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Kinderbuch Kai

Kai - Der Auserwählte Ein hinreißendes Kinderbuch für alle Fans von Fantasy Sagen und Geschichten. Dies Kinderbuch erzählt die Geschichte von Kai, der im Wald auf Serafina trifft, eine Elfe. Es entführt den Leser in eine Welt von Fabelwesen, Zauber und Abenteuer, dies jedoch auf eine gewaltfreie Art.

Kai - Der Auserwählte
Ein hinreißendes Kinderbuch für alle Fans von Fantasy Sagen und Geschichten.
Dies Kinderbuch erzählt die Geschichte von Kai, der im Wald auf Serafina trifft, eine Elfe.
Es entführt den Leser in eine Welt von Fabelwesen, Zauber und Abenteuer, dies jedoch auf eine gewaltfreie Art.

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R.D.V. Heldt<br />

Der Auserwählte<br />

Die vier Steine<br />

Tante Resi<br />

Der 10jährige <strong>Kai</strong> Hellsing lebte mit seinen Eltern in einem Vorort von<br />

München.<br />

Sie bewohnten ein Dachgeschoß und durch die Schrägen, und zum Teil<br />

sichtbaren Dachbalken, wirkte <strong>Kai</strong>s Zimmer sehr gemütlich. Es herrschte<br />

eine anheimelnde Atmosphäre, in der man leicht ins Träumen fallen konnte.<br />

Genau dies passierte <strong>Kai</strong>. Er verfiel in Tagträume, die er voll genoss und in


diesen Augenblicken fühlte er sich sehr wohl. Klar hingen an seinen Wänden<br />

auch Poster. Allerdings unterschieden diese sich von den Postern, die<br />

heutzutage in Kinderzimmern hängen. Hier sah man nichts von Bands einer<br />

Heavy Metal Band mit Totenköpfen oder Abbildungen von Dark Reader,<br />

nein, <strong>Kai</strong>s Wände schmückten Fabelwesen, wie Einhörner in<br />

nebelumwogenen Wäldern, fantastische Drachen in Sagenwelten und<br />

Naturwunder, wie Wasserfälle die von großer Höhe herabstürzten. Die<br />

Möbel waren alle aus Kiefernholz und die gesamte Einrichtung im<br />

Landhausstil gehalten. Alles in allem, ein sehr gemütliches Zimmer.<br />

Trotzdem genoss <strong>Kai</strong> selbstverständlich all die irdischen Dinge, die einen<br />

10jährigen interessierten.<br />

So auch an diesem Dienstagnachmittag im April.<br />

<strong>Kai</strong> hatte Besuch von Markus. Sie kannten sich schon seit der 1.Klasse und<br />

waren die besten Freunde. Beide waren voll und ganz mit dem Gameboy<br />

beschäftigt und <strong>Kai</strong> war gerade im Begriff Punkte gegenüber Markus<br />

gutzumachen, als seine Mutter das Zimmer betrat und die beiden ansprach:<br />

“Markus, es tut mir leid, aber wir müssten ganz dringend mit <strong>Kai</strong> sprechen.<br />

Bitte sei nicht böse, wenn für heute Schluss ist. <strong>Kai</strong> wird dich bestimmt<br />

nachher noch zu Hause anrufen. Grüße Deine Eltern.“<br />

<strong>Kai</strong> zugewandt sagte sie dann:<br />

“<strong>Kai</strong> und du kommst bitte gleich mal zu uns rüber. Wir müssen dir etwas<br />

sagen.“<br />

Dann schloss sie die Tür wieder. <strong>Kai</strong> und Markus schauten sich ein wenig<br />

verdutzt an, denn so ernsthaft hatten sie <strong>Kai</strong>s Mutter selten erlebt. <strong>Kai</strong> konnte<br />

sich an einmal erinnern, das war, als die Mutter seines Vaters, also seine<br />

Oma, gestorben war. Nur war damals noch eine große Traurigkeit dabei.<br />

Naja, um zu erfahren was seine Eltern von ihm wollten, musste er hingehen.<br />

Also verabschiedete er sich von Markus, brachte ihn noch zur Tür und setzte<br />

sich dann im Wohnzimmer zu seiner Mutter auf die Couch. Sein Vater hatte<br />

im Sessel gegenüber Platz genommen.<br />

„<strong>Kai</strong>, mein Junge“, fing sein Vater an zu erzählen, “du kennst doch Tante<br />

Resi, die Schwester meiner Mutter?“<br />

„Ja, die Tante Resi aus Moosen.“<br />

„Genau. Nun, die Tante Resi ist gestorben. Wir haben heute die Nachricht<br />

von einem Notar erhalten, da sie ganz allein und zurückgezogen gelebt hat.<br />

Nachbarn haben bemerkt, dass sie überhaupt nicht mehr vor die Tür<br />

gekommen ist und auch auf Klopfen und Rufen nicht reagiert hat. Als sie<br />

dann die Feuerwehr und Polizei benachrichtigt haben, ob nicht mal<br />

nachgeschaut werden könnte ob alles in Ordnung ist, weil sie ja auch nichts<br />

gesagt hat, dass sie verreisen wollte, haben die sich dann Zutritt zum Haus<br />

verschafft und die Arme bereits tot, mit einem Lächeln auf ihrem Gesicht, in<br />

ihrem Bett vorgefunden. Dies ist zumindest ein Zeichen, dass sie wohl


friedlich eingeschlafen ist. Plötzlich kam es aber schon, denn ich habe doch<br />

erst noch mit ihr telefoniert und da hat sie sich noch ganz wohl gefühlt. Nun<br />

müssen wir als nächste Verwandte die wir sind, du weißt, Tante Resi hatte<br />

keine eigenen Kinder, gleich hinfahren und alle notwendigen Formalitäten<br />

erledigen. Die Beerdigung ist am Freitag und da bleibt uns nicht mehr viel<br />

Zeit. Morgen findet auch bei dem Notar, der uns benachrichtigt hat, die<br />

Testamentseröffnung statt, bei der wir anwesend sein müssen. Der Termin ist<br />

schon um 8.30 Uhr. Wir fahren also morgen ganz zeitig in der Früh los. Du<br />

musst mitkommen, da wir dich nicht allein hier lassen können und auch den<br />

Rückreisetermin noch nicht genau kennen. Deine Mutter hat die Schule<br />

bereits informiert und diese Woche für dich eine Freistellung bekommen,<br />

denn nächste Woche fangen ja sowieso die Osterferien an. So, das wäre fürs<br />

Erste alles. Geh´ bald schlafen, damit du um 4.00 Uhr munter bist. Wir<br />

fahren gegen 5.00 Uhr los.“<br />

<strong>Kai</strong> hatte seinem Vater die ganze Zeit aufmerksam zugehört und ihm war<br />

auch nicht entgangen, dass seine Mutter still dabei saß und sich ab und zu<br />

Tränen wegwischte. Nun stand er auf und sagte:<br />

“Es tut mir leid, das mit der Tante Resi. War immer schön bei ihr, wenn wir<br />

sie besucht haben. Ich gehe wieder in mein Zimmer und auch bald ins Bett.“<br />

Dann gab er seiner Mutter und seinem Vater noch einen Kuss und verließ<br />

den Raum.<br />

Ein 10jähriger Junge begreift schon alles was man ihm mitteilt, aber nimmt<br />

viele Dinge hin, ohne sich hinterher noch großartig damit zu befassen.<br />

Anders <strong>Kai</strong>. <strong>Kai</strong> legte sich erst einmal auf sein Bett, schloss die Augen und<br />

dachte an Tante Resi, an ihren schönen kleinen Hof, den Blumengarten und<br />

den nahegelegenen Wald, in dem sie immer Spaziergänge unternommen<br />

hatten. Auch an den warmen Apfelstrudel, den wohl niemand so gut backen<br />

konnte wie Tante Resi. <strong>Kai</strong> hatte all die Dinge vor Augen und empfand nun<br />

auch eine Traurigkeit darüber, dass Tante Resi nicht mehr am Leben war.<br />

Inzwischen war es 19.00 Uhr geworden und ihm fiel ein, dass er ja noch bei<br />

Markus anrufen wollte. Da er neben einem Computer auch einen eigenen<br />

Telefonanschluß in seinem Zimmer hatte, griff er zum Hörer und wählte<br />

Markus Nummer.<br />

Am anderen Ende meldete sich die Mutter und <strong>Kai</strong> verlangte bitte mit<br />

Markus sprechen zu dürfen.<br />

„Markus, <strong>Kai</strong> ist am Apparat“, hörte er die Mutter rufen und bald war er mit<br />

seinem Freund verbunden.<br />

„Markus, ich verreise morgen. Das war es, was meine Eltern mir sagen<br />

wollten. Unsere Tante Resi ist gestorben.“<br />

„Musst du nicht in die Schule?“ fragte Markus.<br />

„Nein, meine Mutter hat mich bis zu den Ferien freistellen lassen.“ „Und<br />

wann kommst du wieder?“


„Weiß ich noch nicht, aber nach den Ferien bin ich bestimmt wieder da.“<br />

„Schade, dann bist du ja auch über Ostern weg“, bedauerte Markus.<br />

„Ja, aber es lässt sich nicht ändern.“<br />

„Meldest du dich gleich wieder bei mir, wenn du da bist?“<br />

„Na logo, als Erstes.“<br />

„Alles klar, dann mach´s gut.“<br />

„Ja, du auch.“<br />

Damit verabschiedeten sich die beiden und <strong>Kai</strong> ging gleich ins Bad um sich<br />

die Zähne zu putzen und anschließend legte er sich schlafen. Es dauerte eine<br />

Weile bis er einschlafen konnte, denn die Gedanken ließen ihn nicht los.<br />

Pünktlich um 4.00 Uhr in der Früh, strich seine Mutter ihm mit der Hand<br />

übers Haar und sagte:<br />

“Aufstehen mein Schatz, es ist Zeit.“<br />

<strong>Kai</strong> reckte sich in seinem Bett, wischte sich den Schlaf aus den Augen,<br />

gähnte ausgiebig und kam so langsam aus dem Traumland zurück. Er konnte<br />

sich aber an keinen Traum erinnern und nach und nach fiel ihm wieder der<br />

Anlass ein, warum er so früh geweckt wurde. Er verließ sein Bett und ging<br />

im Schlafanzug in die Küche, wo seine Mutter ein Frühstück bereitete und<br />

sein Vater bereits, fertig angezogen, am Tisch saß. <strong>Kai</strong> wünschte einen Guten<br />

Morgen und ging zunächst ins Badezimmer um sich zu waschen, bevor er<br />

sich anzog und dann ebenfalls am Frühstückstisch Platz nahm. Die drei aßen<br />

eine Kleinigkeit und sprachen über die Fahrt und wie der Verkehr wohl auf<br />

der Autobahn sein würde. <strong>Kai</strong>s Mutter packte inzwischen auch noch für alle<br />

drei ein paar Sachen zusammen, die sie für die Fahrt und den Aufenthalt<br />

benötigten. Nachdem die Wohnung in Ordnung gebracht war, traten sie die<br />

Fahrt an.<br />

Es regnete etwas an diesem Morgen, dadurch wirkte alles ein wenig trübe<br />

und es war nicht nur das Wetter, das diesen Zustand verursachte. Es war eben<br />

anders wie sonst, wenn sie zur Tante Resi fuhren.<br />

Die Fröhlichkeit und die Freude fehlten an diesem Tag.<br />

Da das Notariat aber erst um 8.30 Uhr geöffnet war, und <strong>Kai</strong>s Vater lieber<br />

viel zu früh als verspätet irgendwo ankam, waren sie natürlich bald zwei<br />

Stunden vor der Zeit dort.<br />

“Wir hätten gut eine ganze Stunde später losfahren können“, bemerkte <strong>Kai</strong>s<br />

Mutter.„<br />

„Ja, und wenn wir dann in einen Stau geraten wären? Lieber so, als wenn wir<br />

unter Zeitdruck geraten. Du weißt, ich bin gern rechtzeitig an Ort und Stelle.<br />

Gutgemachte Zeit kann man nutzen, aber verlorene Zeit nicht aufholen.“<br />

Das war eben <strong>Kai</strong>s Vater und niemand konnte dem etwas entgegnen. So<br />

hatten sie noch ausgiebig Gelegenheit, in der Gegend herumzufahren und<br />

noch ein zweites Frühstück einzunehmen.


