundesfinanzhof, dass die Übernahme einer dauerdefizitären<br />

Tätigkeit durch eine Eigengesellschaft einer juristischen Person öffentlichen Rechts ohne<br />

schuldrechtlichen Verlustausgleich zu einer verdeckten Gewinnausschüttung an die juristische<br />

Person öffentlichen Rechts führt.<br />

Dabei argumentiert der Bundesfinanzhof wie folgt:<br />

„Ein gedachter ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter, an dessen Verhalten sich prinzipiell<br />

auch die Eigengesellschaft einer Gemeinde messen lassen muss, würde nicht bereit<br />

sein, eine fortdauernde Kostenunterdeckung aus Dienstleistungen hinzunehmen, die an sich<br />

ihrem Gesellschafter … obliegen. Im Ausgangspunkt dieser Überlegungen steht die Erkenntnis,<br />

dass Kapitalgesellschaften über keine außerbetriebliche Sphäre verfügen und dass deswegen<br />

verlustbringende Aktivitäten, die die Kapitalgesellschaft in gesellschaftsrechtlicher (Mit-)<br />

Veranlassung unternimmt, unter den Voraussetzungen einer ertragsteuerrechtlichen sog. Liebhaberei<br />

eine vGA der Kapitalgesellschaft an ihren Gesellschafter auslösen.“<br />

„Ob dabei neben der als vGA zu qualifizierenden Übernahme der Dauerverluste zusätzlich ein<br />

(angemessener) Gewinnaufschlag zu machen ist, kann … im Streitfall dahinstehen.“<br />

230<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Nach dem Willen des Gesetzgebers soll eine von einem BgA oder einer kommunal beherrschten<br />

Kapitalgesellschaft ausgeübte verlustbringende Tätigkeit gemäß § 8 Abs. 7 KStG n. F. nicht<br />

generell eine verdeckte Gewinnausschüttung auslösen:<br />

„ 1 Die Rechtsfolgen einer verdeckten Gewinnausschüttung im Sinne des Absatzes 3 Satz 2 sind<br />

1. bei Betrieben gewerblicher Art im Sinne des § 4 nicht bereits deshalb zu ziehen, weil sie ein<br />

Dauerverlustgeschäft ausüben;<br />

2. bei Kapitalgesellschaften nicht bereits deshalb zu ziehen, weil sie ein Dauerverlustgeschäft<br />

ausüben. 2 Satz 1 gilt nur bei Kapitalgesellschaften, bei denen die Mehrheit der Stimmrechte<br />

unmittelbar oder mittelbar auf juristische Personen des öffentlichen Rechts entfällt und nachweislich<br />

ausschließlich diese Gesellschafter die Verluste aus Dauerverlustgeschäften tragen.<br />

2 Ein Dauerverlustgeschäft liegt vor, soweit aus verkehrs-, umwelt-, sozial-, kultur-, bildungs-<br />

oder gesundheitspolitischen Gründen eine wirtschaftliche Betätigung ohne kostendeckendes<br />

Entgelt unterhalten wird oder in den Fällen von Satz 1 Nr. 2 das Geschäft Ausfluss einer Tätigkeit<br />

ist, die bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu einem Hoheitsbetrieb gehört.“<br />

Bei dauerdefizitären Tätigkeiten ist daher zu prüfen, ob ein (begünstigtes) Dauerverlustgeschäft<br />

im Sinne dieser Vorschrift vorliegt. Dies ist der Fall, wenn<br />

a) eine hoheitliche Tätigkeit in eine Eigengesellschaft ausgelagert wurde oder<br />

b) die Kostenunterdeckung bei einem BgA oder einer Kapitalgesellschaft ganz oder zum Teil<br />

aus verkehrs-, umwelt-, sozial-, kultur-, bildungs- oder gesundheitspolitischen Gründen<br />

hingenommen wurde.<br />

Welche Betätigungen im Einzelnen unter diesen (abschließenden) Katalog des § 8 Abs. 7<br />

Satz 2 KStG n. F. fallen, soll ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums näher erläutern.<br />

Bei wirtschaftlichen Tätigkeiten, die nicht nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KStG n. F. als begünstigtes<br />

Dauerverlustgeschäft zu beurteilen sind, läge damit grundsätzlich eine verdeckte Gewinnausschüttung<br />

vor.<br />

Demzufolge wäre z. B. bei defizitären Messe-, Tourismus- oder Kongressbetrieben in der<br />

Rechtsform einer GmbH eine verdeckte Gewinnausschüttung zu bejahen. Einziger Ausweg<br />

könnte dann die Umgründung in einen Regie- oder Eigenbetrieb sein, da für Betriebe gewerblicher<br />

Art eine Gewinnerzielungsabsicht nicht erforderlich ist. Eine dauerdefizitäre GmbH für den<br />

Betrieb einer Landesgartenschau dürfte hingegen unter die begünstigten Dauerverlusttätigkeiten<br />

fallen.<br />

Ferner stellt sich die Frage, wie viele Jahre ein Verlust erzielt werden „muss“, um von einem<br />

Dauerverlustgeschäft zu sprechen. Denkbar wäre, hier die Regelung zur steuerlichen Liebhaberei<br />

(Gewinnerzielungsabsicht) entsprechend anzuwenden. Wir hoffen, dass auch hierzu das<br />

angekündigte BMF-Schreiben Aussagen enthält.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

231


Wird eine dauerdefizitäre Tätigkeit innerhalb einer Kapitalgesellschaft ausgeübt, sind darüber<br />

hinaus zusätzlich folgende Voraussetzungen zu erfüllen:<br />

a) Die Körperschaft des öffentlichen Rechts muss unmittelbar oder mittelbar die Mehrheit der<br />

Stimmrechte besitzen und<br />

b) sie muss nachweislich 100 % der Verluste aus den Dauerverlustgeschäften tragen.<br />

Die Mehrheit der Stimmrechte wird im Regelfall durch eine Beteiligung von über 50 % an der<br />

Eigengesellschaft erfüllt. Bei mittelbarer Beteiligung, d. h. bei einer Beteiligung über eine andere<br />

Kapitalgesellschaft, sind die Anteile zu multiplizieren.<br />

Beispiel 2:<br />

Die Stadt A hält an der Stadtwerke-GmbH 75 %, die wiederum 90 % der Anteile an einer dauerdefizitären<br />

Bad-GmbH hält (Anteile = Stimmrechte).<br />

Lösung:<br />

Die Stadt A ist mittelbar zu 67,5 % (75 % von 90 %) an der Bad-GmbH beteiligt.<br />

Darüber hinaus muss nachweislich und ausschließlich die Körperschaft des öffentlichen Rechts<br />

die „Dauerverluste“ tragen.<br />

Da eine konkrete Verlustausgleichsverpflichtung auf schuldrechtlicher Basis wegen ihrer regelmäßig<br />

zwingenden Erfassung als Betriebseinnahme und der damit verbundenen verlustmindernden<br />

Wirkung ausscheidet, verbleibt nur die Möglichkeit einer „Auffüllung“ der erzielten<br />

Verluste im Rahmen einer Eigenkapitalzuführung. Damit hat die Körperschaft des öffentlichen<br />

Rechts die Verluste wirtschaftlich getragen.<br />

Auch hierzu erhoffen wir uns entsprechende Hinweise im BMF-Schreiben.<br />

Ungleich schwieriger ist die Situation, wenn mehrere Gesellschafter beteiligt sind und innerhalb<br />

einer Gesellschaft neben dem Dauerverlustgeschäft auch eine gewinnträchtige Betätigung besteht.<br />

So wird bei der Ermittlung des Jahresergebnisses zunächst eine Saldierung beider Bereiche<br />

vorgenommen. Fremdgesellschafter werden aber ohnehin regelmäßig die Ausschüttung<br />

ihres anteiligen Gewinns aus den Gewinnsparten einfordern.<br />

Ist eine Stadt über ein Kommunalunternehmen (Anstalt des öffentlichen Rechts) an einer Dauerverlust-GmbH<br />

beteiligt, besteht sowohl eine unmittelbare (des Kommunalunternehmens) als<br />

auch eine mittelbare Beteiligung (der Stadt) über das Kommunalunternehmen an der GmbH.<br />

