Ludwig Ganghofer Der Jäger von Fall - DokumentenDownload
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wie die anderen, die allweil spötteln und ihren Narren haben mit mir. Aber wart nur –« <strong>Der</strong> Alte schien sich in<br />
ein anderes Geschöpf zu verwandeln. Das Gesicht erstarrte, die Augen erweiterten sich, und seine Stimme,<br />
die tief geklungen hatte, bekam einen hohen, fast knabenhaften Klang. »Es gibt an Zahltag, wies an Gott im<br />
Himmel gibt. <strong>Der</strong> hockt da droben und paßt, bis s richtige Stündl schlagt! Nacher – nacher –« In wortlosem<br />
Brüten sank ihm der Kopf auf die Brust. Dann sah er verwundert auf, strich langsam mit dem Daumen über<br />
die Augenbrauen, war der gleiche wie früher, hatte wieder die tiefklingende Stimme und rief seiner Schwester<br />
lachend zu: »Weißt, wo ich ihn gfunden hab?«<br />
»Wen denn?« fragte der <strong>Jäger</strong>.<br />
»Den Muckerl, unsern Geißbock! Zwei Tag is er uns abgangen, und d Modei hat sich schier d Augen<br />
ausgweint. Drum bin ich heut den ganzen Tag umanandgstiegen. A Stündl kanns her sein, daß ich ihn<br />
gfunden hab, droben im Luderergwänd, auf eim Steinspitzl, wo er sich nimmer rühren hat können, der arme<br />
Teufel!«<br />
Modei war näher getreten und sah nun erst, daß Lenzls Ärmel zerrissen und die Hose an Hüfte und Schenkel<br />
zerschunden war. »Jesus, wie schaust denn aus!«<br />
»Wie ich den Muckerl aussitragen hab, da hats a kleine Schlittenfahrt geben. Macht nix, macht nix! Ich stirb<br />
net im Gwänd.« Wieder verwandelte sich sein Gesicht, seine Stimme. »Für mich gibts kein Sterben. Ich muß<br />
warten bis zum Jüngsten Tag. Wann nachher mei Lisei aufsteht ausm Grab, nacher wird Hochzeit gmacht,<br />
juhu!« Lenzl schnalzte mit den Fingern und bewegte die Arme wie zum Tanz. Dann hatte er die Augen eines<br />
Erwachenden, warf den blumenbesteckten Hut auf die Bank, und während er zum Herd ging, strich er mit<br />
zitternden Händen die langen, weißen Haare glatt, die ihm bis auf die Schultern hingen.<br />
Modei setzte sich an seine Seite, und während sie ihn liebkoste gleich einem Kind, fragte sie in Sorge: »Tut<br />
dir auch gewiß nix weh? Hast dich net aufgrissen an eim Felsen oder an die Latschen?«<br />
»Na, Modei, gwiß net! So a kleins Rutscherl is lustig. Dös tut eim nix.« Er schloß die Augen und lehnte den<br />
Kopf an die Brust der Schwester. Still wars in der Hütte. In Lenzls tiefe, wohlige Atemzüge mischte sich nur<br />
das leise Knistern der auf dem Herde glimmenden Kohlen, und <strong>von</strong> draußen klang das Läuten der Schellen<br />
und das Gemurmel des Brunnens.<br />
Friedl saß auf der Bank. Er hatte die Pfeife angezündet und blies den Rauch vor sich hin. Die blauen Fäden<br />
schlangen sich in den roten Sonnenglanz, der durch Tür und Fenster hereinfiel in das Halbdunkel der Hütte.<br />
Da sagte Lenzl mit der hohen Knabenstimme: »Grad so wie d Schwester hat mein Lisei allweil schmeicheln<br />
können.« Ein schrilles Lachen. »Wie, Jager? Kanns ebba dein Schatz auch so gut?«<br />
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