damit die Panelstruktur selbst zu einem zentralen narrativen Mittel. Kämpft Pete mit den Tücken des Gartenschlauchs, den er unerlaubterweise vom Rasensprenkler abmontiert hat, wird dies in einer Sequenz kleiner, nahezu quadratischer Bilder gezeigt. Petes vergebliche Versuche, die Kontrolle über den Schlauch zu gewinnen, und die Tatsache, dass der Wasserstrahl sich von Sekunde zu Sekunde in eine andere Richtung ergießt, scheinen diese Struktur zu fordern. Wenn dem Betrachter dann aber die Leidtragenden von Petes verzweifeltem Tanz mit dem Schlauch (eine Frau, durch deren geöffnetes Fenster der Wasserstrahl ins Haus schießt, und ein Mann, der vermutet, Pete versuche ein Feuer zu löschen) vor Augen geführt werden sollen, verlängert bzw. verbreitert Forbell die jeweiligen Panels in der Richtung des Wasserstrahls und passt somit erneut die Aufteilung der Seite den Bedürfnissen seiner Geschichte an (vgl. Abb. 1). Dieses <strong>Prinzip</strong> wird im selben Strip noch weiter auf die Spitze getrieben, wenn Pete schließlich auf dem Strahl sitzend von diesem in die Höhe katapultiert wird, und das zugehörige Bild sich folgerichtig in senkrechter Richtung in die Höhe strecken muss. 9 Auch in der Folge vom 23. November 1913 nutzt Forbell diese gestalterische Form des Erzählens: In dieser Episode treibt Pete sein Unwesen auf langen Stelzen, die es ihm ermöglichen, hoch über den Köpfen der Erwachsenen zu schweben. Dementsprechend teilt sich die Seite in nur zwei Panelreihen auf, deren einzelne Bilder eine entsprechende Höhe haben. 10 Forbell »[is] making entire pages work both as single compositions and as narrative devices.« 11 Damit trägt er der Tatsache Rechnung, dass <strong>Comic</strong>s als sequenzielles Medium zwar in einer bestimmten Abfolge rezipiert werden, dass eine Seite (oder Doppelseite) aber gleichzeitig auch immer als Ganzes – und damit simultan – wahrgenommen wird. Dieses Nebeneinander von gleichzeitiger und ungleichzeitiger Wahrnehmung wird besonders in der Folge vom 16. November augenfällig. Hier werden nicht lediglich Größe und Anzahl der rechteckigen – genauer gesagt rechtwinkligen – Panels variiert, die Seite ist geprägt von dreieckigen, an einer Seite schräg abgeschnittenen oder in Form eines Parallelogramms gestalteten Panels (vgl. Abb 2). Damit einher geht auch die Auflösung der konventionellen Lesereihenfolge der einzelnen Bilder: Reihe für Reihe von links nach rechts und von oben nach unten. 12 Und auch diese Auflösung wird zum visuellen Erzählmittel und ist durch die erzählten Ereignisse motiviert: Petes Vater bringt als Geschenk für seine Frau eine kopflose geflügelte Statue nach Hause, die als »an imperishable tribute to culture in the home« 13 einen dauerhaften Platz auf dem Abschluss des Geländers am Fuß der Treppe finden soll. Doch dort steht sie gefährlich, denn Pete will trotz der Warnung des Vaters, nicht in der Nähe der Statue zu spielen, wie gewohnt das Treppengeländer herunterrutschen. Das von links unten nach rechts oben verlaufende Geländer wird von Forbell ins Zentrum der Seite gerückt, um diese in ihrer Panelaufteilung zu strukturieren und die Leserichtung zu bestimmen. Dieser Richtung folgend beobachtet der Leser, wie Pete in den Panels 6 bis 9 die Treppe hinaufsteigt, um anschließend auf dem Geländer wieder herunterzurutschen. Die entgegengesetzte Bewegung wird von Forbell zum Teil in denselben Panels gezeigt. Er nutzt damit eine identische Sequenz von Einzelbildern, um zwei entgegengesetzte Bewegungen zu visualisieren. Die jeweilige Richtung wird dabei von verschiedenen Indikatoren angezeigt: Die Aufwärtsbewegung wird zum einen durch die Nummerierung der Panels, zum anderen durch die Blickrichtung Petes (in Panel 6 und 9 ist er nach oben gewendet dargestellt) angedeutet. Die Abwärtsbewegung zeigt sich vor allem in den Bewegungslinien im siebten Panel. Die Tatsache, dass der Leser diese gegensätzlichen Signale gleichzeitig wahrnimmt, wenn er die gesamte Seite betrachtet, spiegelt die Vorhersehbarkeit der Abenteuer des ungezogenen Pete. Spätestens wenn die Statue auf ihren Platz gestellt worden ist, kann jeder Leser vorhersagen, wie die Geschichte enden wird – mit einem ungebremsten Zusammenprall Petes mit der Statue am Fuß der Treppe. Indem er rückwärts das Geländer herunterrutscht, kann er nicht mehr rechtzeitig bremsen, das böse Ende ist unvermeidlich und die Pointe der Geschichte. Folgerichtig zeigt Forbell diese zweite, entscheidende Abwärtsbewegung an exponierter Stelle, im größten und die Seitenstruktur bestimmenden Panel. Aber auch hier findet sich wieder ein Element, das sich dieser Abwärtsbewegung entgegenstellt, ja das sogar in entgegengesetzter Richtung rezipiert werden muss: die Schrift. Die Worte, die Petes gedanklichen Wunsch ausdrücken, Augen auf der Rückseite seines Kopfes zu haben, sind parallel zum Treppengeländer angeordnet. <strong>Der</strong> Satz verläuft somit von unten links nach oben rechts und zwingt den Leser, das Panel – auch – in dieser Blickrichtung wahrzunehmen. 8
Abb. 2: Charles Forbell: Naughty Pete. Los Angeles Sunday Times. 16. November 1913. 9