Niklas Luhmann: Interaktion, Organisation, Gesellschaft
Niklas Luhmann: Interaktion, Organisation, Gesellschaft
Niklas Luhmann: Interaktion, Organisation, Gesellschaft
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Technische Universität Darmstadt<br />
Institut für Soziologie<br />
WS 2005/06<br />
PS: Theorien und Geschichte der Soziologie<br />
Leitung: Prof. Dr. Rudi Schmiede<br />
Verfasserin: Christine Scholz<br />
<strong>Niklas</strong> <strong>Luhmann</strong>: <strong>Interaktion</strong>, <strong>Organisation</strong>, <strong>Gesellschaft</strong><br />
Anwendungen der Systemtheorie<br />
<strong>Luhmann</strong> schreibt von sozialen Systemen, welche entstehen wenn Handlungen mehrerer Individuen<br />
aufeinander bezogen sind und abgrenzbar sind von einer nichtdazugehörigen Umwelt. Um es<br />
deutlicher zu formulieren; soziale Systeme entstehen da, wo Kommunikation unter Menschen<br />
stattfindet.<br />
<strong>Luhmann</strong> hat eine These in der man eine Regel für die Bildung von speziellen Systemtypen findet.<br />
,, Sozialsysteme konstituieren sich durch Prozesse der Selbstselektion (...)“ ( <strong>Luhmann</strong> 1975, S.10).<br />
Sie können sich auf verschiedener Art bilden, jedoch hängt die Bildung davon ab unter welchen<br />
Voraussetzungen der Prozess der Selbstselektion und der Grenzziehung abläuft.<br />
Es gibt drei Systemtypen: Das <strong>Interaktion</strong>s-, das <strong>Organisation</strong>s- und das <strong>Gesellschaft</strong>ssystem.<br />
Bei dem <strong>Interaktion</strong>ssystem gehören nur die Anwesenden dazu. Sie nehmen sich selbst und sich<br />
gegenseitig wahr. Es gibt eine Systemgrenze die besagt, das man nur mit Anwesenden spricht und<br />
nicht über sie und das man nur über Abwesende spricht und nicht mit ihnen.<br />
Ein wichtiger Aspekt ist die Sprache. Sie macht es möglich die Umwelt symbolisch- verkürzt in das<br />
<strong>Interaktion</strong>ssystem einzubeziehen. Das hat den Vorteil das die Umweltbeziehungen zeitlich in die<br />
Zukunft und Vergangenheit gestreckt werden können. Nachteil ist, das immer nur einer reden kann.<br />
Es kann auch nur ein Thema nach dem anderen behandelt werden.<br />
Das <strong>Gesellschaft</strong>ssystem ist ,, das umfassende Sozialsystem aller kommunikativ füreinander<br />
erreichbaren Handlungen“ (<strong>Luhmann</strong> 1975, S.11).<br />
Die <strong>Gesellschaft</strong> ist heutzutage eine Weltgesellschaft. Sie ist ein System höherer Ordnung und muss<br />
die mögliche Kommunikation unter oder mit Abwesenden mit einbeziehen können.<br />
Ihre Grenzen liegen in der Erreichbarkeit, der Verständlichkeit und in der möglichen und sinnvollen<br />
Kommunikation.<br />
Jede Kommunikation führt aufgrund von wechselseitiger Selektion zum Aufbau von Strukturen mit<br />
Möglichkeit zu weiterer Kommunikation.<br />
Das <strong>Organisation</strong>ssystem ist eine eigenständige Entwicklung und lässt sich somit nicht auf die<br />
anderen zwei Systeme zurückführen. Sozialsysteme die die Mitgliedschaft an bestimmte Bindungen<br />
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knüpfen lassen sich als organisiert bezeichnen. Sie besitzen Mitgliedschaftsregeln. Diese bestehen<br />
aus Verhaltensanforderungen des Systems und Verhaltensmotive der Mitglieder welche unabhängig<br />
voneinander variieren und welche sich zu dauerhaften Konstellationen verbinden lassen können.<br />
Wichtig für Funktionsbereiche der <strong>Gesellschaft</strong> ist ein <strong>Organisation</strong>smechanismus mit den ein<br />
hohes Maß an Motivgeneralisierung und Verhaltensspezifikation erreicht werden kann.<br />
Keiner dieser Systemen erfasst die gesamte soziale Wirklichkeit. Welches man als Problematik<br />
ansehen könnte. <strong>Luhmann</strong> geht dabei auf die Themen sozialer Wandel und Konflikt ein, die<br />
schlecht von der Systemtheorie behandelt wurden.<br />
Zur Problematik zählen drei Punkte. Als erstes wäre zu nennen, das die soziokulturellen Evolution<br />
eine zunehmende Differenzierung der Ebenen ist, auf denen sich die drei Systeme bilden. Diese<br />