Als es dann soweit war, betraten sie pünktlich um 8.30 Uhr das Notariat. Die<br />

Sekretärin meldete sie telefonisch beim Notar an und führte sie auch<br />

anschließend in sein Büro.<br />

Hinter einem imposanten Schreibtisch saß ein eher kleiner, weißhaariger<br />

Mann, der sie freundlich willkommen hieß und sich als Notar Dünkelmann<br />

vorstellte und bekannt gab, dass er mit der Testamentsvollstreckung der<br />

Verstorbenen betraut wurde. Er bat die drei vor dem Schreibtisch Platz zu<br />

nehmen. Dieser Aufforderung kamen sie nach .<br />

Als Erstes bat er <strong>Kai</strong>s Vater um den Personalausweis, damit gewährleistet<br />

war, dass es sich bei ihm um den Neffen der Verstorbenen, um Herrn Klaus<br />

Hellsing handelte.<br />

Nachdem diese Formalität erledigt war, begann der Notar mit seinen<br />

Ausführungen.<br />

Er sprach mit sanften, aber bestimmenden Worten:<br />

„Zunächst, liebe Hinterbliebene, möchte ich Ihnen mein aufrichtiges Beileid<br />

übermitteln.<br />

Die Verstorbene war eine liebenswerte alte Dame und es ist eine<br />

Bereicherung für mich, sie gekannt zu haben. Ihr Leben verlief in geordneten<br />

Bahnen und auch für den Fall ihres Todes hat sie Vorsorge getroffen, indem<br />

sie ein Testament geschrieben hat, das bei mir hinterlegt wurde und das ich<br />

heute verlesen werde.“<br />

Er öffnete einen versiegelten Umschlag, entnahm den Inhalt und begann<br />

vorzulesen.<br />

„Mein letzter Wille.<br />

Ich, Therese Waldmüller, geb. am 25.09.1916, bin im Besitz meiner geistigen<br />

und körperlichen Kräfte und verfüge, dass im Fall meines Todes, alle meine<br />

irdischen Besitztümer an meinen Neffen, Herrn Klaus Hellsing, und dessen<br />

Familie übergehen. Ich hoffe, ohne es vorzuschreiben, dass der Hof weiterhin<br />

im Besitz der Familie bleibt, wie es seit 120 Jahren der Fall ist. Das Sparbuch<br />

in Höhe von DM 186.000,-- dient auch dazu, evtl. Reparaturen oder<br />

Umbauten am Haus vornehmen zu können.<br />

Ferner verfüge ich, auf dem Waldfriedhof meine letzte Ruhestätte zu<br />

bekommen und dort in aller Stille beigesetzt zu werden.“<br />

Nun hob der Notar seinen Kopf, schaute die Hellsings an und fuhr fort:<br />

“Dieses Testament ist von Ihrer Tante unterzeichnet und von mir, als Zeugen<br />

dieser Ausführungen, ebenfalls unterschrieben. Die Grabstelle auf dem<br />

Waldfriedhof wurde bereits von der Verstorbenen gekauft und ich hatte den<br />

Auftrag für die Beerdigung Sorge zu tragen. Dies alles wurde schon geregelt.<br />

Ich frage Sie nun, Herr Klaus Hellsing, treten Sie das Erbe Ihrer Tante, Frau<br />

Therese Waldmüller, an?“<br />

<strong>Kai</strong>s Vater drehte sich kurz zu seiner Frau, beide nickten sich zu und er sagte<br />

mit fester Stimme:<br />

“Ja, ich trete das Erbe an.“


Der Notar hatte die nötigen Papiere vorbereitet und legte sie <strong>Kai</strong>s Vater zur<br />

Durchsicht und Unterschrift vor. Nachdem alle Unterschriften erfolgt waren,<br />

war der formelle Teil erledigt.<br />

Der Notar händigte <strong>Kai</strong>s Vater die Hausschlüssel aus, verkündete nochmals<br />

den Beerdigungstermin und erklärte, dass er für weitere Fragen gern mit Rat<br />

und Tat zur Verfügung steht. Dann verabschiedete er sich von den dreien<br />

und geleitete sie noch zum Ausgang.<br />

Bis alle wieder im Auto saßen, realisierte keiner, was da eben passiert war.<br />

Erst jetzt kamen Emotionen hervor, die bis dahin unterdrückt waren. <strong>Kai</strong>s<br />

Vater brach in Tränen aus und auch seine Mutter konnte sich nicht mehr<br />

beherrschen. Erst jetzt, mit dem Hausschlüssel in den Händen, wurde allen<br />

diese gewisse Endgültigkeit bewusst. Alle versuchten sich vorzustellen, wie<br />

es bei Tante Resi ohne Tante Resi ist? Wie würden sie sich in dem Haus<br />

fühlen, ohne von der gutmütigen, lieben Tante umsorgt zu werden?<br />

Gedanken über Gedanken gingen ihnen durch den Kopf. Nach etwa zehn<br />

Minuten hatte <strong>Kai</strong>s Vater sich soweit gefasst, dass sie sich auf den Weg zu<br />

dem Haus von Tante Resi machten, das nun ihnen gehörte.<br />

Von außen sah alles aus wie immer, doch als sie die Tür aufschlossen und<br />

das Haus betraten, befiel alle ein merkwürdiges Gefühl, das Gefühl der Stille.<br />

Keine Tante, die freudig auf sie zukam, sie umarmte, küsste und herzlich<br />

Willkommen hieß und kein Duft von Kaffee und Selbstgebackenem im Haus.<br />

Das Haus wirkte wie tot, wie der Anlass, aus dem sie hier waren.<br />

<strong>Kai</strong>s Vater war der Erste, der diese Stille durchbrach. Er sagte:<br />

“Zuerst wollen wir die Koffer hinauftragen und schauen, wer in welchem<br />

Zimmer schläft. Die Fenster müssen auch geöffnet werden, um zu lüften und<br />

Marianne (so heißt <strong>Kai</strong>s Mutter), du kannst inzwischen die Sachen von uns<br />

schon mal in die Schränke einsortieren. <strong>Kai</strong>, wir zwei sehen uns dann mal ein<br />

bisschen um.“<br />

Und noch einmal zu seiner Frau sagte er:<br />

“Schatz, wenn du Hilfe brauchst, dann ruf mich.“<br />

„Ist schon in Ordnung, ich komme schon zurecht.“<br />

Das Haus war zwar alt, aber Tante Resi hat es vor ein paar Jahren schon<br />

umbauen lassen, sodass im Innern wenig an den Ursprung erinnerte. Da gab<br />

es eine große, schöne Küche, wie man sie bei Bauern vorfindet, mit<br />

modernen Elektrogeräten, eben eine Einbauküche, die vom Eingang gesehen,<br />

an der linken Wand verlief und sich um die Ecke unter dem Fenster<br />

fortsetzte. Die nächste Ecke füllte eine Eckbank und ein großer Tisch.<br />

Rechts an der Wand stand ein wunderschöner alter Bauernschrank und<br />

daneben führte eine Tür in eine Vorratskammer. Von der Vorratskammer<br />

kam man direkt durch einen Ausgang in den Garten. Dann gab es im Haus


noch zwei Badezimmer. Beide gefliest und modern ausgestattet. Eines im<br />

unteren Bereich und das andere war im oberen Stockwerk. Im Erdgeschoß<br />

befanden sich dann noch zwei große Zimmer. Davon nutzte Tante Resi das<br />

eine als Wohnzimmer und, seitdem Onkel Fritz, ihr Mann, gestorben war,<br />

hatte sie das ehemalige Esszimmer in ihr Schlafzimmer umgewandelt.<br />

Der obere Bereich diente mit zwei weiteren Zimmern eigentlich nur noch zur<br />

Unterbringung ihrer Gäste, das hieß, wenn <strong>Kai</strong> und seine Eltern sie<br />

besuchten.<br />

Der Dachboden blieb ungenutzt. Hier stellte sie lediglich ausgediente Sachen<br />

unter, von denen sie sich nicht trennen konnte.<br />

Der Keller war einfach nur Keller. Hier befand sich die Heizung, ein<br />

Hobbykeller, noch aus der Zeit als Onkel Fritz da war, und eine Waschküche,<br />

wie man sie früher kannte.<br />

<strong>Kai</strong> ging mit seinem Vater durch das ganze Haus und sie fanden überall die<br />

Ordnung, die sie von Tante Resi kannten. Inzwischen hatte <strong>Kai</strong>s Mutter im<br />

oberen Stockwerk, in beiden Zimmern, Betten hergerichtet. In einem Zimmer<br />

wollten die beiden Erwachsenen schlafen und im anderen <strong>Kai</strong>. Das<br />

Schlafzimmer der Tante wollten sie nicht benutzen. Sie hatten das Gefühl, als<br />

könnten sie sie von ihrem Platz verdrängen und das wollten alle nicht. Tante<br />

Resis guter Geist war noch da und das respektierten sie.<br />

Gegen Mittag fuhr <strong>Kai</strong>s Vater noch einmal weg, um ein paar Lebensmittel<br />

für sie zu besorgen, da es ja ein etwas längerer Aufenthalt war.<br />

Während dieser Zeit setzte sich <strong>Kai</strong> im Garten auf eine Bank und betrachtete<br />

die Umgebung. Sein Blick schweifte durch die Kronen der Obstbäume, die in<br />

großer Anzahl im Garten vertreten waren. Er sah, wie die Vögel von einem<br />

Ast zum anderen flogen und dabei ein unvergleichliches Konzert gaben. Ein<br />

Vogel fiel ihm besonders auf. Er setzte sich ganz an die Spitze eines Astes<br />

des Birnbaumes, der genau vor dem Fenster des Zimmers stand, in dem <strong>Kai</strong><br />

schlafen sollte. Es war eine kleine Meise, die unerschütterlich ihr Liedchen<br />

trällerte und es kam <strong>Kai</strong> so vor, als sänge sie für ihn. In diesem Augenblick<br />

konnte <strong>Kai</strong> wieder abschalten und er war in seinem Tagtraum. Er stellte sich<br />

vor, wie der Birnbaum die schönsten Früchte trägt und der Wind sie leise hin<br />

und her wiegt, wie Schmetterlinge und Vögel miteinander durch den Garten<br />

fliegen und zu den Vogelstimmen das Zirpen der Grillen zu hören ist.<br />

So setzte er seine Phantasien fort, bis er den Wagen seines Vaters herannahen<br />

hörte.<br />

Er ging zu ihm hin und half den Einkauf ins Haus zu tragen.<br />

Nachdem seine Mutter das Essen bereitet und alle gegessen hatten, blieben<br />

sie noch eine Weile am Küchentisch sitzen und sprachen über den<br />

vergangenen Tag. Da die Aufregung und Anstrengung allen anzumerken


war, beschlossen sie, zeitig ins Bett zu gehen. Erschöpft schliefen sie auch<br />

bald ein, bis sie am nächsten Morgen vom Vogelgezwitscher geweckt<br />

wurden.<br />

Der Donnerstag verlief eher ruhig. <strong>Kai</strong> bemerkte nur, wie seine Eltern sich<br />

öfter allein unterhielten und dabei ein nachdenkliches Gesicht machten. Doch<br />

es störte nicht weiter, denn sonst lief alles ziemlich normal ab.<br />

Als <strong>Kai</strong> sich in seinem Zimmer befand und aus dem Fenster schaute,<br />

bemerkte er wieder die kleine Meise, die genau auf diesem Ast saß, auf dem<br />

er sie am Vortag gesehen hatte, und wieder sang sie wunderschön.<br />

Der letzte Wunsch<br />

Nun war der Freitag da, der Tag, an dem Tante Resi beerdigt wurde. <strong>Kai</strong>s<br />

Eltern haben sie noch einmal in der Aufbewahrungshalle angeschaut und<br />

Abschied genommen. <strong>Kai</strong> wollten sie dies ersparen. Er sollte Tante Resi<br />

lustig und lebendig in Erinnerung behalten. Nachdem in der Kapelle die<br />

Trauerandacht abgehalten war, setzte sich der Trauerzug in Bewegung. Unter<br />

Glockengeläut wurde der Sarg mit Tante Resi zum Grab geleitet. Unter den<br />

Trauergästen befanden sich auch einige Nachbarn, die es sich nicht nehmen<br />

lassen wollten, Tante Resi auf ihrem letzten Weg zu begleiten. Am Grab<br />

sprach der Pfarrer noch ein paar Worte und ein Gebet, bevor der Sarg in die<br />

Erde verbracht wurde. Jeder der Anwesenden schmiss entweder Blumen,<br />

oder ein Schäufelchen Sand auf den Sarg und verließ somit die letzte<br />

Ruhestätte der Tante Resi.<br />

Die Mutter von <strong>Kai</strong> hatte ganz verweinte Augen und auch sein Vater<br />

schluckte die Traurigkeit hinunter. Dies konnte man ihm ganz deutlich<br />

anmerken. <strong>Kai</strong> hielt seine Tränen auch nicht zurück und es war das erste Mal,<br />

dass er richtig weinen konnte und das war gut, denn die Trauer musste<br />

heraus.<br />

Auf dem Rückweg waren alle ganz still und jeder hing seinen Gedanken<br />

nach. Tante Resi hat ihren Frieden und die ewige Ruhe gefunden und nun<br />

war es an ihnen, auch ihren letzten Wunsch zu erfüllen, nämlich den Hof<br />

nicht zu verkaufen, sondern ihn zu bewohnen.<br />

Als sie im Haus angekommen waren, nahm <strong>Kai</strong>s Vater ihn in den Arm und<br />

sagte:<br />

“<strong>Kai</strong>, du warst dabei, als der Notar das Testament verlesen hat. Du weißt,<br />

was Tante Resi sich gewünscht hat. Deine Mutter und ich haben uns<br />

entschlossen, in dieses Haus zu ziehen und den Hof weiterhin in der Familie<br />

zu halten. Für uns alle gibt es eine große Veränderung in unserem Leben,


aber letztendlich ist es wohl so am besten. Stell dir vor, wir brauchen keine<br />