Wie diese Fälle zu behandeln sind, ist derzeit noch nicht geklärt. Dies gilt insbesondere, wenn<br />

die hoheitliche Aufgabe auf das Kommunalunternehmen übertragen worden ist und die Stadt<br />

die Dauerverluste unmittelbar oder mittelbar trägt.<br />

Die Vorschrift des § 8 Abs. 7 KStG n. F. ist auch für die Veranlagungszeiträume vor 2009 anzuwenden<br />

(§ 34 Abs. 6 Satz 2 KStG n. F.). Soweit vor dem 18.06.<strong>2008</strong> bei der Einkommensermittlung<br />

von anderen Voraussetzungen ausgegangen wurde, können diese Grundsätze bis<br />

zum 31.12.2011 weiter angewendet werden (§ 34 Abs. 6 Satz 3 KStG n. F.). Entfallen bei Ka-<br />

232<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


pitalgesellschaften im Sinne des § 8 Abs. 7 Nr. 2 KStG n. F. die dort genannten Voraussetzungen<br />

(Mehrheit der Stimmrechte, Verlusttragung) nach dem 18.06.<strong>2008</strong>, endet die Übergangsregelung<br />

zu diesem Zeitpunkt (vgl. § 34 Abs. 6 Satz 4 KStG n. F.).<br />

6 Verlustausgleich/-vortrag und -rücktrag bei zusammengefassten Betrieben<br />

gewerblicher Art<br />

Ebenso neu in das Gesetz aufgenommen wurde eine Regelung zum Verlustvortrag und Verlustrücktrag<br />

für die Fälle, in denen die im Verlustentstehungsjahr zusammengefassten Betriebe<br />

(Betriebszweige) nicht identisch sind mit denjenigen im Verlustabzugsjahr.<br />

Die Regelung des § 8 Abs. 8 KStG n. F. lautet:<br />

„ 1 Werden Betriebe gewerblicher Art zusammengefasst, ist § 10d des Einkommensteuergesetzes<br />

auf den Betrieb gewerblicher Art anzuwenden, der sich durch die Zusammenfassung ergibt.<br />

2 Nicht ausgeglichene negative Einkünfte der einzelnen Betriebe gewerblicher Art aus der Zeit<br />

vor der Zusammenfassung können nicht beim zusammengefassten Betrieb gewerblicher Art<br />

abgezogen werden.<br />

3Ein Rücktrag von Verlusten des zusammengefassten Betriebs gewerblicher Art auf die einzelnen<br />

Betriebe gewerblicher Art vor Zusammenfassung ist unzulässig.<br />

4Ein bei einem Betrieb gewerblicher Art vor der Zusammenfassung festgestellter Verlustvortrag<br />

kann nach Maßgabe des § 10d des Einkommensteuergesetzes vom Gesamtbetrag der<br />

Einkünfte abgezogen werden, den dieser Betrieb gewerblicher Art nach Beendigung der Zusammenfassung<br />

erzielt.<br />

5Die<br />

Einschränkungen der Sätze 2 bis 4 gelten nicht, wenn gleichartige Betriebe gewerblicher<br />

Art zusammengefasst oder getrennt werden.“<br />

Sind bei einer Zusammenfassung von Betrieben gewerblicher Art die Voraussetzungen des § 4<br />

Abs. 6 KStG n. F. erfüllt, können Gewinne und Verluste innerhalb eines Veranlagungszeitraums<br />

uneingeschränkt ausgeglichen werden. Die Vorschrift des § 8 Abs. 8 KStG n. F. regelt<br />

(lediglich) den Rücktrag bzw. Vortrag von Verlusten, die nach der Saldierung mit Gewinnen des<br />

gleichen Jahres verbleiben. Zum besseren Verständnis dieser Regelungen ist es wichtig, zwischen<br />

den Begriffen Verlustausgleich und Verlustverrechnung zu unterscheiden.<br />

Unter Verlustausgleich versteht man die Saldierung von Gewinnen und Verlusten zusammengefasster<br />

Betriebe im laufenden Jahr. Hingegen bedeutet Verlustverrechnung die Verrechnung<br />

von Ergebnissen des laufenden Jahres (nach erfolgter Saldierung im laufenden Jahr)<br />

mit den Ergebnissen des Vor- oder Folgejahres.<br />

Nach § 10 d EStG können Verluste bis zu einem Betrag von 511.500 Euro auf das Vorjahr zurückgetragen<br />

werden (Verlustrücktrag). Danach verbleibende Verluste sind in den Folgejahren<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

233


jeweils bis zu 1 Mio. Euro unbeschränkt und darüber hinaus bis zu einem Betrag in Höhe von<br />

60 % des 1 Mio. Euro übersteigenden aktuellen Jahresergebnisses abzuziehen (Verlustvortrag).<br />

Wird ein in den Vorjahren getrennt geführter Verlust-BgA für das laufende Jahr mit einem anderen<br />

Betrieb gewerblicher Art zusammengefasst, so kann der zum Ende des Vorjahres bestehende<br />

Verlustvortrag so lange nicht genutzt werden, wie die Zusammenfassung anhält. Erst<br />

nach Beendigung der Zusammenfassung lebt der Verlustvortrag wieder auf (§ 8 Abs. 8 Satz 2<br />

bis 4 KStG n. F.).<br />

Beispiel 3:<br />

Der BgA Stadtwerke wird zum 01.01.2009 durch Herstellung einer technisch-wirtschaftlichen<br />

Verflechtung mit dem Verlust-BgA Hallenbad zusammengefasst. Die Stadtwerke weisen seit<br />

Jahren einen Gewinn in Höhe von 1 Mio. Euro aus; der vortragsfähige Verlust aus dem Hallenbad<br />

beträgt 5 Mio. Euro. Im ersten (zusammengefassten) Jahr 2009 erwirtschaftet der Betriebsteil<br />

Stadtwerke einen Gewinn von 800.000 Euro und das Hallenbad einen Verlust von<br />

100.000 Euro. Wie hoch ist das zu versteuernde Einkommen in 2009?<br />

Lösung:<br />

Der vortragsfähige Verlust des Hallenbades wird nach erfolgter Zusammenfassung auf Eis gelegt<br />

(§ 8 Abs. 8 Satz 2 KStG n. F.). Das zu versteuernde Einkommen beträgt 700.000 Euro<br />

(800.000 Euro abzüglich 100.000 Euro).<br />

Gleiches gilt im Umkehrfall. Verluste des zusammengefassten Betriebs gewerblicher Art können<br />

nicht auf die Zeit vor der Zusammenfassung zurückgetragen werden (§ 8 Abs. 8 Satz 3<br />

KStG n. F.).<br />

Beispiel 4:<br />

Wie Beispiel 1, nur der laufende Verlust aus dem Hallenbad beträgt 1 Mio. Euro.<br />

Der Verlust des zusammengefassten Betriebs gewerblicher Art beträgt 200.000 Euro (Stadtwerke<br />

800.000 Euro abzüglich Hallenbad 1.000.000 Euro). Dieser Verlust kann nicht mit dem<br />

Gewinn der Stadtwerke des Jahres <strong>2008</strong> verrechnet werden.<br />

Werden gleichartige Betriebe gewerblicher Art zusammengefasst, besteht die Beschränkung<br />

des Verlustabzugs nicht.<br />

Beispiel 5:<br />

Eine bereits seit Jahren bestehende Photovoltaikanlage (Gewinn 20.000 Euro/Jahr) wird mit<br />

einer neu erworbenen größeren Photovoltaikanlage (Verlust im Erstjahr 2009 35.000 Euro) zusammengefasst.<br />