Differenzierung ist zu Beginn noch identisch. Durch die Differenzierung wird die soziale Welt<br />
komplexer.<br />
Das zweite Problem ist, das es keine vollständige Trennung der Ebenen gibt. Denn alles soziale<br />
Handeln findet in Form von <strong>Interaktion</strong> in der <strong>Gesellschaft</strong> statt.<br />
Die <strong>Interaktion</strong> nimmt die Orgnisation nur begrenzt oder gar nicht auf und die <strong>Gesellschaft</strong> muss in<br />
fast alle Funktionsbereiche <strong>Organisation</strong>ssysteme einschalten.<br />
Zum Beispiel wäre die Funktion Erziehung organisiert durch Schule und Familie, anstatt nur von<br />
einer <strong>Organisation</strong>.<br />
Das dritte Problem ist der Konflikt. An diesem lässt sich die Bedeutung der zunehmenden<br />
Differenzierung von Systemtypen und Systemebenen zeigen.<br />
Konflikt bedeutet, das ein Teilnehmer an <strong>Interaktion</strong>en es ablehnt Selektionsvorschläge zu<br />
übernehmen und diese Ablehnung mitteilt.<br />
<strong>Luhmann</strong> betrachtet die Ebene der <strong>Interaktion</strong> unter Anwesenden. Die <strong>Interaktion</strong>systeme können<br />
sich nur entscheiden zwischen Konflikte sein oder Konflikte vermeiden, denn sie sind nicht<br />
komplex genug um sie nebenherlaufen zu lassen.<br />
Die <strong>Gesellschaft</strong>ssysteme befinden sich zwischen der Wahl der Konfliktunterdrückung oder des<br />
offenen und gewaltnahen Streites.<br />
Die <strong>Organisation</strong> ermöglicht den Konflikt in einem Umfang zu regulieren, wie es bei der<br />
<strong>Interaktion</strong> und der <strong>Gesellschaft</strong> allein nicht möglich wäre.<br />
Werden <strong>Interaktion</strong>system und <strong>Gesellschaft</strong>ssystem stärker differenziert, wird die <strong>Gesellschaft</strong> vom<br />
Konfliktmodus ihrer <strong>Interaktion</strong>en unabhängig.<br />
In der heutigen Zeit ist man nicht mehr auf ein konkret gemeinsames Zusammenleben angewiesen.<br />
Dies erleichtert das Beenden und Weiterführen von sozialen Beziehungen im Konfliktfall.<br />
In den <strong>Organisation</strong>systemen sollen die Mitglieder die Konfliktbehandlung und<br />
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Konfliktentscheidung anerkennen um einer Mitgliedsschaftspflicht nachzugehen. Ebenso<br />
differenzieren sie interne und externe Konftikte. Das bedeutet zum Beispiel, das jemand einen<br />
anderen nicht schlechter behandeln darf , nur weil dieser jemanden kennt mit den man schlechte<br />
Erfahrungen machte.<br />
Soziale Systeme haben wie <strong>Luhmann</strong> schreibt, eine Verbindung zueinander. Das <strong>Interaktion</strong>ssystem<br />
und das <strong>Organisation</strong>system gehören zu einem <strong>Gesellschaft</strong>system sowie ein <strong>Interaktion</strong>system<br />
einer <strong>Organisation</strong> angehören kann, dieses aber nicht muss.<br />
Allgemein zusammengefasst können von der Theoriebasis aus, die Forschungsansätze mit recht<br />
einfachen Mitteln erschafft werden, welche im adäquaten Verhältnis zur Komplexität der sozialen<br />
Wirklichkeit stehen. Zur Lösung dieses Problems, dient die Grundannahme, das sich die Systeme<br />
durch Prozesse der Autokatalyse oder Selbstselektion im Hinblick auf eine Differenz zur Umwelt<br />
konstituieren.<br />
Man kann nun sagen, das ein hochkomplexes Gesamtbild der sozialen Wirklichkeit entsteht, durch<br />
die Konstruktion der drei Systemtypen <strong>Interaktion</strong>, <strong>Organisation</strong> und <strong>Gesellschaft</strong> und durch die<br />
Annahme der zwei Relativierungen nämlich der Evolution der Typendifferenz und jeweils<br />
systemspezifische Umweltperspektiven.<br />
Literaturangabe:<br />
<strong>Luhmann</strong>, <strong>Niklas</strong>: Soziologische Aufklärung, Bd. 2: Aufsätze zur Theorie der <strong>Gesellschaft</strong>.<br />
Opladen 1975, daraus:,, <strong>Interaktion</strong>, <strong>Organisation</strong>, <strong>Gesellschaft</strong>. Anwendungen der Systemtheorie“,<br />
S. 9-20.<br />
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