GLücksDueLL recycLinG Dr. FriGO VeGetarische ... - WWF Schweiz
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GUT GENIESSEN — Die <strong>WWF</strong>-Beilage in der SonntagsZeitung — 21. Oktober 2012 REPORTAGE — 9<br />
GABy LABhART TExT<br />
ELISABETh REAL FOTOS<br />
U<br />
eli Sahli erscheint locker gewandet<br />
in Cargowanderhose<br />
und kariertem Hemd – «das<br />
ist meine Arbeitskleidung» – und packt<br />
aus. Gewogene 956 Gramm Material<br />
über den regionalen Naturpark Diemtigtal<br />
bringt der Präsident von Diemtigtal<br />
Tourismus und Geschäftsführer<br />
des Parks mit: Themenwege wie Grimmimutzweg<br />
und Gwunderwasser, Alpenbock-<br />
und Vogelweg, Spielplätze<br />
und Feuerstellen, Walderlebnisweg und<br />
Wildbeobachtung. Ist das alles nicht etwas<br />
viel Disneyland für einen Naturpark<br />
von 135 Quadratkilometern, den kleinsten<br />
der zehn <strong>Schweiz</strong>er Naturpärke?<br />
Sahli Ueli, wie ihn im Tal alle nennen,<br />
die ihn kennen – und es kennen<br />
ihn alle, denn er ist so eine Art Mister<br />
Natur park –, sagt gelassen, und man<br />
merkt, dass er das schon oft erklären<br />
musste: «Ein Naturpark ist keine<br />
Schutzzone wie der Nationalpark, wo<br />
nichts angetastet wird. Wir sind kein<br />
Naturreservat, hier leben Menschen<br />
und wir haben eine aktive Alp- und<br />
Holzwirtschaft, Gewerbe und Tourismus.<br />
Wir wollen ja nicht den Raum<br />
möblieren, sondern das, was da ist, auf<br />
sanfte Art betonen.»<br />
Ein <strong>Dr</strong>ittel der Bevölkerung ist mehr<br />
oder minder vollzeitlich mit Landwirtschaft<br />
beschäftigt. Und mit 8000 Stück<br />
gesömmertem Vieh ist das Diemtigtal<br />
eine der grössten Alpwirtschaftsregionen<br />
der <strong>Schweiz</strong>. Ein <strong>Dr</strong>ittel der 2100<br />
Menschen, die hier leben, arbeitet im<br />
Dienstleistungssektor, ein <strong>Dr</strong>ittel ist im<br />
lokalen Gewerbe tätig.<br />
Zauberwort Naturtourismus<br />
«Unser Tal – dein Park» hat sich der<br />
Naturpark Diemtigtal auf die Werbefahne<br />
geschrieben. Apropos Werbung:<br />
Wie ist das mit der Ämterkumula tion<br />
von Tourismuspräsident und Naturparkchef,<br />
Herr Sahli? «Es ist eine<br />
Gratwanderung», sagt der 65-Jährige<br />
schmunzelnd, der noch locker Sechstausender<br />
besteigt, in Gratwanderungen<br />
also geübt ist.<br />
Themenwege wie etwa den Hausweg<br />
zu den prächtigen Simmentaler<br />
Häusern aus dem 18. und 19. Jahrhundert<br />
gab es im Diemtigtal schon vor der<br />
Naturparkzeit, die genau am 1. Januar<br />
dieses Jahres offiziell begann. Auch das<br />
Burelädeli in Zwischenflüh am Parkplatz<br />
der Wiriehornbahn wurde bereits<br />
2001 von 15 Familien gegründet, die<br />
einen Weg suchten, ihren Käse, ihren<br />
Honig, ihr Fleisch, ihre Würste, ihre<br />
Züpfen und Brote zu verkaufen. Die<br />
kräuterkundige Hanni Mani, die von<br />
Anfang an dabei war und so Ungewöhnliches<br />
macht wie eine Kaffeeseife,<br />
mit der im Nu jeder Knobli- und Fischgeruch<br />
von den Händen verschwindet,<br />
freut sich, dass das Ganze funktioniert.<br />
Auch wenn es finanziell «so geit». Was<br />
sie schätzt: dass Touristen und Einheimische<br />
gleichermassen ins Burelädeli<br />
kommen. Seit das Tal Naturpark ist, sei<br />
mehr los, der Laden bekannt geworden.<br />
Ja, im Winter läuft mehr an der<br />
Talstation der Wiriehornbahn, das ist<br />
im Diemtigtal auch nicht anders als in<br />
Gstaad oder Kitzbühel. Der wertschöpfende<br />
Tourismus in den Alpen findet<br />
nicht im Sommer statt. <strong>Dr</strong>ei Skigebiete<br />
und Bahnen bietet das Diemtigtal, die<br />
kleinste auf den Springenboden, die beiden<br />
grösseren am Wiriehorn und hinten<br />