Miete mehr bezahlen, haben einen eigenen Grund und Boden, haben keine so<br />

unmittelbaren Nachbarn und leben in der schönsten Natur. Ich muss zwar<br />

etwas weiter fahren um zur Arbeit zu kommen, aber dafür werde ich auch<br />

wieder in anderer Form entschädigt, durch die Ruhe und Entspannung, die<br />

ich hier habe. Du wirst die Schule wechseln müssen und sicherlich findest du<br />

hier ganz schnell ein paar Freunde. Für deine Mutter ändert sich nicht sehr<br />

viel, sie ist dort, wie hier zu Hause und sorgt für uns.“<br />

<strong>Kai</strong> wirkte wie versteinert.<br />

„Papa, was ist mit Markus und den ganzen Schulkameraden, meinen Lehrern<br />

und überhaupt?“<br />

„Mein Schatz, Markus kann dich in den Ferien besuchen kommen, dann seid<br />

ihr Tag und Nacht beisammen und verliert euch nicht aus den Augen.<br />

Außerdem gibt es Telefon und Post, oder meinetwegen auch E-mail. Ihr seid<br />

zwar dann nicht mehr jeden Tag zusammen, aber wenn ihr euch seht, ist es<br />

viel intensiver. Schulkameraden findest du hier auch und was die Lehrer<br />

angeht, soll es auch hier ganz nette geben. Außerdem haben Mama und ich<br />

beschlossen, dass wir dir das Dachgeschoß ausbauen und du dann ein ganzes<br />

Reich für dich allein hast. Was hältst du davon? So ein Zimmer konnten wir<br />

dir in einer Mietwohnung nie bieten. Aber <strong>Kai</strong>, ein bisschen Zeit bleibt ja<br />

noch. Wir können frühestens im Herbst umziehen. So hast du noch viel Zeit,<br />

dich mit dem Gedanken vertraut zu machen.“<br />

<strong>Kai</strong> war hin und hergerissen und konnte seine Empfindungen nicht ordnen.<br />

Teilweise erschreckte ihn die Vorstellung, alles Gewohnte aufzugeben,<br />

andererseits faszinierte ihn der Gedanke an sein schönes neues Zimmer und<br />

die Besuche von Markus. Was er überhaupt nicht beurteilen konnte, war der<br />

Schulwechsel. Aber wie sein Vater schon sagte, noch ist es nicht so weit.<br />

Außerdem würden sie so wirklich den letzten Wunsch von Tante Resi<br />

erfüllen.<br />

Sie blieben noch das ganze Wochenende in ihrem zukünftigen Heim und<br />

schmiedeten auch schon Pläne, wie sie das Dachgeschoß gestalten wollten.<br />

Natürlich bleiben alle Schrägen und alle Dachbalken erhalten und am Ende<br />

wird es <strong>Kai</strong>s jetzigem Zimmer ähneln, nur, dass dieses viel größer sein wird<br />

und er ein eigenes Badezimmer, was dann das dritte wäre, bekommen würde.<br />

Mit am schönsten sind die Dachfenster, insgesamt fünf an der Zahl. Eines<br />

davon ist am Giebel, die anderen vier befinden sich jeweils am vorderen und<br />

hinteren Dach. Hierdurch kann man den Sternenhimmel sehen und den<br />

Mond, oder die Sonne. <strong>Kai</strong> beteiligte sich sehr stark an der Planung und die<br />

Vorstellung, dass dies sein Zimmer wird, nahm immer mehr Gestalt an. Es<br />

wirkte fast so, als freue er sich nun schon auf sein neues Zuhause.


Am Montagmorgen war es Zeit für die Heimreise. Nachdem alle Fenster<br />

verschlossen waren und zum Schluss die Türe, fuhr <strong>Kai</strong>s Vater nur noch kurz<br />

bei dem nächsten Nachbarn vorbei und sagte Bescheid, dass sie abreisen. Er<br />

hinterließ noch seine Anschrift und Telefonnummer und bat, wenn etwas sein<br />

würde, dass er verständigt werde. Ansonsten käme er in Abständen vorbei,<br />

um nach dem Rechten zu sehen, bis die Familie umzieht. Das die Hellsings<br />

die neuen Nachbarn werden, löste Freude und Erleichterung bei dem Bauern<br />

aus, denn man hatte im Dorf schon darüber gesprochen, mit welchen Leuten<br />

die Dorfbewohner wohl in Zukunft auskommen müssten. Wer die bayerische<br />

Dorfgemeinschaft kennt, weiß worum es geht. Ist jemand dabei, der sich<br />

nicht anpassen kann, der hat keine Chance.<br />

Der Bauer wünschte ihnen nun eine gute Heimfahrt und ging in seine Stube<br />

zurück.<br />

Blutsbrüder<br />

Nach etwa eindreiviertel Stunden waren <strong>Kai</strong> und seine Eltern wieder zu<br />

Hause.<br />

Das Erste was passierte war, dass <strong>Kai</strong> das Telefon ergriff und gleich bei<br />

Markus anrief, wie er es versprochen hatte.<br />

„Hallo Markus, ich bin´s, <strong>Kai</strong>. Bin wieder zu Hause.“<br />

„Das ist ja toll“, sagte Markus „pünktlich zu Ferienbeginn. Hey, dann können<br />

wir ja richtig was unternehmen“.<br />

„Willst du heute Nachmittag nicht mal rüberkommen?“ fragte <strong>Kai</strong>, „ich muss<br />

dir ganz viel erzählen“.<br />

„Klar komm ich, kann es kaum erwarten dich zu sehen und bin auch schon<br />

mächtig neugierig“.<br />

„Na dann bis später“, beendete <strong>Kai</strong> das Telefonat.<br />

Als Markus nachmittags kam, begrüßten sich die beiden Freunde, als hätten<br />

sie sich eine Ewigkeit nicht gesehen. Sie lachten und scherzten und in diesem<br />

Moment vergaß <strong>Kai</strong> alles Erlebte der vergangenen Tage und auch, dass er in<br />

naher Zukunft wegziehen würde. Als sie sich beruhigt hatten und inzwischen<br />

in <strong>Kai</strong>s Zimmer waren, begann dieser seinem Freund alles zu berichten. Er<br />

erzählte vom Notar, von der Beerdigung und davon, dass er im Herbst<br />

wegziehen würde. Plötzlich war es ganz ruhig im Zimmer. Markus war<br />

anzumerken, wie er langsam begriff, dass sein bester Freund bald nicht mehr<br />

da ist. Auch für ihn war dieser Gedanke unvorstellbar. Er war einfach nur<br />

traurig.


Da fing <strong>Kai</strong> an ihn genauso zu trösten, wie der Vater es bei ihm gemacht hat,<br />

indem er Markus erzählte, wie schön es wird, wenn er ihn besucht und was<br />

sie dann alles anstellen und erleben können. Dies war nicht wirklich ein Trost<br />

für Markus, zu frisch war noch der Schock, den besten Freund zu verlieren.<br />

So nach und nach beruhigte er sich etwas und sagte, er müsse jetzt erst<br />

einmal nachdenken. So ging er nach Hause und versprach, am nächsten Tag<br />

wiederzukommen.<br />

Gesagt, getan. Am nächsten Tag erschien Markus wieder bei <strong>Kai</strong> und sagte<br />

sehr bestimmt und voller Ernst:<br />

“<strong>Kai</strong>, ich habe nachgedacht. Es lässt sich wohl nicht ändern, dass du<br />

wegziehst, doch vorher müssen wir Blutsbrüder werden. Denn den Bann des<br />

Blutes kann keiner brechen.“<br />

<strong>Kai</strong> fragte: “Was soll das heißen, Blutsbrüder werden, wie stellst du dir das<br />

denn vor?“<br />

„Ganz einfach“, antwortet Markus, „pass auf, ich steche mir mit einer Nadel<br />

in den Finger, bis ein Blutstropfen rauskommt und du stichst dir mit der<br />

Nadel in den Finger bis er blutet. Dann packen wir die Finger aufeinander<br />

und mischen unser Blut. Das sind Blutsbrüder.“<br />

Zwar nicht unbedingt begeistert, aber angetan von dem Gedanken<br />

Blutsbruder mit Markus zu sein, holte <strong>Kai</strong> eine Nadel aus dem Nähkorb<br />

seiner Mutter und los ging es. Als Erster stach Markus zu.<br />

„Autsch, ist gar nicht so einfach diese Blutsbrudersache“.<br />

Aber dann biss er die Zähne zusammen und stach noch einmal zu. Nachdem<br />

er nun an seinem Finger herumdrückte, erschien wirklich ein kleiner<br />

Blutstropfen.<br />

„So, nun bist du dran“ sagte er zu <strong>Kai</strong> und hielt ihm die Nadel hin.<br />

Ein bisschen skeptisch guckte dieser schon, aber stach letztendlich auch zu,<br />

bis sich auch auf seinem Finger ein Blutstropfen bildete. Beide pressten nun<br />

die Finger aufeinander und schwörten, dass sie immer Freunde blieben. Nach<br />

dieser Prozedur ging es beiden besser, denn nun verband sie ja das Blut und<br />

diese Tatsache ließ sie den Gedanken an den Umzug leichter ertragen.<br />

<strong>Kai</strong>s Vater war zwischenzeitlich des Öfteren in Moosen im Haus und hatte<br />

den Ausbau von <strong>Kai</strong>s Zimmer überwacht, der nun beendet war. Außerdem<br />

begann er schon Vorbereitungen für den bevorstehenden Umzug zu treffen,<br />

denn inzwischen waren ein paar Monate verstrichen und es war bereits Juli.<br />

Die großen Ferien hatten begonnen und in seiner Schule hatte <strong>Kai</strong> sich schon<br />

verabschiedet. Nach den Ferien wird er bereits die neue Schule besuchen und<br />

der erste Schritt in Sachen Umzug war erfolgt. Seine Klassenkameraden und<br />

die Lehrer hatten <strong>Kai</strong> Auf Wiedersehen gesagt und sein Zeugnis, was er<br />

erhalten hatte, sprach dafür, dass er sich in dieser Schule sehr wohlfühlte und<br />

ein guter Schüler war. Was ihn nun erwartete blieb ungewiss.


Der Umzug<br />

Nun war der Tag gekommen. <strong>Kai</strong> zog um. Die Möbelwagen standen vor dem<br />

Haus und die Möbelpacker waren emsig damit beschäftigt, die Sachen<br />

einzuladen. Markus stand bei <strong>Kai</strong> im leeren Zimmer und Tränen strömten<br />

über beider Gesicht. Sie hatten die letzten Monate ständig zusammengehockt<br />

und die Zeit genutzt, die ihnen noch gemeinsam blieb.<br />

„Nun gehst du weg für immer“ schluchzt Markus.<br />

Beide fielen sich in die Arme und verharrten einige Minuten in dieser<br />

Stellung. Dann raffte <strong>Kai</strong> sich auf und sagte:<br />

„Markus, denke daran, wir sind Blutsbrüder und da macht es gar nichts aus<br />

wo wir sind, Hauptsache, wir denken aneinander und das kann uns niemand<br />

nehmen.“<br />

Weinend erwiderte Markus: “Du fehlst mir schon jetzt. Wie wird es dann<br />

erst, wenn du wirklich weg bist?“<br />

Die beiden Jungen konnten sich nicht beruhigen, bis <strong>Kai</strong>s Mutter erschien.<br />

Sie nahm beide in den Arm und versuchte sie zu trösten, indem sie Markus<br />

schon für die Herbstferien zu sich einlud. Sie sagte sie hätte bereits mit<br />

Markus Eltern gesprochen und die haben schon ja gesagt, so, dass es bereits<br />

eine beschlossene Sache wäre. Diese Tatsache beruhigte die beiden wirklich,<br />

denn in ein paar Wochen waren ja bereits schon wieder Herbstferien. Etwas<br />

gefasster beschäftigten sich die zwei Jungen nun noch miteinander, bis es<br />

soweit war, dass <strong>Kai</strong> mit seinen Eltern davonfuhr. Lange schaute Markus<br />

hinterher und winkte, bis er sie nicht mehr sah.<br />

<strong>Kai</strong> und seine Eltern waren eine ganze Weile vor den Möbelwagen<br />

angekommen und sie nutzten die Zeit im Haus nachzuschauen, ob auch alles<br />

so umgeräumt und verstaut war, dass der Platz für ihre Möbel reichte. Die<br />

nicht benötigten Sachen von Tante Resi hatten sie in der, beim Haus<br />

befindlichen Scheune untergebracht, weil sie sich auch noch nicht davon<br />

trennen wollten. Es waren sehr schöne Stücke darunter und wer weiß, was<br />

man noch einmal gebrauchen konnte. In der Scheune war ja genug freie<br />

Fläche und da störten sie auch nicht. <strong>Kai</strong> erlebte eine Überraschung, als er in<br />

sein Reich geführt wurde. Er bekam vor Staunen den Mund nicht mehr zu.<br />

So schön hatte er es sich im Traum nicht vorstellen können. Der Raum war<br />

bis zum Dach hin offen, dass heißt, es wurde keine Zwischendecke<br />

eingezogen. Lediglich die Ziegel waren verkleidet. Die Stützbalken stellten<br />

die einzigen Abgrenzungen des Zimmers dar, sodass dieses riesengroß<br />

erschien. Nur das Badezimmer war abgetrennt. Hier hatte <strong>Kai</strong> seine eigene<br />

Dusche, die eigene Toilette und Waschbecken.


