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Klima im Wandel

Klima im Wandel: Wie die globale Erwärmung unser Leben verändert

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Nr. 72 September 2015<br />

www.muenchner-stadtgespraeche.de<br />

Münchner<br />

Stadtgespräche<br />

Ausgabe<br />

Münchner<br />

<strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>herbst<br />

KLIMAPOLITIK<br />

Kampf ums<br />

<strong>Kl<strong>im</strong>a</strong><br />

MÜNCHEN<br />

Stadt und<br />

<strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel<br />

GLETSCHERSTERBEN<br />

Adieu, ihr<br />

Gletscher<br />

<strong>Kl<strong>im</strong>a</strong> <strong>im</strong> <strong>Wandel</strong><br />

Wie die globale Erwärmung unser Leben verändert


die seite zwei<br />

aus dem referat für gesundheit und umwelt<br />

Schnell und sicher ans Ziel:<br />

Der interaktive Radroutenplaner für München<br />

Erfolgreich Fahrt aufgenommen hat der MVV-Radroutenplaner. Nach einer Probephase<br />

ist er jetzt mit zahlreichen Verbesserungen in den Regelbetrieb überführt worden.<br />

Im April 2015 starteten das Referat für Gesundheit und Umwelt der<br />

Landeshauptstadt München (RGU) und der Münchner Verkehrsund<br />

Tarifverbund (MVV) den interaktiven Radroutenplaner, der auch<br />

in die MVV-Fahrplanauskunft integriert ist.<br />

Schon nach kurzer Zeit zeigt sich, dass er gut angenommen wird:<br />

Über 1000 Nutzer am Tag rufen ihn derzeit am PC oder über die dazugehörige<br />

App (Android und iOS) auf. Dabei wurden bislang über<br />

400.000 Routenvorschläge berechnet und über eine Million Kilometer<br />

an Radrouten ausgegeben. Vorausgesetzt, alle Strecken wurden tatsächlich<br />

geradelt, konnten in den ersten zehn Wochen etwa 170 Tonnen<br />

CO 2<br />

eingespart werden. Besonders nachgefragt sind die Optionen<br />

„schnellste Route“ und „grüne Route“. Bewährt hat sich auch das Angebot,<br />

alle Radrouten jederzeit mit den Verkehrsmitteln <strong>im</strong> MVV verknüpfen<br />

zu können.<br />

Viele Nutzerinnen und Nutzer haben interessante und konstruktive<br />

Rückmeldungen gegeben. Bisher konnten davon mehr als 100 ausgewertet<br />

und viele in der Folge direkt umgesetzt werden. Der MVV-Radroutenplaner<br />

für PC und App wurde außerdem erfolgreich von der Betaversion<br />

in den Regelbetrieb überführt.<br />

Zahlreiche Verbesserungen<br />

Unter anderem wurden folgende Opt<strong>im</strong>ierungen vorgenommen:<br />

• Bei der Auswahl „Grüne Routen“ werden Parks, Wälder und Grünanlagen<br />

deutlich besser erkannt und in die Route integriert.<br />

• Die Routenkennzeichnung erfolgt in einer transparenten Farbe,<br />

sodass jetzt auch die Straßennamen lesbar bleiben.<br />

• Unter der Rubrik „Zeige in Karte“ gibt es nun auch Routenvorschläge<br />

für Berufspendlerinnen und -pendler <strong>im</strong> Grünen, die gemeinsam<br />

von ADFC, der IHK und der Europäischen Metropolregion<br />

München erarbeitet wurden („Grüne Routen RegioCity“).<br />

• Den Nutzerinnen und Nutzern werden nicht nur die CO 2<br />

-Einsparung,<br />

sondern auch die – nach erfolgreicher Radtour – verbrauchten<br />

Kalorien in Form von Schokoladenstückchen automatisch<br />

angezeigt.<br />

• Wie die MVV-Auskunft kann auch der MVV-Radroutenplaner auf<br />

Wunsch die Schiffe der Bayerischen Seenschifffahrt am Ammersee<br />

und am Starnberger See berücksichtigen. Dabei wird auch<br />

angezeigt, ob eine Fahrradmitnahme möglich ist.<br />

• Die Darstellung des Höhenprofils wurde opt<strong>im</strong>iert.<br />

Verbesserungsvorschläge können auch weiterhin von den Nutzerinnen<br />

und Nutzern gemacht werden. Entstanden ist der MVV-Radroutenplaner<br />

in den letzten drei Jahren mit Fördermitteln der EU <strong>im</strong> Rahmen des<br />

Alpine-Space-Projektes PUMAS.<br />

Im Internet finden Sie den interaktiven MVV-Radroutenplaner<br />

unter www.mvv-muenchen.de/radroutenplaner sowie unter<br />

www.muenchen.de/radroutenplaner.<br />

TEXT<br />

FOTO<br />

Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU), Münchner Verkehrsund<br />

Tarifverbund (MVV)<br />

www.mvv-muenchen.de/radroutenplaner


Münchner Stadtgespräche Nr. 72 09/2015<br />

3<br />

Editorial<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

seit den 1970er Jahren hat sich in Deutschland die Zahl extremer Stürme, von Starkregen und<br />

anderen wetterbedingten Katastrophen mehr als verdreifacht. Mit markanten Hitzewellen starteten<br />

wir ins neue Jahrtausend, schwere Stürme wie Lothar 1999, Kyrill <strong>im</strong> Jahr 2007 oder Xaver<br />

in 2013 sind schon lange keine Ausnahmeerscheinungen mehr.<br />

Das <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong> wandelt sich – und wir werden uns daran gewöhnen müssen, wenn wir die globale Erwärmung<br />

nicht stoppen. Denn der <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel ist menschengemacht und nur wir selbst sind in<br />

der Lage, ihn aufzuhalten. Kaum jemand setzt dabei noch auf die Wirkung der alljährlichen <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>konferenzen,<br />

die 20 Jahre lang nahezu ergebnislos geblieben sind.<br />

Doch es gibt für uns durchaus Möglichkeiten, sich zu engagieren: Eine neue Protestbewegung<br />

ist entstanden, die das Ende der fossilen Energiesysteme einfordert und dabei auch Aspekte der<br />

<strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>gerechtigkeit mit einschließt (siehe Artikel auf Seite 9). Die „Divestment“-Bewegung fordert<br />

dazu auf, Investitionen aus kl<strong>im</strong>aschädlichen Unternehmen abzuziehen (siehe Artikel auf Seite<br />

22) und auch <strong>im</strong> Alltag können wir selbst aktiv zum <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>schutz beitragen: be<strong>im</strong> täglichen Einkauf,<br />

<strong>im</strong> Beruf oder direkt vor unserer Haustüre (siehe Artikel auf Seite 7). Wir haben Geschichten<br />

gesammelt, die Mut machen – hoffentlich auch Ihnen.<br />

Eine spannende Lektüre wünscht<br />

Joy Mann<br />

04<br />

12<br />

14<br />

Inhalt<br />

02<br />

04<br />

07<br />

09<br />

12<br />

Schnell und sicher ans Ziel<br />

Der interaktive Radroutenplaner für München<br />

Kampf ums <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong><br />

Warum die <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>politik regelmäßig den Kürzeren zieht<br />

Jeden Tag das <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong> schützen<br />

Umweltpsychologin Katharina Beyerl <strong>im</strong> Interview<br />

Stillstand der Diplomatie<br />

20 <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>konferenzen und kaum Fortschritte<br />

Stadt und <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel<br />

Das kommt auf Großstädte wie München zu<br />

14<br />

16<br />

18<br />

20<br />

22<br />

Adieu, ihr Gletscher<br />

Ein Schweizer Fotograf dokumentiert das Gletschersterben<br />

Auf der Flucht<br />

Wetterextreme vernichten viele Existenzen<br />

Jährlich grüßt die <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>konferenz<br />

Über die Neuorientierung der <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>bewegung<br />

Kein <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>schutz ohne Agrarwende<br />

Industrielle Landwirtschaft befeuert den <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel<br />

“Raus aus der Kohle!“<br />

Ein Plädoyer für kl<strong>im</strong>afreundliche Investitionen


4<br />

Umweltinstitut München e.V. 09/2015<br />

Kampf<br />

ums<br />

<strong>Kl<strong>im</strong>a</strong><br />

Statt weiter auf Verzögerungstaktiken zu setzen, muss die <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>politik endlich die<br />

wichtigsten Treiber der kl<strong>im</strong>aschädlichen Emissionen in den Fokus nehmen: das ungebremste<br />

Wirtschaftswachstum und die fossile Energieindustrie.<br />

Sommer 2002 in Deutschland: Häuser stehen bis zum ersten<br />

Stock unter Wasser, Straßen werden zu Flüssen und Felder<br />

zu Seen, Boote zum städtischen Fortbewegungsmittel. Insgesamt<br />

21 Menschen kommen zu Tode, zahlreiche weitere verlieren ihre<br />

Existenzgrundlage. Viele Krankenhäuser müssen evakuiert werden und<br />

historische Bauten wie die Semperoper und die Frauenkirche in Dresden<br />

drohen, ernsthaften Schaden zu nehmen.<br />

Die Elbeflut war eine „Jahrhundertflut“, der größte Einsatz in der<br />

Geschichte des Technischen Hilfswerks. Und schon ein Jahrzehnt später,<br />

<strong>im</strong> Jahr 2013, erlebte Deutschland die nächste Überschwemmung<br />

mit ähnlichen Ausmaßen. Für viele Menschen wurde hier erstmals deutlich:<br />

Existenzbedrohende Auswirkungen des <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandels sind auch in<br />

Deutschland spürbar.<br />

Extreme Wetterereignisse wie Hochwasser, Dürren und Wirbelstürme<br />

haben als Folge des <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandels in vielen Regionen der Welt zugenommen<br />

und werden in naher Zukunft wohl noch häufiger werden. Dabei<br />

sind die Länder des Südens schon jetzt wesentlich stärker bedroht<br />

als die Industrieländer, zumal hier die Ausgangsbedingungen meist viel<br />

prekärer sind. Intensive Dürreperioden, die etwa in Ostafrika seit einigen<br />

Jahren <strong>im</strong>mer öfter auftreten, fordern Hunderttausende Tote durch<br />

Unterernährung, bringen den Verlust der Lebensgrundlagen Landwirtschaft<br />

und Viehzucht mit sich und treiben Menschen in die Flucht.<br />

„Wie viele Konferenzen brauchen wir noch?“<br />

Nicht umsonst erklärte auf der UN-<strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>konferenz in Warschau 2013<br />

auch Naderev Sano, der Delegierte der Philippinen, er werde so lange<br />

fasten, bis <strong>im</strong> Rahmen des Gipfels eine wirksame Vereinbarung für<br />

globalen <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>schutz erzielt worden sei. Kurz zuvor hatte der Taifun<br />

„Haiyan“ in seiner He<strong>im</strong>at riesige Zerstörung angerichtet, mindestens<br />

6000 Menschen starben, Millionen haben alles verloren.<br />

„Mein Land weigert sich hinzunehmen, dass eine 30. oder 40. <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>konferenz<br />

notwendig sein soll, um das Problem des <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandels zu<br />

lösen“, sagte der philippinische Delegierte Sano vor zwei Jahren. Damit<br />

sprach er an, was <strong>im</strong>mer mehr Menschen frustriert, auch in den westlichen<br />

Industrieländern: Seit 20 Jahren verhandeln die Regierungen auf<br />

internationaler Ebene bei den jährlich stattfindenden UN-<strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>konferenzen,<br />

doch wirksame Instrumente für den globalen <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>schutz haben<br />

sie bisher nicht beschlossen. Währenddessen steigen die globalen


Münchner Stadtgespräche Nr. 72 09/2015<br />

5<br />

Treibhausgasemissionen weiter und es wird <strong>im</strong>mer unwahrscheinlicher,<br />

dass das Zwei-Grad-Ziel noch erreicht werden kann (siehe Artikel auf<br />

Seite 9).<br />

Auch der diesjährige G7-Gipfel in Elmau zeigte, dass die Politik häufig<br />

mehr um wirkungsvolle Öffentlichkeitsarbeit als um Ergebnisse bemüht<br />

ist: „<strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>kanzlerin“ Angela Merkel und ihre Gäste aus den übrigen<br />

G7-Ländern unterlegten das große Wort „Dekarbonisierung“ mit<br />

schönen Bildern von Staatschefs vor Alpenkulisse – mit Erfolg: Die<br />

Presse und auch einige Nichtregierungsorganisationen bejubelten die<br />

G7-Beschlüsse zum <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>schutz<br />

als bahnbrechend.<br />

Die Gruppe der<br />

Sieben sprach sich für<br />

eine „Dekarbonisierung“<br />

der globalen Wirtschaft<br />

bis zum Ende des Jahrhunderts<br />

aus. Gleichzeitig<br />

vereinbarten sie, die<br />

weltweiten Treibhausgasemissionen<br />

bis 2050 um 40 bis 70 Prozent <strong>im</strong> Vergleich zu 2010 zu<br />

reduzieren. Das Zwei-Grad-Ziel wurde als Zielvorgabe der <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>politik<br />

anerkannt.<br />

Doch die Wahrheit über diese Ziele ist: Weder sind sie wirklich ambitioniert,<br />

noch gehen sie über eine reine Absichtserklärung hinaus. Schon<br />

2009 erklärten die G8, damals noch mit Russland, dass sie das Zwei-<br />

Grad-Ziel anerkennen. Dieses ist auch seit der UN-<strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>konferenz in<br />

Cancún 2010 offiziell Grundlage der internationalen <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>verhandlungen.<br />

