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Delir und Delirmanagement

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Leitthema<br />

auch mit dem medizinischen Personal zu<br />

kommunizieren.<br />

DDEine weitere entscheidende<br />

Komponente ist die Sicherstellung<br />

der zeitlichen Orientierung.<br />

Hier helfen bereits einfache Maßnahmen<br />

wie die sichtbare Platzierung von großen<br />

Uhren im Patientenzimmer <strong>und</strong> eine<br />

klare <strong>und</strong> verständliche Kommunikation<br />

des Pflegepersonals mit dem Patienten<br />

[26].<br />

Förderung der geistigen Aktivität<br />

der Patienten <strong>und</strong> Schulung des<br />

medizinischen Pflegepersonals<br />

Gerade bei langwierigen Aufenthalten<br />

auf der Intensivstation unterliegen die<br />

Patienten sehr rasch einer ausgeprägten<br />

Monotonie. Dies resultiert bereits kurzfristig<br />

in einer deutlichen Abnahme der<br />

geistigen Anforderungen <strong>und</strong> damit<br />

der Kognition. Verstärkend wirkt die<br />

begleitende Analgosedierung, die bei<br />

Intensivpatienten vielfach besteht. Sie verursacht<br />

eine zusätzliche Beeinträchtigung<br />

der Kognition <strong>und</strong> des Denkvermögens<br />

[26].<br />

In diesem Zusammenhang sind<br />

insbesondere die regelmäßige Kommunikation<br />

zwischen dem Intensivpatienten<br />

<strong>und</strong> dem behandelnden ärztlichen<br />

<strong>und</strong> pflegerischen Personal von entscheidender<br />

Bedeutung. Hier scheinen<br />

auch ein entsprechendes Training <strong>und</strong><br />

Schulungen des pflegerischen Personals<br />

im Erkennen <strong>und</strong> adäquaten Umgang mit<br />

<strong>Delir</strong>patienten eine wichtige Komponente<br />

zu sein. In der Literatur werden verschiedene<br />

Möglichkeiten von Schulungsmaßnahmen<br />

des medizinischen Personals<br />

in Bezug auf die Erkennung, Prävention<br />

<strong>und</strong> Therapie des <strong>Delir</strong>s beschrieben<br />

[29]. Pflegekräfte sollten im Umgang mit<br />

Patienten <strong>und</strong> <strong>Delir</strong> dahingehend trainiert<br />

werden, dass sie in der Kommunikation<br />

repetitiv Ort <strong>und</strong> Zeit, den aktuellen<br />

individuellen Behandlungsplan <strong>und</strong> den<br />

aktuellen klinischen Status des Patienten<br />

verbalisieren [26].<br />

Förderung des<br />

Tag-Nacht-Rhythmus<br />

Die Vielzahl an diagnostischen <strong>und</strong><br />

therapeutischen Interventionen auf<br />

einer Intensivstation ist abgekoppelt vom<br />

eigentlichen Tag-Nacht-Rhythmus. Dies<br />

trägt ganz wesentlich zu einer Beeinträchtigung<br />

bzw. Aufhebung des physiologischen<br />

Tag-Nacht-Rhythmus bei.<br />

Zum Tragen kommen v. a. die nächtlichen<br />

Störungen durch helle <strong>und</strong> ständig<br />

wechselnde Lichteinflüsse sowie die hohe<br />

Geräuschbelastung auf der Intensivstation<br />

durch intensivmedizinische Maßnahmen,<br />

nächtliche Neuaufnahmen oder Notfallsituationen.<br />

Einfache, aber sehr effektive Maßnahmen,<br />

wie das Tragen von Augenmasken<br />

<strong>und</strong> Ohrstöpseln während<br />

des regulären Nachtintervalls, können<br />

zu einer deutlichen Verbesserung der<br />

Schlafqualität <strong>und</strong> einer Verlängerung<br />

der Rapid-eye-movement(REM)-<br />

Schlafphasen führen [31–33]. Darüber<br />

hinaus ist auch eine Selbstdisziplinierung<br />

des intensivmedizinischen Personals mit<br />

Vermeidung einer zu großen Gesprächslautstärke<br />

<strong>und</strong> Ausschaltung unnötiger<br />

Hintergr<strong>und</strong>geräusche erforderlich [26].<br />

Auf der Basis der aktuellen Leitlinienempfehlungen<br />

<strong>und</strong> der derzeit vorhandenen<br />

Literatur sollten entsprechende<br />

Protokolle in Bezug auf nichtpharmakologische<br />

Maßnahmen des <strong>Delir</strong>s definitiv<br />

die frühzeitige Mobilisierung, die<br />

kognitive Stimulation, die Reorientierung<br />

<strong>und</strong> Schulungsmaßnahmen für das<br />

Pflegepersonal enthalten.<br />

Analgosedierung<br />

Speziell im intensivmedizinischen Bereich<br />

sollten sich die Bestrebungen, die<br />

Inzidenz des <strong>Delir</strong>s <strong>und</strong> die <strong>Delir</strong>dauer<br />