„Perfekt“, war das einzige Wort, dass über seine Lippen kam und der<br />

Trennungsschmerz von Markus war für den Moment vergessen. Es stellte<br />

sich ein zufriedenes Lächeln auf <strong>Kai</strong>s Gesicht ein. Wie würden hier seine<br />

Poster und seine Zimmereinrichtung wirken, besser konnte es nicht sein.<br />

Dann kamen auch schon die Möbelwagen auf den Hof gefahren und alle<br />

mussten runter, um anzupacken und auch die nötigen Anweisungen zu geben,<br />

was wohin gebracht werden musste. Am Abend waren dann alle Möbel und<br />

Kartons ausgeladen und standen dort, wo es geplant war. Die Möbelpacker<br />

waren bereits weg und im Haus kehrte wieder Ruhe ein. Es war zwar alles<br />

noch ziemlich chaotisch, weil ja noch überall die Kartons rumstanden, die<br />

nun erst so nach und nach ausgepackt werden mussten. Was aber bereits<br />

fertig zur Benutzung war, waren die Betten.<br />

So konnte <strong>Kai</strong> sich, als die Müdigkeit ihn übermannte, in sein Reich<br />

zurückziehen und die erste Nacht in der neuen Umgebung verbringen. Als er<br />

im Bett lag war es schon dunkel draußen und er sah durch sein Fenster den<br />

Sternenhimmel.<br />

Mit diesem Eindruck schlief er erschöpft ein.<br />

Da noch Ferien waren, bestand keine Veranlassung <strong>Kai</strong> zu wecken und seine<br />

Eltern ließen ihn schlafen, bis er von allein erwachte. Er öffnete die Augen<br />

und wusste im ersten Moment gar nicht, wo er sich befand. Er lag im Bett<br />

und langsam kamen die Gedanken, dass er nun in Moosen, in Tante Resis<br />

Haus wohnte. Alles war wieder real. Er schaute sich um und stellte fest, dass<br />

noch einiges zu tun war, bevor sein Zimmer vollständig bewohnbar war. Es<br />

musste noch jede Menge ausgepackt werden. Wieder fiel sein Blick auf das<br />

Dachfenster, welches sich unmittelbar über seinem Bett befand. Die ersten<br />

Sonnenstrahlen blitzten hindurch und ein blauer Himmel versprach einen<br />

schönen Tag.<br />

Doch was saß dort an der Fensterscheibe? Es war ein Schmetterling in<br />

leuchtend schönen Farben, die durch das Sonnenlicht noch bunter erstrahlten.<br />

<strong>Kai</strong> war entzückt und konnte nicht wegschauen. Es sah aus, als genoss der<br />

Schmetterling die Wärme der Sonne. Er breitete weit seine Flügel aus, faltete<br />

sie wieder zusammen und verharrte eine ganze Weile still an der Scheibe.<br />

<strong>Kai</strong> dachte bei sich, dass er sich hier, wo die Natur so spürbar war, sicher<br />

sehr wohlfühlen könnte. So beschwingt stand er auf und beschloss, dass er<br />

diesen schönen Tag genießen wollte. Die Gedanken an die neue Schule<br />

waren beiseite geschoben und auch die damit verbundene Angst, die in<br />

letzter Zeit immer spürbarer wurde, da sein erster Schultag nur noch fünf<br />

Tage entfernt war.<br />

Als <strong>Kai</strong> die Treppe hinunterging sah er, dass seine Eltern fleißig am arbeiten<br />

waren. Wie es schien, hatten sie die halbe Nacht gearbeitet, denn ein Großteil


der Kartons war bereits ausgepackt und das Umzugsgut schon wieder an Ort<br />

und Stelle einsortiert.<br />

„Morgen <strong>Kai</strong>“, begrüßte ihn seine Mutter. „Na mein Schatz, wie hast du<br />

geschlafen?“<br />

„Tief und fest“, kam die Antwort.<br />

„<strong>Kai</strong>, in der Küche steht dein Frühstück und wenn du gegessen hast, nehmen<br />

wir beide dein Zimmer in Angriff, einverstanden?“<br />

<strong>Kai</strong> bejahte und ging in die Küche, wo sein Vater gerade dabei war, die<br />

Waschmaschine anzuschließen. Hier fanden sie sie besser aufgehoben als im<br />

Keller und für die Mutter war es auch bequemer so.<br />

„Morgen Pap´s“ sagte <strong>Kai</strong>,<br />

„Morgen mein Großer“, kam es von seinem Vater. „Was hast du dir für heute<br />

denn vorgenommen?“ fragte er.<br />

„Nach dem Frühstück gehe ich mit Mutter in mein Zimmer und wir fangen<br />

mit dem Aufräumen an“.<br />

„Na dann viel Spaß“ wünschte sein Vater.<br />

So geschah es auch und am späten Nachmittag waren fast alle Gegenstände<br />

an ihrem Platz. <strong>Kai</strong>s Bett stand direkt unter dem Dachfenster, das dem<br />

anderen gegenüberlag, aus dem <strong>Kai</strong> immer den Himmel sah. So leuchteten<br />

die Sterne nachts vor ihm und über seinem Haupt. Neben dem Bett stand ein<br />

Nachttischchen und unter dem zweiten Dachfenster war sein Schreibtisch<br />

aufgebaut. Unter dem Giebelfenster stand eine alte Truhe, die aus dem<br />

Nachlass von Tante Resi stammte. Diese Truhe war zwar verschlossen und<br />

ließ sich nicht öffnen, weil der Schlüssel noch nicht aufgetaucht war, aber<br />

das machte im Augenblick nichts. Sie sah einfach nur schön aus. An der<br />

verbleibenden Wand war <strong>Kai</strong>s Kleiderschrank aufgestellt, daneben noch eine<br />

Kommode und ein Bücherregal. Fleckerlteppiche bedeckten den Boden und<br />

alles miteinander harmonierte perfekt. An den Wänden hingen natürlich die<br />

Poster, die dem Ganzen eine etwas mystische Atmosphäre verliehen.<br />

Kurzum, es war gelungen.


Am Abend setzte <strong>Kai</strong> sich an seinen Schreibtisch und begann einen Brief an<br />

seinen Freund Markus zu schreiben.<br />

Lieber Markus,<br />

mein Zimmer ist jetzt fertig und ich sitze hier an meinem<br />

Schreibtisch und schreibe dir diesen Brief. Ich wünschte, du wärst<br />

hier und könntest sehen, wie toll es geworden ist. Aber es dauert ja<br />

nicht mehr lange und du kommst mich besuchen. Ich freue mich<br />

schon riesig darauf.<br />

Nächste Woche beginnt die Schule und ich bin schon gespannt, wie<br />

es hier ist. Ein bisschen Angst habe ich schon davor, vor all dem<br />

Neuen. Doch ich schreibe dir dann gleich wieder wie es war. Wenn<br />

das Telefon angeschlossen ist, rufe ich dich gleich an und du sagst<br />

mir, ob es mit deinem Computer geklappt hat, den du bekommen<br />

solltest. Dann können wir uns immer E-mails schicken und müssen<br />

nicht lange auf Post warten.<br />

Das war´s für heute.<br />

Dein Freund <strong>Kai</strong> (Blutsbruder)


<strong>Kai</strong> steckte den Brief in einen Umschlag, schrieb noch die Adresse auf und<br />

klebte ihn zu.<br />

Anschließend ging er damit zu seinem Vater und bat, ob dieser ihn am<br />

nächsten Tag einstecken könne. Den Wunsch erfüllte sein Vater ihm gern<br />

und zwischenzeitlich war es schon wieder an der Zeit schlafen zu gehen.<br />

Die neue Schule<br />

Die nächsten Tage verbrachte <strong>Kai</strong> unter anderem damit, ausgiebige<br />

Waldspaziergänge zu machen, in dem Wald, der ihm schon bekannt war,<br />

durch Wanderungen mit seinen Eltern, wenn sie früher Tante Resi besucht<br />

hatten. Schnell fand er heraus, dass es ihm hier immer sehr gut ging. Um ihn<br />

herum nur Natur. Für einen Jungen in seinem Alter war dies etwas<br />

Ungewöhnliches, dieses Empfinden für die Natur aufzubringen, aber so war<br />

<strong>Kai</strong> eben. Er genoss es geradezu, sich unter einen Baum ins Moos zu setzen,<br />

den Tieren des Waldes zuzuschauen, ob es sich hier um Eichhörnchen,<br />

Spechte oder Schmetterlinge handelte war egal, und seinen Tagträumen<br />

nachzugehen. Hier war es schön.<br />

Nun wurde es ernst. Der erste Schultag in der neuen Schule war da. <strong>Kai</strong> hatte<br />

die Nacht sehr schlecht schlafen können. Er war viel zu aufgeregt und die<br />

Gedanken, wie der Tag wohl ablaufen würde, beschäftigten ihn. Seine Mutter<br />

hatte ihn pünktlich geweckt. Er hatte sich bereits gewaschen und angezogen<br />

und saß nun in der Küche am Tisch. Er sollte frühstücken, bekam jedoch<br />

keinen Bissen hinunter. Seine Mutter steckte ihm das Schulbrot ein und er<br />

wurde am ersten Tag von seinem Vater in die Schule gefahren. Später würde<br />

er dann immer den Schulbus benutzen, der die Kinder aus dem Dorf<br />

mitnahm. Zu Beginn wollten seine Eltern ihm dies aber noch nicht zumuten.<br />

Da sein Vater an diesem Tag etwas später in der Firma sein musste, passte es<br />

auch ganz gut. Abholen wollte ihn dann seine Mutter, die inzwischen auch<br />

ein kleines Auto für die, zu tätigenden Einkäufe besaß.<br />

Sie fuhren also zur Schule. Von der Fahrt bekam <strong>Kai</strong> nichts mit. Dann war es<br />

soweit. Der Wagen hielt an und <strong>Kai</strong> schaute auf ein rotes Backsteingebäude,<br />

das von einem hohen Zaun umgeben war und vor dem Eingang wuselte es<br />

von Kindern, die auf dem Weg in ihre Klassenzimmer waren.<br />

„Nun <strong>Kai</strong>, soll ich dich hinein- begleiten?“ fragte der Vater.<br />

„Nein“, kam zur Antwort, „sonst haben sie gleich einen Grund mich zu<br />

hänseln“.<br />

„Na gut, dann wünsche ich dir einen schönen ersten Schultag. Mache deine<br />

Sache gut. Zu Hause erwartet dich heute dann deine Schultüte. Die wolltest<br />

du ja nicht dabei haben“.