Ebenfalls 2009 versprachen die acht Wirtschaftsmächte bereits,<br />

sich dafür stark zu machen, die globalen Treibhausgasemissionen<br />

bis 2050 um 50 Prozent oder mehr zu reduzieren.<br />

Im Klartext: Die beschlossenen <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>ziele haben sich <strong>im</strong> Vergleich<br />

zu den vergangenen Jahren nicht entscheidend geändert. Zudem<br />

nützen alle hehren Ziele nichts, wenn die notwendigen politischen<br />

Maßnahmen weder auf nationaler noch auf internationaler Ebene beschlossen<br />

werden. Genau das zeigt aber die Gipfel-Geschichte: Den Ankündigungen<br />

folgten keine Taten.<br />

Wolf <strong>im</strong> Schafspelz<br />

Die wichtigste Zielvorgabe fehlt zudem <strong>im</strong> G7-Beschluss: eine Mengenbegrenzung<br />

der fossilen Energien, die in den nächsten Jahrzehnten<br />

noch verbraucht werden dürfen. Denn nach wissenschaftlichen Erkenntnissen<br />

müssen vier Fünftel der fossilen Energiereserven in der<br />

Erde bleiben, um katastrophale Auswirkungen des <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandels zu<br />

verhindern. Bisher fehlt jedoch der politische Wille, diese Prämisse für<br />

das Erreichen der <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>ziele in konkrete Maßnahmen umzusetzen. Ein<br />

Beispiel ist das Herumlavieren der deutschen Regierung um den dringend<br />

notwendigen Ausstieg aus der Kohlekraft.<br />

Das Ziel der „Dekarbonisierung“ entpuppt sich als Wolf <strong>im</strong> Schafspelz:<br />

Einerseits geben die langfristigen <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>ziele bereits vor, dass die globale<br />

Weltwirtschaft bis zum Ende des Jahrhunderts „dekarbonisiert“,<br />

also sehr kohlenstoffarm werden muss. Gleichzeitig ist „Dekarbonisierung“<br />

aber ein dehnbarer Begriff, der – mit Sicherheit nicht zufällig –<br />

viel Raum für Interpretationen lässt.<br />

So wird dieser zwar meist mit der notwendigen vollständigen Abkehr<br />

von Kohlenwasserstoffen, also den fossilen Energieträgern Kohle,<br />

Öl und Gas, gleichgesetzt. Doch andere mögliche Deutungen schließen<br />

den Einsatz höchst umstrittener Techniken wie CCS (Carbon Capture<br />

and Storage), die Abscheidung und unterirdische Speicherung von<br />

CO 2<br />

und großtechnische Manipulationen der Stoffkreisläufe der Erde<br />

(Geoengineering) mit ein.<br />

Das größte Dilemma der <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>politik liegt<br />

darin, dass sie mit politischen Zielen und<br />

wirtschaftlichen Interessen konkurriert –<br />

und dabei regelmäßig den Kürzeren zieht.<br />

Beiden Techniken sind zwei<br />

fatale Eigenschaften gemeinsam.<br />

Zum einen sind ihre<br />

langfristigen Auswirkungen<br />

auf die Umwelt aufgrund erheblicher<br />

Wissensdefizite<br />

kaum abschätzbar, potenziell<br />

jedoch mit großen Risiken<br />

verbunden. Und zum anderen werden sie vor allem mit der Motivation<br />

diskutiert, Maßnahmen zur tatsächlichen Minderung der Treibhausgasemissionen<br />

zu vernachlässigen.<br />

Denn, so die Hoffnung, indem man ihre <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>auswirkungen mit<br />

technischen Lösungen neutralisiert, kann es mit der Verbrennung von<br />

Öl, Kohle und Gas <strong>im</strong>mer weitergehen. Daher werden diese Instrumente,<br />

ähnlich wie die Atomkraft als angeblicher <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>retter, auch stark<br />

von der industriellen Lobby propagiert. Diese hat kein Interesse daran,<br />

etwas an ihrer Wirtschaftsweise zu verändern.<br />

Wirtschaftswachstum vs. <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>schutz<br />

Das wohl größte Dilemma der <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>politik liegt daher darin, dass sie mit<br />

anderen politischen Zielen und wirtschaftlichen Interessen konkurriert –<br />

und dabei regelmäßig den Kürzeren zieht. So bekräftigten auch die G7<br />

wie in all den Jahren zuvor die Relevanz der Handelsliberalisierung. Bei<br />

Freihandelsabkommen wie TTIP und Co. machen die Regierungschefs<br />

Druck, um möglichst schnell zu Ergebnissen zu kommen.<br />

Schon seit den 1990er Jahren laufen die <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>schutzbemühungen<br />

parallel zu einem zunehmenden Ausbau des internationalen Warenverkehrs.<br />

So trat zwei Jahre nach der Unterzeichnung der UN-Rahmenkonvention<br />

über den <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel 1992 auch das nordamerikanische<br />

Freihandelsabkommen NAFTA in Kraft und die Welthandelsorganisation<br />

wurde gegründet.<br />

Interessant ist dabei, dass beide Prozesse völlig isoliert voneinander vorangetrieben<br />

werden, ohne die offensichtlichen Wechselwirkungen zu<br />

thematisieren. Denn die Liberalisierung des Handels dient dem globalen<br />

Wirtschaftswachstum. Dieses wiederum ist aber der Haupttreiber<br />

des kontinuierlichen Anstiegs der Treibhausgasemissionen. Die Förderung<br />

von Wachstum und wirksamer <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>schutz schließen sich daher<br />

aus. Handelsliberalisierung bedeutet zudem <strong>im</strong>mer auch erhöhter Wettbewerbsdruck<br />

und damit einhergehend eine Zentralisierung und Indus-


6<br />

Umweltinstitut München e.V. 09/2015<br />

trialisierung der Strukturen, wie etwa in der Landwirtschaft – mit den<br />

entsprechenden Auswirkungen auf Umwelt und <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong> (mehr <strong>im</strong> Artikel<br />

auf Seite 20).<br />

Es wäre dringend notwendig, diese massive Inkohärenz zu problematisieren,<br />

die in der internationalen wie in der nationalen Politik besteht.<br />

Mächtige Interessensgruppen wissen dies jedoch bislang zu verhindern.<br />

Dazu gehören zum Beispiel jene 90 Unternehmen, die für zwei Drittel<br />

der seit Beginn der Industrialisierung ausgestoßenen Emissionen verantwortlich<br />

sind. Viele dieser Konzerne, hauptsächlich aus der Öl- und<br />

Gasindustrie, nehmen starken Einfl uss auf die Politik und mittels gezielter<br />

PR-Kampagnen auch auf die öffentliche Wahrnehmung.<br />

Die US-amerikanische Vereinigung kritischer WissenschaftlerInnen<br />

(Union of Concerned Scientists) hat dazu in diesem Jahr einen ausführlichen<br />

Bericht auf Basis von internen Unternehmensdokumenten<br />

veröffentlicht: Die Belege zeigen, wie Energiekonzerne und Industrieverbände<br />

manipulierte Studien fi nanzierten, falsche Bürgerinitiativen<br />

gründeten oder gefälschte Briefe <strong>im</strong> Namen von Umweltorganisationen<br />

an den US-Kongress sandten, um eine Einschränkung der Emissionen<br />

aus fossilen Energien zu verhindern.<br />

<strong>Wandel</strong> „von unten“<br />

Doch die Hinhaltetaktik von Politik und Unternehmen bleibt nicht unbemerkt.<br />

Immer mehr BürgerInnen auf der ganzen Welt verlassen sich<br />

nicht länger auf „die da oben“ und nehmen den <strong>Wandel</strong> selbst in die<br />

Hand. Sie protestieren gegen aufwändige Energieprojekte, die die lokale<br />

Natur zerstören und das fossile Energiesystem auf Jahrzehnte hinaus<br />

zementieren. Sie investieren in erneuerbare Energien und setzen<br />

sich für „Divestment“, also das Abziehen von Geldern aus kl<strong>im</strong>aschädlichen<br />

Unternehmen, ein (siehe auch Seite 22). Und sie diskutieren über<br />

ganzheitliche Konzepte zur Lösung der <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>krise, die auf einer anderen,<br />

wirklich nachhaltigen Gestaltung der Wirtschaft aufbauen. Denn<br />

frei nach Albert Einstein sind sie der Ansicht: „Probleme kann man niemals<br />

mit der gleichen Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“<br />

Es ist an der Zeit, dass diese Einsicht auch auf der politischen Ebene<br />

ankommt. Nötig ist zum einen der Realismus, dass eine so radikale<br />

Senkung der Emissionen, wie sie bereits bis Mitte des Jahrhunderts<br />

notwendig ist, trotz erhöhter Energieeffi zienz nicht mit kontinuierlichem<br />

Wirtschaftswachstum vereinbar ist. Zum anderen ist der Mut gefragt,<br />

schon heute das Ende der Nutzung fossiler Energien und damit eine<br />

konsequente Energiewende zu planen.<br />

TEXT<br />

FOTOS<br />

Franziska Buch<br />

Fotolia<br />

Extreme Wetterereignisse wie Hochwasser, Dürren und Wirbelstürme haben als Folge des <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandels in vielen Regionen<br />

der Welt zugenommen. Mit den „Jahrhundertfluten“ 2002 und 2013 wurde erstmals deutlich: Existenzbedrohende Auswirkungen<br />

sind auch in Deutschland spürbar.


Münchner Stadtgespräche Nr. 72 09/2015<br />

7<br />

Jeden Tag das <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong> schützen<br />

Alle wollen das <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong> retten – aber keiner tut es. Psychologin Katharina Beyerl<br />

erklärt <strong>im</strong> Interview, was uns davon abhält und wie wir unser Verhalten <strong>im</strong> Alltag<br />

ändern können.<br />

Frau Beyerl, der <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel wird weltweit<br />

als eine der größten Bedrohungen<br />

wahrgenommen. Trotz dieses Bewusstseins<br />

scheinen die Bemühungen um den<br />

<strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>schutz zu stagnieren. Wie ist das zu<br />

erklären?<br />

Die globale Weltgemeinschaft erkennt und<br />

versteht das Problem des <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandels mit<br />

seinen schwerwiegenden Folgen <strong>im</strong>mer besser.<br />

Ich sehe in vielen Bereichen, dass die Bemühungen<br />

um den <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>schutz zunehmen.<br />

Allerdings sind diese bei Weitem noch nicht<br />

ausreichend, um ein 2-Grad-Ziel auch nur annähernd<br />

zu erreichen.<br />

Aktive Bemühungen zum <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>schutz finden<br />

nicht nur auf internationaler oder nationaler<br />

Ebene statt, sondern auch regional, kommunal<br />

und individuell. Jedoch sind diese in den<br />

Medien und der allgemeinen Aufmerksamkeit<br />

oft weniger präsent als andere aktuelle Themen<br />

wie zum Beispiel die Wirtschaftskrise, internationale<br />

Konflikte, Fußballevents und die<br />

Welt der Stars und Sternchen. Wir haben <strong>im</strong><br />

Alltag viele Dinge, die uns beschäftigen, und<br />

wir lenken uns auch gerne ab.<br />

Politik und Wirtschaft versuchen, bei der Umstellung<br />

der Energieversorgung auf nicht-fossile<br />

Brennstoffe gleichzeitig das Wirtschaftswachstum<br />

beizubehalten. Umstellung und<br />

Verhandlungen brauchen jedoch Zeit. Damit<br />

die Menge der Treibhausgase in der Atmosphäre<br />

in dieser Zeit jedoch weniger drastisch<br />

zun<strong>im</strong>mt, ist auch das tägliche Verhalten jedes<br />

Einzelnen wichtig, denn alle Emissionen zählen.<br />

Welche Faktoren haben Einfluss auf unser<br />

Verhalten?<br />

Lange war Umweltbewusstsein ein großes<br />

Thema und wie man Verständnis für die Problematik<br />

des <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandels schaffen kann. Jedoch<br />

ist das nur ein relevanter Faktor. Selbst<br />

wenn man den <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel als Problem erkannt<br />

hat und sehr umweltbewusst eingestellt<br />

ist, heißt das nicht unbedingt, dass man sich<br />

auch <strong>im</strong>mer kl<strong>im</strong>aschützend verhält.<br />

Neben unseren Einstellungen, Werten und<br />

persönlichen Normen spielen auch unser Lebensstil,<br />

unsere Gewohnheiten und das Vorhandensein<br />

nachhaltiger Verhaltensangebote<br />

eine wichtige Rolle.<br />

Damit kl<strong>im</strong>aschützende Verhaltensangebote<br />

für die Bevölkerung geschaffen werden können,<br />

muss das Problem jedoch erst einmal<br />

auch jenen bewusst werden, die in Politik und<br />

Wirtschaft entsprechende Entscheidungen<br />

treffen. Sonst werden nachhaltige Alternativen<br />

gar nicht erst in Erwägung gezogen.<br />

Weshalb bleibt der <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel für viele<br />

