Nulltoleranz im Verkehr - Sucht Schweiz
Nulltoleranz im Verkehr - Sucht Schweiz
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Je mehr Menschen <strong>im</strong><br />
Ausgang zu viel trinken,<br />
desto höher ist die Zahl<br />
der <strong>Verkehr</strong>sunfälle.<br />
Foto: Sieber<br />
Studie:<br />
G. Gmel, J.-L. Heeb,<br />
L. Rezny, J. Rehm,<br />
M. Mohler-Kuo:<br />
Drinking patterns and<br />
traffic casualities in<br />
Switzerland: matching<br />
survey data and police<br />
records to design<br />
preventive action.<br />
Journal of the Royal<br />
Institute of Public Health,<br />
(<strong>im</strong> Druck).<br />
Gelegentlich ein Glas zu viel kann fatale<br />
Folgen haben<br />
Dass Fahren in angetrunkenem Zustand zu Unfällen führen kann, ist längst bekannt. Unklar war bisher, wer diese<br />
<strong>Verkehr</strong>sunfälle verursacht. Eine neue SFA-Studie zeigt nun, dass nicht die chronischen Vieltrinker für die Mehrheit<br />
der Unfälle am Wochenende sorgen, sondern die grosse Gruppe derer, die bloss <strong>im</strong> Ausgang gelegentlich ein Glas<br />
zu viel trinkt. Von Janine Messerli und Mathias Morgenthaler<br />
Im vergangenen Jahr kamen laut Bundesamt für Statistik<br />
546 Personen bei <strong>Verkehr</strong>sunfällen ums Leben.<br />
Bei einem Fünftel davon war der Unfall alkoholbedingt.<br />
Bei jedem zehnten der 23 840 Unfälle mit Personenschaden<br />
war Alkohol <strong>im</strong> Spiel. Diese Zahlen<br />
zeigen eindrücklich, dass Fahren in angetrunkenem<br />
Zustand schwerwiegende Folgen haben kann. Unklar<br />
war bis anhin, wer die Unfälle verursacht. Sind es –<br />
wie bisher oft angenommen – vor allem die chronischen<br />
Vieltrinker oder sind es jene, die meist mässig<br />
trinken und nur bei gewissen Gelegenheiten über die<br />
Stränge schlagen? Ältere Studien geben meist bloss<br />
Auskunft über den Blutalkoholgehalt von <strong>im</strong> <strong>Verkehr</strong><br />
Verunfallten. Über den Zusammenhang von Trinkmustern<br />
und <strong>Verkehr</strong>sunfällen gab es bisher in der<br />
<strong>Schweiz</strong> keine Untersuchung.<br />
Wochenendkonsum sorgt für Unfälle<br />
Die neue Studie von Gerhard Gmel, Leiter der Forschungsabteilung<br />
der Stiftung SFA, zeigt nun erstmals<br />
den Zusammenhang von Trinkmustern und alkoholbedingten<br />
<strong>Verkehr</strong>sunfällen auf. Gmel und seine<br />
Ko-Autoren liessen 747 zufällig ausgewählte Personen,<br />
die Alkohol konsumieren, während sieben Tagen<br />
ein Trinktagebuch führen. Die Teilnehmenden mussten<br />
notieren, wie viel Alkoholisches sie an welchen<br />
Tagen und zu welcher Tageszeit konsumierten und ob<br />
sie zuhause oder auswärts tranken. Ihrem Alkoholkonsum<br />
gemäss wurden sie in verschiedene Konsumgruppen<br />
eingeteilt: Ein Mann, der täglich vier und<br />
mehr alkoholische Standarddrinks, also z.B. vier Deziliter<br />
Wein, konsumiert, gilt als «usual heavy drinker»,<br />
also als chronischer Vieltrinker; bei Frauen reichen<br />
zwei Gläser, um zu dieser Kategorie zu gehören. Wer<br />