Lösung:<br />

Der Verlust des Jahres 2009 in Höhe von 15.000 Euro (20.000 Euro abzüglich 35.000 Euro)<br />

kann mit dem Gewinn des Vorjahres der alten Photovoltaikanlage in Höhe von 20.000 Euro<br />

234<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


verrechnet werden, so dass der (berichtigte) Gewinn für <strong>2008</strong> nach Verlustrücktrag 5.000 Euro<br />

beträgt.<br />

Beispiel 6:<br />

Der BgA Stadtwerke wird zum 01.01.2009 mit dem Verlust-BgA ÖPNV zusammengefasst. Die<br />

Stadtwerke weisen seit Jahren einen Gewinn von 1 Mio. Euro aus. Der vortragsfähige Verlust<br />

aus dem ÖPNV beträgt 5 Mio. Euro. Im ersten (zusammengefassten) Jahr 2009 erwirtschaftet<br />

der Betriebsteil Stadtwerke einen Gewinn von 800.000 Euro und der ÖPNV einen Verlust von<br />

100.000 Euro. Wie hoch ist das zu versteuernde Einkommen in 2009?<br />

Lösung:<br />

Der vortragsfähige Verlust des ÖPNV wird nach der Zusammenfassung gemäß § 8 Abs. 8<br />

Satz 2 KStG n. F. auf Eis gelegt. Danach beträgt das zu versteuernde Einkommen<br />

700.000 Euro (800.000 Euro abzüglich 100.000 Euro).<br />

Werden gleichartige Betriebe im Sinne des § 4 Abs. 3 KStG zusammengefasst, würde die Einschränkung<br />

nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 8 Satz 5 i. V. mit § 4 Abs. 6 KStG n. F. nicht gelten.<br />

Der Verlustvortrag aus dem Verkehrsbetrieb könnte dann mit dem saldierten Ergebnis des<br />

laufenden Jahres in Höhe von 700.000 Euro verrechnet werden. Allerdings handelt es sich im<br />

vorliegenden Fall beim Verkehrsbetrieb und den Versorgungsbetrieben zwar um gemäß § 4<br />

Abs. 6 i. V. mit § 4 Abs. 3 KStG n. F. zusammenfassbare Tätigkeiten, nicht jedoch um gleichartige<br />

Tätigkeiten. § 8 Abs. 8 Satz 5 KStG n. F. greift daher nicht (der Begriff „zusammenfassbar“<br />

ist nicht gleichbedeutend mit dem Begriff „gleichartig“).<br />

Beispiel 7:<br />

Eine dauerdefizitäre Fernwärmeversorgung (Verlust 100.000 Euro/Jahr) wird 2009 erstmalig<br />

mit einer Stromversorgung (Gewinn 700.000 Euro/Jahr) zusammengefasst. Der Verlustvortrag<br />

der Fernwärmeversorgung beträgt 400.000 Euro.<br />

Lösung:<br />

Der vortragsfähige Verlust der Fernwärmeversorgung wird nach der Zusammenfassung gemäß<br />

§ 8 Abs. 8 Satz 2 KStG n. F. auf Eis gelegt. Danach beträgt das zu versteuernde Einkommen<br />

600.000 Euro (700.000 Euro abzüglich 100.000 Euro).<br />

Werden gleichartige Betriebe im Sinne des § 4 Abs. 3 KStG zusammengefasst, gilt diese Einschränkung<br />

zwar nach dem Gesetzeswortlaut des § 8 Abs. 8 Satz 5 KStG n. F. (i. V. mit § 4<br />

Abs. 6 KStG n. F.) nicht. Der Verlustvortrag von 400.000 Euro aus der Fernwärmeversorgung<br />

könnte dann mit dem saldierten Ergebnis des laufenden Jahres in Höhe von 600.000 Euro verrechnet<br />

werden. Dies würde zur Folge haben, dass bei gleichartigen Betrieben über § 8 Abs. 8<br />

Satz 5 KStG n. F. eine rückwirkende Zusammenfassung erfolgen könnte. Dass dem nicht so<br />

ist, regelt § 34 Abs. 6 Satz 12 KStG n. F., der wie folgt lautet:<br />

„Der zum 31. Dezember <strong>2008</strong> für einen Betrieb gewerblicher Art, der durch eine Zusammenfassung<br />

entstanden war, festgestellte Verlustvortrag, gilt als in diesem Betrieb gewerblicher Art<br />

entstanden.“<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

235


Voraussetzung für den Verlustvortrag auf einen zusammengefassten BgA ist, dass der Vortrag<br />

im bereits zusammengefassten BgA entstanden war.<br />

Ist die Zusammenfassung von Betrieben gewerblicher Art vor 2009 erfolgt, kann ein nach der<br />

Zusammenfassung entstandener Verlust auch nach Inkrafttreten der Neuregelung uneingeschränkt<br />

genutzt werden. Das heißt, dass Verlustvorträge aus bisher nach der Verwaltungsauffassung<br />

bereits zusammenfassbaren Tätigkeiten weiterhin verrechenbar bleiben. Es erfolgt<br />

somit kein Schnitt zum 01.01.2009.<br />

7 Ausgleich von Gewinnen mit Verlusten innerhalb einer GmbH<br />

Betriebe gewerblicher Art können gemäß § 4 Abs. 6 KStG n. F. nur zusammengefasst werden,<br />

wenn die Tätigkeiten gleichartig sind, zwischen den Tätigkeiten eine technisch-wirtschaftliche<br />

Verflechtung besteht oder es sich um Betriebe im Sinne des § 4 Abs. 3 KStG handelt.<br />

Demgegenüber können in einer Kapitalgesellschaft sämtliche wirtschaftliche Tätigkeiten ohne<br />

eine Beschränkung gemäß § 4 Abs. 6 KStG n. F. zusammengefasst werden, d. h. unabhängig<br />

davon, ob die Möglichkeit der Zusammenfassung auch als BgA bestanden hätte. Um eine<br />

Gleichbehandlung mit Betrieben gewerblicher Art herzustellen, muss in diesen Fällen innerhalb<br />

der GmbH eine differenzierte Betrachtung erfolgen.<br />

Dazu regelt § 8 Abs. 9 KStG n. F.:<br />

„ 1 Wenn für Kapitalgesellschaften Absatz 7 Satz 1 Nr. 2 zur Anwendung kommt, sind die einzelnen<br />

Tätigkeiten der Gesellschaft nach folgender Maßgabe Sparten zuzuordnen:<br />

1. Tätigkeiten, die als Dauerverlustgeschäfte Ausfluss einer Tätigkeit sind, die bei juristischen<br />

Personen des öffentlichen Rechts zu einem Hoheitsbetrieb gehören, sind jeweils gesonderten<br />

Sparten zuzuordnen;<br />

2. Tätigkeiten, die nach § 4 Abs. 6 Satz 1 zusammenfassbar sind oder aus den übrigen, nicht<br />

in Nummer 1 bezeichneten Dauerverlustgeschäften stammen, sind jeweils gesonderten Sparten<br />

zuzuordnen, wobei zusammenfassbare Tätigkeiten jeweils eine einheitliche Sparte bilden;<br />

3. alle übrigen Tätigkeiten sind einer einheitlichen Sparte zuzuordnen.<br />

2 Für jede sich hiernach ergebende Sparte ist der Gesamtbetrag der Einkünfte getrennt zu ermitteln.<br />

3 Die Aufnahme einer weiteren, nicht gleichartigen Tätigkeit führt zu einer neuen, gesonderten<br />

Sparte; Entsprechendes gilt für die Aufgabe einer solchen Tätigkeit. 4 Ein negativer<br />