Menschen so abstrakt, obwohl die Auswirkungen<br />

schon konkret spürbar sind?<br />

Ursache und Wirkung sind be<strong>im</strong> <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel<br />

für uns Menschen nicht so offensichtlich.<br />

Dass die Emission von Treibhausgasen durch<br />

unsere tägliche Energienutzung die Ursache<br />

für die globale Erwärmung und Versauerung<br />

der Ozeane sind, können wir rein intellektuell<br />

zwar verstehen, jedoch spüren wir das <strong>im</strong> Alltag<br />

so kaum.<br />

Erschwerend kommt hinzu, dass die Folgen<br />

zeitlich verzögert eintreten und wir, überspitzt<br />

gesagt, nicht für jedes Kohlekraftwerk direkt<br />

einen Hurrikan oder eine Dürreperiode ernten.<br />

Und nicht zuletzt sind es Millionen Menschen,<br />

die mit vielen einzelnen Handlungen jeden Tag


8<br />

Umweltinstitut München e.V. 09/2015<br />

durch ihren Konsum, durch Autofahrten und<br />

Flüge oder durch das Steak aus Argentinien<br />

auf dem Teller bewusst oder unbewusst zum<br />

<strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel beitragen.<br />

Wir merken zwar, dass Hitzewellen häufi ger<br />

und intensiver sind als früher, dass sich Jahreszeiten<br />

verschieben, sich Niederschlagsmengen<br />

oder auch Extremwetterereignisse<br />

ändern. Jedoch ist es schwer für uns zu unterscheiden,<br />

was normale Schwankungen des<br />

Wetters sind und was langfristiger, globaler<br />

<strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel. Der Umgang mit Veränderungen<br />

und Wetterextremen setzt zudem auch nicht<br />

unbedingt an der Ursache des Problems an,<br />

sondern trägt teilweise sogar dazu bei, wie<br />

etwa das Anschalten von <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>anlagen während<br />

einer Hitzewelle zeigt.<br />

Nur wenige Menschen verhalten sich<br />

konsequent umweltbewusst. Was könnte<br />

uns motivieren, unser eigenes Verhalten<br />

nachhaltig zu ändern?<br />

Sich konsequent umweltbewusst zu verhalten<br />

ist in einer modernen Gesellschaft nicht <strong>im</strong>mer<br />

einfach, da wir in vielen Bereichen auf die Infrastruktur<br />

angewiesen sind, die wir nutzen.<br />

Das betrifft die Energieversorgung in Gebäuden,<br />

die Mobilität oder den Konsum von Lebensmitteln<br />

und Waren des täglichen Bedarfs,<br />

die alle mit einem gewissen Aufwand an Energie<br />

produziert wurden und oft lange Transportwege<br />

hinter sich haben. Globale Produktionsketten<br />

sind komplex und die Wirkungen<br />

unserer Konsumentscheidungen schwer für<br />

den Einzelnen nachvollziehbar.<br />

Wie gesagt, es gibt viele Faktoren, die unser<br />

Verhalten beeinfl ussen, darunter Gewohnheiten,<br />

Einstellungen, Werte, unser soziales<br />

Umfeld und Vorbilder, aber auch die objektiven<br />

Möglichkeiten, sich kl<strong>im</strong>aschützend zu verhalten.<br />

Im Alltag stoßen die individuellen Möglichkeiten<br />

aber oft an Grenzen, denn es ist kaum<br />

möglich, bei jedem Schritt die eigene CO 2<br />

-Bilanz<br />

zu beachten.<br />

Deshalb sehe ich auch Politik und Wirtschaft<br />

in der Verantwortung, nachhaltige und attraktive<br />

Verhaltensangebote zu fördern, so dass<br />

<strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>schutz für den Einzelnen zum Standard<br />

wird, ohne viel nachdenken zu müssen.<br />

Gleichzeitig ist eine Vorbildwirkung bekannter<br />

und akzeptierter Persönlichkeiten und Institutionen<br />

relevant. Wenn alle öffentlichen Einrichtungen<br />

auf Ökostrom umsteigen würden,<br />

Elektroautos anschaffen, in den Kantinen zunehmend<br />

regionale und ökologische Zutaten<br />

nutzen oder mehr vegetarische Gerichte anbieten<br />

würden, wäre das schon ein Zeichen.<br />

Auch die Medien spielen eine wichtige Rolle,<br />

denn wenn sie nachhaltige Lebensstile als<br />

hip, modern, erstrebenswert und machbar<br />

darstellen, kann das soziale Normen schaffen.<br />

Wirkliche Transformation braucht mehrere<br />

Ansatzpunkte.<br />

Was raten Sie Menschen, die sich für den<br />

<strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>schutz engagieren möchten, aber<br />

nicht wissen, wo sie anfangen sollen?<br />

Selbst aktiv zum <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>schutz beitragen kann<br />

man in unterschiedlichen Bereichen, privat <strong>im</strong><br />

Haushalt und be<strong>im</strong> täglichen Einkauf, <strong>im</strong> Beruf,<br />

vor Ort in der Kommune bis hin zu politischem<br />

Engagement.<br />

Es ist sinnvoll, die eigenen Konsumentscheidungen<br />

zu überdenken, denn so kann jeder<br />

seinen ökologischen Fußabdruck reduzieren<br />

und gleichzeitig auch eine gewisse Nachfrage<br />

an den Markt und die Politik stellen. Das<br />

beginnt be<strong>im</strong> Stromanbieter, den man schnell<br />

und unkompliziert wechseln kann, oder bei<br />

täglichen Entscheidungen der Verkehrsmittelwahl,<br />

und betrifft ebenso unsere Einkaufsund<br />

Essgewohnheiten. Man kann sich fragen,<br />

ob es wirklich ein großes Geländeauto<br />

sein muss oder ob ein Elektroauto nicht sogar<br />

schicker und moderner ist.<br />

Katharina Beyerl ist Psychologin mit Arbeitsschwerpunkt<br />

Umweltpsychologie. Sie<br />

arbeitet seit 2012 am Institute for Advanced<br />

Sustainability Studies (IASS) in Potsdam.<br />

Katharina Beyerl beschäftigt sich mit<br />

Fragen der Wahrnehmung von Umweltveränderungen<br />

und des <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandels sowie<br />

mit der Motivation von Menschen, auf globalen<br />

<strong>Wandel</strong> zu reagieren.<br />

Regionale, saisonale und nachhaltig produzierte<br />

Produkte schmecken oft besser und haben<br />

zudem keine langen Transportwege hinter<br />

sich. Nicht jeden Tag Fleisch zu essen hilft<br />

auch schon. Ebenso kann man Stromfresser<br />

<strong>im</strong> Haushalt identifi zieren und reduzieren,<br />

schaltbare Steckerleisten nutzen, Standby vermeiden<br />

und einer Energiegenossenschaft beitreten.<br />

Hausbesitzer können das eigene Haus energetisch<br />

sanieren und eigenen Strom produzieren.<br />

Informationsangebote von Verbraucherzentralen<br />

helfen zum Beispiel bei<br />

Haushaltsentscheidungen weiter. Auch zertifi<br />

ziert nachhaltige Geldanlagen können dazu<br />

beitragen, <strong>Wandel</strong> zur Nachhaltigkeit zu unterstützen.<br />

Zudem ist es möglich, sich am Arbeitsplatz, in<br />

der Nachbarschaft oder auch politisch zu engagieren.<br />

Wer Wege sucht, wird auch Ansatzpunkte<br />

fi nden. Erreichbare, klare Ziele helfen<br />

bei der Umsetzung.<br />

Herzlichen Dank für das Gespräch!<br />

INTERVIEW<br />

FOTOS<br />

Zur Person<br />

Joy Mann, Franziska Buch<br />

Pixelio / Rainer Sturm<br />

Katharina Beyerl


Münchner Stadtgespräche Nr. 72 09/2015<br />

9<br />

Stillstand der Diplomatie<br />

Auch nach 20 <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>konferenzen zeigen sich bei den internationalen Verhandlungen<br />

kaum Fortschritte. Unterdessen schreitet der <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel weiter voran. Was muss<br />

noch geschehen, damit endlich etwas passiert?<br />

Nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes waren die Hoffnungen<br />

groß, dass sich die Weltkonferenzen der Vereinten Nationen<br />

in den 1990er Jahren den dringenden sozialen und ökologischen<br />

Problemen zuwenden und neue Lösungswege vor allem für die<br />

grenzüberschreitenden Probleme erarbeiten würden.<br />

Dazu gehört auch der <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel, dem durch staatliche Verhandlungen<br />

sowie den Dialog unter staatlichen, privatwirtschaftlichen und<br />

nicht-staatlichen Akteuren Einhalt geboten werden sollte. Doch nach<br />

20-jährigen Verhandlungen – die erste UN-<strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>konferenz (COP I)<br />

tagte 1995 in Berlin – gleichen die Konferenzergebnisse einem Scherbenhaufen.<br />

Derweil erhitzt sich die Erde weiter. Die mittlere globale Oberflächentemperatur<br />

ist seit Ende des 19. Jahrhunderts um knapp 0,9 °C angestiegen.<br />

Der Ausstoß an Treibhausgasen hat von rund 23 Milliarden<br />

Tonnen <strong>im</strong> Jahr 1995 auf gigantische 32,8 Milliarden <strong>im</strong> Jahr 2013 zugenommen,<br />

eine Trendwende ist nicht in Sicht. Warum lässt die <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wende<br />

auf sich warten? Und warum wird auch das Dokument, das<br />

bei der 21. <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>konferenz in Paris verabschiedet wird, aller Wahrscheinlichkeit<br />

nach so flexibel gestaltet, dass eine globale Reduktion<br />

der Treibhausgase nicht gelingen kann? Vor allem ein interner, die Logik<br />

der <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>verhandlungen selbst betreffender, und ein externer, die<br />

politisch-ökonomische Logik betreffender Grund können dafür angeführt<br />

werden.<br />

Das eigentliche Problem bleibt unberührt<br />

Die Erfolglosigkeit der internationalen <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>politik lässt sich damit erklären,<br />

dass die Verhandlungen nie zum Problemkern – dem nuklear-fossilen<br />

Energie- und Wirtschaftssystem – vordringen konnten und<br />

die marktwirtschaftlichen Instrumente, mit denen dem <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel begegnet<br />

werden soll, diesen Kern gar nicht berühren.<br />

Der <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel wird nicht als zentrales Problem einer ressourcenintensiven<br />

Produktions- und Konsumweise angegangen, die durch<br />

die Verbrennung fossiler Energien erst möglich wird. Insbesondere die


10<br />

Umweltinstitut München e.V. 09/2015<br />

zerstörerische Kraft von Kohle, Gas und Öl bleibt jenseits des Horizonts<br />

der internationalen <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>politik. Vielmehr wird die Reduktion von Emissionen<br />

als Ziel des <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>schutzes zum zentralen Ansatzpunkt erklärt.<br />

Profitstreben statt Vermeidung<br />

Damit ist allerdings nicht nur oder nur am Rande die Vermeidung der<br />

Emissionen gemeint, vielmehr geht es lediglich um den Umgang mit ihnen<br />

und ihren Auswirkungen. <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>schutz wird so zum umfassenden<br />

Modernisierungsprojekt, das statt auf die Verminderung von CO 2<br />

-Emissionen<br />

auf den Emissionshandel, die Verpressung der schädlichen<br />

Emissionen in die Erdkruste, Projekte zum <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>schutz oder den Anbau<br />

von Wald-Monokulturen abzielt. Weitergehende Vorschläge umfassen<br />

gar die Düngung der Weltmeere zur verbesserten Aufnahme von<br />

Emissionen oder Sonnenschilde <strong>im</strong> Weltraum, die die Sonneneinstrahlung<br />

verringern sollen.<br />

Gemeinsam ist diesen Projekten der Grundgedanke, dass Emissionen<br />

real oder zumindest rechnerisch neutralisiert werden können. So<br />

wird nicht nur die eigentlich angestrebte Verminderung der Emissionen<br />

umgangen, vielmehr wird aus dieser Strategie auch noch ein profitables<br />

Geschäftsmodell. Den Maßnahmen, die hier ansetzen, kann auch von<br />

den starken staatlichen wie privatwirtschaftlichen Akteuren zugest<strong>im</strong>mt<br />

werden, die eine internationale Besteuerung der fossilen Energien oder<br />

gar eine Abkehr von diesen Energieträgern strikt ablehnen.<br />

Die Widersprüchlichkeit, die sich zwischen den erkannten Notwendigkeiten<br />

auf der einen und den Handlungsansätzen auf der anderen Seite<br />

ergeben, wurde jüngst auch be<strong>im</strong> G7-Gipfel auf Schloss Elmau deutlich.<br />

Dort formulierte Bundeskanzlerin Merkel mit einigem medialen<br />

Erfolg die Dekarbonisierung als politisches Ziel. Auf nationaler Ebene<br />

aber musste Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel seine geplante Kohle-Abgabe<br />

aufgrund der erheblichen Widerstände aus der Energiewirtschaft<br />

aufgeben. Damit sind wir be<strong>im</strong> zweiten, externen Grund: Rund<br />

um den Globus zeigt sich, dass sich erhebliche Widerstände innerhalb<br />

der Regierungen in den Industrie- wie in den Schwellenländern regen,<br />

wenn es um anspruchsvolle und weitreichende Reduktionsziele geht.<br />

Dagegen sprechen staatliche wie wirtschaftliche Interessen, die sich an<br />

ökonomischer Prosperität und Wachstum orientieren. Deshalb wird das<br />

weltweite Angebot an fossilen Energien mit hoher Wahrscheinlichkeit<br />

noch bis 2040 kontinuierlich ansteigen.<br />

Die Prognosen, die der World Energy Outlook 2014 präsentierte, sind<br />

kl<strong>im</strong>apolitisch jedenfalls mehr als alarmierend. Sowohl der Gas- als<br />

auch der Kohle- und Ölverbrauch wird steigen. Eine große Bedeutung<br />

kommt der unkonventionellen Gas- und Ölförderung (Fracking) zu. Der<br />

Anteil der neuen erneuerbaren Energien (Geothermie, Solar-, Wind- und<br />

Meeresenergie) an der Pr<strong>im</strong>är-Energieversorgung beläuft sich heute auf<br />

rund ein Prozent. Dieser Anteil wird nur langsam ansteigen.<br />

Trendwende muss erst durchgesetzt werden<br />

Diese Entwicklungen und ihre Auswirkungen werden bei den jährlichen<br />

<strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>verhandlungen nicht thematisiert. Sie verdeutlichen aber, dass<br />

eine Trendwende in der auf fossilen Energieträgern basierenden Energiewirtschaft<br />

erst noch – und zwar gegen machtvolle Interessen – angestoßen<br />

und durchgesetzt werden muss.<br />

Ökonomische Prozesse der Inwertsetzung der Natur, freier Warenhandel,<br />

Wachstum und Lebensstil- bzw. Konsumfragen sind nach<br />

wie vor wirkmächtig. Zudem bringt das beachtliche Wirtschaftswachstum<br />

in den BRIC-Staaten Brasilien, Russland, Indien und China neue<br />

Während der <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>konferenz 2007 in Bali und dem G8-Gipfel in Heiligendamm ist eine eher konferenzkritische neue Protestbewegung<br />

entstanden.


