titelthema Wunderwuzzi oder Weltverklärer? Der Spielfilm „Luis Trenker – Der schmale Grat der Wahrheit“ erzählt vom widersprüchlichen Leben und Streben des legendären Südtiroler Bergsteigers und Filmemachers. Mit Tobias Moretti als charismatischem Lavierer Mein Auto, meine Berge, meine Welt: Tobias Moretti als Südtiroler Berglegende Luis Trenker Fotos: <strong>BR</strong>/Roxy Film/Christian Hartmann 4 – <strong>BR</strong>-<strong>Magazin</strong>
titelthema Fotos: <strong>BR</strong>, picture alliance/akg-images, <strong>BR</strong>/Roxy Film/Christian Hartmann Ein Naturbursche und Draufgänger, wettergegerbt und vorwärts gewandt – so haben viele Luis Trenker in Erinnerung. Er war der Mann, den „Der Berg ruft“. Ein Tausendsassa (auf Österreichisch: „Wunderwuzzi“), der als Bergsteiger und Schauspieler, als Regisseur und Schriftsteller Erfolge feierte. Ein Bergfilmpionier, der in den 60er-Jahren eine zweite Karriere als launiger und schwungvoll gestikulierender Fernsehmoderator startete. Jüngere Nicht-Cineasten und Flachlandfreunde fragen sich wahrscheinlich gerade „Luis wer?“. Ein Grund mehr, sich den Spielfilm „Luis Trenker – Der schmale Grat der Wahrheit“ anzusehen, mit dem großartigen Tobias Moretti in der Hauptrolle. Die <strong>BR</strong>-Produktion stellt ausgerechnet den Abschnitt von Trenkers Leben in den Mittelpunkt, den der Südtiroler Bergfex als „finstere Zeit“ bezeichnete, über die er nicht gern sprach – und in der er eine recht ambivalente Rolle spielte: die Zeit des Nationalsozialismus. Trenker, 1892 in St. Ulrich in Gröden (Tirol) geboren und seit seiner Kindheit in den Bergen unterwegs, war ursprünglich Architekt. Seine Filmkarriere begann Anfang der 1920er-Jahre, als er bei den Aufnahmen zu Arnold Fancks Stummfilm „Der Berg des Schicksals“ vom Bergführer zum Hauptdarsteller aufstieg. Der ursprüngliche Star des Films hatte keinerlei filmreifes Klettertalent an den Tag gelegt und wurde kurzerhand durch Trenker ersetzt. Es folgte ein steiler Aufstieg zum bildgewaltigen Bergfilmregisseur, -autor und -schauspieler, der erst während der Herrschaft des NS-Regimes ins Stocken geriet. Der Film „Luis Trenker – Der schmale Grat der Wahrheit“ beginnt mit einer reichlich obskuren und bis heute nicht ganz geklärten Episode aus Trenkers Leben: 1948 fährt er zu den Filmfestspielen nach Venedig und versucht dort, die Tagebücher von Eva Braun als Filmstoff zu verkaufen. Pikantes Detail: Das Tagebuch hatte er zuvor selbst verfasst. In Rückblenden wird die Geschichte eines Mannes erzählt, der den Krieg und Terror der Nazizeit wunderbar ausblenden kann und sich nur auf seine Arbeit konzentriert. Nebenbei gründet er eine Familie und hat eine Affäre mit Regisseurin Leni Riefenstahl (Brigitte Hobmeier). Um seine Filmprojekte realisieren zu können, scheut Trenker nicht vor Bittbriefen an Nazigrößen zurück. Gleichzeitig scheucht er aber mit genervter Dickköpfigkeit NS-Spitzel vom Set, die beklagen, dass zu viele Ausländer und Juden in seinen Filmen mitspielen. Trenkers idealisierende Darstellung von Heimat, Krieg, Bergwelt und aufrechten Landbewohnern passte perfekt zur NS- Ideologie. Hitler und Goebbels waren große Trenker-Fans. Erst als er bei der Südtiroler Option zu lange zögerte, bis er sich für das Deutsche Reich und damit gegen Italien entschied, fiel Trenker bei den Nazis in Ungnade. Da half auch 1940 der Eintritt in die NSDAP nichts mehr. „Luis Trenker – Der schmale Grat der Wahrheit“ zeichnet überzeugend das Bild eines ebenso charismatischen wie hemdsärmeligen Lavierers, der vor allem seinen beruflichen Erfolg im Blick hat. Tobias Moretti spielt ihn mit irritierter Sympathie und Distanz. Der Film setzt viel voraus. Wer Trenker nicht kennt, versteht nur schwer, was für eine Art von Filmen er gemacht hat und warum die Nazis so begeistert von ihm waren und ihn später fallen ließen. Aufschlussreiche Hintergrundinformationen über den Südtiroler Bergfilmpionier liefert die Dokumentation „Luis Trenker – Ein Mann und seine Legenden“. Die Koproduktion von <strong>BR</strong> und ORF wird am 20. November in ORF 2 ausgestrahlt (22.40 Uhr), bevor sie auch im Bayerischen Fernsehen zu sehen ist. 25 Jahre nach Trenkers Tod wagt sich der <strong>BR</strong> an die Entmythologisierung dieser großen Film- und Fernsehlegende. Olga-Louise Dommel –– Das Erste Mittwoch, 18.11.<strong>2015</strong>, 20.15 Uhr Luis Trenker – Der schmale Grat der Wahrheit, Regie: Wolfgang Murnberger D <strong>2015</strong>, 90 Min. daserste.de Von oben nach unten: Luis Trenker in der TV-Sendung „Luis Trenker erzählt“; Filmplakat von „Der Berg ruft“ (1938); Filmausschnitte aus „Luis Trenker – Der schmale Grat der Wahrheit“ mit Brigitte Hobmeier und Tobias Moretti Mehr Informationen unter: br.de <strong>BR</strong>-<strong>Magazin</strong> – 5