Gesamtbetrag der Einkünfte einer Sparte darf nicht mit einem positiven Gesamtbetrag der Einkünfte<br />

einer anderen Sparte ausgeglichen oder nach Maßgabe des § 10d des Einkommensteuergesetzes<br />

abgezogen werden. 5 Er mindert jedoch nach Maßgabe des § 10d des Einkommensteuergesetzes<br />

die positiven Gesamtbeträge der Einkünfte, die sich in dem unmittelbar<br />

vorangegangenen und in den folgenden Veranlagungszeiträumen für dieselbe Sparte ergeben.<br />

6 Liegen die Voraussetzungen des Absatzes 7 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 ab einem Zeitpunkt<br />

innerhalb eines Veranlagungszeitraums nicht mehr vor, sind die Sätze 1 bis 5 ab diesem Zeitpunkt<br />

nicht mehr anzuwenden; hiernach nicht ausgeglichene oder abgezogene negative Beträge<br />

sowie verbleibende Verlustvorträge aus den Sparten, in denen Dauerverlusttätigkeiten<br />

236<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


ausgeübt werden, entfallen. 7 Liegen die Voraussetzungen des Absatzes 7 Satz 1 Nr. 2 Satz 2<br />

erst ab einem bestimmten Zeitpunkt innerhalb eines Veranlagungszeitraums vor, sind die<br />

Sätze 1 bis 5 ab diesem Zeitpunkt anzuwenden; ein bis zum Eintritt der Voraussetzungen entstandener<br />

Verlust kann nach Maßgabe des § 10d des Einkommensteuergesetzes abgezogen<br />

werden; ein danach verbleibender Verlust ist der Sparte zuzuordnen, in denen keine Dauerverlustgeschäfte<br />

ausgeübt werden.“<br />

Kapitalgesellschaften haben nunmehr ihre einzelnen Tätigkeiten in folgende Gruppen bzw.<br />

Sparten aufzuteilen:<br />

Gruppe 1<br />

In eine Kapitalgesellschaft ausgegliederte hoheitliche Dauerverlustgeschäfte.<br />

Dabei ist für jede in eine Kapitalgesellschaft ausgegliederte hoheitliche Tätigkeit eine gesonderte<br />

Sparte zu bilden.<br />

Gruppe 2<br />

─ (2 a) Tätigkeiten, die gemäß § 4 Abs. 6 KStG n. F. zusammenfassbar sind (Gewinn- und<br />

Verlustbetriebe) und<br />

─ (2 b) die nicht in Gruppe 1 genannten Dauerverlustgeschäfte (nichthoheitliche, d. h. wirtschaftliche<br />

Dauerverlustbetriebe, die nicht gemäß § 4 Abs. 6 KStG n. F. zusammenfassbar<br />

sind).<br />

Dabei ist für zusammenfassbare Tätigkeiten eine einheitliche Sparte (2 a) zu bilden.<br />

Gruppe 3<br />

Übrige Gewinntätigkeiten, darunter fallen:<br />

─ (3 a) ehemals hoheitliche gewinnbringende Tätigkeiten und<br />

─ (3 b) Gewinntätigkeiten wirtschaftlicher Art, die nicht gemäß § 4 Abs. 6 i. V. mit § 4 Abs. 3<br />

KStG n. F. zusammenfassbar sind.<br />

Für die in Gruppe 3 genannten Tätigkeiten ist eine (einzige) Sparte zu bilden (Sammeltopf). Da<br />

hierin ausschließlich Gewinntätigkeiten erfasst werden, stellt sich die Frage der Zulässigkeit<br />

der Verrechung von Gewinnen und Verlusten nicht, abgesehen von Anlaufverlusten grundsätzlich<br />

gewinnbringender Tätigkeiten.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

237


Beispiel 8:<br />

Die Stadtwerke Musterstadt GmbH betreibt folgende Sparten:<br />

Stromversorgung + 500.000<br />

Gasversorgung - 70.000<br />

Wasserversorgung - 20.000<br />

Wärmeversorgung - 80.000<br />

Betrieb einer Photovoltaikanlage - 7.000<br />

Abwasserentsorgung + 180.000<br />

Friedhofsverwaltung - 35.000<br />

Hallen- und Freibad<br />

(ohne technisch-wirtschaftliche Verflechtung) -<br />

€<br />

600.000<br />

Sporthalle - 250.000<br />

Kunsteisstadion - 170.000<br />

Anrufsammeltaxi - 25.000<br />

Abfallentsorgung + 40.000<br />

Tätigkeiten für das Duale System + 30.000<br />

Welchen Sparten sind die Tätigkeiten zuzuordnen?<br />

Sparte 1 Friedhof<br />

Sparte 2 a Strom-, Gas-, Wasser-, Wärmeversorgung, Photovoltaik, Anrufsammeltaxi<br />

Sparte 2 b Hallen- und Freibad - Sporthalle - Kunsteisstadion (3 getrennte Sparten des<br />

Typs 2 b)<br />

Sparte 3 a Abwasser-, Abfallentsorgung<br />

Sparte 3 b Tätigkeit für das Duale System<br />

Die Ergebnisse der Sparten 3 a und 3 b sind anschließend zusammenzufassen.<br />

Ausgehend von der Einteilung in die verschiedenen Sparten sind die Einkünfte für jede einzelne<br />

Sparte gesondert zu ermitteln. Ein Verlustausgleich zwischen verschiedenen Sparten ist<br />

nicht zulässig, d. h. es entsteht ein sogenannter verrechenbarer Verlust. Ein Spartenverlust<br />

kann nur innerhalb derselben Sparte genutzt werden. Zunächst erfolgt die Verrechnung der Ergebnisse<br />

innerhalb der Sparte. Ein danach sich ergebender Verlust kann gemäß § 10 d EStG<br />

in das Vorjahr derselben Sparte zurückgetragen oder, falls eine vollständige Verrechnung nicht<br />

möglich ist oder nicht gewünscht wird, auf die Folgejahre vorgetragen werden. Der vortragsfähige<br />

Verlust zum Ende des Wirtschaftsjahres <strong>2008</strong> ist auf die einzelnen Sparten aufzuteilen<br />

(§ 34 Abs. 6 KStG n. F.).<br />

238<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


8 Zusammenfassung<br />

Auch wenn im Rahmen des Jahressteuergesetztes 2009 nicht alle offenen Fragen geklärt wurden<br />

(z. B. Behandlung defizitärer Messe-, Kongress- und Tourismusgesellschaften), bringt die<br />

gesetzliche Verankerung des Querverbundes für die Körperschaften des öffentlichen Rechts<br />

und deren wirtschaftlichen Betätigungen angesichts der sich verschärfenden Rechtsprechung<br />

des BFH nunmehr die erforderliche Planungssicherheit. In vielen Fällen wird somit alles beim<br />

„Alten“ bleiben. Der schnelle Abschluss dieses Gesetzgebungsverfahrens ist als äußerst erfreulich<br />

zu bezeichnen und macht Hoffnung auf baldige Lösung anderer Steuerrechtsprobleme.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

239


Personaleinsatz und Personal- und Sachkosten im<br />

Krankenhaus<br />

- Ermittlung, Finanzierung und Nachkalkulation von Fallpauschalen -<br />

Verfasser: Bernd Baumann<br />

Hans Reehe<br />

Dieter Schmied<br />

Tobias Ullrich<br />

Inhaltsübersicht Seite<br />

1 Einleitung 241<br />

2 Projektinhalt und Projektablauf 241<br />

3 Ausführungen zum Personaleinsatz und zu den Personalkosten 242<br />

3.1 Verfahren zur Personalbedarfsermittlung 242<br />

3.2 Ausfallzeiten, Jahressoll- und Jahresistarbeitszeiten 242<br />

3.3 Steuerung der Personalkosten 242<br />

4 Verfahren zur Nachkalkulation von Fallpauschalen 244<br />

4.1 Allgemeines 244<br />

4.2 Nachkalkulation von Fallpauschalen 244<br />

4.2.1 Aufteilung der Erlöse nach der InEK-Kostenmatrix 244<br />

4.2.2 Notwendige Anpassungen 245<br />

4.2.3 Gegenüberstellung der bereinigten Erlöse zu den<br />

Istkosten der Klinik 245<br />

4.3 Aufteilung der Kalkulationsergebnisse auf Kostenarten 247<br />

5 Verweildauer der Patienten 248<br />

240<br />

5.1 Einfluss der Verweildauer auf die Kosten 248<br />

5.2 Maßnahmen zur Optimierung der Verweildauer 248<br />

5.2.1 Planung der Verweildauer 248<br />

5.2.2 Optimierung der Prozesse 249<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


1 Einleitung<br />

Bereits in unseren <strong>Geschäftsbericht</strong>en für die Jahre 1972, 1974, 1984, 1994 und 1997 be-<br />

fassten wir uns mit Fragen der Personalbedarfsermittlung und den Personalkosten im Krankenhaus.<br />