Münchner Stadtgespräche Nr. 72 09/2015<br />

11<br />

Konkurrenten auf dem Weltmarkt hervor, deren steigender Verbrauch<br />

an fossilen Energieträgern ganz wesentlich zum globalen Anstieg an<br />

Treibhausgasen beiträgt.<br />

Weder die Schwellenländer noch die Industrieländer übernehmen –<br />

jenseits regelmäßiger internationaler Symbolpolitik – eine Vorreiterrolle.<br />

Im Gegenteil: Lange Jahre waren die USA mit ihrer ablehnenden Haltung<br />

gegenüber der internationalen <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>politik isoliert. Im Dezember<br />

2011 gab aber auch Kanada seinen Ausstieg aus dem völkerrechtlich<br />

verbindlichen Kyoto-Protokoll bekannt, und auch Russland, Neuseeland<br />

und Japan haben sich später verabschiedet. Damit ist die absurde Situation<br />

eingetreten, dass die Länder, die dem Kyoto-Protokoll noch die<br />

Treue halten, lediglich 15 Prozent der globalen Emissionen auf sich vereinigen.<br />

Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum die Rede vom<br />

Scheitern der <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>verhandlungen durchaus seine Berechtigung hat.<br />

Dabei war der Weg in die Erfolglosigkeit keinesfalls vorgezeichnet. Zu<br />

Beginn der kl<strong>im</strong>apolitischen Debatte in den 1980er/1990er Jahren<br />

wurden grundsätzliche gesellschaftliche Probleme thematisiert, die in<br />

den <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel eingeschrieben sind.<br />

Diese Diskussionen bewegten sich um Fragen der <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>gerechtigkeit<br />

zwischen Nord und Süd, um die weltweite Gleichverteilung der<br />

Pro-Kopf-Emissionen, um den Zusammenhang von Armut, Reichtum<br />

und Umweltzerstörung, um den schnellen Ausbau der erneuerbaren<br />

Energien oder um die Frage der historischen Verantwortung für den <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel<br />

und den Konsequenzen daraus. Diese umfassenderen Ansätze,<br />

die vor allem von zivilgesellschaftlichen Akteuren vorgetragen wurden,<br />

entwickelten jedoch keine Deutungs- und Durchsetzungsmacht.<br />

Konferenzkritische Initiativen begleiten die<br />

Verhandlungen<br />

Aber auch <strong>im</strong> zivilgesellschaftlichen Feld lassen sich Veränderungen<br />

beobachten. Während der <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>konferenz 2007 in Bali und dem<br />

G8-Gipfel <strong>im</strong> gleichen Jahr in Heiligendamm ist eine eher konferenzkritische<br />

neue Protestbewegung entstanden, die 2009 in Kopenhagen zur<br />

breiten Gegendemonstration aufrief. Mit dem transnationalen Netzwerk<br />

für <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>gerechtigkeit oder der <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>initiative 350.org, beide mit hunderten,<br />

wenn nicht tausenden von NGOs und Graswurzelbewegungen,<br />

ist eine gewisse Konkurrenz zum Cl<strong>im</strong>ate Action Network (CAN) entstanden,<br />

das die Konferenzen von den ersten Verhandlungen an begleitete.<br />

Durch die neuen Akteure und ihre Netze werden wieder die ehemaligen<br />

Perspektiven auf den <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel entwickelt, die Aspekte von<br />

Demokratie, das Ende des fossilen Energiesystems, Gerechtigkeit und<br />

neue Lebensstilformen umfassen. Doch die magnetische Anziehungskraft<br />

der internationalen UN-<strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>konferenzen ist groß, sodass Konferenz-NGOs<br />

und Protest-Bewegungen zum Gipfel 2015 in Paris aufeinander<br />

zugehen.<br />

Gleichzeitig finden <strong>im</strong> Zuge der Energiewende „Energiekämpfe“<br />

von Umweltorganisationen, sozialen Bewegungen und engagierten BürgerInnen<br />

statt; zum Beispiel in den vom Braunkohletagebau bedrohten<br />

Dörfern in der Lausitz, in <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>camps oder den Kommunen, die<br />

ihre nachhaltige Energieversorgung in die eigene Hand nehmen wollen.<br />

Auch die umweltpolitischen Kampagnen gegen die Gas- und Ölförderung<br />

in der Arktis oder gegen den Trassenbau für Stromleitungen, gegen<br />

die partielle Nutzung von Naturschutzgebieten für Windkraftparks<br />

oder gegen andere energiepolitische Maßnahmen sind Teil dieser Auseinandersetzungen.<br />

Die internationalen <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>verhandlungen der UN haben längst den Anschluss<br />

an diese wichtigen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen<br />

verloren; sofern sie aufgrund ihrer marktwirtschaftlichen Orientierung<br />

überhaupt ein Gespür für die Bedeutung solcher gesellschaftlichen Prozesse<br />

hatte. Viele dieser Initiativen zeigen die Erfordernisse einer weitreichenden<br />

Transformation zur Nachhaltigkeit an – aber auch die Hürden<br />

und Widerstände, die dafür noch überwunden werden müssen.<br />

TEXT<br />

FOTOS<br />

Dr. Ach<strong>im</strong> Brunnengräber<br />

Fotolia<br />

350.org<br />

www.globalpolicy.org<br />

Zur Person<br />

Dr. Ach<strong>im</strong> Brunnengräber ist Privatdozent am Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften<br />

der FU Berlin. Er leitet am Forschungszentrum für Umweltpolitik (FFU) ein Projekt<br />

zu gesellschaftlichen Problemen bei der Endlagerung radioaktiver Abfälle. Er hat<br />

Forschungsprojekte zum <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel und zur <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>politik, zu NGOs und sozialen Bewegungen<br />

sowie zu Fragen globaler Demokratie durchgeführt.<br />

Im Jahr 2000 promovierte Brunnengräber zur Einflussnahme von NGOs und ihrer transnationalen<br />

Netze auf die internationale <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>politik. Im Jahr 2007 legte er seine Habilitationsschrift<br />

zur „Politischen Ökonomie des <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>s“ vor. Er hat an der Pädagogischen<br />

Hochschule in Heidelberg (Lehramt), der FU Berlin (Diplom-Politologie) und der Universität<br />

Bremen (Diplom Entwicklungspolitik) studiert.


12<br />

Umweltinstitut München e.V. 09/2015<br />

Großstadt in Zeiten des<br />

<strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandels<br />

Wer früher zum Sonnenbaden in den Süden gefahren ist, kann sich den Weg wohl in Zukunft<br />

sparen: Neuesten Studien zufolge könnte München bis 2050 ein <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong> haben wie heute Verona,<br />

Nürnberg muss sich gar auf Temperaturen wie in Tunesiens Hauptstadt Tunis einstellen. Doch<br />

welche Risiken drohen einer Großstadt wie München mit der <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>erwärmung? Und wie können<br />

wir uns dagegen rüsten?<br />

Die Bilanzen des Deutschen Wetterdienstes<br />

(DWD) zeigen es eindeutig:<br />

Heftige Hitzeperioden wie in den letzten<br />

Sommern werden wohl in Zukunft zur Normalität<br />

gehören. Deshalb steigen der Bewässerungsbedarf<br />

und die Stromnachfrage, denn<br />

viel Energie wird in die weniger umweltschonenden<br />

Kühlungen fließen.<br />

Extreme Hitze führt außerdem zu erheblichen<br />

gesundheitlichen Problemen. Nicht nur<br />

werden hitzebedingte Krankheiten wie Kreislaufprobleme<br />

häufiger auftreten. Hiervon sind<br />

besonders Kinder und alte Menschen betroffen.<br />

Auch allergene Pflanzen gewinnen an Boden,<br />

exotische Mücken wie die Malaria übertragende<br />

asiatische Tigermücke breiten sich<br />

aus und wir müssen mit einer erhöhten Pollenbelastung<br />

rechnen. Außerdem ist während<br />

der Hitzewellen die Feinstaub- und Ozonbelastung<br />

höher.<br />

Auch das Niederschlagsmuster wird sich ändern.<br />

Im Sommer gibt es weniger Regen, <strong>im</strong><br />

Winter dafür umso mehr. Trotzdem wird es<br />

deutlich weniger schneien. Zusätzlich kann es<br />

häufiger zu starken Stürmen oder sogenannten<br />

„Starkregen-Ereignissen“ kommen, wie<br />

uns zahlreiche Sturmtiefs wie Niklas, Elon und<br />

Felix zum Jahresbeginn schon ankündigten.<br />

Städte wie München trifft der<br />

<strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel besonders<br />

München ist eine der am dichtesten besiedelten<br />

Großstädte Deutschlands, und das bei relativ<br />

kleiner Stadtfläche. Die Temperaturen<br />

in der Stadt liegen <strong>im</strong> Durchschnitt zwei bis<br />

drei Grad höher als <strong>im</strong> Umland, nachts sogar<br />

manchmal um zehn Grad.<br />

Dieser sogenannte Wärmeinsel-Effekt<br />

liegt vor allem an der dichten Bebauung und<br />

dem hohen Versiegelungsgrad der Stadt. Seine<br />

Intensität n<strong>im</strong>mt mit steigender Einwohnerzahl<br />

zu – und hier liegt das Problem, denn der<br />

Zuzug nach München ist enorm. Schon jetzt<br />

herrscht Wohnungsmangel und eine Nachverdichtung<br />

ist unumgänglich. Damit wächst<br />

auch der Druck auf die Freiflächen. Die Krux:<br />

Eine der wichtigsten Maßnahmen ist gerade<br />

die Entsiegelung, also die Entwicklung von<br />

Freiflächen. Was also tun?<br />

Die Städte sind für einen Großteil der Treibhausgase<br />

verantwortlich. Oberstes Gebot ist<br />

es, diese zu reduzieren. Die energetische Sanierung<br />

alter Gebäude ist wichtig, denn der<br />

Energieverbrauch hier ist enorm. Er verursacht<br />

fast die Hälfte des gesamten CO 2<br />

-Ausstoßes.<br />

Neubauten müssen den Anforderungen<br />

des <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>schutzes folgen. Und sie können<br />

nicht nur durch Dämmung oder Sonnenschutz<br />

vor dem sommerlichen Aufheizen schützen.<br />

Genauso wichtig ist der Schutz vor extremen<br />

Wetterereignissen wie Hagel, Sturm<br />

oder Starkniederschlag. Darüber hinaus muss<br />

ein <strong>Wandel</strong> in der Energieversorgung stattfinden,<br />

möglich wäre dieser durch den Ausbau<br />

der regenerativen Energiequellen. Die Stadtwerke<br />

nutzen bereits die umweltschonende<br />

Kraft-Wärme-Kopplung: Wärme, die bei der<br />

Stromerzeugung entsteht, wird ins Fernwärmenetz<br />

der Stadt eingespeist.<br />

Das Modellprojekt „Solare Nahwärme Ackermannbogen“<br />

ist hier ein gutes Beispiel für<br />

die kl<strong>im</strong>afreundliche Planung von Siedlungen.<br />

Großflächig auf Dächern angebrachte Son-


Münchner Stadtgespräche Nr. 72 09/2015<br />

13<br />

nenkollektoren erwärmen den Wasserspeicher<br />

<strong>im</strong> Sommer auf etwa 90 Grad, dem bis in<br />

den Januar hinein Wärme entnommen werden<br />

kann. Ein Problem: Einer der wichtigsten Träger<br />

der erneuerbaren Energien in Bayern ist<br />

die Wasserkraft. Das verfügbare Wasserangebot<br />

wird sich jedoch als Folge des <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandels<br />

reduzieren, was bedeutet, dass die Wasserkraftproduktion<br />

verringert wird.<br />

Frischluftschneisen müssen<br />

offen bleiben<br />

Be<strong>im</strong> Bau von Gebäuden oder Siedlungsentwicklungen<br />

kommt es außerdem auf weitere<br />

entscheidende Details an. Hierzu hat das<br />

Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung<br />

einen ausführlichen Ergebnisbericht<br />

über Strategien und Maßnahmen erstellt. Mittlerweile<br />

können kl<strong>im</strong>atische Veränderungen mit<br />

Hilfe von <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>modellen wie etwa der DWD-<strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>s<strong>im</strong>ulation<br />