im Tal auf der Grimmialp. Schneekanonen,<br />
pardon, man bevorzugt das<br />
euphemistischere Wort Beschneiungsanlagen,<br />
sind vorhanden. Die standen<br />
allerdings schon dort, bevor das Tal<br />
zum Naturpark wurde.<br />
Das grösste Seitental des Simmentals<br />
liegt eingebettet zwischen Niesen-<br />
und Turnenkette. Mit seiner natür lichen<br />
Abgrenzung ist es buchstäblich ein von<br />
der Natur geschaffener Park. Von Thun<br />
her kommend gehts los am Eingang des<br />
Tals, in Oey – was wie Euch aber ohne<br />
ch ausgesprochen wird –, das zusammen<br />
mit dem Dorf Diemtigen oben am<br />
Hang Hauptort ist. Wir sind auf 666<br />
M.ü.Meer. Den südlichen Abschluss<br />
bildet Schwenden mit der Grimmialp<br />
und dem höchsten Gipfel im Tal, der<br />
Männlifluh mit 2652 M.ü.M. 2000 Meter<br />
Höhenunterschied auf einer Luftlinie<br />
von zehn Kilometern: Das sind in<br />
keiner Hinsicht gemütliche Verhältnisse<br />
und wohl auch der Grund dafür, dass<br />
das Tal jahrhundertelang eine gemächliche<br />
Entwicklung machte.<br />
Bescheidenheit ohne Ressourcenverschwendung<br />
lernte man in Gegen-<br />
Schwester Emmy in der Kapelle im<br />
Kurhaus Grimmialp (oben);<br />
Mister Naturpark Ueli Sahli (Mitte)<br />
und Barbara Wiedmer-Blum<br />
mit Enkelin Lea im Berggasthaus<br />
Menigwald (unten)<br />
Kult-Genüsse aus dem Diemtigtal:<br />
Geissenpetersalat von<br />
Anna Kunz, Schlehdorn-Gelée,<br />
Seifen und Blütentee aus<br />
dem Burelädeli.<br />
Gasthof Tiermatti im Prachtsbau<br />
von 1751 in Schwenden:<br />
Bei Mathias Regez kann man<br />
sogar im Stroh essen<br />
(v.l.n.r.).<br />
Aus der Heimat<br />
der Rosalia Alpina<br />
Wie Bauern, Touristen und lokale Gewerbler<br />
im Berner Diemtigtal eine einmalige Symbiose<br />
von Natur und Zivilisation leben<br />
Wirtin und Köchin Anna Kunz vom<br />
Gasthof hirschen in Oey<br />
den wie diesen schon sehr früh. «Dieses<br />
Gelände lässt keine grossen Sprünge<br />
zu», sagt Gemeindeschreiber Markus<br />
Mösching in seinem Büro im Gemeindehaus<br />
in Oey. Mösching ist Präsident<br />
der Naturparkkommission und eine der<br />
treibenden Kräfte hinter dem Naturpark.<br />
Man müsse es eben merken, wenn<br />
der Zufall eine Gelegenheit anspüle,<br />
sagt er mit leisem Understatement.<br />
Der Zufall in diesem Fall oder das<br />
Positive an einem strukturschwachen<br />
Gebiet: Es ist für einen Naturpark gut<br />
geeignet weil niemand es verschandelt<br />
hat. «Hohe Natur- und Landschaftswerte»,<br />
wie das im Bundesamt für Umwelt<br />
(Bafu) definiert wird, sind eine der<br />
Voraussetzungen für die Verleihung<br />
des Parklabels. Dazu erarbeitet die Gemeinde<br />
einen Richtplan, der das Fortbestehen<br />
und die Finanzierung sichert.<br />
Zudem soll das Projekt von der Bevölkerung<br />
mitgetragen werden. 60’000<br />
Franken der lokalen Steuergelder gehen<br />
jährlich in den Park. Der Bund bezahlt<br />
390’000 pro Jahr, der Kanton 300’000<br />
Franken. Und, ist die Bevölkerung dabei?<br />
Mösching ist ein kluger Mann, der<br />
seine Worte mit Bedacht wählt. Er bejaht.<br />
Aber «man wird an einem Stammtisch<br />
immer ein paar finden, denen es<br />
nicht passt», bemerkt er trocken.<br />
Das Diemtigtal hat selbstverständlich<br />
auch seine Vips, ohne die heute<br />
nichts läuft: den Wenger Kilian und<br />
Rosalia Alpina – den Schwingerkönig<br />
und den schönsten Käfer Europas, den<br />
Alpenbockkäfer. Der macht sich sehr<br />
rar, dafür begegnet man dem Schwingerkönig<br />
allenthalben. Er hängt in<br />
Gast- und an Bauernhöfen, im Volg,<br />
beim Beck auf Fotos, Plakaten, Transparenten.<br />
Wenn man fragt, wo er zu<br />
Hause sei, werden die Diemtigtaler, die<br />