Zudem haben wir in den Jahren 1984 und 1998 die Schriften „Die Personalbemessung<br />

im Krankenhaus“ (1984) und „Personaleinsatz und Personalkosten im Krankenhaus“<br />

(1998) veröffentlicht. Seit der letzten Veröffentlichung haben sich – nicht zuletzt durch die Einführung<br />

der Fallpauschalen (Diagnosis Related Groups - im Folgenden kurz DRG genannt) –<br />

wesentliche Änderungen ergeben.<br />

Eine aus vier Mitarbeitern unserer Krankenhausabteilung bestehende Projektgruppe hat in den<br />

Jahren 2006 bis <strong>2008</strong> in Zusammenarbeit mit elf Krankenhäusern der ersten und zweiten Versorgungsstufe<br />

in Bayern Kennzahlen für wesentliche Bereiche des Krankenhauses fortgeschrieben<br />

und auch neu erarbeitet, z. B. hinsichtlich von Relativgewichten je Vollkraft (VK). Unser<br />

Dank gilt den Kliniken, die am Projekt teilgenommen und uns hierbei in besonderer Weise<br />

unterstützt haben.<br />

2 Projektinhalt und Projektablauf<br />

In den Jahren 2006 bis <strong>2008</strong> untersuchten wir in den Projektkliniken die Bereiche<br />

─ Verwaltungsdienst,<br />

─ Wirtschaftsdienst,<br />

─ Notaufnahme,<br />

─ Endoskopie,<br />

─ Normalstationen,<br />

─ Intensivstationen,<br />

─ OP (einschließlich Anästhesie) und Zentralsterilisation,<br />

─ Labor,<br />

─ Radiologie und<br />

─ Funktionsdiagnostik.<br />

Zu diesen Bereichen haben wir Aussagen zum Personalbedarf und zu den Personal- und<br />

Sachkosten sowie gegebenenfalls auch zur Organisation und zum Ablauf der Leistungsprozesse<br />

getroffen. Für das Projekt wurden erfahrene Fachkräfte (Chef- und Oberärzte, leitende<br />

Pflegekräfte und Bereichsleitungen von Funktionsabteilungen aus den Projektkliniken) hinzugezogen,<br />

deren Erfahrungen in die Beurteilung eingeflossen sind.<br />

Den Abschluss der Projektarbeit bildeten die Nachkalkulation der DRG-Erlöse der jeweiligen<br />

Klinik auf Basis der Kostendaten des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus GmbH<br />

(InEK) und die Ermittlung von Vergleichswerten zur Verweildauer der Patienten in Bezug auf<br />

DRGs.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

241


3 Ausführungen zum Personaleinsatz und zu den Personalkosten<br />

3.1 Verfahren zur Personalbedarfsermittlung<br />

Der Personalbedarf kann entweder nach der erforderlichen Anwesenheit der Mitarbeiter (Berechnung<br />

nach Arbeitsplätzen) oder nach der anfallenden Leistungsmenge ermittelt werden.<br />

Beispiele für beide Verfahren finden sich im Abschnitt I auf den Seiten 16 ff. unserer im Jahr<br />

1998 veröffentlichten Schrift „Personaleinsatz und Personalkosten im Krankenhaus“, auf die insoweit<br />

verwiesen wird.<br />

3.2 Ausfallzeiten, Jahressoll- und Jahresistarbeitszeiten<br />

Die Ausfallzeiten der Mitarbeiter gehen als Parameter in die Personalbedarfsermittlung ein. Bei<br />

einer wöchentlichen Sollarbeitszeit von 40 Stunden bei den Ärzten errechnet sich eine Jahressollarbeitszeit<br />

von 2.086 Stunden (40 h/Woche x 52,14 Wochen/Jahr). Bei den übrigen Personalgruppen<br />

mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden ergeben sich bei gleicher Berechnungssystematik<br />

2.007 Jahressollarbeitsstunden. Von den Sollarbeitsstunden werden alle<br />

Ausfallzeiten (Urlaub, Krankheit, Feiertage, Mutterschutz usw.) abgezogen; die danach verbleibenden<br />

tatsächlich geleisteten Istarbeitsstunden gehen in die Personalbedarfsermittlung ein.<br />

Im Durchschnitt ergeben sich rd. 1.700 Istarbeitsstunden/Jahr bei den Ärzten und 1.550 bis<br />

1.620 Istarbeitsstunden/Jahr bei den übrigen Personalgruppen. Unterschreiten die tatsächlich<br />

geleisteten Istarbeitsstunden diese Erfahrungswerte deutlich, sollten die dafür maßgebenden<br />

Gründe örtlich näher analysiert werden. Zu beachten ist, dass sich Schwankungen im Vergleich<br />

mehrerer Kalenderjahre ergeben können; im Rahmen von Personalbedarfsermittlungen<br />

wäre deshalb von einem sachgerechten Mittelwert auszugehen.<br />

3.3 Steuerung der Personalkosten<br />

Im Anschluss an eine Personalbedarfsermittlung ist zu prüfen, ob die anfallenden Kosten durch<br />

Erlöse gedeckt sind.<br />

Die Personalkosten insgesamt werden von der Zahl der eingesetzten Mitarbeiter und von den<br />

Kosten je VK beeinflusst. Im Einzelfall wirken sich nicht nur der dem Beschäftigungsverhältnis<br />

zugrunde liegende Tarifvertrag und die Eingruppierung (Entgeltgruppe und Stufe), sondern<br />

auch Vergütungen für Zeitzuschläge, für Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft sowie für<br />

Schicht- und Wechselschichtarbeit aus.<br />

Zur Einhaltung der Kostendeckung kann es zielführend sein, die Personalkosten für bestimmte<br />

Aufgabenbereiche zu budgetieren. Der (Kostenstellen)Verantwortliche kann dann im Einvernehmen<br />

mit der Krankenhausleitung entscheiden, mit welcher Zahl und Qualifikation von Mitarbeitern<br />

der gegebene Versorgungsauftrag erfüllt wird. So ist es z. B. denkbar, im Pflegedienst<br />

die Zahl der Pflegekräfte insgesamt zu erhöhen, wenn verstärkt Mitarbeiter mit geringeren<br />

Durchschnittskosten für einfachere pflegerische und hilfspflegerische Tätigkeiten eingesetzt<br />

werden.<br />

Bereits während des laufenden Geschäftsjahres sollte die Einhaltung der Vorgaben des Erfolgsplans<br />

oder weitergehender Festlegungen der Krankenhausleitung laufend überwacht werden.<br />

Ein Berichtswesen auf monatlicher Basis ist zu empfehlen. Einmalzahlungen, voraussicht-<br />

242<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


liche Änderungen im Personalstand, lineare tarifliche Veränderungen und nicht periodisch anfallende<br />

Personalaufwendungen wären dabei angemessen zu berücksichtigen. Die Faktoren<br />

für die Hochrechnung können aus den Ergebnissen der Vorjahre gewonnen und an zwischenzeitlich<br />

eingetretene Änderungen angepasst werden.<br />

Im Rahmen des Personalkostencontrollings sind auch weitergehende Auswertungen empfehlenswert.<br />