INKAS gut s<strong>im</strong>uliert und so praktische<br />

Hinweise für die Stadtplanung abgeleitet<br />

werden. Aber auch private Eigentümer müssen<br />

beraten und finanziell gefördert werden. Denn<br />

die Stadt kann natürlich nur auf dem eigenen<br />

Grund die Bebauung best<strong>im</strong>men. Pr<strong>im</strong>är gilt:<br />

nichts in die Frischluftschneisen bauen.<br />

In München sorgt das „Alpine Pumpen“ für die<br />

Durchlüftung: Tagsüber strömt heiße Luft aus<br />

der Stadt in Richtung Alpen und kühlt dort ab.<br />

Nachts wird kalte Luft in umgekehrter Richtung<br />

durch Frischluftschneisen in der Stadt verteilt.<br />

Das sind unbebaute Flächen wie Parks, Friedhöfe,<br />

Sport- und Spielflächen oder Wälder, zum<br />

Beispiel der Perlacher Forst oder der Englische<br />

Garten. Diese Bereiche haben zudem ein kühleres<br />

Binnenkl<strong>im</strong>a, das in die überhitzten Stadträume<br />

ausstrahlen kann.<br />

Um den Wärmeinsel-Effekt zu reduzieren, ist<br />

also die Begrünung von Freiflächen und Gebäuden<br />

notwendig. In der Münchner Innenstadt ist<br />

die Bebauungsdichte jedoch so hoch, dass keine<br />

Parks mehr angelegt werden können. Hier<br />

könnte die Entsiegelung und Begrünung von<br />

Hofflächen Abhilfe schaffen. Auch eine Fassadenbegrünung<br />

hat positive Effekte: Sie mindert<br />

die Einstrahlung auf die Gebäude und schwächt<br />

so deren Erwärmung in Hitzeperioden ab.<br />

Zudem entlasten Grünflächen die Kanalnetze.<br />

Sie funktionieren nämlich wie Schwämme: Ist<br />

viel Wasser vorhanden, wird es <strong>im</strong> Boden gesammelt<br />

und zwischengespeichert. In wasserarmen<br />

Perioden kann es den Pflanzen dann<br />

zur Verdunstung bereitgestellt werden. Dabei<br />

gilt: je höher die Verdunstungsrate, desto höher<br />

die Kühlwirkung.<br />

Deshalb sollte das Regenwasser nicht<br />

mehr abgeführt werden oder versickern, sondern<br />

zwischengespeichert werden, damit es<br />

während der Hitzewellen über Vegetation und<br />

Böden verdunsten kann. In Freiham wurde etwa<br />

ein neuer Wohnstandort mit dem Ziel entwickelt,<br />

den Wasserhaushalt und die Grundwasserneubildung<br />

möglichst nicht zu beeinflussen.<br />

Das Konzept: Dachbegrünung, Versickerungsanlagen<br />

und gezielte Baumpflanzung unter anderem<br />

in straßenbegleitenden Mulden.<br />

Urbanes Gärtnern – ein nützlicher<br />

Trend<br />

Aber nicht nur das städtische Baureferat kann<br />

für unsere Entlastung sorgen. Wir selber können<br />

auch einen Beitrag leisten, nicht nur bei<br />

der Reduzierung von Emissionen, sondern<br />

auch bei der Schaffung neuer Grünflächen.<br />

Und so entstehen <strong>im</strong> dicht bebauten München,<br />

wo jede Nische und kleinste Freifläche<br />

wertvoll ist, <strong>im</strong>mer mehr urbane Gärten.<br />

Diese Form der urbanen Landwirtschaft<br />

auf Brachen, öffentlichen Plätzen oder Dächern<br />

sorgt nicht nur für Kühlung, sondern<br />

fördert auch die Feinstaubbindung und könnte<br />

große Niederschlagsmengen aufnehmen. Dabei<br />

wird nicht nur dem <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong> Gutes getan: Die<br />

Bewegung <strong>im</strong> Grünen fördert das körperliche<br />

und psychische Wohlbefinden und die ökologischen<br />

Lebensmittel sorgen für eine gesunde<br />

Ernährung.<br />

TEXT<br />

FOTO<br />

Ruth Böcher<br />

Lukáš Hron


14<br />

Umweltinstitut München e.V. 09/2015<br />

Adieu, ihr Gletscher<br />

Weltweit sind unsere Gletscher auf dem Rückzug, die Alpenregion ist davon besonders<br />

stark betroffen. Seit vielen Jahren hält der Schweizer Fotograf S<strong>im</strong>on Oberli diese<br />

Entwicklung mit der Kamera fest. Seine Bilder zeigen eindrücklich, was wir bald<br />

für <strong>im</strong>mer verlieren werden.<br />

Zu Fuß geht es den Berg hinauf, viele Kilometer durch alpines Gelände, die schwere Fotoausrüstung ist <strong>im</strong>mer dabei. Früher waren die Gipfel<br />

das Ziel von S<strong>im</strong>on Oberli, heute hat er anderes <strong>im</strong> Sinn: Gemeinsam mit seiner Frau Daniela hat er es sich zur Aufgabe gemacht, die<br />

Veränderungen an den Alpengletschern zu dokumentieren. „Die größte Herausforderung ist das Wiederfinden des Punktes, von dem aus<br />

die früheren Aufnahmen gemacht wurden. Je genauer dieser Punkt lokalisiert werden kann, umso genauer wird der Bildvergleich“, erklärt Oberli.<br />

Rhonegletscher<br />

28. Juni 2007<br />

22. Juni 2015


Münchner Stadtgespräche Nr. 72 09/2015<br />

15<br />

Oberaargletscher<br />

28. Juni 2010<br />

24. Juli 2015<br />

Mit Hilfe eines speziellen Softwareprogrammes werden die Einzelaufnahmen am Computer zu einem Panoramabild zusammengesetzt. In stundenlanger<br />

Arbeit opt<strong>im</strong>iert der Schweizer Fotograf die Bilder, bis schließlich gestochen scharfe Fotovergleiche dabei herauskommen.<br />

Das Ergebnis ist erschreckend: Innerhalb weniger Jahre sind <strong>im</strong>posante Gletscher wie der Rhonegletscher, der Steigletscher oder der Oberaargletscher<br />

kilometerweit zurückgegangen – vom „ewigen Eis“ kann keine Rede mehr sein. Im direkten Bildvergleich zeigt sich nämlich, was viele noch<br />

<strong>im</strong>mer nicht wahrhaben wollen: Der <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel hat längst begonnen. Und dank des unermüdlichen Engagements der Oberlis kann niemand mehr<br />

sagen, er hätte nichts davon gewusst.<br />

Die Vorher/Nachher-Bildvergleiche <strong>im</strong> Internet: http://www.gletschervergleiche.ch<br />

TEXT<br />

FOTOS<br />

Joy Mann<br />

S<strong>im</strong>on Oberli, GletscherVergleiche.ch


16<br />

Umweltinstitut München e.V. 09/2015<br />

Auf der Flucht<br />

Überschwemmungen, Dürren und Stürme: Der <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel zwingt <strong>im</strong>mer mehr Menschen, ihre<br />

He<strong>im</strong>at zu verlassen. Die Flucht vor dem <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong> ist schon heute ein ernstzunehmendes Problem, das<br />

sich in den kommenden Jahrzehnten noch verschärfen wird.<br />

Plötzliche Überflutungen, extrem heftige Stürme, langanhaltende<br />

Dürren und Hitzewellen führen insbesondere in den sogenannten<br />

Entwicklungsländern zunehmend zu Katastrophen, die große<br />

Schäden, hohe Verluste, humanitäre Not, Vertreibung und Todesfälle verursachen.<br />

Auch schleichende Umweltveränderungen wie der Meeresspiegelanstieg<br />

oder die Versalzung von fruchtbarem Boden bewirken,<br />

dass sich gerade arme und marginalisierte Bevölkerungsgruppen aus<br />

ländlichen Gebieten schon heute nicht mehr aus eigener Kraft versorgen<br />

können und sich gezwungen sehen, ihr Land zu verlassen.<br />

Es sind vor allem arme und marginalisierte Bevölkerungsgruppen,<br />

die am stärksten betroffen sind: Jene Menschen, denen ohnehin schon<br />

der Zugang zu staatlichen Dienstleistungen, zu materiellen und <strong>im</strong>materiellen<br />

Ressourcen und die Teilhabe an politischen Entscheidungsprozessen<br />

verwehrt wird.<br />

Versinkende Lebenswelten<br />

Anfällig gegenüber den Auswirkungen des <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandels sind kleine Inselstaaten<br />

und tief liegende Küstengebiete, etwa in der Nähe großer<br />

Flussmündungen. Weltweit könnten langfristig über 300 Millionen Menschen<br />

allein wegen des Anstieges der Meeresspiegel gezwungen sein,<br />

dauerhaft ihre Siedlungsgebiete zu verlassen, darunter fast die Hälfte<br />

der Bevölkerung Bangladeschs.<br />

Besonders betroffen sind auch die 22 südpazifischen Inselstaaten wie<br />

Kiribati, die Marschallinseln oder Tuvalu mit ihren insgesamt knapp sieben<br />

Millionen Einwohnern. Viele dieser Inseln sind derart flach, dass auf<br />

ihnen kaum neue Siedlungsmöglichkeiten bestehen, wenn das Wasser<br />

einmal dauerhaft gestiegen ist.<br />

Angesichts der <strong>im</strong>mensen Kosten wird es für viele Inselstaaten unmöglich<br />

sein, sich mit <strong>im</strong>mer höheren Deichbauten vor dem steigenden<br />

Meeresspiegel zu schützen. Einige der betroffenen Inseln werden mittel-<br />

bis langfristig ihr Territorium komplett und dauerhaft verlieren, wenn<br />

sie nicht schon lange vorher durch fortschreitende Versalzung der Böden<br />

und häufige Überflutung unbewohnbar geworden sind. Dieses apokalyptische<br />

Szenario ist nicht mehr nur eine Zukunftsvision, sondern es<br />

hat längst begonnen.<br />

Auf den Carteret-Inseln <strong>im</strong> pazifischen Ozean ist der <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel schon<br />

jetzt unwiderruflich angekommen: Der gestiegene Meeresspiegel entwurzelt<br />

Palmwälder und vernichtet Bananenplantagen. Die Kohlendioxid-Exzesse<br />

der Industrienationen führen dazu, dass der Pazifik das Atoll überfluten<br />

wird. Die Lebensgrundlagen vor Ort sind weitestgehend vernichtet<br />

und seine BewohnerInnen müssen evakuiert oder umgesiedelt werden –<br />

auf dieses Atlantis des 21. Jahrhunderts werden weitere folgen.<br />

40 Millionen Unschuldige<br />

NomadInnen tragen mit ihrem traditionellen Lebensstil unwesentlich<br />

zum <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel bei. Sie spüren die Veränderungen des <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>s aber<br />

schon heute, denn er bringt etwa für die nomadische Bevölkerung in<br />

Ostafrika große Probleme mit sich: unbeständiger und unvorherseh-


Münchner Stadtgespräche Nr. 72 09/2015<br />

17<br />

barer Regenfall und längere Trockenperioden in <strong>im</strong>mer kürzeren Abständen.<br />

Nomadische Bevölkerungsgruppen gibt es auf allen Kontinenten der<br />

Erde, vor allem aber in Zentralasien und in Afrika. Hier leben sie häufig<br />

in extrem wasserarmen Regionen wie beispielsweise den ariden und<br />

semi-ariden Gebieten des östlichen Afrikas. Die weltweit ca. 40 Millionen<br />

NomadInnen lernten über Generationen, mittels spezieller Kulturtechniken<br />

in zumeist wasserarmen Gebieten zu überleben. Doch das<br />

Fortbestehen des nomadischen Lebens ist zunehmend gefährdet. Nomaden<br />

aus Äthiopien berichten, wie der Regen seine traditionelle Regelmäßigkeit<br />

einbüßt und zugleich die Temperaturen ansteigen. Im Ergebnis<br />

verenden große Teile der Herden aufgrund des Wasser- und<br />

Futtermangels. Geht das Nutzvieh als einziges Hab und Gut verloren,<br />

droht das endgültige Ende der nomadischen Lebensweise.<br />

Aber nicht nur die Wanderhirten in den Trockenregionen der Erde sind<br />

betroffen, auch die mit ihren Rentierherden umherziehenden NomadInnen<br />

<strong>im</strong> Norden Europas verlieren durch milder werdende Winter ihre<br />

Lebensgrundlagen. Wenn die Temperaturen steigen und die Böden der<br />

Taiga nicht mehr lange genug gefrieren, versinken die Tiere mit ihren<br />

Hufen <strong>im</strong> morastigen Grund und ein Umherziehen wird unmöglich.<br />

Eine erzwungene Sesshaftigkeit in fruchtbareren Gebieten kann jedoch<br />

Konflikte mit anderen Bevölkerungsgruppen um die vorhandenen<br />

Ressourcen nach sich ziehen. Schon heute stehen sich <strong>im</strong> Sudan NomadInnen<br />

und sesshafte Bauern in einem blutigen Bürgerkrieg gegenüber<br />

und konkurrieren um Wasserressourcen und um Weide- oder<br />

Ackerland. Im subsaharischen Afrika bleibt den Vertriebenen oft nur die<br />

perspektivlose Existenz in den Lagern der internationalen Hilfsagenturen<br />

oder die Abwanderung in die informellen Siedlungen und Slums<br />

der neuen Megastädte.<br />

Die ersten Boten<br />

Bangladesch ist einer der Frontstaaten des <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandelgeschehens.<br />