zu reduzieren, v. a. auf Fortschritte in<br />

der Analgosedierung <strong>und</strong> des Analgosedierungsmonitorings<br />

sowie des<br />

modernen Beatmungsmanagements<br />

konzentrieren. In diesem Zusammenhang<br />

wurde für Strategien wie den<br />

„spontaneous awakening trial“ (SAT;<br />

[34]) <strong>und</strong> die „spontaneous awakening/<br />

spontaneous breathing trials“ (SAT/<br />

SBT; [35]) gezeigt, dass eine ziel- <strong>und</strong><br />

bedarfsadaptierte Analgosedierung<br />

verb<strong>und</strong>en mit dem Einsatz von<br />

Spontanatmungsverfahren zu einer<br />

Reduktion der Gesamtbeatmungs- <strong>und</strong><br />

Hospitalisierungszeiten von Intensivpatienten<br />

beitragen kann.<br />

Im Vordergr<strong>und</strong> sollte einerseits eine<br />

dominante Analgesie <strong>und</strong> andererseits<br />

die Vermeidung von Stress <strong>und</strong> Angst<br />

durch optimierte nichtpharmakologische<br />

Maßnahmen stehen [1]. Die Sedierungstherapie<br />

sollte zum Einsatz kommen,<br />

wenn Patienten unter diesen Maßnahmen<br />

weiter unruhig <strong>und</strong> gestresst<br />

sind oder wenn sie Halluzinationen bzw.<br />

psychotische Symptome aufweisen. Eine<br />

Übersedierung muss dann unbedingt<br />

vermieden werden [1]. Die Kombination<br />

dieser für Intensivpatienten evidenzbasierten<br />

Schritte mit weiteren Maßnahmen<br />

der frühen Mobilisierung <strong>und</strong><br />

Bewegung kann entscheidend auch zur<br />

Reduktion der <strong>Delir</strong>rate <strong>und</strong> <strong>Delir</strong>dauer<br />

bei Intensivpatienten beitragen [1, 25]<br />

Pharmakologische Therapie<br />

Bei der medikamentösen Therapie des<br />

<strong>Delir</strong>s sollte man a priori zwei Kategorien<br />

unterscheiden: die präventive Medikation<br />

zur Verminderung des Auftretens eines<br />

<strong>Delir</strong>s <strong>und</strong> die gezielte Medikation bei<br />

Patienten mit einem <strong>Delir</strong>.<br />

In einer Studie an chirurgischen<br />

Patienten mit Hüftoperation reduzierten<br />

sich unter prophylaktischer Therapie<br />

mit Haloperidol der Schweregrad <strong>und</strong><br />

die Dauer des <strong>Delir</strong>s [36]. Ebenso gibt es<br />

Studien, die bei elektiven Operationen<br />

eine Verminderung der <strong>Delir</strong>inzidenz<br />

durch die Verwendung des Neuroleptikums<br />

Haloperidol oder Risperidon in<br />

niedriger Dosis zeigen. Allerdings ist fraglich,<br />

ob sich diese Ergebnisse auf eine allgemeine<br />

intensivmedizinische Population<br />

übertragen lassen [37, 38].<br />

DDDie Wahl des Sedativums hat Einfluss<br />

auf die Entstehung eines <strong>Delir</strong>s.<br />

Neuere Studien belegen die Überlegenheit<br />

des kurz wirksamen, α-agonistischen<br />

Dexmedetomidins gegenüber Sedierungsstandards<br />

mit Benzodiazepinen bezüglich<br />

der Reduktion des <strong>Delir</strong>s auf<br />

Intensivstationen. So zeigte Riker [39]<br />

im Jahr 2009, dass die Verwendung von<br />

18 | Medizinische Klinik - Intensivmedizin <strong>und</strong> Notfallmedizin 1 · 2016

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