<strong>Kai</strong>s Vater lachte, gab <strong>Kai</strong> noch einen Kuss und ließ ihn aussteigen.<br />

<strong>Kai</strong> hatte das Gefühl, als wären seine Beine aus Blei. Mit jedem Schritt auf<br />

das Schulgebäude zu raste sein Puls schneller und es fühlte sich an, als würde<br />

jeden Moment sein Herz herausspringen. Er hatte die große Eingangstreppe<br />

erreicht. Bisher hatte er keines der Kinder um ihn herum wahrgenommen.<br />

Sein Ziel war es, ins Klassenzimmer zu gelangen. Der Weg war ihm genau<br />

beschrieben worden, sodass er wusste, wo es langging. Da stand er nun. Die<br />

Tür zur Klasse war geschlossen. Er nahm allen Mut zusammen und klopfte.<br />

„Herein“ hörte er eine Stimme rufen und er öffnete die Tür.<br />

Da saßen sie alle, seine neuen Mitschüler und alle guckten bloß auf <strong>Kai</strong>. Der<br />

Lehrer trat ihm entgegen, legte den Arm um seine Schultern und sagte:<br />

“Liebe Kinder, darf ich euch euren neuen Klassenkameraden, <strong>Kai</strong> Hellsing,<br />

vorstellen? <strong>Kai</strong> ist mit seinen Eltern nach Moosen gezogen und gehört ab<br />

heute zu unserer Gemeinschaft.“ Zu <strong>Kai</strong> gewandt sagte er: “<strong>Kai</strong>, mein Name<br />

ist Herr Krüger und ich heiße dich willkommen bei uns. Schau mal, dort<br />

neben dem Peter ist noch ein Platz frei, wenn du dich da hinsetzen möchtest?<br />

Peter, sei so nett und zeige <strong>Kai</strong> wo er seine Sachen unterbringen kann. <strong>Kai</strong><br />

wird uns in den nächsten Tagen bestimmt erzählen, wie es in seiner alten<br />

Schule war und wie weit er mit dem Unterrichtsstoff ist. Doch heute soll er<br />

sich erst einmal umschauen und mit allem vertraut machen.“<br />

Mit diesen Worten war die Vorstellung beendet und <strong>Kai</strong> steuerte mit sturem<br />

Blick auf den freien Platz zu. Hier saß er nun und bemerkte, wie ihn die<br />

Klassenkameraden beäugten. Na, das kann ja heiter werden dachte er bei<br />

sich und legte das Schulbuch vor sich hin, wie es Herr Krüger verlangt hatte.<br />

In der ersten Stunde war Mathematik angesagt und die Sachen, die hier<br />

durchgenommen wurden, waren <strong>Kai</strong> schon bekannt, sodass er alles gut<br />

verfolgen konnte. So verhielt es sich auch in den Folgestunden. Hier gab es<br />

also wenig Probleme, aber die Pausen. <strong>Kai</strong> stand ganz allein in einer Ecke<br />

des Schulhofes und die anderen bildeten Cliquen. Sie schauten zu <strong>Kai</strong><br />

hinüber, tuschelten und lachten.<br />

Vielleicht konnte man vom ersten Schultag ja nicht mehr verlangen, tröstete<br />

sich <strong>Kai</strong> und war froh, als die Schule beendet war und seine Mutter vor dem<br />

Schulgebäude bereits auf ihn wartete.<br />

„Na, mein Schatz, wie war´s?“ begrüßte sie ihn.<br />

„Es ging so. Der Lehrer ist ja ganz nett“.<br />

Die Mutter hatte zwar erwartet, dass mehr von <strong>Kai</strong> kam, aber ließ ihn<br />

schließlich auch in Ruhe, denn sie wusste wie schwer dieser Tag für ihn war.<br />

Zu Hause wurde <strong>Kai</strong> dann doch gesprächiger und erzählte von der<br />

Begrüßung und Vorstellung und auch, dass er in den Pausen allein rumstand.<br />

Die Mutter tröstete ihn aber wieder einmal und sagte, dass dies am ersten Tag<br />

ganz normal sei und mit der Zeit würde er bestimmt Freunde finden.


Dem war aber nicht so. Die Tage und Wochen vergingen und <strong>Kai</strong> fühlte sich<br />

nach wie vor als Außenseiter. Durch seine ruhige, verträumte Art wurde es<br />

fast noch schlimmer. Zum großen Teil waren es Bauernburschen, die die<br />

Schulbank mit <strong>Kai</strong> teilten, und die konnten mit einem Stadtjungen wie <strong>Kai</strong> es<br />

war, der außerdem noch still war, gar nicht viel anfangen. Im Gegenteil, sie<br />

begannen sogar ihm Spitznamen, wie Träumer oder Schweiger zu geben.<br />

Kinder können grausam sein, ohne dass es ihnen bewusst wird.<br />

Doch nun standen schon die Herbstferien vor der Tür und <strong>Kai</strong> konnte es<br />

kaum erwarten, seinen allerbesten Freund Markus wiederzusehen. Je näher<br />

die Ferien kamen, umso fröhlicher wurde <strong>Kai</strong> und schließlich war es soweit.<br />

Markus war da. Na das war eine Wiedersehensfreude, viel schlimmer als<br />

damals, als <strong>Kai</strong> von Tante Resis Beerdigung zurückkam. Die beiden liefen<br />

johlend durchs Haus, als wäre ein ganzer Indianerstamm unterwegs und<br />

Markus war beeindruckt von <strong>Kai</strong> seinem neuen Heim. <strong>Kai</strong>s Zimmer war -<br />

ganz große Klasse - wie Markus sich auszudrücken pflegte. Beide erlebten<br />

unvergessene Ferien. Sie waren den ganzen Tag im Wald unterwegs. Obwohl<br />

Markus eher der Typ war, der gern Räuber und Gendarm spielte und <strong>Kai</strong><br />

lieber alles etwas ruhiger anging, ergänzten sie sich prima und hatten den<br />

größten Spaß miteinander. Sie machten Laubschlachten, erkundeten<br />

Erdhöhlen, aber beobachteten auch die Waldbewohner. Von <strong>Kai</strong> aus hätte<br />

diese Zeit nie enden sollen, aber auch sie war einmal vorbei.<br />

Der Abschied von Markus war wieder sehr schwer und mit dem Ferienende<br />

wurde aus dem, so fröhlichen <strong>Kai</strong>, wieder ein ehr verschlossenes, beinahe<br />

bekümmertes Kind.<br />

Durch die Hänseleien seiner Klassenkameraden wurde der Zustand in<br />

keinster Weise verbessert, im Gegenteil, je mehr sie sich über <strong>Kai</strong> lustig<br />

machten, um so mehr zog <strong>Kai</strong> sich zurück und geriet dadurch in einen<br />

Kreislauf, der nicht aufzuhalten war. Seine Noten verschlechterten sich auch<br />

ständig. <strong>Kai</strong>s Eltern bemerkten die Veränderung natürlich auch und machten<br />

sich Sorgen. Sie trugen sich schon mit dem Gedanken, <strong>Kai</strong> auf eine andere<br />

Schule zu schicken, wenn sich der Zustand nicht verbesserte. Dies würde<br />

aber einen erneuten Schulwechsel bedeuten, der zu weiteren Belastungen<br />

führte und so warteten sie noch ab.<br />

Es war im Frühjahr, als <strong>Kai</strong> eines Tages von seinem Lehrer mitgeteilt bekam,<br />

dass er wohl nicht versetzt würde, wenn seine Noten sich nicht verbessern<br />

würden. Nun brach alles über <strong>Kai</strong> zusammen und er beschloss, nicht mehr<br />

nach Hause zu gehen, denn er wollte seine Eltern doch nicht enttäuschen und<br />

er meinte fest, dies mit der gefährdeten Versetzung zu tun.


Statt nach Hause, ging <strong>Kai</strong> in den Wald, den Ort, wo er sich immer wohl<br />

gefühlt hatte. Nur heute war dies auch anders. <strong>Kai</strong> achtete auf keinen Weg,<br />

ging orientierungslos immer weiter und weiter. Inzwischen war schon eine<br />

Stunde verstrichen. Plötzlich stolperte er über eine Baumwurzel, die sich auf<br />

dem Waldboden ausbreitete und prallte beim Sturz mit dem Kopf auf einen<br />

Stein.<br />

Reglos lag <strong>Kai</strong> auf dem moosbedeckten Boden. Wie lange vermag niemand<br />

zu sagen.<br />

Serafina<br />

Er wurde durch ein märchenhaftes Surren und ein warmes, helles<br />

Sonnenlicht geweckt. Als er, noch immer benommen, die Augen öffnete,<br />

kam es ihm vor, als würde er träumen. Die Wärme des Lichtes durchfloss<br />

seinen ganzen Körper und die traurigen Gedanken von vorhin waren wie<br />

weggeblasen. Er richtete sich langsam auf und schaute sich um.<br />

Er sah eine grüne Wiese mit blühenden, wohlriechenden Blumen, umragt von<br />

hohen Bäumen, die einen Kreis bildeten, so, als ob sie diesen Ort bewachen und<br />

vor Eindringlingen schützen wollten. Kleine Felsen waren zu erkennen und aus<br />

ihnen sprudelte eine Quelle, die einen schmalen Bach bildete. Das Plätschern<br />

des Wassers, das Zwitschern der Vögel und dieses merkwürdige Surren hörten<br />

sich an, wie eine Melodie – eine Melodie, die kein Instrument auf der Welt<br />

wiedergeben konnte. Sie war so rein und so vollendet, dass man eins wurde mit<br />

der Natur.<br />

Doch was war das? War es ein Schmetterling oder eine Libelle, was gerade<br />

knapp an <strong>Kai</strong>s Kopf vorbeihuschte? <strong>Kai</strong> meinte auch ganz leise seinen Namen<br />

gehört zu haben. Oder war es nur Einbildung und der Sturz auf den Stein zeigte<br />

noch seine Auswirkung? Dies war <strong>Kai</strong> im ersten Moment plausibler und er<br />

dachte nicht weiter nach. Doch da war es wieder, dieses leise Surren und eine<br />

engelhafte Stimme flüsterte seinen Namen –<br />

„ <strong>Kai</strong>“.<br />

Er schaute sich um und sah auf einem kleinen Felsen etwas sitzen, was er nie<br />

zuvor gesehen hatte. Er rieb sich die Augen und schaute erneut zu dem Platz und<br />

da saß es immer noch, ein kleines Etwas, das er nirgends zuordnen konnte und<br />

das erneut seinen Namen rief.<br />

Ohne Angst ging <strong>Kai</strong> langsam auf den Felsen zu und erkannte ein winziges,<br />

mädchenhaftes Wesen.


Es hatte lange blonde Haare, die Goldfäden ähnelten und zarte, fast<br />

durchsichtige Flügel. Sein Kleidchen glich Blumenblättern. Es wirkte so<br />

zerbrechlich.<br />

„Wer bist du“? fragte <strong>Kai</strong> ohne Scheu und dies entzückende kleine Ding<br />

antwortete:<br />

“Das werde ich dir erzählen, wenn du dich zu mir gesetzt hast – und habe keine<br />

Furcht“.<br />

<strong>Kai</strong> folgte der Aufforderung, und ohne dieses Wesen aus den Augen zu<br />

verlieren, setzte er sich vorsichtig neben ihm auf den Felsen. Da begann es zu<br />

erzählen:<br />

„Mein Name ist Serafina und ich bin eine von vielen Elfen im Elfenland, im<br />

dem du dich befindest. Wir dürfen uns den Menschen eigentlich nicht<br />

zeigen, denn wenn bekannt wird, dass es uns gibt und alle Menschen dieses<br />

Wissen über uns erlangen, sterben wir und das Elfenland verschwindet für<br />

immer. Die Ausnahme sind einzelne, die reinen Herzens sind. Nur zu Menschen<br />

mit wahren Gefühlen und Empfindungen für die Natur, die so ein bisschen<br />

zurückgezogen sind wie du, können wir Verbindung aufnehmen. <strong>Kai</strong>, du bist<br />

eine dieser Ausnahmen. Deine Traurigkeit, deine Einsamkeit und die<br />

Verzweiflung in dir, haben wir schon lange wahrgenommen. In Wahrheit<br />

möchtest du nicht fortlaufen und alles ungeklärt zurücklassen und deinen Eltern<br />

Kummer bereiten. Du bist ein gutes Kind, das im Moment nur keinen Ausweg<br />

fand. Ich werde dir helfen. Doch zuvor musst du mir eines versprechen, was<br />

auch passiert, niemals, und ich meine niemals, darfst du irgendjemandem von<br />

uns erzählen, denn ich habe es schon angedeutet, das wäre unser Tod.“<br />

<strong>Kai</strong> lauschte Serafinas Worten, ohne einen Laut von sich zu geben. Er war so<br />

überwältigt von der Situation und natürlich den Ausführungen Serafinas und, er<br />

hatte verstanden. Er versprach niemals etwas zu erzählen.<br />

Serafina sprach weiter und jedes Wort setzte sich bei <strong>Kai</strong> fest, als ob es von ihm<br />

selbst käme und mit den Worten verstand er und fühlte alles, was ihm<br />

vorgetragen wurde. Die kleine Elfe erklärte ihm, dass viele Dinge, die sich in<br />

letzter Zeit ereignet hatten, Probleme verursachten, aber es nichts war, was man<br />

nicht lösen oder ändern konnte.<br />

So fuhr sie fort:<br />

“<strong>Kai</strong>, denke mit deinem Herzen. Lasse andere Menschen an dich heran und gehe<br />

auf die Scherze deiner Klassenkameraden ein. Du wirst merken, dass sie dich<br />

bald mit anderen Augen sehen werden und du einer von ihnen wirst. Durch<br />

deine Art hast du ihnen Gelegenheit gegeben, sich über dich lustig zu machen.<br />

Mach die Späße mit und bleib nicht immer außen vor, denn es liegt an jedem<br />

selbst, wie er aufgenommen wird. Du musst daran arbeiten und kannst nicht von<br />

den anderen erwarten, dass sie sich auf dich einstellen. Hast du das einmal<br />

erreicht, ist der Kreis durchbrochen. Deine Leistungen in der Schule werden sich<br />

bessern und du wirst ein guter Schüler sein, wie du es immer warst. Wenn die<br />

Freude wieder in dein Herz zurückgekehrt ist, ergibt sich alles von allein.