Der Meeresspiegel steigt und bedroht den Lebensraum von Millionen<br />

armen Menschen, die unmittelbar an der Flutkante leben. Das Schicksal<br />

des Kleinbauern Rahula Amin, der durch die Folgen des <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandels<br />

beinahe sein gesamtes Hab und Gut verloren hat, steht für die vielen<br />

ungezählten anderen, denen Ähnliches droht.<br />

Rahula lebt unter ärmlichen Verhältnissen mit seiner neunköpfigen Familie<br />

in Dhania, einem kleinen Dorf <strong>im</strong> Süden Bangladeschs. Als Tagelöhner<br />

verdient er gerade das Nötigste, um seine Familie versorgen zu<br />

können. Die Erträge eines kleinen Flecken Landes sichern zusätzlich<br />

den Eigenbedarf.<br />

Früher lebte die Familie in einem anderen Dorf, besaß ein ausreichend<br />

großes Haus und genug Land, um einen bescheidenen Wohlstand<br />

zu erwirtschaften. Doch durch wiederkehrende Fluten, die den Boden abtrugen<br />

und die Ernten zerstörten, verlor die Familie nach und nach alles.<br />

Neue Fluten zwangen sie siebenmal zum Umziehen, die Ersparnisse wurden<br />

verbraucht. Schlussendlich verließ die Familie ihr He<strong>im</strong>atdorf, um in<br />

das benachbarte, vor den Fluten geschützte Dhania zu ziehen.<br />

Dies geschah vor 30 Jahren. In dem damals flutgeschützten Dorf wurde<br />

ein kleineres Stück Land und ein kleineres Haus erworben. Aber vor zehn<br />

Jahren erreichte die Flut auch diese Siedlung. Wieder waren es die Fluten<br />

und Landabtragungen, die den Amins ihren Besitz entrissen.<br />

Seit dieser Zeit kämpfen Rahula und seine Frau um das blanke<br />

Überleben der Familie. Auch wenn Rahula <strong>im</strong>mer wieder an die weitere<br />

Flucht in eine der dem Wasser fernen Großstädte <strong>im</strong> Norden des Landes<br />

denkt, ist dies keine unmittelbare Lösung. Weder besitzt die Familie<br />

genug Rücklagen für einen weiteren Umzug, noch möchte Rahula seine<br />

Mutter zurücklassen. Für die betagte Frau wäre ein weiterer Umzug<br />

mit Sicherheit einer zu viel.<br />

Für eine solidarische <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>migrationspolitik<br />

Angesichts solcher Szenarien stellen sich grundsätzliche Fragen: Wer<br />

schützt die Menschen, die aufgrund von <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandelfolgen fliehen<br />

müssen? Und was ist mit denen, die nicht über die Mittel verfügen,<br />

sich in Sicherheit zu bringen? Wer übern<strong>im</strong>mt die Verantwortung, wenn<br />

Menschen aufgrund plötzlicher <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>katastrophen oder schleichender<br />

Umweltveränderungen alles verlieren?<br />

Wichtig ist, dass die Antworten und Konzepte, seien sie lokal, regional<br />

oder global, eng mit menschenrechtlichen Prinzipien verknüpft werden.<br />

Das heißt, dass die Ursachen von Verwundbarkeit, wie Armut,<br />

Diskr<strong>im</strong>inierung oder Ungleichheit bekämpft werden müssen. Die Widerstandsfähigkeit<br />

gegenüber <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandelfolgen muss gestärkt und<br />

Kapazitäten zur Bewältigung der Auswirkungen des <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandels geschaffen<br />

werden.<br />

Vielversprechend ist auch die Nansen-Initiative, die explizit auf den<br />

Schutz von Menschen zielt, die sich in der Folge einer Naturkatastrophe<br />

über eine Staatsgrenze hinweg bewegen. Im Oktober soll eine Schutzagenda<br />

verabschiedet werden. Ihre Prinzipien und Empfehlungen werden<br />

nicht bindend sein. Dennoch versuchen Staaten, hier ein gemeinsames<br />

Verständnis von Handlungsnotwendigkeiten zu entwickeln. Ziel<br />

ist es, einen internationalen Konsens zu erreichen, der die zwischenstaatliche<br />

Kooperation, Schutznormen für Betroffene und die Rolle der<br />

humanitären Hilfe best<strong>im</strong>men.<br />

Ein weiterer wichtiger Schritt für den richtigen Umgang mit durch den<br />

<strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel verursachter Migration steht kurz bevor: Im Dezember soll<br />

in Paris ein internationales <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>abkommen verabschiedet werden.<br />

Dieses <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>abkommen muss rechtsverbindliche gemeinsame, aber<br />

unterschiedliche Verantwortlichkeiten aller Länder umfassen. Es muss<br />

faire und ehrgeizige Ziele festschrieben. Nur so kann es gelingen, die<br />

globale Erwärmung auf unter zwei Grad zu begrenzen.<br />

TEXT<br />

FOTO<br />

Sophia Wirsching / Brot für die Welt<br />

Broschüre „Auf der Flucht vor dem <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>“ (Amnesty International,<br />

Brot für die Welt, DGVN, medico international, German<br />

Watch, Oxfam Deutschland, Förderverein PRO ASYL)<br />

Pixelio / Dr. Stephan Barth


18<br />

Umweltinstitut München e.V. 09/2015<br />

Und jährlich grüßt die<br />

<strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>konferenz<br />

Nicht der internationale <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>gipfel, sondern das Geschäft mit den fossilen Brennstoffen<br />

Kohle, Gas und Öl steht dieses Jahr <strong>im</strong> besonderen Fokus der <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>bewegung.<br />

Ende November ist es wieder soweit: Zahlreiche Regierungsdelegationen<br />

treffen sich in Paris zum <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>gipfel der Vereinten Nationen.<br />

Seit Inkrafttreten der UN-<strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>rahmenkonvention 1995<br />

jähren sich die internationalen <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>verhandlungen dann zum 21. Mal,<br />

doch trotz der über 20-jährigen(!) Geschichte sind die Erfolge der internationalen<br />

<strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>politik mehr als dürftig. Zwar gab es vereinzelt Vereinbarungen<br />

zur Reduktion kl<strong>im</strong>aschädlicher Treibhausgase, doch sind die<br />

globalen Emissionen als Folge des rasanten Wirtschaftswachstums seit<br />

1990 kontinuierlich weiter gestiegen.<br />

Wegweisend für globalen <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>schutz?<br />

Ähnlich wie <strong>im</strong> Vorfeld des Kopenhagener Gipfels 2009 liegt auf den<br />

Verhandlungen in Paris heute wieder die allgemeine Erwartung, sie<br />

brächten den nötigen „Wendepunkt hin zu einem effektiven <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>abkommen“.<br />

Doch ist dieser Opt<strong>im</strong>ismus berechtigt? Fest steht, die Notwendigkeit<br />

wirksamen <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>schutzes ist unbestreitbar und wird mit jedem<br />

weiteren Bericht des Weltkl<strong>im</strong>arats IPCC deutlicher. Doch klar ist<br />

auch: Die UN-<strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>verhandlungen sind seit einiger Zeit festgefahren.<br />

Unauflösbare Interessenskonflikte stehen der Durchsetzung eines globalen<br />

Vertrags zur Reduzierung der <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>erwärmung gegenüber.<br />

Im Jahr 2009 in Kopenhagen zeigte sich besonders deutlich, dass die<br />

Bekämpfung der <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>krise mit zahlreichen anderen politischen Zielen<br />

konkurriert. In Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise und mit dem<br />

Erstarken der Schwellenländer gewann besonders in den Ländern des<br />

Nordens eine „Politik der Sachzwänge“ die Oberhand, die auf eine Beschleunigung<br />

des Wirtschaftswachstums und die Stärkung der internationalen<br />

Wettbewerbsfähigkeit ausgerichtet ist.<br />

Diese Strategie steht jedoch <strong>im</strong> Widerspruch zu einer auf Konsens zielenden<br />

internationalen <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>politik. Es wurde nicht der Versuch unternommen,<br />

sozialen Wohlstand und <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>schutz vereinbar zu machen,<br />

etwa durch eine Abkehr vom Wirtschaftswachstum als Allheilmittel. Der<br />

Gipfel in Kopenhagen wurde auch deshalb zum kl<strong>im</strong>apolitischen Desas-


Münchner Stadtgespräche Nr. 72 09/2015<br />

19<br />

ter, denn auf ein bindendes globales Abkommen konnten sich die Staaten<br />

entgegen der Ankündigungen nicht einigen.<br />

In der Folge hat sich die Einstellung der umwelt- und entwicklungspolitischen<br />

Organisationen sowie der sozialen Bewegungen deutlich<br />

verändert. Seit der Unterzeichnung der <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>rahmenkonvention der<br />

Vereinten Nationen haben sich diese Akteure zwei Jahrzehnte lang intensiv<br />

mit Forderungen in die internationale <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>politik eingebracht<br />

und die Debatte um die Verhandlungen beobachtet und begleitet. Sie<br />

setzten darauf, dass auf dieser Ebene entscheidende Fortschritte zur<br />

Vermeidung katastrophaler Auswirkungen des <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandels erreicht<br />

werden. Doch inzwischen ist für viele <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>schützerInnen klar: Auch in<br />

Paris werden die Privilegien der größten <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>sünder nicht entscheidend<br />

angetastet werden und die offensichtlich gewordenen Interessenskonflikte<br />

der Staaten werden zur Aufweichung der ambitionierten<br />

Ziele führen.<br />

Ausstieg aus den fossilen Energien<br />

Bei vielen hat sich diese Erkenntnis aus dem Kopenhagener Gipfel in<br />

den letzten Jahren gefestigt, denn bei den <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>verhandlungen konnte<br />

<strong>im</strong>mer wieder beobachtet werden, dass den Worten kaum Taten folgen<br />

und die Bemühungen um ein wirksames globales <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>abkommen<br />

erfolglos bleiben.<br />

Um das politisch gesetzte Ziel, den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad<br />

zu begrenzen, noch erreichen zu können, haben viele Nichtregierungsorganisationen<br />

nun den Fokus ihrer kl<strong>im</strong>apolitischen Arbeit angepasst.<br />

Aktivitäten werden nicht mehr pr<strong>im</strong>är auf die internationalen Verhandlungen<br />

verengt, sondern die nationale Energiepolitik und die fossile<br />

Energieindustrie als Verursacher eines Großteils der kl<strong>im</strong>aschädlichen<br />

Emissionen werden als zentrale Felder kl<strong>im</strong>apolitischer Auseinandersetzungen<br />

wiederentdeckt.<br />

Insbesondere die direkte Auseinandersetzung mit den größten <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>sündern<br />

ist für viele etablierte Organisationen neu. Sie folgen damit einem<br />

Pfad, der in den Jahren zuvor vor allem von Graswurzel-AktivistInnen<br />

verfolgt wurde. Diese kritisierten den Fokus der internationalen <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>verhandlungen<br />

auf die Reduktion von Emissionen, also die Output-Seite<br />

des fossilen Energiesystems. Mit Protesten an Kohleminen oder fossilen<br />

Großkraftwerken machten sie deutlich, dass auch die Energieträger Kohle,<br />

Gas und Öl selbst in den Blick genommen werden müssen.<br />

Protest gegen die größten <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>sünder<br />

Eigentlich ist es offensichtlich: Nur wenn sich die Zusammensetzung<br />

unseres Energiemixes grundlegend ändert und der globale Energieverbrauch<br />

reduziert wird, können wir unsere <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>ziele erreichen. Das bedeutet<br />

aber auch, die fossile Energiegewinnung in Frage zu stellen und<br />

die Privilegien der Öl-, Gas- und Kohleunternehmen einzuschränken.<br />

Die Neu-Orientierung der <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>bewegung hin zur nationalen Energiepolitik<br />

und auf die fossile Industrie zeigt sich in den Protest-Aktivitäten<br />

<strong>im</strong> Vorfeld des Pariser <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>gipfels. Auch <strong>im</strong> Sommer 2015<br />

fanden wie in den Jahren zuvor in zahlreichen Ländern sogenannte <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>camps<br />

statt – Zeltlager, die als Orte (kl<strong>im</strong>a)politischer Debatten und<br />

zugleich Ausgangspunkte für Aktionen zivilen Ungehorsams gegen zentrale<br />

Treibhausgasemittenten dienen.<br />

Bis dato unbekannte Unterstützung und Solidarität erfuhr eine angekündigte<br />

Braunkohletagebau-Besetzung <strong>im</strong> Rheinland Mitte August<br />

dieses Jahres. Während ein internationales Bündnis von Gruppen zu<br />

dieser Aktion zivilen Ungehorsams unter dem Motto „Ende Gelände“<br />

aufrief, solidarisierten sich zahlreiche weitere Organisationen, darunter<br />

auch große Umweltverbände wie der BUND und Entwicklungsorganisationen<br />

wie Oxfam mit dem Protest. Mehrere hundert Menschen versammelten<br />

sich am Braunkohletagebau Garzweiler, um durch die kurzzeitige<br />

Behinderung des dortigen Abbau-Betriebs ein Zeichen für den<br />

Kohleausstieg zu setzen.<br />

Die <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>bewegung behält das letzte Wort<br />

Kurz vor Beginn der <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>-Verhandlungen in Paris sind in zahlreichen<br />

Hauptstädten weltweit Großdemonstrationen geplant. Sinn und Stoßrichtung<br />

dieser Veranstaltungen ist jedoch innerhalb der Verbände und<br />

der <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>bewegung höchst umstritten. Während die wenigen Fürsprecher<br />

den Regierungsdelegationen kurz vor deren Abflug nach Paris ein<br />

deutliches Signal auf den Weg mitgeben wollen, steht ein Großteil diesem<br />

Vorhaben skeptisch bis ablehnend gegenüber. Dadurch werde nur<br />

erneut in der Bevölkerung die falsche Hoffnung genährt, mit Hilfe kurzfristigen<br />

Protests könne es be<strong>im</strong> <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>gipfel einen Durchbruch für den<br />

globalen <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>schutz geben. Angesicht der festgefahrenen internationalen<br />

Verhandlungen müssten die politischen Entscheidungen auf nationalstaatlicher<br />

und lokaler Ebene in den Blick rücken.<br />

Die Planung einer großen Demonstration zum Ende der Verhandlungen<br />

in Paris ist Ausdruck dieser vom Großteil der NGOs und Initiativen geteilten<br />

Überzeugung. Unter dem Motto „Die <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>bewegung behält das<br />

letzte Wort“ fordern sie: Für wirklichen <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>schutz braucht es nationale<br />