so stolz auf ihn sind, noch wortkarger.<br />
Anna Kunz, Wirtin und begnadete<br />
Köchin im Hotel Hirschen in Oey, sagt<br />
bloss: «Wenn du im Rothbad bist, bist<br />
du ihm schon ziemlich nah.» Der Gasthof<br />
Rothbad in Horboden, am Fuss der<br />
Niesenkette und mit Prachtsblick auf<br />
das Stockhorn, war einst berühmt dank<br />
der Eisenquelle, die schon im Mittelalter<br />
Wunder wirkte. Heute wirten hier<br />
Doris und Andreas Messerli-Minnig,<br />
und die Eltern von Doris helfen wacker<br />
mit. Die Küche ist den Weg wert – und<br />
sicher in Frauenhand.<br />
Top-Restaurants in Frauenhand<br />
Das eisenhaltige Gipswasser des Grimmibrunnens<br />
ganz zuhinterst im 16 Kilometer<br />
langen Tal, auf 1200 Meter über<br />
Meer, war sogar so bekannt, dass man<br />
dort 1899 ein Grand Hotel eröffnete.<br />
In dieses einstige Kurhaus Grimmialp<br />
ist im Januar 1993 die Communität<br />
Steppenblüte eingezogen, eine Schwesternschaft,<br />
die zur evangelischen Landeskirche<br />
gehört. Schwester Emmy, aus<br />
dem Elsass stammend wie der berühmte<br />
Albert Schweitzer, der einst hier gekurt<br />
hat, schwärmt: «Es hat uns auf der Stelle<br />
den Ärmel hineingezogen.» 65 bis 85<br />
Gäste finden in dieser Oase Einkehr<br />
und Lebensfreude. Und geniessen das<br />
Essen, denn bei den Schwestern kommt<br />
auf den Tisch, was das Tal hergibt. Ausserdem<br />
liegt in unmittelbarer Nachbarschaft<br />
die Alpkäserei Kiley, die grösste<br />
Bioalpkäserei der <strong>Schweiz</strong>.<br />
Überhaupt sind einige der besten<br />
Küchen des Tals in Frauenhand. Im<br />
«Hirschen» in Oey sind Anna und Daniel<br />
Kunz gerade mit Gäms und Reh<br />
zugange. Die 45-jährige Köchin, deren<br />
Grosseltern den «Hirschen» in Diemtigen<br />
führten, sagt lachend, meistens<br />
sei ihr Mann fürs Fleisch zuständig und<br />
sie fürs «Gewusel drumherum». Ihr<br />
135 Quadratkilometer Gelände zwischen<br />
666 und 2652 Meter über Meer: ein buchstäblich<br />
von der Natur geschaffener Park<br />
Geissen petersalat ist Kult, der Biogeisskäse<br />
stammt von Ueli und Rosalie Kernen<br />
aus Diemtigen. Kernen, der 1980<br />
die erste Geissmilchgenossenschaft<br />
gründete, ist kein Mann vieler Worte.<br />
«Bio», sagt er, «Bio waren wir schon<br />
immer. Wieso Kraftfutter und Kunstdünger?<br />
Und die Blacken stechen wir<br />
sowieso mit dem Eisen, das Gift bringt<br />
gar nichts, wenn die Wurzeln nicht<br />
weggestochen werden.»<br />
Auch im Menigwald, in einer der<br />
ursprünglichsten Bergbeizen diesseits<br />
der Alpen, steht eine Frau am Herd<br />
und brät Käseschnitten mit Spiegeleiern:<br />
Bar bara Wiedmer-Blum, gelernte<br />
Köchin. <strong>Dr</strong>aussen ist Arnold mit dem<br />
Simmentaler Vieh beschäftigt. Tochter<br />
Pia, die jüngste in der grossen Familie,<br />
spielt am Computer. Wiedmers gehen<br />
zwar mit der Zeit, aber nicht mit dem<br />
Zeitgeist. Alles, was auf dieser Alp verarbeitet<br />
wird, stammt aus lokaler oder<br />
eigener Produktion.<br />
Und ja, Pia hat ihn gesehen, den<br />
andern Vip, den nur wenige je erblickt<br />
haben. Den ungefähr drei Zentimeter<br />
langen Käfer mit dem «herrlichen Grau-<br />
bis Hellblau seiner schwarz gefleckten<br />
Flügel», wie der <strong>WWF</strong> schwärmt, der<br />
mit dafür gesorgt hat, dass die Käferschönheit<br />
wieder im Diemtigtal Fuss<br />
gefasst hat. Aber wie sagt doch Ueli<br />
Kernen, der Meister des Geisskäses,<br />
so weise: «Emu dr Wäg ischt guet begange.»<br />
Auf gut Deutsch: Hauptsache,<br />
die Gäste kommen.<br />
NüTZLIchES üBERS DIEMTIGTAL:<br />
— www.diemtigtal.ch<br />
— www.paerke.ch<br />
— www.steppenbluete.ch<br />
— www.rothbad.ch<br />
— www.hirschenoey.ch<br />
— www.menigwald.ch