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Prinzip Synthese: Der Comic (Leseprobe)

Die Vermischung von Literatur und Malerei und damit das Verquicken der Darstellungen von Zeit und Raum ist das Grundprinzip des Comics, dem vonseiten der Wissenschaft noch immer nicht das Interesse zukommt, das er verdient ... Prinzip Synthese: Der Comic. Hg. von Mathis Bicker, Ute Friederich und Joachim Trinkwitz. Edition Kritische Ausgabe im Weidle Verlag. Band 1. ISBN 978-3-938803-38-7. 96 Seiten. 15 €.

Die Vermischung von Literatur und Malerei und damit das Verquicken der Darstellungen von Zeit und Raum ist das Grundprinzip des Comics, dem vonseiten der Wissenschaft noch immer nicht das Interesse zukommt, das er verdient ...

Prinzip Synthese: Der Comic.
Hg. von Mathis Bicker, Ute Friederich und Joachim Trinkwitz.
Edition Kritische Ausgabe im Weidle Verlag. Band 1.
ISBN 978-3-938803-38-7. 96 Seiten. 15 €.

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»No game playing<br />

for its own sake here«<br />

Wie Charles Forbell in seinen fast vergessenen Zeitungscomics bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts das<br />

erzählerische Potential des Mediums auslotete<br />

Von Ute Friederich<br />

Wenige Jahre nachdem das erste Erscheinen von Winsor McCays Little Nemo in Slumberland neue Maßstäbe<br />

im Bereich der Zeitungscomics gesetzt hatte, erschien 1913 die erste Folge von Charles Forbells Naughty<br />

Pete. Im Gegensatz zu den Strips McCays, die in zahlreichen Editionen zusammengestellt und immer<br />

wieder neu aufgelegt werden – inzwischen gibt es sogar eine E-Book-Version zum Download –, ist Forbells<br />

<strong>Comic</strong> nahezu ganz in Vergessenheit geraten und heute sind nur wenige der Strips greifbar. Die elf in der<br />

Anthologie Art Out of Time 1 abgedruckten Seiten aus der ›Los Angeles Sunday Times‹ waren lange die<br />

einzigen erhaltenen Beispiele für Forbells Arbeit 2 und bilden die Grundlage für meine Auseinandersetzung<br />

mit diesem vergessenen Zeichner. <strong>Der</strong> Bonner Sammler Alexander Braun hat mittlerweile drei bisher unbekannte<br />

Strips entdeckt; 3 es ist also nicht ausgeschlossen, dass auch noch weitere Exemplare auftauchen<br />

könnten.<br />

Ähnlich wie bei McCays Abenteuern des kleinen Nemo, der nach phantastischen Ereignissen am Ende<br />

jedes Strips aus seinem Bett fällt und feststellen muss, dass alles nur ein Traum war, ist auch die Hauptfigur<br />

in Forbells Strips ein kleiner Junge – der ungezogene Pete –, der sich nie an die Verbote seines Vaters hält,<br />

dadurch in turbulente Situationen gerät und sich am Schluss jedes Mal aufs Neue eingestehen muss »I guess<br />

Pop was right«. 4 Dass die Naughty Pete-Episoden in Vergessenheit geraten sind, ist wohl auch der Tatsache<br />

geschuldet, dass sie lediglich über einen vergleichsweise kurzen Zeitraum von fünf Monaten in verschiedenen<br />

amerikanischen Zeitungen publiziert wurden. 5 Zudem widmete der am New Yorker Pratt Institute<br />

ausgebildete Künstler einen großen Teil seiner Zeit kommerziellen Arbeiten und verdiente sein Geld unter<br />

anderem mit dem Gestalten von Werbeanzeigen. 6 Dass seine <strong>Comic</strong>strips zu Unrecht vergessen wurden,<br />

steht außer Frage: zu Unrecht, weil Forbell in ihnen bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts erzählerische<br />

Mittel des Mediums <strong>Comic</strong> auslotet, die erst in den vergangenen Jahren – knapp 100 Jahre später also –, im<br />

Bestreben eine intermediale Erzähltheorie 7 aufzustellen, systematisch analysiert und beschrieben werden.<br />

In seinem Vorwort zu Art Out of Time konstatiert Dan Nadel, alle in der Anthologie versammelten Zeichner<br />

»used the components of the medium to their utmost potential«. 8 Auf welch innovative Weise Charles<br />

Forbell das Zusammenspiel von Bild und Schrift in seinen Strips in den Dienst des Erzählens der jeweiligen<br />

Ungezogenheiten von Pete und ihrer Konsequenzen gestellt hat, soll im Folgenden beleuchtet werden.<br />

Zunächst einmal fällt auf, dass Forbell in seinen Strips keinem starren Panelraster folgt, wie es mitunter<br />

für Zeitungscomics typisch ist. Da er für seine Geschichte stets eine komplette Seite zur Verfügung hat,<br />

gestaltet er Größe und Anzahl der Panels so, wie es die jeweils dargestellten Ereignisse erfordern, und macht<br />

7

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