So könnten z. B. in bestimmten Zeitabständen alle gezahlten Zulagen darauf überprüft<br />

werden, ob eine vertragliche oder tarifliche Grundlage besteht und die Höhe der Zuschläge<br />

nachvollziehbar ist. Diese Möglichkeiten lassen sich an zwei Beispielen wie folgt verdeutlichen:<br />

a) Nachtzuschlag<br />

Die Zahl der vergüteten Stunden für Nachtarbeit kann zumindest überschlägig mit den<br />

Stunden abgeglichen werden, die sich nach den Dienstplänen der Personalgruppen ergeben,<br />

die regelmäßig Nachtarbeit leisten müssen (insbesondere Ärzte und Pflegekräfte).<br />

b) Schicht- und Wechselschichtzulagen<br />

Die Höhe der Schicht- und Wechselschichtzulagen wird wesentlich von der Dienstplangestaltung<br />

beeinflusst. Werden z. B. verstärkt Dauernachtwachen eingesetzt, sinken die<br />

Zulagen für Wechselschichtarbeit deutlich. Im Rahmen unseres Projekts haben wir z. B.<br />

im Bereich des Pflegedienstes einen Anteil der Schicht- und Wechselschichtzulage an den<br />

Personalkosten in einer Bandbreite von 0,7 v. H. bis zu 3,3 v. H. festgestellt.<br />

Kosteneinsparungen lassen sich durch optimierte Abläufe und durch einen an die betrieblichen<br />

Anforderungen angepassten Personaleinsatz erzielen. Das Augenmerk sollte insbesondere<br />

dem OP gelten, wo Leerlauf (zu später Schnittbeginn am Morgen, zu lange Wechselzeiten,<br />

keine flexible Nutzung der OP-Säle usw.) nicht nur zu vermeidbaren Personalkosten (Überstunden<br />

und/oder zusätzlich vorzuhaltendes Personal), sondern auch zu Verschiebungen von<br />

Operationen (mit der Folge verlängerter Verweildauer und unzufriedener Patienten) führen. Abhilfe<br />

kann hier ein auf die Verhältnisse der Klinik abgestelltes verbindliches OP-Statut, die Bestellung<br />

eines OP-Koordinators und eine regelmäßige Berichtspflicht des OP-Koordinators an<br />

die Krankenhausleitung über Abweichungen vom OP-Statut oder über mögliche Verbesserungen<br />

schaffen.<br />

Die Auswertung von Patientenzugängen im Bereich der Notaufnahme und der Ambulanzen im<br />

Vergleich mit den zum Dienst eingeteilten Mitarbeitern gibt Hinweise darauf, ob in diesem Bereich<br />

die Dienstpläne des Personals optimiert werden können. Hierzu ist es notwendig, zunächst<br />

entsprechende Aufzeichnungen über die Patientenzugänge zu führen (z. B. mit einer<br />

Excel-Datei), diese nach Tageszeiten und Wochentagen auszuwerten und hierauf aufbauend<br />

einen Solldienstplan, dem durchschnittliche Behandlungszeiten zugrunde liegen, zu entwickeln.<br />

Die vorstehend genannten Beispiele sollen im Ansatz die Möglichkeiten verdeutlichen, die sich<br />

einem intensiven Personalkostencontrolling erschließen und die zu Einsparungen bei den Personalkosten<br />

und zu verbesserten Betriebsabläufen beitragen können.<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

243


4 Verfahren zur Nachkalkulation von Fallpauschalen<br />

4.1 Allgemeines<br />

Die Erlöse der Kliniken aus der Abrechnung der DRGs erreichen häufig einen Anteil von<br />

90 v. H. (und mehr) der betrieblichen Erträge. Werden die entstehenden Aufwendungen nicht<br />

vollständig durch die erzielten Erlöse aus den DRGs gedeckt, können Fehlbeträge nur dann<br />

vermieden werden, wenn Überschüsse an anderer Stelle erzielt werden. Hiervon wird aber im<br />

Regelfall nicht auszugehen sein, da insbesondere im ambulanten Notfallbereich tendenziell<br />

eher Unterdeckungen als Überschüsse anfallen. Unabhängig hiervon wird auch für gemeinnützige<br />

Krankenhäuser ein Jahresüberschuss anzustreben sein, um z. B. Mittel für Investitionen,<br />

für andere mit dem Krankenhausbetrieb zusammenhängende Aufgaben und für den Ausgleich<br />

von Fehlbeträgen zur Verfügung zu haben.<br />

Vereinfacht ausgedrückt werden die von einer Klinik erzielbaren DRG-Erlöse durch den hausindividuellen<br />

Basisfallwert und die im Fallpauschalen-Katalog des KHEntgG festgelegten Bewertungsrelationen<br />

der DRGs bestimmt. Die Bewertungsrelationen haben ihren Ursprung in<br />

den Istkosten der an der Ermittlung der Fallkosten durch das Institut für das Entgeltsystem im<br />

Krankenhaus GmbH (InEK) teilnehmenden Krankenhäuser. Die vom InEK der Ermittlung der<br />

Relativgewichte zugrunde gelegten Kostendaten sind im InEK DRG-Browser unter der Internetadresse<br />

www.g-drg.de veröffentlicht. In dem vom InEK veröffentlichten Handbuch zur Kalkulation<br />

von Fallkosten (Version 3.0 aus dem Jahr 2007) werden die methodischen Grundsätze<br />

und die Vorgehensweise dargelegt. Dem Abschnitt 6.3 und der Anlage 5 dieses Handbuchs<br />

kann der Aufbau der Kostenmatrix (elf Kostenstellen, zehn Kostenarten) entnommen werden.<br />

4.2 Nachkalkulation von Fallpauschalen<br />

Besteht eine funktionsfähige Kostenträgerrechnung, kann ein Krankenhaus unter Beachtung<br />

der Zuordnungsvorschriften des Handbuchs zur Kalkulation von Fallkosten des InEK die erzielten<br />

Erlöse mit den tatsächlich entstandenen Kosten für einen einzelnen Behandlungsfall<br />

nachträglich vergleichen. Diese Nachkalkulation kann als Grundlage für einen wirtschaftlichen<br />

Personal- und Sachmitteleinsatz dienen.<br />

Da bei weitem nicht alle Krankenhäuser über eine aussagefähige Kostenträgerrechnung verfügen,<br />

stellen wir nachfolgend in Grundzügen dar, wie die vom InEK ermittelten Kostendaten<br />

auch von diesen Krankenhäusern für betriebliche Zwecke genutzt werden können.<br />

4.2.1 Aufteilung der Erlöse nach der InEK-Kostenmatrix<br />

Im Rahmen der InEK-Kalkulation werden die Gesamtkosten auf insgesamt zehn Kostenarten<br />

und elf Kostenstellen verteilt.<br />

Die Aufteilung der Erlöse entsprechend dieser Kostenmatrix setzt neben den für das jeweilige<br />

Jahr veröffentlichten Kostendaten des InEK die endgültige Auflistung der Art und der Anzahl<br />

der behandelten stationären Fälle des Krankenhauses gemäß dem Formular E1 der Aufstellung<br />

der Entgelte und Budgetermittlung (AEB) voraus. Durch die Multiplikation der Anzahl der<br />

behandelten Fälle mit den dazugehörigen entsprechenden Kostendaten und anschließender<br />

Summenbildung der Einzelwerte erhält man die Verteilung der Kostenanteile nach der Systematik<br />

der InEK-Kostenmatrix auf der Grundlage der Leistungen des Krankenhauses.<br />

244<br />

<strong>Bayerischer</strong> <strong>Kommunaler</strong> <strong>Prüfungsverband</strong> - <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong>


4.2.2 Notwendige Anpassungen<br />

Da die bisherigen Berechnungen auf den Kostendaten des InEK beruhen, sind weitere hausindividuelle<br />