Doch nun <strong>Kai</strong> wird es Zeit für dich. Deine Eltern machen sich sicher schon<br />

Gedanken. Wir werden uns wiedersehen und dort weitermachen, wo wir heute<br />

aufgehört haben. Wenn du den Wunsch hast ins Elfenland zu kommen, schließe<br />

einfach die Augen und denke intensiv an diesen Ort, dann wirst du bei uns sein.<br />

Dann stelle ich dir auch das Elfenvolk vor und erzähle dir mehr von uns.<br />

Nun schließe deine Augen und wir bringen dich zurück an den Waldesrand. Und<br />

denke daran, zu niemandem ein Wort“.<br />

<strong>Kai</strong> war wie umgewandelt. Er verabschiedete sich von Serafina, schloss die<br />

Augen und schlief ein.


Als er aufwachte, war er am Rand des Waldes und hörte aufgeregte Stimmen.<br />

Alle liefen umher und schrien seinen Namen.<br />

<strong>Kai</strong> stand auf und rief:<br />

“Hallo, ich bin hier“.<br />

Seine Mutter war als erste bei ihm. Aufgeregt nahm sie ihn in den Arm und<br />

stammelte:<br />

“<strong>Kai</strong> mein Junge, wo warst du nur? Wir haben uns solche Sorgen gemacht. Das<br />

ganze Dorf ist in Aufruhr, alle haben dich gesucht. Was ist passiert“?<br />

„Ach Mutti, nichts weiter. Ich bin nach der Schule noch ein bisschen im Wald<br />

herumspaziert, habe mich unter einen Baum gesetzt, mein Deutschbuch<br />

herausgenommen um ein wenig darin zu lesen und bin dabei fest eingeschlafen.<br />

Es tut mir leid, wenn ich euch Sorgen bereitet habe, das wollte ich nicht“,<br />

antwortete <strong>Kai</strong>.<br />

Mit Tränen in den Augen sagte seine Mutter:<br />

“Ich habe mir große Sorgen gemacht, weil ich es von dir nicht gewohnt bin, dass<br />

du nicht pünktlich nach Hause kommst und dann vermutet man ja immer gleich,<br />

dass etwas passiert ist. Aber die Hauptsache ist, du bist gesund wieder da.“<br />

Sie drückte ihren <strong>Kai</strong> ganz fest an sich.<br />

Inzwischen waren die Nachbarn auch versammelt und eine Erleichterung<br />

machte sich bei ihnen breit. Alle freuten sich, dass es diesen Ausgang gefunden<br />

hatte und lachten, nahmen <strong>Kai</strong> in den Arm, drückten ihn und er spürte, dass es<br />

alles nette Menschen waren, die er nun nicht mehr als Fremde betrachtete,<br />

sondern als liebe Leute.<br />

Unter ihnen war auch Peter, sein Tischnachbar aus der Schule, denn Peter war<br />

der Sohn eines Nachbarn. Erst guckte er <strong>Kai</strong> verdutzt an, begann dann aber zu<br />

lächeln. <strong>Kai</strong> erwiderte dies Lächeln und beide gingen aufeinander zu.<br />

„Hallo <strong>Kai</strong>“, begann Peter zu sprechen, „hast ja allen Leuten ´nen ganz schönen<br />

Schrecken eingejagt. Solch einen Aufstand im Dorf haben wir noch nie<br />

geschafft.“<br />

„Dabei habe ich doch gar nichts angestellt“ antwortete <strong>Kai</strong>.<br />

„Na, das ist es ja“, meinte Peter „wir müssen uns immer etwas einfallen lassen<br />

um Aufmerksamkeit zu erreichen und bei dir geht es ganz von allein“.<br />

Beide Jungen lachten und beschlossen, sich mal bei <strong>Kai</strong> zu treffen und ein<br />

Gameboyspiel gegeneinander auszutragen.<br />

Nun war das Eis gebrochen und <strong>Kai</strong> hatte einen neuen Kameraden.<br />

In der Schule sprach sich die Geschichte natürlich auch herum und <strong>Kai</strong> war nun<br />

kein Außenseiter mehr, sondern mittendrin in der Schar. Genau so hatte es die<br />

Elfe vorhergesagt.


Natürlich telefonierte er regelmäßig mit seinem Blutsbruder Markus. Der war<br />

bestens über alles informiert. Aber auch ihm, seinem engsten und besten Freund,<br />

erzählte <strong>Kai</strong> nicht ein Wort über das Elfenland und über Serafina.<br />

Das Geheimnis der Truhe<br />

Es war ein wunderschöner Frühlingstag und <strong>Kai</strong> saß nachmittags auf der<br />

Gartenbank, als ihn die Sehnsucht nach dem Elfenland überfiel. Er ging zu<br />

seiner Mutter in die Küche und erklärte:<br />

“Mutti, es ist so schönes Wetter, ich gehe noch ein Weilchen im Wald<br />

spazieren“.<br />

„Ist gut <strong>Kai</strong>, sei aber pünktlich zum Abendbrot wieder zu Hause“ entgegnete<br />

seine Mutter.<br />

<strong>Kai</strong> versprach es und ging los.<br />

Im Wald angekommen, setzte er sich unter einen Baum, schloss die Augen und<br />

dachte ganz fest an das Land der Elfen. Er schlief ein. Als er erwachte, fand er<br />

sich an dem bekannten Platz wieder. Serafina lag in einem Vogelnest und ließ<br />

sich von den Sonnenstrahlen bescheinen. Ringsherum trällerten kleine bunte<br />

Vögel ihr Lied und Serafina lauschte ihrem Gesang.<br />

Als sie <strong>Kai</strong> erblickte, schwebte sie auf ihn zu.<br />

„Hallo <strong>Kai</strong>, schön dass du hier bist. Dann kann ich ja heute dort weitererzählen,<br />

wo ich letztes Mal aufgehört habe. Außerdem wollte ich dich ja auch noch mit<br />

den anderen Elfen bekannt machen. Aber bevor ich anfange möchte ich wissen,<br />

ob du irgendwelche Fragen hast, die ich dir beantworten kann“.<br />

„Ja, da wäre schon etwas was ich gern wüsste“, brachte <strong>Kai</strong> zögernd hervor.<br />

„Und das wäre?“ wollte Serafina wissen.<br />

„Na ja“, druckste <strong>Kai</strong> herum, „du hast alles über mich gewusst, wer ich bin, wo<br />

ich wohne, wie ich bin und auch über die Angst mit der Schule. Woher?“<br />

„Sieh mal <strong>Kai</strong>“, begann Serafina ihre Antwort „wir Elfen haben verschiedene<br />

Gaben. Wir können mit unserem Lichtstab zaubern, Wünsche erfüllen und<br />

können Träume bescheren, die für den Träumenden zu einem realen Erlebnis<br />

werden. Unter anderem können wir auch eine andere Gestalt annehmen, oder<br />

unsere Größe verändern.“<br />

Im selben Augenblick wurde aus dem kleinen Wesen eine Elfe, die fast die<br />

Größe von <strong>Kai</strong> hatte.<br />

„Diese Größe werde ich immer annehmen, wenn du hier bist, dann lässt es sich<br />

angenehmer reden.“, erklärte sie kurz und fuhr fort: „Wir können uns in<br />

Schmetterlinge, Vögel, Frösche, oder in ein anderes Tier verwandeln und auch<br />

zu Pflanzen werden. So können wir uns unter die Menschen wagen, ohne<br />

entdeckt zu werden. Dies ist aber auch nicht ganz ungefährlich, denn, wenn wir


in anderer Gestalt gefangen werden oder wir uns verletzen und dadurch keine<br />

Möglichkeit haben ins Elfenland zurückzukommen, sind wir verloren. Dann<br />

sterben wir.<br />

Aber um auf deine Frage zurückzukommen, kannst du dich an die kleine Meise<br />

im Birnbaum erinnern, die dir durch ihr Geträller aufgefallen war, oder an den<br />

Schmetterling an deinem Fenster? Das waren wir. Wir beobachten dich schon<br />

seit langer Zeit. Immer, wenn du bei Tante Resi zu Besuch warst. Stets waren<br />

wir in deiner Nähe. Darum wissen wir so viel über dich. <strong>Kai</strong>, du bist schon seit<br />

langem auserwählt, das Elfenland kennenzulernen. Nur mussten wir auf den<br />

richtigen Zeitpunkt warten“.<br />

Damit war <strong>Kai</strong>s Frage beantwortet, aber Serafina erzählte weiter:<br />

„Außer dir gibt es noch ein paar wenige Menschen, die das Elfenland kennen.<br />

Sie alle hüten dies Geheimnis und noch nie hat jemand etwas über uns erzählt,<br />

denn wir sind ja noch da. Diese Menschen begleiten wir ein Leben lang und<br />

stehen ihnen bei, wie sie uns. Zu diesen Menschen gehörte auch Tante Resi.<br />

Deine Großtante kannte alle Geheimnisse und hatte ein großes Wissen über das<br />

Elfenland und dessen Bewohner. Sie wusste auch, dass du eines Tages zu uns<br />

kommst. Darum hat sie alles, was sie von den Elfen erfahren und erhalten hat, in<br />

der Truhe, die in deinem Zimmer steht, für dich aufbewahrt. Der Schlüssel für<br />

diese Truhe befindet sich an einem geheimen Ort und du wirst ihn finden, wenn<br />

die Zeit gekommen ist. Du bekommst diese Truhe nur mit dem Schlüssel auf.<br />

Alle anderen Versuche wären zwecklos.“<br />

<strong>Kai</strong> war wieder total verblüfft und musste auch dieses Mal das Gehörte erst<br />

verarbeiten. Als er sich einigermaßen gefasst hatte bemerkte er, dass es Zeit für<br />

ihn wurde zurückzukehren, denn er hatte seiner Mutter schließlich versprochen,<br />

pünktlich zu Hause zu sein.<br />

Hier schien die Zeit wie im Fluge zu vergehen und wie schon beim ersten Mal,<br />

fühlte er sich auch heute so glücklich und zufrieden.<br />

„Serafina, ich muss nach Hause, meine Mutter erwartet mich, aber wenn ich<br />

darf, komme ich bald wieder“.<br />

„Ich weiß <strong>Kai</strong>, der Abendbrottisch ist schon gedeckt. Du musst dich sogar etwas<br />

sputen. Selbstverständlich kannst du uns jederzeit wieder besuchen. Ich habe es<br />

heute ja auch nicht geschafft, dich mit allen anderen bekannt zu machen. Das<br />

holen wir dann beim nächsten Mal nach. Und nun <strong>Kai</strong>, mach´s gut und schließe<br />

deine Augen.“<br />

Wie zuvor schlief <strong>Kai</strong> auch gleich ein und wurde am Waldesrand wieder wach.<br />

Freudig und beschwingt lief er nach Hause. Er war so ausgeglichen und<br />

glücklich, dass seine Mutter insgeheim dachte, wie gut ihrem Jungen die<br />

Waldspaziergänge bekamen.


Nach dem Essen unterhielt sich <strong>Kai</strong> noch mit seinem Vater. Sie berichteten<br />

gegenseitig, wie ihr Tag verlaufen war. Natürlich erzählte <strong>Kai</strong> nicht alles.<br />

Anschließend schauten sie alle noch etwas fern, bis es dann für <strong>Kai</strong> an der Zeit<br />

war, sich ins Bett zu begeben, um für den neuen Schultag ausgeschlafen zu sein.<br />

Als er im Bett lag, schaute er wie jeden Abend zum Himmel und dachte, dass<br />

die Sterne heute besonders hell strahlten. Dann fiel sein Blick noch auf die<br />

Truhe und über die Gedanken, was sie wohl verbirgt, schlief <strong>Kai</strong> ein.<br />

Fünkchen<br />

In der Schule ging es nun bergauf. <strong>Kai</strong> reagierte anders wie vorher. Nannte ihn<br />

noch einer von seinen Klassenkameraden Träumer, dann schloss er seine Augen,<br />

stützte seinen Kopf mit der Hand und rutschte dann absichtlich ab. So hatte er<br />

die Lacher auf seiner Seite und jeder überlegte es sich dann, ihn noch einmal so<br />

zu nennen. Er ging eben auf diese Dinge ein und wurde mehr und mehr<br />

akzeptiert. Genauso hatte Serafina es geschildert. Er hatte wieder Freude an der<br />

Schule und war auch kein Außenseiter mehr. Mit Peter hatte er sich nun enger<br />

angefreundet und es kam vor, dass die beiden öfter gemeinsam Hausaufgaben<br />

machten. Entweder saßen sie bei <strong>Kai</strong> im Zimmer, oder aber bei Peter. Hier<br />

hatten sie jedoch weniger Ruhe, weil in der Landwirtschaft immer etwas anfiel,<br />

was zu tun war. So kam es auch schon vor, dass <strong>Kai</strong> half, den Stall auszumisten.