Energiewenden! Sie fordern den Ausstieg aus der besonders kl<strong>im</strong>aschädlichen<br />

Kohleverstromung und warnen davor, nun großräumig<br />

in die unkonventionelle Öl- und Gasförderung einzusteigen, die extrem<br />

energieintensiv und umweltschädlich ist, wie das Beispiel Fracking<br />

zeigt. Mit diesem Abschluss soll zugleich ein Gegenpol zu dem auf der<br />

<strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>konferenz betriebenen „Greenwashing“ entstehen.<br />

Denn seit langem werden die Verhandlungen von genau den Konzernen<br />

gesponsert und beeinflusst, die am wenigsten Interesse an einer<br />

wirksamen <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>politik haben. Die Botschaft der <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>bewegung<br />

ist klar: Fossile Energien sind kl<strong>im</strong>aschädlich. Anstatt sie weiter auszubeuten,<br />

brauchen wir eine konsequente Energiewende. Alternativen für<br />

eine umfassende Transformation zu einer sozial-ökologisch gerechten<br />

Gesellschaft sind vorhanden und realisierbar.<br />

TEXT<br />

FOTO<br />

Philip Bedall<br />

Robin Wood e.V.<br />

350.org


20<br />

Umweltinstitut München e.V. 09/2015<br />

Kein <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>schutz ohne<br />

Agrarwende<br />

Wenn wir vom <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel reden, müssen wir auch über unsere Landwirtschaft<br />

sprechen. Denn die Ausbreitung von Wüsten, die Versalzung von Grundwasser, Dürren,<br />

Überschwemmungen, Unwetter und die Instabilität ganzer Ökosysteme treffen<br />

diejenigen besonders hart, die unsere Lebensmittel produzieren. Gleichzeitig trägt die<br />

industrielle Landwirtschaft <strong>im</strong>mer stärker zum <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel bei.<br />

In der Landwirtschaft werden große Mengen<br />

an Treibhausgasen freigesetzt. Neben<br />

Kohlenstoffdioxid (CO 2<br />

) handelt es sich<br />

dabei vor allem um Methan und um Lachgas.<br />

Methan wirkt in der Atmosphäre etwa<br />

28 Mal stärker als Kohlendioxid, es entsteht<br />

be<strong>im</strong> Reisanbau und bei der Rinderzucht.<br />

Lachgas ist gleich 265 Mal so kl<strong>im</strong>aschädlich<br />

wie CO 2<br />

und entsteht bei der Düngung mit<br />

Stickstoff und bei der Lagerung und Bearbeitung<br />

von Gülle.<br />

Wichtige CO 2<br />

-Quellen sind außerdem die Produktion<br />

von Düngemitteln und Pestiziden, der<br />

Energieverbrauch von Landmaschinen und<br />

sogenannte „Landnutzungsänderungen“. Hinter<br />

Letzterem verbirgt sich unter anderem die<br />

Abholzung von Wäldern, um Land für Viehhaltung,<br />

Ackerbau und den Anbau von Energiepflanzen<br />

zu gewinnen. Auf etwa 18 Millionen<br />

Hektar Land – das entspricht etwa der landwirtschaftlichen<br />

Nutzfläche der Bundesrepublik<br />

– werden heute in Amerika Futtermittel<br />

für Europas Ställe produziert.<br />

Die steigende Nachfrage nach Fleisch und<br />

nach Agrartreibstoffen hat besonders in Südamerika<br />

gravierende Folgen: Regenwald wird<br />

abgeholzt und durch Soja- oder Mais-Monokulturen<br />

ersetzt.<br />

Landnutzungsänderungen<br />

verstärken den <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel<br />

Eine weitere Landnutzungsänderung ist der<br />

sogenannte Grünlandumbruch. Wenn Wiesen<br />

und Weiden zu Ackerland umgepflügt werden,<br />

wird der Boden durchlüftet und die Bodenlebewesen<br />

beginnen, organisches Material und<br />

Humus abzubauen.<br />

Kohlenstoff, der <strong>im</strong> Boden gebunden war,<br />

gelangt als CO 2<br />

in die Atmosphäre und verstärkt<br />

den <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel. In kleinerem Maßstab<br />

geschieht das jedes Mal, wenn gepflügt wird<br />

oder wenn der Boden bei Plusgraden nicht bewachsen<br />

ist.<br />

Diese Landnutzungsänderungen sind die<br />

größten CO 2<br />

-Quellen in der Landwirtschaft.<br />

Umgekehrt liegt darin jedoch auch eine<br />

große Chance, den Kohlenstoff wieder zu<br />

binden. Denn ein Betrieb, der mit dem Boden<br />

und den Bodenlebewesen gut umgeht, kann


Münchner Stadtgespräche Nr. 72 09/2015<br />

21<br />

den Humusgehalt erheblich erhöhen. Das ist<br />

nicht nur gut für‘s <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>, sondern auch für<br />

den Ertrag. In Bayern bindet ein Hektar Bio-<br />

Acker pro Jahr durchschnittlich 400 Kilogramm<br />

CO 2<br />

dauerhaft <strong>im</strong> Boden. Ökologische<br />

Landwirtschaft ist praktizierter <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>schutz –<br />

auch weil <strong>im</strong> Ökolandbau ohne Pestizide und<br />

synthetische Stickstoffdünger gearbeitet wird<br />

und kaum Futtermittel aus Südamerika <strong>im</strong>portiert<br />

werden müssen.<br />

<strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>killer Kuh?<br />

Eine intensive Debatte dreht sich um die Rinderhaltung,<br />

denn Rinder produzieren bei der<br />

Verdauung Methan, das besonders kl<strong>im</strong>aschädlich<br />

ist. Umgekehrt aber können sie<br />

Nahrungsmittel für Menschen auf Wiesen und<br />

Weiden erzeugen, die anders nicht bewirtschaftet<br />

werden könnten. Würde alles ackerfähige<br />

Grünland gepfl ügt und zum Getreideanbau<br />

genutzt, ginge sehr viel Kohlenstoff aus<br />

dem Boden in die Atmosphäre über. Ist das<br />

Rind nun ein <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>killer oder nicht?<br />

Die Kuh, die auf der Weide steht oder Heu von<br />

den Wiesen der Umgebung frisst, ist nicht für<br />

den <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel verantwortlich. Aber Kühe<br />

stehen nicht <strong>im</strong>mer auf der Weide und fressen<br />

<strong>im</strong> Winter nur Heu, auch wenn uns das die Bilder<br />

auf den Verpackungen suggerieren wollen.<br />

Tiere, die Soja und Getreide fressen, sind<br />

Nahrungskonkurrenten zu uns Menschen und<br />

treiben mit ihrem Futterbedarf Landnutzungsänderungen<br />

voran. Rinder sind unter diesen –<br />

realistischen – Umständen besonders ineffi zient.<br />

Weniger Tiere zu halten wäre wichtig, um<br />

den <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel zu begrenzen.<br />

Wassermangel in Westafrika<br />

Ganz verhindern lässt sich der <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel<br />

heute nicht mehr. Schon jetzt ist er zu spüren,<br />

zum Beispiel bei WinzerInnen in Deutschland,<br />

die heute völlig andere Rebsorten pfl anzen<br />

können als noch vor zwanzig Jahren.<br />

Das klingt erst einmal positiv, doch die für uns<br />

bislang eher gering anmutenden Veränderungen<br />

und die Zunahme von extremen Wetterereignissen<br />

sind für die Landwirtschaft eine<br />

enorme Bedrohung. Im US-Bundesstaat Kalifornien<br />

herrscht beispielsweise seit 2011 eine<br />

extreme Dürre, durch die die Landwirtschaft<br />

einen Verlust von über zwei Milliarden Dollar<br />

erlitten hat.<br />

Am schl<strong>im</strong>msten aber trifft es oft die Menschen,<br />

die in der Vergangenheit am wenigsten<br />

zum <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel beigetragen haben. So wird<br />

zum Beispiel die Wasserverfügbarkeit <strong>im</strong> südlichen<br />

Mali in diesem Jahrhundert um rund<br />

zehn Prozent zurückgehen.<br />

Schuld daran sind der <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel und<br />

seine Folgen: Dürren werden häufi ger und die<br />

Landwirtschaft damit unsicherer. Die Wüste<br />

Sahara droht, sich langsam in Richtung Süden<br />

auszubreiten. Die Menschen verlieren<br />

ihre Lebensgrundlage und müssen ihre He<strong>im</strong>at<br />

verlassen.<br />

Vielfalt ist die Fähigkeit, sich<br />

anzupassen<br />

Ob Deutschland, Amerika oder Westafrika:<br />

Die Beispiele zeigen, dass die Landwirtschaft<br />

überall betroffen ist – unabhängig davon, wie<br />

viel Geld, Chemikalien und Maschinen wir einsetzen.<br />

Die Landwirtschaft muss also fi t werden<br />

für den <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel. Das zentrale Konzept<br />

dafür nennt sich Resilienz.<br />

Als Resilienz wird die Fähigkeit eines<br />

Systems bezeichnet, auf Veränderungen zu<br />

reagieren und gleichzeitig stabil zu funktionieren.<br />

Der Schlüssel zu Stabilität unter wechselhaften<br />

Bedingungen ist Vielfalt. Das gilt für<br />

einzelne Betriebe ebenso wie für ganze Ökosysteme<br />

und menschliche Gesellschaften.<br />

Doch die industrielle Landwirtschaft zerstört<br />

die Vielfalt der Ökosysteme. Die Intensivierung<br />

verdrängt die Vielfalt der Landschaften.<br />

Pestizide, Überdüngung und Monokulturen töten<br />

die Bodenlebewesen, Insekten, Vögel und<br />

Pfl anzen, die in landwirtschaftlichen Flächen<br />

und um diese herum ihren Lebensraum haben.<br />

Während der <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel den Ökosystemen,<br />

von denen wir leben, eine große Anpassungsleistung<br />

abfordert, n<strong>im</strong>mt die Vielfalt und<br />

damit die Resilienz dieser Systeme ab.<br />

Gleichzeitig geht auch in der industriellen<br />

Landwirtschaft die Vielfalt von Nutzpfl anzen<br />

und Nutztieren zurück. Fast alle Legehennen<br />

in Deutschland stammen von nur zwei Zuchtlinien<br />

ab. Der Saatgutmarkt in Europa wird von<br />

lediglich fünf Unternehmen dominiert.<br />

Sie verkaufen vor allem Saatgut, das bei der<br />

Verwendung von synthetischem Dünger und<br />

Pestiziden sehr hohe Erträge bringt. Diese<br />

Form der Landwirtschaft ist nicht in der Lage,<br />

sich an die geringere Stabilität der Ökosysteme<br />

anzupassen, die der <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel mit<br />

sich bringt.<br />

Eine andere Landwirtschaft<br />

ist möglich<br />

Längst gibt es alternative Formen der Landwirtschaft,<br />

die kl<strong>im</strong>afreundlicher und anpassungsfähiger<br />

sind: Die Biobetriebe machen<br />

es vor. Und dank der globalen Vernetzung<br />

können wir heute von alten und neuen Ideen<br />

aus allen Erdteilen profi tieren. Aus Australien<br />

kommen die Grundlagen der Permakultur, die<br />

Kreisläufe und Beständigkeit von Systemen<br />

betont. Die Idee einer solidarischen Landwirtschaft,<br />

die VerbraucherInnen und ProduzentInnen<br />

direkt zusammenbringt, wurde in den<br />

USA entwickelt.<br />

Was können wir von Kuba lernen, das Jahrzehntelang<br />

unter dem US-Wirtschaftsembargo<br />

stand und während dieser Zeit eine Landwirtschaft<br />

entwickeln musste, die weitgehend<br />

unabhängig von Erdöl ist?<br />

Unter welchen Umständen bringt es etwas,<br />

Tiere, Gemüse und Getreide unter Bäumen<br />

zu züchten, oder Pfl anzenkohlereste in<br />

den Boden einzubringen? Traditionelle landwirtschaftliche<br />

Systeme in Südamerika arbeiten<br />

damit. In einem Berliner Forschungsinstitut<br />

schlagen Tomaten ihre Wurzeln in Süßwasser,<br />

in dem Fische gezüchtet werden.<br />

Die Alternativen sind quicklebendig. Damit sie<br />

sich durchsetzen, brauchen sie die Politik, die<br />

die Regeln vorgibt und Ressourcen verteilt.<br />

Doch Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt<br />

und EU-Agrarkommissar Hogan fördern lieber<br />

weiterhin die Agrarindustrie und suchen<br />

nach Absatzmärkten für Schweinefl eisch und<br />

Milchpulver, das aus Ställen kommt, die südamerikanische<br />

Gensoja verfüttern.<br />

TEXT<br />

FOTO<br />

Karl Bär<br />

Fotolia


22<br />

Umweltinstitut München e.V. 09/2015<br />

Raus aus der Kohle!<br />

Die Divestment-Bewegung fordert dazu auf, Investitionen aus den kl<strong>im</strong>aschädlichsten<br />

Unternehmen abzuziehen. Einige symbolkräftige Erfolge hat sie bereits erzielt. Auch in<br />

deutschen Städten schließen sich <strong>im</strong>mer mehr <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>bewegte der Initiative an.<br />

Wenn es falsch ist, zur globalen Erwärmung beizutragen und<br />

damit Ökosysteme und menschliche Lebensgrundlagen zu<br />

zerstören, dann ist es auch falsch, von dieser Zerstörung<br />

zu profitieren. Unter diesem Motto finden sich Menschen überall auf der<br />

Welt zusammen und fordern den Abzug von Geldanlagen aus dem fossilen<br />

Energiesektor. Denn der ist verantwortlich für mehr als 20 Prozent<br />

der globalen kl<strong>im</strong>aschädlichen Emissionen.<br />

Unter dem Namen „Fossil Free“ startete die Divestment-Kampagne<br />

<strong>im</strong> Herbst 2012 in den USA und ist inzwischen in Neuseeland, Australien,<br />

