Die Neue Hochschule Heft 1/2016
Zeitschrift des hlb Hochschullehrerbund e.V. Themenschwerpunkt: Studieneinstieg
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28 AUS DEN LÄNDERN<br />
Schleswig-Holstein<br />
Auf Augenhöhe – Das neue „Promotionskolleg<br />
Schleswig-Holstein“ als Chance für die Fachhochschulen<br />
<strong>Die</strong> Herausforderung<br />
<strong>Die</strong> Aufgabenstellung, Struktur und<br />
Wissenschaftlichkeit der Fachhochschulen<br />
haben sich seit ihrer Gründung<br />
Anfang der Siebzigerjahre des vergangenen<br />
Jahrhunderts erheblich gewandelt.<br />
Sollten Fachhochschulprofessorinnen<br />
und -professoren seinerzeit nicht selbst<br />
forschen, sondern die Forschung anderer<br />
in ihre Lehre einbringen, so gehört<br />
die Forschung heute explizit zu den<br />
gesetzlichen Aufgaben der Fachhochschulen.<br />
Auch ihr Lehrauftrag ist nach<br />
geltender Rechtslage wissenschaftlicher<br />
geworden. Im Kontext der Bologna-<br />
Reform können infolge eines entsprechenden<br />
Beschlusses der Kultusministerkonferenz<br />
aus dem Jahr 2000 alle<br />
<strong>Hochschule</strong>n Studiengänge einrichten,<br />
die zu einem Bachelor- oder Mastergrad<br />
führen.<br />
Das Bundesverfassungsgericht hat dementsprechend<br />
in seinem Beschluss vom<br />
13. April 2010, Az. 1 BvR 216/07, darauf<br />
hingewiesen, dass sich Universitäten<br />
und Fachhochschulen in den vergangenen<br />
Jahren einander angenähert hätten.<br />
Es seien nicht allein die Abschlüsse<br />
gleichgestellt worden. Nach dem Willen<br />
des Gesetzgebers sollten neben den Universitäten<br />
auch die Fachhochschulen<br />
als wissenschaftliche Ausbildungsstätten<br />
angesehen werden. Darüber hinaus<br />
muss der Aspekt der Sicherung des wissenschaftlichen<br />
Nachwuchses und<br />
damit verbunden das Angebot einer<br />
überzeugenden Karriereplanung für die<br />
FHs stärker als bisher in den Fokus auch<br />
der wissenschaftspolitischen Betrachtung<br />
rücken.<br />
Wir sind deshalb davon überzeugt, dass<br />
Möglichkeiten für die Fachhochschulen<br />
zu schaffen sind, ihre Absolventinnen<br />
und Absolventen zu promovieren. Auf<br />
Initiative der damaligen schleswig-hol-<br />
steinischen Wissenschaftsministerin<br />
Prof. Dr. Waltraut Wende kam es zur<br />
Bildung einer Arbeitsgruppe unter Leitung<br />
des Verfassers, der Vertreter der<br />
Fachhochschulen, der Universitäten<br />
und des Wissenschaftsministeriums des<br />
Landes angehörten. Der dort erzielte<br />
Kompromiss stellt einen guten Ausgleich<br />
der verschiedenen Interessen und<br />
Erwartungen dar. Das „Promotionskolleg<br />
Schleswig-Holstein“ ist ein Eckpunkt<br />
der Novellierung des Hochschulgesetzes,<br />
das im Dezember 2015 vom Schleswig-Holsteinischen<br />
Landtag beschlossen<br />
wurde.<br />
Dabei geht es um wesentlich mehr als<br />
eine Erweiterung der „kooperativen Promotion“:<br />
Unserem Vorschlag liegt eine<br />
Balance von Interessen zugrunde. <strong>Die</strong><br />
Fachhochschulen müssen nicht mehr<br />
auf die Suche nach einer geneigten Universität<br />
gehen. <strong>Die</strong>ser oftmals als hemmend<br />
und auch als abwertend empfundene<br />
Schritt ist nicht mehr notwendig:<br />
<strong>Die</strong> Entscheidung, ob und in welchen<br />
Fächern promoviert werden soll, trifft<br />
selbstverständlich die Fachhochschule.<br />
<strong>Die</strong> Kooperation mit einer Universität<br />
entsteht dann entweder im wissenschaftlichen<br />
Fachdialog, in der konkreten<br />
Arbeit des Kollegs oder auf der Basis<br />
eines ohnehin schon bestehenden Kontaktes<br />
zwischen einer Universität und<br />
einer Fachhochschule. Nicht zuletzt<br />
deshalb wird das Kolleg auch für ausländische<br />
Universitäten geöffnet. Damit<br />
ist auch das universitäre Interesse<br />
gewahrt. Im Kolleg selbst herrscht also<br />
„Augenhöhe“ und es steht einzig das<br />
Forschungsinteresse im Zentrum.<br />
Staatssekretär<br />
Rolf Fischer<br />
Foto: S. Olaf Bathke<br />
Das „Promotionskolleg Schleswig-<br />
Holstein“<br />
Fachhochschulen und Universitäten<br />
können gemeinsam aufgrund eines<br />
öffentlich-rechtlichen Vertrages ein Promotionskolleg<br />
als hochschulübergreifende<br />
wissenschaftliche Einrichtung<br />
etablieren. An diesem Promotionskolleg<br />
können sich alle schleswig-holsteinischen<br />
<strong>Hochschule</strong>n beteiligen. Nachträgliche<br />
Beitritte sind möglich.<br />
Rechtsfähigkeit und Verfahren<br />
Das Promotionskolleg besitzt eigene<br />
Rechtsfähigkeit. Es regelt seine Organe<br />
und Zuständigkeiten im Rahmen gesetzlicher<br />
Mindeststandards selbst. <strong>Die</strong> Mitgliederversammlung<br />
trifft die wesentlichen<br />
Entscheidungen, erlässt insbesondere<br />
Satzungen und überwacht den Vorstand,<br />
der wiederum die operativen<br />
Aufgaben wahrnimmt und das Kolleg<br />
nach außen vertritt.<br />
Dem Kolleg kann durch Verordnung<br />
des Ministeriums das Promotionsrecht<br />
verliehen werden, sofern bestimmte<br />
(Mindest-)Voraussetzungen erfüllt sind.<br />
Hierzu sieht § 54a des Hochschulgesetzes<br />
spezielle Vorgaben für die Beteiligung<br />
von Fachhochschulprofessorinnen<br />
und -professoren am Promotionsverfahren<br />
und zum Ablauf des Promotionsverfahrens<br />
am Promotionskolleg vor. Das<br />
Promotionskolleg dient somit der Qualitätssicherung<br />
sowohl der Promotion<br />
selbst als auch und vor allem des Promotionsverfahrens.<br />
DNH 1 ❘ <strong>2016</strong>