In einer Dachspalte bemerkte er ein Schwalbennest und dachte sofort an seine<br />

Elfen. Er konnte ja nicht sicher sein, ob es wirklich nur Schwalben waren. Dann<br />

packte ihn die Sehnsucht nach dem Elfenland. Er suchte einen Vorwand um<br />

nach Hause zu müssen, sagte dort Bescheid, dass er noch einen kleinen<br />

Waldspaziergang machen wollte, und begab sich auf den Weg.<br />

Wie immer wurde er herzlich von Serafina empfangen. Sie spürte, dass es <strong>Kai</strong><br />

schon viel besser ging und dieses Mal führte sie ihn durch ihr Land.<br />

Viele Elfen schwirrten herum und waren emsig damit beschäftigt alles in<br />

Ordnung zu halten. Sie versorgten die Pflanzen, umhegten die Vögel und<br />

sammelten Honig, Beeren und Wurzeln, für den Eigenbedarf. Jede Elfe die sie<br />

trafen, begrüßte <strong>Kai</strong> und er war einfach glücklich.<br />

„Schau mal“, machte Serafina <strong>Kai</strong> aufmerksam, „dort in der Blume, dass ist eine<br />

unserer kleinsten Elfchen.“<br />

<strong>Kai</strong> ging ein Stückchen näher an die Blüte heran und sah ein winziges Elfenkind<br />

schlafend auf den Blütenpollen liegen.<br />

Er war so fasziniert, dass er seinen Kopf ganz nah rüberbeugte, um auch alles<br />

betrachten zu können. In diesem Moment öffnete die kleine Elfe die Augen,<br />

erschrak, stieß einen kleinen Schreckenslaut aus und es entstand ein<br />

Funkenregen aus vielen, vielen kleinen Lichtpunkten. Es fühlte sich an, als<br />

zerplatzte eine Seifenblase. Auch <strong>Kai</strong> bekam einen Schreck und mit weit<br />

aufgerissenen Augen schaute er zu Serafina. Als diese sein Gesicht sah, fing sie<br />

hell an zu lachen und erklärte:<br />

„Das ist unser Fünkchen. Wenn Fünkchen erschrickt, macht es sich unsichtbar.<br />

Dies ist auch eine Gabe die wir Elfen besitzen, um uns bei Gefahr schützen zu<br />

können. Fünkchen ist noch sehr klein und muss erst lernen mit dieser Gabe<br />

umzugehen. Wenn es sich jetzt unsichtbar macht, gleicht es noch fast einer<br />

Explosion.“<br />

Inzwischen musste <strong>Kai</strong> über diesen Vorfall und über sich selbst auch lachen und<br />

die Heiterkeit übertrug sich auf die ganze Umgebung.<br />

Serafina deutete nun auf einen Rosenzweig. Hinter einem der Rosenblätter<br />

schaute ein vorwitziges Näschen hervor.<br />

„Siehst du <strong>Kai</strong>, da ist Fünkchen. Die Neugierde ist doch immer noch größer wie<br />

die Furcht“.<br />

Zu Fünkchen zugewandt rief sie: “Fünkchen du Angsthase, komm´ hervor, ich<br />

möchte dich mit <strong>Kai</strong> bekannt machen. Er ist ein lieber Junge, der Einlass in<br />

unser Reich erlangt hat und uns öfter besuchen wird.“<br />

Ungestüm brauste Fünkchen nun heran, umkreiste ein paar Mal <strong>Kai</strong>s Kopf,<br />

bevor es sich auf seiner Schulter niederließ.<br />

„Hallo <strong>Kai</strong>“ wisperte das kleine Wesen „spielst du mit mir?“<br />

„Später“, erwiderte Serafina, „erst einmal möchte ich <strong>Kai</strong> noch weiter<br />

herumführen.“


„Schade“, beklagte Fünkchen und schwirrte davon, um sich einen anderen<br />

Spielkameraden zu suchen.<br />

Auf ihrem weiteren Weg trafen sie einen emsigen kleinen Elf, der geschäftig<br />

von einem Blütenblatt zum anderen sauste, um die Blumen vom Schmutz zu<br />

befreien. Serafina stellte ihn als Pünktchen vor. Den Namen bekam er, weil er<br />

unzählige Sommersprossen auf seiner kleinen Nase hatte. Warum er so fleißig<br />

putzte erklärte Serafina so:<br />

„Unser Pünktchen hat die Aufgabe, auf diese Art und Weise die Blumen zu<br />

vermehren. Er bestäubt so die Blüten und hilft gleichzeitig den Pflanzen ihre<br />

Samen zu verstreuen. Diese Aufgabe obliegt auch den Bienen, aber bei dieser<br />

Vielfalt von Pflanzen unterstützt er sie bei der Arbeit. Dafür dürfen wir uns dann<br />

an ihrem Honig bedienen.“<br />

Serafina benutzte ihren Lichtstab und vor ihnen erschien eine Schüssel, mit<br />

leuchtend gelbem Honig.<br />

„Koste einmal“ bot sie <strong>Kai</strong> an.<br />

Dieser naschte gern von der Köstlichkeit und war sichtlich begeistert.<br />

Gestärkt setzten sie ihren Spaziergang fort.<br />

Am Wegesrand stießen sie auf einen kahlen Strauch, der wie vertrocknet aussah.<br />

Die blattlosen Zweiglein wirkten sehr unwirklich, in der sonst prächtig<br />

blühenden Umgebung. Serafina setzte ihren Lichtstab erneut ein und der Strauch<br />

erwachte zum Leben. Seine Schönheit übertraf alles bisher Gesehene. Er trug<br />

jede Menge goldgelber Glockenblümchen, die in der Sonne schimmerten und<br />

ein leichter Windhauch versetzte diese in Schwingungen. Ein Konzert aus<br />

verschiedenen Glockenklängen setzte ein. Dies Klingen war so zart und rein,<br />

dass es sofort das Herz berührte.<br />

„Dieser Strauch zählt zu unseren Kostbarkeiten“, erklärte Serafina, „ihn gibt es<br />

nur im Elfenland. Aus diesem Grund schützen wir ihn auch und lassen ihn nur<br />

ab und zu erblühen, damit er uns immer erhalten bleibt.“<br />

<strong>Kai</strong> war wie immer überwältigt. Bei jedem Besuch im Elfenland lernte er etwas<br />

hinzu und erfuhr auch immer mehr über das Leben der Elfen.<br />

Als er sich heute von Serafina verabschiedete sagte sie zu ihm:<br />

“<strong>Kai</strong>, wenn du heute zu Bett gehst, öffne ein Fenster. Wir haben eine<br />

Überraschung für dich. Frage aber nicht, sondern nimm alles was passiert als<br />

gegeben hin.“<br />

<strong>Kai</strong>s Neugierde war natürlich geweckt, aber brav folgte er den Anweisungen<br />

Serafinas, denn bisher hatte alles, was sie sagte, einen Sinn.<br />

Zu Hause angekommen traf <strong>Kai</strong> seine Eltern bei der Gartenarbeit an. „Hallo<br />

<strong>Kai</strong>“, begrüßte ihn sein Vater, der es sich nicht hat nehmen lassen, nach der


Arbeit noch ein bisschen zu helfen, die Blumenbeete in Ordnung zu bringen,<br />

„hast du einen schönen Tag gehabt?“<br />

„ Er war wunderschön.“ kam zur Antwort. „Darf ich auch ein bisschen helfen?“<br />

„Aber klar“, begann seine Mutter, „uns ist jeder Helfer willkommen.“<br />

Die Eltern schauten sich an und man konnte ihre Gedanken lesen. Sie waren<br />

froh und glücklich über die positive Wandlung ihres Sohnes. Alle Ängste, dass<br />

er diesen Umzug und die Veränderungen nicht verkraften könnte, waren dahin.<br />

Sie blieben noch eine Weile im Garten, bis es Zeit fürs Abendessen wurde und<br />

sie sich ins Haus zurückzogen.<br />

Die Überraschung<br />

Als <strong>Kai</strong> nach diesem Tag ins Bett ging, öffnete er, wie Serafina es ihm<br />

aufgetragen hatte, ein Fenster. Ungeduldig wartend auf die Überraschung wollte<br />

er nicht einschlafen. Er kämpfte gegen die Müdigkeit an, wurde letztendlich<br />

aber doch vom Schlaf übermannt.<br />

Er schlief tief und fest, als ein Glühwürmchen durch das offene Fenster in sein<br />

Zimmer schwebte. Es war Serafina. Über <strong>Kai</strong>s Kopf schüttelte sie aus einem<br />

kleinen Säckchen Traumsand aus. Dieser funkelte wie lauter winzig kleine<br />

Diamanten. Dann verließ sie das Zimmer wieder, flog durch das Fenster nach<br />

Hause.<br />

<strong>Kai</strong> war nun im Traumland. Er befand sich inmitten eines nebelumwogenen<br />

Waldes. Den Mittelpunkt bildete ein See, der im schimmernden Mondlicht<br />

silbrig glänzte. Um das Wasser herum hatten sich Einhörner versammelt. Eines<br />

von ihnen kam langsam auf <strong>Kai</strong> zu. Er streichelte es an den Nüstern und konnte<br />

die Gedanken dieses wunderschönen Tieres verstehen. Er sollte aufsitzen und<br />

mit der Herde reiten. Dies ließ sich <strong>Kai</strong> nicht zweimal anbieten. Er schwang sich<br />

auf den Rücken des Hengstes und auf ging es zu einem atemberaubenden Ritt.<br />

Die Hufe der Einhörner stampften auf den Waldboden, dass dieser erzitterte und<br />

sie durchquerten den Wald. Das Tempo, das sie dabei erreichten, glich einem<br />

Flug und <strong>Kai</strong> hätte nicht sagen können, ob sie sich nicht auch wirklich in die<br />

Luft erhoben. Der Wind fegte ihm durch´s Haar und er fühlte den Luftstrom am<br />

ganzen Körper. Auch die Mähnen der Einhörner flatterten im Wind. Der Ausritt<br />

endete am Wasser, wo er begonnen hatte. <strong>Kai</strong> stieg ab und setzte sich an den<br />

Rand des Sees. Die Einhörner bildeten nun einen Kreis um das Gewässer herum.<br />

Es wurde eine Sphärenmusik hörbar und aus der Mitte des Sees erhob sich eine<br />

Seerose, auf der ein leuchtender Kristall lag. Das Einhorn, das <strong>Kai</strong> getragen<br />

hatte, betrat nun das Wasser und ging auf die Seerose zu. Mit dem Kopf schob<br />

es sie in die Richtung von <strong>Kai</strong> ans Ufer. Mit den Gedanken bedeutete es <strong>Kai</strong>,


dass der Kristall nun ihm gehört und er ihn aufheben und gut darauf acht geben<br />

soll. Wenn es an der Zeit ist, wird <strong>Kai</strong> das Geheimnis und die Macht des<br />

Kristalls erfahren. Solange er nicht eingesetzt wird, unterscheidet er sich nicht<br />

von einem ganz gewöhnlichen Stein. Als <strong>Kai</strong> den Kristall in den Händen hielt,<br />

löste sich das Bild auf.<br />

<strong>Kai</strong> erwachte. Natürlich lag er in seinem Bett und natürlich hatte er nur<br />

geträumt, obwohl er solch einen spürbaren Traum nicht kannte. Noch ganz<br />

verschlafen schaute er sich um. Er war vor dem Wecker wach, was auch selten<br />

vorkam. Sein Blick blieb an einem seiner Poster haften. Das war es, das war<br />

genau der Platz, der in seinem Traum vorkam. Mit Hilfe dieses Bildes von den<br />

Einhörnern würde er immer an diesen Traum erinnert. <strong>Kai</strong> war plötzlich ganz<br />

munter und als er seinen Wecker ausstellen wollte, sah er auf seinem<br />

Nachttischchen einen faustgroßen Stein liegen. Was war da passiert? Serafina<br />

hatte zu ihm gesagt, frage nicht und nimm alles so hin. Diese Worte fielen ihm<br />

nun ein und er befolgte sie. Er stand auf, nahm den Stein und legte ihn zu<br />

anderen Dingen, die er im Laufe von Jahren gesammelt hatte, in sein Regal.<br />

Anschließend begann er diesen Tag wie jeden anderen. Er wusch sich, zog sich<br />

an, nahm sein Frühstück ein und verließ das Haus, um mit dem Schulbus in die<br />

Schule zu fahren. Er hatte dies Erlebnis erst einmal verdrängt.<br />

In der Klasse saßen bereits alle auf ihren Plätzen, als Herr Krüger das<br />

Klassenzimmer betrat, einen guten Morgen wünschte und die Schüler bat kurz<br />

zuzuhören, da er etwas zu verkünden hätte. Er begann:<br />

“Wir haben Hochsommer, die großen Ferien fangen bald an, alle Schüler<br />

schaffen den Klassenwechsel und da habe ich mir gedacht, wir könnten auch<br />

mal einen Tag pausieren. Anstatt die Schulbänke nass zu schwitzen, würde ich<br />

gern mit euch eine Waldwanderung unternehmen. Was haltet ihr davon?“<br />

Die Klasse fing an zu jubeln, ihnen war alles recht, was bei diesem Wetter nichts<br />

mit Schule zu tun hatte.<br />

„Das sehe ich als Zustimmung“, sprach Herr Krüger weiter, „also, bringt<br />

morgen statt der Bücher einen Rucksack mit Proviant mit und dann geht es auf.“<br />

Für <strong>Kai</strong> war dies eine richtige Belohnung, wo ihm der Wald doch so viel<br />

bedeutete. Aber das ging niemand etwas an.<br />

Die Wanderung<br />

Wie vereinbart trafen sich alle Schüler, und natürlich Herr Krüger, am nächsten<br />

Morgen vor der Schule. Damit alles ein bisschen geordnet vonstatten ging,<br />

stellten sie sich in Zweierreihen auf und dann ging es auch schon los.