Europa und Kanada aktiv. Neue Kampagnen in Südafrika, Japan und<br />

auf den Philippinen kamen kürzlich dazu. Die Bewegung wächst stetig:<br />

Innerhalb von nicht einmal drei Jahren gründeten Freiwillige weltweit<br />

über 600 Fossil Free-Initiativen.<br />

Der Vorteil für ehrenamtlich Engagierte: Menschen können in ihrem<br />

Wohnort aktiv werden, egal ob in Freising oder Berlin. Denn Institutionen,<br />

die <strong>im</strong> Namen der Bürger*innen Gelder anlegen, finden sich<br />

überall. Kommunen, Universitäten, Kirchengemeinden, berufsständische<br />

Versorgungswerke oder Banken investieren über Unternehmensbeteiligungen<br />

oder Aktienfonds auch in kl<strong>im</strong>aschädliche Kohle-,<br />

Erdöl- und Erdgasunternehmen. Die Menschen um Fossil Free sind aktiv,<br />

um sich gegen eine Industrie zu stellen, welche die <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>krise vorantreibt<br />

und seit Jahren erfolgreiche <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>politik verhindert, um weiterhin<br />

ihren Profit zu max<strong>im</strong>ieren.<br />

Die Kohlenstoffblase wird zum Finanzrisiko<br />

Kommunen, die Geld in Unternehmen der fossilen Energie investieren,<br />

setzen dabei nicht nur das <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong> aufs Spiel. Es besteht ein beträchtliches<br />

Finanzrisiko: Die sogenannte Kohlenstoffblase („carbon bubble“).<br />

Darunter versteht man eine Spekulationsblase, die aus der Unvereinbarkeit<br />

des in der internationalen <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>politik anerkannten Zwei-Grad-<br />

Ziels mit der Förderung eines Großteils der bekannten Öl-, Gas- und<br />

Kohlereserven entsteht. Denn wird das politische Ziel konsequent verfolgt,<br />

verlieren zahlreiche Unternehmen der fossilen Energiewirtschaft in<br />

den nächsten Jahrzehnten massiv an Wert. Der Grund dafür: Sie haben<br />

die Förderrechte an zahlreichen Lagerstätten erworben und haben diese<br />

als Vermögenswerte in ihren Bilanzen verzeichnet.<br />

Angesehene Institutionen und Expert*innen wie die Deutsche Bank und<br />

die britischen Banken HSBC und Citibank, die Internationale Energieagentur,<br />

die Ratingagentur Standard & Poor‘s, das Wirtschaftsmagazin<br />

Forbes Magazine, Bloomberg, der britische Ökonom Lord Nicholas


Münchner Stadtgespräche Nr. 72 09/2015<br />

23<br />

„Die Finanzaktivitäten der eigenen Stadt, Universität oder<br />

Kirche sind konkret und direkt vor Ort beeinflussbar“<br />

Stern, die London School of Economics und die Smith School der Universität<br />

Oxford warnen, dass Kohle-, Öl-, und Gasunternehmen massiv<br />

überbewertet sind. HSBC spricht beispielsweise davon, dass 40 bis<br />

60 Prozent des Börsenkapitals von Öl- und Gasunternehmen auf dem<br />

Spiel stehen. Sie drohen als sogenannte gestrandete Vermögenswerte<br />

(„stranded assets“) an Wert zu verlieren.<br />

Gestrandete Vermögenswerte sind bei dem deutschen Energiekonzern<br />

RWE, der größten CO 2<br />

-Schleuder Europas, bereits Realität. Im letzten<br />

Jahr musste RWE 4,8 Milliarden Euro auf seine Kohle- und Gaskraftwerke<br />

abschreiben und machte Verluste von über 2,8 Milliarden<br />

Euro. Das hat die deutschen Kommunen hart getroffen. Denn 86 deutsche<br />

Städte und Kommunen halten insgesamt etwa 25 Prozent aller<br />

RWE-Aktien. Die Prognosen für 2015 sehen ähnlich schlecht aus, denn<br />

RWE hat ebenso wie E.on den Einstieg in die Energiewende lange verpasst.<br />

Trotzdem halten viele Kommunen an RWE fest.<br />

Divestment-Bewegung auch in Deutschland<br />

In den vergangenen Monaten ist Divestment eine anerkannte, an Einfluss<br />

gewinnende Taktik in der europäischen und deutschen <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>bewegung<br />

geworden. Mittlerweile gibt es Fossil Free-Gruppen in 18 deutschen<br />

Städten und wöchentlich schließen sich neue <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>bewegte an.<br />

Das Medieninteresse reißt nicht ab, denn einige große internationalen<br />

Divestment-Erfolge sorgten für Aufsehen. So beschloss beispielsweise<br />

das schwedische Parlament <strong>im</strong> Juni 2015, dass der Norwegische<br />

Pensionsfonds, der größte Staatsfonds der Welt, sich aus Energie- und<br />

Bergbaufirmen zurückziehen soll, bei denen das Kohlegeschäft mehr als<br />

30 Prozent des Umsatzes ausmacht. Das wird auch RWE treffen, denn<br />

der Fonds ist mit 300 Millionen Euro an dem Unternehmen beteiligt, was<br />

etwa zwei Prozent der Unternehmensanteile entspricht.<br />

Es mag überraschend sein, dass auch <strong>im</strong>mer mehr Studierende laut<br />

ausrufen: „Kein Geld mehr für Kohle, Öl und Gas!“. Nur wenigen ist bekannt,<br />

dass auch in Deutschland zahlreiche Hochschulen Stiftungsvermögen<br />

und Finanzanlagen in Millionenhöhe verwalten. Die Universität<br />

Freiburg hat bereits positiv auf die Ideen und Forderungen der lokalen<br />

Fossil Free-Gruppe reagiert. Heidelberg, Münster, Bayreuth, Tübingen<br />

und weitere Hochschulen könnten bald folgen.<br />

Es gibt lohnenswerte Alternativen<br />

Eine besonders gute Nachricht der letzten Monate ist der Start einer<br />

Kampagne, die die Berliner Ärzteversorgung auffordert, zu deinvestieren.<br />

Alle Investments aus der Kohle-, Öl- und Gasindustrie sollen binnen<br />

fünf Jahren beendet und die frei werdenden Mittel in Anlagen für eine<br />

nachhaltige und gesunde Zukunft reinvestiert werden.<br />

Auch der Vorstand der Bundesärztekammer wird sich nach einem<br />

Beschluss nun mit dem Thema Divestment auseinandersetzen. Und seit<br />

Kurzem beschäftigen sich Journalist*innen mit den Anlagestrategien<br />

ihres Versorgungssystems. Im kirchlichen Bereich wird das Thema weiter<br />

diskutiert und n<strong>im</strong>mt Gestalt an. Banken und Versicherer sind schon<br />

lange ins Blickfeld gerückt. Die großen Kohleinvestoren Deutsche Bank<br />

und Allianz werden in den kommenden Monaten den wachsenden öffentlichen<br />

Druck zu spüren bekommen.<br />

Der <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel scheint von der eigenen Lebensrealität aus oft schwer<br />

anzugehen. Die Finanzaktivitäten der eigenen Stadt, Uni oder Kirche<br />

sind dagegen konkret und direkt vor Ort beeinflussbar. So kann jede*r<br />

Interessierte eine lokale Kampagne starten und einen offenen Brief an<br />

den Stadtrat und den*die Bürgermeister*in schicken.<br />

Divestment wird die fossile Industrie nicht in den Bankrott treiben.<br />

Aber sie kann ihr die soziale Akzeptanz und damit politischen Einfluss<br />

entziehen. Und das wäre ein großer Gewinn für den <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>schutz.<br />

TEXT<br />

FOTO<br />

Tine Langkamp<br />

350.org<br />

350.org<br />

Was versteht man unter Divestment?<br />

Divestment ist das Gegenteil einer Investition. Es bedeutet,<br />

dass man sich von Aktien, Anleihen oder Investmentfonds<br />

trennt, die unökologisch oder unter ethischen<br />

Gesichtspunkten fragwürdig sind. Investitionen in fossile<br />

Brennstoffe stellen ein Risiko für Investoren und für den<br />

Planeten dar. Darum ruft das internationale Netzwerk Fossil<br />

Free sämtliche Institutionen dazu auf, ihr Vermögen aus<br />

den 200 größten börsennotierten Unternehmen abzuziehen.<br />

Diese Unternehmen sind derzeit <strong>im</strong> Besitz eines<br />

Großteils der verzeichneten Kohle-, Öl- und Gasreserven<br />

und planen, diese zu fördern und zu verbrennen. Doch 80<br />

Prozent der fossilen Rohstoffreserven müssen <strong>im</strong> Boden<br />

bleiben, damit die Erderwärmung auf zwei Grad begrenzt<br />

werden kann.


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Kontakte<br />

Referat für Gesundheit und<br />

Umwelt<br />

Öffentlichkeitsarbeit<br />

Bayerstraße 28a<br />

80335 München<br />

Tel.: 089-233-47 524<br />

Fax: 089-233-47 508<br />

oeffentlichkeitsarbeit.rgu@muenchen.de<br />

www.muenchen.de/rgu<br />

Umweltinstitut München e.V. 09/2015<br />

Ökologisches<br />

Bildungszentrum<br />

Englschalkinger Str. 166<br />

81927 München<br />

Tel.: 089-93 94 89 60<br />

Fax: 089-93 94 89 81<br />

mail@oebz.de<br />

www.oebz.de<br />

Bürgerstiftung<br />

Zukunftsfähiges München<br />

Klenzestraße 37/Rgb.<br />

80469 München<br />

Tel.: 089-202 38-111<br />

Fax: 089-202 38-113<br />

mail@bszm.de<br />

www.bszm.de<br />

www.lifeguide-muenchen.de<br />

www.sinn-muenchen.de<br />

Newsletter der Agenda 21<br />

Regelmäßige Informationen zu Agenda-Terminen<br />

in München erhalten Sie<br />

<strong>im</strong> kostenfreien Newsletter unter<br />

www.muenchner-stadtgespraeche.de<br />

Termine<br />

Do., 15. Oktober, 20:00 Uhr<br />

Film: Zehn Milliarden - wie werden<br />

wir alle satt?<br />

Bis 2050 wird die Weltbevölkerung auf zehn<br />

Milliarden Menschen anwachsen. Doch wo<br />

soll die Nahrung für alle herkommen? Regisseur,<br />

Bestseller-Autor und Food-Fighter<br />

Valentin Thurn sucht nach Lösungen: Er<br />

erkundet die wichtigsten Grundlagen der<br />

Lebensmittelproduktion und verdeutlicht,<br />

wie die Menschheit durch die hemmungslose<br />

Ausbeutung knapper Ressourcen die<br />

Grundlage ihrer Ernährung zerstört. Mit Gespür<br />

für Verantwortung und Handlungsbedarf<br />

macht der Film klar: Wir können etwas<br />

verändern – wenn wir es wollen!<br />

www.mvhs.de<br />

Mi., 21. Oktober, 19:00 Uhr<br />

Teersandöl & Fracking: Wie die Energielobby<br />

den <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>schutz torpediert<br />

Selbst die konservative Internationale Energieagentur<br />

fordert, dass zwei Drittel der<br />

fossilen Energiereserven in der Erde bleiben<br />

müssen, da andernfalls katastrophale<br />

Auswirkungen des <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandels nicht zu<br />

vermeiden sind. Doch die Energiekonzerne<br />

treiben genau das Gegenteil voran: Mit <strong>im</strong>mer<br />

umweltschädlicheren Methoden holen<br />

sie nun sogar die unkonventionellen fossilen<br />

Ressourcen aus der Erde – auch in<br />

Deutschland. Ein Vortrag von Energiereferentin<br />

Franziska Buch über Ölsand, Fracking<br />

und die Macht der Energielobby.<br />

www.umweltinstitut.org<br />

Impressum<br />

Herausgegeben vom Umweltinstitut München e.V.<br />

Anschrift für Verlag, verantwortlichen Redakteur<br />

und Anzeigenverantwortlichen:<br />

Umweltinstitut München e.V.<br />

Verein zur Erforschung und Verminderung der<br />

Umweltbelastung<br />

Landwehrstr. 64a<br />

80336 München<br />

Tel.: (089) 30 77 49-0<br />

Fax: (089) 30 77 49-20<br />

E-Mail: a21@umweltinstitut.org<br />

Internet: www.umweltinstitut.org<br />

Redaktion Joy Mann, Christina Hacker (verantwortlich),<br />

Fabian Holzheid<br />

Layout Joy Mann<br />

Druck Ulenspiegel Druck GmbH & Co. KG<br />

Birkenstraße 3<br />

82346 Andechs<br />

Versand axmax GmbH, Riedering<br />

Auflage 15.000<br />

Namentlich gekennzeichnete Artikel geben die<br />

Meinung der Verfasserin/des Verfassers und nicht<br />

in jedem Fall die der Redaktion wieder.<br />

Zitieren erwünscht, bitte mit Quellenangabe!<br />

Titelbild: Fotolia<br />

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Redaktionsschluss für die nächste Ausgabe:<br />

05.10.2015<br />

Gedruckt auf 100% Recyclingpapier<br />

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und mit Förderung des Referates<br />

für Gesundheit und Umwelt der Landeshauptstadt<br />

München. Dieses Heft kann <strong>im</strong> Internet unter der<br />

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