Anpassungen notwendig, um zu verwertbaren Vergleichszahlen zu gelangen. Beispielsweise<br />

betrifft dies<br />

─ Zu- und Abschläge nach §§ 1 und 3 der Fallpauschalenvereinbarung <strong>2008</strong>,<br />

─ den individuellen Basisfallwert oder einen Planwert der Klinik und<br />

─ die niedriger bewerteten Fallpauschalen von Belegabteilungen (soweit vom InEK keine<br />

Beleg-DRGs kalkuliert sind).<br />

Zu- und Abschläge nach §§ 1 und 3 der Fallpauschalenvereinbarung <strong>2008</strong><br />

Die Abrechnungsbestimmungen für DRG-Fallpauschalen sehen zusätzlich die Abrechnung von<br />

Zuschlägen bei Überschreitung der oberen Grenzverweildauer sowie von Abschlägen bei Unterschreitung<br />

der unteren Grenzverweildauer und für Verlegungen vor. In der Regel werden die<br />

gesamten Zu- und Abschläge für eine Klinik zumeist einen Abschlag von rd. 2 v. H. bis 4 v. H.<br />

der Summe der Bewertungsrelationen nach dem Fallpauschalenkatalog ergeben und eine entsprechende<br />

Erlösminderung nach sich ziehen. Dieser Abschlag kann prozentual über alle<br />

Kostenarten verteilt werden. Bei einer differenzierteren Betrachtung bleiben die fixen Kosten,<br />

die von Zu- und Abschlägen nicht beeinflusst werden (z. B. Implantate), unberücksichtigt.<br />

Anpassung an den individuellen Basisfallwert oder einen Planwert der Klinik<br />

Die im ersten Schritt (4.2.1) ermittelten Summen basieren auf dem InEK-Kalkulationswert für<br />

das jeweilige Jahr (z. B. 2.680,80 € für das Jahr <strong>2008</strong>) und haben somit noch keinen Bezug zur<br />

individuellen Situation einer Klinik. Dieser Bezug wird durch Umrechnung auf den krankenhausindividuellen<br />

Basisfallwert oder auf einen Planwert, wie z. B. den Landesbasisfallwert von<br />

Bayern (2.806,14 € nach Kappung im Jahr <strong>2008</strong>), geschaffen.<br />

Anpassung an die Bewertung der Fallpauschalen von Belegabteilungen<br />

Bei gleicher DRG unterscheiden sich die Bewertungsrelationen von Haupt- und Belegabteilungen.<br />

Soweit vom InEK keine Kalkulationsdaten für Beleg-DRGs vorliegen, kann zunächst der<br />

Kalkulationswert von Hauptabteilungen herangezogen und in einem ersten Schritt um die Leistungen<br />

des Belegarztes mit den entsprechenden Werten (Kosten ärztlicher Dienst) für Hauptabteilungen<br />

verringert werden. Ein danach noch verbleibender Unterschiedsbetrag kann entweder<br />

pauschal über alle Kostenarten verteilt oder – wenn örtlich bessere Erkenntnisse vorliegen<br />

– konkret zugeordnet werden. Diese Anpassungen sind nur notwendig, wenn Belegärzte<br />

tätig sind.<br />

Nach Durchführung der Anpassungsschritte erhält man eine Verteilung der Erlöse nach Kostenarten<br />

und Kostenstellen, die bereits der Erlössituation der Klinik entspricht.<br />

4.2.3 Gegenüberstellung der bereinigten Erlöse zu den Istkosten der Klinik<br />

Die in Abschnitt 4.2.2 ermittelten Erlöse, aufgeteilt nach Kostenarten bzw. Kostenstellen, können<br />

den Istkosten der stationären Fälle der Klinik gegenübergestellt werden. Hierzu sind die<br />

Kosten der Fallpauschalen des Geschäftsjahres von den Bereichen abzugrenzen, die nicht<br />

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245


über DRGs vergütet werden. Hierzu zählen beispielsweise Leistungen im ambulanten Bereich,<br />

gesondert vergütete vor-, nach- und teilstationäre Leistungen oder Leistungen für Dritte. Auch<br />

Leistungen und Kosten im stationären Bereich, die zusätzlich vergütet werden (z. B. gesonderte<br />

Entgelte für die Abschaffung der Ärzte im Praktikum [AiP] und für die Verbesserung der<br />

Arbeitsbedingungen, Zusatzentgelte nach den Anlagen zur Fallpauschalenvereinbarung und<br />

auch die durch das Ausbildungsbudget abgegoltenen Mehrkosten für die Ausbildung von Schülern)<br />

bleiben bei der Gegenüberstellung unberücksichtigt.<br />

Anhand der Gegenüberstellung ist eine Beurteilung der Finanzierung des stationären Leistungsgeschehens<br />

hinsichtlich aller in der Kostenmatrix enthaltenen Daten möglich. Ableitbar<br />

sind jetzt z. B. Finanzierungsquoten hinsichtlich gesamter Personalgruppen (Kostenarten) wie<br />

z. B. des Ärztlichen Dienstes, des Pflegedienstes oder der Implantate und auch in Kombination<br />

von Kostenarten und Kostenstellen wie z. B. des Personaleinsatzes des Pflegedienstes auf<br />

Normalstationen oder des Funktionspersonals im OP.<br />

Bei diesen Analysen ist zu beachten, dass grundsätzlich Abweichungen zwischen den Zuordnungsvorgaben<br />

des InEK und der individuellen Struktur der Klinik möglich sind. So wird z. B.<br />

bei extern vergebenen Laborleistungen die Kostenart 3 (Medizinisch-technischer Dienst und<br />

Funktionsdienst) entlastet und die Kostenart 6 a (Sachkosten übriger medizinischer Bedarf)<br />

belastet. Bestimmte Aufgaben, wie z. B. der Krankentransportdienst, können dezentral von den<br />

Stationen (Kostenart 2, Pflegedienst) oder zentral von einem eigenständig organisierten Krankentransportdienst<br />

(Kostenart 7, medizinische Infrastruktur) übernommen werden. Diese Einflussfaktoren<br />

sind im Einzelfall zu beachten und entsprechend zu bewerten.<br />

Das oben dargestellte Verfahren lässt sich sowohl für die Fallpauschalen der gesamten Klinik<br />

als auch für die Leistungsebene einer einzelnen Fachabteilung durchführen. Entsprechend erhält<br />

man Aussagen über die Finanzierung der einzelnen Abteilungen der Klinik.<br />

Bei der Analyse auf der Ebene „Abteilung“ eröffnet sich mit den Leistungsbeziehungen zwischen<br />

den Abteilungen und den damit verbundenen Verrechnungen von Kostenanteilen ein<br />

weiteres Problemfeld.<br />

Solche zu berücksichtigenden Leistungsbeziehungen können sich z. B. aus den Verlegungen<br />

zwischen den Abteilungen, bei Patienten, die in Intensivstationen interdisziplinär behandelt<br />

werden oder von dort entlassen oder verlegt werden, der Durchführung von Operationen für<br />

Patienten anderer Abteilungen oder jeglicher konsiliarischer Tätigkeit ergeben.<br />

246<br />

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4.3 Aufteilung der Kalkulationsergebnisse auf Kostenarten<br />

Aus der in Abschnitt 4.2 dargestellten Kalkulation lässt sich auch eine Verteilung der Kosten<br />

nach Kostenarten ableiten. Nach unseren Erkenntnissen ergeben sich bei Kliniken der Ver-<br />

sorgungsstufen I und II bezogen auf den Landesbasisfallwert des Jahres 2007 in Bayern<br />