Herr Krüger hatte einen Weg ausgesucht, der an Feldern vorbei in den Wald<br />

führte. Es war gar nicht leicht die Truppe immer zusammenzuhalten, da ein paar<br />

der Jungen meinten, sich in freier Natur auch frei bewegen zu müssen. Sie<br />

rannten über die Felder, egal ob die Pflanzungen darunter litten oder<br />

beschmissen sich mit Erdklumpen. Die Mädchen waren da schon gesitteter.<br />

Herr Krüger rief sie dann wieder zur Ordnung, bis zum nächsten Mal.<br />

Schließlich kamen aber alle unversehrt am Waldesrand an.<br />

Hier mahnte der Lehrer noch einmal eindringlich, dass keiner die Gruppe<br />

verlassen darf und im Wald niemand Zweige von den Bäumen abbrechen, oder<br />

Pflanzen beschädigen soll. Nach diesen Worten betraten sie den Wald.<br />

Natürlich fanden diese Worte nicht bei allen Wirkung. Es wurden Blätter<br />

abgerissen, Pilze niedergetreten, ja, sogar Initialen in einen Baum geritzt.<br />

Dies alles geschah aber nur, wenn Herr Krüger nicht schaute.<br />

<strong>Kai</strong> war zum Heulen zumute, aber er ließ es sich nicht anmerken. Das Herz blieb<br />

ihm aber fast stehen, als er sah, wie drei seiner Mitschüler einen Salamander<br />

fingen und ihn in eine leere Frühstücksbox packten. Sie schmissen noch schnell<br />

ein paar Blätter hinein und verstauten die Box im Rucksack.<br />

„Was wollt ihr mit dem Salamander?“ fragte <strong>Kai</strong>.<br />

„Mal seh´n“, kam zur Antwort, „den gucken wir uns zu Hause erst mal genau<br />

an.“<br />

Daraufhin gingen die drei weiter und ließen <strong>Kai</strong> einfach stehen.<br />

<strong>Kai</strong> war froh als der Ausflug beendet war und er im Schulbus nach Hause fuhr.<br />

Beim Mittagessen konnte er seine Ungeduld schwer verbergen. Hastig aß er<br />

seinen Teller leer und fragte seine Mutter:<br />

“Mutti, darf ich noch ein bisschen nach draußen? Es ist so ein schöner Tag.“<br />

„Ich dachte du hättest heute genug vom Wandern, aber wenn du unbedingt<br />

möchtest. Sei aber um 19.00 Uhr spätestens wieder zu Hause.“ erlaubte es die<br />

Mutter und <strong>Kai</strong> war auch schon weg.<br />

So schnell er konnte rannte er zum Wald, setzte sich unter den Baum, schloss<br />

die Augen und dachte intensiv an das Elfenland. Wie jedes Mal erwachte er<br />

wieder bei den Elfen.<br />

„Serafina, Serafina!“ hörte man ihn rufen.<br />

Als sie erschien, sprach er aufgeregt weiter:<br />

“Stell´ dir vor, bei der heutigen Waldwanderung, die die Klasse unternommen<br />

hat, haben doch tatsächlich ein paar Schüler einen Salamander gefangen. Was,<br />

wenn es eine eurer Elfen war?“<br />

„Nun beruhige dich doch erst einmal <strong>Kai</strong>. Nicht jedes Tier ist eine verwandelte<br />

Elfe.“ beschwichtigte Serafina ihn. „Aber lieb von dir, dass du dir Sorgen<br />

machst. Damit wir aber ganz sicher sind, frage ich gleich bei den Elfen, die<br />

heute Aufsicht haben, nach.“


Es dauerte auch nicht lange, da hatte Serafina die gewünschten Informationen<br />

und tatsächlich fehlte Floh. Floh war ein kleiner Elf, der gern herumsprang,<br />

darum auch der Name. Verwunderlich wäre es auch nicht, wenn er sich in einen<br />

Frosch oder ein ähnliches Tier verwandelt hätte. Jetzt kam doch eine gewisse<br />

Unruhe auf und die Suche begann.<br />

Hinter jeden Zweig, jeden Halm und jedem Grasbüschel wurde geschaut, aber<br />

keine Spur von Floh.<br />

Ein ganzer Elfenschwarm war unterwegs, um nach dem kleinen Ausreißer<br />

Ausschau zu halten.<br />

Auf einem Seerosenblatt fand man ihn schließlich. Er lag da und ließ es sich auf<br />

dem Blatt, das durch die Bewegung des Wassers hin- und herwiegte, gut gehen.<br />

Er verstand überhaupt nicht, was alle von ihm wollten. Er hatte ja nichts<br />

angestellt. Er war nur nicht zur richtigen Zeit am richtigen Platz.<br />

Alle waren sehr froh und erleichtert, dass <strong>Kai</strong>s Verdacht sich nicht bestätigt<br />

hatte und sie waren glücklich, dass er auf sie aufpasste und ihnen zur Seite<br />

stand. So sollte es sein.<br />

Jetzt auch sichtlich erschöpft, verabschiedete <strong>Kai</strong> sich bald von den Elfen und<br />

vergaß dabei ganz Serafina zu fragen, ob der Traum etwas mit der Überraschung<br />

zu tun hatte?<br />

Wieder daheim wollte <strong>Kai</strong> dann nur noch Abendbrot essen und schnell ins Bett.<br />

Ein zweiter Kristall<br />

Als sich am nächsten Tag alle Schüler in der Klasse versammelt hatten, konnte<br />

<strong>Kai</strong> nicht umhin die drei zu fragen, was sie mit dem Salamander gemacht hatten.<br />

Sie antworteten ihm, dass er ihnen entkam, als sie die Brotschachtel geöffnet<br />

haben. Nun war <strong>Kai</strong> zufrieden und insgeheim freute er sich und dachte, wie<br />

schlau doch die Tiere sind. So hat sich alles wieder zum Guten gewandt.<br />

Der Tag verlief normal ohne Vorkommnisse. <strong>Kai</strong> hatte am Nachmittag einige<br />

Hausaufgaben zu erledigen, telefonierte dann noch mit Markus und beschloss,<br />

heute mal nicht fortzugehen. Später gesellte er sich noch zu seinen Eltern und<br />

sie ergriffen die Gelegenheit zu einem gemütlichen Spieleabend. Mensch ärgere<br />

dich nicht war angesagt. So haben sie schon lange nicht mehr beisammen<br />

gesessen und alle fanden am Schluss, dass es eine gute Idee war.<br />

Obwohl dieser Tag nichts Außergewöhnliches hatte, war <strong>Kai</strong> ziemlich müde und<br />

schlief auch bald ein.


Da es Sommer war und die Abende ein bisschen Abkühlung versprachen,<br />

blieben die Fenster in <strong>Kai</strong>s Zimmer geöffnet.<br />

Serafina nutzte diese Gelegenheit, um <strong>Kai</strong> nochmals ins Traumland zu schicken.<br />

Er befand sich vor einer alten Burg und trug eine Rüstung, ebenso, wie all die<br />

Ritter, die auf dem Burggelände zu sehen waren.<br />

Allesamt waren es Drachentöter und <strong>Kai</strong> befand sich mittendrin, in den<br />

Vorbereitungen für eine Jagd.<br />

Von einem der Ritter erfuhr er, dass sich im Wald, der an die Burg angrenzte,<br />

ein riesengroßes Exemplar von Drachen aufhielt, der die Menschen in Angst und<br />

Schrecken versetzte, weil er mit dem Feuer das er ausstieß, Waldflächen<br />

abbrannte. Die Leute hatten Angst, dass es bis zur Siedlung vordringen könnte<br />

und um dies zu vermeiden, musste er unschädlich gemacht werden.<br />

Hoch zu Ross zog der Trupp los.<br />

Tatsächlich waren große Schneisen im Wald sichtbar. Plötzlich entdeckten sie<br />

den Drachen auf einem Hügel. Mit Pfeil und Bogen versuchten sie ihn zu<br />

treffen, aber er zog sich hinter den Hügel zurück und war verschwunden.<br />

Nun ging es zu Fuß weiter. Die Gruppe trennte sich und jeder ging in eine<br />

andere Richtung um zu gewährleisten, dass das gesamte Gebiet durchsucht<br />

wurde.<br />

Aus einer Höhle an der <strong>Kai</strong> vorbeikam, hörte er ein hektisches Schnaufen. Er<br />

schaute genauer nach und entdeckte hier drin den Drachen.<br />

Zusammengekauert und zitternd lag er da und stellte so gar keine Bedrohung<br />

dar. Er fing an zu wimmern als er <strong>Kai</strong> sah und bettelte:<br />

“Tu´ mir bitte nichts, ich habe nichts Böses getan. Die Menschen werden erst im<br />

Nachhinein erkennen, dass ich ihnen geholfen habe. Aber dann haben sie mich<br />

schon getööötet.“<br />

Er fing an zu weinen und zu jammern.<br />

<strong>Kai</strong> beruhigte ihn erst einmal und versprach:<br />

„Von mir hast du nichts zu befürchten, aber erzähle mir, warum du im Wald die<br />

Feuer gelegt hast?“<br />

Der Drachen begann:<br />

„Das Volk wird in naher Zukunft von dem Nachbarland angegriffen, weil dieser<br />

König gierig ist und dieses Land für sich erobern will. Hätte der Wald seine<br />

Dichte behalten, könnten die Krieger aus dem Hinterhalt angreifen und die<br />

Bewohner hätten keine Chance. Durch die Lichtungen die im Wald entstanden<br />

sind, haben die Gegner nun keine Möglichkeit mehr unbeobachtet zu bleiben.<br />

Sie werden rechtzeitig entdeckt, der Überfall kann vermieden und eine<br />

Eroberung des Landes abgewehrt werden.<br />

Aber, aber“, stammelte der Drachen, „jetzt werden sie mich töööööten.“ und<br />

fing wieder an zu weinen.


Behutsam legte <strong>Kai</strong> seine Hand auf den großen Drachenkopf und sagte: „Hab´<br />

keine Angst, ich werde dich nicht verraten. Verhalte dich nur ganz ruhig in<br />

deinem Versteck. Ich werde dann sagen, dass hier nichts zu finden ist und wenn<br />

alle wieder fort sind, kannst du beruhigt weiterziehen.“<br />

Der Drachen konnte sein Glück gar nicht fassen und als Dank gab er <strong>Kai</strong> einen<br />

rot leuchtenden Kristall.<br />

„Der ist für dich, weil du mir hilfst. Hebe ihn gut auf. Eines Tages wirst du ihn<br />

brauchen.“<br />

Sie hörten die anderen Ritter nahen und <strong>Kai</strong> verließ die Höhle. Wie besprochen<br />

sagte er nichts gefunden zu haben und alles trat nun ein, wie es vorgesehen war.<br />

Auch als <strong>Kai</strong> dieses Mal aus dem Traum erwachte, lag der Kristall als Stein<br />

neben ihm auf dem Tischchen. Wie auch beim ersten Mal legte er ihn zu dem<br />

anderen Stein ins Regal.<br />

Im Augenblick hatte er noch keine Vorstellung, was das alles bedeuten könnte,<br />

aber bald sollte er es wissen.


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