diese Menge nur bei einzelnen Gelegenheiten zu sich<br />
n<strong>im</strong>mt, ist ein «risky single occasion drinker», also ein<br />
ALKOHOL UND VERKEHRSUNFÄLLE<br />
episodischer Risikokonsument. Wer weniger als die<br />
angegebenen Mengen trinkt, gilt als mässiger Konsument<br />
(«usual light drinker» oder «occasional light drinker»).<br />
Die so gebildeten Konsumgruppen mit ihren<br />
entsprechenden Trinkmustern wurden dann mit der<br />
Statistik alkoholbedingter <strong>Verkehr</strong>sunfälle verglichen.<br />
«Bei der Auswertung zeigte sich eine sehr starke Korrelation<br />
zwischen der Zahl der episodischen Risikokonsumenten<br />
und der Anzahl und dem Zeitpunkt<br />
von alkoholbedingten <strong>Verkehr</strong>sunfällen», erklärt Forschungsleiter<br />
Gerhard Gmel. «Das heisst: Je mehr<br />
Menschen <strong>im</strong> Ausgang ein Glas zu viel trinken, desto<br />
höher ist die Zahl der Unfälle.» Am Wochenende sind<br />
es mehrheitlich die episodischen Risikokonsumenten,<br />
welche die vielen alkoholbedingten <strong>Verkehr</strong>sunfälle<br />
verursachen. An Werktagen dagegen, wo sich<br />
weit weniger alkoholbedingte Unfälle ereignen, sind<br />
hauptsächlich die chronischen Vieltrinker dafür verantwortlich.<br />
Im Wochendurchschnitt sind die episodischen<br />
Risikokonsumenten und die chronischen Vieltrinker<br />
etwa gleich häufig in Unfälle verwickelt.<br />
«Wer fährt, sollte nicht trinken»<br />
Laut Gerhard Gmel sind die Ergebnisse der Studie insofern<br />
erstaunlich, als sie zeigen, dass nicht pr<strong>im</strong>är<br />
die chronischen Vieltrinker oder Alkoholabhängigen<br />
für die meisten Unfälle am Wochenende sorgen, sondern<br />
eine Gruppe von Konsumierenden mit einem<br />
weit verbreiteten Trinkmuster: «Während der Woche<br />
nur wenig oder gar nichts zu trinken und dafür am<br />
Wochenende be<strong>im</strong> gemütlichen Zusammensein <strong>im</strong><br />
Restaurant ein, zwei Gläser zu viel, das ist ein Trinkmuster,<br />
das auf viele, insbesondere junge Menschen<br />
hierzulande zutrifft und das kaum jemand für problematisch<br />
hält», erklärt Gmel. Verschiedene neue Befragungen<br />
haben gezeigt, dass sich viele Menschen<br />
trotz ihres Alkoholkonsums anschliessend ans Steuer<br />
setzen.<br />
Die SFA-Studie macht deutlich, dass die Senkung der<br />
Promillegrenze auf 0,5 und die Einführung der verdachtsfreien<br />
Atemluftkontrollen sinnvolle und notwendige<br />
Massnahmen sind, um die Zahl der alkoholbedingten<br />
<strong>Verkehr</strong>sunfälle einzudämmen. Einen spürbaren<br />
Effekt haben diese Massnahmen aber wohl nur,<br />
wenn die Polizeikontrollen so häufig und gezielt durchgeführt<br />
werden, dass Partygänger damit rechnen<br />
müssen, auf dem He<strong>im</strong>weg kontrolliert zu werden.<br />
«Wer fährt, sollte nicht trinken», sagt SFA-Direktor<br />
Michel Graf, «deshalb ist es wichtig, dass schon vor<br />
dem Ausgang klar ist, wer sich auf dem Nachhauseweg<br />
ans Steuer setzt. Diese Person sollte von der<br />
ganzen Gruppe be<strong>im</strong> Verzicht auf Alkohol unterstützt<br />
werden».