(2.787,19 € nach Kappung) folgende (gerundete) Kennzahlen:<br />

Kostenart Anteil am Basisfallwert<br />

(2.787,19 €)<br />

Bandbreite Mittelwert<br />

(von - bis)<br />

€<br />

€<br />

Prozentualer Anteil<br />

Bandbreite<br />

(von - bis)<br />

v. H.<br />

Mittelwert<br />

Ärztlicher Dienst 410 - 490 460 15 - 18 17<br />

Pflegedienst<br />

Medizinisch-technischer Dienst<br />

580 - 660 620 21 - 24 22<br />

und Funktionsdienst<br />

330 - 380 350<br />

12 - 14<br />

13<br />

Arzneimittel 110 - 140 120 4 - 5 4<br />

Implantate 60 - 210 110 2 - 8 4<br />

Übriger medizinischer Bedarf 240 - 290 260 8 - 10 9<br />

Medizinische Infrastruktur 160 - 170 160 5 - 6 6<br />

Nicht medizinische Infrastruktur 630 - 770 710 23 - 28 25<br />

Die Kostenarten „Arzneimittel“ und „Übriger medizinischer Bedarf“ sind in der vorstehenden<br />

Tabelle in jeweils einer Zeile zusammengefasst. Bei der InEK-Kalkulation wird hier noch zwischen<br />

Einzelkosten für teure Arzneimittel und Verbrauchsmaterialien und den übrigen Kosten<br />

unterschieden. Interessierte Kliniken können den Tabellenwerten ihre Kennzahlen für das Jahr<br />

2007 gegenüberstellen und insoweit auch ihren Standort bestimmen. Dieser Vergleich kann<br />

aber nur der Einstieg für weitergehende Analysen sein.<br />

Anhand der absoluten Beträge in der vorstehenden Übersicht lässt sich nunmehr ein Verhältnis<br />

Casemix (CM)-Punkte je VK bilden. Lagen z. B. im Jahr 2007 die Personalkosten einer Klinik je<br />

Pflegekraft bei 46.000 € (ohne die Mehrkosten für die Ausbildung von Schülern, die über das<br />

Ausbildungsbudget finanziert werden und ohne die Personalkosten der Pflegedienstleitung, die<br />

der medizinischen Infrastruktur zugeordnet ist) und der über die Fallpauschalen finanzierte Betrag<br />

bei 620 € je 1,000 CM, müssen im Durchschnitt 74 CM-Punkte je VK erreicht werden<br />

(46.000 : 620).<br />

In der betrieblichen Praxis kann mit dieser Kennzahl schnell und einfach der Personaleinsatz<br />

z. B. im gesamten Pflegedienst hinsichtlich der Finanzierung überprüft und bei Leistungsveränderungen<br />

entsprechend angepasst werden.<br />

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v. H.<br />

247


5 Verweildauer der Patienten<br />

5.1 Einfluss der Verweildauer auf die Kosten<br />

Die Fallpauschalen werden nach dem Fallpauschalenkatalog des jeweiligen Jahres und den<br />

dazugehörigen Abrechnungsregeln abgerechnet. Zuschläge fallen bei Überschreitung der oberen<br />

Grenzverweildauer, Abschläge bei Unterschreitung der unteren Grenzverweildauer und bei<br />

Verlegungen an. Der Erlös für eine Fallpauschale ändert sich deshalb im Regelfall dann nicht,<br />

wenn die untere Grenzverweildauer nicht unterschritten und die obere Grenzverweildauer nicht<br />

überschritten wird. Die Differenz zwischen diesen beiden Eckpunkten ist erheblich und kann<br />

sich je nach DRG auf mehrere Tage oder auch Wochen belaufen.<br />

Obwohl die ersten Tage des Klinikaufenthalts eines Patienten im Zusammenhang mit der diagnostischen<br />

Abklärung und den notwendigen therapeutischen Maßnahmen im Vergleich mit<br />

der gesamten Behandlungsdauer überproportional hohe Kosten verursachen, dürfen die letzten<br />

Tage des stationären Aufenthalts bei der Analyse der Verweildauer und der Kosten nicht<br />

vernachlässigt werden. Personalkosten für das stationsgebundene Personal (insbesondere<br />

Ärzte und Pflegekräfte) fallen hier ebenso an wie Personal- und Sachkosten aus den Bereichen<br />

Wirtschaft (insbesondere Küche), Verwaltung und Technik. Bei der Gegenüberstellung von<br />

Kosten und Erlösen von Fallpauschalen auf der Basis der InEK-Matrix mit den Ergebnissen einer<br />

Kostenträgerrechnung wird dann auch in der Tendenz deutlich, dass in den Fällen, in denen<br />

die mittlere Katalogverweildauer überschritten wird, insbesondere die Kosten für den Ärztlichen<br />

Dienst, den Pflegedienst und die nicht medizinische Infrastruktur ansteigen, was vielfach<br />

zu (deutlichen) Unterdeckungen bei diesen DRGs führt. Nicht medizinisch indizierte Verlängerungen<br />

der Verweildauer sind deshalb zu vermeiden.<br />

5.2 Maßnahmen zur Optimierung der Verweildauer<br />

5.2.1 Planung der Verweildauer<br />

Bei der Aufnahme der Patienten sollten den behandelnden Ärzten – ausgehend von der voraussichtlich<br />

zur Abrechnung kommenden DRG – Informationen über die im Fallpauschalenkatalog<br />

des jeweiligen Jahres hinterlegten Verweildauern (untere und obere Grenzverweildauer,<br />

mittlere Katalogverweildauer) zur Verfügung gestellt werden. Ausgehend von den geplanten<br />

diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen und weiteren Parametern, wie z. B. Alter und<br />

Aufnahmestatus der Patienten, kann dann die Verweildauer geplant und hierauf aufbauend in<br />

einen strukturierten Behandlungsplan übernommen bzw. hier abgebildet werden. Die Tatsache,<br />

dass sich im Rahmen der Behandlung die ursprünglich angenommene DRG ändern kann oder<br />

sich die zunächst geplante Verweildauer aus medizinischen oder organisatorischen Gründen<br />

verlängert oder verkürzt, steht der angesprochenen Information und Planung nicht entgegen.<br />

Die geplante Verweildauer für eine bestimmte DRG ist örtlich zu entscheiden und festzulegen.<br />

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5.2.2 Optimierung der Prozesse<br />

Verlängerungen der Verweildauer, die nicht medizinisch veranlasst sind, sollten nach Möglichkeit<br />

vermieden werden. Auswirkungen auf die Verweildauer können sich insbesondere dann<br />

ergeben, wenn<br />

─ Wartezeiten auf Untersuchungen an Großgeräten (insbesondere Computertomograf, Kernspintomograf)<br />

entstehen,<br />

─ Untersuchungsergebnisse verspätet eintreffen,<br />

─ geplante OP-Termine verschoben werden müssen,<br />

─ Verzögerungen bei ärztlichen Untersuchungen eintreten,<br />

─ keine vorausschauende Entlassungsplanung betrieben wird,<br />

─ die Patienten erst mit zeitlicher Verzögerung in eine andere Einrichtung (z. B. Pflegeheim)<br />

verlegt werden können,<br />

─ eine Entlassung nach Hause sich wegen nicht rechtzeitiger Klärung des häuslichen Umfeldes<br />

verzögert.<br />

Verlängert sich die Behandlung von Patienten nicht nur in Ausnahmefällen aus den genannten<br />

oder auch aus anderen Gründen, wären die Prozessabläufe und die sonstigen maßgeblichen<br />

Gründe näher zu analysieren.<br />

Zur Sicherstellung eines strukturierten Behandlungsablaufs und zur Analyse der Gründe für<br />

eine Verlängerung der geplanten Verweildauer können Behandlungspläne wesentlich beitragen.<br />

Der Behandlungsplan sollte alle planbaren Maßnahmen von der Aufnahme bis zur Entlassung<br />

enthalten. Bei einer Überschreitung der geplanten Verweildauer sollten die Gründe, die<br />

zu einer Verlängerung geführt haben, erfasst und ausgewertet werden. Die durch die Auswertung<br />

gewonnenen Informationen können für die Optimierung der Prozessabläufe oder gegebenenfalls<br />

auch zur Anpassung vorgegebener Standards genutzt werden.<br />

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